Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. März 2016 - 11 S 1389/15

bei uns veröffentlicht am02.03.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung, eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage sowie gegen die im Laufe des Berufungsverfahrens getroffene Befristungsentscheidung des Beklagten.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen sieben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und zwei - beide deutsche Staatsangehörige - noch minderjährig sind, in der Bundesrepublik Deutschland. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24. Juni 1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. VG Minden, Urteil vom 08.02.1993 - 5 K 2522/91.A -). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. August 2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. November 2007 (- A 7 K 1100/06 -) aufgehoben. Seit dem 7. Oktober 1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels, seine Frau besitzt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitisch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 1993 wurden der PKK und der ERNK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdullah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10. Januar 2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1.000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in vier Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, vier Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers - mit einem Schnellfeuergewehr posierend, neben weiteren bewaffneten Personen - welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Bei der Durchsuchung wurde in der Wohnung des Klägers der türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit T., ein PKK-Funktionär, angetroffen.
Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 (5 KLs 500 Js 58139/06) wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Auf die schriftlichen Urteilsgründe wird zunächst verwiesen. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 8. April 2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. März 2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. November 2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
10 
Am 3. Januar 2013 hat der Kläger unter Stellung eines Antrags die Berufung begründet. Er bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
11 
Mit Bescheid vom 28. März 2013 hat der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise des Klägers befristet.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 - 1 K 929/12 - zu ändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27. März 2012 aufzuheben;
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hilfsweise: den Bescheid des Beklagten vom 28. März 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG bezeichneten Wirkungen der Ausweisung aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
17 
Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
18 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 4. April 2013 erklärte der Kläger, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 3. Dezember 2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpften. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990er-Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
19 
Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Mai 2013 das Verfahren ausgesetzt und gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung bei dem Gerichtshof der Europäischen Union eingeholt, die dieser mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, InfAuslR 2015, 357) beantwortet hat.
20 
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. August 2015 erneut Stellung genommen. Er meint, der Gerichtshof habe in seinem Urteil nochmals ausdrücklich bestätigt, dass es den einzelnen Mitgliedstaaten freistehe zu bestimmen, was die Begriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ nach ihren nationalen Bedürfnissen erforderten. Notwendig sei zu berücksichtigen, dass die PKK weiterhin als Terrororganisation gelistet sei und diese seit 2015 auch wieder terroristische Anschläge zu verantworten habe. Die Handlungen des Klägers erfüllten davon ausgehend die vom Gerichtshof aufgestellten und nicht abschließend zu verstehenden Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie auf der Grundlage der vom Senat schon vorgenommenen individuellen Würdigung. Dieser habe sich von der Unterstützung der PKK auch nicht distanziert, weswegen weiterhin von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers auszugehen sei, zumal dieser im Januar an einer PKK-Großveranstaltung in Paris und am 22. Dezember 2013 an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen habe, bei der vor ca. 1.000 Teilnehmern mehrere Redner aufgetreten und einschlägige Parolen skandiert worden seien, wie sich aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 30. Juli 2015 ergebe.
21 
Der Kläger bestreitet seine Teilnahme an beiden Veranstaltungen.
22 
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Beweisantrag gestellt: „Zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger am 22. Dezember 2013 bei einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim-Neckarau sowie am 12. Januar 2013 bei einer Großdemonstration von PKK-Anhängern in Paris anwesend war, wird beantragt, einen Zeugen vom Hörensagen, zu laden über das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, zu laden und zu befragen.“ Diesen hat der Senat abgelehnt.
23 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe über das Ausweisungsverfahren (3 Hefte), die ausländerrechtlichen Akten der Stadt Mannheim bezüglich des Klägers (2 Hefte), die Strafakten betreffend das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.208 - 5 KLs 500 Js 58139/06 - (1 Band Strafakten und 1 Band Vollstreckungsakten) und die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über das Klageverfahren wegen Widerrufs der Asylanerkennung - A 7 K 1100/06 - vor. Diese sind ebenso wie die Akten über das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht Karlsruhe - 1 K 929/12 - und über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 1 K 930/12 -, über das vorliegende Berufungsverfahren - 11 S 2336/12 -, über das Beschwerdeverfahren bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Verwaltungsgericht - 11 S 1437712 - und über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - 11 S 1987/12 - Gegenstand der mündlichen Verhandlungen am 4. April 2013 und am 2. März 2016 gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Auch die Berufung hinsichtlich der Befristungsentscheidung bleibt ohne Erfolg (II.).
I.
25 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
26 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 5; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1).
27 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung der Rechtsmäßigkeit des weiteren Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Die Ausweisung verstößt vorliegend auch nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln (5.).
28 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
29 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht. Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
30 
Der Kläger hat die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung, unterstützt (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
31 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 24, m. w. Nachw.). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert, „die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
32 
Nichts anderes wird der Sache nach durch die Definition des Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris) zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
33 
Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und unter anderem auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
34 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
35 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2015, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 26; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
36 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde und verweist im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 13. Januar 2016 (- 11 S 889/15 -, juris, Rn. 76 ff.), die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in dieser Sache waren.
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Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkers-party). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: Die PKK sehe sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Sie treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Es sei überraschend, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. Der Preis für Kritik an der PKK könne der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern oder Büros.
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Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
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Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
40 
Soweit der Kläger darauf abstellen will, dass die PKK in der Vergangenheit positiv im Entspannungsprozess in der Türkei gewirkt habe und es insbesondere der Politikwechsel des türkischen Präsidenten Erdogan sei, der die Situation erneut habe eskalieren lassen, führt dies für den Senat zu keiner anderen Einschätzung der PKK. Unbestritten gab es in der Vergangenheit beiderseitige Bemühungen um eine Entspannung, gleichwohl hat die PKK zu keinem Zeitpunkt ihr Selbstverständnis geändert und ihrer auch terroristischen Vorgehensweise abgeschworen. Eine heterogene Ausrichtung einer Vereinigung steht ihrer Qualifikation als terroristisch im Übrigen nicht entgegen. Es genügt, dass terroristische Mittel Teil ihrer politischen Agenda sind (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG, Rn. 31).
41 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger entfalteten Aktivitäten als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch aktuell vorgehalten werden dürfen, da er von diesen weder erkennbar noch glaubhaft Abstand genommen hat.
42 
Diese Aktivitäten des Klägers sind überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung überhaupt) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
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Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt hat, ohne hiervon erkennbar und glaubhaft Abstand genommen zu haben.
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Der Kläger sammelte in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Soweit der Kläger dies abgestritten hat, ist dies für den Senat nicht glaubhaft. Das Landgericht hat sich in seinen ausführlichen Urteilsgründen im Einzelnen mit den im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen auseinandergesetzt und ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass gerade der Kläger für die Eintreibung der Spenden für die PKK im Bezirk Mannheim zuständig und dabei unmittelbar dem Gebietsverantwortlichen der PKK unterstellt war. Es hat in seinen Urteilsgründen unter anderem das Folgende ausgeführt:
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„Im Übrigen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung folgende Angaben zur Sache gemacht:
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Er hat eingeräumt, 4 Exemplare der Zeitschrift Serxwebun von einem jungen Kurden erhalten zu haben, um diese an Interessierte abzugeben. Er sei Sympathisant der PKK, jedoch nicht deren Mitglied. Er habe nichts von den im Personalcomputer abgespeicherten Dateien gewusst und könne einen Computer auch nicht betätigen. Der Computer sei von seinem ältesten Sohn und seiner Ehefrau, die ihn auch bezahlt habe, angeschafft worden und habe allen Familienmitgliedern, vorwiegend jedoch seinem ältesten Sohn für dessen Schreibarbeiten, zur Verfügung stehen sollen. Auch die bei der Wohnungsdurchsuchung am 10.1.2007 aufgefundene handschriftliche Vorlage für ein Spendenformular habe er nicht gefertigt. Der in seiner Hosentasche aufgefundene Notizblock und der im Wohnzimmerschrank aufgefundene Notizzettel, der sich unter anderen ihm gehörenden Unterlagen befunden habe, könnten ihm gehören; vielleicht habe er auch die darin enthaltenen Aufschriebe gefertigt, wisse jedoch nicht mehr, was diese bedeuteten. Er habe ein Mobiltelefon, könne SMS-Nachrichten jedoch weder schreiben, noch öffnen.
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Die Kammer hält diese Einfassung bereits für unglaubhaft, soweit der Angeklagte behauptet hat, dass er seine Aufschriebe in dem Notizblock und auf dem Notizzettel nicht deuten könne. Zur Überzeugung der Kammer ist dies nicht ansatzweise nachvollziehbar, da die Aufschriebe in einfacher Gestaltung im Wesentlichen nur aus der Zuordnung von Zahlen zu aufgelisteten Namen bestehen und nicht sämtliche Aufschriebe älteren Datums gewesen sind, was die Kammer aus dem Umstand schließt, dass der Notizblock in der Hosentasche des Angeklagten aufgefunden worden ist. Zudem ist die Einlassung widerlegt und der Angeklagte zur Überzeugung der Kammer überführt.
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Hierbei waren folgende Erwägungen maßgeblich:
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a) Die Feststellungen zu den vom Gebietsverantwortlichen T. versendeten Rundschreiben per SMS am 26.7. und 27.7.2005, deren Inhalt und deren Empfänger ergeben sich zur Überzeugung der Kammer aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D.. Die in türkischer Sprache verfassten SMS-Rundschreiben sind von der vereidigten Dolmetscherin N. U. in die deutsche Sprache übersetzt worden, an deren fachlicher Kompetenz und Zuverlässigkeit die Kammer nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KHK D. keine Zweifel hat, der die von ihr schon seit vielen Jahren für seine Dienststelle erbrachten Übersetzungsleistungen als stets beanstandungsfrei bezeichnet hat.
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b) Dass der Angeklagte in gehobener Stellung zumindest dem Raumverantwortlichen für Mannheim direkt unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen T. gewesen ist, schließt die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen T. die beiden Rundschreiben per SMS erhalten hat und hiermit aufgefordert worden ist, dass er als einer der „Freunde, die für die Räume verantwortlich sind,...die Freunde, mit denen" er „zusammenarbeite, benachrichtigen" müsse und aus dem Umstand, dass - so der Zeuge KHK D. glaubhaft - bei der Polizeikontrolle des Gebietsverantwortlichen T. am 17.10.2005 aus den bei diesem sichergestellten Notizzetteln die Verantwortlichkeiten und telefonischen Erreichbarkeiten verschiedener Personen für die Räume des Gebietes Mannheim und speziell für den Raum Mannheim wie folgt notiert gewesen sind: „Mannheim: M. verantwortl. 0176…H. 0170… K. 0… Whg." Die zur Person H. angegebene Mobilfunknummer konnte nach den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D. eindeutig als Mobilfunknummer des Angeklagten ermittelt werden.
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c) Die Feststellungen über die bei der Wohnungsdurchsuchung außerhalb des vom ältesten Sohn A. bewohnten Zimmers aufgefundenen und sichergestellten Gegenstände ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KOK S.. Aus dem Auffindeort des kleinen Notizblocks in der Hosentasche des Angeklagten hat die Kammer geschlossen, dass er dem Angeklagten auch gehört. Gleiches gilt für den handschriftlich beschriebenen Notizzettel, der äußerlich in Format, Gestaltung und noch zu erkennender ursprünglicher Heftung mit den Blättern aus dem kleinen Notizblock identisch ist, in vergleichbarer Weise mit einer Liste von Namen und diesen zugeordneten Zahlen beschrieben ist und - so der Angeklagte in seiner Einlassung - im Wohnzimmerschrank bei weiteren ihm gehörenden Unterlagen gefunden worden ist. Die Feststellungen zum Durchsuchungsergebnis im vom ältesten Sohn bewohnten Zimmer, insbesondere dem am Arbeitsplatz um den Personalcomputer aufgefundenen Briefverkehr, zu den im Personalcomputer festgestellten und von der Zeugin KHK' in S. ausgedruckten Dateien und ihrem Erstellungsdatum, insbesondere des Vordrucks einer Spendenliste, der Auflistung der in Abschnitt II. B. festgestellten Spenden und der Lichtbilder vom Angeklagten im irakisch-türkischen Grenzgebiet aus dem Sommer 2006, ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen der Zeugin KHK' in S.. Aus deren glaubhaften, konkreten und originelle Einzelheiten enthaltenden Bekundungen rechtfertigt sich zur Überzeugung der Kammer auch der nachfolgend zu ziehende Schluss darauf, dass der älteste Sohn des Angeklagten A. zuletzt am 10.1.2007 um 00:32 Uhr im Personalcomputer einen neuen Vordruck einer Spendenliste hergestellt hat und ausdrucken wollte. Bei der Durchsuchung am 10.1.2007 gegen 6:10 Uhr hat im Zimmer des ältesten Sohnes A. - so die Zeugin KHK' in S. - auf der Tastatur zum Personalcomputer ein handschriftlich beschriebenes Blatt in tabellarischer Form gelegen, das sie habe beschlagnahmen wollen und daher zur Seite gelegt habe. Beim Hochfahren des ausgeschalteten Personalcomputers sei der Bildschirmhintergrund mit zahlreichen Büsten des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan voll gewesen, was durch eine gerichtliche Inaugenscheinnahme des vom Desktop gefertigten Lichtbildes bestätigt werden konnte. Des Weiteren seien ohne weitere Tastaturbefehle sofort drei Blätter ausgedruckt worden, worunter sich der in den eigenen Dateien am 10.1.2007 um 0:32 Uhr hergestellte Vordruck für eine Spendenliste befunden habe. Diesen habe A. dem Drucker entnommen, zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Bei einem Vergleich mit der ursprünglich auf der Tastatur liegenden handschriftlichen Vorlage habe sie feststellen können, dass diese und der ausgedruckte Vordruck in der Überschrift und in der Überschriftenzeile inhaltlich identisch gewesen seien. Gegen Ende der Durchsuchung habe A. die zur Seite gelegte handschriftliche Vorlage in einem unbeobachteten Moment zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Sie habe die noch auffindbaren Schnipsel mitgenommen, auf der Dienststelle zusammengesetzt und die so wieder-hergestellte handschriftliche Vorlage sowie 2 Ausdrucke des am 10.1.2007 um 00:32 Uhr am Personalcomputer erstellten Vordrucks für Spendenlisten als Beweismittel asserviert. Durch Inaugenscheinnahme dieser beiden Asservate sowie des auf dem Wohnzimmerschrank aufgefundenen Vordrucks für Spendenlisten konnte zur Überzeugung der Kammer bestätigt werden, dass alle drei Schriftstücke in Überschrift und Überschriftenzeile identisch gewesen sind. Dass es sich um einen Vordruck für Spendenlisten gehandelt hat, hat die Kammer aus den Bekundungen des Zeugen KOK S. über die von der auch der Kammer als zuverlässig bekannten Dolmetscherin A. für die ermittelnde Polizeidienststelle gefertigten Übersetzung der Überschrift und der Überschriftenzeile der Vordrucke geschlossen. Die Überschrift der Vordrucke lautete demnach „Mannheim 2006 Belegzählungsliste". Die erste Zeile, die die Überschriften für insgesamt 5 Spalten beinhaltet hat, wurde wie folgt zuverlässig übersetzt: „Bezirk"/„Beleg-Nummer"/„Beleg-Seriennummer" /„Betrag in EUR"/„offen Verlust". Die Zuverlässigkeit der Übersetzung wird durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen KOK S. weiter bestätigt, sie stimme im Wesentlichen mit der bereits zuvor vorgenommenen Übersetzung durch den türkisch-stämmigen Kollegen KOM I. überein.
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d) Dass der Angeklagte Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen und diese in seinem kleinen Notizblock handschriftlich verbucht hat, hat die Kammer aus dem festgestellten Inhalt dieser handschriftlichen Auflistungen geschlossen. Dieser Schluss wird bekräftigt durch das festgestellte politische Vorleben des Angeklagten, das nicht nur einen engagierten Einsatz für die kurdische Sache demonstriert, sondern sogar Kontakte zu aktiven Freiheitskämpfern im türkisch-irakischen Grenzgebiet. Des Weiteren äußert sich dieser Einsatz sogar in der bereits dargelegten gehobenen Stellung des Angeklagten im Raum Mannheim, wie sich aus den beiden an ihn adressierten SMS-Rundschreiben ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um die Auflistung von aus anderen Gründen von bestimmten Personen an den Angeklagten geleisteten Beträgen gehandelt hat, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich geworden.
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e) Dass der Angeklagte die zu II. B. festgestellten Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen, selbst oder durch seinen ältesten Sohn A. in der am 21.5.2006 am Computer erstellten Auflistung verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK abgeführt hat, hat die Kammer aus der weitreichenden Übereinstimmung dieser Auflistung mit den vom Angeklagten in seinem kleinen Notizblock handschriftlich gefertigten Spendenauflistungen geschlossen. Die Computerdatei enthält die im Sachverhalt dargestellten Namen in der linken Spalte, in einer weiteren Spalte Zahlen zwischen 10 und 30 und - allerdings nur 10 - weitere Spalten, die mit den Ziffern 1 bis 10 überschrieben und in den jeweiligen Namenszeilen unregelmäßig mit einem Plus-Zeichen versehen sind. Bestätigt wird dieser Schluss durch die übereinstimmenden und zuverlässigen Bekundungen der Zeugen KHK S. und KHK D., in zahlreichen früheren Verfahren über Spendenerhebungen von PKK-Aktivisten hätten sie solche oder ganz ähnliche Listen aufgefunden. Dass der Personalcomputer, in dem die Auflistung der festgestellten eingetriebenen Spenden erstellt worden ist, überwiegend vom ältesten Sohn des Angeklagten genutzt und dieser im Rahmen der Durchsuchung am 10.1.2007 dabei ertappt worden ist, wie er selbst in der Nacht zuvor einen Vordruck einer Spendenliste am Computer hergestellt hat, lässt Zweifel an der Aussagekraft der genannten Schlussfolgerung nicht aufkommen. Dass der Angeklagte entweder selbst oder jedenfalls A. im Auftrag des Angeklagten an dem Computer Arbeiten vorgenommen hat, schließt die Kammer daraus, dass auf der Festplatte auch die vom Angeklagten aufgenommenen Bilder seiner Reise ins türkisch-irakische Grenzgebiet im Sommer 2006 abgespeichert waren und der gesamte nicht unerhebliche Briefverkehr des und mit dem Angeklagten am Arbeitsplatz um den Computer herum aufgefunden worden ist. Die Kammer hat ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern A. für das Einsammeln der festgestellten Spenden allein oder zumindest überwiegend verantwortlich gewesen ist, weil in der Hosentasche des Angeklagten ein Notizblock mit Spendenlisten aufgefunden worden ist und sein ausgeprägtes politisches Vorleben und die Sendung der beiden SMS-Rundschreiben auf sein Handy den zweifelsfreien Schluss auf seine führende Rolle als PKK-Aktivist im Raum Mannheim gebietet.
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f) Dass der Angeklagte die vier bei ihm aufgefundenen Exemplare des Publikationsorgans Serxwebun nicht nur zur Abgabe an andere - wie er selbst eingeräumt hat -, sondern zum Verkauf erhalten hat, schließt die Kammer aus der mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Aufmachung der Zeitschrift als zentrales Publikationsorgan der PKK und dem als gerichtskundig festgestellten Umstand.“
55 
Diesen überzeugenden Ausführungen des Landgericht schließt sich der Senat an und macht sich diese zu eigen. Der Kläger hat sich im hiesigen Verfahren darauf beschränkt, diese Aktivitäten sowie jegliche konkrete Verbindung zur PKK pauschal zu bestreiten. Die im Zuge der Durchsuchungsmaßnahme aufgefundenen Fotos, die ihn mit einem Schnellfeuergewehr posierend zeigen, suchte er damit zu erklären, dass er die Waffe für die Fotos von ihm ansonsten nicht näher bekannten Kurden bekommen habe. Ihm sei danach gewesen und es habe sich bei der Reise in den Irak um eine „Pilgerreise“ gehandelt. Im Weiteren wollte er den Senat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 4. April 2013 ohne Erfolg glauben machen, die Anwesenheit des Herrn T. bei ihm zuhause bei der Durchsuchung, bei dem es sich ausweislich der Akte des Landgerichts um einen PKK-Funktionär handelt, sei rein zufällig gewesen, er wisse dessen Namen nicht, habe ihn nicht näher gekannt und er sei nur deshalb bei ihm gewesen, weil er diesen einmal in der Stadt getroffen und sich über seinen Sohn unterhalten habe, was bei Kurden üblich sei, weshalb er ihn zum Tee eingeladen habe. Er stellte, soweit es um seine Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 ging, wie sie in der Ausweisungsverfügung dargelegt wurden, diese zunächst nicht in Abrede, erklärte sodann jedoch in seiner Anhörung am 2. März 2016, nach der Gerichtsverhandlung in Karlsruhe 2008 an keinen solchen Veranstaltungen mehr teilgenommen zu haben.
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Diese Einlassungen des Klägers sind nicht nur lebensfremd und teilweise widersprüchlich, sondern auch mit Blick auf seine frühere langjährige Vereinstätigkeit in PKK-nahen Vereinigungen und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts schlicht unglaubhaft. Soweit er in der letzten mündlichen Verhandlung erklärte, dass er Gewaltanwendung nicht gut heiße, hat sich dies in seinem konkreten Tun nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil, sein Posieren mit einem Schnellfeuergewehr anlässlich einer „Pilgerreise“ in den Irak spricht eine andere Sprache. Es liegt für den Senat nach all dem fern, anzunehmen, der Kläger sei sich beim organisierten Sammeln von Geldern für die PKK und bei seinen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 nicht bewusst gewesen, damit auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen.
57 
Zur Überzeugung des Senats stehen daher eine Vielzahl von Umständen fest, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Kläger die PKK bewusst, gewollt, vorbehaltlos und durch das organisierte Spendensammeln in qualifizierter Weise unterstützt. Es verbietet sich dabei, die Schwere der Gefahr unter Außerachtlassung des terroristischen Kontexts zu bestimmen. Ohne ideologische, personelle und finanzielle Unterstützung lässt sich das Phänomen des Terrorismus und dessen spezifische Gefährlichkeit kaum adäquat erfassen, die von Haverkamp (ZStW 2011, 92 <94 f.>) zutreffend wie folgt umschrieben wird:
58 
„Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Gewalt stellt das gewählte Mittel zur Erreichung der politischen Vorstellungen dar. Dabei dient die mediale Aufmerksamkeit als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Terroristen und Publikum, letztere unterteilt in Angst erfüllte Dritte und in Sympathisanten. Auf diese Weise soll eine Reaktionsspirale ausgelöst werden, in der zum einen die Gegner Zugeständnisse machen (z.B. Austausch von Gefangenen) oder durch Demokratie aushöhlende Gegenmaßnahmen überreagieren und zum anderen Unterstützer gewonnen oder mobilisiert werden.“
59 
Gerade der finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen in organisierter Form und unter Einbindung in deren Struktur kommt in diesem Kontext besonderes Gewicht zu.
60 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition (so: Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 21) bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheitsresolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben (Bauer, a. a. O., Rn. 16, 21). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen.
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Denn das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre nur zu verneinen, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen würden, die der dargestellten gesetzlichen Festlegung einer Gefahr widersprechen oder die Gefahr beseitigen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
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Wenn nach der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften in einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung oder diesbezügliche Unterstützungshandlungen nur gestützt werden durfte, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten, genügte schon bislang ein rein passives Verhalten gleichwohl nicht, um die gegenwärtige Gefährlichkeit zu verneinen. Es bedurfte stets eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die eine erkennbare Distanzierung aus innerer Überzeugung glaubhaft zum Ausdruck brachte (Bauer, a. a. O., Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 30.7.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.5.2014 - 11 S 2224/13 -, juris). Selbst wenn man daher in der Neuregelung eine (materielle) Verschärfung und nicht nur eine Scharfzeichnung durch ausdrückliche Normierung des Ausnahmetabstandes des Abstandnehmens sehen will, dessen Voraussetzungen regelmäßig vom betroffenen Ausländer darzulegen sind, käme diese in vorliegendem Fall nicht zum Tragen. Denn auch dann, wenn man neben dem Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG weitere Gründe für eine Verneinung der Gefahr gerade in diesem Kontext anerkennen wollte, müsste es sich um solche handeln, die dem Ziel der Abstandnahmeklausel entsprechen, die vom Betroffenen ausgehende Gefahr verlässlich verneinen zu können. Daran ließe sich etwa in Fällen denken, in denen Unterstützungshandlungen lange Zeit zurückliegen und der Ausländer sich tatsächlich aus dem Umfeld der terroristischen Vereinigung eindeutig zurückgezogen hat oder er aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, unterstützend tätig zu sein (etwa aufgrund einer gravierenden Erkrankung o. ä.).
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So liegt der Fall hier jedoch nicht. Angesichts der unglaubhaften Einlassungen des Klägers, bei denen dieser gleichwohl seine ideologische Nähe zur PKK nicht verbergen konnte (Befragung am 4. April 2013 zu PKK-Fahnen, Fotos von Öcalan in seiner Wohnung: „Uns gefällt das ja auch, wir sind ja auch nicht dagegen“ … „Also in bin kein PKK’ler, aber ich mag als Kurde die PKK, ich stehe dahinter“ … „Also PKK’ler ist derjenige, der in den Bergen gegen den Feind kämpft. Wie soll ich PKK’ler sein, ich muss jeden Tag die Kinder zur Schule bringen und abholen usw. Ich muss einkaufen usw.“) ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK steht und seine Zurückhaltung hinsichtlich seiner Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet ist und daher keine Gewähr dafür besteht, dass er sich künftig nicht erneut aktiv für die PKK engagiert. Der Kläger hat daher weder glaubhaft und erkennbar von seinen Unterstützungshandlungen Abstand genommen noch liegen andere Umstände vor, die es zulassen würden, eine gegenwärtige und vom Kläger ausgehende Gefahr von erheblichem Gewicht zu verneinen.
64 
Darauf, ob der Kläger zuletzt im Januar 2013 an einer PKK-nahen Großveranstaltung in Paris und im Dezember 2013 an einer an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen hat, kommt es danach nicht mehr entscheidend an, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag des Beklagten schon deshalb nicht nachgekommen werden musste. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Beweisantrag überhaupt zulässig war, nachdem ein solcher nicht nur einen substantiierten Vortrag zu den unter Beweis gestellten Tatsachen voraussetzt (BGH, Urteil vom 29.08.1990 - 3 StR 184/90 -, NJW 1991, 435) und der Zeuge hinreichend individualisiert bezeichnet werden muss, sondern auch, dass konkrete und nachvollziehbare Angaben dazu erfolgen, aus welchem Grund der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beweistatsache bestätigen kann (BGH, Beschlüsse vom 3.11.2010 - 1 StR 497/10 -, NJW 2011, 1239 und vom 2.08.2000 - 3 StR 154/00 -, NStZ-RR 2001, 43; Urteil vom 28.11.1997 - 3 StR 114/97 -, NJW 1998, 1723 <1725>).
65 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
66 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Die Vorgaben sind in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 54; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus). Aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
67 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht, nachdem er in der Vergangenheit in Deutschland zu keinem Zeitpunkt abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann.
68 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
69 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) jedenfalls dem Grunde nach geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154) klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
70 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
71 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
72 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
73 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
74 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken, dass die konkreten vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründen, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
75 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
76 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
77 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
78 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27 der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
79 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland niemals einer solchen nachgegangen ist.
80 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk Mannheim). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m.w.N.).
81 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
82 
Nach alledem ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
83 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 55 AufenthG, Rn. 23; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
84 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
85 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 78) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 51) oder gar ein diesbezügliches „Punktesystem“ (so aber: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 29 a. E.).
86 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
87 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
88 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 26 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
89 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 95 ff. und Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m.w.N.).
90 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a.a.O.).
91 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war in Deutschland niemals erwerbstätig und ist von Beginn seines Aufenthalts in Deutschland an von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
92 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
93 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
94 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 58 ff.; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.; so wohl auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, ARB 1/80 Art. 13, Rn. 69 ff.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492; VG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016 - 27 K 2552/14 -, juris, Rn. 140 ff.).
95 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
96 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
97 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
98 
Der hilfsweise gestellte Antrag, die Wirkungen der Ausweisung aufzuheben, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieser Antrag ist als Klageerweiterung (dazu: Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124a VwGO, Rn. 51 a. E., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 24.02.1988 - IVb ZR 45/87 -, NJW-RR 1988, 1465) aufgrund des engen Sachzusammenhangs der Ausweisungsverfügung mit der darauf bezogenen Befristungsentscheidung zwar zulässig und sachdienlich - insbesondere steht § 124a Abs. 6 VwGO nicht entgegen -, aber nicht begründet. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beantragen, ohne dies näher zu begründen. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vortrags schließt der Senat, dass sich der Kläger insoweit darauf beruft, dass eine Gefahr von ihm nicht ausgehe. Dieser Auffassung folgt der Senat aus den schon dargestellten Gründen jedoch nicht. Im Übrigen hat der Kläger keine persönlichen oder sonstigen Umstände dargelegt, die die Befristungsentscheidung - etwa bezüglich der konkret festgesetzten Sperrfrist - in Frage stellen könnten und solche sind auch mit Blick auf das Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 (- 11 S 1857/15 -, juris) nicht ersichtlich.
99 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
100 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
101 
Beschluss vom 2. März 2016
102 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
103 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. August 2012 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Auch die Berufung hinsichtlich der Befristungsentscheidung bleibt ohne Erfolg (II.).
I.
25 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
26 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 5; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1).
27 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung der Rechtsmäßigkeit des weiteren Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Die Ausweisung verstößt vorliegend auch nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln (5.).
28 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
29 
Soweit in der Literatur vertreten wird, §§ 54, 55 AufenthG seien auf Personen, die dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 3 AufenthG unterfallen, nicht anwendbar (so: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 37), folgt der Senat dem nicht. Das Unionsrecht gebietet die Einhaltung des einschlägigen unionsrechtlichen Ausweisungsmaßstabs, die im neuen Ausweisungsrecht über § 53 Abs. 3 AufenthG sichergestellt wird, es gibt dem nationalen Gesetzgeber aber darüber hinaus die Ausgestaltung der Ausweisungsregelungen nicht vor. Insbesondere untersagt es keine nationalrechtliche Konkretisierung der ausweisungsrechtlichen Schutzgüter, die § 54 AufenthG n. F. durch die Vertypung der Ausweisungsinteressen leistet, indem die in § 53 Abs. 1 AufenthG vorgegebenen Schutzgüter ausgeformt und damit zugleich in einer Weise begrenzt werden, die sowohl die Vorhersehbarkeit der Folgen der Regelungen als auch deren gleich- und verhältnismäßige Handhabung gewährleisten soll. Es ist kein Grund ersichtlich, der es gebieten würde, diese Konkretisierungen außer Acht zu lassen. Die zugleich mit § 54 AufenthG erfolgende Gewichtung der Ausweisungsinteressen führt zu keinem Rechtsnachteil für die Betroffenen, da es gleichwohl stets einer konkreten Einzelfallprüfung in Bezug auf sämtliche den Fall prägenden Umstände bedarf (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Bauer, a.a.O., Rn. 7). In Bezug auf § 55 AufenthG gilt nichts anderes.
30 
Der Kläger hat die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung, unterstützt (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
31 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 24, m. w. Nachw.). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert, „die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
32 
Nichts anderes wird der Sache nach durch die Definition des Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP, ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris) zum Ausdruck gebracht (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
33 
Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und unter anderem auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
34 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris; Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
35 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2015, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 26; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
36 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde und verweist im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 13. Januar 2016 (- 11 S 889/15 -, juris, Rn. 76 ff.), die Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung in dieser Sache waren.
37 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkers-party). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: Die PKK sehe sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Sie treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Es sei überraschend, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. Der Preis für Kritik an der PKK könne der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern oder Büros.
38 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
39 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
40 
Soweit der Kläger darauf abstellen will, dass die PKK in der Vergangenheit positiv im Entspannungsprozess in der Türkei gewirkt habe und es insbesondere der Politikwechsel des türkischen Präsidenten Erdogan sei, der die Situation erneut habe eskalieren lassen, führt dies für den Senat zu keiner anderen Einschätzung der PKK. Unbestritten gab es in der Vergangenheit beiderseitige Bemühungen um eine Entspannung, gleichwohl hat die PKK zu keinem Zeitpunkt ihr Selbstverständnis geändert und ihrer auch terroristischen Vorgehensweise abgeschworen. Eine heterogene Ausrichtung einer Vereinigung steht ihrer Qualifikation als terroristisch im Übrigen nicht entgegen. Es genügt, dass terroristische Mittel Teil ihrer politischen Agenda sind (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; Bauer, a.a.O., § 54 AufenthG, Rn. 31).
41 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger entfalteten Aktivitäten als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch aktuell vorgehalten werden dürfen, da er von diesen weder erkennbar noch glaubhaft Abstand genommen hat.
42 
Diese Aktivitäten des Klägers sind überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung überhaupt) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
43 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt hat, ohne hiervon erkennbar und glaubhaft Abstand genommen zu haben.
44 
Der Kläger sammelte in den Jahren 2005 und 2006 in Kenntnis des Verbots der PKK Spenden für diese, um die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Soweit der Kläger dies abgestritten hat, ist dies für den Senat nicht glaubhaft. Das Landgericht hat sich in seinen ausführlichen Urteilsgründen im Einzelnen mit den im Zuge der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen auseinandergesetzt und ist danach zu der Überzeugung gelangt, dass gerade der Kläger für die Eintreibung der Spenden für die PKK im Bezirk Mannheim zuständig und dabei unmittelbar dem Gebietsverantwortlichen der PKK unterstellt war. Es hat in seinen Urteilsgründen unter anderem das Folgende ausgeführt:
45 
„Im Übrigen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung folgende Angaben zur Sache gemacht:
46 
Er hat eingeräumt, 4 Exemplare der Zeitschrift Serxwebun von einem jungen Kurden erhalten zu haben, um diese an Interessierte abzugeben. Er sei Sympathisant der PKK, jedoch nicht deren Mitglied. Er habe nichts von den im Personalcomputer abgespeicherten Dateien gewusst und könne einen Computer auch nicht betätigen. Der Computer sei von seinem ältesten Sohn und seiner Ehefrau, die ihn auch bezahlt habe, angeschafft worden und habe allen Familienmitgliedern, vorwiegend jedoch seinem ältesten Sohn für dessen Schreibarbeiten, zur Verfügung stehen sollen. Auch die bei der Wohnungsdurchsuchung am 10.1.2007 aufgefundene handschriftliche Vorlage für ein Spendenformular habe er nicht gefertigt. Der in seiner Hosentasche aufgefundene Notizblock und der im Wohnzimmerschrank aufgefundene Notizzettel, der sich unter anderen ihm gehörenden Unterlagen befunden habe, könnten ihm gehören; vielleicht habe er auch die darin enthaltenen Aufschriebe gefertigt, wisse jedoch nicht mehr, was diese bedeuteten. Er habe ein Mobiltelefon, könne SMS-Nachrichten jedoch weder schreiben, noch öffnen.
47 
Die Kammer hält diese Einfassung bereits für unglaubhaft, soweit der Angeklagte behauptet hat, dass er seine Aufschriebe in dem Notizblock und auf dem Notizzettel nicht deuten könne. Zur Überzeugung der Kammer ist dies nicht ansatzweise nachvollziehbar, da die Aufschriebe in einfacher Gestaltung im Wesentlichen nur aus der Zuordnung von Zahlen zu aufgelisteten Namen bestehen und nicht sämtliche Aufschriebe älteren Datums gewesen sind, was die Kammer aus dem Umstand schließt, dass der Notizblock in der Hosentasche des Angeklagten aufgefunden worden ist. Zudem ist die Einlassung widerlegt und der Angeklagte zur Überzeugung der Kammer überführt.
48 
Hierbei waren folgende Erwägungen maßgeblich:
49 
a) Die Feststellungen zu den vom Gebietsverantwortlichen T. versendeten Rundschreiben per SMS am 26.7. und 27.7.2005, deren Inhalt und deren Empfänger ergeben sich zur Überzeugung der Kammer aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D.. Die in türkischer Sprache verfassten SMS-Rundschreiben sind von der vereidigten Dolmetscherin N. U. in die deutsche Sprache übersetzt worden, an deren fachlicher Kompetenz und Zuverlässigkeit die Kammer nach den glaubhaften Ausführungen des Zeugen KHK D. keine Zweifel hat, der die von ihr schon seit vielen Jahren für seine Dienststelle erbrachten Übersetzungsleistungen als stets beanstandungsfrei bezeichnet hat.
50 
b) Dass der Angeklagte in gehobener Stellung zumindest dem Raumverantwortlichen für Mannheim direkt unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen T. gewesen ist, schließt die Kammer aus dem Umstand, dass der Angeklagte als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen T. die beiden Rundschreiben per SMS erhalten hat und hiermit aufgefordert worden ist, dass er als einer der „Freunde, die für die Räume verantwortlich sind,...die Freunde, mit denen" er „zusammenarbeite, benachrichtigen" müsse und aus dem Umstand, dass - so der Zeuge KHK D. glaubhaft - bei der Polizeikontrolle des Gebietsverantwortlichen T. am 17.10.2005 aus den bei diesem sichergestellten Notizzetteln die Verantwortlichkeiten und telefonischen Erreichbarkeiten verschiedener Personen für die Räume des Gebietes Mannheim und speziell für den Raum Mannheim wie folgt notiert gewesen sind: „Mannheim: M. verantwortl. 0176…H. 0170… K. 0… Whg." Die zur Person H. angegebene Mobilfunknummer konnte nach den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KHK D. eindeutig als Mobilfunknummer des Angeklagten ermittelt werden.
51 
c) Die Feststellungen über die bei der Wohnungsdurchsuchung außerhalb des vom ältesten Sohn A. bewohnten Zimmers aufgefundenen und sichergestellten Gegenstände ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen des Zeugen KOK S.. Aus dem Auffindeort des kleinen Notizblocks in der Hosentasche des Angeklagten hat die Kammer geschlossen, dass er dem Angeklagten auch gehört. Gleiches gilt für den handschriftlich beschriebenen Notizzettel, der äußerlich in Format, Gestaltung und noch zu erkennender ursprünglicher Heftung mit den Blättern aus dem kleinen Notizblock identisch ist, in vergleichbarer Weise mit einer Liste von Namen und diesen zugeordneten Zahlen beschrieben ist und - so der Angeklagte in seiner Einlassung - im Wohnzimmerschrank bei weiteren ihm gehörenden Unterlagen gefunden worden ist. Die Feststellungen zum Durchsuchungsergebnis im vom ältesten Sohn bewohnten Zimmer, insbesondere dem am Arbeitsplatz um den Personalcomputer aufgefundenen Briefverkehr, zu den im Personalcomputer festgestellten und von der Zeugin KHK' in S. ausgedruckten Dateien und ihrem Erstellungsdatum, insbesondere des Vordrucks einer Spendenliste, der Auflistung der in Abschnitt II. B. festgestellten Spenden und der Lichtbilder vom Angeklagten im irakisch-türkischen Grenzgebiet aus dem Sommer 2006, ergeben sich aus den zuverlässigen Bekundungen der Zeugin KHK' in S.. Aus deren glaubhaften, konkreten und originelle Einzelheiten enthaltenden Bekundungen rechtfertigt sich zur Überzeugung der Kammer auch der nachfolgend zu ziehende Schluss darauf, dass der älteste Sohn des Angeklagten A. zuletzt am 10.1.2007 um 00:32 Uhr im Personalcomputer einen neuen Vordruck einer Spendenliste hergestellt hat und ausdrucken wollte. Bei der Durchsuchung am 10.1.2007 gegen 6:10 Uhr hat im Zimmer des ältesten Sohnes A. - so die Zeugin KHK' in S. - auf der Tastatur zum Personalcomputer ein handschriftlich beschriebenes Blatt in tabellarischer Form gelegen, das sie habe beschlagnahmen wollen und daher zur Seite gelegt habe. Beim Hochfahren des ausgeschalteten Personalcomputers sei der Bildschirmhintergrund mit zahlreichen Büsten des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan voll gewesen, was durch eine gerichtliche Inaugenscheinnahme des vom Desktop gefertigten Lichtbildes bestätigt werden konnte. Des Weiteren seien ohne weitere Tastaturbefehle sofort drei Blätter ausgedruckt worden, worunter sich der in den eigenen Dateien am 10.1.2007 um 0:32 Uhr hergestellte Vordruck für eine Spendenliste befunden habe. Diesen habe A. dem Drucker entnommen, zerknüllt und in den Papierkorb geworfen. Bei einem Vergleich mit der ursprünglich auf der Tastatur liegenden handschriftlichen Vorlage habe sie feststellen können, dass diese und der ausgedruckte Vordruck in der Überschrift und in der Überschriftenzeile inhaltlich identisch gewesen seien. Gegen Ende der Durchsuchung habe A. die zur Seite gelegte handschriftliche Vorlage in einem unbeobachteten Moment zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Sie habe die noch auffindbaren Schnipsel mitgenommen, auf der Dienststelle zusammengesetzt und die so wieder-hergestellte handschriftliche Vorlage sowie 2 Ausdrucke des am 10.1.2007 um 00:32 Uhr am Personalcomputer erstellten Vordrucks für Spendenlisten als Beweismittel asserviert. Durch Inaugenscheinnahme dieser beiden Asservate sowie des auf dem Wohnzimmerschrank aufgefundenen Vordrucks für Spendenlisten konnte zur Überzeugung der Kammer bestätigt werden, dass alle drei Schriftstücke in Überschrift und Überschriftenzeile identisch gewesen sind. Dass es sich um einen Vordruck für Spendenlisten gehandelt hat, hat die Kammer aus den Bekundungen des Zeugen KOK S. über die von der auch der Kammer als zuverlässig bekannten Dolmetscherin A. für die ermittelnde Polizeidienststelle gefertigten Übersetzung der Überschrift und der Überschriftenzeile der Vordrucke geschlossen. Die Überschrift der Vordrucke lautete demnach „Mannheim 2006 Belegzählungsliste". Die erste Zeile, die die Überschriften für insgesamt 5 Spalten beinhaltet hat, wurde wie folgt zuverlässig übersetzt: „Bezirk"/„Beleg-Nummer"/„Beleg-Seriennummer" /„Betrag in EUR"/„offen Verlust". Die Zuverlässigkeit der Übersetzung wird durch die glaubhaften Bekundungen des Zeugen KOK S. weiter bestätigt, sie stimme im Wesentlichen mit der bereits zuvor vorgenommenen Übersetzung durch den türkisch-stämmigen Kollegen KOM I. überein.
52 
d) Dass der Angeklagte Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen und diese in seinem kleinen Notizblock handschriftlich verbucht hat, hat die Kammer aus dem festgestellten Inhalt dieser handschriftlichen Auflistungen geschlossen. Dieser Schluss wird bekräftigt durch das festgestellte politische Vorleben des Angeklagten, das nicht nur einen engagierten Einsatz für die kurdische Sache demonstriert, sondern sogar Kontakte zu aktiven Freiheitskämpfern im türkisch-irakischen Grenzgebiet. Des Weiteren äußert sich dieser Einsatz sogar in der bereits dargelegten gehobenen Stellung des Angeklagten im Raum Mannheim, wie sich aus den beiden an ihn adressierten SMS-Rundschreiben ergibt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um die Auflistung von aus anderen Gründen von bestimmten Personen an den Angeklagten geleisteten Beträgen gehandelt hat, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich geworden.
53 
e) Dass der Angeklagte die zu II. B. festgestellten Spenden selbst oder durch Hilfspersonen entgegengenommen, selbst oder durch seinen ältesten Sohn A. in der am 21.5.2006 am Computer erstellten Auflistung verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK abgeführt hat, hat die Kammer aus der weitreichenden Übereinstimmung dieser Auflistung mit den vom Angeklagten in seinem kleinen Notizblock handschriftlich gefertigten Spendenauflistungen geschlossen. Die Computerdatei enthält die im Sachverhalt dargestellten Namen in der linken Spalte, in einer weiteren Spalte Zahlen zwischen 10 und 30 und - allerdings nur 10 - weitere Spalten, die mit den Ziffern 1 bis 10 überschrieben und in den jeweiligen Namenszeilen unregelmäßig mit einem Plus-Zeichen versehen sind. Bestätigt wird dieser Schluss durch die übereinstimmenden und zuverlässigen Bekundungen der Zeugen KHK S. und KHK D., in zahlreichen früheren Verfahren über Spendenerhebungen von PKK-Aktivisten hätten sie solche oder ganz ähnliche Listen aufgefunden. Dass der Personalcomputer, in dem die Auflistung der festgestellten eingetriebenen Spenden erstellt worden ist, überwiegend vom ältesten Sohn des Angeklagten genutzt und dieser im Rahmen der Durchsuchung am 10.1.2007 dabei ertappt worden ist, wie er selbst in der Nacht zuvor einen Vordruck einer Spendenliste am Computer hergestellt hat, lässt Zweifel an der Aussagekraft der genannten Schlussfolgerung nicht aufkommen. Dass der Angeklagte entweder selbst oder jedenfalls A. im Auftrag des Angeklagten an dem Computer Arbeiten vorgenommen hat, schließt die Kammer daraus, dass auf der Festplatte auch die vom Angeklagten aufgenommenen Bilder seiner Reise ins türkisch-irakische Grenzgebiet im Sommer 2006 abgespeichert waren und der gesamte nicht unerhebliche Briefverkehr des und mit dem Angeklagten am Arbeitsplatz um den Computer herum aufgefunden worden ist. Die Kammer hat ausgeschlossen, dass nicht der Angeklagte, sondern A. für das Einsammeln der festgestellten Spenden allein oder zumindest überwiegend verantwortlich gewesen ist, weil in der Hosentasche des Angeklagten ein Notizblock mit Spendenlisten aufgefunden worden ist und sein ausgeprägtes politisches Vorleben und die Sendung der beiden SMS-Rundschreiben auf sein Handy den zweifelsfreien Schluss auf seine führende Rolle als PKK-Aktivist im Raum Mannheim gebietet.
54 
f) Dass der Angeklagte die vier bei ihm aufgefundenen Exemplare des Publikationsorgans Serxwebun nicht nur zur Abgabe an andere - wie er selbst eingeräumt hat -, sondern zum Verkauf erhalten hat, schließt die Kammer aus der mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Aufmachung der Zeitschrift als zentrales Publikationsorgan der PKK und dem als gerichtskundig festgestellten Umstand.“
55 
Diesen überzeugenden Ausführungen des Landgericht schließt sich der Senat an und macht sich diese zu eigen. Der Kläger hat sich im hiesigen Verfahren darauf beschränkt, diese Aktivitäten sowie jegliche konkrete Verbindung zur PKK pauschal zu bestreiten. Die im Zuge der Durchsuchungsmaßnahme aufgefundenen Fotos, die ihn mit einem Schnellfeuergewehr posierend zeigen, suchte er damit zu erklären, dass er die Waffe für die Fotos von ihm ansonsten nicht näher bekannten Kurden bekommen habe. Ihm sei danach gewesen und es habe sich bei der Reise in den Irak um eine „Pilgerreise“ gehandelt. Im Weiteren wollte er den Senat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 4. April 2013 ohne Erfolg glauben machen, die Anwesenheit des Herrn T. bei ihm zuhause bei der Durchsuchung, bei dem es sich ausweislich der Akte des Landgerichts um einen PKK-Funktionär handelt, sei rein zufällig gewesen, er wisse dessen Namen nicht, habe ihn nicht näher gekannt und er sei nur deshalb bei ihm gewesen, weil er diesen einmal in der Stadt getroffen und sich über seinen Sohn unterhalten habe, was bei Kurden üblich sei, weshalb er ihn zum Tee eingeladen habe. Er stellte, soweit es um seine Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 ging, wie sie in der Ausweisungsverfügung dargelegt wurden, diese zunächst nicht in Abrede, erklärte sodann jedoch in seiner Anhörung am 2. März 2016, nach der Gerichtsverhandlung in Karlsruhe 2008 an keinen solchen Veranstaltungen mehr teilgenommen zu haben.
56 
Diese Einlassungen des Klägers sind nicht nur lebensfremd und teilweise widersprüchlich, sondern auch mit Blick auf seine frühere langjährige Vereinstätigkeit in PKK-nahen Vereinigungen und unter Berücksichtigung der Ausführungen des Landgerichts schlicht unglaubhaft. Soweit er in der letzten mündlichen Verhandlung erklärte, dass er Gewaltanwendung nicht gut heiße, hat sich dies in seinem konkreten Tun nicht niedergeschlagen. Im Gegenteil, sein Posieren mit einem Schnellfeuergewehr anlässlich einer „Pilgerreise“ in den Irak spricht eine andere Sprache. Es liegt für den Senat nach all dem fern, anzunehmen, der Kläger sei sich beim organisierten Sammeln von Geldern für die PKK und bei seinen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bis ins Jahr 2011 nicht bewusst gewesen, damit auch deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen.
57 
Zur Überzeugung des Senats stehen daher eine Vielzahl von Umständen fest, die die Schlussfolgerung zulassen, dass der Kläger die PKK bewusst, gewollt, vorbehaltlos und durch das organisierte Spendensammeln in qualifizierter Weise unterstützt. Es verbietet sich dabei, die Schwere der Gefahr unter Außerachtlassung des terroristischen Kontexts zu bestimmen. Ohne ideologische, personelle und finanzielle Unterstützung lässt sich das Phänomen des Terrorismus und dessen spezifische Gefährlichkeit kaum adäquat erfassen, die von Haverkamp (ZStW 2011, 92 <94 f.>) zutreffend wie folgt umschrieben wird:
58 
„Die Herstellung von Öffentlichkeit durch Gewalt stellt das gewählte Mittel zur Erreichung der politischen Vorstellungen dar. Dabei dient die mediale Aufmerksamkeit als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Terroristen und Publikum, letztere unterteilt in Angst erfüllte Dritte und in Sympathisanten. Auf diese Weise soll eine Reaktionsspirale ausgelöst werden, in der zum einen die Gegner Zugeständnisse machen (z.B. Austausch von Gefangenen) oder durch Demokratie aushöhlende Gegenmaßnahmen überreagieren und zum anderen Unterstützer gewonnen oder mobilisiert werden.“
59 
Gerade der finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen in organisierter Form und unter Einbindung in deren Struktur kommt in diesem Kontext besonderes Gewicht zu.
60 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition (so: Bauer, a. a. O., § 54 AufenthG, Rn. 21) bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheitsresolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben (Bauer, a. a. O., Rn. 16, 21). Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen.
61 
Denn das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG wäre nur zu verneinen, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen würden, die der dargestellten gesetzlichen Festlegung einer Gefahr widersprechen oder die Gefahr beseitigen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
62 
Wenn nach der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften in einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung oder diesbezügliche Unterstützungshandlungen nur gestützt werden durfte, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten, genügte schon bislang ein rein passives Verhalten gleichwohl nicht, um die gegenwärtige Gefährlichkeit zu verneinen. Es bedurfte stets eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die eine erkennbare Distanzierung aus innerer Überzeugung glaubhaft zum Ausdruck brachte (Bauer, a. a. O., Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 30.7.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.5.2014 - 11 S 2224/13 -, juris). Selbst wenn man daher in der Neuregelung eine (materielle) Verschärfung und nicht nur eine Scharfzeichnung durch ausdrückliche Normierung des Ausnahmetabstandes des Abstandnehmens sehen will, dessen Voraussetzungen regelmäßig vom betroffenen Ausländer darzulegen sind, käme diese in vorliegendem Fall nicht zum Tragen. Denn auch dann, wenn man neben dem Abstandnehmen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG weitere Gründe für eine Verneinung der Gefahr gerade in diesem Kontext anerkennen wollte, müsste es sich um solche handeln, die dem Ziel der Abstandnahmeklausel entsprechen, die vom Betroffenen ausgehende Gefahr verlässlich verneinen zu können. Daran ließe sich etwa in Fällen denken, in denen Unterstützungshandlungen lange Zeit zurückliegen und der Ausländer sich tatsächlich aus dem Umfeld der terroristischen Vereinigung eindeutig zurückgezogen hat oder er aus tatsächlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, unterstützend tätig zu sein (etwa aufgrund einer gravierenden Erkrankung o. ä.).
63 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Angesichts der unglaubhaften Einlassungen des Klägers, bei denen dieser gleichwohl seine ideologische Nähe zur PKK nicht verbergen konnte (Befragung am 4. April 2013 zu PKK-Fahnen, Fotos von Öcalan in seiner Wohnung: „Uns gefällt das ja auch, wir sind ja auch nicht dagegen“ … „Also in bin kein PKK’ler, aber ich mag als Kurde die PKK, ich stehe dahinter“ … „Also PKK’ler ist derjenige, der in den Bergen gegen den Feind kämpft. Wie soll ich PKK’ler sein, ich muss jeden Tag die Kinder zur Schule bringen und abholen usw. Ich muss einkaufen usw.“) ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nach wie vor ideologisch vorbehaltlos hinter der PKK steht und seine Zurückhaltung hinsichtlich seiner Aktivitäten einzig dem Ausweisungsverfahren geschuldet ist und daher keine Gewähr dafür besteht, dass er sich künftig nicht erneut aktiv für die PKK engagiert. Der Kläger hat daher weder glaubhaft und erkennbar von seinen Unterstützungshandlungen Abstand genommen noch liegen andere Umstände vor, die es zulassen würden, eine gegenwärtige und vom Kläger ausgehende Gefahr von erheblichem Gewicht zu verneinen.
64 
Darauf, ob der Kläger zuletzt im Januar 2013 an einer PKK-nahen Großveranstaltung in Paris und im Dezember 2013 an einer an einer PKK-Gründungsfeier in Mannheim/Neckarau teilgenommen hat, kommt es danach nicht mehr entscheidend an, weshalb dem diesbezüglichen Beweisantrag des Beklagten schon deshalb nicht nachgekommen werden musste. Der Senat kann daher offen lassen, ob der Beweisantrag überhaupt zulässig war, nachdem ein solcher nicht nur einen substantiierten Vortrag zu den unter Beweis gestellten Tatsachen voraussetzt (BGH, Urteil vom 29.08.1990 - 3 StR 184/90 -, NJW 1991, 435) und der Zeuge hinreichend individualisiert bezeichnet werden muss, sondern auch, dass konkrete und nachvollziehbare Angaben dazu erfolgen, aus welchem Grund der Zeuge die in sein Wissen gestellte Beweistatsache bestätigen kann (BGH, Beschlüsse vom 3.11.2010 - 1 StR 497/10 -, NJW 2011, 1239 und vom 2.08.2000 - 3 StR 154/00 -, NStZ-RR 2001, 43; Urteil vom 28.11.1997 - 3 StR 114/97 -, NJW 1998, 1723 <1725>).
65 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
66 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Die Vorgaben sind in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen, wie sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 54; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus). Aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
67 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht, nachdem er in der Vergangenheit in Deutschland zu keinem Zeitpunkt abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann.
68 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
69 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) jedenfalls dem Grunde nach geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154) klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
70 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
71 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
72 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
73 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
74 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken, dass die konkreten vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründen, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
75 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
76 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
77 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
78 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27 der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
79 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland niemals einer solchen nachgegangen ist.
80 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk Mannheim). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m.w.N.).
81 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
82 
Nach alledem ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes (vgl. zu alledem VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/16 -, juris).
83 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 55 AufenthG, Rn. 23; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
84 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
85 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; VG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 78) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 51) oder gar ein diesbezügliches „Punktesystem“ (so aber: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 29 a. E.).
86 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
87 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
88 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 26 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
89 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 95 ff. und Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m.w.N.).
90 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m.w.N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a.a.O.).
91 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war in Deutschland niemals erwerbstätig und ist von Beginn seines Aufenthalts in Deutschland an von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
92 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
93 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
94 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 58 ff.; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.; so wohl auch Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, ARB 1/80 Art. 13, Rn. 69 ff.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492; VG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2016 - 27 K 2552/14 -, juris, Rn. 140 ff.).
95 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
96 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
97 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
98 
Der hilfsweise gestellte Antrag, die Wirkungen der Ausweisung aufzuheben, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieser Antrag ist als Klageerweiterung (dazu: Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2015, § 124a VwGO, Rn. 51 a. E., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 24.02.1988 - IVb ZR 45/87 -, NJW-RR 1988, 1465) aufgrund des engen Sachzusammenhangs der Ausweisungsverfügung mit der darauf bezogenen Befristungsentscheidung zwar zulässig und sachdienlich - insbesondere steht § 124a Abs. 6 VwGO nicht entgegen -, aber nicht begründet. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, die Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu beantragen, ohne dies näher zu begründen. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vortrags schließt der Senat, dass sich der Kläger insoweit darauf beruft, dass eine Gefahr von ihm nicht ausgehe. Dieser Auffassung folgt der Senat aus den schon dargestellten Gründen jedoch nicht. Im Übrigen hat der Kläger keine persönlichen oder sonstigen Umstände dargelegt, die die Befristungsentscheidung - etwa bezüglich der konkret festgesetzten Sperrfrist - in Frage stellen könnten und solche sind auch mit Blick auf das Senatsurteil vom 9. Dezember 2015 (- 11 S 1857/15 -, juris) nicht ersichtlich.
99 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
100 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
101 
Beschluss vom 2. März 2016
102 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
103 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. März 2016 - 11 S 1389/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. März 2016 - 11 S 1389/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. März 2016 - 11 S 1389/15 zitiert 32 §§.

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit

1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt,
4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 oder 3 entsprechend.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn

1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder
2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.

(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den außenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann,
3.
gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt, verstößt oder
4.
bestimmt ist, Parteien, andere Vereinigungen, Einrichtungen oder Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets zu fördern, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.

(2) Die politische Betätigung eines Ausländers wird untersagt, soweit sie

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht,
2.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befürwortet oder hervorzurufen bezweckt oder geeignet ist oder
3.
Vereinigungen, politische Bewegungen oder Gruppen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die im Bundesgebiet Anschläge gegen Personen oder Sachen oder außerhalb des Bundesgebiets Anschläge gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder angedroht haben.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge. Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Angeklagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden: PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angelegenheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem damaligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der Angeklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach Europa zurück.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ist unzulässig.
4
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll- ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisionsverfahrens , in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
5
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
6
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortlichen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückgenommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungsermächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.
7
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
8
In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30; NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182; Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer hoheitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SKStGB /Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786, 2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte, die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesministerium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Weise erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
9
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
10
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
11
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revisionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan = Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verübten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzurechnen sind.
12
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht kein Rechtfertigungsgrund.
13
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deckmantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden. Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Türkei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wurden , sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völkerrechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtsprechung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12, BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht angezeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtlichen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zusammenfassend bzw. ergänzend:
14
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
15
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
16
(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96 Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vorschrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen Republik anzuwenden.
17
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Türkei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechtsfolgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
18
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" erfüllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ 2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime dar.
19
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Provinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Republik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türkischen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde, nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völkerrechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung scheidet somit aus.
20
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Südafrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a. in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines rassistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege- ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen werden. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht festgestellt.
21
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
22
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4 ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von einer ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Regierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom 30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Entwicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeugung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften , für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,

39).


Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
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Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
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Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
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Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
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Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
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Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
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Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
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Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
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Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
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Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
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Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
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cc) Vorlagefrage 3
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Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - ist unwirksam, soweit damit die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - geändert. Die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Er ist am ...1960 in Sögütlü-Sivas geboren und türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 03.01.1997 nach Deutschland ein und stellte am 09.01.1997 einen Asylantrag, zu dessen Begründung er unter anderem vortrug: 1988 sei er wegen angeblicher Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. 1991 sei er auf Bewährung entlassen worden, gleich nach Istanbul verzogen und dort Mitglied der HEP/DEP geworden. 1994 habe sich die HADEP aus diesen Parteien gebildet. Er sei in den Vorstand der HADEP für den Bezirk Istanbul-Kadiköy gewählt worden. Seitdem sei er von Polizisten bedroht worden. Mitte Dezember 1996 sei er von Polizisten zu Hause abgeholt worden. Um sein Leben zu retten, habe er zugesagt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es gebe keine offiziellen Mitgliedsausweise der HADEP. Er habe aber eine Fotokopie seines Aufnahmeantrags und seine HADEP-Delegiertenkarte dabei, außerdem eine notariell beglaubigte Sitzungsniederschrift des HADEP-Vorstands seines Bezirks. Dort sei er als Mitglied des Vorstands genannt. Die Namensliste der Vorstandsmitglieder der HADEP müsse an die zuständigen Sicherheitsstellen des jeweiligen Stadtbezirks gemeldet werden.
Mit Bescheid vom 20.02.1997 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Auf eine Anfrage des Bundesamts vom 24.06.1999 teilte das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 28.02.2000 mit, es habe Nachforschungen beim HADEP-Büro des Bezirks Istanbul-Kadiköy und dessen jetzigem Vorstand angestellt. Dort habe nicht bestätigt werden können, dass der Kläger in den Jahren 1994 bis 1996 Mitglied des Vorstands gewesen sei. Vielmehr sei er nicht einmal langjährigen Mitarbeitern mit Namen bekannt gewesen. Das Bundesamt leitete deswegen am 29.03.2000 ein Rücknahmeverfahren ein und nahm mit Bescheid vom 01.03.2007 die mit Bescheid vom 20.02.1997 getroffenen Feststellungen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen, zurück und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei nicht vorliegen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob mit rechtskräftigem Urteil vom 08.10.2007 - A 11 K 300/07 - den Bescheid des Bundesamts vom 01.03.2007 auf und führte aus: Dem Kläger sei die Flüchtlingseigenschaft nicht aufgrund unrichtiger Angaben zuerkannt worden. Er habe seine Verfolgungsfurcht sowohl auf die Bedrohung wegen seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der HADEP als auch auf die Nichteinhaltung seiner Zusage zur Zusammenarbeit mit der Polizei gestützt. Dass letzteres unrichtig sei, mache das Bundesamt nicht geltend. Im Übrigen interpretiere das Bundesamt die in vielen anderen Auskünften des Auswärtigen Amts verwendete Formulierung „es kann nicht bestätigt werden“ auch im vorliegenden Fall irrig dahin, dass das Gegenteil erwiesen sei. Durch die Vorlage der notariell beglaubigten Protokollabschrift einer Vorstandssitzung der HADEP des Bezirks Istanbul-Kadiköy vom 29.01.1995, in der der Kläger als Vorstandsmitglied genannt werde, habe er - obwohl die Darlegungs- und Beweislast beim Bundesamt liege - nachgewiesen, dass seine Angaben bei der Anhörung am 15.01.1997 nicht unrichtig gewesen seien. Der Änderungsbescheid könne auch nicht als Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufrechterhalten werden. Seit dem Bescheid vom 20.02.1997 seien keine Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse in der Weise eingetreten, dass Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnten.
Der Kläger ist seit dem 21.07.1995 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Seine am 23.01.1998 in das Bundesgebiet eingereiste Ehefrau ist als Asylberechtigte anerkannt; auch ist festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Er erhielt erstmals am 10.04.1997 eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrmals verlängert wurde. Am 07.05.2002 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 04.04.2006 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Der Kläger verfügt über einen Reiseausweis für Flüchtlinge. Seine Ehefrau hat eine Niederlassungserlaubnis. Der Kläger lebt mit ihr und seinen beiden minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Der am 04.03.1996 geborene Sohn R. hält sich seit 14.01.2000 im Bundesgebiet auf. Ein weiteres Kind wurde am 01.09.2001 in Stuttgart geboren.
Der Kläger war im Bundesgebiet seit dem 28.05.1998 erwerbstätig. In der Zeit von 02.11.2001 bis 31.07.2007 arbeitete er bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH in W. Am 17.04.2007 meldete der Kläger einen Betrieb im Nebenerwerb an, den er zum 03.12.2007 aufgab. Am 03.12.2007 meldete er mit Haupterwerb ab 01.01.2008 folgende Tätigkeit an: „An- und Verkauf einschließlich Einbau von Geräten der Gastronomie, Raumausstattung, Bodenleger, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Montage und Trockenbau“. Dieses Gewerbe wurde zum 15.07.2009 abgemeldet. Seit Mitte Dezember 2010 arbeitet er im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau, zunächst mit geringfügiger Beschäftigung und jedenfalls seit März 2012 mit einer monatlichen Entlohnung von 600 EUR brutto.
Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (im Folgenden: LfV) teilte unter dem 23.06.2005 auf eine Anfrage der Stadt Stuttgart nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG mit, dass der Kläger am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand des PKK-nahen Mesopotamischen Kulturvereins e.V. S...-... gewählt worden sei und am 02.02.2003 als Protokollführer bei der Mitgliederversammlung des genannten Vereins fungiert habe ohne jedoch für dessen Vorstand zu kandidieren. Darüber hinaus lägen folgende Polizeierkenntnisse vor: Am 31.05.2001 sei der Kläger in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“ gewesen. Bei der Veranstaltung seien Bilder Öcalans sowie Fahnen der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) gezeigt worden, wogegen er nicht eingeschritten sei. Außerdem habe er im Juli 2001 im Rahmen der PKK-Identitätskampagne die Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“ unterzeichnet.
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In Kenntnis dieser Aktivitäten des Klägers und mit Blick darauf, dass dem Verfassungsschutzbericht 2004 eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch den Mesopotamischen Kulturverein nicht zu entnehmen sei, kam das Regierungspräsidium Stuttgart in einem internen Vermerk vom 09.12.2005 zu der Einschätzung, es seien keine Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 oder 5a AufenthG gegeben. Es teilte der Stadt S... unter dem 30.05.2006 mit, die Sicherheitsüberprüfung habe ergeben, dass Regelversagungsgründe nach § 5 Abs. 4 AufenthG nicht vorlägen. Vom Kläger sei jedoch eine Erklärung des Inhalts einzufordern, dass er die PKK bzw. aus ihr hervorgegangene Organisationen und ihre Ziele nicht (mehr) unterstütze. Nachdem festgestellt worden war, dass dem Kläger bereits am 04.04.2006 eine Niederlassungserlaubnis ausgehändigt worden war, wurde es - wie sich aus einer Mail vom 17.04.2007 an die Stadt S... ergibt - seitens des Regierungspräsidiums als sinnlos erachtet, im Nachhinein noch eine Distanzierungserklärung von ihm zu verlangen - zumal eine etwaige Aufenthaltsbeendigung nur im Wege der Ausweisung möglich wäre, wofür derzeit aber keine greifbaren Anhaltspunkte vorlägen, da eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht nachweisbar sei.
11 
Bereits am 22.12.2004 hatten der Kläger und seine Familie bei der Stadt S... ihre Einbürgerung beantragt. Das LfV teilte unter dem 19.01.2008 die in seinem Schreiben vom 23.06.2005 genannten Erkenntnisse sowie folgende weitere Erkenntnisse mit: Der Kläger habe am 14.05.2006 in S... an einer Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich der Wahl des Volksgebietsrats dieser Organisation teilgenommen. Am 25.02.2007 sei er in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Vortragsveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern zu dem Thema „aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ gewesen. Bei einer Durchsuchung des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 sei eine Mitgliederliste gefunden worden (Stand 01.07.2004), auf der der Kläger vermerkt gewesen sei. Zahlreiche Bücher, Broschüren sowie plakatähnliche Druckwerke seien beschlagnahmt worden, die den KONGRA-GEL thematisierten. Mit Schreiben vom 18.11.2008 gab das LfV weiter an, am 24.02.2008 sei der Kläger in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen.
12 
Mit Schreiben vom 26.02.2009 sowie ergänzt durch Schreiben vom 08.05.2009 und 10.11.2009 an den Kläger bzw. seine Ehefrau teilte die Einbürgerungsbehörde unter anderem mit, es bestünden Zweifel an der Verfassungstreue, wie die Teilnahme an den durch das LfV mitgeteilten Veranstaltungen zeige. Es fehle der Nachweis der Sprachkenntnisse für die Ehefrau. Für den Kläger komme die Einbürgerung nicht in Betracht, da derzeit dessen Ausweisung geprüft werde. Am 16.11.2009 wurden die Einbürgerungsanträge zurückgenommen.
13 
Die im Einbürgerungsverfahren übermittelten Angaben des LfV wurden mit Schreiben vom 24.01.2008 und 12.11.2008 über das Innenministerium an das Regierungspräsidium Stuttgart übersandt.
14 
Mit Schreiben vom 23.12.2009 führte das LfV weiter aus, der Kläger sei am 30.11.2008 in S... bei einer Feier von KONGRA-GEL-Anhängern zum 30. Gründungsjahrestag der PKK und am 01.02.2009 Teilnehmer einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in S... gewesen.
15 
Bereits am 28.07.2009 fand bei der Ausländerbehörde der Stadt S... in Anwesenheit eines Dolmetschers eine Sicherheitsbefragung des Klägers unter Nutzung eines standardisierten Fragebogens statt. Dem ging voraus, dass das Regierungspräsidium ausweislich eines Aktenvermerks vom 03.02.2009 zur Einschätzung gelangte, „die letzte Erkenntnis ist von 2/08, dabei Teilnahme an Märtyrer-Gedenkminute; aufgrund des hohen Ausweisungsschutzes Ausweisung kaum möglich, Sicherheitsbefragung, event. Verwarnung“. Das LfV bewertete die Sicherheitsbefragung unter dem 23.12.2009 dahingehend, dass der Kläger falsche Angaben gemacht habe, da er sich tatsächlich bis 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, hierauf bezogene Fragen aber verneint habe. Unter dem 04.01.2010 übermittelte das Innenministerium die Bewertung der Sicherheitsbefragung durch das LfV vom 23.12.2009 an das Regierungspräsidium Stuttgart und bat um Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung erfüllt sind.
16 
Das Regierungspräsidium hörte mit Schreiben vom 05.05.2010 den Kläger im Rahmen der Prüfung der Ausweisung an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 räumte der Kläger die Tätigkeit im Mesopotamischen Kulturverein, die Leitung der Kundgebung am 31.05.2001, die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung, die Teilnahme an einer Feier am 30.11.2008 sowie den Besuch einer Veranstaltung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins am 01.02.2009 ein.
17 
Mit Verfügung vom 19.07.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), verpflichtete ihn, sich einmal wöchentlich beim Polizeirevier F... unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden und beschränkte seinen Aufenthalt auf das Stadtgebiet S... (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 der Verfügung wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Der Kläger erfülle unter Zugrundelegung der durch das LfV mitgeteilten Erkenntnisse den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK sei eine terroristische Vereinigung. Durch den seit dem Jahr 2006 erfolgten regelmäßigen Besuch von Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen habe der Kläger seine innere Nähe und Verbundenheit mehrfach und nachhaltig zum Ausdruck gebracht. Mit der Vielzahl entsprechender Aktivitäten habe er dazu beigetragen, die Stellung der PKK in der Gesellschaft, namentlich bei kurdischen Volkszugehörigen zu fördern. Die Veranstaltungen, an denen er teilgenommen habe, seien erkennbar auch darauf ausgerichtet gewesen, die Aktionsmöglichkeiten und das Rekrutierungsfeld der Vereinigung zu festigen und zu erweitern, so dass das latente Gefahrenpotential der Vereinigung insgesamt erhalten und verstärkt worden sei. Dass ein Großteil der vom Kläger besuchten Veranstaltungen nicht verboten gewesen sei, ändere nichts daran. Soweit er behaupte, er sei eher gegen seinen Willen bei vermeintlich kulturellen Veranstaltungen Zeuge einschlägiger Meinungsäußerungen und Aktionen geworden, ohne deren Zielsetzung zu unterstützen oder zu billigen, sei dies eine reine Schutzbehauptung. Er habe auch den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt. In der Sicherheitsbefragung habe er trotz Belehrung die Fragen 5.1. und 6.1 bezüglich Kontakten zur PKK und zu ihr nahestehenden Personen verneint, obwohl er sich bis mindestens 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt habe. Zudem habe er bei Frage 4.2 angegeben, im Februar 1990 in ... wegen einer unerlaubten Aktion festgenommen worden zu sein. Zuvor habe er die Frage 4.1 verneint. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 stehe ihm nicht zu, denn seine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 sei mit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 17.04.2007 erloschen. Der Kläger genieße aber besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG vor (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein die gesetzliche Regelvermutung beseitigender Ausnahmefall sei nicht anzunehmen. Über die Ausweisung sei nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Er halte sich seit 13 Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet auf, verfüge über ein Daueraufenthaltsrecht und lebe mit Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Er habe aufgrund seiner zunächst unselbstständigen und später selbstständigen Tätigkeit wirtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet. Eine soziale Integration habe nicht stattgefunden. Er beherrsche die deutsche Sprache, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft. Es bestehe der Eindruck, dass er bis heute nur im türkischen bzw. kurdischen PKK-nahen Umfeld Bekanntschaften pflege. Eine fortgeschrittene Integration, welche die vorhandenen öffentlichen (Sicherheits-)Interessen verdrängen oder überwiegen könnte, liege nicht vor. Dies gelte umso mehr als sein Aufenthalt im Bundesgebiet dazu diene, die stetige Verbindung zur PKK aufrechtzuhalten und diese bis jetzt aktiv zu unterstützen. Seine familiäre Lebensgemeinschaft falle unter den Schutz des Art. 6 GG, jedoch genieße die rein ausländische Ehe nur einen abgeschwächten Schutz. Dies gelte entsprechend für die gemeinsamen minderjährigen Kinder. Im Falle eines rechtskräftigen Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung bzw. des Abschiebungsverbots durch das Bundesamt wären dem Kläger und seiner Familie die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft in der Türkei durchaus zuzumuten, zumal er erst im Alter von 37 Jahren und seine Frau im Alter von 28 Jahren in das Bundesgebiet eingereist seien. Es sei davon auszugehen, dass innerhalb der Familie türkisch oder kurdisch gesprochen werde, so dass auch die Kinder kaum Schwierigkeiten hätten, sich in der Türkei zu integrieren. Ihm würde bei einer Ausreise in die Türkei nach Wegfall der Ausreisehindernisse keine politische Verfolgung drohen. Im Hinblick darauf, dass die Abwehr terroristischer Gefahren bereits im Vorfeld konkreter gewalttätiger Aktionen zu den Grundinteressen der Gesellschaft der Bundesrepublik gehöre, sei dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung und Beendigung des Aufenthalts gegenüber dem privaten Interesse, von der Ausweisung verschont zu bleiben, der Vorrang einzuräumen. Die Ausweisung sei in spezialpräventiver Hinsicht erforderlich, um die von ihm konkret ausgehende Gefahr weiterer Unterstützungshandlungen zu verhindern. Der bisherige Verlauf seiner Unterstützungstätigkeit und die sonstigen Umstände ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass er diese sonst fortsetzen werde. Die mit der Ausweisung verbundenen Nachteile, den Aufenthaltstitel zu verlieren und Meldeauflagen dulden zu müssen, stünden nicht außer Verhältnis zu den mit der Ausweisung verbundenen Zwecken. Die Ausweisung stehe mit Art. 8 EMRK in Einklang.
18 
Am 06.08.2010 erhob der Kläger Klage gegen diesen Bescheid.
19 
Während des Klageverfahrens teilte das LfV mit Schreiben vom 08.10.2010 mit, der Kläger sei bei der Veranstaltung vom 14.05.2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden und am 07.06.2009 habe er sich in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt. Unter dem 04.02.2011 gab das LfV an, zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in der Versammlung vom 14.05.2006 K. gewählt worden.
20 
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger unter anderem vor, an den ihm vorgehaltenen Veranstaltungen vom 07.06.2009, 01.02.2009, 24.02.2008 und an derjenigen vom 14.05.2006 habe er nicht teilgenommen, insbesondere sei er auch nicht zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden. Im Übrigen bedeute die Teilnahme an friedlichen, nicht verbotenen Demonstrationen keine Unterstützung des Terrorismus, selbst wenn auf diesen Demonstrationen die Abzeichen einer verbotenen Organisation wie der PKK gezeigt würden. Nicht jede Handlung, die sich zufällig für Bestrebungen als objektiv vorteilhaft erweise, könne als tatbestandsmäßige Unterstützung des Terrorismus verstanden werden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit der Teilnahme an den genannten Veranstaltungen die PKK habe unterstützen wollen. Im Übrigen sei die PKK strafrechtlich keine terroristische Vereinigung mehr. In der Türkei sei er 1988 wegen Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Entlassung habe er sich für die kurdische Partei HADEP engagiert. Er habe in der Vergangenheit der PKK nicht angehört und gehöre ihr auch gegenwärtig nicht an.
21 
Das beklagte Land trat der Klage entgegen.
22 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob nach Vernehmung des Zeugen K. mit Urteil vom 23.05.2011 den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Es sei keine Unterstützung der PKK durch den Kläger feststellbar. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen vom 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und vom 07.06.2009 sei nicht erwiesen. Die Angaben der Gewährsperson des LfV genügten nicht, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Der Kläger habe während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des LfV im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gebe es nicht. Der Zeuge K. habe nicht bestätigen können, dass der Kläger Teilnehmer der Veranstaltung vom 14.05.2006 gewesen sei. Der Kläger habe aber unstreitig an den Veranstaltungen vom 04.02.2007 und 25.02.2007 im Mesopotamischen Kulturverein in S... und an einer Veranstaltung am 30.11.2008 im Kulturhaus A... in S... teilgenommen. Insoweit seien aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht Unterstützungshandlungen i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG feststellbar. Unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe es sich bei der Gedenkfeier vom 04.02.2007 nicht um eine typische Märtyrergedenkveranstaltung gehandelt, die als politische Plattform zur Herstellung eines engen ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und der PKK-Sympathisanten genutzt werde, sondern um eine Gedenkfeier, wie sie auch in den durch das Christentum geprägten Staaten eine allgemein übliche und selbstverständliche Übung sei, an die keinerlei Nachteile geknüpft werden dürften. Für das Gericht sei auch nicht erkennbar, dass die Veranstaltung vom 25.02.2007 in irgendeinem Kontext zur PKK stehe. Solches folge auch nicht aus dem vom LfV mitgeteilten Redebeitrag. Im Übrigen verkenne das beklagte Land, dass nicht jede Teilnahme an einer nicht von der PKK ausgerichteten Veranstaltung, bei der die Zustände in der Türkei kritisiert würden, zugleich eine Unterstützung der PKK darstelle. Auch die bloße Anwesenheit von PKK-Anhängern dort mache diese nicht per se zu einer PKK-Veranstaltung. Die Veranstaltung vom 30.11.2008 zum 30-jährigen Bestehen der PKK dürfte in spezifischer Weise Propagandacharakter gehabt haben. Ob bereits die subjektive Zurechenbarkeit fehle, da der Kläger lediglich wegen der Musikbeiträge die Veranstaltung aufgesucht haben wolle, könne dahingestellt bleiben. Allein durch die Teilnahme an dieser Veranstaltung sei er jedenfalls nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten. Eine solche läge nur vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies sei jedoch bei ihm nicht der Fall. Lägen aber lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützten oder selbst terroristisch handelten, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Organisation selbst zum Ausdruck bringe, fehle es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG. Selbst wenn ihm aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit komme der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere seiner Einbindung und Vernetzung in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze oder selbst terroristisch handle. Dass bei dem KIäger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK bestehe, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und den vom beklagen Land ihm vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger habe keinerlei verantwortliche Tätigkeit im Umfeld der PKK übernommen. Im Übrigen sei die Ausweisung auch deshalb fehlerhaft, weil das Regierungspräsidium im Rahmen der Ermessensentscheidung von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei. Es sei verkannt worden, dass der Kläger nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 ausgewiesen werden dürfe, denn die Aufnahme seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit habe nicht zum Verlust der Rechtsstellung aus Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 geführt. Auch sei im Rahmen der Ermessenserwägungen verkannt worden, dass die Ehefrau des Klägers anerkannter Flüchtling sei. Schließlich habe das Regierungspräsidium übersehen, dass es die Qualität der Unterstützungshandlung und die Gefährdungslage mit dem jeweils gebotenen Gewicht in die Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gesichtspunkte einzustellen habe.
23 
Auf Antrag des beklagten Landes hat der Senat mit Beschluss vom 18.08.2011 - 11 S 1820/11 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, die am 15.09.2011 unter Stellung eines Antrags begründet worden ist. Es wird vorgetragen: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und am 07.06.2009 nicht bewiesen sei. Es habe verkannt, dass an den Nachweis einer Mitgliedschaft bzw. Unterstützung angesichts des konspirativen Vorgehens terroristischer Vereinigungen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürften, unrealistische Anforderungen an die Verwertbarkeit von Aussagen eines Zeugen vom Hörensagen des LfV gestellt und nicht beachtet, dass es im Fall des Klägers zahlreiche Indizien für die Glaubwürdigkeit der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen gebe. Die vorliegenden Tatsachen seien noch ausreichend aktuell i.S.v. § 54 Nr. 5, 2. HS AufenthG. Der Kläger habe auch an der Wahl des neuen Volksgebietsrats am 26.04.2009 teilgenommen. Die Ausweisung sei nicht auf eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung gerichtet, sondern bezwecke die Beseitigung der Legalität seines Aufenthalts im Bundesgebiet und stehe in Einklang mit Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie. Allerdings sei klarzustellen, dass nicht weiter an dem in der angefochtenen Verfügung angesprochenen generalpräventiven Zweck der Ausweisung und an den dortigen Ausführungen zu einer Durchsetzung der Ausreisepflicht bzw. Abschiebung festgehalten werde. Dass ausländerrechtliche Maßnahmen gegen K. noch nicht ergangen seien, stelle die Ermessensfehlerfreiheit der Ausweisung des Klägers nicht in Frage. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil § 47 AufenthG eine Ermächtigung zum Erlass eines politischen Betätigungsverbots vorsehe. Die dem Kläger zuerkannte Flüchtlingseigenschaft sowie das festgestellte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und die daraus folgende Unmöglichkeit einer Rückkehr in sein Heimatland würden nicht verkannt. Es lägen aber gravierende Ausweisungsgründe vor, die es rechtfertigten, die dem Kläger zuerkannte Rechtsstellung geringer zu gewichten. Der Kläger habe den schwerwiegenden Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG durch seine jahrelangen beharrlich und konsequent durchgeführten Unterstützungshandlungen zugunsten der terroristischen, kriminellen und verbotenen PKK sowie daraus resultierende staatssicherheitsgefährdende Aktivitäten verwirklicht und eine - mangels Distanzierung - aktuell erhöhte Gefährlichkeit seiner Person belegt. Es sei gerechtfertigt, den für ihn bestehenden und den Abschiebeverboten zugrundeliegenden Gefahrenlagen ein insoweit vermindertes Gewicht beizumessen und eine Ausweisung trotz der Tatsache zu verfügen bzw. aufrechtzuerhalten, dass der Aufenthalt in absehbarer Zeit nicht beendet werden könne. Das Sicherheitsinteresse überwiege das Interesse des Klägers und seiner Angehörigen an dem unveränderten Fortbestand seines legalen Aufenthalts.
24 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Blick auf den zum 01.03.2011 erfolgten Umzug des Klägers von S... nach R... Ziffer 2 seines Bescheids vom 19.07.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
25 
Das beklagte Land beantragt nunmehr,
26 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.05.2011 - 11 K 2967/10 - hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.
27 
Der Kläger beantragt,
28 
die Berufung zurückzuweisen.
29 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter anderem aus: Die Vorwürfe gegen ihn basierten auf Quellenangaben. Die mündlichen oder schriftlichen Quellenberichte oder Angaben der Gewährspersonen des LfV genügten in der Regel nicht für die Glaubwürdigkeit, sofern sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Entgegen der Behauptungen des beklagten Landes bestreite er nach wie vor ausdrücklich, an der Wahl des Volksgebietsrates am 14.05.2006 teilgenommen zu haben und zum Stellvertreter des Vorsitzenden dieses Rates gewählt worden zu sein. Er bestreite weiterhin ausdrücklich seine Teilnahme an der Versammlung am 26.04.2009, die das LfV erstmals am 17.04.2012 vorgebracht habe. Ob diese Veranstaltung überhaupt stattgefunden habe, sei offen. Mit der Bezeichnung „offen und beweisbar" in den Mitteilungen des LfV könnten die Behauptungen nicht als Tatsachen benannt werden. Seine Tätigkeit und die Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein e. V. S... könne nicht als Ausweisungsgrund gewertet werden. Laut Verfassungsschutzbericht aus dem Jahre 2004 gehe von diesem keine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Das beklagte Land habe deshalb seine damaligen Tätigkeiten zu Recht nicht zum Anlass einer Ausweisung genommen und das Verfahren eingestellt. Somit sei ein „Verbrauch" der Ausweisungsgründe eingetreten. Nach dem Jahre 2004 sei er nicht mehr im Mesopotamischen Kulturverein tätig gewesen. Ihm sei auch keine Tätigkeit nach 2004 vorgehalten worden. Er sei 1988 in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der illegalen kurdischen Organisation KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Bewährungsentlassung 1991 habe er sich bei der prokurdischen Partei HADEP engagiert. Er habe weder in seiner Vergangenheit noch in der Gegenwart der PKK angehört. Er habe diese auch nicht im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Die Organisation KAWA unterscheide sich eindeutig von der PKK. Es könne ihm nicht zugemutet werden, eine Distanzierungserklärung zu unterzeichnen oder eine Abwendungserklärung abzugeben. Er könne sich nicht zu etwas bekennen, was er in der Tat nicht gemacht habe oder was ihm nicht angelastet werden könne. Das beklagte Land habe auch nicht darlegen können, inwiefern von ihm eine konkrete Terrorgefahr ausgehe. Zwar seien zahlreiche Veranstaltungen erwähnt worden, an denen er teilgenommen haben solle. Es sei aber nicht aufgezeigt worden, inwieweit die bloße Teilnahme an diesen Veranstaltungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet habe.
30 
Mit Beschluss vom 17.09.2010 - 11 K 2986/10 - stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 wieder her. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des beklagten Landes wies der Senat mit Beschluss vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - zurück.
31 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. sowie des Zeugen X. vom LfV. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
32 
Wegen des weitergehenden Vortrags und Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Akten verwiesen. Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart hinsichtlich des Klägers und des Zeugen K., die den Kläger betreffende Ausländerakte sowie die Einbürgerungs- und Asylakten betreffend ihn und seine Ehefrau, die Akte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04, die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (A 11 K 300/07 und 11 K 2967/10) und die Akten des Senats im Beschwerdeverfahren 11 S 2374/10 vor.

Entscheidungsgründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
45 
Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
46 
Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
48 
Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
54 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
149 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
150 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
151 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
153 
Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
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Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
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Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
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Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
54 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
149 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
150 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
151 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
153 
Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - ist unwirksam, soweit damit Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - geändert. Die Klage gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der am ... in .../Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 19.12.1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung trug er unter anderem vor, er und seine Ehefrau hätten in der Türkei die PKK unterstützt. So hätten sie z.B. Uniformen gewaschen und den Guerillas ab und zu Lebensmittel gegeben. Sie seien deshalb verfolgt worden. Auf die vom Kläger gegen den seinen Asylantrag ablehnenden Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (im Folgenden: Bundesamt) vom 21.03.1996 erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 01.07.1998 die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. In der Folge erhielt der Kläger befristete Aufenthaltsbefugnisse bzw. Aufenthaltserlaubnisse, erstmals zum 01.09.1998. Zuletzt wurde ihm am 13.09.2006 eine bis zum 12.09.2007 geltende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Der Kläger ist mit der am ... geborenen M... A..., geb. G..., verheiratet. Sie haben sieben gemeinsame Kinder: B... (* ...1988), Ex ... (* ...1990), C... (* ...1992), K... (* ...1993), E... (* ...1996), M... (* ...1998) und A... A... (* ...2005). Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.07.1996 wurden die Ehefrau des Klägers und die fünf älteren Kinder, mit denen diese am 28.05.1996 nach Deutschland eingereist war, als Asylberechtigte anerkannt. Bezüglich M..., C..., K... ... und E... wurden die Asylanerkennungen mit Bescheid des Bundesamts vom 02.03.2007 widerrufen. Die Ehefrau und die fünf älteren Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, M... ist Inhaber einer bis zum 07.01.2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis. Der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsangehöriger.
Bis auf einen Zeitraum vom 24.04.2006 bis zum 01.03.2007, in welchem der Kläger in L... gewohnt hatte, war er durchgehend mit Hauptwohnsitz in H... gemeldet. Er und seine Familie bezogen zunächst (ergänzende) Sozialleistungen. In den ersten Jahren war er gelegentlich geringfügig beschäftigt, danach bei wechselnden Arbeitgebern, überwiegend in H... Er war wie folgt tätig: vom 01.07.2002 bis zum 30.11.2002 bei einer Gebäudereinigung, vom 13.03.2004 bis zum 31.03.2005 bei C.M.A. Télécafé, vom 01.04.2005 bis zum 31.01.2006 bei M.S.A. Télécafé, dann - nach Bezug von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 - vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 bei einer Vertriebs GmbH in W..., vom 17.07.2006 bis zum 31.07.2006 bei B... K., Abbruch und Demontage, vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 bei M... K., Abbruch und Demontage, beide in L... und vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei Ü.S. Paletten-Depot in H... Seit dem 01.07.2009 ist der Kläger bei einer Gebäudereinigung tätig.
Am 25.01.1997 wurde der Kläger in einer Sitzung der Mitglieder des Vereins „Kurd... V... e.V.“, H..., - als Zuständiger für die Bücherei - in den Vorstand gewählt. Die Mitglieder des Vereins „Gebetshaus E... ... ...“, H..., wählten ihn am 12.12.1998 als zweiten Vertreter für den Bereich Sport und am 19.05.2002 als zweiten Vorsitzenden in den Vorstand. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 - KLs 71 Js 1603/96 - wurde der Kläger wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe von 35 Tagesätzen zu je 15,-- DM verurteilt. Am 16.02.1999 wurde er aus Anlass der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart (nach der Festnahme von Öcalan) gemeinsam mit 176 anderen Kurden einen Tag lang in „Vorbeugewahrsam“ nach § 28 PolG genommen. In einem gegen ihn wegen der Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK´ler“ eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 30.05.2003 von der Verfolgung abgesehen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Mit Bescheid vom 16.04.2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 27.08.1998 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die dagegen vom Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage - A 17 K 480/07 - wurde von ihm am 25.09.2007 zurückgenommen.
Bereits am 17.07.2007 hatte der Kläger (zum wiederholten Mal) die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beantragt. Unter anderem im Hinblick auf ein Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 13.11.2006, mit welchem die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt L... über die Wahl des Klägers in den Vorstand des Kurd... V... e.V. am 25.01.1997 und zum stellvertretenden Vorstandsmitglied des Gebetshauses „E... ...“ am 12.12.1998 sowie über diverse exilpolitische Aktivitäten des Klägers informiert worden war, forderte die Ausländerbehörde der Stadt H... den Kläger auf, an einer sog. Sicherheitsbefragung gemäß §§ 54 Nr. 6 i.V.m. § 82 Abs. 4 AufenthG teilzunehmen. Bei der daraufhin am 08.08.2007 durchgeführten Befragung verneinte der Kläger die Frage, ob er bestimmte Gruppen oder Organisationen, darunter die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) alias KADEK alias KONGRA-GEL, unterstütze oder für diese tätig geworden sei. Die Zusatzfrage, welcher Art diese Unterstützungshandlungen oder Tätigkeiten (z.B. Spenden) gewesen seien, beantwortete er sinngemäß wie folgt: Er sei nur Kurde; die PKK und die KONGRA-GEL interessierten ihn nicht. Er sei auch nicht Mitglied in einem kurdischen Verein.
Mit Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 26.02.2008 und an das Regierungspräsidium Stuttgart vom 18.11.2008 wurde mitgeteilt, dass der Kläger dem Landesamt im Zusammenhang mit der im November 1993 verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – welche 2002 in „Freiheit- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK) und 2003 in „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA-GEL) umbenannt worden sei – bekannt geworden sei. Neben den Vorstandstätigkeiten in den PKK-nahen Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ... - ...“ in H... lägen folgende Erkenntnisse vor: Der Kläger habe an einer Vielzahl von Versammlungen, Demonstrationen oder Feiern von KADEK bzw. KONRAG-GEL-Anhängern teilgenommen, so am 06.04.2003 in H... an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Abdullah Öcalan, am 05.02.2005 an einer Solidaritätsdemonstration für den am 22.01.2005 in Nürnberg festgenommenen stellvertretenden Vorsitzenden dieser Organisation, R... K..., am 03.04.2005 an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Öcalan, am 27.11.2005 in I... (bei H...) an einer Veranstaltung zum 27. Gründungsjahrestag der PKK, am 17.12.2005 an einer Versammlung in H..., am 28.01.2006 an einer Demonstration in Mannheim, am 11.02.2006 an einer Demonstration von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich des 7. Jahrestages der Festnahme Öcalans in Straßburg/Frankreich, am 16.02.2007 an einer Demonstration zu den Haftbedingungen Öcalans sowie zuvor stattgefundenen Exekutivmaßnahmen der deutschen und französischen Behörden gegen mutmaßliche KONGRA-GEL-Strukturen in H..., am 27.10.2007 an einer weiteren Demonstration in H..., am 24.11.2007 an einer Versammlung anlässlich einer Feier zum Parteigründungstag der PKK in H..., am 30.03.2008 an einer weiteren Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern und am 18.05.2008 an einer Märtyrer-Veranstaltung in H...
Nachdem das Regierungspräsidiums Stuttgart den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2008 unter anderem auf die Möglichkeit einer Ausweisung hingewiesen hatte, erklärte der Kläger in einem Schreiben vom 26.08.2008, er wolle zunächst feststellen, dass er kein Terrorist und kein Verbrecher sei, sondern ein einfacher Arbeiter. Jede Veranstaltung und Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei bei den Behörden angemeldet und genehmigt gewesen. Die Vereine, in deren Vorstand er gewählt worden sei, seien Kulturvereine von Kurden für Kurden. Sicher habe auch er, als er noch in der Türkei gelebt habe, die PKK unterstützt, aber eher mit humanitären als mit militärischen Mitteln. Seit die PKK als terroristische Vereinigung gelte, habe er diese Hilfe komplett eingestellt. Er unterstütze als Kurde die kurdische Sache. Er distanziere sich aber von jeder kriminellen Handlung, die im Namen des kurdischen Volkes begangen werde, somit auch von der PKK als terroristischer Vereinigung.
10 
Am 10.02.2009 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart (Untätigkeits-) Klage gegen die Stadt H... mit dem Antrag, diese zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen (8 K 487/09). Diese Klage wurde 25.05.2009 zurückgenommen; stattdessen erhob er Klage gegen das Land Baden-Württemberg (11 K 2004/09).
11 
Mit Schreiben vom 09.04.2009 und vom 01.02.2010 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz, es seien noch die folgenden gerichtsverwertbaren Erkenntnisse angefallen: Ausweislich eines Fotos und eines Zeitungsartikels in der der KONGRA-GEL nahestehenden türkischen Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ vom ...2008 habe er am ...2008 an einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in H... und außerdem am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestags der Gründung des militärischen Arms der PKK an einem Grillfest von KONGRA-GEL-Anhängern bei Bad Wimpfen sowie am 25.10.2008 an einer Demonstration gegen die angebliche Misshandlung von Öcalan in H... teilgenommen. Am 23.11.2008 und am 27.11.2009 sei der Kläger in I... (bei H...) Teilnehmer von Versammlungen zur Feier des 30. bzw. 31. Gründungsjahrestages der PKK gewesen, am 20.03.2009 habe er an der „Newroz“-Veranstaltung in H... teilgenommen.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise innerhalb der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht (Ziff. 2). Außerdem wurde sein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt (Ziff. 3). Der Kläger wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei dem Polizeirevier H... zu melden. Sein Aufenthalt sei bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung auf das Stadtgebiet des Stadtkreises H... beschränkt (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids und der Meldeauflage sowie der Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 5). In den Gründen des Bescheids wurde im Wesentlichen dargelegt: Die Voraussetzungen der Ausweisungstatbestände des § 55 AufenthG i.V.m. §§ 54 Nr. 5, Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien gegeben. Der Kläger sei nicht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats/EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) privilegiert. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 und/oder des Art. 7 ARB 1/80 lägen nicht vor. Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG sei erfüllt. Die PKK sei als eine terroristische Vereinigung zu qualifizieren. Der Kläger habe diese tatbestandsmäßig im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Er sei bereits vor seiner Einreise ins Bundesgebiet 1995 fünf bis sechs Jahre in der Türkei für die PKK tätig gewesen. Bereits Anfang 1996 habe er an einer verbotenen und gewalttätigen PKK-Demonstration in Dortmund teilgenommen und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem habe er im Jahr 1999 an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart anlässlich der Gefangennahme des PKK-Führers Öcalan teilgenommen und zudem im Jahr 2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet. Hinzu kämen die ab 1997 bis zumindest 2002 ausgeübten Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen. In der Folge habe er kontinuierlich ab dem Jahr 2003 bis Ende des Jahres 2009 an zahlreichen politisch-extremistischen und auch gewaltbereiten Veranstaltungen der PKK alias KADEK alias KONGRA-GEL aktiv teilgenommen. Die vorliegenden Erkenntnisse und Tatsachen rechtfertigten in ihrer wertenden Gesamtbetrachtung die Schlussfolgerung, dass er der PKK „angehöre“. Zudem seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5a und 6 AufenthG erfüllt. Da der Kläger und seine Ehefrau mit ihrem minderjährigen deutschen Kind A... A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, genieße er allerdings besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Seine Ausweisung sei daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig. Solche lägen jedoch in den Fällen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG, also auch hier, vor. Im vorliegenden Fall seien auch keine besonderen Umstände gegeben, die zur Annahme eines Ausnahmefalls führen könnten. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei daher gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sämtliche für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe in die Entscheidung einzubeziehen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und zu prüfen, ob die Ausweisung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei. Im Ergebnis überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung mit dem Entzug seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet abzuwehren. Zudem verfolge die Ausweisung general- und spezialpräventive Zwecke. Außerdem sei von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hätten Berücksichtigung gefunden. Auch seien die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Klägers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG bedacht worden. Es handle sich um eine schutzwürdige Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch seien die Interessen der Kinder, insbesondere des jüngsten deutschen Kindes, an der Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung und Abwägung des jeweiligen Interesses habe jedoch der Schutz der Ehe und Familie hinter das höher einzuschätzende Sicherheitsinteresse des Staates und seiner Bevölkerung vor Unterstützungshandlungen für terroristische Vereinigungen zurückzutreten. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK im Einklang. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei abzulehnen, weil dieser bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG entgegenstehe. Aufgrund der Ausweisungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, sei der Kläger nach §§ 50 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Gemäß § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliege er der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Gemäß § 54a Abs. 2 AufenthG sei sein Aufenthalt kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt.
13 
Mit am 01.07.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz vom 28.06.2010 machte der Kläger den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 im Wege der Klageänderung bzw. -erweiterung zum Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens 11 K 2004/09. In der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 wurde die Klage insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 11 K 2424/10 fortgesetzt, als sie auf Anfechtung von Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidium Stuttgart vom 10.06.2010 gerichtet ist. Im Übrigen (bezüglich der Niederlassungserlaubnis) ist nach entsprechenden Anträgen der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
14 
Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen: Obwohl der Kläger offensichtlich seit Jahren intensiv und engmaschig vom Verfassungsschutz beobachtet werde, könne das beklagte Land nicht einen konkreten Anhaltspunkt für eine objektive oder subjektive Unterstützungsleistung des Klägers benennen außer der schlichten Teilnahme an diversen, wohl gemerkt angemeldeten und erlaubten Versammlungen. Weder aus der Tatsache, dass er an diversen Kundgebungen teilnehme, noch daraus, dass er eine Zeitlang und bis 2002 in kurdischen Kulturvereinen in den Vorstand gewählt worden sei, habe er jemals einen Hehl gemacht. Er könne nicht für die Äußerungen irgendwelcher Redner auf irgendwelchen Veranstaltungen im Sinne einer Sippenhaft verantwortlich gemacht werden. Insgesamt bemühe sich das Land geradezu krampfhaft, eine über ein Jahrzehnt zurückliegende strafrechtliche Verurteilung und sogar ein von der Staatsanwaltschaft eingestelltes Ermittlungsverfahren, welches ebenfalls Jahre zurückliege, zur Begründung eines vermeintlichen Versagungsgrundes heranzuziehen. Tatsache sei, dass er weder Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei noch eine solche unterstützt habe. Insoweit werde auf seine Erklärung vom 26.08.2008 Bezug genommen. Obwohl es nicht darauf ankomme, werde bestritten, dass die PKK eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG sei. Die Aufnahme einer Vereinigung in die EU-Terrorliste entbinde weder Behörden noch Gerichte von der eigenständigen Prüfung. Eine Ausweisung könne zudem nur erfolgen, wenn vom Ausländer persönlich eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Er habe lediglich sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Information wahrgenommen. Dass er sich einen eigenen Staat wünsche und auch das Recht habe, als Kurde seine Auffassung kundzutun, dürfte auf der Hand liegen. Die Entscheidung verstoße im Übrigen gegen Art. 6 GG.
15 
Das Regierungspräsidium Stuttgart trat der Klage entgegen. Zur Begründung verwies es auf den angefochtenen Bescheid. Entgegen dem Vortrag des Klägers habe dieser nachweisbar im dargelegten Umfang an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen der PKK alias KONGRA-GEL vom 06.04.2003 bis zum 27.11.2009 sei durch offene und gerichtsverwertbare Tatsachen des Landesamts für Verfassungsschutz belegt, die vor Gericht durch einen Zeugen vom Hörensagen nachgewiesen werden könnten. Die PKK/KADEK/KONGRA-GEL sei auch als terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG einzustufen. Dass das „Gebetshaus E... ... - ... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger in den Jahren 1998 und 2002 gewählt worden sei, der PKK nahestehe, folge aus einem beigefügten Bericht des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006. Die PKK-Nähe des Vereins Kurdx ... V... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger 1997 gewählt worden sei, ergebe sich aus Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz. Unerheblich sei, dass die Wahl des Klägers in den Vorstand der genannten Vereinigungen bereits 1997, 1998 und 2002 erfolgt sei, da die Annahme einer Unterstützung der PKK durch den Kläger auf einer wertenden Gesamtbetrachtung beruhe und maßgeblich auch auf die bereits zu Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik erfolgten Tätigkeiten im Funktionärsstatus abzustellen sei, denen sich in den folgenden Jahren weitere politische Aktivitäten für die PKK angeschlossen hätten, und die sich bis in die Gegenwart fortsetzten. Selbst wenn es nur um die „bloße Teilnahme“ an Veranstaltungen und Demonstrationen gehen würde, könnte auch diese unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorfeldunterstützung des Internationalen Terrorismus darstellen. Die Versammlungen und Demonstrationen, an denen der Kläger teilgenommen habe, hätten entgegen seinem Vorbringen auch keinen „legalen und friedlichen“, sondern einen politisch-militanten Grundcharakter. Die Ausweisung verstoße auch nicht im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau des Klägers und mit den minderjährigen Kindern gegen Art. 6 GG. An dem Übergewicht des öffentlichen Interesses vermöge ein mögliches Abschiebungshindernis aufgrund familiärer Belange nichts zu ändern. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht ausgeschlossen, dass auch unter Berücksichtigung selbst eines strikten Abschiebungsverbotes - nach § 60 Abs. 1 AufenthG - und bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Duldung eine Ausweisung ermessensfehlerfrei ausgesprochen werden könne. Die Behörde habe dann das Abschiebungsverbot in die Ermessenserwägungen einzustellen. In Anwendung dieser Grundsätze werde ergänzend vorgetragen, dass zwar die Familienschutzvorschriften des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gewähren und einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Selbst wenn von einem solchen Abschiebungshindernis ausgegangen werde, führe dies aber nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung, sondern sei gemäß seiner Bedeutung zu werten und in die Ermessenserwägungen einzustellen. Im Ergebnis könne von einem Überwiegen des staatlichen Sicherheitsinteresses ausgegangen werden, so dass die Ausweisung des Klägers trotz eines - möglichen - Abschiebungshindernisses nicht unverhältnismäßig sei.
16 
Auf einen am 01.07.2010 vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - die aufschiebende Wirkung der Klage - 11 K 2424/10 - gegen die Ziffern 1, 2 und 3 im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wieder her. Bezüglich Ziffer 4 des Bescheids wurde der Antrag abgelehnt.
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Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - wurden die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen dargelegt: Alle Vorgänge vor 2002 lägen derart weit in der Vergangenheit, dass sich aus ihnen eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht ablesen lasse. In der Zeit nach 2002 habe der Kläger lediglich an 13 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen - was er auch nicht bestritten habe. Im angefochtenen Bescheid seien allerdings keinerlei Ausführungen dazu enthalten, was der Kläger bei den Veranstaltungen konkret gemacht haben solle. Allein seine Anwesenheit könne noch nicht als Unterstützungshandlung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG gewertet werden, von der auf eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers geschlossen werden dürfe. Der Kläger erfülle aber auch nicht den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG. Zwar dürfte die Beantwortung zahlreicher Fragen zur Nähe zur PKK durch den Kläger anlässlich des mit ihm durchgeführten Sicherheitsgesprächs am 08.08.2007 falsch gewesen sein. Es gebe keine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen. Der Kläger hätte daher vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Ergebnis rechtlich nicht verwertbar. Damit erwiesen sich auch die Abschiebungsandrohung und die unter Ziffer 4 des Bescheids angeordneten Überwachungsmaßnahmen als rechtswidrig.
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Am 14.03.2011 hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das am 21.02.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese mit am 19.04.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Ergänzend wird unter anderem dargelegt: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2005 für die Annahme einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG genügen könne, wenn der Betreffende an einschlägigen Versammlungen und Kundgebungen teilnehme. In diesem Zusammenhang sei vorab richtig zu stellen, dass der Kläger ab dem Jahr 2002 nicht lediglich an 13, sondern an 18 bzw. 19 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen habe. Die jeweiligen Veranstaltungen seien terrorgeneigt und politisch-militant orientiert gewesen, woraus sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das objektiv Vorteilhafte der Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen ohne weiteres ergebe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufteilung der Gesamtaktivitäten des Klägers in solche vor und solche nach dem Jahr 2002 unter Außerachtlassung der älteren Aktivitäten sei rechtlich nicht haltbar. Im Übrigen habe der Kläger nach den aktuellen sicherheitsrelevanten Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.12.2010 und vom 18.04.2011 noch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ mit qualitativ hochstehendem Gefährdungspotential teilgenommen. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien ebenfalls gegeben. Die Ausweisungsentscheidung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Die familiären Bindungen des Klägers seien im Rahmen der Ermessensausübung vollständig berücksichtigt worden. Im Falle des Klägers sei davon auszugehen, dass aus familiären Gründen ein Abschiebungsverbot bestehe, weshalb es bei ihm nicht um eine Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik gehe. Eine Ausweisung sei gleichwohl möglich.
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Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Das beklagte Land beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 richtet.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Zur Begründung wird auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen und ergänzend unter anderem vorgetragen: Er habe eine Rechtsstellung nach Art. 6 ARB 1/80 inne. In der Zeit vom 01.04.2007 bis einschließlich Mai 2009 sei er durchgehend bei demselben Arbeitgeber in L... tätig gewesen. M... K. habe den Betrieb von B... K. übernommen. Nach einmonatiger Arbeitslosigkeit habe er dann zum 01.07.2009 seine Tätigkeit bei einer Gebäudereinigungsfirma angetreten, bei der er heute noch beschäftigt sei. Er lebe weiter mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammen, auch mit den volljährigen. Die minderjährigen Kinder befänden sich noch in der allgemeinen Schulausbildung. Die Tochter K... nehme seit dem 22.11.2011 an einem Berufsvorbereitungslehrgang teil. C... habe eine Ausbildungsstelle zur Kauffrau im Einzelhandel und arbeite seit einigen Jahren in Nebentätigkeit bei einem Schnellimbiss.
25 
In weiteren Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz an das Regierungspräsidium vom 17.12.2010, vom 18.04.2011 und vom 12.09.2011 wird mitgeteilt: Wie bereits am 17.12.2005 und am 30.03.2008 habe der Kläger auch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ in den Räumlichkeiten des PKK-nahen Vereins „Kurd... G...“ H... – dem Nachfolgeverein des „Kurd... V...“ – teilgenommen. Volksversammlungen gehörten zum organisatorischen Rahmen der PKK. Dabei bestehe der Teilnehmerkreis zu annähernd 100 % aus PKK-Anhängern. Sie dienten in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Am 20.11.2010 habe sich der Kläger außerdem an einer „Kurdistan Solidaritätsdemonstration“ in H... beteiligt, bei der Transparente/Plakate mit den Aufschriften „Freiheit für Öcalan - Frieden für Kurdistan“ u.ä. skandiert worden seien.
26 
In der mündlichen Verhandlung sind der Kläger und – informatorisch – Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.12.2011 übergeben, in welchem erklärt wird, dass der Kläger bis auf Weiteres eine Duldung aus familiären Gründen erhalte.
27 
Dem Senat liegen die ausländerrechtlichen Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) und der Stadt H... (2 Hefte), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart über Asylverfahren des Klägers (A 3 K 12680/98 und A 17 K 480/07), bezüglich Klagen wegen Niederlassungserlaubnis gegen die Stadt H... (8 K 487/09), wegen Niederlassungserlaubnis u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2004/09, mit Beiakte) und wegen Ausweisung u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2424/10, 2 Bände) sowie über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (11 K 2430/10) vor. Der Inhalt dieser Akten ist ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren (11 S 897/11) Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
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Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
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1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
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2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
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Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
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a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
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aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
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Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
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Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
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Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
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Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
44 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
45 
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
46 
aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
47 
Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
48 
Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
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Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
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Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
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Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und wurde am ... 1973 in ... (Türkei) geboren. Er ist verheiratet, reiste mit seiner Frau und seinen damals drei Kindern am ... 1997 in die Bundesrepublik ein und beantragte am folgenden Tag Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Oktober 1997 wurden die Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG festgestellt. Inzwischen hat der Kläger mit seiner Frau, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, sieben Kinder, von denen sechs die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Vier der Kinder studieren, zwei besuchen das Gymnasium und eines die Grundschule.
Der Kläger war zunächst im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen bis Mitte 2005. Ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom März 2006 nahm der Kläger mit Blick auf den Bezug von öffentlichen Leistungen zurück. Ende März 2009 beantragte er erneut die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. In diesem Zuge erfolgte eine Regelanfrage nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG, die zu der Mitteilung führte, dass Erkenntnisse vorlägen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erbat am 4. Juni 2009 von der Stadt ... die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG, nachdem das Bundesamt am 13. März 2009 mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylG nicht vorliegen würden. Unter dem 9. Juni 2009 teilte die Stadt ... dem Kläger mit, dass die Ermittlungen des Landeskriminalamts noch nicht abgeschlossen seien. Ausweislich eines in der Akte der Stadt ... befindlichen Vermerks vom 19. November 2009 ging die Stadt sodann davon aus, dass auf eine Rückantwort des Landeskriminalamts und auf die Regelanfrage verzichtet werden könne. Die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG wurde dem Kläger schließlich am 4. Dezember 2009 erteilt.
Das in der Akte der Stadt befindliche Schreiben des Regierungspräsidiums ... an die Stadt vom 22. September 2009, das per Mail an diese gegangen sein soll, findet sich in der Akte erstmals als Anhang einer Mail des Regierungspräsidiums, datierend vom 22. Mai 2010. In diesem bittet das Regierungspräsidium die Stadt um Durchführung einer Sicherheitsbefragung. Die Stadt teilte dem Regierungspräsidium mit, dass die Aufforderung zur Durchführung einer Sicherheitsbefragung nicht zu den Akten gekommen sei, was eventuell mit einer längeren Krankheitszeit der früheren Sachbearbeiterin zusammenhängen könne. Sie informierte das Regierungspräsidium darin im weiteren über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Kläger.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 informierte die Stadt dem Kläger darüber, dass das Regierungspräsidium sie aufgefordert habe, mit ihm eine Sicherheitsbefragung durchzuführen. Das Regierungspräsidium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis von Bedenken seitens der Sicherheitsbehörden gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland erteilt worden sei. Es prüfe derzeit eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Am 23. Februar 2011 fand eine Sicherheitsbefragung des Klägers statt. Am anschließenden Sicherheitsgespräch nahm der Kläger nicht teil.
Mit hier angegriffener Verfügung vom 10. Januar 2012 wurde der Kläger durch das Regierungspräsidium ausgewiesen und verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt ... begrenzt und die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet.
In der Verfügung wurde im Wesentlichen zunächst in tatsächlicher Hinsicht auf Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Aktivitäten des Klägers ab 2001 und bis Dezember 2010 abgestellt und im Übrigen darauf, dass er unverändert Vorstandsmitglied (nunmehr 2. Vorsitzender) der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ (YEK-KOM) sei. Die Ausweisung beruhe auf § 55 AufenthG in Verbindung mit § 54 Nr. 5 AufenthG. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei bestehe nicht, da der Kläger nur über wenige Monate hinweg abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Januar 2005 stehe er mit seiner Familie im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die vorliegenden Erkenntnisse wiesen ausreichend Tatsachen für die gerechtfertigte Annahme nach, dass der Kläger entsprechende Unterstützungshandlungen gegenüber einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, vorgenommen habe. Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle sich um Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die vom Kläger genannten Veranstaltungen, an denen dieser teilweise maßgeblich mitgewirkt habe, hätten erkennbar dazu gedient, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, sondern jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern. Insoweit sei die Freiheit der Meinungsäußerung beschränkt. Entscheidend sei zudem, dass der Kläger nicht bloß passiver Teilnehmer an denen vom Landesamt für Verfassungsschutz benannten Veranstaltungen der unterstützenden Vereinigung gewesen sei, sondern in hervorgehobener Funktion, beispielsweise als Redner, diese tragend mitgestaltet und er sich auch nicht distanziert habe, wenn durch andere Teilnehmer der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen gehuldigt worden sei. Er habe damit auch durch den Anschein der Billigung den Terrorismus gefördert. Das Engagement des Klägers als Vorsitzender im kurdischen Kulturverein e.V. ... sei ebenfalls als Unterstützungshandlung zu werten, da dieser nach Erkenntnissen und Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz als KONGRA-GEL-nah einzustufen sei. In der Vergangenheit habe der Vereinssitz mehrfach zwischen ... und ... gewechselt, wobei die Vereine auch unter verschiedenen Namen im Vereinsregister eingetragen worden seien. Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz könne davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Vereinen um die Vorgängervereine des heutigen kurdischen Kulturvereins e.V. ... handle. Zum einen bestehe zwischen diesen Vereinen Personengleichheit der Vereinsbesucher und auch von einigen Vorstandsmitgliedern, die im Großraum .../... wohnhaft seien. Zum anderen hätten in allen Vereinen Vereinsfeierlichkeiten anlässlich bestimmter PKK-Gedenktage sowie „Märtyrergedenkveranstaltungen“ und „Volksversammlungen“ stattgefunden. Der Verein sei auch Mitglied in der YEK-KOM, die ein Dachverband von überwiegend KONGRA-GEL-nahen örtlichen Kurdenvereinen sei. Als 2. Vorstandsvorsitzendem seien dem Kläger deren Aktivitäten zuzurechnen. Von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers sei auszugehen. Die Ausweisung sei danach aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Ausweisung des Klägers sei auch nicht unverhältnismäßig mit Blick auf Art. 8 EMRK. Hinsichtlich der Integrationsleistung des Klägers sei zu beachten, dass er seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht selbst sichern könne und weitere Verwurzelungserfolge des Klägers nicht ersichtlich seien. Das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiege hier sein Bleibeinteresse, dem im Übrigen durch seine Duldung Rechnung getragen werden könne. Es sei ihm daher zuzumuten, seinen weiteren Aufenthalt auf Grundlage der Aussetzung der Abschiebung auszugestalten. Auch sei einzustellen, dass die Ausweisung auf Antrag befristet werde.
Der Umstand, dass die Stadt ... als untere Ausländerbehörde am 4. Dezember 2009 eine Niederlassungserlaubnis erteilt habe, obwohl die Sicherheitsbehörden auch schon zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse über den Kläger gehabt hätten, welche zu Bedenken gegen seinen weiteren Aufenthalt führen könnten, sei hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung unschädlich. Insbesondere handele es sich nicht um ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Behördenverhalten. Der Stadt ... sei lediglich ein Wissen dahingehend zurechenbar, dass überhaupt Erkenntnisse seitens der Sicherheitsbehörden vorgelegen hätten. Über deren Inhalt und Gegenstand sowie den Umstand, dass diese geeignet gewesen seien, Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers zu begründen, habe die Stadt ... keine Kenntnis gehabt. Vor der Mitteilung der Sicherheitsbehörden seien entsprechende Ausweisungsgründe der Ausländerbehörde noch nicht bekannt gewesen und könnten daher auch nicht verbraucht sein. Es genüge nicht, dass die Ausländerbehörde Kenntnis darüber habe, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Erkenntnisse hätten. Entscheidend sei, dass weitere maßgebliche Erkenntnisse auch nach dem 4. Dezember 2009 erlangt worden seien, wie der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 17. Juli 2011 sie darstelle.
Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk ... beruhten auf §§ 54a Absatz 1 Satz 1 AufenthG. Die Auflagen seien auch verhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geboten, dies insbesondere mit Blick auf die notwendige Kontrolle des Verhaltens des Klägers. Dies gelte insbesondere auch mit Blick darauf, dass die tatsächliche Beendigung des Aufenthalt des Klägers nicht möglich sei.
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Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2012 erhob der Kläger Klage, mit dem Antrag, die Verfügung vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
11 
Das Verwaltungsgericht hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren persönlich zu den ihm vorgeworfenen Aktivitäten und seiner derzeitigen Funktion in der NAV-DEM und deren Zielrichtung an. Er räumte dabei die ihm vorgehaltenen Teilnahmen an den genannten Veranstaltungen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich ein. Insbesondere treffe es zu, dass er am 8. September 2012 Versammlungsleiter des kurdischen Kulturfestivals 2012 in ... gewesen und dort eine Videobotschaft von Murat Karayilan ausgestrahlt worden sei. Derzeit sei er 2. Vorsitzender der NAV-DEM. Diese sei durch eine Namens- und Satzungsänderung der YEK-KOM im Juni 2014 entstanden. Ein Antrag auf Löschung im Vereinsregister oder ein Auflösungsbeschluss bezüglich des Vereins YEK-KOM sei nicht erfolgt. Neben ihm und dem 1. Vorsitzenden, die bereits bei der YEK-KOM im Vorstand gewesen seien, seien drei neue Mitglieder in den fünfköpfigen Vorstand gewählt worden. Die NAV-DEM halte, wie die YEK-KOM zuvor, jedes Jahr zwei große Veranstaltungen ab. Er gehe auch weiterhin zu genehmigten Veranstaltungen anderer kurdischer Organisationen, auch in seiner Funktion als 2. Vorsitzender der NAV-DEM trete er als Redner auf. Das Verwaltungsgericht hörte des Weiteren Frau ... als Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg informatorisch zu den Aktivitäten des Klägers und den Erkenntnissen des Landesamtes zu den Organisationen YEK-KOM und NAV-DEM an. Sie führte aus, dass sie die in den vorliegenden Berichten des Landesamtes zum Ausdruck gebrachte Einschätzung der eindeutigen Nähe des Vereins YEK-KOM zur KONGRA-GEL, in dem der Verein der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen Raum zur Verbreitung ihrer Erklärungen und Äußerungen biete, teile. Dies gelte auch für die NAV-DEM, wie etwa eine Veranstaltung im Dezember 2014 gezeigt habe. Dem Landesamt lägen noch keine konkreten Erkenntnisse vor, dass zwischen YEK-KOM und NAV-DEM insoweit Unterschiede bestünden.
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Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2015 den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
13 
Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei nur teilweise begründet, soweit der Beklagte verpflichtet sei, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Im Übrigen verletze diese den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein erhöhter Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) bestehe nicht, da der Kläger keine assoziationsrechtliche Rechtsposition erworben habe. Dies, da er selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, bei seinen Beschäftigungsverhältnissen jeweils kürzer als ein Jahr angestellt gewesen zu sein. Etwaige Rechtspositionen nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 wären daher durch den jeweils nächstfolgenden Arbeitgeberwechsel erloschen.
14 
Der Kläger sei in den Jahren von 2001 bis 2003 Vorsitzender des kurdischen Kulturvereins e.V. ... gewesen. Zwischen 2004 und Mitte 2014 sei er mit einer kurzen Unterbrechung Anfang des Jahres 2012 durchgehend Mitglied im Vorstand, zeitweise 2. Vorsitzender, der YEK-KOM gewesen. Im Mai 2012 sei er erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt worden, die inzwischen in die NAV-DEM übergegangen sei.
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Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzung einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen seien nach ständiger Rechtsprechung terroristische Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die PKK werde nach wie vor auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen geführt. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die PKK habe nunmehr eine geänderte Ausrichtung mit Blick auf die Verteidigung der kurdischen Bevölkerung und der Jesiden im Nordirak gegen den IS, handele es sich um ein temporäres Phänomen, das nicht mit einem dauerhaften Gewaltverzicht und Friedenskurs gegenüber der Türkei einhergehe. Dies ergebe sich auch aus einem Interview des stellvertretenden PKK-Chefs Cemil Bayik vom 10. Oktober 2014, in dem dieser damit gedroht habe, dass sie den Verteidigungskrieg zum Schutze des Volkes auch wieder aufnehmen könnten. Entsprechende Stellungnahmen gebe es auch vom Oberkommandierenden des bewaffneten Arms der PKK „Volksverteidigungskräfte“, der erklärt habe, dass der Friedensprozess mit der Türkei hinfällig sei und die gemeinsamen Übergriffe des türkischen Staates mit dem islamischen Staat einer Kriegserklärung gleichkämen, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 18/3491, Seite 4, entnehmen lasse. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der Vergangenheit entsprechende Kursänderungen nicht von Dauer gewesen seien.
16 
Der Kläger unterstütze die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen durch seine langjährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied der YEK-KOM bzw. nunmehr der NAV-DEM. Er sei nahezu ununterbrochen seit 2004 im Vorstand beider Vereine gewesen, was er in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich eingeräumt habe. Er habe seine Vorstandstätigkeit aktiv ausgeübt, sei selbst auch als Redner und Versammlungsleiter aufgetreten und habe die Interessen des Dachverbandes gegenüber den Mitgliedsvereinen vertreten. Damit seien dem Kläger die von diesen Organisationen ausgehenden Unterstützungshandlungen zuzurechnen.
17 
YEK-KOM bzw. NAV-DEM unterstützten wiederum die PKK und deren Nachfolgeorganisationen. Die Vereinigungen schafften insbesondere eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK und gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Sie sicherten der PKK auf diesem Wege einen Raum für die Ansprache und die Sicherung von Unterstützung durch im Bundesgebiet lebende Kurden. Diese Einschätzung werde sowohl durch die Selbstdarstellung der YEK-KOM wie auch von der Gestaltung und dem Ablauf ihrer Veranstaltungen sowie der Veranstaltungen ihrer Mitgliedsvereine getragen. Im nach wie vor auf der Internetpräsenz der YEK-KOM abrufbaren Arbeitsprogramm werde auf das Selbstverständnis der in Europa lebenden Kurden als „logistische UnterstützerInnen des nationalen Befreiungskampfes“ verwiesen. Die Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem kurdischen Kulturfestival im Jahr 2012 greife dies ebenfalls auf und spreche davon, dass die PKK für Millionen Kurdinnen und Kurden eine legitime Vertretung sei und einen „gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung“ führe. Deswegen lasse sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen. Bei diesem Selbstverständnis der Kurden handle es sich letztlich um das Selbstverständnis der YEK-KOM selbst. Denn zum einen begreife sich diese gerade als Dachorganisation der Kurden in Deutschland und als deren Interessenvertretung. Zum anderen werde auf dieses Selbstverständnis ohne jegliche Distanzierung und im Gesamtkontext der Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots Bezug genommen. Die YEK-KOM biete zudem eine Plattform für Äußerungen von Funktionären der PKK. Auf ihren Großveranstaltungen würden regelmäßig Grußbotschaften führender PKK-Funktionäre verlesen und als Videobotschaft gezeigt. Auf dem genannten Kulturfestival 2012, dessen Versammlungsleiter der Kläger gewesen sei, sei eine Videobotschaft des oben genannten Murat Karayilan und im Jahr 2013 eine solche des ebenfalls schon genannten Cemal Bayik gezeigt worden. Gleiches sei auf den jährlichen Newroz-Festivals geschehen. Die Veranstaltungen der Mitgliedsvereine der YEK-KOM, an denen der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied teilgenommen habe, seien jeweils durch die zeitliche Nähe zu für die PKK bedeutsamen Daten (PKK-Gründungsjahrestag; Tag der Festnahme Öcalans) und das regelmäßig stattfindende Märtyrergedenken gekennzeichnet, wie sich aus den Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Januar 2015, 29. Januar 2014, 17. Oktober 2013 und 27. August 2012 ergebe. Das Gedenken an Märtyrer möge Teil der kurdischen Kultur sein, wie der Kläger meine, zugleich komme jedoch zum Ausdruck, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im „Befreiungskampf Kurdistans“ grundsätzlich gebilligt werde. Denn ein Gedenken an Märtyrer schließe eine positive Bewertung der mit den Märtyrertod verbundenen Überzeugung ein. Dies gelte erst recht, weil auf den Veranstaltungen von YEK-KOM und ihren Mitgliedsvereinen soweit ersichtlich keine entsprechende Distanzierung von diesem bewaffneten Kampf erfolgt sei. Es handele sich gerade nicht, wie der Kläger wohl geltend machen wolle, um ein bloßes Gedenken an die verstorbenen des eigenen Volkes, sondern um Verstorbene im „Befreiungskampf“ der kurdischen Bevölkerung und zwar insbesondere derer, die bewaffnete Auseinandersetzungen, beispielsweise als Guerillakämpfer, geführt hätten. Durch die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM sowie die damit einhergehenden Satzungsänderungen habe sich die Ausrichtung des Vereins nicht verändert. Bereits aus vereinsrechtlicher Sicht liege keine Neugründung sondern eine bloße Umfirmierung vor. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Protokoll der Delegiertenversammlung vom 22. Juni 2014. In der Pressemitteilung zu Umbenennung vom 18. Juli 2014 spreche die Organisation selbst davon, dass „die Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland YEK-KOM e.V. […] ihre Arbeit fortan unter dem Namen NAV-DEM e.V. fortsetzen [wird]“. Dabei sei nicht in Abrede zu stellen, dass die NAV-DEM auf eine umfassendere Organisation kurdischer Vereine ausgerichtet sein möge und ihre satzungsmäßigen Ziele grundsätzlich legitime politische Anliegen beträfen. § 54 Nr. 5 AufenthG stelle jedoch auf tatsächliche Unterstützungshandlungen ab. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung des Aktivitätsspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM. Die NAV-DEM führe nach dem übereinstimmenden Bekunden des Klägers und des Landesamtes für Verfassungsschutz die beiden zentralen Großveranstaltungen (Newroz-Feier und kurdisches Kulturfestival) fort. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei bislang nicht erfolgt. Auch eine Distanzierung von den bisherigen Aktivitäten der YEK-KOM bzw. der Aktivitäten der PKK habe es nicht gegeben und gebe es auch jetzt nicht. Im Gegenteil führe die NAV-DEM die politischen Aktivitäten zur Aufhebung des PKK-Verbots fort. So führe eine Presseerklärung vom 24. November 2014 anlässlich des 21. Jahrestages des Verbots der PKK aus, dass das Betätigungsverbot für die PKK dazu geführt habe, dass „jegliches Engagement gegen den Krieg in Kurdistan und für die Rechte des kurdischen Volkes […] Repressionen und Kriminalisierung ausgesetzt [war]“.
18 
Der Kläger könne sich für seine Tätigkeit bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM nicht auf den Verbrauch der Ausweisungsgründe durch Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 berufen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könne eine Ausweisung in der Regel nicht mehr auf solche Tatbestände gestützt werden, in deren Kenntnis die Ausländerbehörde zuvor vorbehaltlos eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Für den Vertrauensschutz des Ausländers sei maßgeblich, wie dieser bei verständiger Würdigung die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verstehen durfte. Insofern dürfe eine Ausweisung nicht mehr allein auf die Betätigung des Klägers vor der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 gestützt werden, da er insoweit davon habe ausgehen dürfen, dass diese Betätigung im Verfahren zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis überprüft worden sei. Jedenfalls für den Zeitraum ab Erlass der angegriffenen Ausweisungsverfügung bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt, könne der Kläger jedoch keinen Vertrauensschutz geltend machen. Mit der Anhörung durch die Beklagte am 3. März 2011, spätestens jedoch mit Zustellung der Ausweisungsverfügung am 12. Januar 2012, habe dem Kläger die unterbliebene Prüfung von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG durch die Stadt... bewusst sein müssen. Schutzwürdiges Vertrauen auf seine weitere Betätigung für die YEK-KOM ohne entsprechende ausländerrechtliche Konsequenzen habe der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr entwickeln können. Der bis dahin bestehende Vertrauensschutz hindere aber nur die Neubewertung vergangener Ereignisse, nicht jedoch die Bewertung der fortgesetzten Tätigkeit des Klägers. Die erneute Wahl des Klägers in den Vorstand der YEK-KOM im Mai 2012 stelle die entscheidende Zäsur dar. Dieser habe sich in Kenntnis der Tatsachen, auf die der Beklagte seine Ausweisungsverfügung gestützt habe, dazu entschlossen, seine Tätigkeit im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM fortzusetzen und er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er von einer weiteren Betätigung nicht Abstand nehme.
19 
Als anerkannter Flüchtling und Besitzer einer Niederlassungserlaubnis, der sich länger als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, dürfe der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen insbesondere in den Fällen des §§ 54 Nr. 5 AufenthG vor. Ein Ausnahmefall von dieser Regel sei hier nicht gegeben. Der Kläger habe trotz der im Raum stehenden Ausweisung nunmehr erneut über einen Zeitraum von knapp drei Jahren aktiv die Aktivitäten der PKK über seine Vorstandstätigkeit unterstützt. Dabei habe er durch die Übernahme der Versammlungsleitung beim 20. kurdischen Kulturfestival in ... und seine Rednertätigkeit eine besonders exponierte Rolle eingenommen. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers im Ermessenswege vor. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
20 
Die Ausweisung sei auch gemessen an Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie rechtmäßig. Auf die Frage, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels Art. 21 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie geringer seien als die aus Art. 24 Abs. 1 komme es nicht an. Denn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie seien erfüllt. Danach dürfe die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, jedenfalls wenn sie ein unbefristetes Aufenthaltsrechts ersatzlos zum Erlöschen bringe, nur erfolgen, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei. Dabei sei eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich. In Anlehnung an das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG noch nicht aus. Vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Die Gründe müssten so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, dass Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das setze eine qualifizierte Unterstützung des Terrorismus voraus, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als aktiver Funktionär. Dies setze eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles voraus, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und eine Gewaltbereitschaft bestimmt werde. Eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei auch durch Unterstützung einer Organisation gegeben, die im Bundesgebiet selbst keine Terrorakte verübe, denn es sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sie die Gewalt auch als Mittel zur Lösung politischer Konflikte außerhalb ihres eigentlichen militärischen Aktionsgebiets einsetze. Zudem hätten Funktionäre der PKK auch Kurden in Deutschland zum bewaffneten Kampf in Syrien aufgerufen. Die Rückkehr solcher Kämpfer nach Deutschland stelle sich, wie bei Kämpfern anderer Organisation auch, als unkalkulierbares Sicherheitsrisiko dar. Eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Aktivitäten der PKK bestehe aber auch dann, wenn die Verübung terroristischer Akte auf dem Bundesgebiet durch die PKK ausgeschlossen wäre und sich alleine auf die Türkei beschränkten. Denn die Türkei und Deutschland seien NATO-Bündnispartner und in ein System kollektiver Verteidigung im Sinne von Art. 24 GG eingebunden. Diese Sicherheitspartnerschaft wäre in Frage gestellt, würde ein Bündnispartner die Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Gebiet eines anderen Bündnispartners dulden. Die Duldung solcher Aktivitäten könne zu einer in Stabilisierung der Sicherheitslage im betroffenen Staat führen, die wiederum dessen Handlungs- und Beistandsfunktion gegenüber sein Bündnispartner beeinträchtigen könne.
21 
Der Kläger habe durch seine aktive Funktionärstätigkeit die PKK in diesem Sinne qualifiziert unterstützt. Die aktive Tätigkeit im Vorstand der Vereine sei einer direkten Einbindung in die PKK-Funktionärsebene gleichzusetzen. Ohne die entsprechenden Veranstaltungen der YEK-KOM bzw. NAV-DEM wäre die Organisation und die Sicherung des Zusammenhalts der Anhängerschaft der PKK in Deutschland nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. Die Aufrechterhaltung eines jahrelangen, bewaffneten Guerillakampfes könne nur aufrechterhalten werden, wenn im Hintergrund der kämpfenden Einheiten ein stabiles und ideologisch gefestigtes Umfeld der Unterstützung, sei es in finanzieller oder politischer Hinsicht, bestehe. Die Bedeutung der YEK-KOM bzw. NAV-DEM für die Aktivitäten der PKK sei als sehr hoch zu bewerten. Besonders deutlich werde dies an den organisierten Veranstaltungen der Vereinigungen. Sie ermöglichten der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen, unter dem Schirm der Vereine die jeweilige Parteilinie an eine große Zahl von Personen zu vermitteln und dabei das auf den Großveranstaltungen erzeugte Gemeinschaftsgefühl für ihr Anliegen zu nutzen. Eine stärkere Identifikation und Unterstützung der Anliegen einer verbotenen Organisation als die Präsentation der Videobotschaften ihrer Führer vor einem Massenpublikum sei schwerlich vorstellbar. Dies rechtfertige es, die Vorstandstätigkeit in diesen Vereinen, zumal wenn sie im Fall des Klägers ohne jegliche Distanzierung zu den Aktivitäten der PKK erfolge, einer Funktionärstätigkeit in der PKK gleichzusetzen.
22 
Die Anordnung der Meldepflichten und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54 a AufenthG sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf eine Dauer von acht Jahren.
23 
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung habe, ob die Tätigkeit im Vorstand eines nicht verbotenen Vereins, der eine Vereinigung unterstütze, die den Terrorismus unterstützt, die Voraussetzung des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 und Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllen könne.
24 
Gegen das dem Kläger am 31. März 2015 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20. April 2015, eingegangen am selben Tag, beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt.
25 
Er führt im Wesentlichen aus: Dem Verwaltungsgericht fehle die Sachkunde für die Feststellung, dass die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM nicht zu einer wesentlichen Änderung des Aktivitätenspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM geführt habe. Zudem könne aufgrund einer veränderten internationalen Entwicklung nicht mehr ohne weiteres mit Blick auf die PKK von einer terroristischen Vereinigung ausgegangen werden. Einheiten der PKK hätten insbesondere ab August 2014 verfolgte Jesiden im Norden des Iraks vor dem IS geschützt, dies, nachdem die Peschmergas den Schutz verweigert hätten. Auch bei der Verteidigung von Kobane habe die PKK eine wichtige militärische Schutzfunktion für die schutzlose Zivilbevölkerung über ihren syrischen Zweig YPG übernommen. Diese sei dabei von der US-Luftwaffe unterstützt worden. Die PKK müsse nach Einschätzung westlicher Beobachter in den politischen Prozess eingebunden werden. Die US-Regierung weise ausdrücklich darauf hin, dass die YPG ungeachtet ihrer engen Verbindung zur PKK nicht als terroristische Organisation angesehen werde. Dies habe zu einer Überprüfung der Position der USA und westlicher Staaten im Hinblick auf ihre Einstellung gegenüber der PKK geführt. Haupthindernis bei den Bemühungen um eine gemeinsame internationale Strategie gegen den IS sei die türkische Regierung, die völlig eigene Interessen verfolge. Jedenfalls bedürfe es einer sorgfältigen Aufklärung der aufgezeigten Entwicklung und der darauf beruhenden Einschätzung. Das von den Verfassungsschutzbehörden unterstellte separatistische Ziel bezogen auf die Türkei sei seit langem überholt. Von der PKK gebilligte und koordinierte militärische Einsätze gegen die Türkei würden seit zwei Jahren nicht mehr geführt. Entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK müssten dem nicht zwingend entgegenstehen, sondern könnten auch als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat bewertet werden. Terroristische Aktionen in europäischen Ländern seien seit 2005 nicht mehr unternommen worden. Die politische und militärische Strategie der PKK habe sich seit dem Aufkommen des IS nahezu ausschließlich auf eine Schutzfunktion zu Gunsten der jesidischen und kurdischen Bevölkerung in Syrien verändert. Es entspreche jedenfalls dem Willen der jetzigen Führung der PKK, den Kampf der Einheiten vollständig auf den Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung in den bezeichneten Ländern zu konzentrieren.
26 
Das Verwaltungsgericht stelle auf die Vorstandstätigkeit des Klägers bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM ab, bezeichne jedoch keine einzige Aktivität des Klägers, die als individuelle Unterstützung der PKK ausgelegt werden könne. Der Unterstützungsbegriff werde unzutreffend ausgelegt, insbesondere soweit auf Aktivitäten „im Interessenbereich der PKK“, namentlich der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots unter Freilassung Öcalans abgestellt werde. Von derartigen, politisch neutralen Forderungen könne nicht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. eines bewaffneten Kampfes der PKK geschlossen werden. Es handele sich nicht um den Aufruf zur Begehung terroristischer Taten. Soweit das Verwaltungsgericht anführe, dass in dem „Denken an Märtyrer“ zugleich zum Ausdruck komme, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im Befreiungskampf Kurdistans grundsätzlich gebilligt werde, habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er insgesamt 13 nahestehenden Angehörigen in dem Kurdenkonflikt in der Türkei gedacht habe, die durch das türkische Militär getötet worden seien. Er sei gläubiger Muslim und bekunde so seine Trauer und seinen Respekt vor den Toten. Damit habe sich das Verwaltungsgericht in seiner Bewertung nicht auseinandergesetzt.
27 
Das Bundesverwaltungsgericht verlange für eine Unterstützung des Terrorismus aus rechtsstaatlichen Gründen eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten, da dem Einzelnen anderenfalls ein Verhalten zugerechnet werde, dass weder von seinem Willen noch von der durch ihn unterstützten Vereinigung getragen werde. Lediglich die Befürwortung bestimmter spezifischer Ideologien oder Weltanschauungen, sofern daraus nicht Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele abgeleitet würden, reichten danach nicht aus. Eine Vereinigung könne nur dann als den Terrorismus unterstützende Vereinigung angesehen werden, wenn sie Dritte mit einer entsprechenden Einstellung für die militante Durchsetzung der Ideologie gewinnen wolle. Das Verwaltungsgericht wende § 54 Nr. 5 AufenthG indessen bereits dann an, wenn z.B. die Aufhebung des Vereinsverbots der PKK oder eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei gefordert werde. Es lasse bereits bloße Sympathiebekundungen für eine Organisation, die durch die Sicherheitsbehörden als terroristische eingestuft werde, für den Unterstützungsbegriff ausreichen, ohne dass zusätzliche Tatsachen festgestellt würden, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung auch auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet seien, etwa dadurch, dass gezielt bei Veranstaltungen Jugendliche für den bewaffneten Kampf in kurdischen Siedlungsgebieten angeworben oder durch konkrete Aktionen Kämpfer der PKK in diesen Gebieten unterstützt würden.
28 
Das Verwaltungsgericht verletze § 54 Nr. 5 AufenthG auch, indem es keinen subjektiven Tatbestand voraussetze. Es stelle auf die Vorstandsfunktionen des Klägers in PKK-nahen Vereinigungen ab, berücksichtige aber nicht, dass dieser an seine 13 verstorbenen Verwandten gedacht habe. Im Übrigen fehlten Feststellungen dazu, dass der Kläger bei seinen Aktivitäten bewusst und gewollt den internationalen Terrorismus unterstütze.
29 
Die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zum Unterstützungsbegriff werde zudem verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht. Schon im objektiven Tatbestand sei darauf zu achten, dass der Unterstützungsbegriff nicht unverhältnismäßig namentlich in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreife. Der Organisationsbezug sei daher nicht schon immer dann zu bejahen, wenn in irgendeiner Form auf den verbotenen Verein und seine Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerungen die Tätigkeit des Vereins gefördert werden solle. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsschutz und Gefahrenabwehr folge das Erfordernis einer restriktiven Auslegung des Unterstützungsbegriffs. Unterstützungshandlungen müssten auf die Festigung vorhandener terroristischer Strukturen abzielen und der Ausländer selbst müsse einen den Unterstützungsbegriff gerecht werdenden Beitrag zur Unterstützung der Vereinigung leisten. Das Bundesverfassungsgericht weise ausdrücklich darauf hin, dass dem Einzelnen nicht verboten werde, selbst bestimmte politische Ziele anzustreben und zu vertreten, wohl aber, dies durch Förderung der verbotenen Tätigkeit des Vereins zu tun. Die Abwehr richte sich nicht gegen die Handlung des Einzelnen als solche, sondern gegen die mit ihr verbundene Stärkung der Organisation. Es reiche nicht aus, wenn der Außenstehende gleiche Ansichten wie die verbotene Partei vertrete. Einer Meinungsäußerung sei daher nur dann eine objektive Gefahr immanent, wenn zusätzlich äußere, sich nicht nur aus der Willensrichtung des Äußernden ergebende Umstände hinzuträten, die der Äußerung einen unmittelbaren Förderungseffekt geben. Es bedürfe einer auf die terroristische Tätigkeit der Vereinigung bezogene Zweckgerichtetheit und insoweit gelte auch das Regelbeweismaß für Tatsachenfeststellungen. Engagierte Sympathisanten im Umfeld einer terroristischen Organisation, die wie hier der Kläger nicht strukturell in diese eingebunden seien, erfüllten daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht den Begriff der Unterstützung einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze.
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Es müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie für den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff. Daran fehle es regelmäßig, wenn die Betätigung sich auf Geldspenden, Verteilung von Zeitungen und Flugblättern, die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen, Hungerstreiks oder nicht gewalttätigen Besetzungsaktionen beschränke. Von terroristischem Aktivitäten im Einzelfall sei auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit für die PKK eine qualifizierte Mitverantwortung für deren kriminelle und terroristische Aktivitäten in Deutschland trage. Dies werde auch durch die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 1 GFK, Art. 12 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 AsylG bestätigt. Auch dort gehe es um eine Zurechnung nach verwaltungsrechtlichen und nicht strafrechtlichen Grundsätzen, wobei dort der Beweisstandard hinsichtlich der materiellen Zurechnungskriterien gegenüber dem Strafrecht nicht herabgesenkt sei. Hier wie dort gehe es um die Gefährdung wichtiger öffentlicher Schutzgüter durch terroristische Gefahren. Verlangt werde dort ein vorsätzlicher Beitrag mit dem Ziel, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern. Die Beiträge müssten also ausreichend sein, die Fähigkeit der Organisation, terroristische Anschläge zu verüben, zu fördern. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union fordere in diesem Zusammenhang eine individuelle Prüfung der genauen tatsächlichen Umstände. Er gehe davon aus, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit vermutet werden könne. Ob diese Vermutung gerechtfertigt sei, erfordere nach seiner Rechtsprechung aber eine Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände.
31 
In vorliegendem Fall sei zur Entlastung des Klägers zu berücksichtigen, dass er nicht in eine Organisation eingebunden sei, die sich terroristischer Mittel bediene. Zwar gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass für den präventiven Gefahrenabwehrschutz gegenüber dem strafrechtlichen Maßstab der Begriff der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erweitert werden dürfe. Aus verfassungsrechtlichen Gründen setze aber eine präventive Gefahrenabwehrmaßnahme voraus, dass durch das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorgerufen werde. Es bedürfe stets einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die auf konkret umrissenen Tatsachen beruhe. Dass Sympathiebekundungen für eine terroristische Organisation, selbst Sympathiebekundungen für terroristische Aktivitäten, eine Gefahr begründeten, sei eher fern liegend, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert werden könnten, dass durch diese die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad dürften nicht beliebig abgesenkt werden. Aufgrund des prognostischen Charakters des Gefahrenbegriffs und der Tatsache, dass nahezu jedes Gut mehr oder weniger risikogeneigt sei und mit Blick auf das Recht auf Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheiten müsse der Gesetzgeber in abstrakter Weise einen Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen erreichen. Dies könne dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürften. Dies gelte auch für § 54 Nr. 5 AufenthG. Es genüge nicht, dass in irgendeiner Form auf die terroristische Organisation und deren Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerung deren terroristische geprägten Tätigkeiten im objektiven Sinne gefördert werden sollten. Gemessen hieran habe der Kläger durch seine Vereinsaktivitäten nicht den internationalen Terrorismus unterstützt. Für § 54 Nr. 5 AufenthG seien ein kognitives und ein voluntatives Element erforderlich. Hinsichtlich des voluntativen Elements des subjektiven Unterstützungsbegriffs fehle es indes an der verfassungsrechtlich gebotenen Eindeutigkeit. Nach der Rechtsprechung genüge es, dass der Einzelne in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst stehe, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringe und damit deren Stellung in der Gesellschaft, vor allem unter Landsleuten, begünstigend beeinflusse, deren Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitere und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefährdungspotenzials beitrage. Dies reiche aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht aus. Auch eine bloße Stärkung eines latenten Gefährdungspotenzials genüge nicht den Anforderungen, die für die Eingriffsverwaltung an das Bestehen einer konkreten Gefahr zu fordern seien. Bei Äußerungen müsse eine vereinsfördernde Zielrichtung eindeutig erkennbar sein. Ob der Betroffene die Grenzen einer erlaubten Tätigkeit überschreite, sei davon abhängig, wie weit der grundrechtlich geschützte Freiheitsbereich reiche. Dies könne ohne voluntative Elemente nicht bestimmt werden. Es sei daher zu verlangen, dass der Einzelne sich mit den Zielvorstellungen und terroristischen Aktivitäten einer Organisation identifiziere. Dementsprechend genüge eine bloße politische Sympathiebekundung des Einzelnen für eine terroristische Organisation nicht. Die Schwelle sei erst überschritten, wenn Sympathie in Form der Verherrlichung des Guerillakampfes bekundet werde. Zwar könne danach auch der Personenkult für Öcalan berücksichtigt werden, weil diesem nach wie vor ein Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK zukomme, es bedürfe aber zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen für die Identifikation Einzelner mit dem Terrorismus, in dem Sinne, dass diese mit der Sympathiebekundungen für Personen oder Organisationen zugleich auch deren terroristisch geführten bewaffneten Kampf unterstützen wollten.
32 
Das Verwaltungsgericht habe auch keine schwerwiegenden Gründe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz der Qualifikationsrichtlinie festgestellt. Eine Regelvermutung, wie das nationale Recht, kenne das Unionsrecht nicht. Es sei eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Das Refoulementverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder Bereitschaft hierzu oder eine strukturelle Einbindung in diese, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, erforderlich. Die bloße Mitgliedschaft des Klägers im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM sowie dessen Redebeiträge, die im Übrigen nicht dahingehend bewertet worden seien, ob der Kläger in diesen zu Gewaltanwendung aufgerufen habe, genügten nicht.
33 
Aus der Teilnahme an rechtmäßigen Versammlungen und an Veranstaltungen, in der sich die kulturelle Identität als Kurde manifestiert habe, folge nicht automatisch, dass der Betroffene selbst terroristische Handlungen unterstützt habe. Solche Veranstaltung seien auch nicht automatisch terroristische Handlungen.
34 
Zudem sei durch das neue Ausweisungsrecht dem bisherigen Automatismus eine klare Absage erteilt worden. Es sei danach eine ergebnisoffene Abwägung auf Tatbestandsseite erforderlich, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Hier fehle es schon an einer konkreten Gefahr als Grundlage einer solchen Abwägung. Generalpräventiv motiviert sei die Ausweisung im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen nicht vorlägen, nicht zulässig. Es fehle an der Unerlässlichkeit der Maßnahme. Auch bei Annahme einer vom Kläger ausgehenden Gefahr gehe die Abwägung zu dessen Gunsten aus, da besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nicht bestünden und zugleich besonders schwerwiegende und schwerwiegende Bleibeinteressen vorlägen. Der langjährige rechtmäßige Aufenthalt des Klägers in Deutschland und die Interessen seiner Familie, mit der er zusammen lebe, seien umfassend zu berücksichtigen. Eine Nachreisen der Familie in die Türkei sei dieser nicht zuzumuten. Auch sei zu beachten, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers aufgrund seines Flüchtlingsstatus nicht zulässig sei.
35 
Das Verhalten des Klägers erfülle auch deshalb nicht die Voraussetzungen der Art. 21 Abs. 2 und 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, da er selbst weder terroristische Handlungen begangen habe, noch solche geplant, entschieden oder andere dazu angeleitet bzw. finanziert oder er Mittel dazu beschafft habe. Eine dieser abschließend zu verstehenden Handlungen verlange der Gerichtshof der Europäischen in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ (Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris) jedoch. Auch betone dieser, dass eine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen keine solche Handlung sei und sich daraus nicht zwingend die Unterstützung solcher Taten ergebe.
36 
Der Kläger beantragt,
37 
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
38 
Der Beklagte beantragt,
39 
die Berufung zurückzuweisen.
40 
Er führt im Wesentlichen aus: Die PKK sei auch nach wie vor als terroristische Organisation zu sehen. Sie sei weiterhin in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 sowie im bindenden Anhang zur Verordnung (EG) 2850/2001, zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/513 vom 26. März 2015, aufgeführt. Zudem sei auf die Bundestagsdrucksache 18/3702 vom 7. Januar 2015 zu verweisen, in der die Bundesregierung deutlich mache, weshalb sie am Vereinsverbot bezüglich der PKK festhalte und diese als terroristische Organisation einstufe. Diese halte weiter an ihrem Standpunkt fest, nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Terroristen zu unterscheiden. Zwar gehe die Bundesregierung nicht von Angriffen der PKK in Deutschland oder gegen deutsche Ziele aus, dennoch stünden Angriffe gegen Ziele des Nato-Partners Türkei unverändert auf dem Plan der PKK. Dies werde weiterhin von der Bundesregierung missbilligt und im Rahmen der Möglichkeiten deutscher Sicherheitsbehörden verhindert. Die Bundesregierung weise zudem darauf hin, dass die PKK Europa als Rückzugsraum für finanzielle und politische Aktivitäten betrachte. Weiterhin sei der Friedenprozess zwischen der Türkei und den Kurden seit Juli 2015 beendet, da die Waffenruhe zerbrochen und es zu neuen Kämpfen und Anschlägen gekommen sei. Am 22. Juli 2015 seien in Ceylanpinar im Südosten der Türkei zwei Polizisten ermordet worden. Die PKK habe sich hierzu bekannt. Am 10. August 2015 seien mehrere Anschläge in Istanbul erfolgt, darunter einer auf eine Polizeiwache, zu denen sich die PKK ebenfalls bekannt habe. Am 11. August 2015 habe es einen weiteren Anschlag in Südost-Anatolien gegeben, bei dem ein türkischer Soldat ums Leben gekommen sei.
41 
YEK-KOM und NAV-DEM unterstützten die PKK und deren Nachfolgeorganisationen insbesondere durch eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK; sie gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Die bloße Umbenennung der YEK-KOM in die NAV-DEM habe das Verwaltungsgericht zutreffend bewertet, dies werde auch durch den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 24. August 2015 aufgezeigt. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei nicht erfolgt, es gebe auch keine Distanzierung der NAV-DEM von den Aktivitäten der YEK-KOM. Auf beiden Internetpräsenzen werde jeweils das Logo der NAV-DEM abgebildet, es werde das nahezu identische Layout verwendet, wie die Screenshots vom 20. August 2015 zeigten. Die NAV-DEM sei nach eigenen Angaben Mitglied der KON-KURD-Nachfolgeorganisation (europäischer Dachverband PKK-naher Vereine) und der Vorsitzende der NAV-DEM habe im März 2014 erklärt, dass man die deutsche Demokratie nicht akzeptieren könne, wie sich aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014, Seite 131, ergebe. YEK-KOM bzw. NAV-DEM verträten entgegen der Darstellung des Klägers auch nicht lediglich die selben politischen Forderungen wie die PKK. Vielmehr würden die von der PKK gewählten Mittel der Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele öffentlich unterstützt, zumindest aber gebilligt. Die im verwaltungsgerichtlichen Urteil erwähnte Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Jahre 2012, in der ausgeführt werde, dass sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten lasse, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen, zeige das klare Bekenntnis zur PKK. Von der Gewaltanwendung der PKK habe sich die YEK-KOM auch nicht distanziert.
42 
§ 54 Nr. 5 AufenthG sei im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen, in der die Staaten dazu aufgefordert würden, die Nutzung ihres Staatsgebietes für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. Daher setze § 54 Nr. 5 AufenthG nicht voraus, dass von dem betroffenen Ausländer bereits eine konkrete Gefahr ausgehe. Angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus sei es gesetzgeberischer Wille, dass die Voraussetzungen dieses Ausweisungsgrundes deutlich niedriger anzusetzen sei.
43 
Erforderlich sei eine wertende Gesamtbetrachtung der Aktivitäten und des Verhaltens des Ausländers. Einzelne belegbare Unterstützungshandlungen müssten vorliegen, die nach vernünftiger Wertung den Schluss zuließen, dass der Ausländer in nicht völlig unerheblicher Weise eine terroristische Organisation unterstütze. Zur Sicherung vor unverhältnismäßigen Eingriffen, etwa in die Meinungsfreiheit, müsse die Tätigkeit für den Ausländer erkennbar geeignet sein, sich auf die unterstützte Vereinigung positiv auszuwirken. Lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele genügten nicht, das sei auch berücksichtigt worden. Die zahlreichen Aktivitäten des Klägers auch in herausgehobener Funktion könnten nicht als bloßes Gedenken an verstorbene Verwandte gewertet werden, da zugleich der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel gebilligt worden sei. Der Kläger in seinen herausgehobenen Funktionen habe auch gewusst, dass Märtyrergedenkveranstaltungen für die Sache der PKK instrumentalisiert würden. Zurechenbar seien ihm die Unterstützungshandlungen auch mangels klarer Distanzierung durch ihn oder die Organisationen, für die er tätig gewesen sei und ist.
44 
Die Ausweisungsverfügung sei auch nach neuem Recht rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie lägen vor, nachdem sogar jene des Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht worden seien. Der Kläger irre, wenn er meine, der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ zwingend eine Unterstützung in Form von eigenen terroristischen Tätigkeiten oder eine herausgehobene Stellung in der terroristischen Vereinigung selbst zur Voraussetzung gemacht. Stets sei der Einzelfall zu untersuchen und es gebe danach auch andere Formen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
45 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Beweisantrag gestellt: „Es soll eine Auskunft zu den Tatsachen, dass die NAV-DEM insbesondere das Ziel verfolgt, die Interessen aller Kurden aus den Staaten Syrien, Irak und Türkei und die Integration der in Deutschland lebenden Kurden zu fördern sowie die Öffentlichkeit auf die Situation der bedrohten kurdischen Minderheiten im Irak und in Syrien hinzuweisen und für die Leistung humanitärer Hilfe für diese Personengruppe zu werden, eingeholt werden durch eine Auskunft durch den Sachverständigen A. I., Steindamm 39, 20099 Hamburg“. Diesen hat der Senat abgelehnt.
46 
Dem Senat liegen die verfahrensbezogenen Akten der Behörde vor. Es hat im weiteren die sich aus Blatt 165 der Gerichtsakten ergebenden weiteren Erkenntnismittel erhoben, die den Parteien zuvor zugänglich gemacht wurden. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
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Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
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Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
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Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
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Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
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b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
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Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
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Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
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Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
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Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
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Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
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Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
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Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
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Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
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Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
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- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
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- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
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Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
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- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
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- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
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- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
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- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
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Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
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- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
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- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
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- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
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- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
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- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
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- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
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- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
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„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
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- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
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Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
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Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
119 
Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
120 
Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
77 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
83 
Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
96 
- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
97 
Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
98 
- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
100 
- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
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„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
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- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
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Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
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Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
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Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
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2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
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Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
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Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge. Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Angeklagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden: PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angelegenheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem damaligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der Angeklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach Europa zurück.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ist unzulässig.
4
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll- ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisionsverfahrens , in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
5
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
6
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortlichen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückgenommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungsermächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.
7
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
8
In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30; NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182; Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer hoheitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SKStGB /Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786, 2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte, die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesministerium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Weise erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
9
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
10
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
11
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revisionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan = Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verübten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzurechnen sind.
12
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht kein Rechtfertigungsgrund.
13
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deckmantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden. Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Türkei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wurden , sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völkerrechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtsprechung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12, BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht angezeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtlichen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zusammenfassend bzw. ergänzend:
14
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
15
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
16
(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96 Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vorschrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen Republik anzuwenden.
17
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Türkei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechtsfolgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
18
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" erfüllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ 2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime dar.
19
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Provinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Republik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türkischen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde, nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völkerrechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung scheidet somit aus.
20
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Südafrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a. in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines rassistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege- ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen werden. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht festgestellt.
21
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
22
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4 ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von einer ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Regierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom 30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Entwicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeugung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften , für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,

39).


Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
A K 2 7 / 1 5
vom
3. September 2015
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
Stuttgart sowie des Angeschuldigten und seines Verteidigers
am 3. September 2015 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Stuttgart übertragen.

Gründe:

I.


1
Der Angeschuldigte, der türkischer Staatsangehöriger ist, wurde am 12. Februar 2015 vorläufig festgenommen und befindet sich seit diesem Tag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. August 2014 (OGs 1/14) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat unter dem 28. April 2015 Anklage gegen den Angeschuldigten vor dem Oberlandesgericht Stuttgart erhoben.
2
Gegenstand des Haftbefehls vom 4. August 2014 ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich mindestens seit Mitte des Jahres 2010 unter dem Decknamen "D. " in der Funktion eines Gebietsleiters als Mitglied an der Arbeiterpartei Kurdistans ("Partiya Karkeren Kurdistan" - PKK) und damit an einer Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
3
Die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zur strafrechtlichen Verfolgung unter anderem der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Gebiete der PKK und ihrer Teilorganisation in Europa CDK (Civata Demokratik Kurdistan; "Kurdische demokratische Gesellschaft"), soweit ein Deutschlandbezug besteht, liegt seit dem 6. September 2011 vor.

II.


4
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus sind gegeben.
5
1. Nach den bisherigen Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen:
6
a) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Sie gliedert sich in verschiedene Organisationen, die mehrfach die Bezeichnung wechselten. So bestehen u.a. seit 2007 die "Vereinigte Gemeinschaft Kurdistans" (Koma Civakên Kurdistan - KCK) als Kaderorganisation und der "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gelê Kurdistan - KONGRA-GEL) als quasi legislatives Organ sowie die ("neue") PKK mit der Aufgabe einer Fortentwicklung der ideologischen Ausrichtung. Ziel der KCK ist ein staatsähnlicher "konföderaler" Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, in Syrien, im Iran und im Irak.
7
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person Abdullah Öcalans ausgerichtet. Daneben vollzieht sich die Willensbildung über die KONGRA-GEL und den Exekutivrat der KCK. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie den übergeordneten Kadern regelmäßig Bericht zu erstatten.
8
Die PKK sieht im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel an. Zu ihrem System gehören auch die "Volksverteidigungskräfte" ("Hezen Parastine Gel" - HPG). Diese nehmen ein Recht auf "aktive Verteidigung" und auf "Vergeltungsangriffe" gegen türkische Sicherheitsbehörden in Anspruch. Sie verübten deshalb - auch in Zeiträumen, für die, wie zuletzt am 23. März 2013, vom Präsidium des Exekutivrats der KCK "Feuerpausen" verkündet wurden, - Anschläge mit Sprengstoff und Waffen insbesondere gegen türkische Soldaten und Polizisten und verletzten oder töteten eine Vielzahl von ihnen. Vereinzelt waren auch Zivilisten betroffen.
9
Der Schwerpunkt der Strukturen und das eigentliche Aktionsfeld der PKK liegen in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Iran und im Irak. Zahlreiche auf die Unterstützung der politischen und militärischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Staat ausgerichtete Aktivitäten betreibt die PKK jedoch auch in Deutschland und anderen Gebieten Westeuropas. Dazu bedient sie sich der CDK, deren Aufgabe insbesondere darin besteht, nach den Vorgaben der KCK und der KONGRA-GEL die in Europa lebenden Kurden zu organisieren. Unterhalb dieser Führungsebene ist Europa in Sektoren, Gebiete , Räume und Stadtteile eingeteilt.
10
b) Der Angeschuldigte ist dringend verdächtig, jedenfalls seit Mitte 2010 als Gebietsleiter in die dargestellte Organisation der PKK und CDK eingebunden gewesen zu sein und diese gefördert zu haben:
11
Der Angeschuldigte war seit diesem Zeitpunkt als - von der PKK alimentierter - Gebietsleiter zunächst für das Gebiet "Kiel" und später - bis zu seiner Verhaftung - nacheinander für die Gebiete "Sachsen", "Stuttgart" und "Bodensee" tätig. In dieser Funktion organisierte er Spendensammlungen, verwaltete die eingenommenen Gelder und leitete sie weiter. Er nahm an Treffen mit anderen PKK-Kadern teil bzw. besuchte entsprechende Schulungen. Außerdem organisierte er die Teilnahme von Kurden, die in "seinen" Gebieten ansässig waren, an zentralen Demonstrationen und Veranstaltungen. Höherrangigen Kadern, mit denen er auch telefonisch in Kontakt stand, erstattete er regelmäßig Bericht.
12
Der dringende Tatverdacht hinsichtlich dieses Sachverhalts ergibt sich aus den bei einer Durchsuchung des "Kurdistan Volkshauses" in H. im Jahr 2010 und bei der Festnahme des Angeschuldigten im Februar 2015 sichergestellten Unterlagen, dem Ergebnis der Überwachung der Telekommunikation des Angeschuldigten und seiner Observierung sowie weiteren Ermittlungsergebnissen der Landeskriminalämter Schleswig-Holstein, Sachsen und Baden-Württemberg. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Stuttgart und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Bezug genommen.
13
Damit ist der Angeschuldigte dringend verdächtig, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt zu haben.
14
2. Es besteht aus den im Haftbefehl dargestellten Gründen jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Zweck der Untersuchungshaft kann durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Die bisherige Dauer der Untersu- chungshaft steht auch noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden erheblichen Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
15
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil noch nicht zugelassen.
16
Nach der Festnahme des Angeschuldigten am 12. Februar 2015 wurde das Ermittlungsverfahren zügig abgeschlossen. Unter dem 28. April 2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart Anklage zum dortigen Oberlandesgericht erhoben. Bereits am 29. April 2015 verfügte der Vorsitzende des Strafsenats die Zustellung der Anklage und - nach Anhörung des Verteidigers - am 8. Mai 2015 deren Übersetzung. Am 23. Juni 2015 wurde dem Angeschuldigten die Übersetzung der Anklageschrift übersandt. Am 16. Juli 2015 lief die - auf Antrag des Verteidigers verlängerte - Erklärungsfrist nach § 201 Abs. 1Satz 1 StPO ab. Der Senat geht davon aus, dass das Oberlandesgericht - wie angekündigt - nunmehr zügig über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden wird.
Schäfer Pfister Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 2 / 1 5
vom
19. März 2015
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeschuldigten und seiner Verteidiger am 19. März
2015 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg übertragen.

Gründe:

I.

1
Der Angeschuldigte wurde am 29. August 2014 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 2014 festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in Deutschland (unter dem Decknamen K. ) als hauptamtlicher Kader der "Arbeiterpartei Kurdistans" ("Patiya Karkeren Kurdistan", im Folgenden: PKK) und ihrer Europaorganisation ("Civata Demokratik a Kurdistan", im Folgenden: CDK) in Kenntnis der Ziele, Programmatik und Methoden der Gesamtorganisation Führungsfunktionen ausgeübt, und zwar spätestens von Januar 2013 bis Mitte Juni 2013 als Leiter des PKK-Sektors "Mitte" und von Mitte Juni 2013 bis Mitte Juli 2014 als Leiter des PKK-Sektors "Nord". Dadurch habe er sich als Mitglied an einer außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehenden Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
3
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Taten der Europaführung, der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren (Saha) bzw. Regionen (Eyalet) und Gebiete (Bölge) der PKK und ihrer Teilorganisation in Europa CDK erteilt (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).
4
Unter dem 20. Januar 2015 hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen den Angeschuldigten wegen des im vorbezeichneten Haftbefehls enthaltenen Tatvorwurfes Anklage zum Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg erhoben.

II.

5
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor (§§ 121, 122 StPO).
6
1. Der Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland dringend verdächtig.
7
a) Nach den Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen:
8
aa) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die PKK verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 unter dieser Bezeichnung die "Yorna Civaken 'Kurdistan'" ("Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan", im Folgenden: KCK), die auf einen staatsähnlichen "konföderalen" Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak abzielt und dabei umfangreiche staatliche Attribute beansprucht wie Parlament, Gerichtsbarkeit, Armee und Staatsbürgerschaft.
9
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person von Abdullah Öcalan ausgerichtet. Daneben vollzieht sich die Willensbildung etwa über den "Kongra Gele Kurdistan" (Kongra-Gel, "Volkskongress Kurdistans") und den KCKExekutivrat. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie regelmäßig der übergeordneten Ebene Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
10
Der Schwerpunkt der Strukturen und das eigentliche Aktionsfeld der PKK liegen in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran. Zahlreiche auf die Unterstützung der politischen und militärischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Staat ausgerichtete Aktivitäten betreibt die PKK jedoch auch in Deutschland und anderen Gebieten Westeuropas. Dazu bedient sie sich der Organisation "Kurdische Demokratische Gesellschaft" ("Civata Demokratik a Kurdistan": im Folgenden: CDK), die die Vorgaben der KCK-Führung umzusetzen hat und aus der YDK ("Kurdische Demokratische Volksunion") hervorgegangen ist; sie dient namentlich dazu, die in Europa lebenden Kurden zu organisieren.
11
bb) Die KCK bewertet im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel. Zu ihrem System gehören auch die "Hezen Parastina Gel" ("Volksverteidigungskräfte", im Folgenden: HPG), die nach dem Willen der Führung vor allem im Südosten der Türkei Anschläge gegen türkische Soldaten sowie Polizisten verübten und dabei eine Vielzahl von diesen töteten und verletzten. Sie bekannten sich seit der Aufkündigung eines "Waffenstillstands" zum 1. Juni 2004 zu über 60 Anschlägen.
12
Für verschiedene auch auf zivile Ziele in türkischen Großstädten und Touristenzentren, die ebenfalls von dem Kommando der HPG unterstehenden Einheiten begangen wurden, übernahmen nicht die HPG, sondern die "Teyrebazen Azadiya Kurdistan" ("Freiheitsfalken Kurdistans", im Folgenden: TAK) nach außen die Verantwortung. Die PKK/KCK bezweckt damit, sich offiziell von diesen Anschlägen distanzieren zu können, um ihren nach außen propagierten "Friedenskurs" nicht in Frage zu stellen, durch den sie sich erhofft, als politischer Ansprechpartner im In- und Ausland anerkannt zu werden.
13
Nachdem Abdullah Öcalan aus der Haft heraus in einer anlässlich des "Newrozfestes" am 21. März 2013 in Diyarbakir verlesenen Botschaft zu einer gewaltfreien politischen Lösung des Konflikts aufgerufen und die Guerillakämpfer aufgefordert hatte, sich aus der Türkei zurückzuziehen, erklärte das Präsidium des Exekutivrats der KCK eine Feuerpause ab dem 23. März 2013; ab dem 8. Mai 2013 zogen sich die Guerillakämpfer in den Nordirak zurück. Diese in PKK-Kreisen so bezeichnete "Initiative des Führers" führte in der Folgezeit zwar dazu, dass die Anschläge der HPG stark rückläufig waren, damit war aber keine Abkehr von der Ausrichtung der Organisation auf die Begehung von Tötungsdelikten verbunden. Bereits die Erklärung einer Feuerpause stand unter dem Vorbehalt, im Falle von Angriffen werde man vom "Recht auf Selbstverteidigung" Gebrauch machen und Vergeltung üben. Wie schon während der früheren einseitigen "Waffenstillstände" und sogenannter Friedensinitiativen stellte die PKK gleichzeitig Forderungen und drohte für den Fall der Nichterfüllung mit Terrorakten; solche wurden auch weiterhin verübt.
14
Die strukturelle und personelle Basis für die europäischen Aktivitäten der PKK bildet die der KCK-Führung untergeordnete CDK. Deren Führung besteht aus dem CDK-Rat, einer CDK-Exekutive und der CDK-Koordination. Unterhalb dieser Führungsebene ist Europa in "Sektoren" (saha), "Gebiete" (bölge), "Räume" (alan) und "Stadtteile" (semt) eingeteilt. In Deutschland gab es seit 2002 drei Sektoren ("Süd", "Mitte" und "Nord"); im Jahr 2012 wurde der Sektor "Süd" in die Sektoren "Süd 1" und "Süd 2" aufgeteilt. Im sogenannten "Außensektor" sind die anderen europäischen Staaten organisatorisch zusammengefasst , die sich den örtlichen Gegebenheiten entsprechend gegebenenfalls in Gebiete untergliedern. Für jede Organisationseinheit wird von der Führung mindestens ein Verantwortlicher eingesetzt, für Sektoren und Gebiete sind dies in der Regel durch die Partei alimentierte hauptamtliche Kader, zu deren wesentlichen Aufgaben die Beschaffung von Finanzmitteln und die Organisation öffentlichkeitswirksamer Aktionen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Sinne der PKK gehören. Sie sind auch verantwortlich für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerillakräfte und den Kaderapparat. Dabei haben sie die Vorgaben der CDK umzusetzen und der CDK-Führung über die Erfüllung ihrer Aufgaben regelmäßig Bericht zu erstatten.
15
cc) Spätestens ab Januar 2013 befasste sich der Angeschuldigte mit den typischen Leitungsaufgaben eines "Sektorverantwortlichen" und koordinierte mindestens bis Mitte Juli 2014 die organisatorischen, finanziellen, personellen sowie propagandistischen Angelegenheiten der zu seinem jeweiligen Zuständigkeitsbereich gehörenden Gebiete. Im Sektor "Mitte" waren das die Gebiete Duisburg, Bonn, Köln, Bielefeld, Essen/Bochum, Dortmund und Düssel- dorf, zum Sektor "Nord" gehörten die Gebiete Bremen, Oldenburg, Hannover, Hamburg, Kiel, Berlin, Sachsen, Salzgitter und Kassel.
16
Auf die Arbeit der Gebietsverantwortlichen in den von ihm geleiteten Sektoren nahm er bestimmenden Einfluss. Er stand mit ihnen in regelmäßiger Verbindung, koordinierte ihre Arbeit, gab ihnen Anweisungen und ließ sich über die Entwicklungen in den Gebieten berichten. Er selbst befolgte die von der Europaführung erteilten Weisungen und war dieser gegenüber berichtspflichtig. Über die wesentlichen Vorgänge in den Gebieten seiner Sektoren informierte er die Europaführung regelmäßig.
17
b) Hinsichtlich des vorstehenden Sachverhalts ergibt sich der dringende Tatverdacht aus einer Vielzahl sichergestellter Unterlagen, der Auswertung zahlreicher Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, den Ergebnissen durchgeführter Observationen sowie aus öffentlichen Verlautbarungen der Organisationen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes sowie im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.
18
c) Danach stellt die von der PKK initiierte und aufrechterhaltene Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der Einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln unter den Gruppenwillen unterordnet. Sie ist infolge des von ihr in Anspruch genommenen - indes nicht gegebenen - "Selbstverteidigungsrechts" und der durch ihre Unterorganisationen verübten Anschläge darauf ausgerichtet, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen.
19
Nach den durchgeführten Ermittlungen hat sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit spätestens ab Januar 2013 bis mindestens Mitte Juli 2014 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an dieser terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
20
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Zusätzlich zu den insoweit im Haftbefehl dargelegten Umständen, auf die Bezug genommen wird, ergibt sich dies aus Folgendem:
21
Die abschließende Auswertung der Überwachung des vom Angeschuldigten genutzten Mobilfunkanschlusses hat ergeben, dass der Angeschuldigte nach seiner Teilnahme am jährlichen CDK-Europakongress zwischen dem 28. Juni und 2. Juli 2014 eine Kadertätigkeit in Frankreich übernahm , die - neben ständigen telefonischen Kontakten zu französischen Kadern - auch mit mehrfachen längeren Aufenthalten in Frankreich verbunden war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vermerk des Bundeskriminalamts vom 19. November 2014 (Bd. I. 3 Bl. 319 - 331) und die Ausführungen im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift hierzu Bezug genommen (dort Abschn. III. 6, S. 163 - 166).
22
Daneben ist auch der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO gegeben.
23
Der Zweck der Untersuchungshaft kann - entgegen der Ansicht des Angeschuldigten - nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden. Die vom Angeschuldigten beantragte Aussetzung des Vollzuges des Haftbefehls unter Auflagen kommt daher angesichts der gegebenen Umstände und der sich hieraus ergebenden hohen Fluchtgefahr nicht in Betracht (§ 116 StPO).
24
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Der besondere Umfang des Verfahrens hat ein Urteil innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Angeschuldigte in Untersuchungshaft genommen worden ist, noch nicht zugelassen.
25
a) Es handelt sich um ein umfangreiches Strafverfahren. Die Sachakte umfasst 51 Stehordner. In der Zeit zwischen dem 27. März 2013 bis zur Festnahme des Angeschuldigten am 29. August 2014 sind an insgesamt elf dem Angeschuldigten zuzuordnenden Mobilfunkanschlüssen Überwachungsmaßnahmen der Telekommunikation durchgeführt worden. Hierbei wurden (ohne Berücksichtigung von knapp 25.000 Internetverbindungen) mehr als 11.000 Ereignisse aufgezeichnet. Hinzu kommen Erkenntnisse aus insgesamt 14 anderweitigen Überwachungsmaßnahmen. Der Anklageschrift liegen insgesamt 964 beweiserhebliche Telefonate und Kurzmitteilungen zu Grunde. Die dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg mit der Anklageschrift vorgelegten Beweismittel enthalten darüber hinaus mehr als 400 Urkunden und Objekte des Augenscheins zu den Strukturen, Zwecken und Tätigkeiten der terroristischen Vereinigung.
26
b) Das Verfahren wurde mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben. Im Anschluss an die Festnahme des Angeschuldigten waren neben der für die Fertigung der Anklageschrift notwendigen Zeitspanne noch umfangreiche Ermittlungen - sowohl zum Bestand der PKK als terroristischer Vereinigung als auch zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten - erforderlich.
27
So waren die Ermittlungen zur Struktur und Tätigkeit der PKK um die im Jahr 2014 in der Türkei verübten Anschläge zu ergänzen. Die entsprechenden Recherchen des Bundeskriminalamts gestalteten sich schon wegen der Vielzahl der in diesem Zusammenhang auszuwertenden, überwiegend türkischsprachigen Dokumente besonders aufwändig. Hinzu kam die Notwendigkeit der Auswertung der in den Urteilen mehrerer Oberlandesgerichte getroffenen Feststellungen , nachdem diese Urteile rechtskräftig geworden waren.
28
Zu den konkreten Betätigungshandlungen des Angeschuldigten war zunächst eine Auswahl der für die Anklageerhebung erforderlichen Wortprotokolle überwachter Telefonate vorzunehmen, die bis dahin nur in Form von Inhaltsprotokollen verschriftet worden waren. Da die gesamte Kommunikation in türkischer und kurdischer Sprache geführt worden ist, war die Erstellung der - insgesamt 19 - Wortprotokolle mit erheblichem Übersetzungsaufwand verbunden. Im Hinblick auf Demonstrationen und sonstige Veranstaltungen mit Organisationsbezug , zu denen im Zuge der Telekommunikationsüberwachung Erkenntnisse angefallen sind, war ferner der Inhalt sowohl polizeiinterner Informationssysteme als auch der diesbezüglichen Berichterstattung in der Presse zu sichten und zu dokumentieren. Insoweit waren in größerem Umfang auch Übersetzungen aus türkischsprachigen Medien zu fertigen. Die Anklageerhebung erfolgte am 20. Januar 2015 unmittelbar nachdem die vorbezeichneten Beweismittel in die Anklageschrift eingearbeitet worden waren.
29
Auch nach Erhebung der Anklage ist das Verfahren mit der erforderlichen Beschleunigung betrieben worden: Der Vorsitzende des 3. Strafsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg verfügte noch am 2. Februar 2015, dem Tag des Eingangs der Anklageschrift, deren Zustellung und gab am 4. Februar 2015 ihre Übersetzung in die kurdische Sprache in Auftrag. Im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer der Übersetzung der Anklageschrift von drei Wochen und einer weiteren Woche für das Beweismittelverzeichnis hat er die Erklärungsfrist für den Angeschuldigten (§ 201 Abs. 1 StPO) bis zum 13. März 2015 verlängert. Die Hauptverhandlung soll - im Falle der Eröffnung des Hauptverfahrens - am 20. Mai 2015 beginnen.
30
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledemnicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung - wegen eines über einen längeren Zeitraum hinweg begangenen Verbrechens - zu erwartenden, - entgegen der Ansicht des Angeschuldigten - voraussichtlich nicht nur unerheblichen Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge. Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Angeklagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden: PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angelegenheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem damaligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der Angeklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach Europa zurück.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ist unzulässig.
4
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll- ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisionsverfahrens , in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
5
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
6
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortlichen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückgenommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungsermächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.
7
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
8
In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30; NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182; Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer hoheitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SKStGB /Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786, 2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte, die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesministerium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Weise erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
9
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
10
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
11
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revisionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan = Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verübten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzurechnen sind.
12
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht kein Rechtfertigungsgrund.
13
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deckmantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden. Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Türkei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wurden , sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völkerrechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtsprechung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12, BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht angezeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtlichen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zusammenfassend bzw. ergänzend:
14
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
15
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
16
(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96 Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vorschrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen Republik anzuwenden.
17
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Türkei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechtsfolgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
18
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" erfüllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ 2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime dar.
19
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Provinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Republik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türkischen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde, nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völkerrechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung scheidet somit aus.
20
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Südafrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a. in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines rassistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege- ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen werden. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht festgestellt.
21
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
22
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4 ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von einer ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Regierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom 30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Entwicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeugung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften , für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,

39).


Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
AK 1 und 2/12
vom
16. Februar 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
1.
2.
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie der Beschuldigten und ihrer Verteidiger am 16. Februar 2012
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

I.

1
Die Beschuldigten wurden aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 (6 BGs 51 und 52/11) am 17. Juli 2011 festgenommen und befinden sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand der Haftbefehle ist der Vorwurf, die Beschuldigten seien seit dem Frühjahr 2010 als Kader der "Komalen Ciwan" (KC, "Gemeinschaft der Jugendlichen"), einer Jugendorganisation der "Partiya Karkeren Kurdistan" (PKK, "Arbeiterpartei Kurdistans") und deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" (CDK, "Kurdische Demokratische Gesellschaft"), tätig und hätten sich dadurch als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außer- halb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).
3
Das Bundesministerium der Justiz hat am 12. Mai 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten A. ) sowie am 1. April 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten Ö. ) die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten des jeweiligen Beschuldigten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die PKK oder eine ihrer Nebenorganisationen, insbesondere der KC, erteilt (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).

II.

4
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Die Beschuldigten sind der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland dringend verdächtig.
6
a) Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen :
7
aa) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die PKK verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 - unter dieser Bezeichnung - die "Koma Civaken Kurdistan" (KCK, "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan"), die staatliche Attribute beansprucht und sich laut ihrem grundlegenden Abkommen als "demokratisches, kommunalistisch-konföderales System" versteht. Als Jugendorganisation inner- halb dieses Systems existiert die KC. Die CDK, die letztlich der KCK-Führung untergeordnet ist, dient dazu, die in Europa lebenden Kurden zu organisieren. Dementsprechend sind in Europa (außerhalb der Türkei) lebende Mitglieder der KC an die CDK angebunden.
8
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person von Abdullah Öcalan ausgerichtet; nach Art. 11 Satz 2 und 3 des "KCK-Abkommens" ist er "die Führungsinstanz , die das gesamte Volk in allen Bereichen vertritt", und "in grundlegenden Fragen die letzte Entscheidungsinstanz". Neben dieser "Entscheidungsinstanz" geschieht die Willensbildung etwa über den "Kongra Gele Kurdistan" (Kongra Gel, "Volkskongress Kurdistans"). Entsprechend hält auch die CDK Kongresse ab. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie regelmäßig der übergeordneten Ebene Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
9
Die KCK sieht die PKK als "ideologische Kraft des Systems der KCK" und als verantwortlich dafür an, "die Philosophie und die Ideologie der Führung umzusetzen". "Alle PKK-Kader innerhalb des Systems der KCK sind bezüglich ihrer ideologischen, moralischen, philosophischen sowie die Organisation und das Leben betreffenden Maßstäbe an die Struktur der PKK gebunden"; außerdem "nimmt jeder, der innerhalb des Systems der KCK tätig ist, die ideologischen und moralischen Maßstäbe der PKK zur Grundlage" (Art. 36 "KCKAbkommen" ).
10
bb) Die KCK bewertet im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel. Zu ihrem System gehören auch die "Hezen Parastina Gel" (HPG, "Volksverteidigungskräfte"), die nach dem Willen der Führung handeln. Die HPG verübten vor allem im Osten der Türkei Anschläge gegen türkische Soldaten sowie Polizisten und töteten dabei eine Vielzahl von diesen. Die HPG bekannten sich beispielsweise im Jahr 2010 zu diversen Anschlägen mit mindestens vierzig Todesopfern.
11
cc) Die beiden Beschuldigten waren spätestens ab dem Frühjahr 2010 als Führungskader der KC in Europa in die dargestellte Organisation von PKK sowie KCK eingebunden und förderten diese. Sie nahmen im Februar 2010 als Kader an einem Zwischenkongress der Europaführung der KC bei Pisa teil. Den Beschuldigten war die Ausrichtung der PKK sowie der KCK auf "Guerillaanschläge" gegen türkische Einheiten bekannt, und sie unterstützten diese Richtung bewusst.
12
(1) Der Beschuldigte A. (alias "M. ", "C. " u.a.) war - zumindest ab dem 19. Januar 2010 - zunächst als für ganz Deutschland zuständiger Funktionär der KC tätig. Als solcher war er in Deutschland unter anderem damit befasst, Kader für die KC zu rekrutieren, die Teilnahme von Interessierten an Ausbildungslagern der KC zu organisieren und Veranstaltungen der KC zu koordinieren.
13
Im März 2010 wechselte der Beschuldigte A. aufgrund einer Entscheidung der KC-Führung als Kader nach Frankreich. Ab Herbst 2010 war er für die KC wieder in Deutschland, und zwar in Ma. , tätig. Im Dezember 2010 war er an einer mehrtägigen Schulungsveranstaltung der KC in N. beteiligt, die unter anderem die Geschichte der PKK und die Guerilla zum Gegenstand hatte.
14
(2) Der Beschuldigte Ö. (alias "R. ", "Z. ", "Ni. " u.a.) übernahm im März 2010 - nach vorangegangener Kadertätigkeit in der Schweiz - vom Beschuldigten A. die Aufgabe des für Deutschland verantwortlichen Funktionärs der KC und reiste dazu nach Deutschland ein. Er hielt und vermittelte Kon- takte zu über- sowie untergeordneten Kadern. Ferner richtete er verschiedene Veranstaltungen der KC aus und war damit befasst, Reisen von KC-Mitgliedern nach Deutschland oder von dort in die Türkei oder den Irak zu organisieren. Zudem entschied er mit über die Verwendung von Geldern. Im Dezember 2010 nahm er ebenso wie der Mitbeschuldigte A. an der Schulung in N. teil.
15
b) Hinsichtlich des vorstehenden Sachverhalts ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den (unter anderem im Dezember 2010 in N. ) sichergestellten Unterlagen, der Auswertung der überwachten Telekommunikation, öffentlichen Verlautbarungen der Organisationen und diversen Zeugenaussagen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 und den Vermerk des Bundeskriminalamts vom 23. Dezember 2011 Bezug genommen.
16
c) Danach besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Beschuldigten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.
17
Die Beteiligung an der KC stellt nach gegenwärtigem Ermittlungsstand zugleich eine Beteiligung an dem von der PKK initiierten System der KCK dar. Zwar organisiert sich die KC laut Art. 38 des "KCK-Abkommens" selbstständig und autonom. Doch ergibt sich sowohl aus dem Abkommen selbst als auch aus den weiteren Ermittlungsergebnissen, dass die Willensbildung der KC letztlich in diejenige von KCK und PKK eingebunden ist. So sind die Mandatsträger der KC nicht nur ihren eigenen Organen, sondern auch denjenigen der KCK gegenüber verantwortlich (Art. 38 Satz 5 "KCK-Abkommen"). Für eine entsprechende Anbindung der KC in Europa an die Kader der CDK sprechen etwa von CDK-Kongressen gefasste Beschlüsse, überwachte Telefonate und Zeugenaussagen. Dafür, dass die KC letztlich darauf ausgerichtet ist, die Politik der PKK umzusetzen und den Guerillakrieg zu unterstützen, lassen sich unter anderem die Unterlagen heranziehen, die bei der Schulung in N. sichergestellt wurden und Rückschlüsse auf den Schulungsinhalt ermöglichen.
18
Nach dem Ermittlungsstand stellt die von der PKK initiierte Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln unter den Gruppenwillen unterordnet. Sie ist angesichts des von ihr in Anspruch genommenen "Selbstverteidigungsrechts" und der durch ihre weitere Unterorganisation, die HPG, verübten Anschläge auf türkische Einheiten darauf ausgerichtet, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Eine Rechtfertigung für die Tötungsdelikte oder eine Ausnahme von der Strafbarkeit ist nicht gegeben; insbesondere ist eine völkerrechtliche Zulässigkeit der Kampfhandlungen nach dem aktuellen Ermittlungsstand auszuschließen. Unabhängig davon, ob überhaupt völkerrechtlich eine Volksgruppe innerhalb eines bestehenden Staates in Ausnahmefällen das Recht zu einer Sezession haben kann und dieses Recht gewaltsam durchsetzen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 313; IGH, Rechtsgutachten vom 22. Juli 2010 - General List No. 141, Rn. 82 f., International Legal Materials 49 [2010], 1404 ff.), fehlen in der konkreten Situation die Voraussetzungen für ein solches allenfalls in besonderen Konstellationen gegebenes Recht.
19
Vor diesem Hintergrund bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Annahme in den Haftbefehlen, die "Teyrebazen Azadiya Kurdistan" (TAK, "Freiheitsfalken Kurdistans") gehörten - entgegen deren ausdrücklichen Presseerklärungen und der Distanzierung seitens der KCK - zu den Organisationsstrukturen der PKK/KCK, nach den bisherigen Ermittlungen im Sinne eines dringenden Tatverdachts hinreichend belegt ist.
20
2. Es bestehen hinsichtlich beider Beschuldigter die Haftgründe der Flucht- und der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 StPO), wie in den Haftbefehlen im Einzelnen zutreffend dargelegt worden ist. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
21
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Abgesehen davon, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens - unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Senats zu in Deutschland tätigen Teilorganisationen ausländischer Vereinigungen - die Organisation der PKK, der KCK und ihrer Untergliederungen, insbesondere der KC, der CDK sowie der HPG, im Tatzeitraum näher aufzuklären war, war die Auswertung umfangreicher überwachter Telekommunikation erforderlich, um vor allem die konkrete Beteiligung der Beschuldigten näher zu ermitteln. Dies bedurfte der Übersetzung der beweiserheblichen Telefonate und Kurzmitteilungen, die erst im Januar 2012 abgeschlossen wurde. Die Schwierigkeit und der Umfang der konkreten Ermittlungen haben daher ein Urteil noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist entgegen den Beanstandungen der Verteidigung mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
22
Insgesamt steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
23
Der Senat geht davon aus, dass - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angekündigt - alsbald Anklage erhoben werden kann. Becker Pfister Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
AK 1 und 2/12
vom
16. Februar 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
1.
2.
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie der Beschuldigten und ihrer Verteidiger am 16. Februar 2012
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

I.

1
Die Beschuldigten wurden aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 (6 BGs 51 und 52/11) am 17. Juli 2011 festgenommen und befinden sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand der Haftbefehle ist der Vorwurf, die Beschuldigten seien seit dem Frühjahr 2010 als Kader der "Komalen Ciwan" (KC, "Gemeinschaft der Jugendlichen"), einer Jugendorganisation der "Partiya Karkeren Kurdistan" (PKK, "Arbeiterpartei Kurdistans") und deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" (CDK, "Kurdische Demokratische Gesellschaft"), tätig und hätten sich dadurch als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außer- halb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).
3
Das Bundesministerium der Justiz hat am 12. Mai 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten A. ) sowie am 1. April 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten Ö. ) die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten des jeweiligen Beschuldigten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die PKK oder eine ihrer Nebenorganisationen, insbesondere der KC, erteilt (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).

II.

4
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Die Beschuldigten sind der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland dringend verdächtig.
6
a) Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen :
7
aa) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die PKK verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 - unter dieser Bezeichnung - die "Koma Civaken Kurdistan" (KCK, "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan"), die staatliche Attribute beansprucht und sich laut ihrem grundlegenden Abkommen als "demokratisches, kommunalistisch-konföderales System" versteht. Als Jugendorganisation inner- halb dieses Systems existiert die KC. Die CDK, die letztlich der KCK-Führung untergeordnet ist, dient dazu, die in Europa lebenden Kurden zu organisieren. Dementsprechend sind in Europa (außerhalb der Türkei) lebende Mitglieder der KC an die CDK angebunden.
8
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person von Abdullah Öcalan ausgerichtet; nach Art. 11 Satz 2 und 3 des "KCK-Abkommens" ist er "die Führungsinstanz , die das gesamte Volk in allen Bereichen vertritt", und "in grundlegenden Fragen die letzte Entscheidungsinstanz". Neben dieser "Entscheidungsinstanz" geschieht die Willensbildung etwa über den "Kongra Gele Kurdistan" (Kongra Gel, "Volkskongress Kurdistans"). Entsprechend hält auch die CDK Kongresse ab. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie regelmäßig der übergeordneten Ebene Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
9
Die KCK sieht die PKK als "ideologische Kraft des Systems der KCK" und als verantwortlich dafür an, "die Philosophie und die Ideologie der Führung umzusetzen". "Alle PKK-Kader innerhalb des Systems der KCK sind bezüglich ihrer ideologischen, moralischen, philosophischen sowie die Organisation und das Leben betreffenden Maßstäbe an die Struktur der PKK gebunden"; außerdem "nimmt jeder, der innerhalb des Systems der KCK tätig ist, die ideologischen und moralischen Maßstäbe der PKK zur Grundlage" (Art. 36 "KCKAbkommen" ).
10
bb) Die KCK bewertet im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel. Zu ihrem System gehören auch die "Hezen Parastina Gel" (HPG, "Volksverteidigungskräfte"), die nach dem Willen der Führung handeln. Die HPG verübten vor allem im Osten der Türkei Anschläge gegen türkische Soldaten sowie Polizisten und töteten dabei eine Vielzahl von diesen. Die HPG bekannten sich beispielsweise im Jahr 2010 zu diversen Anschlägen mit mindestens vierzig Todesopfern.
11
cc) Die beiden Beschuldigten waren spätestens ab dem Frühjahr 2010 als Führungskader der KC in Europa in die dargestellte Organisation von PKK sowie KCK eingebunden und förderten diese. Sie nahmen im Februar 2010 als Kader an einem Zwischenkongress der Europaführung der KC bei Pisa teil. Den Beschuldigten war die Ausrichtung der PKK sowie der KCK auf "Guerillaanschläge" gegen türkische Einheiten bekannt, und sie unterstützten diese Richtung bewusst.
12
(1) Der Beschuldigte A. (alias "M. ", "C. " u.a.) war - zumindest ab dem 19. Januar 2010 - zunächst als für ganz Deutschland zuständiger Funktionär der KC tätig. Als solcher war er in Deutschland unter anderem damit befasst, Kader für die KC zu rekrutieren, die Teilnahme von Interessierten an Ausbildungslagern der KC zu organisieren und Veranstaltungen der KC zu koordinieren.
13
Im März 2010 wechselte der Beschuldigte A. aufgrund einer Entscheidung der KC-Führung als Kader nach Frankreich. Ab Herbst 2010 war er für die KC wieder in Deutschland, und zwar in Ma. , tätig. Im Dezember 2010 war er an einer mehrtägigen Schulungsveranstaltung der KC in N. beteiligt, die unter anderem die Geschichte der PKK und die Guerilla zum Gegenstand hatte.
14
(2) Der Beschuldigte Ö. (alias "R. ", "Z. ", "Ni. " u.a.) übernahm im März 2010 - nach vorangegangener Kadertätigkeit in der Schweiz - vom Beschuldigten A. die Aufgabe des für Deutschland verantwortlichen Funktionärs der KC und reiste dazu nach Deutschland ein. Er hielt und vermittelte Kon- takte zu über- sowie untergeordneten Kadern. Ferner richtete er verschiedene Veranstaltungen der KC aus und war damit befasst, Reisen von KC-Mitgliedern nach Deutschland oder von dort in die Türkei oder den Irak zu organisieren. Zudem entschied er mit über die Verwendung von Geldern. Im Dezember 2010 nahm er ebenso wie der Mitbeschuldigte A. an der Schulung in N. teil.
15
b) Hinsichtlich des vorstehenden Sachverhalts ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den (unter anderem im Dezember 2010 in N. ) sichergestellten Unterlagen, der Auswertung der überwachten Telekommunikation, öffentlichen Verlautbarungen der Organisationen und diversen Zeugenaussagen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 und den Vermerk des Bundeskriminalamts vom 23. Dezember 2011 Bezug genommen.
16
c) Danach besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Beschuldigten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.
17
Die Beteiligung an der KC stellt nach gegenwärtigem Ermittlungsstand zugleich eine Beteiligung an dem von der PKK initiierten System der KCK dar. Zwar organisiert sich die KC laut Art. 38 des "KCK-Abkommens" selbstständig und autonom. Doch ergibt sich sowohl aus dem Abkommen selbst als auch aus den weiteren Ermittlungsergebnissen, dass die Willensbildung der KC letztlich in diejenige von KCK und PKK eingebunden ist. So sind die Mandatsträger der KC nicht nur ihren eigenen Organen, sondern auch denjenigen der KCK gegenüber verantwortlich (Art. 38 Satz 5 "KCK-Abkommen"). Für eine entsprechende Anbindung der KC in Europa an die Kader der CDK sprechen etwa von CDK-Kongressen gefasste Beschlüsse, überwachte Telefonate und Zeugenaussagen. Dafür, dass die KC letztlich darauf ausgerichtet ist, die Politik der PKK umzusetzen und den Guerillakrieg zu unterstützen, lassen sich unter anderem die Unterlagen heranziehen, die bei der Schulung in N. sichergestellt wurden und Rückschlüsse auf den Schulungsinhalt ermöglichen.
18
Nach dem Ermittlungsstand stellt die von der PKK initiierte Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln unter den Gruppenwillen unterordnet. Sie ist angesichts des von ihr in Anspruch genommenen "Selbstverteidigungsrechts" und der durch ihre weitere Unterorganisation, die HPG, verübten Anschläge auf türkische Einheiten darauf ausgerichtet, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Eine Rechtfertigung für die Tötungsdelikte oder eine Ausnahme von der Strafbarkeit ist nicht gegeben; insbesondere ist eine völkerrechtliche Zulässigkeit der Kampfhandlungen nach dem aktuellen Ermittlungsstand auszuschließen. Unabhängig davon, ob überhaupt völkerrechtlich eine Volksgruppe innerhalb eines bestehenden Staates in Ausnahmefällen das Recht zu einer Sezession haben kann und dieses Recht gewaltsam durchsetzen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 313; IGH, Rechtsgutachten vom 22. Juli 2010 - General List No. 141, Rn. 82 f., International Legal Materials 49 [2010], 1404 ff.), fehlen in der konkreten Situation die Voraussetzungen für ein solches allenfalls in besonderen Konstellationen gegebenes Recht.
19
Vor diesem Hintergrund bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Annahme in den Haftbefehlen, die "Teyrebazen Azadiya Kurdistan" (TAK, "Freiheitsfalken Kurdistans") gehörten - entgegen deren ausdrücklichen Presseerklärungen und der Distanzierung seitens der KCK - zu den Organisationsstrukturen der PKK/KCK, nach den bisherigen Ermittlungen im Sinne eines dringenden Tatverdachts hinreichend belegt ist.
20
2. Es bestehen hinsichtlich beider Beschuldigter die Haftgründe der Flucht- und der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 StPO), wie in den Haftbefehlen im Einzelnen zutreffend dargelegt worden ist. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
21
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Abgesehen davon, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens - unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Senats zu in Deutschland tätigen Teilorganisationen ausländischer Vereinigungen - die Organisation der PKK, der KCK und ihrer Untergliederungen, insbesondere der KC, der CDK sowie der HPG, im Tatzeitraum näher aufzuklären war, war die Auswertung umfangreicher überwachter Telekommunikation erforderlich, um vor allem die konkrete Beteiligung der Beschuldigten näher zu ermitteln. Dies bedurfte der Übersetzung der beweiserheblichen Telefonate und Kurzmitteilungen, die erst im Januar 2012 abgeschlossen wurde. Die Schwierigkeit und der Umfang der konkreten Ermittlungen haben daher ein Urteil noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist entgegen den Beanstandungen der Verteidigung mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
22
Insgesamt steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
23
Der Senat geht davon aus, dass - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angekündigt - alsbald Anklage erhoben werden kann. Becker Pfister Menges

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 179/10
vom
28. Oktober 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Eine in Deutschland tätige Teilorganisation einer ausländischen Vereinigung ist
nur dann als eigenständige inländische Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129a
StGB anzusehen, wenn die Gruppierung für sich genommen alle für eine Vereinigung
notwendigen personellen, organisatorischen, zeitlichen und voluntativen
Voraussetzungen erfüllt.
2. Hieraus folgt, dass die inländische Teilgruppierung ein ausreichendes Maß an organisatorischer
Selbstständigkeit aufweisen und einen eigenen, von der ausländischen
(Haupt-)Organisation unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen
muss, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Hierfür reicht es nicht aus, dass die
Mitglieder der inländischen Teilgruppe lediglich Einigkeit darüber erzielen, sich
dem Willen der Gesamtorganisation unterzuordnen; erforderlich ist vielmehr, dass
sich der für eine Vereinigung konstitutive, auf deren Zwecke bezogene Willensbildungsprozess
in seiner Gesamtheit in der inländischen Gruppierung vollzieht.
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10 - OLG Frankfurt am Main
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Dezember 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
2
1. Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Angeklagte von Juli 2004 bis Juni 2007 in Deutschland nacheinander insgesamt drei Gebiete der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkeren Kurdistan - PKK) leitete.
3
Im Einzelnen hat das Oberlandesgericht hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Ziel der im Jahre 1978 gegründeten PKK war es zunächst, in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran einen sozialistischen kurdischen Nationalstaat unter ihrer alleinigen Führung zu errichten. Sie verstand sich als straff organisierte, zentralistisch geführte, den Zielen des Marxismus/Leninismus verpflichtete Kaderorganisation und erachtete die Anwendung "revolutionärer Gewalt" als legitim. Im Jahre 1984 begann sie einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat. Die Auseinandersetzungen wurden von beiden Seiten mit großer Härte geführt und forderten insbesondere unter der Zivilbevölkerung zahlreiche Opfer.
5
Nachdem die Kämpfe die PKK ihrem Ziel nicht entscheidend näher gebracht hatten, erklärte ihr Führer Abdullah Öcalan 1996/1997, es sei auch ein "bundesstaatliches Modell nach Schweizer Vorbild" vorstellbar. Öcalan wurde im Februar 1999 festgenommen. Aus diesem Anlass wurden die Parteiziele weiter modifiziert; es sollte nunmehr nur noch die Wahrung der kurdischen Identität durch Erhaltung der sozialen und kulturellen Eigenständigkeit der kurdischen Bevölkerung innerhalb der staatlichen Ordnung der Türkei in friedlichem Ausgleich mit dem türkischen Staat und auf demokratischem Wege erreicht werden. Im Juni 1999 wurde Öcalan in der Türkei wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Im August 1999 erklärte die PKK den Guerillakampf einseitig für beendet und ordnete den Rückzug ihrer Verbände aus der Türkei an. Die bewaffneten Einheiten zogen sich daraufhin vor allem in den Nordirak zurück und gliederten sich als "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel - HPG) neu. Diese "Friedenslinie" diente vorrangig dazu, das Leben Öcalans zu retten.
6
Im April 2002 wurde der "Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans" (Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane - KADEK) gegründet, der sich unter Aufrechterhaltung von Strukturen und Zielen der PKK als deren Nachfolger verstand. Die gegen Öcalan verhängte Todesstrafe wurde im Oktober 2002 in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Der KADEK beschloss im Oktober 2003 seine Auflösung; gebildet wurde nunmehr der "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gele Kurdistan - KONGRA-GEL), dessen politischen Willen die HPG unterstellt wurden. Diese kündigten den "Waffenstillstand" mit der Türkei zum 1. Juni 2004 auf. In der Folgezeit eskalierten die gewalttätigen Auseinandersetzungen und forderten auf beiden Seiten vermehrt Todesopfer.
7
Im April 2005 bildete sich nach den Vorgaben Öcalans eine "neue PKK", die sich als ideologische und philosophische Bewegung verstand und die ebenfalls von Öcalan entwickelte Idee eines "Demokratischen Konföderalismus Kurdistans" mit Hilfe des KONGRA-GEL umsetzen wollte. Hierzu wurde im Mai 2005 die "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (Koma Komalen Kurdistan - KKK) gegründet; die KKK-Vereinbarung vom 17. Mai 2005 enthält grundlegende Regelungen in Form einer Verfassung. U. a. werden in Art. 19 die "Gebiete Europa und GUS" als Landesteile behandelt. Im Jahre 2007 verstärkten sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den HPG und der türkischen Armee erneut. Der KKK benannte sich in "Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans" (Koma Civaken Kurdistan - KCK) um; die KKK-Verein-barung wurde durch das KCK-Abkommen vom 25. Mai 2007 fortgeschrieben.
8
Die PKK verlegte schon wenige Jahre nach ihrer Gründung zahlreiche Aktivitäten ins Ausland, um dem massiven Verfolgungsdruck in der Türkei auszuweichen. Sie warb in Deutschland und anderen Regionen Westeuropas um Mitglieder und Sympathisanten, die zur finanziellen Unterstützung der Partei und ihrer Kader verpflichtet wurden, und betrieb intensiv die Rekrutierung von Nachwuchs sowohl für Kader als auch für die in der Türkei operierende Guerilla. Zur Organisierung ihrer in Europa lebenden Anhänger und zur Propagierung ihrer Ziele gründete die PKK im Jahre 1985 die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan - ERNK). Der Europaführung der PKK gelang es, eine straffe Organisationsstruktur zu errichten und viele der in Europa lebenden Kurden für die Ziele der Partei zu gewinnen. Ihren uneingeschränkten Führungs- und Alleinvertretungsanspruch setzte die PKK vor allem zwischen 1984 und 1988 auch durch die Begehung von Tötungsdelikten an sog. Verrätern bzw. Abweichlern um.
9
Der hierdurch hervorgerufene Verfolgungsdruck sowie der Wunsch nach einer Stärkung der Effizienz der Parteiarbeit veranlasste die PKK zu Beginn der 1990er Jahre, die Organisation in Europa noch fester und straffer zu gliedern. Träger war ein aus professionellen Kadern bestehender Funktionärskörper mit der "Europäischen Frontzentrale" (Avrupa Cephe Merkezi - ACM) an der Spitze. Im Jahre 2000 wurde die ERNK aufgelöst und durch die "Kurdische Demokratische Volksunion" (Yekitiya Demokratika Gele Kurd - YDK) ersetzt; an deren Stelle trat 2004 die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft" (Koordinasyon Civata Demokratik a Kurdistan - CDK).
10
Dementsprechend folgten auf den ACM zunächst der YDK-Rat und sodann der CDK-Rat bzw. die CDK-Koordinierung. Diesem Gremium stand die sog. Zentrale oder auch Exekutive vor, die aus dem Europaverantwortlichen sowie einigen weiteren engen Vertrauten Öcalans bestand und für die Leitung der laufenden Geschäfte zuständig war. Ihr oblag es, die Ziele, Vorgaben und Personalentscheidungen der Parteiführung gegenüber den nachgeordneten Einheiten durch individuelle und generelle Anweisungen durchzusetzen. Unterhalb dieser Führungsebene war Europa überwiegend in Regionen (Eyalet), Gebiete (Bölge), Räume (Alan) und Stadtteile (Semt) eingeteilt. Für jede Organisationseinheit wurde von der Führung ein Verantwortlicher eingesetzt, für Regionen und Gebiete waren dies in der Regel durch die Partei alimentierte professionelle Kader. Diese wechselten regelmäßig ihre Funktionen und verhielten sich in hohem Maße konspirativ.
11
In Deutschland gab es seit 2002 mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre 2007 drei Sektoren (Süd, Mitte und Nord), denen etwa 25 Gebiete nachgeordnet waren; zeitweise übte ein Sektorleiter auch die Funktion eines sog. Deutschlandkoordinators aus. Die Tätigkeit der PKK in Deutschland war von Beginn an auf die Unterstützung der militärischen und politischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Staat ausgerichtet. Hierfür stellten die Organisationseinheiten der PKK in Europa die Finanzmittel, rekrutierten Nachwuchs für den Guerillakampf und betrieben Propaganda, um die öffentliche Meinung zu Gunsten der PKK zu beeinflussen. Es wurden verschiedene Aufgabenbereiche (Finanzen, Außenbeziehungen, Öffentlichkeitsarbeit u.a.) gebildet, die ihre Aufgaben nach den Vorgaben der Europazentrale zu erfüllen hatten.
12
Besondere Bedeutung kam dabei dem Bereich Finanzen zu. Die erforderlichen Geldmittel erzielte die Organisation vor allem durch eine jährlich durchgeführte "Spendenkampagne". Die zu leistenden Zahlungen wurden auf der Grundlage verbindlicher Zielvorgaben der Europaführung für die einzelnen Strukturebenen nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Einzelnen festgelegt ; in der Regel wurde ein Monatsgehalt verlangt. Die führenden Funktionäre und Kader führten die Aktionen durch, überwachten sie und hatten dafür zu sorgen, dass die Vorgaben der Europaführung erfüllt wurden. Raumverantwortliche und "Frontarbeiter" suchten die ortsansässigen Kurden in Deutschland auf und forderten die Gelder ein. Aufgrund der hohen Planvorgaben standen vor allem die Gebietsleiter sowie die sonstigen Kader und Aktivisten an der Front unter erheblichem Erfolgsdruck. Die eingesammelten Gelder sowie weitere Beiträge und Einnahmen aus Publikationen waren an das unmittelbar an die Europaführung angebundene "Wirtschafts- und Finanzbüro" (Ekonomi Razi Buroya Iliskin - EMB) zu übermitteln.
13
Im November 1993 gingen Mitglieder und Sympathisanten der PKK weisungsgemäß dazu über, in Deutschland Brandanschläge auf türkische Geschäfte , Banken, Vereinslokale und ähnliche Versammlungsstätten zu verüben. Diese Aktivitäten führten dazu, dass der PKK und der ERNK die Betätigung in Deutschland durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 2002 vereinsrechtlich verboten wurde; das Verbot wurde später auf die Nachfolgeorganisationen erstreckt. In der Folge kam es zu von der Europaführung zentral gesteuerten Protestwellen mit gewalttätigen Ausschreitungen, Autobahnblockaden , Brandanschlägen und Verwüstungsaktionen. Öcalan bezeichnete noch in der ersten Hälfte des Jahres 1996 Deutschland als den "Feind Nr. 2" nach der türkischen Republik.
14
Nachdem die Führung der PKK erkannt hatte, dass diese Aktivitäten in Deutschland den Zielen der Partei abträglich waren, stellte Öcalan das gewaltsame Vorgehen in Deutschland als einen auf einem Missverständnis seiner Anordnungen beruhenden Fehler dar und wies seine Organisation im August 1996 an, alle Gewaltaktionen in Westeuropa einzustellen. Diese Anweisung wurde in der Folgezeit - mit Ausnahme von Besetzungsaktionen im Februar 1999 im Zusammenhang mit der Festnahme Öcalans - befolgt.
15
Die Organisationsstruktur der Partei und deren Ziele bestanden allerdings fort. Die von Öcalan in der Öffentlichkeit verkündete "Garantie", die Mitglieder der PKK würden sich künftig in Deutschland gesetzestreu verhalten, wurde nicht eingelöst:
16
Es wurde ein Arbeitsbereich "heimatgerichtete Aktivitäten" gebildet, dem vor allem die Unterstützung der Guerillakämpfer und der Parteigliederungen in den Heimatgebieten, die Rekrutierung von Nachwuchs, die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen sowie die Organisierung eines Kurierdienstes und von Reisen oblag. Die Grundentscheidungen über diese Aktivitäten traf die Europaführung , die entsprechende Anweisungen an das "Heimatbüro" sowie an die Leiter der Sektoren, Regionen und der Basisorganisationen erließ. Die Europaführung ihrerseits war Adressat von Anordnungen der Parteiführung in der Heimat, die etwa Reisen von Kadern und sonstigen Parteimitgliedern nach Europa zum Gegenstand hatten. Die systematische Durchführung grenzüberschreitender Reisebewegungen wurde mit Hilfe von Straftaten der Urkundenfälschung insbesondere in Form der Verfälschung von Ausweisen und Pässen und solchen des Einschleusens von Ausländern begangen.
17
Daneben nahm die PKK für sich eine Strafgewalt in Anspruch und setzte diese über die Strukturen der Organisation um. Es entwickelte sich bereits in den 1980er Jahren eine Disziplinierungs- und Bestrafungspraxis. Opfer waren zum einen sog. Verräter oder Abweichler, d. h. Angehörige der Organisation oder außenstehende Personen, die durch ein als parteischädigend bewertetes Verhalten aufgefallen waren. Zum anderen maßte sich die PKK eine Strafgewalt im Zusammenhang mit dem Eintreiben von "Spenden" und sonstigen Geldern an und ging mit Drohungen und Gewalt gegen Zahlungsunwillige und Säumige vor. Bei den begangenen Straftaten handelte es sich vor allem um Körperverletzungen, Freiheitsberaubungen, Nötigungen und Bedrohungen. Ab den Jahren 1993/1994 wurde das Strafsystem ausgeweitet; bis 1999 kam es in Deutschland zu zahlreichen Bestrafungsaktionen bis hin zu (versuchten) Tötungsdelikten. Auch nach der Festnahme Öcalans wurde die angemaßte Strafgewalt bis in das Jahr 2007 weiterhin ausgeübt. Formale Grundlage war ein von der PKK auf verschiedenen Parteikongressen beschlossenes und modifiziertes Strafsystem, das mehrere Kategorien von Straftaten vorsah und diese in verschiedene Schweregrade unterteilte.
18
Der Angeklagte war unter dem Decknamen "D. " von Juli 2004 bis Juni 2007 ununterbrochen als hauptamtlicher Kader mit der Funktion eines Gebietsverantwortlichen für die PKK tätig. In der Zeit von Juli 2004 bis Ende Mai 2005 leitete er das Gebiet N. . Anschließend war er in der Zeit von Juni 2005 bis Juni 2006 für das Gebiet M. zuständig. Von Juli 2006 bis Juni 2007 fungierte er als Leiter des Gebiets Da. . Er nahm die für einen Gebietsverantwortlichen typischen Leitungsaufgaben wahr und regelte die organisatorischen , finanziellen, personellen sowie propagandistischen Angelegenheiten seines jeweiligen Zuständigkeitsbereichs. Z. B. war er in erheblichem Umfang damit befasst, Veranstaltungen der PKK und Zusammenkünfte ihrer Mitglieder und Sympathisanten zu organisieren und zu koordinieren; außerdem stellte er sicher, dass die in seinem Gebiet ansässigen Kurden sich auch an überregionalen Veranstaltungen beteiligten. Er koordinierte die Arbeit der ihm nachgeordneten Kader und Aktivisten; außerdem berichtete er den ihm übergeordneten Kadern - etwa dem damaligen Finanzverantwortlichen der PKK für Europa "S. " - und befolgte deren Anweisungen. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehörte das Eintreiben und Weiterleiten von "Spendengeldern" und sonstigen finanziellen Mitteln. Er war in die Bestrafungs- und Disziplinierungsmaßnahmen der Organisation eingebunden und gab Anweisungen zum Vorgehen gegen säumige oder unwillige "Spendenzahler".
19
b) Das Oberlandesgericht hat dieses Verhalten des Angeklagten rechtlich als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB gewürdigt. Im Tatzeitraum habe ein in Deutschland auf Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluss von Funktionären der PKK bestanden, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsam kriminelle Zwecke verfolgten und kriminelle Tätigkeiten entfalteten. Zwecke und Tätigkeiten dieser Vereinigung seien darauf gerichtet gewesen, das Erscheinungsbild nach außen prägende und nicht nur un- tergeordnete Straftaten zu begehen, namentlich im Bereich "heimatgerichtete Aktivitäten" Urkundendelikte und Vergehen nach dem Asylverfahrens- und Aufenthaltsgesetz sowie im Bereich Bestrafungs- und Disziplinierungswesen Körperverletzungen , Freiheitsberaubungen, Nötigungen und Bedrohungen. Personelle Träger der kriminellen Vereinigung seien die Mitglieder der Europazentrale , die Sektor- und Gebietsleiter sowie weitere mit Sonderzuständigkeiten ausgestattete Kader gewesen; der Angeklagte habe als Gebietsverantwortlicher zu diesem Kreis gezählt.
20
2. Diese Wertung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn die Feststellungen belegen nicht, dass die in Deutschland tätigen Führungskader der PKK im Tatzeitraum eine - im Verhältnis zur Gesamtorganisation eigenständige - kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB bildeten.
21
a) Die rechtliche Einordnung des inländischen Funktionärskörpers der PKK durch das Oberlandesgericht entspricht allerdings der bisherigen ständigen Rechtsprechung. Danach galt:
22
aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist der auf eine gewisse Dauer angelegte, freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; s. aus neuerer Zeit BGH, Beschluss vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, BGHSt 45, 26, 35; Urteil vom 10. März 2005 - 3 StR 233/04, NJW 2005, 1668; Beschluss vom 10. Januar 2006 - 3 StR 263/05, NJW 2006, 1603; Beschluss vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, BGHR StGB § 129 Vereinigung 3; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 107 ff.). Das notwendige voluntative Element ist regelmäßig hinreichend belegt, wenn festgestellt ist, dass die Mitglieder der Organisation nicht nur kurzfristig ein gemeinsames Ziel verfolgen, das über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgeht, auf welche die Zwecke oder Tätigkeit der Gruppe gerichtet sind, und hierbei - etwa im Rahmen der Vorbereitung oder der Verwirklichung dieser Straftaten - koordiniert zusammenwirken (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216).
23
Der Senat hat in der jüngeren Vergangenheit in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass auch mit Blick auf Rechtsakte der Europäischen Union an dieser Umschreibung einer kriminellen Vereinigung festzuhalten ist und es gegebenenfalls dem Gesetzgeber obliegt, als erforderlich angesehene Modifikationen vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, BGHR StGB § 129 Vereinigung 3; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 110 f.; Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 221 f.). Dies gilt fort.
24
bb) Vor Inkrafttreten des durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390) in das Strafgesetzbuch eingefügten § 129b StGB am 30. August 2002 war ein organisationsbezogenes Verhalten mit Blick auf den räumlichen Geltungsbereich des Verbots nach Art. 9 Abs. 2 GG, an das die §§ 129, 129a StGB anknüpfen, nur dann nach diesen Vorschriften strafbar, wenn es sich auf eine Vereinigung bezog, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestand (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 311; Beschlüsse vom 5. Januar 1982 - StB 53/81, BGHSt 30, 328; vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, BGHSt 45, 26, 35; vom 10. Januar 2002 - AK 22/01). Hierfür reichte es indes aus, dass eine ausländische Gruppierung eine Teilorganisation in Deutschland unterhielt, die ihrerseits die Voraussetzungen einer Vereinigung erfüllte. Nicht erforderlich war es jedoch, dass sich auch die gruppeninterne Willensbildung autonom innerhalb der inländischen Teilorganisation vollzog; vielmehr genügte es, wenn deren Mitglieder in die Willensbildung der ausländischen Organisation integriert waren und sich den auf dieser Ebene getroffenen Entschlüssen gegebenenfalls unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwarfen, sie mithin von der ausländischen (Haupt-)Vereinigung "gelenkt" wurden (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 311; Beschluss vom 12. Oktober 2001 - AK 14/01).
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cc) In Anwendung dieser Maßstäbe wurden die in Deutschland agierenden Führungskader der PKK als eigenständige Vereinigung angesehen (s. etwa BGH, Beschlüsse vom 11. August 1999 - AK 10, 11/99, BGHR StGB § 129 Straftaten 1; vom 20. Dezember 2001 - AK 21/01, BGHR StGB § 129 Straftaten 2; vom 10. Januar 2002 - AK 22/01; vom 18. Januar 2002 - AK 1/02). Für die Zeit von November 1993 bis August 1996 galt die Gruppierung als terroristische Vereinigung nach § 129a StGB aF, da ihre Zwecke und Tätigkeit insbesondere auch auf die Begehung von Straftaten nach § 129a Abs. 1 Nr. 3 StGB aF, etwa Brandstiftungsdelikte, gerichtet waren (s. etwa BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - AK 15/07). Für die Zeit danach wurde der führende inländische Funktionärskörper der PKK als kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB eingestuft, wobei die Zwecke und Tätigkeit sich bis etwa Ende 1999 auf drei Bereiche von Straftaten richteten, namentlich demonstrative Gewalttaten und Delikte im Zusammenhang mit den Aktivitäten des "Heimatbüros" sowie mit der angemaßten Strafgewalt. Ab Anfang 2000 bezogen sich die Zwecke und Tätigkeit der in Deutschland agierenden Führungsebene jedenfalls noch auf Straftaten in den Bereichen "Heimatbüro" und Strafsystem (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268).
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dd) Die Strafverfolgungspraxis hat diese Maßstäbe auch nach Inkrafttreten des § 129b StGB angewendet und den im Inland tätigen führenden Funktio- närskörper der PKK bzw. deren Nachfolge- und Unterorganisationen weiterhin als inländische Vereinigung bewertet. Der Senat hat diese Würdigung bisher in mehreren Entscheidungen (s. etwa BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268, 274; Beschlüsse vom 11. November 2004 - AK 13/04, insoweit in BGHR StGB § 129 Strafzumessung 1 nicht abgedruckt; vom 2. Oktober 2007 - AK 15/07; vom 12. Februar 2009 - AK 1/09; vom 9. April 2009 - AK 7/09) - darunter auch einem Haftfortdauerbeschluss in dem vorliegenden Verfahren (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - AK 16/08) - auf der jeweiligen Grundlage der tatgerichtlichen Feststellungen bzw. der Ermittlungsergebnisse gebilligt.
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b) Hieran hält der Senat nicht länger fest. Er sieht sich vielmehr vor allem mit Blick auf die durch die Einfügung des § 129b StGB in das Strafgesetzbuch veränderte Rechtslage zu folgender neuen rechtlichen Bewertung veranlasst (s. schon BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042):
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Eine in Deutschland tätige Teilorganisation einer ausländischen Vereinigung ist nur dann als eigenständige inländische Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129a StGB anzusehen, wenn die Gruppierung für sich genommen alle für eine Vereinigung notwendigen personellen, organisatorischen, zeitlichen und voluntativen Voraussetzungen erfüllt. Hieraus folgt insbesondere auch, dass die inländische Teilgruppierung ein ausreichendes Maß an organisatorischer Selbstständigkeit aufweisen und einen eigenen, von der ausländischen (Haupt )Organisation unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen muss, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Mitglieder der inländischen Teilgruppe lediglich Einigkeit darüber erzielen, sich dem Willen der Gesamtorganisation unterzuordnen; erforderlich ist vielmehr, dass sich der für eine Vereinigung konstitutive, auf deren Zwecke bezogene Willensbildungsprozess in seiner Gesamtheit in der inländischen Gruppierung vollzieht. Aus die- sem Grund wird das für die Annahme einer Vereinigung notwendige voluntative Element in Bezug auf die Teilorganisation auch nicht allein dadurch hinreichend belegt, dass die Mitglieder dieser Gruppe mittel- oder langfristig ein gemeinsames , politisch/ideologisches Ziel verfolgen, wenn dieses Ziel von der Gesamtorganisation vorgegeben wird.
29
Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
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aa) § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmt, dass die §§ 129, 129a StGB auch für Vereinigungen im Ausland gelten. Die Vorschrift erfasst - soweit hier von Bedeutung - jede Beteiligung an einer ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit, ohne dass es darauf ankommt, ob in Deutschland Organisationsstrukturen der ausländischen Vereinigung vorhanden sind. Das Handeln des Täters im Inland wird typischerweise durch seine Einbindung in die ausländische Organisation und seine Unterwerfung unter die auf deren Ebene getroffenen Entscheidungen bestimmt. Dabei macht es für die Strafbarkeit wegen der Tätigkeit für eine ausländische Vereinigung keinen Unterschied, ob es bei dem isolierten Handeln eines Einzelnen verbleibt oder ob die Vorgaben der Gesamtorganisation ein Zusammenwirken bedingen; denn allein aus einer solchen gemeinschaftlichen Beteiligungshandlung im Inland lässt sich das Bestehen einer gesonderten inländischen Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129a StGB, die neben die ausländische Organisation tritt, nicht ableiten.
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bb) Bilden die in Deutschland handelnden Mitglieder einer ausländischen Vereinigung keinen eigenständigen Gesamtwillen, so weist die Tat auch keinen Unrechtsgehalt auf, der über den bereits von § 129b StGB erfassten hinausgeht. Strafgrund der §§ 129 ff. StGB ist die erhöhte kriminelle Intensität, die in der Gründung und Fortführung einer festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet, die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte abstrakte Gefährlichkeit für wichtige Güter der Gemeinschaft mit sich bringt (BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51). Diese größere Personenzusammenschlüsse kennzeichnende Eigendynamik hat ihre besondere Gefährlichkeit darin, dass sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1978 - 3 StR 105/78, BGHSt 28, 147, 148 f.). Für das Entstehen dieser typischerweise von den einzelnen Mitgliedern der Vereinigung nicht mehr voll steuerbaren Eigendynamik sind vor allem die eine bestimmte Festigkeit aufweisende innere Organisationsstruktur sowie die auf Dauer angelegte organisierte Willensbildung von Belang. Besteht eine ausländische, diese Merkmale aufweisende kriminelle oder terroristische Vereinigung, so wird deshalb der vereinigungsspezifische Unrechtsgehalt der Tat bereits durch deren Ahndung unter diesem Gesichtspunkt erfasst. Für eine zusätzliche - gegebenenfalls tateinheitlich neben den Schuldspruch nach § 129b StGB tretende - Verurteilung nach § 129 oder § 129a StGB ist daher kein Raum. Sie ist mit Blick auf die Betätigung für eine inländische Gruppierung nur dann gerechtfertigt, wenn diese eigenständig alle Voraussetzungen einer Vereinigung erfüllt und aus diesem Grunde die abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit erhöht.
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cc) § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erfordert für die Verfolgung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und damit die Erfüllung einer besonderen Prozessvoraussetzung. Dies gilt auch dann, wenn die Tat durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit begangen wird. Zweck des Ermächtigungsvorbehalts ist es insbesondere, der Exekutive die Möglichkeit einzuräumen, auf die Durchführung eines Strafverfahrens zu verzichten, wenn dieses unverhältnismäßige außenpo- litische Nachteile mit sich bringen würde (BT-Drucks. 14/8893 S. 17; Altvater NStZ 2003, 179, 181). Es entspricht somit der Grundentscheidung des Gesetzgebers, die Verfolgung einer Tat im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB von der Prüfung abhängig zu machen, ob außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt sein können. Dieses Erfordernis würde umgangen, wollte man bei einer inländischen Teilorganisation einer ausländischen Gruppierung auf die für eine eigenständige Vereinigung konstitutiven Voraussetzungen auch nur teilweise verzichten.
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c) Gemessen an diesem Maßstab wird das Bestehen einer eigenständigen inländischen, aus den in Deutschland agierenden Führungskadern der PKK zusammengesetzten kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB durch die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht belegt; denn diese Gruppierung vollzog nicht einen eigenen, auf die Zwecke der Vereinigung gerichteten Willensbildungsprozess. Damit ist das Willenselement einer Vereinigung nicht gegeben. Der festgestellte Sachverhalt trägt auch nicht die Bewertung , bei der Europaführung der PKK handele es sich um eine eigenständige Vereinigung. Er lässt es vielmehr nahe liegend erscheinen, dass die PKK insgesamt die Voraussetzungen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland erfüllt, bei welcher der maßgebende Vereinigungswille außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gebildet wird und der Schwerpunkt der Strukturen sowie das eigentliche Aktionsfeld in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran liegen (zu den maßgeblichen Abgrenzungskriterien für die Entscheidung der Frage, ob eine Vereinigung, die sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in anderen Staaten Tätigkeiten entfaltet, als in- oder ausländische Vereinigung zu bewerten ist, vgl. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 523). Im Einzelnen:
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aa) Die PKK war insgesamt zentralistisch und hierarchisch organisiert. In diesen Aufbau war die Organisation in Deutschland nahtlos eingegliedert. Die in Deutschland agierenden Kader verfolgten aufgrund der gemeinsamen politisch /ideologischen Überzeugung und dem auf dieser Basis unterhaltenen, nach Art, Inhalt und Intensität engem Beziehungsgeflecht zu den im Ausland tätigen Kadern jeweils diejenigen über den bloßen Zweckzusammenhang hinausreichenden politisch/ideologischen Zielsetzungen, die von der Gesamtorganisation vorgegeben wurden. Von deren jeweiligen Vorstellungen abweichende Ziele der inländischen Gruppierung sind nicht festgestellt. Die Endziele der PKK wurden vielmehr von deren Führern entwickelt bzw. auf deren Versammlungen beschlossen. Sie waren für die in Deutschland tätigen Kader verbindlich. Deren hauptsächliche Aufgabe bestand vor allem darin, die von den übergeordneten Führungsebenen erteilten Direktiven umzusetzen und auf diese Weise die PKK insgesamt zu unterstützen. Die wesentlichen Grundsätze der Art und Weise der Umsetzung wurden dabei ebenfalls von der Spitze der PKK vorgegeben. Die enge Verbindung zwischen der im Ausland tätigen Gruppierung und den hiesigen Kadern tritt auch im Hinblick auf die umfangreichen Berichtspflichten zu Tage, mit denen u.a. der wesentliche Einfluss der übergeordneten Funktionäre und Gremien abgesichert wurde. Eine ausreichend eigenständige, auf die Zwecke der PKK bezogene Willensbildung der Kader in Deutschland fand demgegenüber weder bezüglich der - sich im Laufe der Zeit nach den Vorgaben der Gesamtorganisation ändernden - Zielsetzung noch der Wahl der verwendeten Mittel bzw. der durchgeführten Aktionsformen statt. Dies wird deutlich etwa im Bereich der Finanzen, bei dem sich die in Deutschland handelnden Führungsfunktionäre streng nach den ihnen erteilten Direktiven zu richten hatten. Aber z. B. auch in dem Bereich der "heimatgerichteten Aktivitäten" war die inländische Organisation nicht eigenständig tätig. Sie befolgte vielmehr auch hier die Anweisungen der Leitung der Gesamtorganisation, die teilweise sogar Schleusungen im Einzelfall betrafen.
35
Danach verblieb für die inländische Teilorganisation ein Bereich eigenverantwortlicher Entscheidungen nur im Rahmen der Ausführung der vorgegebenen Direktiven; allein dieser limitierte Entscheidungsspielraum konnte durch eine eigenständige Willensbildung der inländischen Unterorganisation ausgefüllt werden. Dies genügt für die Bejahung des Willenselements der Vereinigung nicht.
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bb) Entsprechendes gilt, soweit man - den Ausführungen des Generalbundesanwalts folgend - über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus den führenden Funktionärskörper der PKK in Westeuropa in den Blick nimmt. Auch diese Gruppierung erfüllt nach den bisherigen Feststellungen die Voraussetzungen einer eigenständigen (Teil-)Vereinigung nicht. Die auf Europaebene tätigen Funktionäre - bei denen es sich jedenfalls zeitweise überwiegend um enge Weggefährten Öcalans handelte - waren zwar den nationalen Teilen der Organisation in Westeuropa übergeordnet und insoweit weisungsbefugt. Sie erhielten ihre Direktiven indes von der Spitze der Gesamtorganisation und waren in deren zentralistisches und hierarchisches System integriert. Für eine ausreichend eigenständige, auf die Zwecke der Vereinigung bezogene Willensbildung der europäischen Führungsgruppe ergeben die bisherigen Feststellungen ebenfalls nichts.
37
cc) Die - auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen erfolgte - Neubewertung der PKK trägt schließlich zu einer insgesamt harmonischeren, in sich stimmigeren Rechtsanwendung in dem Bereich der Vereinigungskriminalität bei; denn im Gegensatz zu der bisher zur PKK vertretenen Auffassung würdigt die Strafverfolgungspraxis Organisationen, die in ihrer Struktur der PKK ähnlich sind, nach Inkrafttreten des § 129b StGB rechtlich insgesamt als terroristische Vereinigung im Ausland. So ist etwa - wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist - die DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front), eine marxistisch-leninistisch orientierte, wie die PKK hierarchisch und zentralistisch aufgebaute Gruppierung, die das Ziel verfolgt, durch "bewaffneten Kampf" einen Umsturz der politischen Verhältnisse in der Türkei herbeizuführen und dort eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, auch außerhalb der Türkei, insbesondere in Westeuropa, aktiv. Aufgabe der vor allem auch in Deutschland bestehenden Organisationseinheiten ist es - ähnlich der PKK -, finanzielle Mittel zu beschaffen, Nachwuchs zu rekrutieren sowie einen Rückzugsraum für Mitglieder der Organisation zu bilden. Das Bundesministerium der Justiz hat am 29. Juli 2003 die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 und 4 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung erteilt. Eine auf den Vorwurf gegründete Strafverfolgung, die in Deutschland aktiven Führungsfunktionäre bildeten eine selbstständige inländische Vereinigung nach den §§ 129, 129a StGB, findet, soweit für den Senat ersichtlich, jedenfalls in den Fällen nicht statt, in denen die Tatzeit nach Inkrafttreten des § 129b StGB liegt. Zwar sollen die Unterschiede zwischen der PKK und der DHKP-C nicht verkannt werden. So sind etwa die jeweiligen Strukturen nicht völlig deckungsgleich und die Funktionäre und Aktivisten der DHKP-C nach der Gewaltverzichtserklärung vom Februar 1999 in Deutschland zunächst nicht mehr nach den §§ 129, 129a StGB, sondern nur wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz strafrechtlich verfolgt worden. Auch genießt die PKK in der Öffentlichkeit eine größere Aufmerksamkeit und die Anzahl ihrer Mitglieder und Sympathisanten ist deutlich größer als bei der DHKP-C. Jedoch rechtfertigen allein diese Umstände eine ungleiche Bewertung der Organisationen als ausländische Vereinigung jedenfalls nach Inkrafttreten des § 129b StGB nicht. Insbesondere wäre eine unter- schiedliche rechtliche Einordnung, die sich im Wesentlichen lediglich auf die verschiedene Größe und Bedeutung der Gruppierung gründen würde, mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren; diese gelten für alle Organisationen in gleicher Weise.
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3. Eine eigene Sachentscheidung des Senats scheidet aus.
39
Dabei bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob die Feststellungen vor dem Hintergrund der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind (vgl. zur Frage der Gerichtskundigkeit KK-Fischer, 6. Aufl., § 244 Rn. 137 ff.; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 208 ff., jeweils mwN). Die Umstellung des Schuldspruchs auf eine Beteiligung des Angeklagten als Mitglied an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129, § 129a jeweils i.V.m. § 129b StGB kommt nicht in Betracht, weil die Feststellungen, die das Oberlandesgericht mit Blick auf eine inländische kriminelle Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB getroffen hat, keine hinreichende Grundlage für die Bewertung der Organisation als kriminelle oder terroristische Vereinigung im Ausland bilden. Dies gilt sowohl für die PKK insgesamt als auch für deren Organisation in Europa. Soweit sich die Tat möglicherweise auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bezieht, fehlt es darüber hinaus an der für eine Verfolgung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz; eine solche ist bisher bezüglich der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen nicht erteilt worden. Im Übrigen ist eine Verurteilung nach § 129 Abs. 1 StGB durch ein neues Tatgericht nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen; denn das Oberlandesgericht hat sich erkennbar an den Maßstäben der bisherigen Rechtsprechung ausgerichtet und bei der Ermittlung des Sachverhalts die nunmehr maßgeblichen Gesichtspunkte nicht im Blick gehabt. Denkbar erscheint es ebenso , dass nach neu zu treffenden Feststellungen die mitgliedschaftliche Be- teiligung an einer kriminellen inländischen Vereinigung in Tateinheit zu einer Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland steht; denn eine Gruppierung kann sich etwa auch in der Art organisieren und strukturieren, dass neben einzelnen regionalen Vereinigungen eine übergeordnete Dach-Vereinigung besteht, und beide Gruppierungen die Kriterien einer Vereinigung erfüllen. Einzelne Mitglieder können sich dann sowohl an der regionalen als auch an der Dach-Vereinigung und damit gegebenenfalls an zwei Vereinigungen beteiligen (BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4, 5/01, BGHSt 46, 349, 354). Schließlich steht einer Umstellung des Schuldspruchs auch § 265 StPO entgegen; denn der Angeklagte hatte vor dem Hintergrund des Anklagevorwurfs, welcher der bisherigen Rechtsprechung entsprach, ohne einen diesbezüglichen Hinweis keine ausreichende Möglichkeit, sich gegen den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland angemessen zu verteidigen. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
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4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:
41
a) Die Verfolgungsermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3, 4 StGB ist als Prozessvoraussetzung einzuordnen (Altvater NStZ 2003, 179, 182); sie kann deshalb auch noch während des laufenden Strafverfahrens wirksam erteilt werden.
42
b) Der möglichen Beteiligung des Angeklagten an einer ausländischen Vereinigung als Mitglied stünde gegebenenfalls nicht grundsätzlich entgegen, dass er sich im Inland und damit außerhalb des unmittelbaren Betätigungsgebiets der Kernorganisation aufhielt. In einem solchen Fall bedürfen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft zwar besonderer Prüfung (BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 112 f.); dies bedeutet indes nicht, dass sie von vornherein ausgeschlossen sind. Maßstab sind auch in diesen Fallkonstellationen die allgemeinen Kriterien für eine mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung (BGH aaO).
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5. Obwohl es sich nach den bisherigen Feststellungen bei dem Angeklagten um einen Gebietsverantwortlichen und damit um einen Führungskader der Organisation handelte, sieht der Senat vorsorglich Anlass zu folgender Bemerkung :
44
Anhaltspunkte dafür, dass bezüglich der Mitgliedschaft in der Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre bzw. Kadern einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den bisherigen Feststellungen in Ansehung der Struktur der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen nicht zu entnehmen. Der Senat hat die entsprechende Unterscheidung zwar bisher gebilligt und entschieden, dass dann, wenn nur ein Kern der Gruppierung strafrechtlich relevante Ziele verfolgt, lediglich dieser eine kriminelle Vereinigung bildet; die außenstehenden weiteren Mitglieder der Gruppierung können dann aber Unterstützer der Vereinigung sein (BGH, Beschluss vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, BGHSt 45, 26, 36 = NJW 1999, 1876, 1878). Es ist jedoch kein ausreichender sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der Organisation dieser anschließt und in ihr betätigt, allein deshalb nicht als Mitglied der Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre angehört (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 214/10). Dies entspräche auch nicht den Vorstellungen und dem Willen des Gesetzgebers, der etwa anlässlich der Einfügung des § 153c Abs. 1 Nr. 3 StPO als Beispiel für untergeordnete , den Tatbestand gleichwohl erfüllende Beteiligungshandlungen die Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen oder die Vornahme einfacher Hilfsdienste, mit- hin Tätigkeiten mit weit geringerem Gewicht als die Ausübung einer Führungsfunktion , genannt hat (BT-Drucks. 14/8893, S. 10; LK-Krauß, 12. Aufl., § 129b Rn. 38). Die Einstufung der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL als terroristische Vereinigung durch die Europäische Union (vgl. aus der neueren Zeit Gemeinsamer Standpunkt 2009/ 468/GASP des Rates vom 15. Juni 2009 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2009/67/GASP, Anhang Ziffer 2. 25., ABl. L 151/49; Beschluss 2010/386/GASP des Rates vom 12. Juli 2010 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden, Anhang Ziffer 2. 16., ABl. L 178/28) enthält ebenfalls keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation. Der Senat verkennt mit Blick auf die große Zahl der in Deutschland für die PKK und ihre Nachfolgesowie Teilorganisationen aktiven Personen zwar nicht, dass nach dieser Maßgabe der Kreis potentieller Beschuldigter unter Umständen deutlich größer werden und der Unrechtsgehalt der Tat sowie das Maß des Verschuldens stark unterschiedlich zu bewerten sein kann. Diesen Umständen wird - gegebenenfalls etwa durch Anwendung der § 129 Abs. 5, § 129a Abs. 6 StGB, §§ 153b, 153c StPO - im Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen sein.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. September 2010 - 8 K 2707/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.09.2010, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.06.2010 wiederhergestellt bzw. angeordnet wurde, ist zwar fristgerecht eingelegt (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründet worden (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) und auch sonst zulässig. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Die vom Antragsgegner vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gebieten keine andere Entscheidung.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist entgegen dem Beschwerdevorbringen auch statthaft, soweit er sich gegen Ziffer 3 der Verfügung vom 29.06.2010 richtet. Mit dieser Ziffer werden die kraft Gesetzes eintretenden Pflichten nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG regelnd konkretisiert. Zum einen wird nicht nur der Wortlaut des Gesetzes wiederholt; vielmehr werden die gesetzliche Meldepflicht und die Aufenthaltsbeschränkung im Tenor der Verfügung näher bestimmt. Zum anderen wird unter Ziffer 4 der Verfügung die sofortige Vollziehung auch in Bezug auf Ziffer 3 ausdrücklich angeordnet und diese Entscheidung im Folgenden näher begründet. Damit ist nicht nur ein Hinweis auf die Rechtslage ohne Regelungsgehalt, sondern ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG erlassen worden.
2. Das Verwaltungsgericht hat dem nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaften Antrag zu Recht stattgegeben. Es hat schlüssig ausgeführt, dass dem Interesse des Antragstellers, sich vorläufig weiterhin in Deutschland aufhalten zu dürfen, größeres Gewicht zukomme als dem entgegenstehenden öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung. So sei die sofortige Vollziehung der Ausweisung nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt. Zum einen erscheine die Ausweisung, die auf den Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei, nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der derzeitigen Sach- und Rechtslage nicht ohne weiteres rechtmäßig; der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei offen. Zum anderen sei auch kein besonderes öffentliches Interesse dafür ersichtlich, die Vollziehbarkeit der Ausweisung schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens eintreten zu lassen. Hiergegen hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren keine durchgreifenden Bedenken vorgebracht.
Ob die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestandes des § 54 Nr. 5 AufenthG vorliegen, ist nach derzeitigem Erkenntnisstand offen.
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
Bei der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen handelt es sich zwar um eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dem steht nicht entgegen, dass die strafgerichtliche Rechtsprechung die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht. Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129a, 129b StGB (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris). Es bedarf jedoch umfassender Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob ein Unterstützen der terroristischen Vereinigung durch den Antragsteller vorliegt.
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (vgl. zu Vorstehendem zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG: BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114; Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris; vgl. zum Erfordernis der Zurechenbarkeit auch BVerwG, Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140; Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 1088/10 und 11 S 597/10 -).
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung lässt sich die Frage, ob im Falle des Antragstellers ein Unterstützen in diesem Sinne vorliegt, derzeit nicht beantworten. Dem Antragsteller, der unstreitig kein Funktionär einer PKK-nahen Organisation ist, wird die wiederholte Teilnahme als Zuhörer an Veranstaltungen vorgehalten, die dem Umfeld der PKK-Nachfolgeorganisationen bzw. dem Kurdischen Kulturverein e.V. Heilbronn zugerechnet werden. Nach den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 08.11.2007, vom 19.04.2010 und vom 08.09.2010 hat der Antragsteller von Dezember 2005 bis Januar 2010 an insgesamt 21 Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen von KONGRA-GEL-Anhängern bzw. Veranstaltungen des Kurdischen Kulturvereins e.V. Heilbronn teilgenommen. Dort wurde insbesondere der Kampf um die Freilassung Öcalans thematisiert und der Person Öcalans gehuldigt, der gefallenen Gesinnungsgenossen (Märtyrer) in der Türkei gedacht, die Entwicklung der PKK referiert, aber auch zum bewaffneten Kampf für die Sache der Kurden aufgerufen (vgl. hierzu im Einzelnen die vorgenannten Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz und die im Beschwerdeverfahren vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 20.10.2010 vorgebrachten Ergänzungen, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist).
Hierbei handelt es sich um Veranstaltungen, deren jeweilige Hintergründe und Schwerpunkte bislang nur unzureichend aufgeklärt sind. So bedarf es der Klärung, inwieweit der Kurdische Kulturverein e.V. Heilbronn, der nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) angehört, die wiederum als scheinlegaler Arm der PKK/KONGRA-GEL bezeichnet wird, aufgrund seiner Ausrichtung und tatsächlichen Betätigung als PKK-naher Verein einzustufen ist und inwieweit die konkret im Raum stehenden Veranstaltungen im Hinblick auf Veranstalter, Ablauf und Teilnehmerschaft tatsächlich dem KONGRA-GEL zuzurechnen sind. Dem äußeren Erscheinungsbild nach geht es im Falle des Antragstellers nicht zuletzt um gesellige Treffen und kulturelle Veranstaltungen mit zum Teil mehr als hundert Teilnehmern, während derer es (auch) zu gewaltverherrlichenden Äußerungen gekommen ist. Die dem Antragsteller vorgehaltene, rein passive Teilnahme an diesen Veranstaltungen lässt zwar durchaus den Schluss auf eine Unterstützung einer terroristischen Vereinigung als möglich erscheinen; das aber bedarf einer umfassenden Bewertung der Einwendungen und Glaubwürdigkeit des Antragstellers, die sachgerecht nur im Hauptsacheverfahren möglich ist. Der Antragsteller hat sich wiederholt dazu eingelassen, er habe ausschließlich an legalen Veranstaltungen als bloßer Zuhörer teilgenommen und teile nicht alle dort geäußerten Ansichten, sondern stehe für die friedliche Lösung des Kurdenkonflikts. Dessen ungeachtet zeigt sein Verhalten eine deutliche, auch nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens nicht beendete Hinwendung zu Veranstaltungen, die nicht nur im Einzelfall (auch) Propagandazwecken zugunsten der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen dienten, was dem Antragsteller nicht verborgen geblieben sein kann. Die Frage nach dem notwendigen subjektiven Moment und die erforderliche Abgrenzung der vorwerfbaren Teilnahme an Veranstaltungen, die auch der Unterstützung terroristischer Vereinigungen dienen von der zulässigen Wahrnehmung des Recht auf freie Meinungsäußerung bedürfen vor diesem Hintergrund näherer Klärung im Hauptsacheverfahren. Um aufgrund wertender Gesamtschau eine durch Tatsachen gestützte Entscheidung treffen zu können, bedarf es voraussichtlich nicht zuletzt der persönlichen Anhörung des Antragstellers.
10 
Näherer Würdigung in der Hauptsache vorbehalten bleiben muss auch der Vorwurf, der Antragsteller sei am 19.03.1994 unerlaubt zu einer verbotenen Feier des kurdischen Neujahrsfestes nach Augsburg gefahren. Bei der zu treffenden Bewertung der Gesamtumstände wird zu berücksichtigen sein, dass das in diesem Zusammenhang eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, Nötigung und Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, weil sich der Antragsteller nicht an den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt hat.
11 
Soweit dem Antragsteller vorgeworfen wird, er habe 2001 die Selbsterklärung „ich bin ein PKKler“ unterschrieben, dürfte allein die Unterzeichnung der Erklärung nicht die Annahme des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung tragen. Regelmäßig handelt es sich insoweit um eine Äußerung in einer speziellen historischen Konstellation und nicht um einen Beleg für die innere Verbundenheit mit den Zielen der PKK und der Organisation selbst (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140). Ob der Antragsteller allerdings in Zusammenschau mit seinem stetigen Eintreten für die „Sache der Kurden“, das er nicht zuletzt in den seit seiner Einreise geführten Asylverfahren wiederholt unterstrichen hat, nach seinem Kenntnis- und Wissensstand Zweifel an der Ernsthaftigkeit der PKK hegen musste, dass sie ihre Ziele zukünftig legal und gewaltfrei verfolgen werde, bleibt der Klärung in der Hauptsache vorbehalten.
12 
Schließlich genießt der Antragsteller nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz und kann nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Ermessen ausgewiesen werden. Im Zusammenhang mit der zu treffenden Ermessensentscheidung bedarf es einer umfassenden Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gesichtspunkte, bei der die Qualität der Unterstützungshandlung und die Gefährdungslage ebenso wie die persönlichen Belangen des Antragstellers mit dem jeweils gebotenen Gewicht einzustellen sind (vgl. hierzu auch Beschlüsse des Senats vom 28.09.2010 a.a.O. und vom 16.11.2007 - 11 S 695/07 - VBlBW 2008, 149). Auch insoweit bedarf es der ergänzenden Würdigung. Insbesondere steht eine differenzierte Bewertung des durch den Antragsteller begründeten Maßes der Gefährdungslage bislang aus.
13 
Da der Antragsteller ausweislich der Aktenlage seit dem 01.07.2008 als Arbeitnehmer tätig ist, dürfte er zudem auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 aufenthaltsberechtigt sein. Ob die gegen ihn verfügte Ausweisung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 in der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Ergebnis rechtmäßig ist, bedarf ebenfalls sorgfältiger Prüfung im Hauptsacheverfahren. Offen ist in diesem Zusammenhang, ob die Ausweisung überhaupt nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zulässig ist und wie diese Gründe auszulegen sind. So steht derzeit die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 - 1 C 25.08 - sowie das Vorabentscheidungsersuchen des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2009 - 18 A 2263/08 - aus. Die dort aufgeworfenen Fragen dazu, ob Art. 28 Abs. 3a der Unionsbürger-RL 2004/38/EG auf türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 besitzen, Anwendung findet und wie Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie im Kontext auszulegen ist, sind auch im Fall des Antragstellers, der sich seit über 10 Jahren in Deutschland aufhält, entscheidungserheblich (vgl. zu den aufzuwerfenden Fragen auch die Vorlagebeschlüsse des VGH Bad.-Württ. vom 22.07.2008 - 13 S 1917/07 - juris und vom 09.04.2009 - 13 S 342/09 - juris und das hierzu ergangene Urteil des EuGH vom 23.11.2010, Rs. C-145/09 , wonach das Vorliegen zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit voraussetzt, dass die Beeinträchtigung einen besonders hohen Schweregrad aufweist). Dass Aktivitäten im Umfeld terroristischer Organisationen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit darstellen können, dürfte keinem Zweifel unterliegen, doch wäre im konkreten Einzelfall des Antragstellers zu klären, inwieweit die Maßnahme angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollen, erforderlich ist.
14 
Auch der Senat misst bei der aufgrund der Ergebnisoffenheit des Hauptsacheverfahrens gebotenen Interessenabwägung dem privaten Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Ausweisungsentscheidung verschont zu bleiben, größere Bedeutung zu als dem öffentlichen Interesse an einem Sofortvollzug. Es fehlen hinreichende, auf Tatsachen gestützte Feststellungen zur Besorgnis, dass sich die vom Antragsteller ausgehende, mit der Ausweisung bekämpfte Gefahr bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren wird. Insoweit genügt nicht die bloße Behauptung, dass bis zur Hauptsacheentscheidung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland droht (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.06.2005 - 2 BvR 485/05 - BVerfGK 5, 328).
15 
Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Ausweisung in erster Linie damit begründet, dass nach der Persönlichkeit des Antragstellers und den gesamten Umständen damit gerechnet werden müsse, dass er die PKK weiterhin massiv unterstütze, zumal er sich bislang nicht von ihr distanziert habe. Insoweit fehlt es aber an entsprechenden Feststellungen zur (angeblichen) Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers und auch „massive“ Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen sind angesichts des nach Aktenlage rein passiven Verhaltens des Antragstellers weder vorgetragen noch erkennbar. Im Gegenteil ging der Antragsgegner wohl zunächst selbst nicht von einem erheblichen Gefahrenpotential aus. Denn zwischen der ersten Anhörung zum Vorliegen von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG mit Schreiben vom 19.02.2008 und der Ausweisungsverfügung vom 20.09.2010 liegen deutlich über zwei Jahre, ohne dass in dieser Zeit qualitativ wesentlich neue Erkenntnisse hinzugekommen wären. Vor diesem Hintergrund und angesichts der ganz erheblichen nachteiligen Folgen der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung für die persönlichen Lebensverhältnisse des Antragstellers, der seit 1987 mit seiner Ehefrau in familiärer Lebensgemeinschaft in Deutschland lebt, eine Niederlassungserlaubnis besitzt und hier arbeitet, ist ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse nicht hinreichend zu erkennen. Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller noch vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens sicherheitsgefährdende Unterstützungshandlungen zugunsten einer terroristischen Vereinigung vornehmen könnte. Nach Erlass der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung sind keine weiteren Aktivitäten bekannt geworden, die eine sofortige Ausweisung rechtfertigen könnten.
16 
Auch soweit der Antragsgegner mit der Anordnung des Sofortvollzugs den Zweck verfolgt, die Folgen des § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auszulösen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ausweisungsverfügung allein zu dem Zweck, die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung herbeizuführen, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der tatsächlichen Aufenthaltsbeendigung - wie hier - keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (offen gelassen für den Sonderfall der Unzulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung im Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 -; anders in einem Fall, in dem der ausgewiesene Ausländer nicht abgeschoben werden konnte: BayVGH, Beschluss vom 24.10.2008 - 10 CS 08.2339 - juris). Nach der klar formulierten Bestimmung in § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG greifen die Überwachungsmaßnahmen erst mit Eintritt der Bestandskraft oder aber aufgrund - rechtmäßiger - Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung. Eine von der Vollziehbarkeit der Ausweisung unabhängige Meldepflicht und räumliche Beschränkung des Aufenthalts ist vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen (s. a. § 46 Abs. 1 und § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Ungeachtet dessen ist allerdings auch nicht erkennbar, dass dringende Sicherheitsgründe eine sofortige Überwachung des Antragstellers gebieten könnten.
17 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage im Hinblick auf die in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung erlassene Abschiebungsandrohung angeordnet. Zwar dürfte die nicht näher eingegrenzte Bestimmung der Ausreisfrist von einem Monat im Hinblick auf die Regelung des § 31 Abs. 2 LVwvfG ausgehend vom Tag der Bekanntgabe der Verfügung zu berechnen und damit grundsätzlich hinreichend bestimmt sein, doch kommt eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers aus den vorgenannten Gründen derzeit nicht in Betracht.
18 
4. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisung erfasst auch die im Tenor der angefochtenen Verfügung unter Ziffer 3 genannten Maßnahmen. Entfällt die Vollziehbarkeit der Ausweisung, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG nicht mehr vor.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
20 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am ... Mai 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24. Juli 2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag.
Die Anträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt.
Die Klagen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen blieben ohne Erfolg (Urteil vom 15. Oktober 2003 - A 9 K 11243/01 -).
In einem vom Kläger eingeleiteten Folgeantragsverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil vom 26. Mai 2006 (A 1 K 10241/05) festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren im Übrigen eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung stellte das Verwaltungsgericht darauf ab, dem Kläger drohe aufgrund seiner exponierten Stellung als Vorstandsmitglied der Unterorganisation der „International Sikh Youth Federation“ (ISYF) in Baden-Württemberg im Falle seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter.
Am 4. August 2006 beantragte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium Tübingen verweigerte jedoch die Erteilung der Zustimmung.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Ausweisung an und wies in einem weiteren Schreiben vom 19. Juli 2007 ergänzend darauf hin, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die ISYF ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF könne auch nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die ISYF werde zwar von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keine konkreten Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Kläger mit Verfügung vom 14. September 2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 4. August 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19. November 2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder aus Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen. Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft. Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In Baden-Württemberg sei er am 25. April 2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner hervorgehobenen Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass er sich von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe. Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Eine Ausnahme vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe, die aber auch in Indien zur Verfügung stehe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch für den Fall, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste. Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt. Die Ausweisung stehe zudem in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27. September 2007 zugestellt.
10 
Der Kläger erhob am 29. Oktober 2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Zur Begründung trug er vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
11 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und führte ergänzend aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen im Sinne des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb nach dem Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbare Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
12 
Das Verwaltungsgericht erhob Beweis durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt vom 14. September 2009.
13 
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt. Im Tatbestand des Urteil heißt es in diesem Zusammenhang: „Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in Baden-Württemberg. Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg sei Pal Singh geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg mit Gurinder Singh als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in Frankfurt statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in Frankfurt bezahle er selbst.“
14 
Durch Urteil vom 8. Dezember 2009 hob das Verwaltungsgericht die Verfügung vom 14. September 2007 auf und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
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Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe. Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen könne die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründe. Diese Voraussetzungen lägen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greife nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliege. Hierzu reiche es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehöre, die früher den Terrorismus unterstützt habe. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgehe („die den Terrorismus unterstützt"). Es folge auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft diene und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen müsse, folge auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort werde vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen müsse, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit lägen. Die gegenwärtige Gefahr entfalle aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstütze. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus sei zwar nicht erforderlich, da es ausreiche, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigten. Es müssten aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden könne. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reiche nicht aus. Es könne derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstütze. Es könne daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg gewesen sei, in einem Sinne von der ISYF distanziert habe, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung allerdings erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass gegeben, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handele, die den Terrorismus unterstütze, werte die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel bestehe nicht. Dies gelte insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15. Juli 2008 zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 enthalte einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehöre auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhten auf Art. 15 EUV (a.F.). Nach dieser Vorschrift nehme der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten werde das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten trügen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang stehe. Aus Art. 15 Satz 3 EUV sei der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes bestehe. Der gemeinsame Standpunkt sei an die Mitgliedstaaten gerichtet, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssten. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liege nicht vor. In seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03) habe sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folge aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt werde auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Hiernach seien diese und ihre Anhänge bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstütze, zu berücksichtigen. Auch der Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers verpflichte die Kammer nicht, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handele. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt sei eine EG-Verordnung nach Art. 249 EGV (a.F.) verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nehme auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt worden sei, teil. Die Verbindlichkeit der  Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränke sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen seien. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung seien in dieser Verordnung nicht geregelt. Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung lieferten die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG nur Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen seien. Der Sikh-Terrorismus im Punjab sei seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen, insbesondere lägen dem Auswärtigen Amt keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor. Nach Auswertung und Gewichtung dieser und auch weiterer Erkenntnismittel könne die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handele, die aktuell den Terrorismus unterstütze oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Das Auswärtige Amt habe seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig sei. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, sei danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies sei nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.
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Das Urteil wurde dem Beklagten am 4. Januar 2010 zugestellt.
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Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 27. Januar 2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese am 25. Februar 2010 unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet:
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Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vorgelegen hätten. Bei der ISYF handele es sich um eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Der Ausweisungstatbestand sei vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) in dem Bestreben eingeführt worden, dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Die aufgrund des VII. Kapitels der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) erlassenen Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung enthielten gemäß Art. 25 SVN völkerrechtlich bindende Verpflichtungen. Die Bundesrepublik habe der SVN mit Zustimmungsgesetz vom 6. Juni 1973 den entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erteilt und sich in ein System kollektiver Sicherheit eingeordnet. Folglich sei die Bundesrepublik der Bindungswirkung der Resolutionen gemäß Art. 25 SVN i.V.m. Art. 48, 2 Nr. 7 HS 2 SVN unterworfen. Gemäß Art. 30 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention in Verbindung mit Art. 103 SVN hätten die Verpflichtungen aus den Resolutionen, die auf Grundlage des VII. Kapitels der SVN erlassen worden seien, zudem grundsätzlich Vorrang vor den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der EMRK, wie etwa dem Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung, wie z.B. Nr. 1269 (1999), 1363 (2001) und Nr. 1373 (2001), beinhalteten das Verbot der Lieferung von Rüstungsgütern, ein Ein- und Durchreiseverbot sowie das Unterbinden von Finanzaktionen. Nach Nr. 2a der Resolution des VN Sicherheitsrates Nr. 1373 (2001) seien die Staaten verpflichtet, unmittelbare oder auch mittelbare Unterstützung für die Begehung terroristischer Handlungen in einem umfassenden Sinne zu verhindern. Der Sicherheitsrat habe die Notwendigkeit betont, den Terrorismus mit allen Mitteln, im Einklang mit der SVN, zu bekämpfen (vgl. Absatz 5 der Präambel der Resolution 1373/2001). Diese Aussage beziehe sich explizit auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Die Generalversammlung habe betont, dass die Bemühungen der Vereinten Nationen darauf gerichtet seien, die Kohärenz bei der Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zu fördern (vgl. VN-Dok. A/RES/62/272 v. 5. September 2008, Abs. 5). Aus Nr. 2c der Resolution Nr. 1373 (2001) folge die Pflicht, denjenigen, die terroristische Handlungen finanzierten, planten, unterstützten oder begingen, oder die den Tätern Unterschlupf gewährten, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern. Dies werde auch im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) und im Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 (2002/475/Jl) betont. In der Rechtsprechung des EuGH sei anerkannt, dass angesichts des für die Völkergemeinschaft grundlegenden Zieles der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt seien. Dem gleichen Zweck dienten die von der Europäischen Gemeinschaft mit Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 vom 27. Dezember 2001 angeordneten länderunabhängigen Embargomaßnahmen. Dies werde aus dem 3. Erwägungsgrund dieser Verordnung ersichtlich, der auf die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) verweise. Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 würden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen seien. Der Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, aktualisiert durch die Verordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009, nehme am unionsrechtlichen Anwendungsvorrang teil. Die Listung von Personen für länderbezogene und länderunabhängige Embargomaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung habe eine rechtlich bindende Wirkung auch im Rahmen der Anwendung ausländerrechtlicher Normen. Wegen des Ziels der Rechtsakte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, dem Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen und zu verhindern, dass Rückzugsräume entstünden, seien auch ausländerrechtliche Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die Organisationen angehörten, welche die Bundesrepublik als Rückzugsraum nutzten. Solange keine Berichtigung des Anhangs zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass es sich bei den aufgeführten Organisationen nach Auffassung des Rates der Europäischen Union um terroristische Organisationen handele und die zuständigen Behörden nach dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung, der sowohl innerhalb des Rechtes der Europäischen Union als auch im Bundesrecht, aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG gelte, gehalten seien, die entsprechende Organisation als terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG zu behandeln. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte zur Konsequenz, dass es zwischen den für die Finanzsanktionen zuständigen Behörden seien, und den Ausländerbehörden zu divergierenden Entscheidungen kommen könnte. Die Behörden, die für die Finanzsanktionen zuständig sind, wären unwiderleglich kraft unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs an die Listung einer Organisation im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gebunden, während die Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung vorzunehmen hätten. Terroristische Anschläge seien heute des Weiteren weit weniger vorhersehbar als beim „klassischen Terrorismus" in der Vergangenheit. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts dürfte eine Überschreitung gewaltenteiliger Befugnisse darstellen. Die ISYF habe auch bisher - soweit ersichtlich - nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, soweit die ISYF dort als terroristische Organisation aufgeführt sei, gemäß Art. 263 AEUV (früher Art. 230 EGV) gerichtlich überprüfen zu lassen. Das EuG überprüfe im Verfahren nach Art. 263 AEUV, ob die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) vorlägen. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) werde die Liste auf Grundlage genauer Informationen, aus denen sich ergebe, dass eine Verurteilung der Organisation für eine terroristische Handlung vorliege, erstellt. Im Klageverfahren vor dem EuG werde geprüft, ob der Verbleib auf der Liste gerechtfertigt sei. Hierbei sei es jedoch nicht erforderlich, dass aktuell Terrorakte nachgewiesen worden seien, sondern es komme darauf an, ob die Beibehaltung der Listung einer Organisation im Hinblick auf die Gesamtheit der maßgeblichen Umstände weiterhin gerechtfertigt sei. Hierbei stehe dem Rat der Europäischen Union bei der Beurteilung, ob künftig von einer Organisation Terroranschläge zu befürchten sind, ein weites Ermessen zu. Das Listungsverfahren sei durch Beschluss des Rates vom 28. Juni 2007 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Beschlüsse 2006/379/EG und 2006/1008/EG (2007/445/EG) geändert worden. Die Betroffenen erhielten grundsätzlich eine Begründung der gegen sie ergangenen Listungsentscheidung durch das EU-Ratssekretariat. Die Begründung enthalte einen Hinweis auf das Klagerecht vor dem EuG nach Art. 263 Abs. 4 AEUV. Darüber hinaus erfolge vor einem neuen Listungsbeschluss eine im Amtsblatt veröffentlichte Mitteilung des Rates an alle zu diesem Zeitpunkt gelisteten Organisationen, dass der Rat beabsichtige, sie weiterhin in der Liste aufzuführen, nachdem eine Überprüfung ergeben habe, dass die Gründe für ihre Aufnahme in die Liste nach vor wie vor gültig seien. Dabei würden die Betroffenen über die ihnen zustehenden Rechte, eine Begründung der Listungsentscheidung anzufordern und eine Überprüfung der Entscheidung zu beantragen, unterrichtet. Dieses Verfahren sei auch beim Erlass der aktuellen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 eingehalten worden. Die ISYF sei jedoch nicht den ihr zustehenden Weg der Überprüfung der Listung gegangen. Stattdessen habe sie zur Umgehung der Sanktionen der Europäischen Union eine Zweitorganisation, die Sikh Federation Germany (SFG), mit identischen Zielen - der Herauslösung aus dem indischen Staatenverbund und der Errichtung eines selbstständigen Staates Khalistan („Land der Reinen") - und mit den nahezu gleichen Vorstandsmitgliedern gegründet. Diese Erkenntnisse seien in einem Sicherheitsgespräch mit einem ehemaligen Vorstandsmitglied der ISYF gewonnen worden. Hieraus lasse sich schließen, dass die SFG als eine Nachfolgeorganisation der ISYF zur Umgehung der Sanktionen nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gegründet worden sei. Dies werde auch durch die Einlassungen des Klägers in diesem Verfahren bestätigt. Eine aktuelle Gefahr im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG liege gleichwohl vor, denn es sei obergerichtlich geklärt, dass die Auflösung einer Organisation allein einer Gefährlichkeit im Sinne der Ausweisungstatbestände nicht entgegen stehe. Der Kläger sei exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg, in der er seit Ende 2002 als Hauptberater fungiert habe und zu deren Präsidenten er im April 2005 gewählt worden sei. Der Kläger sei auch nach wie vor Mitglied der ISYF. Ein Persönlichkeitswandel oder eine Distanzierung von den Zielen der ISYF und dem Einsatz terroristischer Mittel sei nicht erfolgt und nicht ersichtlich. Nach alledem sei die Ausweisungsverfügung rechtmäßig. Auch die Aufenthaltserlaubnis sei zu Recht versagt worden. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 lit c) AufenthG scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG aus, wenn die Person sich Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 SVN verankert seien, zuwiderliefen. Der Ausschlusstatbestand greife auch im Falle des Begehens terroristischer Handlungen ein. Der Sicherheitsrat habe in mehreren Resolutionen Akte des Terrorismus als Bedrohung für den Frieden im Sinne des Art. 39 SVN betrachtet. Wie dargelegt, sei die ISYF bzw. ihre Nachfolgeorganisation SFG eine terroristische Organisation. Eine exponierte Stellung in der ISYF stelle somit eine Handlung dar, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
19 
Es seien zwischenzeitlich weitere behördliche Stellungnahmen mit folgenden Kernaussagen eingeholt worden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe auf eine aktuelle Anfrage mitgeteilt, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, wonach sich die ISYF öffentlich und hinreichend eindeutig von ihrer terroristischen Vergangenheit losgesagt habe. Das Bundeskriminalamt teile in seiner Stellungnahme vom 1. April 2010 ebenfalls mit, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, die darauf hindeuteten, dass sich die ISYF von ihren terroristischen Aktivitäten distanziert hätte oder von ihren extremistischen Bestrebungen absehen würde. Das Sezessionsstreben und damit der Kampf gegen die vermeintlich indische Vorherrschaft bilde die wesentliche Basis für den Zusammenhalt der Gruppierung. Dies gelte selbst dann, wenn vom Bundesgebiet aus lediglich Propagandaaktivitäten bzw. Geldsammlungen zu Zwecken der ISYF stattgefunden haben sollten. Von den vom Senat aufgeführten Quellen würden vom BKA insbesondere die Berichte des „South Asia Terrorism Portals" als von herausgehobener Qualität benannt. Auch der Bundesnachrichtendienst habe in der beigefügten Behördenerklärung vom 13. April 2010 mitgeteilt, dass sich die Bedrohungslage durch terroristische Gewaltakte im indischen Punjab zwar seit 1993 erheblich entspannt und sich nach dortigen Informationen die letzte Festnahme militanter Aktivisten der ISYF in Indien im Dezember 2008 ereignet habe. Jedoch werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Premierminister SINGH am 4. März 2008 davor gewarnt habe, dass sich extremistische Sikh-Gruppierungen außerhalb Indiens um eine Wiederbelebung des gewaltsamen Kampfes in Indien bemühen würden. Weiter werde festgestellt, dass versprengte Einheiten in Punjab tatsächlich immer noch eine Bedrohung darstellten, wie auch mehrere Sprengstoff-, Waffen- und Munitionsfunde nahe wichtiger Einrichtungen belegten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die jüngsten militanten Aktionen aber wohl nicht der ISYF zuzurechnen. Gleichwohl lasse sich auch der Erklärung des Bundesnachrichtendienstes entnehmen, dass keine eindeutige und glaubhafte Distanzierung der ISYF vorliege und daher auch zum derzeitigen Zeitpunkt terroristische Aktivitäten seitens der ISYF durchaus noch für möglich gehalten würden.
20 
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Von der ISYF gingen keine Gefahren für die Ziele der Vereinten Nationen aus, weil diese Organisation nur noch gewaltfrei für einen eigenständigen Staat Khalistan eintrete. § 54 Nr. 5 AufenthG sei eng auszulegen, um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Da die Vorschrift der Gefahrenabwehr diene, müsse vom Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung noch eine Gefahr ausgehen, wie dies auch bei § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG gefordert werde. Für das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährlichkeit spreche bereits der Wortlaut der Norm, wonach die betroffene Vereinigung den Terrorismus unterstützen müsse und es nicht genüge, dass sie den Terrorismus unterstützt habe. Insoweit genüge entgegen der Auffassung der Berufung nicht, dass die ISYF im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (EU-Terrorliste) aufgeführt sei. Der Gemeinsame Standpunkt richte sich nur an die Mitgliedstaaten und habe keine Rechtsverbindlichkeit. Die EU-Terrorliste werde ohne öffentliche Kontrolle erstellt, die Aufnahmekriterien seien undurchschaubar und es spreche einiges für politische und diplomatische Rücksichtnahmen. Gerade im Falle Indiens liege dies nahe, da ein großes Interesse der EU an dieser aufstrebenden Wirtschaftsmacht bestehe. Die Aufnahme einer Organisation in diese Liste habe zwar Indizwirkung, genüge aber allein nicht für Feststellungen nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Vielmehr sei eine eigenständige Prüfung der Behörden und Gerichte erforderlich. Umgekehrt sei dem Senat zuzugeben, dass eine längere Untätigkeit einer vormals terroristisch aktiven Gruppierung nicht per se den Rückschluss auf eine entfallene Gefährlichkeit erlaube. Andererseits könne aber eine schwierige Informationsgewinnung und unklare Informationslage nicht zu Lasten des Klägers gehen. Denn mangele es an konkreten und belastbaren Tatsachenfeststellungen, sei der Schluss auf eine aktuelle Gefährlichkeit der Organisation unzulässig und nur dieser Schluss wiederum rechtfertige den Eingriff in seine Rechte. Gerade wenn die Norm unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten derart problematisch sei, werde man eine unklare Sachverhaltssituation nicht für einen Eingriff genügen lassen können. Es sei zwischen der Babbar Khalsa einerseits und der ISYF andererseits zu unterscheiden. Die Babbar Khalsa sei in der Vergangenheit stets die gewaltbereitere Organisation gewesen, während die ISYF, die in Indien selbst nicht aktiv sei, die auch früher weit weniger militanten Mutterorganisationen AISSF und SSF unterstütze und ebenso wie diese gespalten sei. So gebe es den sog. Rhode-Flügel, der Gewalt als Mittel zur Schaffung eines selbstständigen Staates Khalistan abgelehnt habe, und den sog. Bittu-Flügel, der nach der SSF des Daljit Singh Bittu benannt sei. Daljit Singh Bittu sei in Indien lange als Terrorist gesucht worden und auch verhaftet worden, gelte aber heute - soweit ersichtlich - nicht mehr als militanter Politiker der Sikhs. Nach den zur Verfügung stehenden Informationen würden militante Aktionen der letzten Jahre zwar der Babbar Khalsa, nicht aber der ISYF oder ihren Mutterorganisationen zugeschrieben. Der Kläger sei seit einiger Zeit nur noch einfaches Mitglied der ISYF. Wenn aber nach dem Urteil des BVerwG vom 13. Januar 2009 (1 C 2.08) das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die wegen der Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung verboten worden sei, für sich genommen regelmäßig noch keine Gefährdung im Sinne des § 54 Nr. 5a AufenthG begründe, dann deute auch dies darauf hin, dass die Anforderungen an eine aktuelle Gefährlichkeit hoch seien. Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, welche die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass die Vereinigung, der er angehöre, den Terrorismus unterstütze, liege bei dem Beklagten.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat liegen Akten des Regierungspräsidiums Tübingen sowie Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
67 
Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
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Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - ist unwirksam, soweit damit Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - geändert. Die Klage gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der am ... in .../Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 19.12.1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung trug er unter anderem vor, er und seine Ehefrau hätten in der Türkei die PKK unterstützt. So hätten sie z.B. Uniformen gewaschen und den Guerillas ab und zu Lebensmittel gegeben. Sie seien deshalb verfolgt worden. Auf die vom Kläger gegen den seinen Asylantrag ablehnenden Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (im Folgenden: Bundesamt) vom 21.03.1996 erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 01.07.1998 die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. In der Folge erhielt der Kläger befristete Aufenthaltsbefugnisse bzw. Aufenthaltserlaubnisse, erstmals zum 01.09.1998. Zuletzt wurde ihm am 13.09.2006 eine bis zum 12.09.2007 geltende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Der Kläger ist mit der am ... geborenen M... A..., geb. G..., verheiratet. Sie haben sieben gemeinsame Kinder: B... (* ...1988), Ex ... (* ...1990), C... (* ...1992), K... (* ...1993), E... (* ...1996), M... (* ...1998) und A... A... (* ...2005). Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.07.1996 wurden die Ehefrau des Klägers und die fünf älteren Kinder, mit denen diese am 28.05.1996 nach Deutschland eingereist war, als Asylberechtigte anerkannt. Bezüglich M..., C..., K... ... und E... wurden die Asylanerkennungen mit Bescheid des Bundesamts vom 02.03.2007 widerrufen. Die Ehefrau und die fünf älteren Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, M... ist Inhaber einer bis zum 07.01.2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis. Der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsangehöriger.
Bis auf einen Zeitraum vom 24.04.2006 bis zum 01.03.2007, in welchem der Kläger in L... gewohnt hatte, war er durchgehend mit Hauptwohnsitz in H... gemeldet. Er und seine Familie bezogen zunächst (ergänzende) Sozialleistungen. In den ersten Jahren war er gelegentlich geringfügig beschäftigt, danach bei wechselnden Arbeitgebern, überwiegend in H... Er war wie folgt tätig: vom 01.07.2002 bis zum 30.11.2002 bei einer Gebäudereinigung, vom 13.03.2004 bis zum 31.03.2005 bei C.M.A. Télécafé, vom 01.04.2005 bis zum 31.01.2006 bei M.S.A. Télécafé, dann - nach Bezug von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 - vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 bei einer Vertriebs GmbH in W..., vom 17.07.2006 bis zum 31.07.2006 bei B... K., Abbruch und Demontage, vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 bei M... K., Abbruch und Demontage, beide in L... und vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei Ü.S. Paletten-Depot in H... Seit dem 01.07.2009 ist der Kläger bei einer Gebäudereinigung tätig.
Am 25.01.1997 wurde der Kläger in einer Sitzung der Mitglieder des Vereins „Kurd... V... e.V.“, H..., - als Zuständiger für die Bücherei - in den Vorstand gewählt. Die Mitglieder des Vereins „Gebetshaus E... ... ...“, H..., wählten ihn am 12.12.1998 als zweiten Vertreter für den Bereich Sport und am 19.05.2002 als zweiten Vorsitzenden in den Vorstand. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 - KLs 71 Js 1603/96 - wurde der Kläger wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe von 35 Tagesätzen zu je 15,-- DM verurteilt. Am 16.02.1999 wurde er aus Anlass der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart (nach der Festnahme von Öcalan) gemeinsam mit 176 anderen Kurden einen Tag lang in „Vorbeugewahrsam“ nach § 28 PolG genommen. In einem gegen ihn wegen der Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK´ler“ eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 30.05.2003 von der Verfolgung abgesehen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Mit Bescheid vom 16.04.2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 27.08.1998 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die dagegen vom Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage - A 17 K 480/07 - wurde von ihm am 25.09.2007 zurückgenommen.
Bereits am 17.07.2007 hatte der Kläger (zum wiederholten Mal) die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beantragt. Unter anderem im Hinblick auf ein Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 13.11.2006, mit welchem die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt L... über die Wahl des Klägers in den Vorstand des Kurd... V... e.V. am 25.01.1997 und zum stellvertretenden Vorstandsmitglied des Gebetshauses „E... ...“ am 12.12.1998 sowie über diverse exilpolitische Aktivitäten des Klägers informiert worden war, forderte die Ausländerbehörde der Stadt H... den Kläger auf, an einer sog. Sicherheitsbefragung gemäß §§ 54 Nr. 6 i.V.m. § 82 Abs. 4 AufenthG teilzunehmen. Bei der daraufhin am 08.08.2007 durchgeführten Befragung verneinte der Kläger die Frage, ob er bestimmte Gruppen oder Organisationen, darunter die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) alias KADEK alias KONGRA-GEL, unterstütze oder für diese tätig geworden sei. Die Zusatzfrage, welcher Art diese Unterstützungshandlungen oder Tätigkeiten (z.B. Spenden) gewesen seien, beantwortete er sinngemäß wie folgt: Er sei nur Kurde; die PKK und die KONGRA-GEL interessierten ihn nicht. Er sei auch nicht Mitglied in einem kurdischen Verein.
Mit Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 26.02.2008 und an das Regierungspräsidium Stuttgart vom 18.11.2008 wurde mitgeteilt, dass der Kläger dem Landesamt im Zusammenhang mit der im November 1993 verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – welche 2002 in „Freiheit- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK) und 2003 in „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA-GEL) umbenannt worden sei – bekannt geworden sei. Neben den Vorstandstätigkeiten in den PKK-nahen Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ... - ...“ in H... lägen folgende Erkenntnisse vor: Der Kläger habe an einer Vielzahl von Versammlungen, Demonstrationen oder Feiern von KADEK bzw. KONRAG-GEL-Anhängern teilgenommen, so am 06.04.2003 in H... an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Abdullah Öcalan, am 05.02.2005 an einer Solidaritätsdemonstration für den am 22.01.2005 in Nürnberg festgenommenen stellvertretenden Vorsitzenden dieser Organisation, R... K..., am 03.04.2005 an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Öcalan, am 27.11.2005 in I... (bei H...) an einer Veranstaltung zum 27. Gründungsjahrestag der PKK, am 17.12.2005 an einer Versammlung in H..., am 28.01.2006 an einer Demonstration in Mannheim, am 11.02.2006 an einer Demonstration von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich des 7. Jahrestages der Festnahme Öcalans in Straßburg/Frankreich, am 16.02.2007 an einer Demonstration zu den Haftbedingungen Öcalans sowie zuvor stattgefundenen Exekutivmaßnahmen der deutschen und französischen Behörden gegen mutmaßliche KONGRA-GEL-Strukturen in H..., am 27.10.2007 an einer weiteren Demonstration in H..., am 24.11.2007 an einer Versammlung anlässlich einer Feier zum Parteigründungstag der PKK in H..., am 30.03.2008 an einer weiteren Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern und am 18.05.2008 an einer Märtyrer-Veranstaltung in H...
Nachdem das Regierungspräsidiums Stuttgart den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2008 unter anderem auf die Möglichkeit einer Ausweisung hingewiesen hatte, erklärte der Kläger in einem Schreiben vom 26.08.2008, er wolle zunächst feststellen, dass er kein Terrorist und kein Verbrecher sei, sondern ein einfacher Arbeiter. Jede Veranstaltung und Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei bei den Behörden angemeldet und genehmigt gewesen. Die Vereine, in deren Vorstand er gewählt worden sei, seien Kulturvereine von Kurden für Kurden. Sicher habe auch er, als er noch in der Türkei gelebt habe, die PKK unterstützt, aber eher mit humanitären als mit militärischen Mitteln. Seit die PKK als terroristische Vereinigung gelte, habe er diese Hilfe komplett eingestellt. Er unterstütze als Kurde die kurdische Sache. Er distanziere sich aber von jeder kriminellen Handlung, die im Namen des kurdischen Volkes begangen werde, somit auch von der PKK als terroristischer Vereinigung.
10 
Am 10.02.2009 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart (Untätigkeits-) Klage gegen die Stadt H... mit dem Antrag, diese zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen (8 K 487/09). Diese Klage wurde 25.05.2009 zurückgenommen; stattdessen erhob er Klage gegen das Land Baden-Württemberg (11 K 2004/09).
11 
Mit Schreiben vom 09.04.2009 und vom 01.02.2010 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz, es seien noch die folgenden gerichtsverwertbaren Erkenntnisse angefallen: Ausweislich eines Fotos und eines Zeitungsartikels in der der KONGRA-GEL nahestehenden türkischen Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ vom ...2008 habe er am ...2008 an einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in H... und außerdem am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestags der Gründung des militärischen Arms der PKK an einem Grillfest von KONGRA-GEL-Anhängern bei Bad Wimpfen sowie am 25.10.2008 an einer Demonstration gegen die angebliche Misshandlung von Öcalan in H... teilgenommen. Am 23.11.2008 und am 27.11.2009 sei der Kläger in I... (bei H...) Teilnehmer von Versammlungen zur Feier des 30. bzw. 31. Gründungsjahrestages der PKK gewesen, am 20.03.2009 habe er an der „Newroz“-Veranstaltung in H... teilgenommen.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise innerhalb der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht (Ziff. 2). Außerdem wurde sein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt (Ziff. 3). Der Kläger wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei dem Polizeirevier H... zu melden. Sein Aufenthalt sei bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung auf das Stadtgebiet des Stadtkreises H... beschränkt (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids und der Meldeauflage sowie der Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 5). In den Gründen des Bescheids wurde im Wesentlichen dargelegt: Die Voraussetzungen der Ausweisungstatbestände des § 55 AufenthG i.V.m. §§ 54 Nr. 5, Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien gegeben. Der Kläger sei nicht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats/EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) privilegiert. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 und/oder des Art. 7 ARB 1/80 lägen nicht vor. Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG sei erfüllt. Die PKK sei als eine terroristische Vereinigung zu qualifizieren. Der Kläger habe diese tatbestandsmäßig im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Er sei bereits vor seiner Einreise ins Bundesgebiet 1995 fünf bis sechs Jahre in der Türkei für die PKK tätig gewesen. Bereits Anfang 1996 habe er an einer verbotenen und gewalttätigen PKK-Demonstration in Dortmund teilgenommen und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem habe er im Jahr 1999 an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart anlässlich der Gefangennahme des PKK-Führers Öcalan teilgenommen und zudem im Jahr 2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet. Hinzu kämen die ab 1997 bis zumindest 2002 ausgeübten Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen. In der Folge habe er kontinuierlich ab dem Jahr 2003 bis Ende des Jahres 2009 an zahlreichen politisch-extremistischen und auch gewaltbereiten Veranstaltungen der PKK alias KADEK alias KONGRA-GEL aktiv teilgenommen. Die vorliegenden Erkenntnisse und Tatsachen rechtfertigten in ihrer wertenden Gesamtbetrachtung die Schlussfolgerung, dass er der PKK „angehöre“. Zudem seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5a und 6 AufenthG erfüllt. Da der Kläger und seine Ehefrau mit ihrem minderjährigen deutschen Kind A... A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, genieße er allerdings besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Seine Ausweisung sei daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig. Solche lägen jedoch in den Fällen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG, also auch hier, vor. Im vorliegenden Fall seien auch keine besonderen Umstände gegeben, die zur Annahme eines Ausnahmefalls führen könnten. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei daher gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sämtliche für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe in die Entscheidung einzubeziehen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und zu prüfen, ob die Ausweisung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei. Im Ergebnis überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung mit dem Entzug seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet abzuwehren. Zudem verfolge die Ausweisung general- und spezialpräventive Zwecke. Außerdem sei von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hätten Berücksichtigung gefunden. Auch seien die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Klägers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG bedacht worden. Es handle sich um eine schutzwürdige Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch seien die Interessen der Kinder, insbesondere des jüngsten deutschen Kindes, an der Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung und Abwägung des jeweiligen Interesses habe jedoch der Schutz der Ehe und Familie hinter das höher einzuschätzende Sicherheitsinteresse des Staates und seiner Bevölkerung vor Unterstützungshandlungen für terroristische Vereinigungen zurückzutreten. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK im Einklang. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei abzulehnen, weil dieser bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG entgegenstehe. Aufgrund der Ausweisungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, sei der Kläger nach §§ 50 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Gemäß § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliege er der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Gemäß § 54a Abs. 2 AufenthG sei sein Aufenthalt kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt.
13 
Mit am 01.07.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz vom 28.06.2010 machte der Kläger den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 im Wege der Klageänderung bzw. -erweiterung zum Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens 11 K 2004/09. In der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 wurde die Klage insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 11 K 2424/10 fortgesetzt, als sie auf Anfechtung von Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidium Stuttgart vom 10.06.2010 gerichtet ist. Im Übrigen (bezüglich der Niederlassungserlaubnis) ist nach entsprechenden Anträgen der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
14 
Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen: Obwohl der Kläger offensichtlich seit Jahren intensiv und engmaschig vom Verfassungsschutz beobachtet werde, könne das beklagte Land nicht einen konkreten Anhaltspunkt für eine objektive oder subjektive Unterstützungsleistung des Klägers benennen außer der schlichten Teilnahme an diversen, wohl gemerkt angemeldeten und erlaubten Versammlungen. Weder aus der Tatsache, dass er an diversen Kundgebungen teilnehme, noch daraus, dass er eine Zeitlang und bis 2002 in kurdischen Kulturvereinen in den Vorstand gewählt worden sei, habe er jemals einen Hehl gemacht. Er könne nicht für die Äußerungen irgendwelcher Redner auf irgendwelchen Veranstaltungen im Sinne einer Sippenhaft verantwortlich gemacht werden. Insgesamt bemühe sich das Land geradezu krampfhaft, eine über ein Jahrzehnt zurückliegende strafrechtliche Verurteilung und sogar ein von der Staatsanwaltschaft eingestelltes Ermittlungsverfahren, welches ebenfalls Jahre zurückliege, zur Begründung eines vermeintlichen Versagungsgrundes heranzuziehen. Tatsache sei, dass er weder Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei noch eine solche unterstützt habe. Insoweit werde auf seine Erklärung vom 26.08.2008 Bezug genommen. Obwohl es nicht darauf ankomme, werde bestritten, dass die PKK eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG sei. Die Aufnahme einer Vereinigung in die EU-Terrorliste entbinde weder Behörden noch Gerichte von der eigenständigen Prüfung. Eine Ausweisung könne zudem nur erfolgen, wenn vom Ausländer persönlich eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Er habe lediglich sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Information wahrgenommen. Dass er sich einen eigenen Staat wünsche und auch das Recht habe, als Kurde seine Auffassung kundzutun, dürfte auf der Hand liegen. Die Entscheidung verstoße im Übrigen gegen Art. 6 GG.
15 
Das Regierungspräsidium Stuttgart trat der Klage entgegen. Zur Begründung verwies es auf den angefochtenen Bescheid. Entgegen dem Vortrag des Klägers habe dieser nachweisbar im dargelegten Umfang an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen der PKK alias KONGRA-GEL vom 06.04.2003 bis zum 27.11.2009 sei durch offene und gerichtsverwertbare Tatsachen des Landesamts für Verfassungsschutz belegt, die vor Gericht durch einen Zeugen vom Hörensagen nachgewiesen werden könnten. Die PKK/KADEK/KONGRA-GEL sei auch als terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG einzustufen. Dass das „Gebetshaus E... ... - ... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger in den Jahren 1998 und 2002 gewählt worden sei, der PKK nahestehe, folge aus einem beigefügten Bericht des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006. Die PKK-Nähe des Vereins Kurdx ... V... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger 1997 gewählt worden sei, ergebe sich aus Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz. Unerheblich sei, dass die Wahl des Klägers in den Vorstand der genannten Vereinigungen bereits 1997, 1998 und 2002 erfolgt sei, da die Annahme einer Unterstützung der PKK durch den Kläger auf einer wertenden Gesamtbetrachtung beruhe und maßgeblich auch auf die bereits zu Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik erfolgten Tätigkeiten im Funktionärsstatus abzustellen sei, denen sich in den folgenden Jahren weitere politische Aktivitäten für die PKK angeschlossen hätten, und die sich bis in die Gegenwart fortsetzten. Selbst wenn es nur um die „bloße Teilnahme“ an Veranstaltungen und Demonstrationen gehen würde, könnte auch diese unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorfeldunterstützung des Internationalen Terrorismus darstellen. Die Versammlungen und Demonstrationen, an denen der Kläger teilgenommen habe, hätten entgegen seinem Vorbringen auch keinen „legalen und friedlichen“, sondern einen politisch-militanten Grundcharakter. Die Ausweisung verstoße auch nicht im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau des Klägers und mit den minderjährigen Kindern gegen Art. 6 GG. An dem Übergewicht des öffentlichen Interesses vermöge ein mögliches Abschiebungshindernis aufgrund familiärer Belange nichts zu ändern. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht ausgeschlossen, dass auch unter Berücksichtigung selbst eines strikten Abschiebungsverbotes - nach § 60 Abs. 1 AufenthG - und bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Duldung eine Ausweisung ermessensfehlerfrei ausgesprochen werden könne. Die Behörde habe dann das Abschiebungsverbot in die Ermessenserwägungen einzustellen. In Anwendung dieser Grundsätze werde ergänzend vorgetragen, dass zwar die Familienschutzvorschriften des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gewähren und einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Selbst wenn von einem solchen Abschiebungshindernis ausgegangen werde, führe dies aber nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung, sondern sei gemäß seiner Bedeutung zu werten und in die Ermessenserwägungen einzustellen. Im Ergebnis könne von einem Überwiegen des staatlichen Sicherheitsinteresses ausgegangen werden, so dass die Ausweisung des Klägers trotz eines - möglichen - Abschiebungshindernisses nicht unverhältnismäßig sei.
16 
Auf einen am 01.07.2010 vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - die aufschiebende Wirkung der Klage - 11 K 2424/10 - gegen die Ziffern 1, 2 und 3 im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wieder her. Bezüglich Ziffer 4 des Bescheids wurde der Antrag abgelehnt.
17 
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - wurden die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen dargelegt: Alle Vorgänge vor 2002 lägen derart weit in der Vergangenheit, dass sich aus ihnen eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht ablesen lasse. In der Zeit nach 2002 habe der Kläger lediglich an 13 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen - was er auch nicht bestritten habe. Im angefochtenen Bescheid seien allerdings keinerlei Ausführungen dazu enthalten, was der Kläger bei den Veranstaltungen konkret gemacht haben solle. Allein seine Anwesenheit könne noch nicht als Unterstützungshandlung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG gewertet werden, von der auf eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers geschlossen werden dürfe. Der Kläger erfülle aber auch nicht den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG. Zwar dürfte die Beantwortung zahlreicher Fragen zur Nähe zur PKK durch den Kläger anlässlich des mit ihm durchgeführten Sicherheitsgesprächs am 08.08.2007 falsch gewesen sein. Es gebe keine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen. Der Kläger hätte daher vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Ergebnis rechtlich nicht verwertbar. Damit erwiesen sich auch die Abschiebungsandrohung und die unter Ziffer 4 des Bescheids angeordneten Überwachungsmaßnahmen als rechtswidrig.
18 
Am 14.03.2011 hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das am 21.02.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese mit am 19.04.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Ergänzend wird unter anderem dargelegt: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2005 für die Annahme einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG genügen könne, wenn der Betreffende an einschlägigen Versammlungen und Kundgebungen teilnehme. In diesem Zusammenhang sei vorab richtig zu stellen, dass der Kläger ab dem Jahr 2002 nicht lediglich an 13, sondern an 18 bzw. 19 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen habe. Die jeweiligen Veranstaltungen seien terrorgeneigt und politisch-militant orientiert gewesen, woraus sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das objektiv Vorteilhafte der Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen ohne weiteres ergebe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufteilung der Gesamtaktivitäten des Klägers in solche vor und solche nach dem Jahr 2002 unter Außerachtlassung der älteren Aktivitäten sei rechtlich nicht haltbar. Im Übrigen habe der Kläger nach den aktuellen sicherheitsrelevanten Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.12.2010 und vom 18.04.2011 noch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ mit qualitativ hochstehendem Gefährdungspotential teilgenommen. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien ebenfalls gegeben. Die Ausweisungsentscheidung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Die familiären Bindungen des Klägers seien im Rahmen der Ermessensausübung vollständig berücksichtigt worden. Im Falle des Klägers sei davon auszugehen, dass aus familiären Gründen ein Abschiebungsverbot bestehe, weshalb es bei ihm nicht um eine Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik gehe. Eine Ausweisung sei gleichwohl möglich.
19 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
20 
Das beklagte Land beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 richtet.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Zur Begründung wird auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen und ergänzend unter anderem vorgetragen: Er habe eine Rechtsstellung nach Art. 6 ARB 1/80 inne. In der Zeit vom 01.04.2007 bis einschließlich Mai 2009 sei er durchgehend bei demselben Arbeitgeber in L... tätig gewesen. M... K. habe den Betrieb von B... K. übernommen. Nach einmonatiger Arbeitslosigkeit habe er dann zum 01.07.2009 seine Tätigkeit bei einer Gebäudereinigungsfirma angetreten, bei der er heute noch beschäftigt sei. Er lebe weiter mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammen, auch mit den volljährigen. Die minderjährigen Kinder befänden sich noch in der allgemeinen Schulausbildung. Die Tochter K... nehme seit dem 22.11.2011 an einem Berufsvorbereitungslehrgang teil. C... habe eine Ausbildungsstelle zur Kauffrau im Einzelhandel und arbeite seit einigen Jahren in Nebentätigkeit bei einem Schnellimbiss.
25 
In weiteren Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz an das Regierungspräsidium vom 17.12.2010, vom 18.04.2011 und vom 12.09.2011 wird mitgeteilt: Wie bereits am 17.12.2005 und am 30.03.2008 habe der Kläger auch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ in den Räumlichkeiten des PKK-nahen Vereins „Kurd... G...“ H... – dem Nachfolgeverein des „Kurd... V...“ – teilgenommen. Volksversammlungen gehörten zum organisatorischen Rahmen der PKK. Dabei bestehe der Teilnehmerkreis zu annähernd 100 % aus PKK-Anhängern. Sie dienten in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Am 20.11.2010 habe sich der Kläger außerdem an einer „Kurdistan Solidaritätsdemonstration“ in H... beteiligt, bei der Transparente/Plakate mit den Aufschriften „Freiheit für Öcalan - Frieden für Kurdistan“ u.ä. skandiert worden seien.
26 
In der mündlichen Verhandlung sind der Kläger und – informatorisch – Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.12.2011 übergeben, in welchem erklärt wird, dass der Kläger bis auf Weiteres eine Duldung aus familiären Gründen erhalte.
27 
Dem Senat liegen die ausländerrechtlichen Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) und der Stadt H... (2 Hefte), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart über Asylverfahren des Klägers (A 3 K 12680/98 und A 17 K 480/07), bezüglich Klagen wegen Niederlassungserlaubnis gegen die Stadt H... (8 K 487/09), wegen Niederlassungserlaubnis u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2004/09, mit Beiakte) und wegen Ausweisung u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2424/10, 2 Bände) sowie über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (11 K 2430/10) vor. Der Inhalt dieser Akten ist ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren (11 S 897/11) Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
44 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
45 
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
46 
aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
47 
Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
48 
Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
54 
Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
44 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
45 
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
46 
aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
47 
Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
48 
Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
49 
bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
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Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
54 
Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
10 
Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
11 
Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
12 
Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
13 
Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
14 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
15 
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
16 
Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
17 
Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
18 
Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
19 
Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
20 
- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
21 
Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
22 
Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
23 
Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.05.2010 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet und gegen die ihm auferlegte Meldeauflage.
Der am ....1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 07.12.1994 in das Bundesgebiet ein. Am 13.12.1994 beantragte er die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 26.01.1995 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und droht dem Kläger mit einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei an. Mit Urteil vom 02.11.1995 - A 3 K 10370/95 - verpflichtete das VG Freiburg das Bundesamt festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Entsprechend dieser gerichtlichen Verpflichtung stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 27.12.1995 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Vom 17.01.1996 bis zum 16.01.2006 war der Kläger im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen. Am 10.10.2005 beantragte er bei der damals zuständigen Stadt Mannheim die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Am 18.05.2006 fand bei der Ausländerbehörde der Stadt Mannheim eine Sicherheitsbefragung statt. Zur Klärung weiterer Fragen wurde am 08.11.2006 ein Sicherheitsgespräch angesetzt. Mit Bescheid vom 06.07.2007 lehnte die Stadt Mannheim den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab und drohte dem Kläger mit einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei an. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 17.07.2007 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2007 zurück. Die hierauf erhobene Klage wies das VG Karlsruhe mit Urteil vom 29.04.2008 - 11 K 3727/07 - ab. Mit Beschluss vom 04.09.2008 - 11 S 1656/08 - ließ der VGH Baden-Württemberg auf den Antrag des Klägers die Berufung gegen das Urteil des VG Karlsruhe vom 29.04.2008 zu, soweit es seine Klage auf Verpflichtung zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie gegen die verfügte Abschiebungsandrohung abgewiesen hat. Mit Schriftsatz vom 21.10.2008 hat der Kläger die zugelassene Berufung zurückgenommen. Am 01.09.2008 ist der Kläger in den Zuständigkeitsbereich der Landeshauptstadt Stuttgart verzogen.
Der Kläger lebt mit einer türkischen Staatsangehörigen, mit der er im Rahmen einer Iman-Ehe verheiratet ist, in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Aus dieser Beziehung sind sieben Kinder hervorgegangen, mit denen der Kläger in häuslicher Gemeinschaft lebt. Für die Lebensgefährtin des Klägers und seine Kinder wurden die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG durch das Bundesamt festgestellt. Sie sind im Besitz von Reiseausweisen für Flüchtlinge sowie einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.
Am 25.11.2008 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt Stuttgart die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis. Mit Schreiben vom 09.09.2009 teilte die Landeshauptstadt Stuttgart dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt werden könne.
Das Regierungspräsidium Stuttgart teilte der Landeshauptstadt Stuttgart per E-Mail vom 14.09.2009 mit, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abzulehnen sei, da die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestandes des § 54 Nr. 5 AufenthG gegeben seien. Der Kläger hat daraufhin am 18.02.2010 Untätigkeitsklage gegen die Landeshauptstadt Stuttgart erhoben (Az.: 11 K 575/10), nachdem die Beteiligten die am 04.06.2009 erhobene Untätigkeitsklage aufgrund der von der Landeshauptstadt Stuttgart abgegebenen Zusage zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG übereinstimmend für erledigt erklärt hatten (vgl. VG Stuttgart, Beschl. v. 30.09.2009 - 11 K 2155/09 -).
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte mit Schreiben vom 02.10.2009 mit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Begünstigung nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylVerfG nicht vorliegen und das eingeleitete Aufhebungsverfahren formlos eingestellt wurde.
Mit Bescheid vom 06.05.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und verpflichtete diesen, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 7, Ludwigsburger Straße 126, 70435 Stuttgart unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden und beschränkte den Aufenthalt des Klägers bis zu seiner Ausreise auf das Stadtgebiet Stuttgart. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe sich nach den Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz sowie des Landeskriminalamtes bzw. der Polizei in der Zeit von 1996 bis 2009 aktiv an zahlreichen PKK-Veranstaltungen sowie an Veranstaltungen des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins in Mannheim beteiligt. Außerdem hätten Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im Zusammenhang mit seiner PKK-Zugehörigkeit gestanden. Er habe am 12.02.1996 anlässlich einer Großdemonstration in Stuttgart zu einer Gruppe von ca. 30 Personen gehört, die Parolen wie „es lebe die PKK“ und „Deutsche Polizisten schützen Mörder und Faschisten“ kandiert habe. Der Kläger und auch andere Personen hätten eine Fahne der ERNK geschwenkt. Ein von der Landespolizeidirektion Stuttgart II gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz, Asylverfahrensgesetz und wegen Beleidigung sei von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingestellt worden. Nach einer Mitteilung der Polizeidirektion Offenburg sei der Kläger mit zwei anderen Personen verdächtigt worden, am 19.08.1996 in Offenburg gemeinschaftlich einen Kurden durch Faustschläge und Fußtritte derart verletzt zu haben, dass dieser sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen. Das Ermittlungsverfahren sei von der Staatsanwaltschaft Offenburg jedoch eingestellt worden. Durch die Polizeidirektion Offenburg sei bekannt geworden, dass sich der Kläger mit fünf weiteren Kurden an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin zum Zwecke von deren Ausbildung im Sinne der PKK beteiligt habe. Er sei deshalb am 02.07.1997 festgenommen worden. Auch dieses Verfahren gegen den Kläger sei durch die Staatsanwaltschaft Offenburg eingestellt worden. Der Kläger habe am 15.07.2001 im Rahmen der PKK-Identitätskampagne eine Selbsterklärung unterzeichnet. Weiter habe er am 17.08.2003 in Heilbronn an einer Versammlung von Anhängern der PKK teilgenommen. Dabei sei dieser Organisation anlässlich des 19. Jahrestages ihrer Aufnahme des bewaffneten Kampfes gratuliert und das Protokoll einer Ratsversammlung verlesen worden. Am 11.02.2006 habe der Kläger anlässlich des 7. Jahrestages der Verhaftung von Öcalan in Straßburg an einer Demonstration mit Kundgebung teilgenommen. Dort seien Transparente und Bilder von Öcalan gezeigt und einschlägige Parolen skandiert worden. Schließlich habe der Kläger am 29.11.2009 in Mannheim an einer Veranstaltung von PKK-Anhängern anlässlich des 31. Jahrestages der PKK-Gründung teilgenommen. Die Halle sei u. a. mit Öcalan-Bildern und Fahnen der Koma Civaken Kurdistan geschmückt gewesen. In politischen Liedern seien der Parteigründungstag und die Geschichte der PKK thematisiert worden. Der Kläger erfülle den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Eine Privilegierung nach ARB 1/80 liege nicht vor. Der Kläger habe die verbotene, kriminelle und terroristische PKK jahrelang aktiv unterstützt und von ihm gehe ein entsprechendes extremistisches und terroristisches Gefährdungs- und Gefahrenpotential aus. Die PKK sei auf der EU-Terrorliste aufgeführt. Dies begründe eine Bindungswirkung. Unabhängig hiervon habe die PKK terroristische Handlungen bis in die Gegenwart begangen. Der Kläger habe die PKK auch unterstützt. Schon in jungen Jahren sei er in der Türkei mit dieser Organisation in Kontakt getreten. Seit 1989 sei er in der Türkei für die PKK aktiv tätig gewesen. Zuletzt habe er sich in den Bergen versteckt und für die Guerilla gearbeitet. Er habe sich früh eine gefestigte politische militante Ideologie im Sinne der PKK angeeignet und sei bereit gewesen, für die Zielsetzungen der PKK verhaftet und verfolgt zu werden. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet habe er bereits Anfang 1996 PKK-Parolen skandiert und eine ERNK-Fahne geschwenkt. Am 19.08.1996 habe er im Rahmen einer Bestrafungsaktion der PKK einen Kurden tätlich angegriffen und verletzt. Ein Jahr später habe er sich zusammen mit fünf weiteren Kurden und PKK-Aktivisten an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin beteiligt. Den jeweiligen Verfahrenseinstellungen durch die Staatsanwaltschaft komme keine Bedeutung zu, da § 54 Nr. 5 AufenthG weder ein Verschulden erfordere noch voraussetze, dass die Handlungen strafbar bzw. strafgerichtlich geahndet worden seien. Bei diesen Vorfällen handele es sich um politisch-militante Unterstützungshandlungen des Klägers. Seine Zugehörigkeit zur PKK habe der Kläger durch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 15.07.2001 bestätigt. Schließlich habe der Kläger noch an Veranstaltungen am 17.08.2003, 11.02.2006 und am 29.11.2009 teilgenommen, die in einem militant-extremistischen Kontext zur PKK gestanden hätten. Die erforderliche Zurechenbarkeit liege vor, da dem Kläger aus seinem Gesamtverhalten erkennbar gewesen sei, dass er mit seinen Handlungen die Zielsetzungen der PKK billige. Die vielfältigen Aktivitäten des Klägers begründeten die Prognose einer fortbestehenden politisch-extremistischen Gefahr, die vom Kläger ausgehe. Die beim Kläger zu prognostizierende gegenwärtige Gefährlichkeit könne nur ausgeschlossen werden, wenn er sich eindeutig, glaubhaft und endgültig von der terroristischen Vereinigung distanziert habe. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er habe bis heute kein Unrechtsbewusstsein und auch keine Einsicht in seine zugunsten der PKK ausgeführten Aktivitäten. Beim Kläger liege auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG vor. Der Kläger gefährde die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Die PKK sei im Bundesgebiet trotz ihres Verbots durch den Bundesminister des Innern vom 22.11.1993 aktiv tätig. Der Kläger müsse sich die von der PKK ausgehende Gefährdung persönlich zurechnen lassen, da seit seiner Jugend in subjektiver und objektiver Hinsicht eine fortlaufende Verbindung zu dieser Organisation bestehe. Mit der Betätigung für die PKK habe sich der vereinsrechtliche Verbotsgrund der Gefährdung der Sicherheit in der Person des Klägers konkretisiert. Er müsse sich die von der PKK ausgehende Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, deren politische Ziele gegen elementare Verfassungsgrundsätze gerichtet seien, persönlich zurechnen lassen. Schließlich liege auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG vor. Der Kläger habe falsche und unvollständige Angaben über Verbindungen zur PKK und zu dieser Organisation nahestehenden Personen gemacht. Er habe bei der Sicherheitsbefragung am 18.05.2006 die Frage zur Mitgliedschaft hinsichtlich der PKK mit nein angekreuzt und die Unterstützung der PKK oder ihr nahestehender Personen mit nein beantwortet. Außerdem habe er Kontakte zur PKK und ihr nahestehender Personen verneint. Aufgrund des dem Kläger zustehenden Flüchtlingsstatus sei die Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der Sicherheit und Ordnung zulässig. Derartige Gründe seien aber bei Vorliegen der Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG in der Regel gegeben. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Die vom Kläger ausgehende Gefährdung bestehe im Hinblick auf die fehlende Distanzierung nach wie vor. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung abzuwehren. Nach dem gesamten Verhalten des Klägers und aufgrund der fehlenden inneren und äußeren Abkehr bestehe eine konkrete Gefahr. Im Hinblick auf die gefährdeten Rechtsgüter reiche die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus; dies sei aufgrund der zu Tage getretenen grundsätzlichen Gewaltbereitschaft des Klägers zu bejahen. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Zwecken geboten. Der Schwächung und Zerschlagung der kriminellen, verbotenen und terroristischen PKK komme eine überragende Bedeutung zu. In spezialpräventiver Hinsicht sei beim Kläger von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen, da er nach seinem gesamten Werdegang und seiner gesamten Persönlichkeit in starkem Maße geprägt erscheine von der Idee, für die kurdische Sache und die PKK auch gewalttätig einzutreten und sich hiervon bislang nicht losgesagt habe. Zwar halte sich der Kläger seit fünfzehn Jahren im Bundesgebiet auf. Von einer wirtschaftlichen Integration in den hiesigen Arbeitsmarkt könne jedoch keine Rede sein. Er habe weder einen Beruf erlernt noch eine Berufsausbildung durchlaufen. Kurze Arbeitsphasen hätten sich mit Phasen des Bezugs von Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld abgewechselt. Er besitze auch nur bruchstückhafte Kenntnisse der deutschen Sprache; dies belege eine mangelnde Integrationsbereitschaft. Der Kläger pflege auch Bekanntschaften nur im türkischen bzw. kurdischen und PKK-nahen Umfeld. Eine Legalisierung der nach deutschem Recht nicht anerkannten Iman-Ehe habe der Kläger bislang nicht herbeigeführt; damit lehne der Kläger deutsche Lebensverhältnisse ab. Die vom Kläger und seiner Ehefrau gelebte eheliche Lebensgemeinschaft genieße nur einen abgeschwächten Schutz. Der Ehefrau des Klägers sei zumutbar, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei fortzuführen. Entsprechendes gelte für die gemeinsamen Kinder. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK in Einklang. Bei der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Bundesgebiet nur eingeschränkt verwurzelt sei und gleichzeitig eine Entwurzelung in der Türkei nicht bestehe. Der Kläger habe seit seiner Einreise in das Bundesgebiet vielfältige berufliche und soziale Kontakte zu türkischen bzw. kurdischen Landsleuten gepflegt, außerdem habe er noch zahlreiche in der Türkei lebende Familienangehörige. Sein Festhalten an der nach türkischer Tradition vor einem Iman geschlossenen Ehe zeige, dass er dem türkischen Brauchtum verhaftet sei. Der Kläger habe seine gesamte Kindheit und Jugend in der Türkei verbracht. Zudem hätten die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Terrorismusbekämpfung gemäß Art. 30 Abs. 1 Wiener Vertragskonvention i.V.m. Art. 103 der Charta der Vereinten Nationen Vorrang vor den Verpflichtungen der EMRK. Das dem Kläger zustehende Abschiebungsverbot stehe der Ausweisung nicht entgegen. Seit der Feststellung des Abschiebungsverbots seien etwa fünfzehn Jahre vergangen. Zwischenzeitlich hätten sich die politischen Verhältnisse in der Türkei grundlegend geändert. Es seien kontinuierliche Verbesserungen und Reformen in der Türkei im Bereich der Strafverfolgung und des Justizvollzugs zu verzeichnen. Ein Auslieferungsersuchen der Türkei oder ein Haftbefehl gegen den Kläger lägen nicht vor, so dass es an konkreten Anhaltspunkten dafür fehle, dass dieser bei einer Rückkehr an der Grenze zur Türkei verhaftet, inhaftiert und möglicherweise gefoltert würde oder generell bei einer Rückkehr in die Türkei politischer Verfolgung ausgesetzt wäre. Er habe in der PKK keine hochrangige Kader- und Funktionärsfunktion innegehabt, so dass der Kläger nicht dem Personenkreis zuzurechnen sei, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungsmaßnahmen und Folter in der Türkei zu befürchten hätte. Der Aufenthalt des Klägers sei gemäß § 54 a Abs. 2 AufenthG kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde Stuttgart beschränkt. Gemäß § 54 a Abs. 1 AufenthG unterliege der Kläger der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden.
Am 18.05.2010 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, seit dem 01.01.2010 sei er unbefristet bei einer Firma in Waiblingen beschäftigt. Aufgrund der verhängten Meldeauflage und der Aufenthaltsbeschränkung könne er dieser Beschäftigung nicht weiter nachgehen. Die Ausweisungsverfügung sei rechtsfehlerhaft. Zu keinem Zeitpunkt sei er gewalttätig in Erscheinung getreten und er habe sich in der kurdischen Szene auch nicht hervorgehoben betätigt. Auf die viele Jahre zurückliegenden Ermittlungsvorgänge könne sich der Beklagte nicht berufen, da sie weder zu einer Anklage noch zu einer Verurteilung geführt hätten. Die schon vierzehn Jahre zurückliegende Demonstration vom 12.02.1996 habe keine Anhaltspunkte für strafrechtliche Ermittlungen ergeben. Konkrete Hinweise darauf, dass er bestimmte Parolen gerufen oder eine PKK-Fahne getragen habe, gebe es nicht. An einer Veranstaltung am 29.11.2009 in Mannheim habe er nicht teilgenommen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nach Mannheim keinen Kontakt mehr gehabt, da er schon länger als ein Jahr in Stuttgart gewohnt habe. Für ihn habe nicht der geringste Anlass bestanden, für eine solche Veranstaltung nach Mannheim zu fahren, zumal eine entsprechende Veranstaltung in Stuttgart durchgeführt worden sei. Alle Sachverhalte bis zum Jahr 2006 könnten für eine Ausweisungsentscheidung nicht mehr herangezogen werden. Denn das Regierungspräsidium Karlsruhe habe aufgrund der Sicherheitsbefragung am 08.11.2006 bewusst auf eine Ausweisung verzichtet.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.05.2010 aufzuheben.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Er wiederholt im Wesentlichen den Inhalt des angefochtenen Bescheids. Ergänzend trägt er vor, das beim Kläger bestehende Abschiebungsverbot sei gemäß seiner Bedeutung in die Ermessensentscheidung einzustellen. Die im Falle einer Rückkehr in die Türkei bestehende Gefahr einer Bedrohung des Lebens und der Freiheit des Klägers wegen seiner politischen Überzeugung werde nicht verkannt. Diesen drohenden Nachteilen und Gefahren werde mit der zeitweisen Aussetzung der Abschiebung Rechnung getragen. Aus der derzeitigen Gefährdungslage folge nicht, dass die vollziehbare Ausreisepflicht auf Dauer nicht vollstreckt werden könne. Es könne davon ausgegangen werden, dass mit zunehmendem Zeitablauf die begonnenen Reformen in der Türkei Platz greifen und umgesetzt würden, so dass sich für den Kläger die dortige Gefährdungssituation abschwächen könne. Der Kläger habe schwerwiegende Ausweisungsgründe verwirklicht. Deshalb sei den ihm bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden Gefahren eine verminderte Gewichtung zuzuschreiben. Der Flüchtlingsschutz der Familienangehörigen des Klägers könne durch die Ausweisung des Klägers nicht betroffen sein, da es nicht um die Ausweisung der Familienangehörigen gehe. Auch wenn der Schutzbereich des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK in Folge des asylrechtlichen Schutzes der Familienangehörigen stärker betroffen sei, führe dieser zu berücksichtigende Ermessensbelang nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung. Da die Familienangehörigen über keinen Daueraufenthaltstitel verfügten, sei deren Vertrauen auf einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet nicht begründet. Von einer Zumutbarkeit der Fortführung der ehelichen und familiären Lebensgemeinschaft in der Türkei sei daher nach wie vor auszugehen. Bei einem Terrorismusverdacht trete der Schutz von Ehe und Familie hinter das höhere öffentliche Sicherheitsinteresse zurück. Auch bei Ausländern, bei denen ein Abschiebungsverbot vorliege, sei die Ausweisung zur Erreichung eines spezialpräventiven Zwecks geeignet. Die Rechtsfolgen der Ausweisung trügen dazu bei, dass der Ausländer sich künftig ordnungsgemäß verhalte, auch wenn derzeit seine Abschiebung nicht möglich sei. Nur durch eine Meldeauflage und eine räumliche Beschränkung könnten die terrorgeneigten und staatsgefährdenden Aktivitäten des Kläger unterbunden werden. Die Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften nähmen deutlich zu. Beobachtern zufolge ähnele die derzeitige Situation derjenigen Anfang der neunziger Jahre, als der Höhepunkt an bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften erreicht worden sei.
15 
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin S vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
16 
Mit Beschluss vom 23.07.2010 - 11 K 1927/10 - hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.05.2010 wiederhergestellt.
17 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörenden Behördenakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
19 
Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 und Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 227). Durch die Zeitpunktverlagerung sind bei der Anfechtung einer Ausweisung während des gerichtlichen Verfahrens bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt neu eingetretene Tatsachen - sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Ausländers - zu berücksichtigen.
20 
Das Regierungspräsidium ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 (BGBl. I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG. Durch Streichung des Attributs „international“ im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - NVwZ 2009, 1162 unter Verweis auf BT-Drucks. 15/420 S. 70).
21 
Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Terrorismus die politisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger im Rahmen längerfristiger Strategien, um mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern (vgl. VGH München, Beschluss v. 18.07.2006 - 19 C 06.1496 - juris). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Verfolgung politischer Ziele angesehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114; Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O. und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Auch aus der Sicht der Vereinten Nationen gehören jedenfalls Angriffe auf das Leben unschuldiger Menschen (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten, die als terroristisch eingestuft werden müssen (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris - m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene kann bei der Abgrenzung einer terroristischen von einer politischen Straftat zudem auf die Definition zurückgegriffen werden, auf die sich die Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O.). Danach werden bestimmte vorsätzliche Handlungen (etwa Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person) dadurch zu „terroristischen Handlungen“, dass sie - erstens - durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und sie - zweitens - mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigter Weise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2001/931/GASP - ABl EG Nr. L 344 v. 28.12.2001 S. 93).
22 
Zwar ist die PKK in die europäische Liste der Terrororganisationen aufgenommen worden. Dieser Auflistung terroristischer Organisationen kommt indes keine Bindungswirkung zu.
23 
Der Rat der Europäischen Union erließ am 27.12.2001 in der Erwägung, dass die Europäische Gemeinschaft tätig werden müsse, um die Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen umzusetzen, die Gemeinsamen Standpunkte 2001/930/GASP über die Bekämpfung des Terrorismus (ABl. EG Nr. L 344 S. 90) und 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl EG Nr. L 344 S. 93). Der Gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP) in seiner jeweils aktualisierten Fassung, zuletzt Beschluss des Rates vom 12.07.2010 (2010/386/GASP, ABl. EU Nr. L 178 S. 28), enthält eine Auflistung terroristischer Organisationen.
24 
Die PKK ist seit dem Jahr 2002 im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aufgeführt (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2002/340/GASP des Europäischen Rates vom 17.06.2002, ABl. EG Nr. L 160 S. 32). Hieran hat der Europäische Rat trotz der Beanstandung durch den EuGH (vgl. Urt. v. 18.01.2007 - C-229/05 - PKK u. KNK/Rat der EU - Slg 2007 I - 439 -) festgehalten (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2009/1004/GASP des Europäischen Rates vom 22.12.2009, ABl. EU L 346 S. 58).
25 
Gemeinsame Standpunkte entfalten jedoch nur eine völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten, ihre Außen- und Sicherheitspolitik an dem Gemeinsamen Standpunkt auszurichten (Art. 29 Satz 2 EUV). Ein Gemeinsamer Standpunkt kann keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten (vgl. EuGH, Urt. v. 27.02.2007 - C-355/04 - Segi/Rat - Slg. 2007 I - 1662). Dem Gemeinsamen Standpunkt kommt deshalb eine rechtliche Bindungswirkung nicht zu (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
26 
Die in den Art. 2 und 3 des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP vorgesehenen Maßnahmen wurden allerdings auf der Grundlage der Art. 60, 301 und 308 EGV (nunmehr Art. 75 und 215 AEUV) durch die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) umgesetzt. Diese Verordnung wurde zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 (ABl. EU Nr. L 178 S. 1). Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 und der nachfolgenden Durchführungsverordnungen wurden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen sind (im Folgenden „EU-Terrorliste“). Zu diesen gelisteten Organisationen zählt auch die PKK.
27 
Zwar ist eine EU-Verordnung verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 aufgeführt sind, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der PKK als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung sind in dieser Verordnung indes nicht geregelt (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
28 
Ein Weiteres kommt hinzu: Die EU-Terrorliste wird von einem geheim tagenden Gremium des Ministerrats erstellt; eine unabhängige Beurteilung der Fälle auf der Grundlage gesicherter Beweise findet nicht statt (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/ recht/eurst047.html). Weiter sind die Kriterien, nach denen die Listen erstellt werden, undurchsichtig; die Einstufung hängt nicht selten von politischen, ökonomischen und militärischen Interessen ab (vgl. www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Terrorliste_der_EU). So wurden die iranischen Volksmudschaheddin im Jahre 2002 auf Druck des Iran in die EU-Terrorliste aufgenommen, um mit dem Iran lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen und das iranische Regime zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/ eurst047.html). Andererseits ist die libanesische Hisbollah in der EU-Terrorliste nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament dies wegen nachgewiesener terroristischer Aktivitäten in einer Entschließung vom 08.03.2005 gefordert hat; der EU-Rat kam dieser Forderung gleichwohl aus politischen, diplomatischen und taktischen Gründen nicht nach (vgl. www.zum-leben.de/aktuell/terrorliste.pdf.; http://de.wikipedia.org/wiki/Hisbollah; VG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2009 - 11 K 18/09). Schließlich fällt auf, dass die baskische Gruppierung ETA nicht mehr auf der aktuellen EU-Terrorliste erscheint, obwohl diese Organisation bekanntermaßen nach wie vor durch Bombenanschläge in Erscheinung tritt. Von einem transparenten Listungsverfahren kann somit keine Rede sein (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
29 
Zudem scheidet eine Bindungswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 auch im Hinblick auf Art 19 Abs. 4 GG aus. Denn ein Ausländer ist individuell nicht in der Lage, eine gerichtliche Klärung der Aufnahme einer Organisation in die EU-Verordnung herbeizuführen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris). Gegen eine Bindungs- und Tatbestandswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 spricht auch, dass es keine den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare Vorgabe gibt (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
30 
Die Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste besagt somit nur, dass die PKK nach Auffassung des Europäischen Rates auch noch gegenwärtig eine terroristische Organisation ist. Auch wenn einer solchen Feststellung nicht unerhebliches Gewicht zukommt, ist dieser Umstand gleichwohl nicht geeignet, eine eigenständige Prüfung seitens der Gerichte (und Behörden) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel entbehrlich zu machen (vgl. VGH München, Beschluss v. 08.05.2009 - 19 CS 09.268 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 -juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
31 
Eine solche eigenständige Prüfung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid vorgenommen und überzeugend dargelegt, dass die PKK bis in die Gegenwart als eine Vereinigung angesehen werden kann, die den Terrorismus unterstützt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Diese Einschätzung wird in der Rechtsprechung überwiegend geteilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114 und Beschl. v. 25.11.2008 - 10 C 46/07 - NVwZ 2009, 592; VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris - und Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
32 
Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, mit Blick auf ihre politisch-strategische Neuausrichtung nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 - 3 StR 94/04 - NJW 2005, 80; KG Berlin, Urt. v. 23.01.2008 - 2 StE 6/07- 6 - juris -; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 -1/07), ändert hieran nichts (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129 a, 129 b StGB (vgl. Discher in: GK-AufenthG II - § 54 RdNr. 462). Im Rahmen des § 54 Nr. 5 AufenthG ist zudem unerheblich, ob es sich um Terrorismus im Bundesgebiet oder im Ausland handelt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.03.2008 - 11 LB 203/06 - InfAuslR 2009, 54).
33 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Stuttgart hat der Kläger die PKK jedoch nicht unterstützt.
34 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, auswirkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
35 
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Unterstützung der PKK durch den Kläger nicht feststellbar. Der Beklagte hält dem Kläger vor, er sei schon in der Türkei seit dem Jahr 1989 für die PKK tätig gewesen; dort habe er Kurierdienste übernommen, Lebensmittel und Kleidung besorgt sowie Flugblätter verteilt. Diese Handlungen werden aber schon deshalb von § 54 Nr. 5 AufenthG nicht erfasst, da sie lange vor Inkrafttreten dieser Bestimmung getätigt wurden und dem Kläger nur solche Verhaltensweisen vorgeworfen werden können, auf die er sich im Hinblick auf die bestehende Rechtslage einstellen kann.
36 
Soweit der Beklagte dem Kläger Aktivitäten für die PKK im Bundesgebiet vorhält, sind diese entweder nicht erwiesen oder aber nicht als schädliche Unterstützungshandlungen zu bewerten. Im Einzelnen:
37 
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger am 12.02.1996 anlässlich einer Großdemonstration in Stuttgart Parolen wie „es lebe die PKK“ und „Deutsche Polizisten schützen Mörder und Faschisten“ skandiert und eine Fahne der PKK geschwenkt hat. Ein diesbezügliches Verhalten hat der Kläger beim durchgeführten Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vehement abgestritten. Der materiell beweispflichtige Beklagte hat für die Richtigkeit seines Vorbringens keinerlei Beweis angetreten. Im Übrigen wurde das diesbezügliche Ermittlungsverfahren eingestellt. Zwar greift bei einem strafrechtlichen Verhalten, das nicht zu einer Verurteilung des Ausländers geführt hat, das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG nicht ein; auch eine analoge Anwendung des Verwertungsverbots scheidet aus. Gleichwohl ist eine Straftat, die nicht zu einer Verurteilung geführt hat und nicht mehr zu einer Verurteilung führen kann, unberücksichtigt zu lassen, wenn die Verfehlung länger zurückliegt und im Falle einer Verurteilung aller Voraussicht nach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.1996 - 1 C 12/95 - BVerwGE 101, 24; VGH Mannheim, Urt. v. 08.07.2009 - 13 S 358/09). Für den vom Beklagten geltend gemachten Vorfall vom 12.02.1996 kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren herangezogen werden (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 a BZRG), so dass die Verfehlung vom 12.02.1996 unabhängig vom Wahrheitsgehalt nicht mehr berücksichtigt werden darf. Entsprechendes gilt in Bezug auf das strafrechtliche Verhalten des Klägers am 19.08.1996. An diesem Tag soll der Kläger nach dem Vorbringen des Beklagten einen anderen Kurden durch Faustschläge und Fußtritte verletzt haben. Auch das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da die Täterschaft des Klägers nicht nachweisbar war.
38 
Das Gericht ist weiter nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Juli 1997 an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin zum Zwecke von deren Ausbildung im Sinne der PKK beteiligt war. Denn auch das insoweit gegen den Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Im Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Offenburg vom 15.09.1997 heißt es ausdrücklich, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Betroffene Angaben unter Druck gemacht habe. Für die substanzlose entgegengesetzte Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart fehlt jeglicher Nachweis.
39 
Der Kläger soll nach dem Vortrag des Beklagten zudem am 17.08.2003 in Heilbronn und am 19.11.2009 in Mannheim an einer Veranstaltung von Anhängern der PKK teilgenommen haben. Dies hat der Kläger indes nachhaltig bestritten. Die Erkenntnisse des Beklagten über die angebliche Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 gehen auf Wahrnehmungen einer Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zurück. Diese Gewährsperson ist als unmittelbarer Zeuge nicht erreichbar. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass auch Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als „Zeugenaussage vom Hörensagen“ in den Prozess eingeführt werden, grundsätzlich berücksichtigt werden können. Die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen unterliegt aber besonderen Anforderungen, die auf dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sie die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Die Angaben der Gewährsperson genügen danach regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte - die etwa im Blick auf Einlassungen des Betroffenen oder in Gestalt objektiver Umstände gegeben sein können - gestützt oder bestätigt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250; Beschl. v. 11.04.1991 - 2 BvR 196/91 - NJW 1992, 168; Beschl. v. 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448 und Beschl. v. 21.08.1996 - 2 BvR 1304/96 - NJW 1997, 999). Diese für den Strafprozess entwickelten Grundsätze gelten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 02.05.1984 - 10 S 1739/82 - NJW 1984, 2429; Urt. v. 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - EzAR 277 Nr. 10 und Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris -).
40 
Nach diesen Maßstäben genügen die Angaben der Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht, die angeblichen Teilnahmen des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 zu erweisen, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt werden. Der Kläger hat während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gibt es nicht.
41 
Der Kläger hat allerdings unstreitig am 15.07.2001 die „PKK-Selbsterklärung“ unterzeichnet. Es bestehen bereits Zweifel, ob die Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ objektiv eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2007 - 5 C 20/05 - BVerwGE 128, 140). Jedenfalls fehlt es insoweit an dem erforderlichen subjektiven Moment. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ tatsächlich die PKK unterstützen wollte. Der Kläger hat beim Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vorgetragen, ein Freund habe ihm gesagt, es gehe um die kurdische Sache, er unterschreibe nicht für die PKK. Da der Kläger Analphabet ist und die deutsche Sprache - wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat - nur bruchstückhaft versteht, ist nicht anzunehmen, dass der Kläger den umfangreichen und schwierigen, teilweise hochintellektuellen deutschen Text verstanden und ihn vor seiner Unterschriftsleistung nachvollzogen hat. Vielmehr ist glaubhaft, dass der Kläger - wie von ihm geltend gemacht - dem durch Landsleute vermittelten friedlichen Inhalt aufgesessen ist. Allein aus der Existenz der klägerischen Unterschrift unter der „PKK-Selbsterklärung“ kann daher nicht der Schluss gezogen werden, der der deutschen Schriftsprache nicht mächtige Kläger habe unabhängig von den mündlichen Erläuterungen des ihn bedrängenden Freundes die Zusammenhänge und die Bedeutung einer vom ihm zu erbringenden Unterstützungshandlung zutreffend einordnen können oder dies jedenfalls müssen.
42 
Schließlich hat der Kläger unstreitig am 11.02.2006 an einer Demonstration mit Kundgebung anlässlich des siebten Jahrestages der Verhaftung Öcalans in Straßburg teilgenommen. Diese Demonstrationsteilnahme stellt aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG dar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass er an der Demonstration in Straßburg lediglich zur Unterstützung der kurdischen Belange, nicht aber wegen der PKK teilgenommen habe. Das bloße Werben um Verständnis für die von politisch Gleichgesinnten im Heimatland verfolgten Ziele oder vergleichbare, auf die Beeinflussung des „Meinungsklimas“ gerichtete Verhaltensweisen können nicht als Unterstützungshandlungen gewertet werden (vgl. VGH München, Urt. v. 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris -). Zudem fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114). Der Kläger ist allein durch die Teilnahme an der Demonstration am 11.02.2006 auch nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten; eine solche innere Nähe läge nur dann vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies ist aber, wie dargelegt, hier nicht der Fall. Liegen somit - wie vorliegend - lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützen oder selbst terroristisch handeln, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Vereinigung selbst zum Ausdruck bringt, fehlt es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG (vgl. VGH München, Urt. v. 25.03.2010 - 10 BV 09.178 - juris -).
43 
Selbst wenn dem Kläger aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Zwar hat die in der mündlichen Verhandlung vom Gericht vernommene Zeugin S vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg eine gegenwärtige Gefährlichkeit beim Kläger bejaht, da er sich von seinen bisherigen Tätigkeiten nicht distanziert habe. Diese Einschätzung hält das Gericht jedoch für verfehlt. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit kommt der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere der Einbindung und Vernetzung des Ausländers in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristisch handelt. Dass beim Kläger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK besteht, ist den vom Beklagten dem Kläger vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keinerlei verantwortliche Tätigkeiten im Umfeld der PKK übernommen. Bei dieser Sachlage kann von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht ausgegangen werden.
44 
Entgegen der Ansicht des Beklagten erfüllt der Kläger auch nicht den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.
45 
Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst entsprechend der Legaldefinition des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB die innere und äußere Sicherheit des Staates. Die hier allein betroffene innere Sicherheit beinhaltet Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach innen und nach außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen und gefährdet damit seine Sicherheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
46 
Für die Feststellung einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland reicht aber die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden kann oder verboten ist, nicht aus; vielmehr muss sich bei einer Betätigung für einen Verein der vereinsrechtliche Verbotsgrund nach polizeirechtlichen Grundsätzen in der Person des Ausländers konkretisiert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände nicht aus. Derartige Umstände können sich im Einzelfall etwa aus der Art und der Gefährlichkeit der verbotenen Vereinigung ergeben, etwa im Fall eines besonders hartnäckigen Zuwiderhandelns gegen die Verbotsverfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 727).
47 
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Kläger persönlich nicht als Gefahr für die Sicherheit des Staates anzusehen. Er hat weder an terroristischen Bestrebungen teilgenommen (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.) noch hat er strukturell wesentliche Funktionen innerhalb der PKK übernommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Die dem Kläger im angefochtenen Bescheid vorgehaltenen Unterstützungshandlungen bewegen sich auf niedrigstem Niveau. Diese in der Vergangenheit liegenden Aktivitäten geben nichts her für die Annahme, der Kläger werde Ziele verfolgen, die die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit des Staates gefährden.
48 
Der Beklagte geht auch zu Unrecht davon aus, dass im Falle des Klägers der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt dient, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtigt sind.
49 
Ob eine Angabe falsch oder unvollständig ist, richtet sich nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers, so dass bloß objektiv falsche Angaben nicht tatbestandsmäßig sind (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -). Denn die Annahme eines die Ausweisung rechtfertigenden spezial- oder generalpräventiven Ausweisungsinteresses setzt voraus, dass der Ausländer selbst vollständig Kenntnis von dem wahren Sachverhalt hat und diesen Sachverhalt bewusst falsch oder unvollständig wiedergibt. Nur bewusst falsche oder unvollständige Angaben zu sicherheitsrelevanten Sachverhalten können den Verdacht begründen, der Ausländer wolle aus unlauteren, sicherheitsrelevanten Motiven heraus etwas verbergen. Von Bedeutung ist der Verständnishorizont des Ausländers auch insoweit, als bestimmte Begriffe mehreren Interpretationen zugänglich sind, so dass die Frage vom Ausländer anders verstanden werden kann als vom Befrager gemeint und umgekehrt (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -; Discher in: GK-AufenthG, § 54 Rdnr. 742).
50 
Hiervon ausgehend vermag die Feststellung des Regierungspräsidiums Stuttgart im angefochtenen Bescheid, der Kläger habe anlässlich der Sicherheitsbefragung am 18.05.2006 und dem Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 wahrheitswidrige Angaben gemacht, nicht zu tragen. Der Kläger hat die Fragen zur Mitgliedschaft in der PKK, zur Unterstützung der PKK, zum Kontakt zur PKK sowie zum Kontakt zu einer Person, die der PKK nahestand, jeweils mit „nein“ beantwortet. Diese Antworten können entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als falsch i.S.d. § 54 Nr. 6 AufenthG gewertet werden. Es ist gerichtsbekannt, dass nur Funktionäre und die kämpfenden Einheiten als „Mitglieder“ der PKK gelten. Anhänger und Sympathisanten sind demnach keine „Mitglieder“. Nach den dem Kläger vorgehaltenen Tätigkeiten kann es sich bei ihm allenfalls um einen Sympathisanten handeln. Auch die Antwort des Klägers zur Unterstützung der PKK ist nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des Klägers nicht falsch. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, eine Unterstützungshandlung im Hinblick auf die PKK liege aus seiner Sicht nur vor, wenn er diese Organisation finanziell unterstütze. Dass der Kläger die PKK mit Geldspenden unterstützt hat, wird vom Beklagten indes nicht geltend gemacht. Im Hinblick auf Kontakte zur PKK und zu einer ihr nahestehenden Person liegen ebenso wenig falsche oder unvollständige Angaben des Klägers vor. Für den Kläger ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ein „Kontakt“ dann gegeben, wenn der Kontaktierte ein Freund von ihm sei. Nach diesem maßgeblichen Verständnis ist aber nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen des Beklagten nicht erkennbar, dass der Kläger einen „Kontakt“ zur PKK hatte. Soweit das VG Karlsruhe (Urt. v. 29.04.2008 - 11 K 3727/07) und der VGH Mannheim (Beschl. v. 04.09.2008 - 11 S 1656/08) in einem vorhergehenden Aufenthaltserlaubnisverfahren das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 6 AufenthG bejaht haben, wurde übersehen, dass für die Bewertung einer Angabe als falsch oder unvollständig der Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers maßgebend ist. Ein Weiteres kommt hinzu: Eine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen, gibt es nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -). War aber die Teilnahme an dem Sicherheitsgespräch freiwillig, so setzt eine Ausweisung nach § 54 Nr. 6 AufenthG - über den Wortlaut der Norm hinaus - auch voraus, dass der Ausländer vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen wurde. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
51 
Selbst wenn aber die Regelausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5, Nr. 5 a und Nr. 6 AufenthG insgesamt oder teilweise vorliegen würden, müsste der angefochtene Bescheid aufgrund von sonstigen Rechtsfehlern aufgehoben werden. Da der Kläger sich auf den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG berufen kann, darf die Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Gleichzeitig ist die Regelausweisung zu einer Ermessensausweisung herabgestuft (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Zwar hat das Regierungspräsidium Stuttgart eine Ermessensentscheidung getroffen; die hierbei angestellten Erwägungen sind indes fehlerhaft, da der Beklagte von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.
52 
Das Regierungspräsidium Stuttgart hat seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass beim Kläger eine nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter besteht; beim Kläger sei eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft zu Tage getreten. Diese Annahme entbehrt indes jeglicher Grundlage. Aus der Akte und dem Vorbringen des Beklagten ist auch nicht in Ansätzen zu entnehmen, dass sich der Kläger in der Vergangenheit durch Gewalttaten hervorgetan hat. Der Vorfall vom 19.08.1996, der Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens war und das von der Staatsanwaltschaft Offenburg eingestellt wurde, konnte dem Kläger gerade nicht zugeordnet werden.
53 
Bei seiner Ermessensentscheidung ist der Beklagte weiter davon ausgegangen, dass es der Ehefrau des Klägers zumutbar sei, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei fortzuführen. Mit dieser Annahme hat das Regierungspräsidium Stuttgart indes verkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Ehefrau des Klägers und seinen Kindern den Flüchtlingsstatus (§ 60 Abs. 1 AufenthG) zuerkannt hat. Droht aber einem Familienmitglied im Herkunftsland flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, so ist diesem ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar; infolgedessen kann die familiäre Lebensgemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81; BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 3/08 - NVwZ 2009, 1239).
54 
Schließlich ist das Regierungspräsidium bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine Gefährdung des Klägers nicht mehr bestehe. Damit setzt sich der Beklagte in rechtswidriger Weise über die Bindungswirkung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.12.1995, wonach beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf die Türkei vorliegen, hinweg (§ 4 AsylVfG).
55 
Die Ausweisung kann danach keinen Bestand haben; sie ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
56 
Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ausweisung greifen auch die auf der Grundlage von § 54 a AufenthG angeordneten Maßnahmen ins Leere.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
18 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
19 
Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 und Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 227). Durch die Zeitpunktverlagerung sind bei der Anfechtung einer Ausweisung während des gerichtlichen Verfahrens bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt neu eingetretene Tatsachen - sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Ausländers - zu berücksichtigen.
20 
Das Regierungspräsidium ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 (BGBl. I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG. Durch Streichung des Attributs „international“ im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - NVwZ 2009, 1162 unter Verweis auf BT-Drucks. 15/420 S. 70).
21 
Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Terrorismus die politisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger im Rahmen längerfristiger Strategien, um mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern (vgl. VGH München, Beschluss v. 18.07.2006 - 19 C 06.1496 - juris). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Verfolgung politischer Ziele angesehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114; Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O. und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Auch aus der Sicht der Vereinten Nationen gehören jedenfalls Angriffe auf das Leben unschuldiger Menschen (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten, die als terroristisch eingestuft werden müssen (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris - m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene kann bei der Abgrenzung einer terroristischen von einer politischen Straftat zudem auf die Definition zurückgegriffen werden, auf die sich die Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O.). Danach werden bestimmte vorsätzliche Handlungen (etwa Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person) dadurch zu „terroristischen Handlungen“, dass sie - erstens - durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und sie - zweitens - mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigter Weise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2001/931/GASP - ABl EG Nr. L 344 v. 28.12.2001 S. 93).
22 
Zwar ist die PKK in die europäische Liste der Terrororganisationen aufgenommen worden. Dieser Auflistung terroristischer Organisationen kommt indes keine Bindungswirkung zu.
23 
Der Rat der Europäischen Union erließ am 27.12.2001 in der Erwägung, dass die Europäische Gemeinschaft tätig werden müsse, um die Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen umzusetzen, die Gemeinsamen Standpunkte 2001/930/GASP über die Bekämpfung des Terrorismus (ABl. EG Nr. L 344 S. 90) und 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl EG Nr. L 344 S. 93). Der Gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP) in seiner jeweils aktualisierten Fassung, zuletzt Beschluss des Rates vom 12.07.2010 (2010/386/GASP, ABl. EU Nr. L 178 S. 28), enthält eine Auflistung terroristischer Organisationen.
24 
Die PKK ist seit dem Jahr 2002 im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aufgeführt (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2002/340/GASP des Europäischen Rates vom 17.06.2002, ABl. EG Nr. L 160 S. 32). Hieran hat der Europäische Rat trotz der Beanstandung durch den EuGH (vgl. Urt. v. 18.01.2007 - C-229/05 - PKK u. KNK/Rat der EU - Slg 2007 I - 439 -) festgehalten (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2009/1004/GASP des Europäischen Rates vom 22.12.2009, ABl. EU L 346 S. 58).
25 
Gemeinsame Standpunkte entfalten jedoch nur eine völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten, ihre Außen- und Sicherheitspolitik an dem Gemeinsamen Standpunkt auszurichten (Art. 29 Satz 2 EUV). Ein Gemeinsamer Standpunkt kann keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten (vgl. EuGH, Urt. v. 27.02.2007 - C-355/04 - Segi/Rat - Slg. 2007 I - 1662). Dem Gemeinsamen Standpunkt kommt deshalb eine rechtliche Bindungswirkung nicht zu (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
26 
Die in den Art. 2 und 3 des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP vorgesehenen Maßnahmen wurden allerdings auf der Grundlage der Art. 60, 301 und 308 EGV (nunmehr Art. 75 und 215 AEUV) durch die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) umgesetzt. Diese Verordnung wurde zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 (ABl. EU Nr. L 178 S. 1). Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 und der nachfolgenden Durchführungsverordnungen wurden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen sind (im Folgenden „EU-Terrorliste“). Zu diesen gelisteten Organisationen zählt auch die PKK.
27 
Zwar ist eine EU-Verordnung verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 aufgeführt sind, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der PKK als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung sind in dieser Verordnung indes nicht geregelt (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
28 
Ein Weiteres kommt hinzu: Die EU-Terrorliste wird von einem geheim tagenden Gremium des Ministerrats erstellt; eine unabhängige Beurteilung der Fälle auf der Grundlage gesicherter Beweise findet nicht statt (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/ recht/eurst047.html). Weiter sind die Kriterien, nach denen die Listen erstellt werden, undurchsichtig; die Einstufung hängt nicht selten von politischen, ökonomischen und militärischen Interessen ab (vgl. www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Terrorliste_der_EU). So wurden die iranischen Volksmudschaheddin im Jahre 2002 auf Druck des Iran in die EU-Terrorliste aufgenommen, um mit dem Iran lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen und das iranische Regime zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/ eurst047.html). Andererseits ist die libanesische Hisbollah in der EU-Terrorliste nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament dies wegen nachgewiesener terroristischer Aktivitäten in einer Entschließung vom 08.03.2005 gefordert hat; der EU-Rat kam dieser Forderung gleichwohl aus politischen, diplomatischen und taktischen Gründen nicht nach (vgl. www.zum-leben.de/aktuell/terrorliste.pdf.; http://de.wikipedia.org/wiki/Hisbollah; VG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2009 - 11 K 18/09). Schließlich fällt auf, dass die baskische Gruppierung ETA nicht mehr auf der aktuellen EU-Terrorliste erscheint, obwohl diese Organisation bekanntermaßen nach wie vor durch Bombenanschläge in Erscheinung tritt. Von einem transparenten Listungsverfahren kann somit keine Rede sein (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
29 
Zudem scheidet eine Bindungswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 auch im Hinblick auf Art 19 Abs. 4 GG aus. Denn ein Ausländer ist individuell nicht in der Lage, eine gerichtliche Klärung der Aufnahme einer Organisation in die EU-Verordnung herbeizuführen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris). Gegen eine Bindungs- und Tatbestandswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 spricht auch, dass es keine den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare Vorgabe gibt (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
30 
Die Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste besagt somit nur, dass die PKK nach Auffassung des Europäischen Rates auch noch gegenwärtig eine terroristische Organisation ist. Auch wenn einer solchen Feststellung nicht unerhebliches Gewicht zukommt, ist dieser Umstand gleichwohl nicht geeignet, eine eigenständige Prüfung seitens der Gerichte (und Behörden) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel entbehrlich zu machen (vgl. VGH München, Beschluss v. 08.05.2009 - 19 CS 09.268 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 -juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
31 
Eine solche eigenständige Prüfung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid vorgenommen und überzeugend dargelegt, dass die PKK bis in die Gegenwart als eine Vereinigung angesehen werden kann, die den Terrorismus unterstützt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Diese Einschätzung wird in der Rechtsprechung überwiegend geteilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114 und Beschl. v. 25.11.2008 - 10 C 46/07 - NVwZ 2009, 592; VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris - und Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
32 
Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, mit Blick auf ihre politisch-strategische Neuausrichtung nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 - 3 StR 94/04 - NJW 2005, 80; KG Berlin, Urt. v. 23.01.2008 - 2 StE 6/07- 6 - juris -; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 -1/07), ändert hieran nichts (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129 a, 129 b StGB (vgl. Discher in: GK-AufenthG II - § 54 RdNr. 462). Im Rahmen des § 54 Nr. 5 AufenthG ist zudem unerheblich, ob es sich um Terrorismus im Bundesgebiet oder im Ausland handelt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.03.2008 - 11 LB 203/06 - InfAuslR 2009, 54).
33 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Stuttgart hat der Kläger die PKK jedoch nicht unterstützt.
34 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, auswirkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
35 
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Unterstützung der PKK durch den Kläger nicht feststellbar. Der Beklagte hält dem Kläger vor, er sei schon in der Türkei seit dem Jahr 1989 für die PKK tätig gewesen; dort habe er Kurierdienste übernommen, Lebensmittel und Kleidung besorgt sowie Flugblätter verteilt. Diese Handlungen werden aber schon deshalb von § 54 Nr. 5 AufenthG nicht erfasst, da sie lange vor Inkrafttreten dieser Bestimmung getätigt wurden und dem Kläger nur solche Verhaltensweisen vorgeworfen werden können, auf die er sich im Hinblick auf die bestehende Rechtslage einstellen kann.
36 
Soweit der Beklagte dem Kläger Aktivitäten für die PKK im Bundesgebiet vorhält, sind diese entweder nicht erwiesen oder aber nicht als schädliche Unterstützungshandlungen zu bewerten. Im Einzelnen:
37 
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger am 12.02.1996 anlässlich einer Großdemonstration in Stuttgart Parolen wie „es lebe die PKK“ und „Deutsche Polizisten schützen Mörder und Faschisten“ skandiert und eine Fahne der PKK geschwenkt hat. Ein diesbezügliches Verhalten hat der Kläger beim durchgeführten Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vehement abgestritten. Der materiell beweispflichtige Beklagte hat für die Richtigkeit seines Vorbringens keinerlei Beweis angetreten. Im Übrigen wurde das diesbezügliche Ermittlungsverfahren eingestellt. Zwar greift bei einem strafrechtlichen Verhalten, das nicht zu einer Verurteilung des Ausländers geführt hat, das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG nicht ein; auch eine analoge Anwendung des Verwertungsverbots scheidet aus. Gleichwohl ist eine Straftat, die nicht zu einer Verurteilung geführt hat und nicht mehr zu einer Verurteilung führen kann, unberücksichtigt zu lassen, wenn die Verfehlung länger zurückliegt und im Falle einer Verurteilung aller Voraussicht nach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.1996 - 1 C 12/95 - BVerwGE 101, 24; VGH Mannheim, Urt. v. 08.07.2009 - 13 S 358/09). Für den vom Beklagten geltend gemachten Vorfall vom 12.02.1996 kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren herangezogen werden (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 a BZRG), so dass die Verfehlung vom 12.02.1996 unabhängig vom Wahrheitsgehalt nicht mehr berücksichtigt werden darf. Entsprechendes gilt in Bezug auf das strafrechtliche Verhalten des Klägers am 19.08.1996. An diesem Tag soll der Kläger nach dem Vorbringen des Beklagten einen anderen Kurden durch Faustschläge und Fußtritte verletzt haben. Auch das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da die Täterschaft des Klägers nicht nachweisbar war.
38 
Das Gericht ist weiter nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Juli 1997 an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin zum Zwecke von deren Ausbildung im Sinne der PKK beteiligt war. Denn auch das insoweit gegen den Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Im Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Offenburg vom 15.09.1997 heißt es ausdrücklich, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Betroffene Angaben unter Druck gemacht habe. Für die substanzlose entgegengesetzte Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart fehlt jeglicher Nachweis.
39 
Der Kläger soll nach dem Vortrag des Beklagten zudem am 17.08.2003 in Heilbronn und am 19.11.2009 in Mannheim an einer Veranstaltung von Anhängern der PKK teilgenommen haben. Dies hat der Kläger indes nachhaltig bestritten. Die Erkenntnisse des Beklagten über die angebliche Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 gehen auf Wahrnehmungen einer Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zurück. Diese Gewährsperson ist als unmittelbarer Zeuge nicht erreichbar. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass auch Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als „Zeugenaussage vom Hörensagen“ in den Prozess eingeführt werden, grundsätzlich berücksichtigt werden können. Die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen unterliegt aber besonderen Anforderungen, die auf dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sie die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Die Angaben der Gewährsperson genügen danach regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte - die etwa im Blick auf Einlassungen des Betroffenen oder in Gestalt objektiver Umstände gegeben sein können - gestützt oder bestätigt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250; Beschl. v. 11.04.1991 - 2 BvR 196/91 - NJW 1992, 168; Beschl. v. 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448 und Beschl. v. 21.08.1996 - 2 BvR 1304/96 - NJW 1997, 999). Diese für den Strafprozess entwickelten Grundsätze gelten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 02.05.1984 - 10 S 1739/82 - NJW 1984, 2429; Urt. v. 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - EzAR 277 Nr. 10 und Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris -).
40 
Nach diesen Maßstäben genügen die Angaben der Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht, die angeblichen Teilnahmen des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 zu erweisen, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt werden. Der Kläger hat während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gibt es nicht.
41 
Der Kläger hat allerdings unstreitig am 15.07.2001 die „PKK-Selbsterklärung“ unterzeichnet. Es bestehen bereits Zweifel, ob die Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ objektiv eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2007 - 5 C 20/05 - BVerwGE 128, 140). Jedenfalls fehlt es insoweit an dem erforderlichen subjektiven Moment. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ tatsächlich die PKK unterstützen wollte. Der Kläger hat beim Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vorgetragen, ein Freund habe ihm gesagt, es gehe um die kurdische Sache, er unterschreibe nicht für die PKK. Da der Kläger Analphabet ist und die deutsche Sprache - wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat - nur bruchstückhaft versteht, ist nicht anzunehmen, dass der Kläger den umfangreichen und schwierigen, teilweise hochintellektuellen deutschen Text verstanden und ihn vor seiner Unterschriftsleistung nachvollzogen hat. Vielmehr ist glaubhaft, dass der Kläger - wie von ihm geltend gemacht - dem durch Landsleute vermittelten friedlichen Inhalt aufgesessen ist. Allein aus der Existenz der klägerischen Unterschrift unter der „PKK-Selbsterklärung“ kann daher nicht der Schluss gezogen werden, der der deutschen Schriftsprache nicht mächtige Kläger habe unabhängig von den mündlichen Erläuterungen des ihn bedrängenden Freundes die Zusammenhänge und die Bedeutung einer vom ihm zu erbringenden Unterstützungshandlung zutreffend einordnen können oder dies jedenfalls müssen.
42 
Schließlich hat der Kläger unstreitig am 11.02.2006 an einer Demonstration mit Kundgebung anlässlich des siebten Jahrestages der Verhaftung Öcalans in Straßburg teilgenommen. Diese Demonstrationsteilnahme stellt aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG dar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass er an der Demonstration in Straßburg lediglich zur Unterstützung der kurdischen Belange, nicht aber wegen der PKK teilgenommen habe. Das bloße Werben um Verständnis für die von politisch Gleichgesinnten im Heimatland verfolgten Ziele oder vergleichbare, auf die Beeinflussung des „Meinungsklimas“ gerichtete Verhaltensweisen können nicht als Unterstützungshandlungen gewertet werden (vgl. VGH München, Urt. v. 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris -). Zudem fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114). Der Kläger ist allein durch die Teilnahme an der Demonstration am 11.02.2006 auch nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten; eine solche innere Nähe läge nur dann vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies ist aber, wie dargelegt, hier nicht der Fall. Liegen somit - wie vorliegend - lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützen oder selbst terroristisch handeln, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Vereinigung selbst zum Ausdruck bringt, fehlt es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG (vgl. VGH München, Urt. v. 25.03.2010 - 10 BV 09.178 - juris -).
43 
Selbst wenn dem Kläger aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Zwar hat die in der mündlichen Verhandlung vom Gericht vernommene Zeugin S vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg eine gegenwärtige Gefährlichkeit beim Kläger bejaht, da er sich von seinen bisherigen Tätigkeiten nicht distanziert habe. Diese Einschätzung hält das Gericht jedoch für verfehlt. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit kommt der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere der Einbindung und Vernetzung des Ausländers in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristisch handelt. Dass beim Kläger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK besteht, ist den vom Beklagten dem Kläger vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keinerlei verantwortliche Tätigkeiten im Umfeld der PKK übernommen. Bei dieser Sachlage kann von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht ausgegangen werden.
44 
Entgegen der Ansicht des Beklagten erfüllt der Kläger auch nicht den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.
45 
Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst entsprechend der Legaldefinition des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB die innere und äußere Sicherheit des Staates. Die hier allein betroffene innere Sicherheit beinhaltet Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach innen und nach außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen und gefährdet damit seine Sicherheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
46 
Für die Feststellung einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland reicht aber die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden kann oder verboten ist, nicht aus; vielmehr muss sich bei einer Betätigung für einen Verein der vereinsrechtliche Verbotsgrund nach polizeirechtlichen Grundsätzen in der Person des Ausländers konkretisiert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände nicht aus. Derartige Umstände können sich im Einzelfall etwa aus der Art und der Gefährlichkeit der verbotenen Vereinigung ergeben, etwa im Fall eines besonders hartnäckigen Zuwiderhandelns gegen die Verbotsverfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 727).
47 
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Kläger persönlich nicht als Gefahr für die Sicherheit des Staates anzusehen. Er hat weder an terroristischen Bestrebungen teilgenommen (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.) noch hat er strukturell wesentliche Funktionen innerhalb der PKK übernommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Die dem Kläger im angefochtenen Bescheid vorgehaltenen Unterstützungshandlungen bewegen sich auf niedrigstem Niveau. Diese in der Vergangenheit liegenden Aktivitäten geben nichts her für die Annahme, der Kläger werde Ziele verfolgen, die die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit des Staates gefährden.
48 
Der Beklagte geht auch zu Unrecht davon aus, dass im Falle des Klägers der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt dient, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtigt sind.
49 
Ob eine Angabe falsch oder unvollständig ist, richtet sich nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers, so dass bloß objektiv falsche Angaben nicht tatbestandsmäßig sind (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -). Denn die Annahme eines die Ausweisung rechtfertigenden spezial- oder generalpräventiven Ausweisungsinteresses setzt voraus, dass der Ausländer selbst vollständig Kenntnis von dem wahren Sachverhalt hat und diesen Sachverhalt bewusst falsch oder unvollständig wiedergibt. Nur bewusst falsche oder unvollständige Angaben zu sicherheitsrelevanten Sachverhalten können den Verdacht begründen, der Ausländer wolle aus unlauteren, sicherheitsrelevanten Motiven heraus etwas verbergen. Von Bedeutung ist der Verständnishorizont des Ausländers auch insoweit, als bestimmte Begriffe mehreren Interpretationen zugänglich sind, so dass die Frage vom Ausländer anders verstanden werden kann als vom Befrager gemeint und umgekehrt (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -; Discher in: GK-AufenthG, § 54 Rdnr. 742).
50 
Hiervon ausgehend vermag die Feststellung des Regierungspräsidiums Stuttgart im angefochtenen Bescheid, der Kläger habe anlässlich der Sicherheitsbefragung am 18.05.2006 und dem Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 wahrheitswidrige Angaben gemacht, nicht zu tragen. Der Kläger hat die Fragen zur Mitgliedschaft in der PKK, zur Unterstützung der PKK, zum Kontakt zur PKK sowie zum Kontakt zu einer Person, die der PKK nahestand, jeweils mit „nein“ beantwortet. Diese Antworten können entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als falsch i.S.d. § 54 Nr. 6 AufenthG gewertet werden. Es ist gerichtsbekannt, dass nur Funktionäre und die kämpfenden Einheiten als „Mitglieder“ der PKK gelten. Anhänger und Sympathisanten sind demnach keine „Mitglieder“. Nach den dem Kläger vorgehaltenen Tätigkeiten kann es sich bei ihm allenfalls um einen Sympathisanten handeln. Auch die Antwort des Klägers zur Unterstützung der PKK ist nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des Klägers nicht falsch. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, eine Unterstützungshandlung im Hinblick auf die PKK liege aus seiner Sicht nur vor, wenn er diese Organisation finanziell unterstütze. Dass der Kläger die PKK mit Geldspenden unterstützt hat, wird vom Beklagten indes nicht geltend gemacht. Im Hinblick auf Kontakte zur PKK und zu einer ihr nahestehenden Person liegen ebenso wenig falsche oder unvollständige Angaben des Klägers vor. Für den Kläger ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ein „Kontakt“ dann gegeben, wenn der Kontaktierte ein Freund von ihm sei. Nach diesem maßgeblichen Verständnis ist aber nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen des Beklagten nicht erkennbar, dass der Kläger einen „Kontakt“ zur PKK hatte. Soweit das VG Karlsruhe (Urt. v. 29.04.2008 - 11 K 3727/07) und der VGH Mannheim (Beschl. v. 04.09.2008 - 11 S 1656/08) in einem vorhergehenden Aufenthaltserlaubnisverfahren das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 6 AufenthG bejaht haben, wurde übersehen, dass für die Bewertung einer Angabe als falsch oder unvollständig der Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers maßgebend ist. Ein Weiteres kommt hinzu: Eine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen, gibt es nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -). War aber die Teilnahme an dem Sicherheitsgespräch freiwillig, so setzt eine Ausweisung nach § 54 Nr. 6 AufenthG - über den Wortlaut der Norm hinaus - auch voraus, dass der Ausländer vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen wurde. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
51 
Selbst wenn aber die Regelausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5, Nr. 5 a und Nr. 6 AufenthG insgesamt oder teilweise vorliegen würden, müsste der angefochtene Bescheid aufgrund von sonstigen Rechtsfehlern aufgehoben werden. Da der Kläger sich auf den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG berufen kann, darf die Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Gleichzeitig ist die Regelausweisung zu einer Ermessensausweisung herabgestuft (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Zwar hat das Regierungspräsidium Stuttgart eine Ermessensentscheidung getroffen; die hierbei angestellten Erwägungen sind indes fehlerhaft, da der Beklagte von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.
52 
Das Regierungspräsidium Stuttgart hat seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass beim Kläger eine nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter besteht; beim Kläger sei eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft zu Tage getreten. Diese Annahme entbehrt indes jeglicher Grundlage. Aus der Akte und dem Vorbringen des Beklagten ist auch nicht in Ansätzen zu entnehmen, dass sich der Kläger in der Vergangenheit durch Gewalttaten hervorgetan hat. Der Vorfall vom 19.08.1996, der Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens war und das von der Staatsanwaltschaft Offenburg eingestellt wurde, konnte dem Kläger gerade nicht zugeordnet werden.
53 
Bei seiner Ermessensentscheidung ist der Beklagte weiter davon ausgegangen, dass es der Ehefrau des Klägers zumutbar sei, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei fortzuführen. Mit dieser Annahme hat das Regierungspräsidium Stuttgart indes verkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Ehefrau des Klägers und seinen Kindern den Flüchtlingsstatus (§ 60 Abs. 1 AufenthG) zuerkannt hat. Droht aber einem Familienmitglied im Herkunftsland flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, so ist diesem ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar; infolgedessen kann die familiäre Lebensgemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81; BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 3/08 - NVwZ 2009, 1239).
54 
Schließlich ist das Regierungspräsidium bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine Gefährdung des Klägers nicht mehr bestehe. Damit setzt sich der Beklagte in rechtswidriger Weise über die Bindungswirkung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.12.1995, wonach beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf die Türkei vorliegen, hinweg (§ 4 AsylVfG).
55 
Die Ausweisung kann danach keinen Bestand haben; sie ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
56 
Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ausweisung greifen auch die auf der Grundlage von § 54 a AufenthG angeordneten Maßnahmen ins Leere.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
10 
Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
11 
Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
12 
Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
13 
Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
14 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
15 
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
16 
Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
17 
Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
18 
Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
19 
Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
20 
- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
21 
Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
22 
Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
23 
Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 497/10
vom
3. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Bedarf es der Darlegung der Konnexität, so hat der Antragsteller
die Tatsachen, die diese begründen sollen, bestimmt
zu behaupten.
BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10 - LG
Mosbach
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 27. Mai 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 2. September 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der ergänzenden Erörterung bedarf allein die neben der ausgeführten Sachrüge erhobene Verfahrensrüge , das Landgericht habe § 244 Abs. 3 StPO verletzt.
2
1. Dieses hat aufgrund der eintägigen Hauptverhandlung festgestellt, der inhaftierte Angeklagte habe den Mitinsassen S. durch mehrere Schläge gegen die Brust und durch die Drohung, ihm anderenfalls mit einer Billardkugel auf den Kopf zu schlagen, dazu gebracht, ihm einen Teil der von diesem gekauften Lebensmittel auszuhändigen, ohne dass der Angeklagte hierauf einen Anspruch gehabt hätte. Seine diesbezügliche Überzeugung hat es insbesondere auf die Angaben des als Zeugen gehörten S. sowie auf den Inhalt eines von diesem an seine Eltern gerichteten, im Rahmen der Postkontrolle sichergestellten Briefes gestützt, in dem er die Tat schildert.
3
2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Im Rahmen seines Plädoyers stellte der Verteidiger „für den Fall, dass das Gericht den Angeklagten wegen … schwerer räuberischer Erpressung verurteilen möchte“, den Antrag, S. s Mutter als Zeugin zu hören zum Beweis der Tatsache, dass dieser ihr gegenüber „nach Abfassen des Briefes geschildert hat, dass er dem Angeklagten die Sachen freiwillig gegeben hat als Gegenleistung für Tabak und von anderen ´abgezockt` wurde“. In der Antragsbegründung heißt es, es sei „davon auszugehen, dass der Zeuge“ S. „von seiner Mutter bei dem nächsten Besuch nach dem Brief auf die Vorgänge angesprochen wurde und diese wie“ - nach den Feststellungen des Landgerichts zunächst durch den Angeklagten eingeschüchtert - „in der Hauptverhandlung geschildert“, d.h. sinngemäß angegeben hat, er hätte dem Angeklagten die Lebensmittel auch ohne Auseinandersetzung, also freiwillig gegeben. Die dem Verteidiger seitens der Strafkammer daraufhin gestellte Frage, ob ihm „nähere Informationen vorliegen, dass ein derartiges Gespräch zwischen dem Geschädigten und seiner Mutter stattgefunden hat“, wurde von diesem verneint. Diesbezüglich wurde - von der Revision nicht vorgetragen - im Hauptverhandlungsprotokoll folgendes protokolliert : „Auf Frage erklärte der Verteidiger, er wisse nicht, ob und was der Zeuge S. mit seiner Mutter gesprochen habe. Sein Hilfsbeweisantrag beruhe insoweit allein auf einer Vermutung“. Das Landgericht hat in seinem Urteil ausgeführt , „die Beweistatsache“ sei „demnach aufs Geratewohl behauptet, so dass nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt, dem nachzukommen die Aufklärungspflicht nicht geboten hat“.
4
3. Der Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt.
5
a) Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Denn nach dieser Bestimmung sind die Verfahrenstatsachen so vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber - unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit - endgültig zu entscheiden (BGH, Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399 mwN). Hierzu hätte vorliegend die - wie dargelegt unterbliebene - Mitteilung gehört, dass das zwischen der Strafkammer und dem Verteidiger geführte Gespräch über dessen mögliche Erkenntnisse hinsichtlich der behaupteten Angaben des Zeugen S. seiner Mutter gegenüber einen - wie sich dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmen lässt - weitergehenden Inhalt gehabt hat, als ihn die Revision vorgetragen hat. Dieser lässt sich auch den ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründen nicht vollständig entnehmen. Die Frage der Zulässigkeit kann jedoch offen bleiben, da die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet ist.
6
b) Denn die Verfahrensweise des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand, weil es den Antrag im Ergebnis zutreffend nicht als Beweisantrag angesehen hat. Der Senat lässt allerdings offen, ob das Landgericht den Antrag zu Recht als „aufs Geratewohl“ gestellt bewertet hat (aa). Denn jedenfalls handelte es sich deshalb lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, weil die für einen Beweisantrag notwendige Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht hinreichend bestimmt behauptet worden ist (bb).
7
aa) Allerdings muss einem Beweisbegehren nach bisheriger Rechtsprechung nicht (oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht) nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl, d.h. „ins Blaue hinein“ aufgestellt wird, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob es sich um einen solchen handelt, ist aus der Sicht eines "verständigen" Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beurteilen (zusammenfassend BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474 mwN; s. auch BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 - 5 StR 58/97, NJW 1997, 2762, 2764; BGH, Beschluss vom 5. März 2003 - 2 StR 405/02, NStZ 2003, 497).
8
Was den insofern geltenden Maßstab angeht, soll einerseits von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung nicht schon dann gesprochen werden können, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten (BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474). Andererseits soll bei Sachverhalten, in denen keine sachlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, eine sich aufdrängende Tatsache in Frage zu stellen, auf eine strenge Einhaltung der Anforderungen an einen Beweisantrag zum Zweck der Abgrenzung von sog. Pseudobehauptungen oder von „ins Blaue hinein“ bzw. aufs Geratewohl angestellten Vermutungen nicht verzichtet werden können (BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684).
9
Hieran gemessen hat der Senat Zweifel, ob den von der Revision (erstmals mit ihrer Begründungsschrift) vorgebrachten, nach ihrer Auffassung für die aufgestellte Vermutung „ausreichenden Anhaltspunkte“ ein hinreichendes Gewicht zukommt, nämlich der Mitinhaftierte S. sei zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes 19 Jahre alt gewesen, aus diesem ergebe sich ein gutes Verhältnis zu der als Zeugin benannten Mutter, diese wohne ca. 180 Straßenkilometer von der Justizvollzugsanstalt entfernt und es sei schließlich die Regel, dass Gefangene von ihren Eltern besucht würden. Er braucht dies aber - wie ausgeführt - nicht zu entscheiden.
10
Ebenso braucht er sich nicht zu der vom 3. Strafsenat aufgeworfenen Frage zu äußern, ob überhaupt an der Rechtsprechung festzuhalten sei, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl aufgestellte Behauptung handelt (BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10).
11
bb) Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 StPO setzt als erstes Erfordernis die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus. Zweitens ist ein bestimmtes Beweismittel zu benennen, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann je nach der Fallgestaltung eine dritte hinzutreten, die sog. Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung. Darunter ist im Falle des Zeugenbeweises zu verstehen, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09), etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw. (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f. mwN).
12
Dieser Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel wird sich in vielen Fällen von selbst verstehen. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen - vergleichbar gerade den in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behauptung abgehandelten Fällen - zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen eines Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen lässt, weshalb der Zeuge seine Wahr- nehmung hat machen können. Verhält es sich so, bedarf es der näheren Darlegung des erforderlichen Zusammenhangs, der Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 330).
13
Ebenso wie die Beweistatsache - auch wenn sie ggf. vom Antragsteller lediglich als möglicherweise geschehen erachtet werden darf (BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, NStZ 1993, 143; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586; BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, NStZ 2006, 405) - und das Beweismittel bestimmt bezeichnet werden müssen, hat der Antragsteller auch die Tatsachen bestimmt zu behaupten , aus denen sich die Konnexität ergibt. Denn es muss dem Tatgericht plausibel gemacht werden, dass der benannte Zeuge in der Lage gewesen ist, die Beweistatsache wahrzunehmen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 287). In der Antragsbegründung ist daher insoweit ein nachvollziehbarer Grund anzugeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586), zumal dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, weshalb der Zeuge S. gegenüber seiner Mutter das Gegenteil dessen gesagt haben soll, was er zuvor in seinem ebenfalls an diese gerichteten Brief bekundet hatte (zur vergleichbaren Konstellation bei einer Aufklärungsrüge BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 StR 168/06, NStZ 2007, 165).
14
Diesem Erfordernis wird der vorliegend gestellte Antrag nicht gerecht. Denn er bezeichnet - worauf schon der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - die Wahrnehmungssituation nicht bestimmt genug. Vielmehr lässt bereits der Antrag in seiner Gesamtheit erkennen, dass ihm lediglich die Vermutung zugrunde liegt, es habe ein - im Übrigen vor allem zeitlich nicht näher spezifiziertes - Gespräch mit dem behaupteten Inhalt gegeben. Der infolge dessen seitens des Gerichts mit dem Antragsteller aus Gründen der Fairness (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 288) und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08, NStZ 2010, 155) gesuchte Dialog hat dann dementsprechend eindeutig bestätigt, der „Hilfsbeweisantrag beruhe … allein auf einer Vermutung“.
15
c) Angesichts der gesamten Sach- und Beweislage brauchte sich das Landgericht auch nicht zu der in Rede stehenden weiteren Aufklärung gemäß § 244 Abs. 2 StPO gedrängt zu sehen.
VRiBGH Nack ist wegen Wahl Graf Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Jäger Sander

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
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(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
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§ 55 Ermessensausweisung
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(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
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(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
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(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
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1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
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§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
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(1) Ein Ausländer, der
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1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
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§ 60 Verbot der Abschiebung
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
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(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
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(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
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...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
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wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
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Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
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a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
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Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
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Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
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Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
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c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
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Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
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Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
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Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
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bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
10 
Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
11 
Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
12 
Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
13 
Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
14 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
15 
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
16 
Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
17 
Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
18 
Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
19 
Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
20 
- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
21 
Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
22 
Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
23 
Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
10 
Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
11 
Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
12 
Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
13 
Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
14 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
15 
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
16 
Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
17 
Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
18 
Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
19 
Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
20 
- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
21 
Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
22 
Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
23 
Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die

1.
eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen,
1a.
ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nummern 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen,
2.
über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
a)
wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes,
b)
nach § 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder
c)
nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt,
4.
eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen,
5.
vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist,
6.
Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen,
7.
einen Folgeantrag nach § 71 des Asylgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylgesetzes stellen oder
8.
a)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die ihnen nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 erteilt wurde, oder
b)
eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 ausgestellt wurde,
und bei denen weder eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes oder nach § 16 des Asylgesetzes durchgeführt worden ist, noch deren Daten nach § 3 Absatz 1 des AZR-Gesetzes gespeichert wurden; das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(2) Die in Absatz 1 bezeichneten Ausländer sind für die Zeit, für die ihnen ein anderer Aufenthaltstitel als die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichnete Aufenthaltserlaubnis mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden ist, nicht nach diesem Gesetz leistungsberechtigt.

(3) Die Leistungsberechtigung endet mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt. Für minderjährige Kinder, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die mit ihren Eltern in einer Haushaltsgemeinschaft leben, endet die Leistungsberechtigung auch dann, wenn die Leistungsberechtigung eines Elternteils, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzt, entfallen ist.

(3a) Sofern kein Fall des Absatzes 1 Nummer 8 vorliegt, sind Leistungen nach diesem Gesetz mit Ablauf des Monats ausgeschlossen, in dem Leistungsberechtigten, die gemäß § 49 des Aufenthaltsgesetzes erkennungsdienstlich behandelt worden sind und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes beantragt haben, eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt worden ist. Der Ausschluss nach Satz 1 gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung in den Sätzen 1 und 2 gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(4) Leistungsberechtigte nach Absatz 1 Nummer 5, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von § 1a Absatz 4 Satz 1 internationaler Schutz gewährt worden ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz, wenn der internationale Schutz fortbesteht. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Wochen, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 2. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Satz 6 sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen die Leistungen nach § 1a Absatz 1 und nach § 4 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2. Sie sollen als Sachleistung erbracht werden. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 2 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von zwei Wochen hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 7 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Satz 4 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.

(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.

(3) Die zuständige Behörde stellt die Versorgung mit den Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sicher. Sie stellt auch sicher, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig eine Vervollständigung ihres Impfschutzes angeboten wird. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Absatz 2 und § 132e Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 – 6 K 2480/10 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1986 in Leonberg geborene Kläger ist lediger und kinderloser türkischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt lebte er zunächst einige Jahre bei seinen Eltern in Deutschland und wuchs dann bis zu seinem 9. Lebensjahr gemeinsam mit seinem älteren Bruder bei seiner Großmutter in der Türkei auf. In der Türkei besuchte er die 1. und 2. Klasse der Grundschule. Sein Vater, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, hielt sich auch in dieser Zeit in Deutschland rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. 1995 kehrte der Kläger dann zu seinen Eltern nach Sindelfingen zurück. Der Kläger besuchte in Deutschland zunächst eine Vorbereitungsklasse, dann die Grundschule und wechselte nach der 4. Klasse Grundschule auf das Gymnasium. Von dort musste er nach der 6. Klasse aufgrund unzureichender Leistungen auf die Realschule wechseln. Nachdem er dort die 6. Klasse wiederholt hatte, verließ er schließlich wegen Verhaltensauffälligkeiten und Fehlzeiten die Realschule ohne Abschluss. Im Jahre 2001 und nach dem Besuch verschiedener Schulen erreichte er den Hauptschulabschluss mit dem Notendurchschnitt von 2,3. Eine danach begonnene Lehre als Kfz-Mechaniker endete vorzeitig, weil ihm betriebsbedingt gekündigt worden war. Eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der Kläger nicht vorweisen, da er einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker wegen eigenen Fehlverhaltens wieder verlor. Danach hielt er sich bis 2003 immer wieder vorübergehend in der Türkei auf. Nach seiner Rückkehr trennten sich seine Eltern; er lebte in der Folgezeit bei seiner Mutter. Er ging nach seiner Rückkehr auch nur gelegentlichen unselbständigen Erwerbstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. durch Inhaftierungen unterbrochen waren. Zuletzt arbeitete er von Juni 2008 bis März 2009 bei einer Zeitarbeitsfirma, jedoch wurde das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt.
Ihm wurde am 21.05.1997 eine bis 22.02.2002 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach verlängert wurde, zuletzt gültig bis zum 28.05.2009. Einen Verlängerungsantrag stellte er nicht.
Bereits im Alter von 12 Jahren begann der Kläger mit regelmäßigem Alkoholkonsum, wenig später mit dem zusätzlichen Konsum von Haschisch und Ecstacy sowie Kokain und Heroin. In der Zeit von Oktober 2006 bis Sommer 2007 nahm er - im Zuge einer Bewährungsauflage - an Gesprächen der Drogenberatung Sindelfingen teil, räumte dort seinen Drogenkonsum aber nur teilweise ein. Nach dem Ergebnis eines vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenen forensisch-psychiatrischen Gutachtens vom 11.11.2009 ist beim Kläger zwar von einem anhaltenden, schädlichen politoxikomanen Alkohol-und Drogenmissbrauch mit im zeitlichen Verlauf wechselndem Ausmaß auszugehen, nicht hingegen von einer Suchterkrankung im engeren Sinne mit körperlicher und/oder psychischer Abhängigkeit. Im Übrigen diagnostizierte der Gutachter beim Kläger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
Am 29.09.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu zwei Freizeitarresten und zur Erbringung von Arbeitsleistungen.
Am 17.01.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 12.03.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der Verurteilung vom 17.01.2002 wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einem Jahr Jugendstrafe, die erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 31.08.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Verurteilungen wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einem Jahr und vier Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung im Berufungsverfahren (vgl. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.11.2004) zur Bewährung ausgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang war er bereits vorübergehend vom 10.10.2003 bis 21.11.2003 sowie vom 25.05.2004 bis 18.11.2004 in Untersuchungshaft genommen worden.
Am 25.10.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der drei vorgenannten Verurteilungen wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
10 
Am 22.11.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der vier vorgenannten Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Jugendstrafe von 2 Jahre und sechs Monaten. Der Rest der Strafe wurde bis zum 03.09.2009 zur Bewährung ausgesetzt.
11 
Von einer Ausweisung sahen die Ausländerbehörden zunächst ab, sprachen aber am 15.05.2002 (durch die Ausländerbehörde der Stadt Sindelfingen) sowie am 15.08.2006 (durch das Regierungspräsidium) eine ausländerrechtliche Verwarnung aus.
12 
Am 20.04.2009 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart festgenommen und verbüßte während der U-Haft auch Ersatzfreiheitsstrafen aus vorangegangenen Verurteilungen.
13 
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009, rechtskräftig seit dem 16.04.2010, wurde er wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er in den Morgenstunden des 20.04.2009 zusammen mit einem Mittäter maskiert und mit einem Messer bewaffnet eine Spielothek betreten und den dort Angestellten mit einem auf ihn gerichteten Messer bedroht und zur Freigabe des Weges zur Kassenschublade veranlasst hatte. Dabei erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 4.000,- EUR das sie allerdings auf der anschließenden Flucht größtenteils wieder verloren.
14 
Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger mit Verfügung vom 25.06.2010 aus dem Bundesgebiet aus, drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei auf seine Kosten an und wies ihn darauf hin, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass seine Abschiebung für den Zeitpunkt der Haftentlassung angekündigt werde. Die Ausweisungsverfügung wurde als Ermessensausweisung auf § 55 Abs. 1 AufenthG gestützt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bestehe, weil der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze. Seine Ausweisung setze daher außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche, hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung durch ein persönliches Verhalten voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Mit ausführlicher Begründung bejahte das Regierungspräsidium eine solche Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewaltkriminalität. Sie komme in der schweren und besonders häufigen Straffälligkeit, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der Ergebnislosigkeit der Hafterfahrung und der ausländerrechtlichen Verwarnungen zum Ausdruck und werde durch die fortbestehende Alkohol- und Drogenabhängigkeit verstärkt. Auch ein unterstellter beanstandungsfreier Haftvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu, zumal bereits eine vorherige Haftverbüßung keinerlei nachhaltige Wirkung auf sein Verhalten gehabt habe. Wegen der Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegen. Zu seinen Gunsten greife kein Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG ein, denn ein solcher gelte nur für Unionsbürger. Nationaler Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG greife nicht, weil der Kläger nicht im Besitz der dafür erforderlichen Aufenthaltserlaubnis sei. Unter Würdigung und Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe und auch im Hinblick auf den Schutz nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kam das Regierungspräsidium Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung wegen der durch den Kläger wiederholt begangenen schwerwiegenden Verstöße und der Wiederholungsgefahr verhältnismäßig sei.
15 
Der Kläger erhob am 06.07.2010 zum Verwaltungsgericht Stuttgart Klage und machte geltend: Er lebe seit 1 1/2 Jahrzehnten im Bundesgebiet. Sein Aufenthaltsrecht stütze sich auf Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Seine Ausweisung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i.V.m. Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG. Der Umstand, dass der Kläger gutachterlich als dissoziale Persönlichkeit eingeordnet worden sei, rechtfertige seine Ausweisung nicht. Die Anpassungsschwierigkeiten in der Türkei wären für ihn unlösbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ausweisung wäre eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Sicherheit des Staates. Eine solche Gefahr stelle der Kläger nicht dar. In der Sache verdeutliche auch EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - Rs C-145/09 , dass nach dem Maßstab des Art. 28 Abs. 3 lit. a) 2004/38/EG eine Ausweisung des Klägers ausscheide. Seine Straftat gefährde die Sicherheit des Staates nicht.
16 
Der Beklagte trat unter Berufung auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung der Klage entgegen.
17 
Mit Urteil vom 28.03.2011 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Das Regierungspräsidium habe die Ausweisung zutreffend auf § 55 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 und 14 ARB 1/80 gestützt und den Kläger ermessensfehlerfrei aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, denn er sei in Deutschland geboren worden und habe über fünf Jahre bei seinem Vater, der als türkischer Arbeitnehmer dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe, gelebt. Das Aufenthaltsrecht gelte unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst eine Beschäftigung ausübe oder nicht. Aufgrund dieser Rechtsstellung bestehe für den Kläger der besondere Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80, und er könne, selbst wenn er nach nationalem Recht einen Ist-Ausweisungstatbestand (§ 53 AufenthG) verwirklicht habe, nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters finde Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Unionsbürgerrichtlinie auf den Status des Klägers weder Anwendung noch sonst Berücksichtigung. Das Regierungspräsidium Stuttgart sei weiter mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Ausweisung des Klägers nicht entgegenstehe. Eine Ausweisung des Klägers komme lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut gegeben sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe diese Voraussetzungen zutreffend bejaht. Es bestehe nach der Verurteilung vom 04.12.2009 eine erhebliche Gefahr, dass der Kläger wieder ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten begehen werde. Im angefochtenen Bescheid habe das Regierungspräsidium eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen und beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter Straftaten der Beschaffungs- und Gewaltkriminalität festgestellt. Dabei habe es sich auf die Vielzahl der seit 2000 begangenen Delikte, auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit, auf seine Unbelehrbarkeit auch nach entsprechenden Verwarnungen und Inhaftierungen gestützt. Selbst die Tatsache, dass einer seiner Brüder im Jahre 2004 bereits wegen schwerer Straftaten aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden und ihm damit die ausländerrechtlichen Folgen von delinquentem Verhalten ganz konkret vor Augen geführt worden seien, habe ihn nicht von der Begehung von Straftaten abhalten können. Die angesichts des strafrechtlichen Werdegangs große Gefahr weiterer Gewaltkriminalität werde auch durch die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstruktur verstärkt. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, genieße er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG keinen besonderen Ausweisungsschutz. Das Regierungspräsidium habe das Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt. Danach seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. In seiner Entscheidung habe das Regierungspräsidium zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich seit rund 1 1/2 Jahrzehnten, bis auf kurze Unterbrechung, ununterbrochen rechtmäßig hier aufgehalten habe. Das Regierungspräsidium habe ferner die Entwicklung der Lebensverhältnisse des Klägers während seines lang andauernden Aufenthalts berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, dass er zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und nur gelegentlich unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, überwiegend aber beschäftigungslos gewesen sei. Er habe sich im Bundesgebiet keine sichere wirtschaftliche Lebensgrundlage aufgebaut. Seine fehlende Integration komme auch in beharrlichen Verstößen gegen die deutsche (Straf-) Rechtsordnung zum Ausdruck. Das Regierungspräsidium habe zutreffend die wirtschaftliche Bindung des Klägers im Bundesgebiet durch sein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigt. Es habe ferner das Ermessen auch im Hinblick auf die persönlichen Bindungen des Klägers, nämlich seine Beziehung zu seiner noch lebenden Mutter und seinem Onkel, pflichtgemäß ausgeübt. Die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit dem Kläger in einer familiären Lebensgemeinschaft lebten, seien gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG hinreichend berücksichtigt worden. Zutreffend sei erkannt worden, dass die Ausweisung mit der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Kläger künftig daran hindere, die Familieneinheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leben und dass damit ein Eingriff in Art. 6 GG vorliege. Allerdings verbiete Art. 6 GG auch einen für die Beteiligten schwerwiegenden Eingriff nicht schlechthin. Im vorliegenden Fall beruhe die Ausweisung auf einem wiederholten, schweren kriminellen Fehlverhalten des Klägers. Der staatliche Schutz der Gesellschaft vor etwaigen weiteren Beeinträchtigungen habe ebenfalls Verfassungsrang und müsse in diesem Fall wegen der konkreten Wiederholungsgefahr Vorrang genießen. Der Kläger habe die zu einem Eingriff in Art. 6 GG führenden Gründe selbst geschaffen. Die Bindung zu seinen Familienangehörigen habe ihn in der Vergangenheit nicht davon abhalten können, eine Vielzahl von Straftaten zu begehen. Die Bindung eines volljährigen erwachsenen Menschen zu seinen Verwandten sei ferner durch eine fortschreitende „Abnabelung" geprägt. Dem Kläger könne daher eine eigenverantwortliche Lebensführung zugemutet werden. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Angesichts der Schwere der vom Kläger zuletzt begangenen Straftaten sei der Allgemeinheit das Risiko einer erneuten einschlägigen Straffälligkeit des Klägers unter dem Gesichtspunkt des vorrangigen Schutzes der Bevölkerung vor Gewaltdelikten nicht zuzumuten. Die Ausweisung sei zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich und angemessen. Ein milderes Mittel zur Abwendung der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen durch schwerwiegende Straftaten sei nicht ersichtlich. Die Rückkehr in seine Heimat sei dem Kläger auch zuzumuten. Zwar sei er in Deutschland geboren und aufgewachsen; trotzdem sei davon auszugehen, dass er als Sohn türkischer Staatsangehöriger die türkische Sprache mindestens in den Grundzügen beherrsche. Dafür sprächen auch sein mehrmonatiger Schulaufenthalt in der Türkei und seine kurzzeitigen Aufenthalte dort. Auch einer seiner Brüder, der bereits 2004 dorthin abgeschoben worden sei, lebe in seinem Heimatland. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie vom Regierungspräsidium nicht bereits bei Erlass befristet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Frage der Befristung eines Aufenthaltsverbotes nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Ausweisung am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle insofern auf die Umstände des Einzelfalls ab. Angesichts des hier mit der Ausweisung verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses und der demgegenüber geringer wiegenden Belange des Klägers sei es nicht ermessensfehlerhaft, ihn zunächst unbefristet auszuweisen, die Frage der Befristung aber von seiner künftigen persönlichen Entwicklung abhängig zu machen und in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Die Ausweisung verstoße ferner nicht gegen völker- und europarechtlichen Vorschriften. Einer Ausweisung des Klägers stehe nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen, denn der hier überwundene Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sei weitergehend als derjenige aus Art. 3 Abs. 3 ENA. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Zwar stelle die Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Dieser sei jedoch nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, denn die Ausweisung sei, wie dargelegt, in § 55 AufenthG gesetzlich vorgesehen, und sie stelle eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Grundordnung unter anderem für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei. Die gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage habe ebenfalls keinen Erfolg.
18 
Am 01.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er berief sich zunächst auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und darauf, dass nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Tsakouridis aufgestellten Grundsätzen im Falle der Ausweisung die Resozialisierung des Klägers gefährdet wäre. Nach Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Sache Ziebell macht der Kläger nunmehr geltend, die angegriffene Verfügung sei schon wegen der Verletzung des sog. Vier-Augen-Prinzips des Art. 9 RL 64/221/EWG aufzuheben, das mit Rücksicht auf die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.03.2011 - 6 K 2480/10 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Er macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen und stellt insbesondere ein subjektives Recht des Klägers auf Resozialisierung infrage. Ein derartiger Rechtsanspruch würde dazu führen, dass nahezu jede Ausweisung eines straffälligen Ausländers ausgeschlossen sei. Im Übrigen seien die Überlegungen des EuGH in der Rechtssache Tsakouridis ungeachtet der nicht möglichen Anwendung der Unionsbürgerrichtlinie nicht übertragbar, weil türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 inne hätten, keine Freizügigkeit innerhalb der Union genössen. Das sog. Vier-Augen-Prinzip gelte entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr weiter. Denn zum einen wäre die Fortgeltung mit Art. 59 ZP unvereinbar. Ungeachtet dessen sei dieses auch nicht durch die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 aufrechterhalten, weil diese sich nur an die Mitgliedstaaten wende.
24 
Der Senat hat eine Stellungnahme der JVA Heilbronn über die Entwicklungen des Klägers im Vollzug eingeholt. Insoweit wird auf das Schreiben der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 verwiesen.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat lagen die Ausländerakten, die Akten des Regierungspräsidiums sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.


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(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 – 6 K 2480/10 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1986 in Leonberg geborene Kläger ist lediger und kinderloser türkischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt lebte er zunächst einige Jahre bei seinen Eltern in Deutschland und wuchs dann bis zu seinem 9. Lebensjahr gemeinsam mit seinem älteren Bruder bei seiner Großmutter in der Türkei auf. In der Türkei besuchte er die 1. und 2. Klasse der Grundschule. Sein Vater, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, hielt sich auch in dieser Zeit in Deutschland rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. 1995 kehrte der Kläger dann zu seinen Eltern nach Sindelfingen zurück. Der Kläger besuchte in Deutschland zunächst eine Vorbereitungsklasse, dann die Grundschule und wechselte nach der 4. Klasse Grundschule auf das Gymnasium. Von dort musste er nach der 6. Klasse aufgrund unzureichender Leistungen auf die Realschule wechseln. Nachdem er dort die 6. Klasse wiederholt hatte, verließ er schließlich wegen Verhaltensauffälligkeiten und Fehlzeiten die Realschule ohne Abschluss. Im Jahre 2001 und nach dem Besuch verschiedener Schulen erreichte er den Hauptschulabschluss mit dem Notendurchschnitt von 2,3. Eine danach begonnene Lehre als Kfz-Mechaniker endete vorzeitig, weil ihm betriebsbedingt gekündigt worden war. Eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der Kläger nicht vorweisen, da er einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker wegen eigenen Fehlverhaltens wieder verlor. Danach hielt er sich bis 2003 immer wieder vorübergehend in der Türkei auf. Nach seiner Rückkehr trennten sich seine Eltern; er lebte in der Folgezeit bei seiner Mutter. Er ging nach seiner Rückkehr auch nur gelegentlichen unselbständigen Erwerbstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. durch Inhaftierungen unterbrochen waren. Zuletzt arbeitete er von Juni 2008 bis März 2009 bei einer Zeitarbeitsfirma, jedoch wurde das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt.
Ihm wurde am 21.05.1997 eine bis 22.02.2002 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach verlängert wurde, zuletzt gültig bis zum 28.05.2009. Einen Verlängerungsantrag stellte er nicht.
Bereits im Alter von 12 Jahren begann der Kläger mit regelmäßigem Alkoholkonsum, wenig später mit dem zusätzlichen Konsum von Haschisch und Ecstacy sowie Kokain und Heroin. In der Zeit von Oktober 2006 bis Sommer 2007 nahm er - im Zuge einer Bewährungsauflage - an Gesprächen der Drogenberatung Sindelfingen teil, räumte dort seinen Drogenkonsum aber nur teilweise ein. Nach dem Ergebnis eines vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenen forensisch-psychiatrischen Gutachtens vom 11.11.2009 ist beim Kläger zwar von einem anhaltenden, schädlichen politoxikomanen Alkohol-und Drogenmissbrauch mit im zeitlichen Verlauf wechselndem Ausmaß auszugehen, nicht hingegen von einer Suchterkrankung im engeren Sinne mit körperlicher und/oder psychischer Abhängigkeit. Im Übrigen diagnostizierte der Gutachter beim Kläger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
Am 29.09.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu zwei Freizeitarresten und zur Erbringung von Arbeitsleistungen.
Am 17.01.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 12.03.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der Verurteilung vom 17.01.2002 wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einem Jahr Jugendstrafe, die erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 31.08.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Verurteilungen wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einem Jahr und vier Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung im Berufungsverfahren (vgl. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.11.2004) zur Bewährung ausgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang war er bereits vorübergehend vom 10.10.2003 bis 21.11.2003 sowie vom 25.05.2004 bis 18.11.2004 in Untersuchungshaft genommen worden.
Am 25.10.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der drei vorgenannten Verurteilungen wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
10 
Am 22.11.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der vier vorgenannten Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Jugendstrafe von 2 Jahre und sechs Monaten. Der Rest der Strafe wurde bis zum 03.09.2009 zur Bewährung ausgesetzt.
11 
Von einer Ausweisung sahen die Ausländerbehörden zunächst ab, sprachen aber am 15.05.2002 (durch die Ausländerbehörde der Stadt Sindelfingen) sowie am 15.08.2006 (durch das Regierungspräsidium) eine ausländerrechtliche Verwarnung aus.
12 
Am 20.04.2009 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart festgenommen und verbüßte während der U-Haft auch Ersatzfreiheitsstrafen aus vorangegangenen Verurteilungen.
13 
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009, rechtskräftig seit dem 16.04.2010, wurde er wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er in den Morgenstunden des 20.04.2009 zusammen mit einem Mittäter maskiert und mit einem Messer bewaffnet eine Spielothek betreten und den dort Angestellten mit einem auf ihn gerichteten Messer bedroht und zur Freigabe des Weges zur Kassenschublade veranlasst hatte. Dabei erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 4.000,- EUR das sie allerdings auf der anschließenden Flucht größtenteils wieder verloren.
14 
Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger mit Verfügung vom 25.06.2010 aus dem Bundesgebiet aus, drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei auf seine Kosten an und wies ihn darauf hin, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass seine Abschiebung für den Zeitpunkt der Haftentlassung angekündigt werde. Die Ausweisungsverfügung wurde als Ermessensausweisung auf § 55 Abs. 1 AufenthG gestützt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bestehe, weil der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze. Seine Ausweisung setze daher außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche, hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung durch ein persönliches Verhalten voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Mit ausführlicher Begründung bejahte das Regierungspräsidium eine solche Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewaltkriminalität. Sie komme in der schweren und besonders häufigen Straffälligkeit, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der Ergebnislosigkeit der Hafterfahrung und der ausländerrechtlichen Verwarnungen zum Ausdruck und werde durch die fortbestehende Alkohol- und Drogenabhängigkeit verstärkt. Auch ein unterstellter beanstandungsfreier Haftvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu, zumal bereits eine vorherige Haftverbüßung keinerlei nachhaltige Wirkung auf sein Verhalten gehabt habe. Wegen der Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegen. Zu seinen Gunsten greife kein Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG ein, denn ein solcher gelte nur für Unionsbürger. Nationaler Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG greife nicht, weil der Kläger nicht im Besitz der dafür erforderlichen Aufenthaltserlaubnis sei. Unter Würdigung und Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe und auch im Hinblick auf den Schutz nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kam das Regierungspräsidium Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung wegen der durch den Kläger wiederholt begangenen schwerwiegenden Verstöße und der Wiederholungsgefahr verhältnismäßig sei.
15 
Der Kläger erhob am 06.07.2010 zum Verwaltungsgericht Stuttgart Klage und machte geltend: Er lebe seit 1 1/2 Jahrzehnten im Bundesgebiet. Sein Aufenthaltsrecht stütze sich auf Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Seine Ausweisung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i.V.m. Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG. Der Umstand, dass der Kläger gutachterlich als dissoziale Persönlichkeit eingeordnet worden sei, rechtfertige seine Ausweisung nicht. Die Anpassungsschwierigkeiten in der Türkei wären für ihn unlösbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ausweisung wäre eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Sicherheit des Staates. Eine solche Gefahr stelle der Kläger nicht dar. In der Sache verdeutliche auch EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - Rs C-145/09 , dass nach dem Maßstab des Art. 28 Abs. 3 lit. a) 2004/38/EG eine Ausweisung des Klägers ausscheide. Seine Straftat gefährde die Sicherheit des Staates nicht.
16 
Der Beklagte trat unter Berufung auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung der Klage entgegen.
17 
Mit Urteil vom 28.03.2011 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Das Regierungspräsidium habe die Ausweisung zutreffend auf § 55 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 und 14 ARB 1/80 gestützt und den Kläger ermessensfehlerfrei aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, denn er sei in Deutschland geboren worden und habe über fünf Jahre bei seinem Vater, der als türkischer Arbeitnehmer dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe, gelebt. Das Aufenthaltsrecht gelte unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst eine Beschäftigung ausübe oder nicht. Aufgrund dieser Rechtsstellung bestehe für den Kläger der besondere Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80, und er könne, selbst wenn er nach nationalem Recht einen Ist-Ausweisungstatbestand (§ 53 AufenthG) verwirklicht habe, nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters finde Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Unionsbürgerrichtlinie auf den Status des Klägers weder Anwendung noch sonst Berücksichtigung. Das Regierungspräsidium Stuttgart sei weiter mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Ausweisung des Klägers nicht entgegenstehe. Eine Ausweisung des Klägers komme lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut gegeben sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe diese Voraussetzungen zutreffend bejaht. Es bestehe nach der Verurteilung vom 04.12.2009 eine erhebliche Gefahr, dass der Kläger wieder ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten begehen werde. Im angefochtenen Bescheid habe das Regierungspräsidium eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen und beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter Straftaten der Beschaffungs- und Gewaltkriminalität festgestellt. Dabei habe es sich auf die Vielzahl der seit 2000 begangenen Delikte, auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit, auf seine Unbelehrbarkeit auch nach entsprechenden Verwarnungen und Inhaftierungen gestützt. Selbst die Tatsache, dass einer seiner Brüder im Jahre 2004 bereits wegen schwerer Straftaten aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden und ihm damit die ausländerrechtlichen Folgen von delinquentem Verhalten ganz konkret vor Augen geführt worden seien, habe ihn nicht von der Begehung von Straftaten abhalten können. Die angesichts des strafrechtlichen Werdegangs große Gefahr weiterer Gewaltkriminalität werde auch durch die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstruktur verstärkt. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, genieße er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG keinen besonderen Ausweisungsschutz. Das Regierungspräsidium habe das Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt. Danach seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. In seiner Entscheidung habe das Regierungspräsidium zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich seit rund 1 1/2 Jahrzehnten, bis auf kurze Unterbrechung, ununterbrochen rechtmäßig hier aufgehalten habe. Das Regierungspräsidium habe ferner die Entwicklung der Lebensverhältnisse des Klägers während seines lang andauernden Aufenthalts berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, dass er zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und nur gelegentlich unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, überwiegend aber beschäftigungslos gewesen sei. Er habe sich im Bundesgebiet keine sichere wirtschaftliche Lebensgrundlage aufgebaut. Seine fehlende Integration komme auch in beharrlichen Verstößen gegen die deutsche (Straf-) Rechtsordnung zum Ausdruck. Das Regierungspräsidium habe zutreffend die wirtschaftliche Bindung des Klägers im Bundesgebiet durch sein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigt. Es habe ferner das Ermessen auch im Hinblick auf die persönlichen Bindungen des Klägers, nämlich seine Beziehung zu seiner noch lebenden Mutter und seinem Onkel, pflichtgemäß ausgeübt. Die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit dem Kläger in einer familiären Lebensgemeinschaft lebten, seien gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG hinreichend berücksichtigt worden. Zutreffend sei erkannt worden, dass die Ausweisung mit der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Kläger künftig daran hindere, die Familieneinheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leben und dass damit ein Eingriff in Art. 6 GG vorliege. Allerdings verbiete Art. 6 GG auch einen für die Beteiligten schwerwiegenden Eingriff nicht schlechthin. Im vorliegenden Fall beruhe die Ausweisung auf einem wiederholten, schweren kriminellen Fehlverhalten des Klägers. Der staatliche Schutz der Gesellschaft vor etwaigen weiteren Beeinträchtigungen habe ebenfalls Verfassungsrang und müsse in diesem Fall wegen der konkreten Wiederholungsgefahr Vorrang genießen. Der Kläger habe die zu einem Eingriff in Art. 6 GG führenden Gründe selbst geschaffen. Die Bindung zu seinen Familienangehörigen habe ihn in der Vergangenheit nicht davon abhalten können, eine Vielzahl von Straftaten zu begehen. Die Bindung eines volljährigen erwachsenen Menschen zu seinen Verwandten sei ferner durch eine fortschreitende „Abnabelung" geprägt. Dem Kläger könne daher eine eigenverantwortliche Lebensführung zugemutet werden. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Angesichts der Schwere der vom Kläger zuletzt begangenen Straftaten sei der Allgemeinheit das Risiko einer erneuten einschlägigen Straffälligkeit des Klägers unter dem Gesichtspunkt des vorrangigen Schutzes der Bevölkerung vor Gewaltdelikten nicht zuzumuten. Die Ausweisung sei zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich und angemessen. Ein milderes Mittel zur Abwendung der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen durch schwerwiegende Straftaten sei nicht ersichtlich. Die Rückkehr in seine Heimat sei dem Kläger auch zuzumuten. Zwar sei er in Deutschland geboren und aufgewachsen; trotzdem sei davon auszugehen, dass er als Sohn türkischer Staatsangehöriger die türkische Sprache mindestens in den Grundzügen beherrsche. Dafür sprächen auch sein mehrmonatiger Schulaufenthalt in der Türkei und seine kurzzeitigen Aufenthalte dort. Auch einer seiner Brüder, der bereits 2004 dorthin abgeschoben worden sei, lebe in seinem Heimatland. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie vom Regierungspräsidium nicht bereits bei Erlass befristet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Frage der Befristung eines Aufenthaltsverbotes nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Ausweisung am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle insofern auf die Umstände des Einzelfalls ab. Angesichts des hier mit der Ausweisung verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses und der demgegenüber geringer wiegenden Belange des Klägers sei es nicht ermessensfehlerhaft, ihn zunächst unbefristet auszuweisen, die Frage der Befristung aber von seiner künftigen persönlichen Entwicklung abhängig zu machen und in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Die Ausweisung verstoße ferner nicht gegen völker- und europarechtlichen Vorschriften. Einer Ausweisung des Klägers stehe nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen, denn der hier überwundene Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sei weitergehend als derjenige aus Art. 3 Abs. 3 ENA. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Zwar stelle die Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Dieser sei jedoch nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, denn die Ausweisung sei, wie dargelegt, in § 55 AufenthG gesetzlich vorgesehen, und sie stelle eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Grundordnung unter anderem für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei. Die gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage habe ebenfalls keinen Erfolg.
18 
Am 01.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er berief sich zunächst auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und darauf, dass nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Tsakouridis aufgestellten Grundsätzen im Falle der Ausweisung die Resozialisierung des Klägers gefährdet wäre. Nach Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Sache Ziebell macht der Kläger nunmehr geltend, die angegriffene Verfügung sei schon wegen der Verletzung des sog. Vier-Augen-Prinzips des Art. 9 RL 64/221/EWG aufzuheben, das mit Rücksicht auf die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.03.2011 - 6 K 2480/10 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Er macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen und stellt insbesondere ein subjektives Recht des Klägers auf Resozialisierung infrage. Ein derartiger Rechtsanspruch würde dazu führen, dass nahezu jede Ausweisung eines straffälligen Ausländers ausgeschlossen sei. Im Übrigen seien die Überlegungen des EuGH in der Rechtssache Tsakouridis ungeachtet der nicht möglichen Anwendung der Unionsbürgerrichtlinie nicht übertragbar, weil türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 inne hätten, keine Freizügigkeit innerhalb der Union genössen. Das sog. Vier-Augen-Prinzip gelte entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr weiter. Denn zum einen wäre die Fortgeltung mit Art. 59 ZP unvereinbar. Ungeachtet dessen sei dieses auch nicht durch die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 aufrechterhalten, weil diese sich nur an die Mitgliedstaaten wende.
24 
Der Senat hat eine Stellungnahme der JVA Heilbronn über die Entwicklungen des Klägers im Vollzug eingeholt. Insoweit wird auf das Schreiben der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 verwiesen.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat lagen die Ausländerakten, die Akten des Regierungspräsidiums sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2015 - 5 K 3589/13 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots.
Der Kläger wurde nach seinen Angaben am ...1957 in Buffalo im Bundesstaat New York geboren. Er reiste im Jahr 1986 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, den er später zurücknahm. Er ist seit seiner Einreise nicht im Besitz eines ausländischen Ausweisdokuments. Versuche, seine Staatsangehörigkeit zu klären, führten bislang nicht zum Erfolg.Am 18.03.1988 heiratete der Kläger eine deutsche Staatsangehörige. Die Ehe besteht nach wie vor. Die Ehefrau ist mittlerweile infolge eines Schlaganfalls schwerbehindert und auf Betreuungsleistungen angewiesen.
Der Kläger ist siebenmal strafrechtlich in Erscheinung getreten. U.a. verurteilte ihn am 11.07.1994 das Landgericht Stuttgart wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, in zwei Fällen in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Am 16.10.1997 folgte eine Verurteilung zu der Freiheitstrafe von zwei Jahren sechs Monaten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Zuletzt verurteilte das Landgericht Stuttgart den Kläger am 08.06.2006 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Nach (nahezu) vollständiger Verbüßung dieser Strafe wurde der Kläger am 31.10.2012 aus der Haft entlassen. Zuvor hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe durch Beschluss vom 02.02.2011 die bewährungsweise Aussetzung der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe abgelehnt.
Durch Beschluss vom 12.09.2012 hatte das Landgericht Stuttgart Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren nach Haftentlassung angeordnet und einen Bewährungshelfer bestellt.
Mit Verfügung vom 05.02.2007 hatte das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die gegen die Verfügung erhobene Klage blieb erfolglos (Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 25.07.2007 - 5 K 2538/07 -).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2013 beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Stuttgart die Befristung der Wirkungen der Ausweisung ohne vorherige Ausreise.
Der Kläger erhob am 27.09.2013 Untätigkeitsklage.
Mit Verfügung vom 06.05.2014 befristete das Regierungspräsidium Stuttgart die Wirkungen der Ausweisung vom 05.02.2007 auf drei Jahre, wobei die Frist mit der Ausreise/Abschiebung beginnt. Das Regierungspräsidium ging in der Verfügung davon aus, dass die Gefahr der Begehung weiterer schwerwiegender Straftaten hoch sei. Unter Berücksichtigung des Gewichts des Ausweisungsgrundes und des verfolgten Ausweisungszwecks setzt es in einem Schritt die Sperrfrist auf sieben Jahre nach erfolgter Ausreise/Abschiebung fest. Als Umstand für die Relativierung berücksichtigte es, dass der Kläger mit einer inzwischen über siebzigjährigen deutschen Ehefrau verheiratet ist, die im Jahr 1996 einen Schlaganfall erlitt hatte, seitdem auf den Rollstuhl angewiesen ist und er mit ihr in Stuttgart in häuslicher Gemeinschaft lebt. Eine Befristung auf sofort kam nach Auffassung des Regierungspräsidiums nicht in Frage. Die deutsche Ehefrau sei bei der Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht zwingend auf die Lebenshilfe des Klägers angewiesen, zumal sie sich dieser während der Inhaftierung des Klägers auch nicht habe bedienen können.
Im April 2014 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt Stuttgart die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart ein Klageverfahren anhängig.
10 
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, die in der Verfügung vorgenommene Interessenabwägung sei höchst peinlich. Die Bedeutung des im Haushalt verfügbaren Ehegattens zur Verrichtung der anfallenden Aufgaben sei übersehen worden. Dass es soziale Dienste gebe, mindere den verfassungsrechtlichen Rang des Angewiesenseins der Ehefrau auf seine Unterstützung nicht.
11 
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
12 
Durch Urteil vom 29.05.2015 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.05.2014 zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sofort und ohne vorherige Ausreise. Zur Begründung führte es aus:
13 
Bei der Bestimmung der Länge der Frist seien in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedürfe der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge. Bei einer aus generalpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung komme es - soweit sie zulässig sei - darauf an, wie lange von ihr noch eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer ausgehe. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist müsse sich aber in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Die Abwägung sei nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne in bestimmten Fällen eine vollständige Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung geboten sein. Dies könne zum einen deshalb geboten sein, weil seit der Verfügung einer nicht vollzogenen Ausweisung ein so langer Zeitraum verstrichen sei, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- oder generalpräventiven Gründe entfallen seien. Ein Anspruch auf vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG könne sich aber auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, etwa weil schützenswerte familiäre Belange im Sinne von Art. 6 GG dies erforderten. Die Beseitigung der in §11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung setze nicht die vorherige Ausreise des Ausländers voraus. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei dem Begehren des Klägers zu entsprechen. Allerdings sei auch das Gericht nicht davon überzeugt, dass praktisch ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger weitere schwerwiegende Straftaten begehen werde. Insbesondere sei der Kläger nach wie vor nicht bereit, das große Unrecht des zuletzt abgeurteilten versuchten Mordes einzusehen. So habe er in der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren die wenig glaubhafte Theorie von einer Verschwörung im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 28.11.2005 wiederholt; ferner habe er dem Landgericht eine beachtliche Voreingenommenheit wegen seiner Vorstrafen unterstellt. Nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zudem ein ausgeprägtes Anspruchsdenken, das eine Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtmäßigkeit und Moralität des eigenen Verhaltens offensichtlich erheblich erschwere. So habe der Kläger auf die gleich zu Beginn seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Umfang seiner Betreuungsleistungen für seine Ehefrau erst einmal sein erhebliches Unverständnis mit seiner ausländerrechtlichen Stellung geäußert; offensichtlich wolle er für sich einen Anspruch auf Aufenthalt in der Bundesrepublik (und wohl auch auf Einbürgerung) allein aus dem Umstand herleiten, dass er im Jahr 1988 eine deutsche Ehefrau habe heiraten dürfen und die Ehe fortbestehe. Dass aber etwa selbst das wiederholte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu keinen nennenswerten ausländerrechtlichen Konsequenzen geführt habe, übergehe der Kläger schlicht. Freilich schätzte das Gericht die Wiederholungsgefahr nicht mehr als besonders hoch ein. Die letzte Tat habe der Kläger vor neuneinhalb Jahren begangen; er gehe mittlerweile auf die sechzig zu. Die vollständige Verbüßung der langen Freiheitsstrafe habe den Kläger nach Einschätzung des Gerichts beeindruckt. Zudem sei nach Angaben der Bewährungshilfe der bisherige Verlauf der nunmehr auch schon rund zweieinhalb Jahre andauernden Führungsaufsicht positiv. Welche Länge die Frist ausgehend von den vorstehenden Erwägungen in dem ersten Schritt haben müsse, könne offenbleiben, denn unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts sei in jedem Fall die vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung geboten. Nach Auffassung des Gerichts verletze nämlich der mit der Setzung einer Frist verbundene faktische Zwang, das Bundesgebiet zu verlassen, den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichte Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhielten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene brauche es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit seien nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich seien. Das Gericht habe nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Ehefrau des Klägers auf dessen - von ihm tatsächlich erbrachte - Lebenshilfe angewiesen sei. Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, dass er nahezu sämtliche im Haushalt anfallenden Arbeiten erledige und auch seiner Ehefrau umfassend zur Seite stehe. Der Frage, ob die Lebenshilfe auch etwa durch die - nach Angaben des Klägers: drei - Kinder der Klägerin oder, wie während der Zeit seiner Inhaftierung, durch einen Sozialdienst erbracht werden könne, brauche das Gericht ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nachzugehen. Der Beistand könne auch nur in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
14 
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag des Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 04.09.2015 - dem Beklagten am 15.09.2015 zugestellt - die Berufung zugelassen.
15 
Am 14.10.2015 hat der Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags wie folgt begründet:
16 
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in der seit 01.08.2015 geltenden Fassung sei nunmehr über die Befristung der Ausweisungswirkungen und die Läge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Diese Ermessensentscheidung sei mittlerweile nachgeholt worden. Hiernach gehe vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus, wobei hier nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Ausmaß der drohenden Rechtsgutsverletzung sich relativierend auf das Maß der festzustellenden Eintrittswahrscheinlichkeit auswirke, weshalb im Fall des Klägers angesichts der begangenen Straftaten geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zu stellen seien. Zu berücksichtigen sei, dass beim Kläger bis 31.10.2017 Führungsaufsicht angeordnet worden sei, was aber nach § 68 Abs. 1 StGB vorausgesetzt habe, dass die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten gegeben sei. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht selbst davon ausgegangen, dass die Begehung weiterer Straftaten nicht ausgeschlossen werden könne. In einem ersten Schritt sei daher eine Frist auf sieben Jahre zugrunde gelegt worden. Vor Ablauf von sieben Jahren könne nicht davon ausgegangen werden, dass die spezial- und generalpräventiven Zwecke der Ausweisung erfüllt seien. Diese Frist sei dann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe auf drei Jahre reduziert worden. Da der Kläger mit Rücksicht auf die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen und deren gesundheitliche Situation (unter der Voraussetzung gleich bleibender Umstände) weiter geduldet werde, bestehe - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch kein faktischer Zwang zur Ausreise, um die Frist überhaupt in Lauf zu setzen. Sollte die Kriminalitätsprognose sich in der Zukunft zugunsten des Klägers verbessern, so bestehe die Möglichkeit einer weiteren Verkürzung der Frist bzw. der vollständigen Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots. Gegenwärtig bewirke die Fristsetzung, dass eine Aufenthaltsverfestigung verhindert werde. Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG solle das Verbot aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorlägen. Zwar lägen hier an sich die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vor. Allerdings liege in Anbetracht des massiven Fehlverhaltens des Klägers und seiner groben mehrfachen Missachtung der deutschen Rechtsordnung gegenwärtig noch eine Atypik vor, weshalb der Regelanspruch nicht bestehe und ein Titel nicht zu erteilen sei.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.05.2015 - 5 K 3589/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, das Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot auf den 31.10.2016 aufzuheben und höchst hilfsweise auf den 31.10.2016 nach vorheriger Ausreise zu befristen.
21 
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei ihm aufgrund europarechtlicher Erwägungen kein Ermessen eingeräumt und weiter eine rechtlich gebundene Entscheidung zu treffen. Es lägen aber keine spezialpräventiven Gründe mehr vor. Wenn auch nach Auffassung des Beklagten wegen des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG das Aufenthaltsverbot nicht durchsetzbar sei, so bestehe kein Raum für ein solches Verbot. Europarechtlich sei ein Zwischenstadium, wie das einer Duldung, gerade nicht vorgesehen. Die Nickeligkeiten des deutschen Fremdenrechts seien dem auf Einfachheit bedachten Unionsrecht fremd.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Ihm lagen die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (sofortige) Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot, er kann eine solche auch nicht auf den 31.10.2016 bzw. eine Befristung auf den 31.10.2016 (nach vorheriger Ausreise) beanspruchen.
24 
Nach der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen seit 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist über die Befristung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In einem sog. Altfall, wie er hier gegeben ist, kann dieses naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung nachzuholen.
25 
§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde über die Länge der Frist von dieser im Ermessenswege zu treffen ist. Davon ausgehend stellt sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall zwar als rechtmäßig dar (dazu unten 4.). Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass Entscheidungen nach § 11 AufenthG nF bei Ausweisungen aufgrund übergeordneter Gründe auch nach neuer Rechtslage als gebundene erfolgen müssen. Denn regelmäßig ist nur dadurch systemkonform die Verhältnismäßigkeit der zugrunde liegenden Ausweisung, die nunmehr stets als gebundene Entscheidung ergeht, sicherzustellen (dazu sogleich unter 1. bis 3.). Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 unverändert zu übertragen.
26 
1. Das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (BGBl I S. 2258) hatte das Bundesverwaltungsgericht zum Anlass einer umfassenden Neubestimmung des Befristungsregimes genommen und - jedenfalls in Ermangelung eines ausdrücklichen entgegenstehenden Wortlauts - die Fristbestimmung als gebundene Entscheidung interpretiert und letztlich am Antragserfordernis nicht mehr festgehalten, obwohl der Wortlaut der Norm an sich keine andere Interpretation zuließ. Es hat sich dabei zum einen von den unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie leiten lassen, aber ausdrücklich offen gelassen, ob etwa die Ausweisungsverfügung eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie ist. Weiter hat es das nationale Verfassungsrecht, nämlich die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, fruchtbar gemacht und schließlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK herangezogen. Es führt in diesem Zusammenhang im Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255 (vgl. auch Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - InfAuslR 2012, 397; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141) aus, dass in der Gesamtschau der sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Unionsrecht ergebenden Argumente und der erstmals mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 im Grundsatz eingeführten Höchstfrist von fünf Jahren die schützenswerten privaten Interessen des Betroffenen an der Befristung nunmehr in einer Weise aufgewertet seien, dass vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr angenommen werden könne, der Verwaltung sei ein Spielraum zur Rechtskonkretisierung im Einzelfall eingeräumt, der nur auf die Einhaltung äußerer Grenzen gerichtlich überprüfbar sei. Die Regelung sei auch in ihrem europäischen Gesamtzusammenhang betrachtet nunmehr so zu verstehen, dass dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei, um sein Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung zu sichern.
27 
Wenn der Gesetzgeber sich nunmehr entschieden hat, in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Prinzip der Ermessensentscheidung festzuschreiben, so sah er sich offenbar durch die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht daran gehindert, den früheren Rechtszustand bzw. die frühere Sichtweise wieder herzustellen (vgl. den Hinweis auf das Urteil vom 14.02.2012 in BT-Drucks. 18/4097, S. 36). Zwar ist in diesem Zusammenhang einzuräumen, dass das Bundesverwaltungsgericht auf den ersten Blick eine solche Interpretation herausgefordert hat, wenn es auf einen „offenen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F.“ hingewiesen und in der Schwebe gelassen hatte, was im Falle eines nicht offenen Wortlauts zu gelten hätte. Wenn aber Geltungsgrund des Anspruchs auf Befristung und uneingeschränkte richterliche Kontrolle verfassungsrechtliche, unionsrechtliche und menschenrechtliche Vorgaben sein sollen, die das „Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung“ sichern sollen, so kann die verfassungs- und völkerrechtliche Zulässigkeit eines Ermessensspielraums nicht tragfähig begründet werden. Hinzu kommt ein weiteres: Es bestehen ungeachtet des Ansatzes des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr grundlegende strukturelle Einwände gegen die Zulässigkeit der Einräumung eines Ermessensspielraums. Denn nach der neuen Rechtslage ergeht die Ausweisungsentscheidung selbst ausnahmslos und nicht nur im Ausnahmefall ohne jeden behördlichen Ermessensspielraum als eine rechtlich gebundene und umfassend interessenabwägende Entscheidung, die (lediglich) die Rechtsgrenze der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat. Dann aber stellte es einen strukturellen Widerspruch bzw. eine gedankliche Ungereimtheit dar, wenn hier ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum bestünde und der Ausländerbehörde eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre. Denn die Dauer des Verbots ist gleichfalls für das Gewicht der Interessenbetroffenheit des Ausländers von essentieller Bedeutung und gestaltet, wenn auch nicht formal, so doch inhaltlich untrennbar die durch die Ausweisung ausgelösten Folgen. Aus den vorgenannten verfassungsrechtlichen wie auch strukturellen Erwägungen folgt, dass bei der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kein behördlicher Ermessensspielraum bestehen kann (vgl. GK-AufenthG § 11 Rn. 65 ff; a.A. aber etwa Zeitler, in: HTK-AuslR, § 11 AufenthG zu Abs. 3 Nr. 1, ohne aber überhaupt auf die Problematik einzugehen). Der Senat kann an dieser Stelle allerdings offen lassen, ob in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Zurückweisung bzw. Abschiebung und deren Befristung eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen ist, denn in diesen Fällen dürfte der argumentative Ansatz nicht identisch sein.
28 
2. Was die Fristbestimmung im Einzelnen betrifft, so nimmt vor dem unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (RFRL) § 11 Abs. 3 Satz 2 eine grundsätzliche Differenzierung vor. In der Regel darf die Frist zunächst die Dauer von fünf Jahren nicht überschreiten. Ausnahmsweise darf diese Frist aber überschritten werden, wenn der oder die Betreffende aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde oder wenn von ihm/ihr eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese Ausnahmefrist darf sodann in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre festgesetzt werden.
29 
Aus dieser Differenzierung folgt zunächst im Ausgangspunkt, dass oberhalb der Grenze von fünf Jahren allein spezialpräventive Gründe für die Bestimmung der Fristlänge herangezogen werden dürfen, während unterhalb dieser Grenze grundsätzlich auch generalpräventive Überlegungen maßgeblich sein können (vgl. allerdings den missverständlichen Leitsatz Nr. 1, der davon spricht, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 a.F. allein spezialpräventiven Zwecken diene, der aber keine Entsprechung in den Entscheidungsgründen findet BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334; vgl. demgegenüber aber wieder Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - InfAuslR 2013, 418). Dieses gilt jedenfalls für die Fallgruppe der schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 Alt. 2. Für Alt. 1 - den Fall der strafgerichtlichen Verurteilung - gilt formal betrachtet keine Beschränkung auf spezialpräventive Gründe, wörtlich genommen müssen an sich überhaupt keine Gründe vorliegen (zur Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie GK-AufenthG § 11 Rn. 115). Gleichwohl ist auch hier das Befristungsregime in untrennbarem Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung zu sehen, die aus spezial- und ggf. generalpräventiver Erwägung den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleisten soll. Deshalb könnte eine Befristungsentscheidung, die nicht mehr der Absicherung und Gewährleistung der mit der Ausweisung selbst verfolgten Zwecke dient, keine Rechtfertigung finden, sie wäre nicht mehr erforderlich und letztlich unverhältnismäßig, weshalb allein der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung, ohne dass weitere die konkrete Befristung tragende und rechtfertigende Aspekte hinzutreten, eine Verlängerung von vornherein nicht zu rechtfertigen vermag.
30 
Die nunmehr gesetzlich in § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bestimmte Regelobergrenze von zehn Jahren ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet, wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellen soll, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden könne und sich die Persönlichkeitsentwicklung weiter in die Zukunft kaum abschätzen lasse, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - InfAuslR 2013, 169; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141; vom 14.5.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334). Ob diese Annahme ausreichend valide und daher sachgerecht ist bzw. ob es Aufgabe der Verwaltungsgerichte sein kann, ohne nähere Belege eine solche Grenze festzulegen, bedarf hier keiner Entscheidung (mehr). Denn die gesetzliche Festlegung einer solchen Regelfrist von 10 Jahren liegt in der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und überschreitet den hierdurch gesteckten Rahmen nicht, da sie nicht offenkundig sachfremd bzw. unzutreffend ist.
31 
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach der aktuellen Rechtslage die Frist von 10 Jahren überschritten werden darf, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung.
32 
Für den Regelfall, dass die Befristung zusammen mit der Ausweisung erfolgt, sieht mit § 11 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AufenthG das geltende Recht nunmehr vor, dass das Verbot auch aufgehoben werden kann. Aus diesem Grund ist formal betrachtet kein Raum mehr für eine bislang übliche Tenorierung, wonach die Befristung auf sofort (ohne vorherige Ausreise) erfolgt.
33 
Nach dem mittlerweile in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansatz (vgl. Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - InfAuslR 2014, 223 m.w.N.) ist die maßgebliche festzusetzende Frist (und für die Beantwortung der Frage, ob ein Verbot aufzuheben ist, gilt nichts anderes) in zwei deutlich voneinander zu trennenden Schritten zu ermitteln: Im ersten Schritt ist allein der Frage nachzugehen, ob die konkret mit der Ausweisung (besser: dem Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot) verfolgten Zwecke nach Ablauf der Frist aller Voraussicht erreicht sein werden, ob - mit anderen Worten - die spezial- und/oder ggf. generalpräventiven Zwecke eine Aufrechterhaltung des Verbots nach einer an dieser Stelle zu bestimmenden Höchstfrist nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. In einem zweiten Schritt sind sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdigen Interessen des Ausländers oder der Ausländerin in den Blick zu nehmen. Nur wenn und soweit die im ersten Schritt ermittelte Frist auch mit Verfassungs-, Unionsrecht und völkerrechtlichen Grundsätzen kompatibel ist, kann diese Bestand haben; erforderlichenfalls ist diese in dem gebotenen Maße zu verkürzen oder ggf. vollständig aufzuheben. Dabei haben Verwaltung und Rechtsprechung zwischen den oftmals erheblichen und gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Aufrechterhaltung des Verbots einerseits und den geschützten Interessen der Betroffenen einen praktisch verträglichen und verhältnismäßigen Ausgleich herzustellen. An dieser Entscheidungsstruktur ist auch nach der neuen Rechtslage festzuhalten. Sie findet ihren (andeutungsweisen) Niederschlag in § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wenn dort die Fallkonstellationen der Zweckerreichung und sodann die der noch nicht erfolgten Zweckerreichung bei gleichzeitig bestehenden (überwiegenden) schutzwürdigen Belangen angesprochen werden. Selbst wenn man im vorliegenden Zusammenhang von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, ist diese durch die Kriterien der zweistufigen Prüfung in der Regel in erheblichem Umfang gebunden.
34 
Strukturell sieht das Gesetz - verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich - vor, dass die jeweils gesetzte Frist erst mit der erfolgten Ausreise in Lauf gesetzt wird (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Nur im Fall der gänzlichen Aufhebung des Verbots wegen dessen Zweckerreichung oder aus Gründen der Wahrung überwiegender schutzwürdiger Belange des Ausländers oder der Ausländerin wird in diesem Fall eine vorherige Ausreise nicht vorausgesetzt; ein solches Erfordernis wäre nicht nur sinnlos, sondern auch in jeder Hinsicht unverhältnismäßig. Daher kann bereits aus Rechtsgründen auch das vom Kläger hilfsweise unterbreitete Begehren einer Aufhebung zu einem späteren Zeitpunkt (ohne vorherige Ausreise) von vornherein keinen Erfolg haben.
35 
3. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers eine Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze (sowohl unter dem Aspekt der strafgerichtlichen Verurteilung wie auch dem der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) zulässig und auch erforderlich ist. In Anbetracht der erheblichen vor der letzten Verurteilung begangenen Drogendelikte und der letzten Verurteilung wegen versuchten Mordes ist auch in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile drei Jahre wieder in Freiheit ist, unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der inmitten stehenden Rechtsgüter und demgemäß des möglicherweise drohenden großen Schadens noch von einem nicht zu vernachlässigenden Risiko der Begehung erheblicher Straftaten auszugehen. Die bereits vom Verwaltungsgericht bewerteten Stellungnahmen des Klägers zu der letzten Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Taten, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in bemerkenswerter Offenheit und Eindeutigkeit wiederholt hat, machen deutlich, dass von einer erfolgreichen Überwindung der strafrechtlichen Vergangenheit nicht ausgegangen werden kann. Dieses wird auch nicht zuletzt eindrucksvoll durch die Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz an die Strafvollstreckungskammer vom 04.09.2014 bestätigt, die eine Einstellung der Therapie befürwortet, weil sie trotz ihrer langen Dauer zu keiner Aufarbeitung der begangenen Straftat(en) geführt habe. Der Kläger hat dort und sodann gegenüber dem Verwaltungsgericht sowie dem Senat strikt in Abrede gestellt, das Opfer der der landgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tat mit Tötungsvorsatz rechtswidrig angegriffen zu haben, sondern sich auf Notwehr berufen. Das Urteil des Landgerichts enthält eine ausführliche und in sich stimmige Beweiswürdigung und liefert keinen Anhalt dafür, die Einlassung des Klägers auch nur ansatzweise für plausibel halten zu können. Die Risikoprognose wird auch nicht durch den Umstand infrage gestellt, dass sich der Kläger unter der angeordneten Führungsaufsicht in nicht zu beanstandender Weise verhalten hat. Auch wenn von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht keine Bindungswirkung für das Aufenthaltsrecht ausgeht, kann der Senat nicht außer Acht lassen, dass die Anordnung nach § 68 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass trotz Verbüßung der Freiheitsstrafe nach wie vor die konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im Falle des Klägers zunächst die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahre vollständig ausgeschöpft worden war und bislang eine Verkürzung nicht verfügt wurde (vgl. § 68c Abs. 1 StGB). Zwar hat der Bewährungshelfer mittlerweile bei der Strafvollstreckungskammer angeregt, die Dauer der Führungsaufsicht zu verkürzen. Dieses ist aber unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft sowie der Führungsaufsichtsstelle, insbesondere aber der Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz vom 04.09.2014 nicht zu erwarten, abgesehen davon, dass, wie bereits dargelegt, eine Bindung des Senats hiervon nicht ausginge. Auch muss angemessen in Rechnung gestellt werden, dass im Jahre 2011 (Beschluss vom 02.02.2011) der Antrag auf Aussetzung des Strafrestes mit nachvollziehbaren und anschaulich die Wiederholungsgefahr herausarbeitenden Argumenten von der Strafvollstreckungskammer abgelehnt worden war. Deren ausführliche Begründung steht der Annahme entgegen, die spezialpräventiven Gründe könnten mittlerweile vollständig entfallen oder so unbedeutend geworden sein, dass sie unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht mehr relevant sind.
36 
Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass - bei gleichbleibenden Verhältnissen - eine vollständige Ausschöpfung der Regelobergrenze von 10 Jahren nicht erforderlich ist. Der Senat lässt sich dabei maßgeblich von der Überlegung leiten, dass der Kläger mittlerweile über drei Jahre beanstandungsfrei in Freiheit lebt, weshalb von einem geringeren Risiko der Begehung weiterer erheblicher Straftaten auszugehen ist, als dieses noch zum Zeitpunkt der Freilassung aus der Strafhaft der Fall war. Der Senat sieht keine zwingende rechtliche Notwendigkeit, im ersten Beurteilungsschritt eine exakte Frist festzulegen, wenn ohnehin - wie hier - im zweiten Schritt eine erhebliche Reduzierung erfolgen muss. Allerdings muss etwa die Größenordnung bestimmt werden, um einerseits für die Bestimmung der Frist und die hierfür erforderliche Abwägung im zweiten Schritt einen ausreichend sicheren Ausgangs- und Anhaltspunkt festlegen zu können und andererseits für die Zukunft eine ausreichende Basis für eine etwa erforderlich werdende Verlängerungs- oder Verkürzungsentscheidung festzulegen. Hiernach erachtet der Senat eine moderate Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze und eine Einordnung im Bereich von etwa sieben Jahren für erforderlich, aber auch ausreichend, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist.
37 
Der Senat ist weiter der Auffassung, dass - auch heute und von heute an gerechnet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - 1 B 11.13 - juris) - eine Befristung von drei Jahren vor dem Hintergrund der konkreten Situation des Klägers, insbesondere seines Alters und der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, des Gesundheitszustands seiner deutschen Ehefrau und deren Betreuungsbedürftigkeit, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Unterstellt der Kläger würde heute ausreisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - a.a.O.), endeten die Wirkungen des Verbots etwas über ein Jahr nach Ablauf der angeordneten Führungsaufsicht. Wird der Kläger sich in diesem letzten Zeitraum - gerade ohne die Führungsaufsicht und ohne die Kontrolle durch einen Bewährungshelfer - weiter beanstandungsfrei verhalten, so wäre der Gesichtspunkt der Zweckverfolgung nicht mehr kompatibel mit schützenswerten Belangen des Klägers. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte allerdings im Ausgangspunkt zu Recht auf den vom Verwaltungsgericht übersehenen bzw. nicht ausreichend gewürdigten Umstand hin, dass den ehelichen und familiären Belangen gegenwärtig in ausreichendem Maße durch die Erteilung einer Duldung (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) Rechnung getragen werden kann und auch tatsächlich wird, gleichwohl besteht ein beachtliches Interesse des Klägers und seiner Ehefrau, dass sie in überschaubarer Zeit wieder eine Legalisierung des Aufenthalts erreichen können. Nach erfolgreichem Durchlaufen einer angemessenen und überschaubaren „Bewährungszeit“ nach Ablauf der Führungsaufsicht ist es aber, wie der Beklagte zutreffend erkannt hat, nicht mehr gerechtfertigt, dem Kläger eine weitere Legalisierungsperspektive zu verweigern. Sollten bis dahin negative Entwicklungen des Klägers zu Tage treten, so besteht nunmehr nach § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Möglichkeit, die Frist wieder nachträglich zu verlängern, wie es auch der Kläger in der Hand hat, im Falle wesentlicher positiver Veränderungen in seiner Person bzw. sonstiger Veränderungen seiner schützenswerten Belange, eine weitere Verkürzung zu beantragen.
38 
Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass unions- und europarechtlich der vorläufige Verweis auf eine Duldung zur Sicherung eines Mindestmaßes an Ehe- und Familienschutz nicht zulässig ist. Der Senat vermag insoweit keine bindenden Vorgaben zu erkennen. „Einfachheit“ ist kein unions- oder europarechtlich bindender Maßstab für die nationale Norminterpretation oder Normanwendung. Dem Beklagten ist darin zu folgen, dass die vorübergehende Aufrechterhaltung des Verbots ihre verhältnismäßige Rechtfertigung darin findet, dass jedenfalls eine Aufenthaltsverfestigung vermieden wird, um in dieser Zeit eine Konsolidierung und Stabilisierung des Klägers abwarten zu können. Sollten sich wesentliche Veränderungen zugunsten des Klägers ergeben, steht ihm, wie gesagt, ein weiterer Verkürzungsantrag offen.
39 
Eine Verpflichtung zur vollständigen Aufhebung des Verbots besteht hiernach nicht und folgt auch nicht aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit Rücksicht auf die nicht ausgeräumte Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Straftaten eine Atypik im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliegt. Deshalb kann auch offen bleiben, ob nicht auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung des Inhalts getroffen werden könnte, nicht vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen und damit die Erteilung des Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG abzulehnen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ebenfalls nicht vorlägen (vgl. auch GK-AufenthG § 11 Rn. 136).
40 
4. Aber selbst wenn man dem auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gestützten Ansatz des Beklagten folgt und von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, so ist die von ihm später nachgeholte Entscheidung und deren Begründung (vgl. deren Schriftsatz vom 13.10.2015 an den Senat) nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergibt, alle wesentlichen einzustellenden Abwägungsgesichtspunkte erkannt, nicht fehlerhaft gewichtet und angemessen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend abgewogen. Insbesondere ist er unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und in Ansehung der erheblichen Kriminalitätsbelastung des Klägers vor der letzten Verurteilung von einer noch relevanten und auch in Ansehung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht zu vernachlässigenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
43 
Beschluss vom 9. Dezember 2015
44 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf5.000,- EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (sofortige) Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot, er kann eine solche auch nicht auf den 31.10.2016 bzw. eine Befristung auf den 31.10.2016 (nach vorheriger Ausreise) beanspruchen.
24 
Nach der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen seit 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist über die Befristung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In einem sog. Altfall, wie er hier gegeben ist, kann dieses naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung nachzuholen.
25 
§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde über die Länge der Frist von dieser im Ermessenswege zu treffen ist. Davon ausgehend stellt sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall zwar als rechtmäßig dar (dazu unten 4.). Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass Entscheidungen nach § 11 AufenthG nF bei Ausweisungen aufgrund übergeordneter Gründe auch nach neuer Rechtslage als gebundene erfolgen müssen. Denn regelmäßig ist nur dadurch systemkonform die Verhältnismäßigkeit der zugrunde liegenden Ausweisung, die nunmehr stets als gebundene Entscheidung ergeht, sicherzustellen (dazu sogleich unter 1. bis 3.). Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 unverändert zu übertragen.
26 
1. Das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (BGBl I S. 2258) hatte das Bundesverwaltungsgericht zum Anlass einer umfassenden Neubestimmung des Befristungsregimes genommen und - jedenfalls in Ermangelung eines ausdrücklichen entgegenstehenden Wortlauts - die Fristbestimmung als gebundene Entscheidung interpretiert und letztlich am Antragserfordernis nicht mehr festgehalten, obwohl der Wortlaut der Norm an sich keine andere Interpretation zuließ. Es hat sich dabei zum einen von den unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie leiten lassen, aber ausdrücklich offen gelassen, ob etwa die Ausweisungsverfügung eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie ist. Weiter hat es das nationale Verfassungsrecht, nämlich die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, fruchtbar gemacht und schließlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK herangezogen. Es führt in diesem Zusammenhang im Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255 (vgl. auch Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - InfAuslR 2012, 397; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141) aus, dass in der Gesamtschau der sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Unionsrecht ergebenden Argumente und der erstmals mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 im Grundsatz eingeführten Höchstfrist von fünf Jahren die schützenswerten privaten Interessen des Betroffenen an der Befristung nunmehr in einer Weise aufgewertet seien, dass vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr angenommen werden könne, der Verwaltung sei ein Spielraum zur Rechtskonkretisierung im Einzelfall eingeräumt, der nur auf die Einhaltung äußerer Grenzen gerichtlich überprüfbar sei. Die Regelung sei auch in ihrem europäischen Gesamtzusammenhang betrachtet nunmehr so zu verstehen, dass dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei, um sein Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung zu sichern.
27 
Wenn der Gesetzgeber sich nunmehr entschieden hat, in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Prinzip der Ermessensentscheidung festzuschreiben, so sah er sich offenbar durch die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht daran gehindert, den früheren Rechtszustand bzw. die frühere Sichtweise wieder herzustellen (vgl. den Hinweis auf das Urteil vom 14.02.2012 in BT-Drucks. 18/4097, S. 36). Zwar ist in diesem Zusammenhang einzuräumen, dass das Bundesverwaltungsgericht auf den ersten Blick eine solche Interpretation herausgefordert hat, wenn es auf einen „offenen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F.“ hingewiesen und in der Schwebe gelassen hatte, was im Falle eines nicht offenen Wortlauts zu gelten hätte. Wenn aber Geltungsgrund des Anspruchs auf Befristung und uneingeschränkte richterliche Kontrolle verfassungsrechtliche, unionsrechtliche und menschenrechtliche Vorgaben sein sollen, die das „Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung“ sichern sollen, so kann die verfassungs- und völkerrechtliche Zulässigkeit eines Ermessensspielraums nicht tragfähig begründet werden. Hinzu kommt ein weiteres: Es bestehen ungeachtet des Ansatzes des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr grundlegende strukturelle Einwände gegen die Zulässigkeit der Einräumung eines Ermessensspielraums. Denn nach der neuen Rechtslage ergeht die Ausweisungsentscheidung selbst ausnahmslos und nicht nur im Ausnahmefall ohne jeden behördlichen Ermessensspielraum als eine rechtlich gebundene und umfassend interessenabwägende Entscheidung, die (lediglich) die Rechtsgrenze der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat. Dann aber stellte es einen strukturellen Widerspruch bzw. eine gedankliche Ungereimtheit dar, wenn hier ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum bestünde und der Ausländerbehörde eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre. Denn die Dauer des Verbots ist gleichfalls für das Gewicht der Interessenbetroffenheit des Ausländers von essentieller Bedeutung und gestaltet, wenn auch nicht formal, so doch inhaltlich untrennbar die durch die Ausweisung ausgelösten Folgen. Aus den vorgenannten verfassungsrechtlichen wie auch strukturellen Erwägungen folgt, dass bei der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kein behördlicher Ermessensspielraum bestehen kann (vgl. GK-AufenthG § 11 Rn. 65 ff; a.A. aber etwa Zeitler, in: HTK-AuslR, § 11 AufenthG zu Abs. 3 Nr. 1, ohne aber überhaupt auf die Problematik einzugehen). Der Senat kann an dieser Stelle allerdings offen lassen, ob in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Zurückweisung bzw. Abschiebung und deren Befristung eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen ist, denn in diesen Fällen dürfte der argumentative Ansatz nicht identisch sein.
28 
2. Was die Fristbestimmung im Einzelnen betrifft, so nimmt vor dem unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (RFRL) § 11 Abs. 3 Satz 2 eine grundsätzliche Differenzierung vor. In der Regel darf die Frist zunächst die Dauer von fünf Jahren nicht überschreiten. Ausnahmsweise darf diese Frist aber überschritten werden, wenn der oder die Betreffende aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde oder wenn von ihm/ihr eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese Ausnahmefrist darf sodann in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre festgesetzt werden.
29 
Aus dieser Differenzierung folgt zunächst im Ausgangspunkt, dass oberhalb der Grenze von fünf Jahren allein spezialpräventive Gründe für die Bestimmung der Fristlänge herangezogen werden dürfen, während unterhalb dieser Grenze grundsätzlich auch generalpräventive Überlegungen maßgeblich sein können (vgl. allerdings den missverständlichen Leitsatz Nr. 1, der davon spricht, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 a.F. allein spezialpräventiven Zwecken diene, der aber keine Entsprechung in den Entscheidungsgründen findet BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334; vgl. demgegenüber aber wieder Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - InfAuslR 2013, 418). Dieses gilt jedenfalls für die Fallgruppe der schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 Alt. 2. Für Alt. 1 - den Fall der strafgerichtlichen Verurteilung - gilt formal betrachtet keine Beschränkung auf spezialpräventive Gründe, wörtlich genommen müssen an sich überhaupt keine Gründe vorliegen (zur Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie GK-AufenthG § 11 Rn. 115). Gleichwohl ist auch hier das Befristungsregime in untrennbarem Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung zu sehen, die aus spezial- und ggf. generalpräventiver Erwägung den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleisten soll. Deshalb könnte eine Befristungsentscheidung, die nicht mehr der Absicherung und Gewährleistung der mit der Ausweisung selbst verfolgten Zwecke dient, keine Rechtfertigung finden, sie wäre nicht mehr erforderlich und letztlich unverhältnismäßig, weshalb allein der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung, ohne dass weitere die konkrete Befristung tragende und rechtfertigende Aspekte hinzutreten, eine Verlängerung von vornherein nicht zu rechtfertigen vermag.
30 
Die nunmehr gesetzlich in § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bestimmte Regelobergrenze von zehn Jahren ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet, wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellen soll, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden könne und sich die Persönlichkeitsentwicklung weiter in die Zukunft kaum abschätzen lasse, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - InfAuslR 2013, 169; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141; vom 14.5.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334). Ob diese Annahme ausreichend valide und daher sachgerecht ist bzw. ob es Aufgabe der Verwaltungsgerichte sein kann, ohne nähere Belege eine solche Grenze festzulegen, bedarf hier keiner Entscheidung (mehr). Denn die gesetzliche Festlegung einer solchen Regelfrist von 10 Jahren liegt in der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und überschreitet den hierdurch gesteckten Rahmen nicht, da sie nicht offenkundig sachfremd bzw. unzutreffend ist.
31 
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach der aktuellen Rechtslage die Frist von 10 Jahren überschritten werden darf, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung.
32 
Für den Regelfall, dass die Befristung zusammen mit der Ausweisung erfolgt, sieht mit § 11 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AufenthG das geltende Recht nunmehr vor, dass das Verbot auch aufgehoben werden kann. Aus diesem Grund ist formal betrachtet kein Raum mehr für eine bislang übliche Tenorierung, wonach die Befristung auf sofort (ohne vorherige Ausreise) erfolgt.
33 
Nach dem mittlerweile in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansatz (vgl. Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - InfAuslR 2014, 223 m.w.N.) ist die maßgebliche festzusetzende Frist (und für die Beantwortung der Frage, ob ein Verbot aufzuheben ist, gilt nichts anderes) in zwei deutlich voneinander zu trennenden Schritten zu ermitteln: Im ersten Schritt ist allein der Frage nachzugehen, ob die konkret mit der Ausweisung (besser: dem Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot) verfolgten Zwecke nach Ablauf der Frist aller Voraussicht erreicht sein werden, ob - mit anderen Worten - die spezial- und/oder ggf. generalpräventiven Zwecke eine Aufrechterhaltung des Verbots nach einer an dieser Stelle zu bestimmenden Höchstfrist nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. In einem zweiten Schritt sind sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdigen Interessen des Ausländers oder der Ausländerin in den Blick zu nehmen. Nur wenn und soweit die im ersten Schritt ermittelte Frist auch mit Verfassungs-, Unionsrecht und völkerrechtlichen Grundsätzen kompatibel ist, kann diese Bestand haben; erforderlichenfalls ist diese in dem gebotenen Maße zu verkürzen oder ggf. vollständig aufzuheben. Dabei haben Verwaltung und Rechtsprechung zwischen den oftmals erheblichen und gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Aufrechterhaltung des Verbots einerseits und den geschützten Interessen der Betroffenen einen praktisch verträglichen und verhältnismäßigen Ausgleich herzustellen. An dieser Entscheidungsstruktur ist auch nach der neuen Rechtslage festzuhalten. Sie findet ihren (andeutungsweisen) Niederschlag in § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wenn dort die Fallkonstellationen der Zweckerreichung und sodann die der noch nicht erfolgten Zweckerreichung bei gleichzeitig bestehenden (überwiegenden) schutzwürdigen Belangen angesprochen werden. Selbst wenn man im vorliegenden Zusammenhang von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, ist diese durch die Kriterien der zweistufigen Prüfung in der Regel in erheblichem Umfang gebunden.
34 
Strukturell sieht das Gesetz - verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich - vor, dass die jeweils gesetzte Frist erst mit der erfolgten Ausreise in Lauf gesetzt wird (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Nur im Fall der gänzlichen Aufhebung des Verbots wegen dessen Zweckerreichung oder aus Gründen der Wahrung überwiegender schutzwürdiger Belange des Ausländers oder der Ausländerin wird in diesem Fall eine vorherige Ausreise nicht vorausgesetzt; ein solches Erfordernis wäre nicht nur sinnlos, sondern auch in jeder Hinsicht unverhältnismäßig. Daher kann bereits aus Rechtsgründen auch das vom Kläger hilfsweise unterbreitete Begehren einer Aufhebung zu einem späteren Zeitpunkt (ohne vorherige Ausreise) von vornherein keinen Erfolg haben.
35 
3. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers eine Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze (sowohl unter dem Aspekt der strafgerichtlichen Verurteilung wie auch dem der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) zulässig und auch erforderlich ist. In Anbetracht der erheblichen vor der letzten Verurteilung begangenen Drogendelikte und der letzten Verurteilung wegen versuchten Mordes ist auch in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile drei Jahre wieder in Freiheit ist, unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der inmitten stehenden Rechtsgüter und demgemäß des möglicherweise drohenden großen Schadens noch von einem nicht zu vernachlässigenden Risiko der Begehung erheblicher Straftaten auszugehen. Die bereits vom Verwaltungsgericht bewerteten Stellungnahmen des Klägers zu der letzten Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Taten, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in bemerkenswerter Offenheit und Eindeutigkeit wiederholt hat, machen deutlich, dass von einer erfolgreichen Überwindung der strafrechtlichen Vergangenheit nicht ausgegangen werden kann. Dieses wird auch nicht zuletzt eindrucksvoll durch die Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz an die Strafvollstreckungskammer vom 04.09.2014 bestätigt, die eine Einstellung der Therapie befürwortet, weil sie trotz ihrer langen Dauer zu keiner Aufarbeitung der begangenen Straftat(en) geführt habe. Der Kläger hat dort und sodann gegenüber dem Verwaltungsgericht sowie dem Senat strikt in Abrede gestellt, das Opfer der der landgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tat mit Tötungsvorsatz rechtswidrig angegriffen zu haben, sondern sich auf Notwehr berufen. Das Urteil des Landgerichts enthält eine ausführliche und in sich stimmige Beweiswürdigung und liefert keinen Anhalt dafür, die Einlassung des Klägers auch nur ansatzweise für plausibel halten zu können. Die Risikoprognose wird auch nicht durch den Umstand infrage gestellt, dass sich der Kläger unter der angeordneten Führungsaufsicht in nicht zu beanstandender Weise verhalten hat. Auch wenn von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht keine Bindungswirkung für das Aufenthaltsrecht ausgeht, kann der Senat nicht außer Acht lassen, dass die Anordnung nach § 68 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass trotz Verbüßung der Freiheitsstrafe nach wie vor die konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im Falle des Klägers zunächst die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahre vollständig ausgeschöpft worden war und bislang eine Verkürzung nicht verfügt wurde (vgl. § 68c Abs. 1 StGB). Zwar hat der Bewährungshelfer mittlerweile bei der Strafvollstreckungskammer angeregt, die Dauer der Führungsaufsicht zu verkürzen. Dieses ist aber unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft sowie der Führungsaufsichtsstelle, insbesondere aber der Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz vom 04.09.2014 nicht zu erwarten, abgesehen davon, dass, wie bereits dargelegt, eine Bindung des Senats hiervon nicht ausginge. Auch muss angemessen in Rechnung gestellt werden, dass im Jahre 2011 (Beschluss vom 02.02.2011) der Antrag auf Aussetzung des Strafrestes mit nachvollziehbaren und anschaulich die Wiederholungsgefahr herausarbeitenden Argumenten von der Strafvollstreckungskammer abgelehnt worden war. Deren ausführliche Begründung steht der Annahme entgegen, die spezialpräventiven Gründe könnten mittlerweile vollständig entfallen oder so unbedeutend geworden sein, dass sie unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht mehr relevant sind.
36 
Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass - bei gleichbleibenden Verhältnissen - eine vollständige Ausschöpfung der Regelobergrenze von 10 Jahren nicht erforderlich ist. Der Senat lässt sich dabei maßgeblich von der Überlegung leiten, dass der Kläger mittlerweile über drei Jahre beanstandungsfrei in Freiheit lebt, weshalb von einem geringeren Risiko der Begehung weiterer erheblicher Straftaten auszugehen ist, als dieses noch zum Zeitpunkt der Freilassung aus der Strafhaft der Fall war. Der Senat sieht keine zwingende rechtliche Notwendigkeit, im ersten Beurteilungsschritt eine exakte Frist festzulegen, wenn ohnehin - wie hier - im zweiten Schritt eine erhebliche Reduzierung erfolgen muss. Allerdings muss etwa die Größenordnung bestimmt werden, um einerseits für die Bestimmung der Frist und die hierfür erforderliche Abwägung im zweiten Schritt einen ausreichend sicheren Ausgangs- und Anhaltspunkt festlegen zu können und andererseits für die Zukunft eine ausreichende Basis für eine etwa erforderlich werdende Verlängerungs- oder Verkürzungsentscheidung festzulegen. Hiernach erachtet der Senat eine moderate Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze und eine Einordnung im Bereich von etwa sieben Jahren für erforderlich, aber auch ausreichend, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist.
37 
Der Senat ist weiter der Auffassung, dass - auch heute und von heute an gerechnet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - 1 B 11.13 - juris) - eine Befristung von drei Jahren vor dem Hintergrund der konkreten Situation des Klägers, insbesondere seines Alters und der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, des Gesundheitszustands seiner deutschen Ehefrau und deren Betreuungsbedürftigkeit, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Unterstellt der Kläger würde heute ausreisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - a.a.O.), endeten die Wirkungen des Verbots etwas über ein Jahr nach Ablauf der angeordneten Führungsaufsicht. Wird der Kläger sich in diesem letzten Zeitraum - gerade ohne die Führungsaufsicht und ohne die Kontrolle durch einen Bewährungshelfer - weiter beanstandungsfrei verhalten, so wäre der Gesichtspunkt der Zweckverfolgung nicht mehr kompatibel mit schützenswerten Belangen des Klägers. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte allerdings im Ausgangspunkt zu Recht auf den vom Verwaltungsgericht übersehenen bzw. nicht ausreichend gewürdigten Umstand hin, dass den ehelichen und familiären Belangen gegenwärtig in ausreichendem Maße durch die Erteilung einer Duldung (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) Rechnung getragen werden kann und auch tatsächlich wird, gleichwohl besteht ein beachtliches Interesse des Klägers und seiner Ehefrau, dass sie in überschaubarer Zeit wieder eine Legalisierung des Aufenthalts erreichen können. Nach erfolgreichem Durchlaufen einer angemessenen und überschaubaren „Bewährungszeit“ nach Ablauf der Führungsaufsicht ist es aber, wie der Beklagte zutreffend erkannt hat, nicht mehr gerechtfertigt, dem Kläger eine weitere Legalisierungsperspektive zu verweigern. Sollten bis dahin negative Entwicklungen des Klägers zu Tage treten, so besteht nunmehr nach § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Möglichkeit, die Frist wieder nachträglich zu verlängern, wie es auch der Kläger in der Hand hat, im Falle wesentlicher positiver Veränderungen in seiner Person bzw. sonstiger Veränderungen seiner schützenswerten Belange, eine weitere Verkürzung zu beantragen.
38 
Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass unions- und europarechtlich der vorläufige Verweis auf eine Duldung zur Sicherung eines Mindestmaßes an Ehe- und Familienschutz nicht zulässig ist. Der Senat vermag insoweit keine bindenden Vorgaben zu erkennen. „Einfachheit“ ist kein unions- oder europarechtlich bindender Maßstab für die nationale Norminterpretation oder Normanwendung. Dem Beklagten ist darin zu folgen, dass die vorübergehende Aufrechterhaltung des Verbots ihre verhältnismäßige Rechtfertigung darin findet, dass jedenfalls eine Aufenthaltsverfestigung vermieden wird, um in dieser Zeit eine Konsolidierung und Stabilisierung des Klägers abwarten zu können. Sollten sich wesentliche Veränderungen zugunsten des Klägers ergeben, steht ihm, wie gesagt, ein weiterer Verkürzungsantrag offen.
39 
Eine Verpflichtung zur vollständigen Aufhebung des Verbots besteht hiernach nicht und folgt auch nicht aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit Rücksicht auf die nicht ausgeräumte Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Straftaten eine Atypik im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliegt. Deshalb kann auch offen bleiben, ob nicht auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung des Inhalts getroffen werden könnte, nicht vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen und damit die Erteilung des Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG abzulehnen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ebenfalls nicht vorlägen (vgl. auch GK-AufenthG § 11 Rn. 136).
40 
4. Aber selbst wenn man dem auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gestützten Ansatz des Beklagten folgt und von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, so ist die von ihm später nachgeholte Entscheidung und deren Begründung (vgl. deren Schriftsatz vom 13.10.2015 an den Senat) nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergibt, alle wesentlichen einzustellenden Abwägungsgesichtspunkte erkannt, nicht fehlerhaft gewichtet und angemessen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend abgewogen. Insbesondere ist er unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und in Ansehung der erheblichen Kriminalitätsbelastung des Klägers vor der letzten Verurteilung von einer noch relevanten und auch in Ansehung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht zu vernachlässigenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
43 
Beschluss vom 9. Dezember 2015
44 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf5.000,- EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den außenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann,
3.
gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt, verstößt oder
4.
bestimmt ist, Parteien, andere Vereinigungen, Einrichtungen oder Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets zu fördern, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.

(2) Die politische Betätigung eines Ausländers wird untersagt, soweit sie

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht,
2.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befürwortet oder hervorzurufen bezweckt oder geeignet ist oder
3.
Vereinigungen, politische Bewegungen oder Gruppen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die im Bundesgebiet Anschläge gegen Personen oder Sachen oder außerhalb des Bundesgebiets Anschläge gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder angedroht haben.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge. Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Angeklagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden: PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angelegenheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem damaligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der Angeklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach Europa zurück.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ist unzulässig.
4
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll- ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisionsverfahrens , in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
5
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
6
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortlichen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückgenommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungsermächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.
7
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
8
In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30; NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182; Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer hoheitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SKStGB /Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786, 2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte, die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesministerium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Weise erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
9
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
10
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
11
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revisionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan = Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verübten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzurechnen sind.
12
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht kein Rechtfertigungsgrund.
13
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deckmantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden. Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Türkei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wurden , sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völkerrechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtsprechung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12, BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht angezeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtlichen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zusammenfassend bzw. ergänzend:
14
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
15
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
16
(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96 Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vorschrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen Republik anzuwenden.
17
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Türkei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechtsfolgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
18
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" erfüllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ 2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime dar.
19
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Provinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Republik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türkischen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde, nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völkerrechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung scheidet somit aus.
20
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Südafrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a. in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines rassistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege- ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen werden. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht festgestellt.
21
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
22
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4 ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von einer ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Regierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom 30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Entwicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeugung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften , für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,

39).


Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - ist unwirksam, soweit damit die Verfügung unter Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. Mai 2011 - 11 K 2967/10 - geändert. Die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19. Juli 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Er ist am ...1960 in Sögütlü-Sivas geboren und türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 03.01.1997 nach Deutschland ein und stellte am 09.01.1997 einen Asylantrag, zu dessen Begründung er unter anderem vortrug: 1988 sei er wegen angeblicher Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. 1991 sei er auf Bewährung entlassen worden, gleich nach Istanbul verzogen und dort Mitglied der HEP/DEP geworden. 1994 habe sich die HADEP aus diesen Parteien gebildet. Er sei in den Vorstand der HADEP für den Bezirk Istanbul-Kadiköy gewählt worden. Seitdem sei er von Polizisten bedroht worden. Mitte Dezember 1996 sei er von Polizisten zu Hause abgeholt worden. Um sein Leben zu retten, habe er zugesagt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es gebe keine offiziellen Mitgliedsausweise der HADEP. Er habe aber eine Fotokopie seines Aufnahmeantrags und seine HADEP-Delegiertenkarte dabei, außerdem eine notariell beglaubigte Sitzungsniederschrift des HADEP-Vorstands seines Bezirks. Dort sei er als Mitglied des Vorstands genannt. Die Namensliste der Vorstandsmitglieder der HADEP müsse an die zuständigen Sicherheitsstellen des jeweiligen Stadtbezirks gemeldet werden.
Mit Bescheid vom 20.02.1997 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Auf eine Anfrage des Bundesamts vom 24.06.1999 teilte das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 28.02.2000 mit, es habe Nachforschungen beim HADEP-Büro des Bezirks Istanbul-Kadiköy und dessen jetzigem Vorstand angestellt. Dort habe nicht bestätigt werden können, dass der Kläger in den Jahren 1994 bis 1996 Mitglied des Vorstands gewesen sei. Vielmehr sei er nicht einmal langjährigen Mitarbeitern mit Namen bekannt gewesen. Das Bundesamt leitete deswegen am 29.03.2000 ein Rücknahmeverfahren ein und nahm mit Bescheid vom 01.03.2007 die mit Bescheid vom 20.02.1997 getroffenen Feststellungen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegen, zurück und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Türkei nicht vorliegen.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob mit rechtskräftigem Urteil vom 08.10.2007 - A 11 K 300/07 - den Bescheid des Bundesamts vom 01.03.2007 auf und führte aus: Dem Kläger sei die Flüchtlingseigenschaft nicht aufgrund unrichtiger Angaben zuerkannt worden. Er habe seine Verfolgungsfurcht sowohl auf die Bedrohung wegen seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der HADEP als auch auf die Nichteinhaltung seiner Zusage zur Zusammenarbeit mit der Polizei gestützt. Dass letzteres unrichtig sei, mache das Bundesamt nicht geltend. Im Übrigen interpretiere das Bundesamt die in vielen anderen Auskünften des Auswärtigen Amts verwendete Formulierung „es kann nicht bestätigt werden“ auch im vorliegenden Fall irrig dahin, dass das Gegenteil erwiesen sei. Durch die Vorlage der notariell beglaubigten Protokollabschrift einer Vorstandssitzung der HADEP des Bezirks Istanbul-Kadiköy vom 29.01.1995, in der der Kläger als Vorstandsmitglied genannt werde, habe er - obwohl die Darlegungs- und Beweislast beim Bundesamt liege - nachgewiesen, dass seine Angaben bei der Anhörung am 15.01.1997 nicht unrichtig gewesen seien. Der Änderungsbescheid könne auch nicht als Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufrechterhalten werden. Seit dem Bescheid vom 20.02.1997 seien keine Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse in der Weise eingetreten, dass Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könnten.
Der Kläger ist seit dem 21.07.1995 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Seine am 23.01.1998 in das Bundesgebiet eingereiste Ehefrau ist als Asylberechtigte anerkannt; auch ist festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Er erhielt erstmals am 10.04.1997 eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die mehrmals verlängert wurde. Am 07.05.2002 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 04.04.2006 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Der Kläger verfügt über einen Reiseausweis für Flüchtlinge. Seine Ehefrau hat eine Niederlassungserlaubnis. Der Kläger lebt mit ihr und seinen beiden minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Der am 04.03.1996 geborene Sohn R. hält sich seit 14.01.2000 im Bundesgebiet auf. Ein weiteres Kind wurde am 01.09.2001 in Stuttgart geboren.
Der Kläger war im Bundesgebiet seit dem 28.05.1998 erwerbstätig. In der Zeit von 02.11.2001 bis 31.07.2007 arbeitete er bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH in W. Am 17.04.2007 meldete der Kläger einen Betrieb im Nebenerwerb an, den er zum 03.12.2007 aufgab. Am 03.12.2007 meldete er mit Haupterwerb ab 01.01.2008 folgende Tätigkeit an: „An- und Verkauf einschließlich Einbau von Geräten der Gastronomie, Raumausstattung, Bodenleger, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Montage und Trockenbau“. Dieses Gewerbe wurde zum 15.07.2009 abgemeldet. Seit Mitte Dezember 2010 arbeitet er im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau, zunächst mit geringfügiger Beschäftigung und jedenfalls seit März 2012 mit einer monatlichen Entlohnung von 600 EUR brutto.
Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (im Folgenden: LfV) teilte unter dem 23.06.2005 auf eine Anfrage der Stadt Stuttgart nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG mit, dass der Kläger am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand des PKK-nahen Mesopotamischen Kulturvereins e.V. S...-... gewählt worden sei und am 02.02.2003 als Protokollführer bei der Mitgliederversammlung des genannten Vereins fungiert habe ohne jedoch für dessen Vorstand zu kandidieren. Darüber hinaus lägen folgende Polizeierkenntnisse vor: Am 31.05.2001 sei der Kläger in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“ gewesen. Bei der Veranstaltung seien Bilder Öcalans sowie Fahnen der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) gezeigt worden, wogegen er nicht eingeschritten sei. Außerdem habe er im Juli 2001 im Rahmen der PKK-Identitätskampagne die Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“ unterzeichnet.
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In Kenntnis dieser Aktivitäten des Klägers und mit Blick darauf, dass dem Verfassungsschutzbericht 2004 eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch den Mesopotamischen Kulturverein nicht zu entnehmen sei, kam das Regierungspräsidium Stuttgart in einem internen Vermerk vom 09.12.2005 zu der Einschätzung, es seien keine Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 oder 5a AufenthG gegeben. Es teilte der Stadt S... unter dem 30.05.2006 mit, die Sicherheitsüberprüfung habe ergeben, dass Regelversagungsgründe nach § 5 Abs. 4 AufenthG nicht vorlägen. Vom Kläger sei jedoch eine Erklärung des Inhalts einzufordern, dass er die PKK bzw. aus ihr hervorgegangene Organisationen und ihre Ziele nicht (mehr) unterstütze. Nachdem festgestellt worden war, dass dem Kläger bereits am 04.04.2006 eine Niederlassungserlaubnis ausgehändigt worden war, wurde es - wie sich aus einer Mail vom 17.04.2007 an die Stadt S... ergibt - seitens des Regierungspräsidiums als sinnlos erachtet, im Nachhinein noch eine Distanzierungserklärung von ihm zu verlangen - zumal eine etwaige Aufenthaltsbeendigung nur im Wege der Ausweisung möglich wäre, wofür derzeit aber keine greifbaren Anhaltspunkte vorlägen, da eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht nachweisbar sei.
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Bereits am 22.12.2004 hatten der Kläger und seine Familie bei der Stadt S... ihre Einbürgerung beantragt. Das LfV teilte unter dem 19.01.2008 die in seinem Schreiben vom 23.06.2005 genannten Erkenntnisse sowie folgende weitere Erkenntnisse mit: Der Kläger habe am 14.05.2006 in S... an einer Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich der Wahl des Volksgebietsrats dieser Organisation teilgenommen. Am 25.02.2007 sei er in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Vortragsveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern zu dem Thema „aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ gewesen. Bei einer Durchsuchung des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 sei eine Mitgliederliste gefunden worden (Stand 01.07.2004), auf der der Kläger vermerkt gewesen sei. Zahlreiche Bücher, Broschüren sowie plakatähnliche Druckwerke seien beschlagnahmt worden, die den KONGRA-GEL thematisierten. Mit Schreiben vom 18.11.2008 gab das LfV weiter an, am 24.02.2008 sei der Kläger in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen.
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Mit Schreiben vom 26.02.2009 sowie ergänzt durch Schreiben vom 08.05.2009 und 10.11.2009 an den Kläger bzw. seine Ehefrau teilte die Einbürgerungsbehörde unter anderem mit, es bestünden Zweifel an der Verfassungstreue, wie die Teilnahme an den durch das LfV mitgeteilten Veranstaltungen zeige. Es fehle der Nachweis der Sprachkenntnisse für die Ehefrau. Für den Kläger komme die Einbürgerung nicht in Betracht, da derzeit dessen Ausweisung geprüft werde. Am 16.11.2009 wurden die Einbürgerungsanträge zurückgenommen.
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Die im Einbürgerungsverfahren übermittelten Angaben des LfV wurden mit Schreiben vom 24.01.2008 und 12.11.2008 über das Innenministerium an das Regierungspräsidium Stuttgart übersandt.
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Mit Schreiben vom 23.12.2009 führte das LfV weiter aus, der Kläger sei am 30.11.2008 in S... bei einer Feier von KONGRA-GEL-Anhängern zum 30. Gründungsjahrestag der PKK und am 01.02.2009 Teilnehmer einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in S... gewesen.
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Bereits am 28.07.2009 fand bei der Ausländerbehörde der Stadt S... in Anwesenheit eines Dolmetschers eine Sicherheitsbefragung des Klägers unter Nutzung eines standardisierten Fragebogens statt. Dem ging voraus, dass das Regierungspräsidium ausweislich eines Aktenvermerks vom 03.02.2009 zur Einschätzung gelangte, „die letzte Erkenntnis ist von 2/08, dabei Teilnahme an Märtyrer-Gedenkminute; aufgrund des hohen Ausweisungsschutzes Ausweisung kaum möglich, Sicherheitsbefragung, event. Verwarnung“. Das LfV bewertete die Sicherheitsbefragung unter dem 23.12.2009 dahingehend, dass der Kläger falsche Angaben gemacht habe, da er sich tatsächlich bis 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, hierauf bezogene Fragen aber verneint habe. Unter dem 04.01.2010 übermittelte das Innenministerium die Bewertung der Sicherheitsbefragung durch das LfV vom 23.12.2009 an das Regierungspräsidium Stuttgart und bat um Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung erfüllt sind.
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Das Regierungspräsidium hörte mit Schreiben vom 05.05.2010 den Kläger im Rahmen der Prüfung der Ausweisung an. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 räumte der Kläger die Tätigkeit im Mesopotamischen Kulturverein, die Leitung der Kundgebung am 31.05.2001, die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung, die Teilnahme an einer Feier am 30.11.2008 sowie den Besuch einer Veranstaltung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins am 01.02.2009 ein.
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Mit Verfügung vom 19.07.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), verpflichtete ihn, sich einmal wöchentlich beim Polizeirevier F... unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden und beschränkte seinen Aufenthalt auf das Stadtgebiet S... (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 der Verfügung wurde angeordnet. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Der Kläger erfülle unter Zugrundelegung der durch das LfV mitgeteilten Erkenntnisse den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK sei eine terroristische Vereinigung. Durch den seit dem Jahr 2006 erfolgten regelmäßigen Besuch von Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen habe der Kläger seine innere Nähe und Verbundenheit mehrfach und nachhaltig zum Ausdruck gebracht. Mit der Vielzahl entsprechender Aktivitäten habe er dazu beigetragen, die Stellung der PKK in der Gesellschaft, namentlich bei kurdischen Volkszugehörigen zu fördern. Die Veranstaltungen, an denen er teilgenommen habe, seien erkennbar auch darauf ausgerichtet gewesen, die Aktionsmöglichkeiten und das Rekrutierungsfeld der Vereinigung zu festigen und zu erweitern, so dass das latente Gefahrenpotential der Vereinigung insgesamt erhalten und verstärkt worden sei. Dass ein Großteil der vom Kläger besuchten Veranstaltungen nicht verboten gewesen sei, ändere nichts daran. Soweit er behaupte, er sei eher gegen seinen Willen bei vermeintlich kulturellen Veranstaltungen Zeuge einschlägiger Meinungsäußerungen und Aktionen geworden, ohne deren Zielsetzung zu unterstützen oder zu billigen, sei dies eine reine Schutzbehauptung. Er habe auch den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt. In der Sicherheitsbefragung habe er trotz Belehrung die Fragen 5.1. und 6.1 bezüglich Kontakten zur PKK und zu ihr nahestehenden Personen verneint, obwohl er sich bis mindestens 2009 an politischen Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt habe. Zudem habe er bei Frage 4.2 angegeben, im Februar 1990 in ... wegen einer unerlaubten Aktion festgenommen worden zu sein. Zuvor habe er die Frage 4.1 verneint. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80 stehe ihm nicht zu, denn seine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 sei mit Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit am 17.04.2007 erloschen. Der Kläger genieße aber besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lägen durch die Erfüllung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG vor (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein die gesetzliche Regelvermutung beseitigender Ausnahmefall sei nicht anzunehmen. Über die Ausweisung sei nach § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Er halte sich seit 13 Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet auf, verfüge über ein Daueraufenthaltsrecht und lebe mit Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in familiärer Lebensgemeinschaft. Er habe aufgrund seiner zunächst unselbstständigen und später selbstständigen Tätigkeit wirtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet. Eine soziale Integration habe nicht stattgefunden. Er beherrsche die deutsche Sprache, wenn überhaupt, nur bruchstückhaft. Es bestehe der Eindruck, dass er bis heute nur im türkischen bzw. kurdischen PKK-nahen Umfeld Bekanntschaften pflege. Eine fortgeschrittene Integration, welche die vorhandenen öffentlichen (Sicherheits-)Interessen verdrängen oder überwiegen könnte, liege nicht vor. Dies gelte umso mehr als sein Aufenthalt im Bundesgebiet dazu diene, die stetige Verbindung zur PKK aufrechtzuhalten und diese bis jetzt aktiv zu unterstützen. Seine familiäre Lebensgemeinschaft falle unter den Schutz des Art. 6 GG, jedoch genieße die rein ausländische Ehe nur einen abgeschwächten Schutz. Dies gelte entsprechend für die gemeinsamen minderjährigen Kinder. Im Falle eines rechtskräftigen Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung bzw. des Abschiebungsverbots durch das Bundesamt wären dem Kläger und seiner Familie die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft in der Türkei durchaus zuzumuten, zumal er erst im Alter von 37 Jahren und seine Frau im Alter von 28 Jahren in das Bundesgebiet eingereist seien. Es sei davon auszugehen, dass innerhalb der Familie türkisch oder kurdisch gesprochen werde, so dass auch die Kinder kaum Schwierigkeiten hätten, sich in der Türkei zu integrieren. Ihm würde bei einer Ausreise in die Türkei nach Wegfall der Ausreisehindernisse keine politische Verfolgung drohen. Im Hinblick darauf, dass die Abwehr terroristischer Gefahren bereits im Vorfeld konkreter gewalttätiger Aktionen zu den Grundinteressen der Gesellschaft der Bundesrepublik gehöre, sei dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung und Beendigung des Aufenthalts gegenüber dem privaten Interesse, von der Ausweisung verschont zu bleiben, der Vorrang einzuräumen. Die Ausweisung sei in spezialpräventiver Hinsicht erforderlich, um die von ihm konkret ausgehende Gefahr weiterer Unterstützungshandlungen zu verhindern. Der bisherige Verlauf seiner Unterstützungstätigkeit und die sonstigen Umstände ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten, dass er diese sonst fortsetzen werde. Die mit der Ausweisung verbundenen Nachteile, den Aufenthaltstitel zu verlieren und Meldeauflagen dulden zu müssen, stünden nicht außer Verhältnis zu den mit der Ausweisung verbundenen Zwecken. Die Ausweisung stehe mit Art. 8 EMRK in Einklang.
18 
Am 06.08.2010 erhob der Kläger Klage gegen diesen Bescheid.
19 
Während des Klageverfahrens teilte das LfV mit Schreiben vom 08.10.2010 mit, der Kläger sei bei der Veranstaltung vom 14.05.2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden und am 07.06.2009 habe er sich in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt. Unter dem 04.02.2011 gab das LfV an, zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in der Versammlung vom 14.05.2006 K. gewählt worden.
20 
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger unter anderem vor, an den ihm vorgehaltenen Veranstaltungen vom 07.06.2009, 01.02.2009, 24.02.2008 und an derjenigen vom 14.05.2006 habe er nicht teilgenommen, insbesondere sei er auch nicht zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden. Im Übrigen bedeute die Teilnahme an friedlichen, nicht verbotenen Demonstrationen keine Unterstützung des Terrorismus, selbst wenn auf diesen Demonstrationen die Abzeichen einer verbotenen Organisation wie der PKK gezeigt würden. Nicht jede Handlung, die sich zufällig für Bestrebungen als objektiv vorteilhaft erweise, könne als tatbestandsmäßige Unterstützung des Terrorismus verstanden werden. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit der Teilnahme an den genannten Veranstaltungen die PKK habe unterstützen wollen. Im Übrigen sei die PKK strafrechtlich keine terroristische Vereinigung mehr. In der Türkei sei er 1988 wegen Mitgliedschaft in der KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Entlassung habe er sich für die kurdische Partei HADEP engagiert. Er habe in der Vergangenheit der PKK nicht angehört und gehöre ihr auch gegenwärtig nicht an.
21 
Das beklagte Land trat der Klage entgegen.
22 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob nach Vernehmung des Zeugen K. mit Urteil vom 23.05.2011 den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Es sei keine Unterstützung der PKK durch den Kläger feststellbar. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen vom 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und vom 07.06.2009 sei nicht erwiesen. Die Angaben der Gewährsperson des LfV genügten nicht, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Der Kläger habe während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des LfV im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gebe es nicht. Der Zeuge K. habe nicht bestätigen können, dass der Kläger Teilnehmer der Veranstaltung vom 14.05.2006 gewesen sei. Der Kläger habe aber unstreitig an den Veranstaltungen vom 04.02.2007 und 25.02.2007 im Mesopotamischen Kulturverein in S... und an einer Veranstaltung am 30.11.2008 im Kulturhaus A... in S... teilgenommen. Insoweit seien aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht Unterstützungshandlungen i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG feststellbar. Unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe es sich bei der Gedenkfeier vom 04.02.2007 nicht um eine typische Märtyrergedenkveranstaltung gehandelt, die als politische Plattform zur Herstellung eines engen ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und der PKK-Sympathisanten genutzt werde, sondern um eine Gedenkfeier, wie sie auch in den durch das Christentum geprägten Staaten eine allgemein übliche und selbstverständliche Übung sei, an die keinerlei Nachteile geknüpft werden dürften. Für das Gericht sei auch nicht erkennbar, dass die Veranstaltung vom 25.02.2007 in irgendeinem Kontext zur PKK stehe. Solches folge auch nicht aus dem vom LfV mitgeteilten Redebeitrag. Im Übrigen verkenne das beklagte Land, dass nicht jede Teilnahme an einer nicht von der PKK ausgerichteten Veranstaltung, bei der die Zustände in der Türkei kritisiert würden, zugleich eine Unterstützung der PKK darstelle. Auch die bloße Anwesenheit von PKK-Anhängern dort mache diese nicht per se zu einer PKK-Veranstaltung. Die Veranstaltung vom 30.11.2008 zum 30-jährigen Bestehen der PKK dürfte in spezifischer Weise Propagandacharakter gehabt haben. Ob bereits die subjektive Zurechenbarkeit fehle, da der Kläger lediglich wegen der Musikbeiträge die Veranstaltung aufgesucht haben wolle, könne dahingestellt bleiben. Allein durch die Teilnahme an dieser Veranstaltung sei er jedenfalls nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten. Eine solche läge nur vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies sei jedoch bei ihm nicht der Fall. Lägen aber lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützten oder selbst terroristisch handelten, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Organisation selbst zum Ausdruck bringe, fehle es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG. Selbst wenn ihm aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit komme der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere seiner Einbindung und Vernetzung in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze oder selbst terroristisch handle. Dass bei dem KIäger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK bestehe, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und den vom beklagen Land ihm vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger habe keinerlei verantwortliche Tätigkeit im Umfeld der PKK übernommen. Im Übrigen sei die Ausweisung auch deshalb fehlerhaft, weil das Regierungspräsidium im Rahmen der Ermessensentscheidung von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei. Es sei verkannt worden, dass der Kläger nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 ausgewiesen werden dürfe, denn die Aufnahme seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit habe nicht zum Verlust der Rechtsstellung aus Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 geführt. Auch sei im Rahmen der Ermessenserwägungen verkannt worden, dass die Ehefrau des Klägers anerkannter Flüchtling sei. Schließlich habe das Regierungspräsidium übersehen, dass es die Qualität der Unterstützungshandlung und die Gefährdungslage mit dem jeweils gebotenen Gewicht in die Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gesichtspunkte einzustellen habe.
23 
Auf Antrag des beklagten Landes hat der Senat mit Beschluss vom 18.08.2011 - 11 S 1820/11 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, die am 15.09.2011 unter Stellung eines Antrags begründet worden ist. Es wird vorgetragen: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 14.05.2006, 24.02.2008, 01.02.2009 und am 07.06.2009 nicht bewiesen sei. Es habe verkannt, dass an den Nachweis einer Mitgliedschaft bzw. Unterstützung angesichts des konspirativen Vorgehens terroristischer Vereinigungen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürften, unrealistische Anforderungen an die Verwertbarkeit von Aussagen eines Zeugen vom Hörensagen des LfV gestellt und nicht beachtet, dass es im Fall des Klägers zahlreiche Indizien für die Glaubwürdigkeit der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen gebe. Die vorliegenden Tatsachen seien noch ausreichend aktuell i.S.v. § 54 Nr. 5, 2. HS AufenthG. Der Kläger habe auch an der Wahl des neuen Volksgebietsrats am 26.04.2009 teilgenommen. Die Ausweisung sei nicht auf eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung gerichtet, sondern bezwecke die Beseitigung der Legalität seines Aufenthalts im Bundesgebiet und stehe in Einklang mit Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie. Allerdings sei klarzustellen, dass nicht weiter an dem in der angefochtenen Verfügung angesprochenen generalpräventiven Zweck der Ausweisung und an den dortigen Ausführungen zu einer Durchsetzung der Ausreisepflicht bzw. Abschiebung festgehalten werde. Dass ausländerrechtliche Maßnahmen gegen K. noch nicht ergangen seien, stelle die Ermessensfehlerfreiheit der Ausweisung des Klägers nicht in Frage. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb entbehrlich, weil § 47 AufenthG eine Ermächtigung zum Erlass eines politischen Betätigungsverbots vorsehe. Die dem Kläger zuerkannte Flüchtlingseigenschaft sowie das festgestellte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und die daraus folgende Unmöglichkeit einer Rückkehr in sein Heimatland würden nicht verkannt. Es lägen aber gravierende Ausweisungsgründe vor, die es rechtfertigten, die dem Kläger zuerkannte Rechtsstellung geringer zu gewichten. Der Kläger habe den schwerwiegenden Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG durch seine jahrelangen beharrlich und konsequent durchgeführten Unterstützungshandlungen zugunsten der terroristischen, kriminellen und verbotenen PKK sowie daraus resultierende staatssicherheitsgefährdende Aktivitäten verwirklicht und eine - mangels Distanzierung - aktuell erhöhte Gefährlichkeit seiner Person belegt. Es sei gerechtfertigt, den für ihn bestehenden und den Abschiebeverboten zugrundeliegenden Gefahrenlagen ein insoweit vermindertes Gewicht beizumessen und eine Ausweisung trotz der Tatsache zu verfügen bzw. aufrechtzuerhalten, dass der Aufenthalt in absehbarer Zeit nicht beendet werden könne. Das Sicherheitsinteresse überwiege das Interesse des Klägers und seiner Angehörigen an dem unveränderten Fortbestand seines legalen Aufenthalts.
24 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit Blick auf den zum 01.03.2011 erfolgten Umzug des Klägers von S... nach R... Ziffer 2 seines Bescheids vom 19.07.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
25 
Das beklagte Land beantragt nunmehr,
26 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.05.2011 - 11 K 2967/10 - hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.
27 
Der Kläger beantragt,
28 
die Berufung zurückzuweisen.
29 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt unter anderem aus: Die Vorwürfe gegen ihn basierten auf Quellenangaben. Die mündlichen oder schriftlichen Quellenberichte oder Angaben der Gewährspersonen des LfV genügten in der Regel nicht für die Glaubwürdigkeit, sofern sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt würden. Entgegen der Behauptungen des beklagten Landes bestreite er nach wie vor ausdrücklich, an der Wahl des Volksgebietsrates am 14.05.2006 teilgenommen zu haben und zum Stellvertreter des Vorsitzenden dieses Rates gewählt worden zu sein. Er bestreite weiterhin ausdrücklich seine Teilnahme an der Versammlung am 26.04.2009, die das LfV erstmals am 17.04.2012 vorgebracht habe. Ob diese Veranstaltung überhaupt stattgefunden habe, sei offen. Mit der Bezeichnung „offen und beweisbar" in den Mitteilungen des LfV könnten die Behauptungen nicht als Tatsachen benannt werden. Seine Tätigkeit und die Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein e. V. S... könne nicht als Ausweisungsgrund gewertet werden. Laut Verfassungsschutzbericht aus dem Jahre 2004 gehe von diesem keine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Das beklagte Land habe deshalb seine damaligen Tätigkeiten zu Recht nicht zum Anlass einer Ausweisung genommen und das Verfahren eingestellt. Somit sei ein „Verbrauch" der Ausweisungsgründe eingetreten. Nach dem Jahre 2004 sei er nicht mehr im Mesopotamischen Kulturverein tätig gewesen. Ihm sei auch keine Tätigkeit nach 2004 vorgehalten worden. Er sei 1988 in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der illegalen kurdischen Organisation KAWA zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach seiner Bewährungsentlassung 1991 habe er sich bei der prokurdischen Partei HADEP engagiert. Er habe weder in seiner Vergangenheit noch in der Gegenwart der PKK angehört. Er habe diese auch nicht im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Die Organisation KAWA unterscheide sich eindeutig von der PKK. Es könne ihm nicht zugemutet werden, eine Distanzierungserklärung zu unterzeichnen oder eine Abwendungserklärung abzugeben. Er könne sich nicht zu etwas bekennen, was er in der Tat nicht gemacht habe oder was ihm nicht angelastet werden könne. Das beklagte Land habe auch nicht darlegen können, inwiefern von ihm eine konkrete Terrorgefahr ausgehe. Zwar seien zahlreiche Veranstaltungen erwähnt worden, an denen er teilgenommen haben solle. Es sei aber nicht aufgezeigt worden, inwieweit die bloße Teilnahme an diesen Veranstaltungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet habe.
30 
Mit Beschluss vom 17.09.2010 - 11 K 2986/10 - stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 wieder her. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des beklagten Landes wies der Senat mit Beschluss vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - zurück.
31 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K. sowie des Zeugen X. vom LfV. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
32 
Wegen des weitergehenden Vortrags und Sachverhalts wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Akten verwiesen. Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart hinsichtlich des Klägers und des Zeugen K., die den Kläger betreffende Ausländerakte sowie die Einbürgerungs- und Asylakten betreffend ihn und seine Ehefrau, die Akte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04, die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (A 11 K 300/07 und 11 K 2967/10) und die Akten des Senats im Beschwerdeverfahren 11 S 2374/10 vor.

Entscheidungsgründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
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Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
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Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
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Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
54 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
149 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
150 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
151 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
153 
Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
33 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts analog § 269 Abs. 3 ZPO insoweit für unwirksam zu erklären.
34 
Im Übrigen hat die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes Erfolg. Die Ausweisung ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzt schon deshalb den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt (I.). Als anerkannter Flüchtling darf er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden; diese Bestimmung ist unionsrechtskonform dahingehend anzuwenden, dass die Ausweisung den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) - Qualifikationsrichtlinie - QRL - entsprechen muss (II.). Die nach Art. 24 Abs. 1 QRL erforderlichen zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung liegen bei dem Kläger, der sich seit Jahren kontinuierlich als Sympathisant der PKK betätigt, nach den konkreten Umständen des Falles vor; die Ausweisung ist auch verhältnismäßig (III.). Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt, vermitteln Art. 14 ARB 1/80 oder die Standstill-Klauseln weder materiell-rechtlich noch verfahrensrechtlich einen weitergehenden Ausweisungsschutz (IV.). Die Ausweisung ist ermessensfehlerfrei (V.). Sie unterliegt auch mit Blick auf die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98) - Rückführungsrichtlinie - RFRL - keinen Bedenken, insbesondere gebieten es weder die Rückführungsrichtlinie noch § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens zugleich über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu entscheiden (VI.).
I.
35 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt.
36 
1. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Von einer Unterstützung des Terrorismus durch eine Vereinigung i.S.v. § 54 Nr. 5 AufenthG ist auszugehen, wenn die Vereinigung sich selbst terroristisch betätigt oder die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -juris Rn. 19 ff.). Dass es sich um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 16; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 40). Die Vorschrift erfasst jede Art von Terrorismus, unabhängig davon, ob es sich um nationalen oder internationalen Terrorismus handelt (BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris Rn. 32; BT-Drs. 16/5065 - Gesetzentwurf zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007, S. 183 zu Nr. 42).
37 
2. Das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart sind zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind. Der Senat hat mit Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 41 ausgeführt:
38 
„…Die PKK ist jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478 und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - Inf- AuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).“
39 
Hieran ist weiter festzuhalten. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren auch nichts Substantiiertes vorgebracht, was die Einordnung der PKK, die bis heute auf der „Terrorliste“ der EU steht (vgl. zuletzt Beschluss des Rates vom 13.03.2012 <2012/150/GASP>, ABl. L 74, 9 und vom 22.12.2011 <2011/872/GASP>, ABl. L 343, 54 und die im Anhang enthaltene Auflistung von Personen und Organisationen), als einer Organisation des internationalen Terrorismus (ebenso auch BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 35 ff.) in Frage stellen würde.
40 
3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger seit Jahren den internationalen Terrorismus der PKK im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15).
41 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe hierzu insgesamt BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris Rn. 25 ff. - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - juris Rn. 7 ff.; Senatsurteile vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 43 und vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris Rn. 50 ff.).
42 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den internationalen Terrorismus seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt, vor allem durch die Übernahme einer Vorstandsfunktion und die Mitgliedschaft in dem PKK-nahen Mesopotamische Kulturverein S... (a.) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an unterschiedlichen PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b.). Dass einige dieser Tatsachen bereits länger zurückliegen, steht ihrer Berücksichtigung nicht entgegen; vom Kläger geht nach wie vor eine gegenwärtige Gefährlichkeit aus (c.).
43 
a. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mesopotamische Kulturverein S... den Terrorismus unterstützt (ebenso schon zu § 86 Nr. 2 AuslG a.F VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 64, wonach der „Mesopotamische Kulturverein S... als Vorfeldorganisation der PKK bzw. KADEK anzusehen ist“; die PKK-Nähe dieses Vereins auch bejahend VGH Bad.-Württ, Urteil vom 08.07.2009 - 13 S 358/09 - zu § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG). Zwar enthält die Satzung des am 23.08.1997 gegründeten und am 16.06.1998 eingetragenen Vereins weder in ihrer Fassung vom 23.08.1997 noch in ihrer Neufassung extremistische Züge; bei Auflösung des Vereins geht das Vermögen an den „Kurdischen Roten Halbmond e.V.“, einer humanitären Hilfsorganisation. Auch bietet der Verein kulturelle Veranstaltungen an und die Gelegenheit zum Treffen unter Migranten vorwiegend kurdischer Herkunft. Er befasst sich ferner mit politischen Themen, wie etwa der Freilassung Öcalans und der Verbesserung dessen Haftsituation sowie der Lösung der „kurdischen Frage“, die für sich betrachtet noch nicht den Schluss einer Identifizierung oder Solidarisierung mit der PKK zulassen. In den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzberichten des Landes Baden-Württemberg wird dieser Verein nicht ausdrücklich aufgeführt. Letzteres bedeutet aber allenfalls, dass von diesem keine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht. Die Berichte des LfV vom 02.08.2006 und 27.10.2009 mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ergänzungen zeigen jedoch, dass der Verein seit seiner Gründung tatsächlich in erheblichem Maße auch als Plattform für die PKK fungiert, deren terroristische Ziele befürwortet und deren Gedankengut aktiv verbreitet. Hierbei handelt es sich nicht um Aktionen von Einzelpersonen oder Splittergruppen unter missbräuchlicher Ausnutzung der Vereinsstruktur, vielmehr ist der Verein insgesamt auch auf die Unterstützung der PKK ausgerichtet.
44 
Nach den vom LfV aufgelisteten Erkenntnissen organisiert der Mesopotamische Kulturverein S... alljährlich Veranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Gründung der PKK, entweder in den eigenen Vereinsräumen (so z.B. am 26.11.2000 und 25.11.2001) oder als Großveranstaltung in gesondert angemieteten Räumlichkeiten (so etwa am 22.11.2009 in einem Kulturhaus mit ca. 1.500 Personen). Ebenso wird über Veranstaltungen zum Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK (15.08.) in Gestalt einer Feier in den Räumen des Vereins (14.08.2005 sowie 15.08.2008) oder durch ein vom Verein organisiertes Picknick (am 16.08.2009) und auch über Veranstaltungen zum Jahrestag des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland berichtet. Die enge Verbindung des Vereins mit der PKK wird vor allem auch darin deutlich, dass kontinuierlich immer wieder PKK-Funktionäre aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in den Räumen des Vereins auftreten, die sich spezifischer PKK-Themen annehmen, so etwa bei der internen Versammlung auf Gebietsebene - sog. Volksversammlung - am 16.04.2000, bei der es unter anderem um die Auswirkungen des Einmarsches türkischer Soldaten in den Nordirak auf die PKK und insbesondere die Kämpfer der ARGK (heute HPG) ging. Ähnlich im Ablauf waren etwa auch schon die Veranstaltungen vom 08.06.1997 (Bericht des PKK-Regionalleiters Baden über die Erfolge der ARGK anlässlich der Eröffnungsfeier des Vereins) oder vom 19.04.1998 (PKK-Volksversammlung mit Beiträgen des PKK-Regionalleiters Baden über die „Taktik“ der türkischen Regierung, die Moral innerhalb der PKK durch gezielte Falschinformationen hinsichtlich des Kriegsverlaufs zu untergraben). Derartige Volksversammlungen stellen ein Mittel der konspirativen Betätigung der PKK unter dem Vereinsverbot dar, um dezentrale Strukturen zur Mobilisierung der Anhänger der PKK zu schaffen (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54). Zu nennen sind weiter aus den Mitteilungen des LfV die Versammlung am 11.03.2001, die die aktuelle Lage der PKK einschließlich deren finanzieller Situation thematisierte; der Bericht eines früheren Aktivisten der ARGK am 22.04.2001 über seine Eindrücke vom dortigen Leben; die Schilderung eines ehemaligen Guerilla-Kämpfers über seine Eindrücke aus den Kandil-Bergen am 30.08.2008 oder die Ausrichtung der Volksversammlung am 14.05.2006 mit einer Rede des damaligen Leiters des PKK-CDK-Sektors Süd Muzaffer Ayata über die Funktion der Volksgebietsräte (siehe hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). In seinem Bericht vom 27.10.2009 führt das LfV auch aus, dass bei der Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 10.06.2001 die schlechte finanzielle Situation des Vereins ein Thema war und erläutert wurde, dass ein erheblicher Teil der hohen Kosten für die Renovierung die PKK übernommen habe. Hervorzuheben sind ferner - wie in den Berichten des LfV im Einzelnen dargelegt - die kontinuierlich in den Vereinsräumen stattfindenden Veranstaltungen zum Gedenken an sog. Märtyrer, d. h. vor allem für gefallene Kämpfer und Selbstmordattentäter, wobei an diesen Veranstaltungen auch Funktionäre der PKK oder CDK (letztere ist eine Nachfolgeorganisation der vom PKK-Verbot umfassten Nationalen Befreiungsfront Kurdistans - ERNK -) teilnehmen. Im Rahmen des Gedenkens an PKK-Märtyrer wird auch über die Ehrung von Frontarbeitern der PKK für ihre Tätigkeit berichtet (so für den 29.03.2009). Wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, sind solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts auch von PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (vgl. hierzu Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55 mwN). Schließlich tritt der Mesopotamische Kulturverein als Veranstalter von Demonstrationen oder Mahnwachen auf, um etwa gegen die Verhaftung von KONGRA-GEL-Funktionären oder das PKK-Verbot oder - wie in der Zeit vom 01. bis 04.05.2002 - gegen die (befürchtete) Aufnahme der KADEK als Nachfolgeorganisation der PKK in die EU-Terrorliste zu protestieren.
45 
Nach Überzeugung des Senats sind diese vom LfV mitgeteilten konkreten und detaillierten Erkenntnisse über den Mesopotamischen Kulturverein, die der Kläger im Übrigen im Verfahren nicht substantiiert in Frage gestellt hat, zutreffend. Er ist sich dabei dessen bewusst, dass diese Erkenntnisse zu einem erheblichen Teil auf den Angaben von „Quellen“ beruhen. Aufgrund des konkreten Verfahrens der Erkenntnisgewinnung, das der Zeuge des LfV in der mündlichen Verhandlung erläutert hat (siehe dazu näher nachfolgend b.), bestehen jedoch keine Bedenken gegen deren Verwertung - zumal diese durch andere gewichtige Tatsachen gestützt werden. Ein erheblicher Teil der Veranstaltungen wurde - wie in den Berichten des LfV kenntlich gemacht - in der „Özgur Politika“ und der „Yeni Özgur Politika“ aufgegriffen (siehe im Übrigen zur Einordnung der „Özgur Politika“ als Sprachrohr der PKK VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2011 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 63). Auch Polizeierkenntnisse werden als Beleg herangezogen. Dass der Verein die PKK unterstützt und sich mit ihren Zielen identifiziert, zeigt ferner die Auswertung der vom Senat beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stuttgart 7 Js 101646/04. Am 09.11.2004 war in den Vereinsräumen eine ca. zwei Meter lange Fahne des KONGRA-GEL deutlich von außen sichtbar aufgehängt. Bei der Durchsuchung am 15.12.2004 hing an deren Stelle eine ERNK-Fahne. In den Räumen des Vereins wurden Propagandapublikationen in Form von Büchern, Broschüren und plakatähnlichen Druckwerken - teilweise in größeren Stückzahlen - aufgefunden. Zu nennen sind beispielsweise Plakate mit der Aufschrift „Schluss mit dem PKK-Verbot“, Transparente der PJA (Frauenorganisation der PKK) und Transparente und Fahnen der YCK (Jugendorganisation der PKK), von Abdullah Öcalan verfasste Bücher, Broschüren mit Symbolen der PKK, Kadek, KONGRA-GEL oder der ERNK sowie Publikationen, die der Verbreitung des Gedankenguts der PKK dienen, und in denen beispielsweise Selbstmorde für die PKK verherrlicht und als Heldentaten gepriesen werden. Die Auswertung der SIM-Karte des damaligen Vorsitzenden des Vereins enthielt die Telefonnummer des PKK-Funktionärs Muzaffer Ayata, der in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins verkehrt. Dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit Verfügung von 30.05.2008 das Ermittlungsverfahren gegen den damaligen Vorstandsvorsitzenden wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO eingestellt hat, steht der Verwertung der Erkenntnisse aus der Durchsuchung nicht entgegen.
46 
Im Übrigen lässt sich die PKK-Nähe des Vereins auch aus dem Umstand ersehen, dass dieser jedenfalls seit dem 02.08.2004 Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ ist. Eine aktive Verbindung zwischen beiden lässt sich nicht nur daraus entnehmen, dass anlässlich der Durchsuchung der Räume des Mesopotamischen Kulturvereins am 15.12.2004 ein Flugblatt des Vorstand der YEK-KOM aufgefunden wurde, das unter anderem zu Treffen der Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen kurdischen „nationalen“ Vereine in ganz Deutschland aufrief (siehe im Einzelnen Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart - Dezernat Staatsschutz - vom 19.01.2005), oder den Berichten des LfV zufolge bei der Veranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 09.10.2000 zum Thema „Erinnerung an die Flucht aus Syrien von Öcalan am 09.10.1998 und deren Folgen“ Flugblätter der YEK-KOM verteilt wurden, sondern auch aus dem Umstand, dass Vertreter der YEK-KOM beim Verein auftreten, so deren Vorsitzender Ahmet Celik bei einer Gedenkveranstaltung des Mesopotamischen Kulturvereins am 21.10.2008 für die „Gefallenen des Kurdischen Befreiungskampfes“. Im Übrigen bestand über finanzielle Zuschüsse an den Verein eine Verbindung zwischen der YEK-KOM und dem Mesopotamischen Kulturverein schon im Jahre 2000 (siehe näher VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 -juris Rn. 63). Zur YEK-KOM hat der Senat hat in seinem Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 47 ausgeführt:
47 
„Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
48 
Zwar ist dem Arbeitsprogramm der YEK-KOM aus dem Jahre 2008 und in der Fassung vom 20.02.2011 (das jeweils aktuelle Programm ist auch auf der Homepage der YEK-KOM unter www.yekkom.com abrufbar) zu entnehmen, dass sich diese für eine friedliche demokratische Lösung der Kurdenfrage in Richtung auf eine Selbstverwaltung der Kurden innerhalb des türkischen Staates einsetzt und sich vor allem auch der allgemeinen Situation von Kurdinnen und Kurden einschließlich der Migrationsprobleme annimmt. Bei der Würdigung der - von der YEK-KOM ausdrücklich so bezeichneten - Selbstdarstellungen ist aber einzustellen, dass auch diese Organisation bestrebt ist, ein öffentliches Erscheinungsbild zu verbreiten, das so gestaltet ist, dass nicht mit Rücksicht auf eine deutliche Nähe zur PKK Exekutivmaßnahmen deutscher Behörden ausgelöst werden, und deshalb ihre Publikationen hierauf ausrichtet. Im Übrigen schließt die Verfolgung allgemeiner politischer Ziele, wie etwa die von YEK-KOM geforderte freie Benutzung der kurdischen Sprache in der Türkei, die Feststellung nicht aus, dass YEK-KOM auch die Ziele der PKK unterstützt, indem etwa die terroristischen Ziele und Aktivitäten der PKK positiv bewertet, befürwortet und verbreitet werden. Wenn insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert wird, so soll damit deren ungehinderte Betätigung in Deutschland wieder ermöglicht und damit deren auch terroristische Ziele und Aktivitäten tragende Basis verbreitert und gestärkt werden.
49 
Das auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtete Handeln der Vereinigung ist für den Kläger erkennbar gewesen (zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 -1 C 13.10 -juris Rn. 23) und ihm zuzurechnen. Der im Jahre 2000 dem Verein beigetretene Kläger ließ sich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins am 23.07.2000 als Beisitzer in den Vorstand wählen und wurde nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung danach ein zweites Mal für ein Jahr in den Vorstand gewählt. Die Tatsache der Vorstandstätigkeit ist bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt worden. Allein schon aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied ist ihm diese Unterstützung zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - juris zu § 11 StAG). Der Kläger hat auch nach Ende seiner Vorstandstätigkeit als einfaches Mitglied des Mesopotamischen Kulturvereins dessen oben dargestellte Zielsetzung, die sich unter Berücksichtigung der Angaben des LfV bis heute nicht geändert hat, weiter unterstützt. Bei der Durchsuchung in den Räumen des Vereins am 15.12.2004 wurde eine Mitgliederliste mit Stand 01.07.2004 gefunden, die den Kläger seit dem Jahr 2000 als Mitglied ausweist. Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ist diese Mitgliedschaft ausdrücklich eingeräumt worden. Er unterschrieb sowohl am 02.02.2003 als auch am 17.04.2005 als Protokollführer das Protokoll der Mitgliederversammlung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bekundet, ab 2000 bis 2005 beim Verein ein- und ausgegangen zu sein, dies für die Zeit danach jedoch abgestritten. Der Senat ist allerdings aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass der Kläger auch über diesen Zeitpunkt hinaus mindestens bis Mitte 2009 aktiv am Vereinsgeschehen teilgenommen hat und sich nur unter dem Eindruck des Ausweisungsverfahrens nunmehr zurückhält (siehe nachfolgend b. und c.).
50 
b.) Der Kläger hat durch die kontinuierliche Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt. Er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die - wie ihm auch erkennbar gewesen ist - darauf ausgerichtet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Dies gilt insbesondere für die Teilnahme an den Wahlen zum Volksgebietsrat und die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich seiner Vorstandsfunktion im Mesopotamischen Kulturverein.
51 
Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 31.05.2001 eine Kundgebung geleitet hat, bei der er gegen mit der PKK zusammenhängende Symbole nicht eingeschritten ist, und am 10.07.2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet hat (aa.), die Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK am 30.11.2008 besucht (bb.) und am 04.02.2007 und 01.02.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat (cc.), bei Veranstaltungen von KONGRA-GEL-Anhängern am 24.02.2008 und 07.06.2009 war (dd.) sowie an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und 26.04.2009 teilgenommen hat, wobei er bei der erstgenannten Versammlung zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist (ee.). Die konkreten Ausrichtungen der jeweiligen Veranstaltungen, die dem Kläger nicht verborgen bleiben konnten, lassen den Schluss zu, dass der Kläger die PKK unterstützt hat. Soweit das Regierungspräsidium dem Kläger auch den Besuch an einer Podiumsdiskussion unter Mitwirkung von Günay Aslan am 25.02.2007 vorhält, kann allerdings aus den Inhalten dieser Veranstaltung nicht geschlossen werden, dass der Kläger auch hierdurch die PKK unterstützt hat (ff.).
52 
Die Feststellungen und Würdigungen des Senats beruhen auf den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen, aus der Einlassung des Klägers sowie den in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen. Hierbei handelt es sich um den Schwager des Klägers, der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats Stuttgart gewählt wurde, und um einen Mitarbeiter des LfV, der über Angaben einer Quelle berichtet hat. Weitere (unmittelbare) Zeugen haben dem Senat nicht zur Verfügung gestanden. Die Ehefrau des Klägers hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht; andere Zeugen, die sich in der Sache hätten äußern können, sind weder benannt worden noch ersichtlich. Der vernommene Mitarbeiter des LfV ist nicht der unmittelbare Führer dieser Quelle. Aus Quellenschutzgründen wurde die Identität der Quelle nicht offen gelegt. Der unmittelbare Quellenführer stand als Zeuge nicht zur Verfügung. Auch wurden - trotz Aufforderung durch das Gericht - keine schriftlichen Aufzeichnungen vorgelegt. Diese Praxis ist dem Senat aus vergleichbaren Verfahren bekannt. Bei der Würdigung der Aussagen des Mitarbeiters des LfV hat sich der Senat von folgenden in seinem Urteil vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - juris Rn. 49 § 11 satz 1 nr. 1 stag> dargestellten Überlegungen leiten lassen:
53 
„Erkenntnisse des LfV, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als Zeugenaussage vom Hörensagen in den Prozess eingeführt werden, können zwar grundsätzlich verwertet werden. Allerdings darf die in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes auch dann nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden, wenn eine Behörde sich gegenüber dem Auskunftsbegehren eines Bürgers auf Geheimhaltungsgründe beruft und sich diese Gründe gerade auch auf die allein als Beweismittel in Betracht kommenden Verwaltungsvorgänge beziehen, in denen die für das Verwaltungsverfahren und sein Ergebnis relevanten Sachverhalte dokumentiert sind (vgl. grundlegend zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss vom 27.10.1999 - 2 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106, 121 ff.). Soweit in einem derartigen Fall die Effektivität des Rechtsschutzes von der Offenlegung der Verwaltungsvorgänge abhängt, muss das Gericht grundsätzlich die tatsächlichen Grundlagen selbst ermitteln und seine rechtliche Auffassung unabhängig von der Verwaltung, deren Entscheidung angegriffen ist, gewinnen und begründen. Ist dies wie hier nicht möglich, muss das durch die Geheimhaltung entstehende Rechtsschutzdefizit im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeglichen werden (Hamb. OVG, Urteil vom 07.04.2006 - 3 Bf 442/03 - NordÖR 2006, 466). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines sogenannten Zeugen vom Hörensagen besonderen Anforderungen unterliegt, die aus dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sich die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Das Gericht muss sich der Gefahren der beweisrechtlichen Lage, also vor allem der besonderen Richtigkeitsrisiken in Ansehung anonym gebliebener Personen, deren Wissen durch einen Zeugen vom Hörensagen eingeführt wird, sowie der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Überzeugungsbildung bewusst sein (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50 und Urteil vom 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - juris Rn. 37). Die Aussage eines Zeugen vom Hörensagen wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsache noch andere Anhaltspunkte gibt (BVerwG, Beschluss vom 22.10.2009 - 10 B 20/09 - juris Rn. 4 und Beschluss vom 05.03.2002 - 1 B 194/01 - juris Rn. 4 mit ausdrücklichem Hinweis auf BVerfGE 57, 250, 292). Nach der zum Strafrecht entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen die Angaben des Gewährsmanns regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach Überzeugung des Fachgerichts wichtige, ihrerseits beweiskräftig festgestellte Gesichtspunkte bestätigt werden (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 -BVerfGE 57, 250, 292 ff.; BVerfG <2. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448; BVerfG <1. Kammer des 2. Senats>, Beschluss vom 05.07.2006 - 2 BvR 1317/05 - NJW 2007, 204). Die strafgerichtliche Rechtsprechung und Literatur verlangt daher regelmäßig „zusätzliche Indizien von einigem Gewicht“ (vgl. näher BGH, Beschluss vom 08.05.2007 - 4 StR 591/06 - juris Rn. 2; Beschluss vom 19.06.1996 - 5 StR 220/96 - juris Rn. 3 ff; Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2008, § 250 Rn. 13; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl. 2009, § 46 Rn. 33 f.; Detter, Der Zeuge vom Hörensagen - eine Bestandsaufnahme, NStZ 2003, 1, 4). Diese zum Strafrecht entwickelten Prinzipien können als Ausdruck des Rechts auf faires Verfahrens auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herangezogen werden (Sodan/Ziekow, 3. Aufl. 2010 § 96 Rn. 38; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris Rn. 50).“
54 
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt wie folgt dar:
55 
aa.) Nach polizeilichen Erkenntnissen war der Kläger am 31.05.2001 - und damit im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Vorstandstätigkeit - in S... Leiter einer Kundgebung des Mesopotamischen Kulturvereins zum Thema „Die Zeit ist reif für Demokratie und Freiheit“. Bei der Veranstaltung wurden Bilder Öcalans sowie Fahnen der ERNK gezeigt, wogegen der Kläger nicht einschritt. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (4 Js 43599/01) stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Der Kläger hat mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 eingeräumt, diese Kundgebung geleitet zu haben, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sich hingegen zunächst dahingehend eingelassen „nie und niemals eine Kundgebung geleitet zu haben“. Auf mehrfachen Vorhalt der aktenkundigen polizeilichen Erkenntnisse und des Schreibens vom 30.06.2010 sowohl durch den Senat als auch durch seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger lediglich vorgebracht, sich nicht mehr erinnern zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Feststellungen der Polizei zur Veranstaltung vom 31.05.2001 zutreffend sind - zumal sie durch das Schreiben vom 30.06.2010, das auf einer entsprechenden Erklärung des Klägers gegenüber seinen Anwälten basieren muss, bestätigt sind. Dieses wird insoweit durch „Erinnerungslücken“ des Klägers nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der Kläger beruft sich in diesem Schreiben allerdings darauf, es könne ihm nicht angelastet werden, dass bei der ordnungsgemäß angemeldeten und genehmigten Kundgebung einzelne Teilnehmer die genannten Bilder und Fahnen geschwenkt hätten; die Unterbindung dieser Aktionen sei nicht seine Aufgabe, vielmehr hätten die Ordnungskräfte dafür Sorge tragen müssen, solche Vorkommnisse zu vermeiden. Die Tatsache, dass der Kläger gegen diese Symbole nicht eingeschritten ist, lässt aber vor allem mit Blick auf seine Aktivitäten im Mesopotamischen Kulturverein den Schluss dahingehend zu, dass er sich als Versammlungsleiter einer Kundgebung dieses Vereins unverkennbar mit den auf die Unterstützung der PKK gerichteten Zielen identifizierte und solidarisierte. In dieses Bild passt auch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001, die der Kläger - allerdings mit Hinweis darauf, dies habe im Rahmen der durch Art. 5 GG gewährten Meinungsfreiheit stattgefunden - mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2006 zugestanden hat.
56 
bb.) Der Kläger nahm am 30.11.2008 an der Feier zum 30. Gründungsjahrestag der PKK im Kulturhaus A... in S... teil. Dies hat er in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 und 16.11.2010 eingeräumt. Wie das LfV unter dem 23.09.2009 mitgeteilt hat, hätten in der Halle unter anderem Bilder von Öcalan sowie mehreren PKK-Märtyrern und eine Fahne der früheren PKK-Propagandaorganisation ERNK gehangen. Ein Redner habe zur Geschichte der PKK referiert. Im Anschluss daran sei der getöteten Märtyrer dieser Organisation mit einer Schweigeminute gedacht worden. Während der Veranstaltung, die um 13 Uhr begonnen habe und von ca. 2.000 Personen besucht worden sei, seien Parolen wie „Hoch lebe der Führer Apo“ und „PKK“ skandiert worden. Für die Veranstaltung sei am 18. und 28.11.2008 in der Yeni Özgur Politika und am 28.11.2008 bei ROJ-TV (kurdischer TV-Sender) geworben worden. Die in der YÖP vom 28.11.2008 abgedruckte Einladung - überschrieben mit „das 30. Jahr feiern wir“ - weist als Programm verschiedene Künstler und Reden aus.
57 
Der Kläger hat den vom LfV mitgeteilten Inhalt der Veranstaltung und ihren organisatorischen Rahmen nicht bestritten. Er hat allerdings darauf verwiesen, die Veranstaltung sei ordnungsgemäß angemeldet und genehmigt worden; im Programm dieser Veranstaltung seien diverse kurdische Künstler angekündigt worden, aufgrund deren Auftritte er dort gewesen sei; dass vereinzelte Teilnehmer Fahnen geschwenkt und Parolen gerufen hätten, könne ihm nicht angelastet werden. Er habe dieser Veranstaltung - wie viele andere Leute - beigewohnt, um in den Genuss des künstlerischen Angebots zu kommen; bei dieser Veranstaltung habe er weder applaudiert noch Parolen ausgerufen, an der Schweigeminute habe er sich nicht beteiligt. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich der Kläger dahingehend eingelassen, er sei nur dahin, um die Künstler zu hören, es bedeute nicht, dass jeder, der daran teilnehme, ein PKK’ler oder für die PKK sei.
58 
Es kommt jedoch nicht darauf an, dass sich der Kläger nach seinem Vorbringen nicht aktiv an der Veranstaltung beteiligt hat und diese nicht verboten gewesen ist. Die dort aufgestellten Bilder von Öcalan und mehreren PKK-Märtyrern, die Fahnen der ERNK sowie die gehaltene Rede zur Geschichte der PKK lassen ebenso wie der Anlass der Veranstaltung keinen Zweifel an deren Ausrichtung als Propagandaveranstaltung der PKK aufkommen. Bei dieser Eindeutigkeit wäre es völlig lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger den Charakter der Veranstaltung nicht bemerkt bzw. eigentlich missbilligt hätte. Die Person Öcalans hat nach wie vor einen Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den türkischen Staat, wie dies hier auch schon in der optischen Ausgestaltung der Veranstaltung zum Ausdruck kommt. Erst recht mit Blick auf seine jahrelange aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, der den Jahrestag der PKK-Gründung regelmäßig begeht, ist für den Kläger der Bedeutungsgehalt der Veranstaltung eindeutig erkennbar gewesen. Indem er dieser beigewohnt hat, hat er deren Zielsetzung vielmehr nach außen erkennbar gebilligt und den emotionalen und ideologischen Zusammenhalt der PKK und der mit ihr zusammenhängenden Organisationen gestärkt (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 52 ff.). Im Übrigen dienen - neben anderen „Geldquellen“ wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden - gerade auch solche Großveranstaltungen, bei denen - wie im vorliegenden Fall - Eintrittsgelder erhoben und Umsätze erzielt werden, dazu, der PKK finanzielle Mittel zu verschaffen, die für Propagandatätigkeit, den Parteiapparat sowie für die Versorgung der Guerilla-Kämpfer und deren Ausstattung mit Waffen und Munition gebraucht werden (siehe zur Finanzierung der PKK näher Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg, z.B. 2008, S. 92; 2007 S. 91 f.; 2001, S. 179). Dass die einzelne Eintrittskarte relativ preiswert gewesen ist - der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den Betrag mit 10 EUR angegeben - steht dem nicht entgegen. Auch diesem Zweck hat er zumindest durch die Zahlung der Eintrittskarte entsprochen. Dass dies für den Kläger, der aufgrund seiner Vorstandstätigkeit tiefere Einblicke in den Ablauf und Zweck solcher Veranstaltungen hatte, nicht erkennbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
59 
cc.) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass der Kläger am 04.02.2007 und 01.09.2009 an Märtyrergedenkveranstaltungen teilgenommen hat.
60 
Das LfV hat unter dem 08.10.2009 unter anderem ausgeführt, am 04.02.2007 habe in den Räumen des „Mesopotamischen Kulturvereins“ in S... ab 13 Uhr eine Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern stattgefunden, an der etwa 150 Personen teilgenommen hätten. Die hiervon namentlich von der Quelle erwähnten Besucher seien dem LfV aufgrund anderer Erkenntnisse als KONGRA-GEL-Anhänger bekannt. Es sei der „Sehitler“ („Märtyrer“) dieser Organisation gedacht worden. Ein Redner habe ausgeführt, die „Märtyrer“ seien „für uns“ gestorben. Sie dürften niemals vergessen werden. Ihr Andenken verpflichte „uns“ zum Einsatz für die kurdische Sache. Das sei ihnen versprochen worden und deshalb würden sich die Anwesenden auch bis zum Ende des Lebens dafür einsetzen. Zudem seien bei der Veranstaltung Fahrkarten nach Straßburg für eine dortige Demonstration am 10.02.2007 zum 8. Jahrestag des „Internationalen Komplotts“ (= Festnahme Öcalans am 15.02.1999) verkauft worden.
61 
Dass das LfV in seinem Bericht vom 27.10.2009 mit Datum vom 03.02.2007 ein „Erinnerungsfest“ für die im Kampf gefallenen Märtyrer erwähnt hat, das vom „Komitee der Märtyrer-Familien“ ausgerichtet worden sei (siehe hierzu auch die Übersetzung des entsprechenden Beitrags in der YÖP vom 06.02.2007), während eine Märtyrergedenkfeier mit Datum vom 04.02.2007 in diesem Bericht nicht genannt wird, stellt nicht in Frage, dass letztere tatsächlich stattgefunden hat. Zum einen war der 04.02.2007 ein Sonntag; es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch der davor liegende Samstag für eine thematisch ähnliche Veranstaltung genutzt wurde. Zum anderen enthalten die Berichte des LfV (bedingt durch dessen Arbeitsweise) nicht unbedingt eine lückenlose Auflistung aller - die PKK unterstützenden - Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins. Dies verdeutlichen etwa auch ein Abgleich der Feststellungen zu solchen Veranstaltungen im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 11.07.2002 (13 S 1111/01 - juris Rn. 63) mit den im vorliegenden Verfahren vorlegten Berichten vom 02.08.2006 und 27.10.2009, die auch Zeiträume erfassen, die Gegenstand dieses Urteils waren. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 ausdrücklich eingeräumt hat, an der Veranstaltung am 04.02.2007 teilgenommen zu haben. Der vom LfV detailreich geschilderte Ablauf ist mit diesem Schriftsatz nicht in Frage gestellt worden. Der Kläger hat darin lediglich geltend gemacht, er habe weder applaudiert noch irgendwelche Parolen gerufen. Er habe nur den gehaltenen Reden zugehört.
62 
Nach den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 16) hat sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht jedoch dahingehend eingelassen, dass an diesem Tag Angehörige im Mesopotamischen Kulturverein einer Verstorbenen gedacht hätten. Die Angehörigen hätten für die Teilnehmer ein Essen ausgerichtet. Bei den Kurden sei es üblich, dass der Verstorbenen gedacht würde. Für ihn seien die Werte seines Volkes sehr wichtig. Hierzu zähle auch, der Toten zu gedenken und zu beten. Da er die Angehörigen der Verstorbenen kenne, sei er zu dieser Gedenkfeier gegangen und habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er habe mit den Angehörigen zusammen gegessen und sei dann wieder gegangen. An eine bei der Veranstaltung gehaltene Rede könne er sich nicht erinnern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei am 04.02.2007 zufällig im Verein gewesen und habe gesehen, dass dort Angehörige einem Toten gedacht hätten, er habe ihnen sein Beileid ausgesprochen. Er glaube, es sei ein Mann gewesen, der in der Türkei verstorben sei. Er sei nur etwa eine halbe Stunde anwesend gewesen, während dieser Zeit habe es keine Rede gegeben.
63 
Die Angaben des Klägers vor dem Verwaltungsgericht und dem Senat sind widersprüchlich und ungereimt. Nach seiner Einlassung beim Verwaltungsgericht habe es sich bei der Toten um eine Frau gehandelt; gegenüber dem Senat sprach er von einem Verstorbenen. An Einzelheiten - etwa wer der Tote gewesen sei - will er sich nach seinen Angaben vor dem Senat nicht erinnern können. Damit passt aber nicht zusammen, dass er sein angeblich spontanes Verbleiben genau auf eine halbe Stunde datierte, obwohl dieses Ereignis mehr als fünf Jahre zurückliegt. Der Senat ist auch aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass die Art und Weise der Einlassung im gerichtlichen Verfahren allein bezweckt, den wahren Charakter der Veranstaltung zu verschleiern. Insoweit misst der Senat der früheren Äußerung im Schriftsatz vom 16.11.2010, die auch noch nicht unter dem Eindruck eines bestimmten Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens erfolgte, besondere Bedeutung zu. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Kläger keine plausible Erklärung für seine nunmehr abweichende Darstellung gegeben hat.
64 
Am 01.02.2009 ist der Kläger ebenfalls Teilnehmer einer Märtyrergedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Dabei sei - wie das LfV unter dem 23.12.2009 ausgeführt hat - eine Guerilla-Angehörige in einem Vortrag als „Heldin“ gepriesen worden, die sich aus Protest über die Isolationshaft Öcalans 2006 selbst verbrannt habe. Die Gedenkfeier habe von etwa 15 Uhr bis 16 Uhr gedauert. Ungefähr 50 Personen hätten sich hierfür in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... versammelt. Hinsichtlich der KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises werde auf die Ausführungen zu der Veranstaltung vom 04.02.2007 verwiesen.
65 
Im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.06.2010 ließ sich der Kläger dahingehend ein, er habe am 01.02.2009 eine in den Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins abgehaltene Kondolenzveranstaltung besucht. Er sei zum Zweck des Kondolierens dort gewesen. Der dort abgehaltene Vortrag könne ihm nicht angelastet werden. Aus dieser Einlassung ergibt sich aber nicht nur, dass die Tatsache der Veranstaltung nicht bestritten wird, sondern auch, dass deren konkret geschilderter Verlauf mit seinem Vortrag nicht in Abrede gestellt wird; lediglich der Ausrichtung der Veranstaltung wird entgegengetreten. Im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.11.2010 heißt es dann, der Kläger lasse bestreiten, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger ausgeführt, er sei nicht bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 gewesen. Auf Vorhalt, dass im Anwaltsschreiben vom 30.06.2010 ausdrücklich ausgeführt worden sei, er habe an dieser Veranstaltung teilgenommen, hat der Kläger zunächst überhaupt nicht geantwortet. Erst auf Frage seiner Prozessbevollmächtigten, ob er vielleicht etwas durcheinander bringe, hat er dies bejaht und sich im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf berufen, er könne sich nicht erinnern.
66 
Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einlassung im Schriftsatz vom 30.06.2010 zur Teilnahme an einer Veranstaltung am 01.02.2009 zutrifft. Diese Ausführungen können nur auf den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber seinen Rechtsanwälten beruhen und stehen mit der erstmaligen Vorhaltung der Teilnahme an dieser Veranstaltung in näherem zeitlichem Zusammenhang. Für diese Bewertung spricht ebenfalls, dass der Kläger weder im Schriftsatz vom 16.11.2010 noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar erklärt hat, warum er nunmehr eine andere Schilderung abgibt.
67 
Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei dieser Veranstaltung vom 01.02.2009 ebenso wie bei derjenigen vom 04.02.2007 nicht um ein bloßes Gedenken an einen Toten, um ein würdevolles Abschiednehmen und Kondolieren mit einer (Trauer-) Feier gehandelt hat, sondern um Zusammenkünfte bei denen mit dem Ziel der Unterstützung des Guerillakampfes ein Heldengedenken und ein Märtyrerkult im Hinblick auf gefallene Kämpfer oder in sonstiger Weise für „die Sache“ Verstorbene betrieben werden.
68 
Die Feststellung, dass es sich - entgegen der Einlassung des Klägers - bei der Veranstaltung vom 01.02.2009 nicht um eine „normale“ Trauerfeier gehandelt hat, sondern um eine Märtyrergedenkveranstaltung zum Jahrestag einer HPG-Angehörigen, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe, beruht auf den in der mündlichen Verhandlung übergebenen schriftlichen Ergänzungen zu den Berichten des LfV vom 27.10.2009 und 02.08.2006 sowie dem Bericht vom 15.06.2011, in denen die Gedenkveranstaltung aus Anlass des 3. Jahrestags der Selbstverbrennung der Märtyrerin Viyan Soran am 01.02.2009 aufgeführt und näher beschrieben ist, und gegen die der Kläger keine Einwendungen vorgebracht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV.
69 
Der Senat ist sich dessen bewusst, dass der vernommene Mitarbeiter des LfV nach der Quelle und dem Quellenführer der „3. Mann“ in der Kette denkbarer Auskunftspersonen ist und daher dessen Bekundungen mit einem dem immanenten Unsicherheitsfaktor behaftet sind. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie dies für den Einsatz einer Quelle des Verfassungsschutzes typisch ist - die Berichte der Quelle an den Quellenführer mündlich erfolgen, dies regelmäßig auch nicht sofort nach der Veranstaltung, über die berichtet wird, geschieht und die Erstellung der schriftlichen Fassung durch den Quellenführer dann nochmals Zeit benötigt, wobei dies üblicherweise einige Tage betragen kann. Diese Verfahrensabläufe ergeben sich aus den Bekundungen des Mitarbeiters des LfV in der Berufungsverhandlung. Sie sind dem Senat im Übrigen aus anderen Verfahren mit Quellen des LfV bekannt. Der Senat geht auch davon aus, dass der Quellenführer die Angaben der Quelle nicht in dessen Beisein auf einen Tonträger aufnimmt oder diese gar an Ort und Stelle sofort schriftlich niederlegt. Der Senat hält es ferner nicht für plausibel, dass - wie der Mitarbeiter des LfV dies in der mündlichen Verhandlung als eventuell möglich angedeutet hat - es auch sein könnte, dass die schriftliche Aufzeichnung des Quellenführers nochmals mit der Quelle abgestimmt wird. Ein solches Prozedere zur Reduktion von Fehlern ist - wie der Senat aus vergleichbaren Verfahren weiß - jedenfalls nicht üblich.
70 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsschutz aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben gerade in der streitgegenständlichen „Szene“ auf den Einsatz von dort aktiven Quellen zur Ermittlung von Sachverhalten angewiesen ist, und die Aufrechterhaltung der Anonymität der Quelle hierbei von zentraler Bedeutung ist. Aus Gründen des Quellenschutzes hat der Zeuge des LfV nichts offenbart, was in irgendeiner Weise einen Rückschluss auf die Identität der Quelle und deren Arbeitsweise zulassen würde; die Quelle ist daher ein in jeder Hinsicht unbekannter Faktor, deren Glaubwürdigkeit vom Senat nicht selbst beurteilt werden kann. Der Zeuge hat aber im Einzelnen nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, wie durch entsprechende Lichtbildvorlagen sichergestellt ist, dass die Quelle den Kläger einwandfrei identifiziert hat, und welche Maßnahmen das LfV - auch im vorliegenden Fall - zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Quellen praktiziert. Er hat im Einzelnen weiter ausgeführt, dass es im konkreten Fall keine Hinweise darauf gebe, dass die Quelle jemals in irgendeiner Weise falsch berichtet hätte, was im Übrigen dazu führen würde, dass keine Erkenntnisse mehr mitgeteilt würden, die von dieser Quelle herrührten und bereits übermittelte Erkenntnisse zurückgezogen würden. Dies deckt sich mit den Fakten, die dem Senat aus anderen Fällen bekannt sind.
71 
Dies insgesamt berücksichtigend ist der Senat der Überzeugung, dass die Berichte der Quelle über die Veranstaltung vom 01.02.2009, aber auch was die über den Kläger insgesamt mitgeteilten sonstigen Erkenntnisse betrifft, zutreffend sind. Dies gilt vor allem deshalb, weil es im vorliegenden Fall besonders gewichtige Fakten gibt, die die „Quellenbekundungen“ stützen. Dass die Quelle den Kläger sicher identifizieren kann, belegt der Umstand, dass diese den Kläger als Teilnehmer der PKK-Gründungsfeierlichkeiten zum 30. Jahrestag benannt hat, einer Veranstaltung, die von ca. 2.000 Personen besucht worden ist, und der Kläger seine Anwesenheit dort zugestanden hat. Die Anwesenheit des Klägers bei der Feier zum Jahrestag der PKK-Gründung mit den dort gezeigten Bildern von Märtyrern verdeutlicht zugleich, dass dem Kläger die Beteiligung an Veranstaltungen, bei denen es (auch) um die „Erinnerung“ an Märtyrer geht, nicht fremd ist. Hinzukommt, dass der Mesopotamische Kulturverein aktenkundig seit 1997 immer wieder der Märtyrer gedenkt und besondere Feiern hierzu ausrichtet; die Veranstaltung vom 01.02.2009 passt in diese Konzeption. Dem Kläger muss schon aufgrund seiner Vorstandstätigkeit und aktiven Mitgliedschaft - nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist er in den Jahren 2000 bis 2005 im Verein ein- und ausgegangen - diese Tatsache ebenso wie der konkrete Charakter einer solchen Veranstaltung bekannt gewesen sein.
72 
Nach der Stellungnahme des LfV vom 15.06.2011 handelt es sich bei den Märtyrern vor allem um gefallene HPG-Kämpfer/Guerillas, Selbstmordattentäter oder Selbstmörder, wobei insbesondere die Selbstverbrennung als heldenhaft gelte, um auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Es gebe bei den von PKK-nahen Vereinen veranstalteten Märtyrergedenkfeiern grundsätzlich zwei unterschiedliche Arten: Zum einen diejenigen, die fest im Kalender der Organisation verankert seien und jährlich wiederkehrend um einen bestimmten Termin herum gefeiert würden, zum anderen diejenigen, die aus aktuellem Anlass oder nur in bestimmten regionalen Zusammenhängen begangen würden. Weitere Märtyrergedenkfeiern richteten sich zumeist nach den Jahrestagen von Todestagen herausragender Aktivisten oder besonderer Ereignisse, wenn z.B. mehrere Kämpfer bei einer illegalen Aktion umgekommen seien. Diese Gedenkfeiern würden meist nicht regelmäßig jedes Jahr begangen. Oft orientierten sich die PKK-nahen Vereine hier an entsprechenden Veröffentlichungen z.B. in der Yeni Özgur Politika oder daran, ob eine im Verein aktive Familie einen Märtyrer in früherer Zeit zu beklagen gehabt habe. Auch tatsächliche aktuelle Trauerfälle - weil beispielsweise ein Mitglied einer hier lebenden Familie als PKK-Guerilla gefallen sei - könnten der Anlass solcher Feiern sein. Bei der Märtyrergedenkfeier vom 01.02.2009 handele es um eine solche, die sich am Jahrestag des Todestags der herausragenden Aktivistin Leyla Welid Hüseyin bzw. Leyla Wali Hasan orientiere, einer HPG-Angehörigen mit dem Decknamen „Viyan Soran“, die sich am 01.02.2006 aus Protest gegen die „Isolationshaft“ von Öcalan selbst verbrannt habe. Für die Feier vom 04.02.2007 gelte ebenfalls, dass diese eben keine private Familienfeier sei, sondern dass das Gedenken in diesem Rahmen auch der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls diene. Die Tatsache, dass bei Märtyrergedenkveranstaltungen häufig eine Rede mit entsprechender PKK-Propaganda gehalten werde, verdeutliche, dass die Angehörigen eines Märtyrers, aber auch andere Besucher darin bestärkt werden sollen, dass der Märtyrer das Richtige getan habe und man ihm nacheifern müsse.
73 
Der Senat teilt die Einschätzung des LfV, dass diese Veranstaltungen das Gedenken an sog. „Sehitler“ (dt: „Märtyrer“) instrumentalisieren. Die Botschaft, es sei ehrenvoll so wie die Märtyrer zu handeln, soll vermittelt werden - vor allem mit dem Ziel der Rekrutierung von Nachwuchskämpfern, aber auch um die Anhänger an die Organisation zu binden und Unterstützer für die eigene Sache zu gewinnen. Die Veranstaltungen dienen der Verherrlichung des Todes im Einsatz für die PKK und deren Ziele. Mit diesen Veranstaltungen wird ein emotionales (und auch materielles) Unterstützerfeld für die PKK geschaffen, das ständig aktualisiert und am Leben gehalten werden soll. Die Märtyrergedenkveranstaltungen sind ein wesentlichen Element zur Herstellung eines engen ideologischen und gefühlsmäßigen Zusammenhalts unter Einbeziehung auch der PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (siehe zum Märtyrerkult der PKK Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 55; auch BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris Rn. 46 ff.). Mit dem Besuch dieser Veranstaltungen am 04.02.2007 und 01.02.2009, deren Ausrichtung für den Kläger aufgrund seiner politischen Biographie zumindest ohne weiteres erkennbar gewesen ist, hat er die PKK unterstützt. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger allein aus geselligen Gründen zufällig in diese Veranstaltungen geraten sein könnte. Diese Bewertungen würden im Übrigen selbst dann gelten, wenn man es für denkbar halten würde, dass der Kläger im Jahre 2007 tatsächlich das „Erinnerungsfest für Märtyrer“ am 03.02. besucht hätte. Die - erkennbare - Ausrichtung dieser Veranstaltung (siehe hierzu den Bericht in der Yeni Özgur Politika vom 06.02.2007) entspricht dem vorstehend Dargelegten.
74 
dd.) Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass der Kläger durch den Besuch von Veranstaltungen am 24.02.2008 und 07.06.2009, mit deren Ausgestaltung und Ablauf erkennbar für die Ziele der PKK geworben und ein entsprechendes Sympathieumfeld am Leben gehalten werden soll, die PKK unterstützt hat.
75 
Das LfV hat unter dem 12.11.2008 und ergänzt durch Schreiben vom 08.10.2010 mitgeteilt, am 24.02.2008 sei der Kläger in den damaligen Räumlichkeiten des Mesopotamischen Kulturvereins in S... Teilnehmer einer Mitgliederversammlung von KONGRA-GEL-Anhängern gewesen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung sei zu einer Gedenkminute für die Märtyrer dieser Organisation aufgerufen wurden. Weiter habe ein Redner zu einer zahlreichen Beteiligung an den zukünftigen Demonstrationen „gegen den Einmarsch des türkischen Militärs in den Nordirak“ aufgefordert. Ein anderer Referent habe ausführlich die Ergebnisse des letzten Kongresses der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V (YEK-KOM) geschildert. Es habe sich um die Mitgliederversammlung des Mesopotamischen Kulturvereins gehandelt, der hierzu seine Angehörigen jeweils direkt einlade. Es seien 80 Personen anwesend gewesen.
76 
Nach den Erkenntnissen des LfV habe sich der Kläger am 07.06.2009 in den damaligen Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins in S... an einer Veranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern beteiligt, bei der ein Redner die Guerilla als so stark wie nie beschrieben habe. In den vergangenen Monaten hätten Tausende von Jugendlichen ihre Bereitschaft erklärt, kämpfen zu wollen, aber man würde sie derzeit noch nicht benötigen. Die nutzlosen türkischen Luftangriffe zeigten, dass eine starke Militärmaschinerie nicht ausreiche, um die Guerilla zu besiegen. Auf die „Verhaftungswelle“ von KONGRA-GEL-Funktionären in Frankreich eingehend, habe er behauptet, die Europäer inklusive der Deutschen hätten mit der türkischen Regierung schon immer „schmutzige Geschäfte“ zu Lasten der Kurden vereinbart. Die Veranstaltung habe von ca. 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr gedauert und sei von annähernd 100 Personen besucht worden. Zur Teilnahme sei in der YÖP vom 05.06.2009 eingeladen worden.
77 
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2010 sowie auch vor Gericht bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Der Senat hat jedoch aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen des LfV und der vorliegenden gewichtigen Indiztatsachen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltungen mit dem berichteten Inhalt stattgefunden haben und der Kläger bei diesen auch anwesend gewesen ist.
78 
Zwar hat der Zeuge über die bereits schriftlich übermittelten Erkenntnisse hinaus keine weiteren Details zu den Veranstaltungen vom 24.02.2008 und 07.06.2009 angegeben, insbesondere etwa zur Person des Redners hinsichtlich der Veranstaltung vom 24.02.2008 unter Hinweis auf den abgeschlossenen kleineren Kreis dieser Mitgliederversammlung und des unbedingt zu wahrenden Quellenschutzes nichts weiter preisgegeben. Unter Berücksichtigung der bereits oben dargelegten Erwägungen zur Verwertbarkeit und Würdigung der Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sieht der Senat aber keine Hinderungsgründe, seine Überzeugungsbildung auf die „Quellenangaben“ zu stützen. Die Tatsache der Veranstaltung vom 07.06.2009 und deren Ausrichtung ergibt sich aus der veröffentlichten Anzeige in der Yeni Özgur Politika vom 05.06.2009. Danach „findet auf Einladung des Mesopotamischen Kulturvereins am Sonntag, dem 07.06.2009 eine Volksversammlung statt. Dazu sind alle progressiven Menschen eingeladen“. Die Durchführung von Volksversammlungen und Mitgliederversammlungen mit den konkret beschriebenen Abläufen entspricht einer „Tradition“ des Mesopotamischen Kulturvereins, über die auch etwa in den Yeni Özgur Politika und zuvor der Özgur Politika berichtet wurde. Dass in der Versammlung vom 24.02.2008 über die Ergebnisse des letzten Kongresses der YEK-KOM informiert wurde, begegnet vor dem Hintergrund der Mitgliedschaft des Vereins in der YEK-KOM und der tatsächlichen Verflechtung zwischen beiden (siehe dazu oben unter a.) keinen Zweifeln. Wie schon oben ausgeführt ist die Quelle auch in der Lage, den Kläger sicher zu identifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies - entsprechend der Einlassung des Klägers - „alles nur böse Unterstellungen“ seien, sind nicht greifbar. Eine wesentliche Tatsache bei der Würdigung der Angaben des Zeugen vom Hörensagen ist zudem der Umstand, dass der Kläger seine Beteiligung an verschiedenen ähnlich gelagerten Veranstaltungen des Mesopotamischen Kulturvereins selbst eingeräumt hat oder durch polizeiliche Erkenntnisse feststeht, dass der Kläger Aktivitäten entfaltet hat, die zugunsten der PKK wirken, wie sein Verhalten anlässlich der Leitung der Versammlung am 31.05.2001 oder die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001.
79 
ee.) Ferner steht fest, dass der Kläger am 14.05.2006 an einer vom Mesopotamischen Kulturverein ausgerichteten Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen hat und dort zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist und am 26.04.2009 bei einer Versammlung anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats gewesen ist.
80 
Nach den Berichten des LfV habe am 14.05.2006 in der Gaststätte W. in S... von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr eine Versammlung mit 300 Personen stattgefunden, an der der Kläger teilgenommen habe. In der Yeni Özgür Politika seien am 03. und 11.05. 2006 Hinweise und Einladungen zu dieser Veranstaltung erschienen. Bei dieser Versammlung habe ein Redner über die politische Lage in den kurdischen Gebieten im Irak referiert und den USA vorgeworfen, die Türkei im Kampf gegen diese Organisation zu unterstützen. Bei diesem Redner habe es sich um den zwischenzeitlich wegen seiner Funktionärstätigkeit als Leiter des Sektors „Süd“ für die PKK durch das OLG Frankfurt verurteilten Muzaffer Ayata gehandelt. Dieser habe ausgeführt, dass die Volksräte unter anderem gegründet worden seien, um die „Kadros“ zu entlasten und das Volk in die Verantwortung zu nehmen. Die YÖP habe am 16.05.2006 berichtet, der Politiker und Schriftsteller Ayata habe in seiner Ansprache darauf verwiesen, dass die Kurden eine konföderative Struktur ohne staatlichen Charakter bräuchten und hierbei betont, dass die Volksräte das demokratischste völkische Modell für die Kurden seien. Nach dem Verlesen der Schriften von Öcalan über die „Demokratische Konföderation“ hätten Kommissionswahlen stattgefunden. Für die Kommissionen „Friede und Einigung“, „Auswärtige Angelegenheiten“, „Organisierung“, „Frauenkommission“, „Bildungskommission“, „Kultur und Kunst“ und „Glaubenskommission“ seien insgesamt 55 Personen gewählt worden. Zum Vorsitzenden des damaligen Volksgebietsrats sei in derselben Versammlung K. gewählt worden. Der Kläger habe an dieser Versammlung und der Wahl des Volksgebietsrats teilgenommen. Er sei zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden.
81 
Nach einem weiteren Bericht des LfV vom 17.04.2012 habe der Kläger, der zwischenzeitlich nicht mehr stellvertretender Vorsitzender des Volksgebietsrats sei, am 26.04.2009 an einer Versammlung in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins anlässlich der Wahl des neuen Volksgebietsrats teilgenommen. Der damalige PKK-Gebietsleiter S... habe erklärt, dass der vorige Volksgebietsrat zu wenig gearbeitet habe, deshalb müsse ein neuer gewählt werden. Er habe auch über die Bedeutung der Volksgebietsräte gesprochen: Bislang hätte das Volk immer die Partei für sich entscheiden lassen, nun könne es selbst entscheiden. Im Anschluss daran seien die vom Gebietsleiter vorgeschlagenen Kandidaten per Handzeichen gewählt worden.
82 
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 16.11.2010 und im gerichtlichen Verfahren bestritten, an der Wahl des Volksgebietsrats am 14.05.2006 und am 26.04.2009 teilgenommen genommen zu haben und 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden zu sein. Er macht geltend, es seien Falschbeschuldigungen. Das Land Baden-Württemberg habe nur allgemeine Angaben zu dieser Veranstaltung gemacht, konkrete Angaben zu seinem Verhalten seien unterblieben, schon dies zeige, dass er nicht teilgenommen habe.
83 
Dass am 14.05.2006 und 26.04.2009 in S... Versammlungen mit dem Ziel der Wahl des Volksgebietsrats durchgeführt worden sind, ist vor allem mit Blick auf die entsprechenden Berichterstattungen in der Yeni Özgur Politika und der diese Veranstaltungen bestätigenden Aussagen des Zeugen K., der am 14.05.2006 zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt worden ist, erwiesen. Im Übrigen ist letztlich auch vom Kläger nicht mehr in Abrede gestellt worden, dass es diese Veranstaltungen und die Wahl zum Volksgebietsrat gegeben hat. Der Senat ist aufgrund der Angaben des Zeugen vom Hörensagen und der vorliegenden gewichtigen Umstände, die diese stützen, davon überzeugt, dass der Kläger an diesen Versammlungen teilgenommen hat und am 14.05.2006 zum Stellvertreter des Volksgebietsrats gewählt worden ist.
84 
Das LfV, dem die Veranstaltung vom 14.05.2006 mit der Wahl des Schwagers des Klägers, dem Zeugen K., zum Vorsitzenden des Volksgebietsrats jedenfalls seit Mitte 2006 bekannt gewesen sein muss (vgl. hierzu den im Verfahren übermittelten Auszug aus dem türkischen Pressespiegel vom 16.05.2006), hat erstmals mit Bericht vom 24.01.2008 eine Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung vom 14.05.2006 angeführt und eine Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats sogar erst unter dem 08.10.2010 angegeben. Mit Schreiben vom 17.04.2012 hat das LfV hierzu erklärt, es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, welche Erwägungen 2008 dazu geführt hätten, dass damals eine Wahl des Klägers zum stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats nicht mitgeteilt worden sei. Grundsätzlich sei es aber so, dass vor jeder Offenlegung eingestufter Erkenntnisse - und um solche handele es sich bei der Berichterstattung vom 14.05.2006 - genau geprüft werde, welche Veranstaltungsdetails ohne eine Gefährdung der Quelle offengelegt werden könnten. Dem Erstbericht von 2008 und dem Nachbericht von 2010 liege jedoch derselbe schriftliche mehrseitige Quellenbericht zugrunde (üblicherweise werde der zumeist kurz nach der Veranstaltung von der Quelle mündlich übermittelte Bericht vom Quellenführer schriftlich fixiert, dieser so genannte Quellenbericht finde dann Eingang in die Akten des LfV). Vor allem mit Blick auf diese letzten Erläuterungen steht es einer Glaubhaftigkeit der Angaben zu den dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Volksgebietsrat nicht entgegen, dass diese deutlich zeitlich versetzt mitgeteilt worden sind. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge des LfV hat die bereits schriftlich mitgeteilten Erkenntnisse zu diesen Veranstaltungen bestätigt und ausdrücklich erklärt, dass der Kläger sowohl am 14.05.2006 als auch am 26.04.2009 bei diesen Versammlungen anwesend gewesen ist, 2006 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats gewählt und 2009 nicht wiedergewählt worden ist. Er hat ferner ausgeführt, dass bei der Wahl am 14.05.2006 alle Kandidaten vorgeschlagen wurden und dann im Paket über diese abgestimmt wurde. Diese Angaben werden durch die Aussage des Zeugen K. nicht infrage gestellt. Dieser Zeuge hat angegeben, er wisse nicht, ob der Kläger an der Veranstaltung vom 14.05.2006 teilgenommen habe. Auch auf weitere Nachfragen hat sich der Zeuge K. darauf berufen, hierzu könne er nichts sagen, das wisse er nicht. Andererseits hat er aber angegeben, dass der Kläger über die Veranstaltung Bescheid gewusst habe. Der Senat hat nach dem persönlichen Eindruck vom Zeugen K., der im Übrigen der Schwager des Klägers ist, die Überzeugung gewonnen, das dieser, was dessen Teilnahme an der Wahl zum Volksgebietsrat und die Übernahme einer Funktion als stellvertretender Vorsitzender anbelangt, offensichtlich eine eindeutige Aussage hat vermeiden wollen, um auf der einen Seite dem Kläger nicht zu schaden und auf der anderen Seite aber nicht selbst Gefahr zu laufen, wegen einer Falschaussage bestraft zu werden.
85 
Zwar hat der Kläger vorgebracht, Opfer einer Falschverdächtigung zu sein; konkrete Anhaltspunkte hierfür hat er jedoch nicht genannt. Auch mit Blick auf das ausdifferenzierte Kontrollsystems des LfV zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit sieht der Senat keinen Anlass, solches anzunehmen. Ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Quelle, die den Kläger sicher identifizieren kann, zutreffend berichtet hat, ist vor allem die Tatsache, dass die fraglichen Veranstaltungen und die Funktion des Stellvertreters des Volksgebietsrats sich in die Aktivitäten einreihen, die der politisch agierende Kläger selbst eingeräumt hat oder die aufgrund objektiver Gegebenheiten erwiesen sind. Dass der Mesopotamische Kulturverein als Ausrichter der Versammlungen aufgetreten ist (so auch die entsprechende Einlassung von K. ausweislich des Protokolls seines Sicherheitsgesprächs vom 12.04.2011), und dass sich der Kläger dort nach eigenem Vorbringen sowohl im Vorstand als auch als aktives Mitglied in der Vergangenheit engagiert hat, sind weitere Fakten, die die Angaben des Zeugen vom Hörensagen stützen.
86 
Sowohl durch die Teilnahme an den Versammlungen zur Wahl des Volksgebietsrats als auch durch die Übernahme der Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Volksgebietsrats hat der Kläger die PKK für ihn erkennbar unterstützt.
87 
Was die Ausrichtung der Versammlung zur Wahl des Volksgebietsrats und den Volksgebietsrat selbst anbelangt, hat der Zeuge K. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die Idee sei gewesen, dass aus allen sozialen Schichten Kurden daran teilnehmen, vergleichbar einer Art Gemeinderat, der sich der speziellen Probleme der Kurden unabhängig von ihrer Herkunft, etwa in Fragen der Integration, annehme. Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass dies den wahren Charakter von Volksversammlungen und Volksgebietsräten nicht zutreffend umschreibt. Wie das LfV unter dem 08.10.2010 im Einzelnen dargelegt hat, strebt die PKK mit dem Element des Volksrats (bzw. Gebietsvolksrat oder Volksgebietsrat) eine verstärkte Einbindung ihrer Anhänger in organisationsinterne Entscheidungsprozesse und somit eine erhöhte Legitimation ihrer Anliegen an. Eine Versammlung wählt den Volksrat, der sich um Belange der Kurden in einem bestimmten Gebiet kümmert. Dies und die Einrichtung zahlreicher Kommissionen, beispielsweise für Frauen, Jugend, Schulung oder Finanzen, werden seitens der PKK als Basisdemokratie dargestellt. Tatsächlich wird aber in der Praxis die vorhandene streng hierarchische Führungsstruktur nicht angetastet. Volksgebietsräte (türkisch: Halk Konseyi oder Bölge Halk Konseyi) gehören seit 2005 zum organisatorischen Rahmen der PKK und sollen deutschland- und europaweit verbreitet sein (vgl. hierzu auch die Berichterstattung in der Yeni Özgur Politika vom 16.05.2006). Dass die Volksgebietsräte erkennbar von der PKK „gesteuert“ sind, belegt schon die Tatsache, dass die Veranstaltung vom 14.05.2006 unter führender Beteiligung eines hochrangigen PKK-Funktionärs abgehalten worden ist, nämlich dem bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlichen Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland, der als Sektorenleiter in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht, und dessen Ausweisung vom Senat mit Urteil vom 21.07.2010 (11 S 541/10 - juris) rechtskräftig bestätigt worden ist. Auch die zentrale Rolle des Gebietsleiters der PKK bei der erneuten Veranstaltung vom 26.04.2009 unterstreicht dies. In diesen Zusammenhang ist ferner die Verlesung von Schriften Öcalans bei dem Treffen am 14.05.2006 einzuordnen, der als Symbol für die Ziele und den Kampf der PKK gilt.
88 
Der Senat geht jedoch davon aus, dass der Volksgebietsrat in S... zu keiner Zeit nennenswerte tatsächliche Aktivitäten entfaltet hat und der Kläger daher eine Funktion als Stellvertreter des Volksgebietsrats in der Praxis nicht ausgeübt hat. Dass der Volksgebietsrat „nicht mit praktischem Leben erfüllt worden ist“, beruht auf den Angaben des Zeugen K. Der Zeuge des LfV hat auf die Frage des Senats, ob die Volksgebietsräte in S... seit der ersten Wahl im Jahre 2006 jemals etwas gemacht hätten, angegeben, es sei ihm hierzu nichts bekannt geworden, und damit im Ergebnis die Angaben dieses Zeugen bestätigt.
89 
Allerdings liegt sowohl durch den Besuch dieser Versammlungen als auch durch die Übernahme der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden des Volksgebietsrats ein tatbestandliches Unterstützen vor. Denn hierdurch werden die Ziele der PKK unter Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen gefördert. Volksversammlungen dienen vor allem der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Auch die (passive) Teilnahme an einer Volksversammlung drückt eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK aus, durch die ihre Stellung vor allem unter Landsleuten günstig beeinflusst wird, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsumfeld erweitert werden und dadurch insgesamt dazu beigetragen wird, das Gefährdungspotential der PKK zu erhöhen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 54 ff.). Erst recht gilt dies, wenn sich jemand bereit erklärt, in diesem Rahmen noch eine besondere Funktion zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger all dies nicht bewusst bzw. erkennbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.
90 
ff.) Der Kläger hat durch die - von ihm mit Schriftsatz vom 16.11.2010 eingeräumte - Teilnahme als Besucher einer Podiumsdiskussion am 25.02.2007 in den Räumen des Mesopotamischen Kulturvereins unter Mitwirkung von Günay Aslan zum Thema „Aktuelle politische Entwicklungen im Mittleren Osten und die Position der Kurden“ den Tatbestand der Unterstützung nicht verwirklicht. Nach den Erkenntnissen des LfV habe der Redner im Hinblick auf den befürchteten Einmarsch des türkischen Militärs in den Irak erklärt, dass der KONGRA-GEL seinerseits Operationen gegen die Türkei vorbereite. Darüber hinaus habe er den europäischen Staaten vorgeworfen, mit der USA und Israel an einer gemeinsamen Aktion gegen Öcalan zu arbeiten.
91 
Der Kläger hat angegeben, der weithin bekannte kurdische Journalist Günay Aslan habe eine Rede zur aktuellen Entwicklung im Mittleren Osten gehalten. Da er sich für die Entwicklung in seinem Heimatland interessiere, sei er dort gewesen. Der Journalist habe von der Situation der Kurden im Nahen Osten berichtet und seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung mitgeteilt. Er habe immer wieder betont, dass den Kurden kulturelle Rechte zustünden und sie diese einfordern dürften.
92 
Auch unter Berücksichtigung der mitgeteilten Erkenntnisse des LfV hat der Redner auf dieser Veranstaltung lediglich seine politische Überzeugung bekundet, was durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist und nicht als Anknüpfung für eine Unterstützungshandlung - und schon gar nicht bei seinen Zuhörern -in Betracht kommt. Anhaltspunkte dafür, dass der Referent auch die Anwendung terroristischer Mittel (anlässlich eines bewaffneten Kampfes) durch die PKK ausdrücklich öffentlich gebilligt oder in irgendeiner Weise befürwortet hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit der journalistischen Arbeit von Herrn Aslan, etwa in der Publikation der „Kandil-Eindrücke“, aus Sicht des LfV „zumindest eine kritische Distanz zu den Objekten seiner Berichterstattung fehle“ (vgl. hierzu das Schreiben vom 10.05.2012), berechtigt dies nicht zu nachteiligen Schlussfolgerungen.
93 
Dass das LfV weiter mitgeteilt hat, bei der Veranstaltung, für die in der Ausgabe der Yeni Özgur Politika vom 22.02.2007 geworben worden sei, liege eine KONGRA-GEL-Ausrichtung des Besucherkreises vor, ist vor diesem Hintergrund irrelevant.
94 
c.) Der Berücksichtigung der Vorstandstätigkeit und Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein und der Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen bzw. Durchführung entsprechender Aktivitäten steht nicht entgegen, dass diese teilweise schon länger zurückliegen.
95 
Hinsichtlich der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 10.07.2001 wurde von der Verfolgung wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 17.12.2002 nach § 153 StPO abgesehen. Auch das im Zusammenhang mit der Leitung der Kundgebung am 31.05.2001 stehende Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde eingestellt. Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Übrigen ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 63; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 - juris - auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
96 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Mitgliedschaft und seine Stellung als Vorstand im Mesopotamischen Kulturverein sind auch nicht „verbraucht“, so dass sie dem Kläger nicht mehr entgegen gehalten werden könnten. Die Niederlassungserlaubnis vom 04.04.2006 beruhte nicht auf einer vorherigen ausländerrechtlichen Prüfung, die den Schluss zuließe, die Ausländerbehörde habe in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt und damit die ihr bis dahin bekannten Ausweisungsgründe verbraucht. Wie sich aus dem Vermerk auf dem Titel „Übertrag nach § 101“ ergibt, ist die Niederlassungserlaubnis allein eine gesetzliche Folge, die an den Besitz der dem Kläger am 07.05.2002 - und damit vor dem 01.01.2005 - erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis anknüpft (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Soweit das Regierungspräsidium am 09.12.2005 unter Berücksichtigung der ihm bis dahin bekannten Aktivitäten zu dem Schluss kam, die Voraussetzungen für eine Ausweisung lägen nicht vor, ist dies behördenintern geblieben und kann schon deshalb keinen Anknüpfungspunkt für ein entsprechendes Vertrauen des Klägers bieten. Hinzukommt, dass der Kläger danach seine Unterstützungshandlungen unverändert fortgesetzt hat und auch insoweit keine Zäsur erkennbar wäre, die die Verwertung der früheren Aktivitäten in Frage stellen könnte.
97 
Zwar sind die letzten Unterstützungshandlungen des Klägers durch das LfV für das Jahre 2009 mitgeteilt worden. Dies steht aber der Annahme der gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht entgegen. Es liegen keine äußerlich feststellbaren Umstände vor, aus denen geschlossen werden könnte, der Kläger habe seine innere Einstellung verändert und werde daher künftig Unterstützungshandlungen unterlassen. Der Umzug des Klägers von S... nach R... und seine Tätigkeit im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Der Kläger hat jahrelang und kontinuierlich den internationalen Terrorismus in der oben festgestellten Weise unterstützt. Der Senat nimmt ihm seine Einlassung nicht ab, er habe nur den Friedenskurs der PKK begleitet und sei nie für den bewaffneten Kampf gewesen. Dagegen spricht schon, dass der Kläger auch nach dem 2004 wieder beendeten Friedenskurs einer aktiven Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein nachgegangen und weitere Unterstützungshandlungen vorgenommen hat. Hinzukommt, dass dem Kläger, der nach eigenen Angaben in den Jahren 2000 bis 2005 im „Verein“ ein- und ausgegangen ist, schon allein aufgrund der dort abgehaltenen Veranstaltungen nicht hat verborgen bleiben können, dass das proklamierte friedliche Auftreten der PKK in dieser Zeit nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft unter Anwendung von terroristischen Mitteln geändert hat. So hat es den Mitteilungen des LfV zufolge etwa auch in dieser Zeit Märtyrergedenkveranstaltungen im Mesopotamischen Kulturverein mit den diesen eigenen und oben dargestellten Zwecken gegeben. Auch haben sich Funktionäre der PKK im Verein dem Hintergrund der europaweit initiierten „Identitätskampagne“ angenommen. Was den grundsätzlichen Einwand des Klägers anbelangt, er habe in der Türkei die KAWA unterstützt, die eine ganz andere Ausrichtung gehabt habe wie die PKK, und schon dies belege, dass er diese nie habe unterstützen wollen, ideologisch und politisch sei er mit der PKK nicht einer Meinung, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Denn wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung erörterten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 05.01.1998 an das VG Aachen ergibt, trat die KAWA, die schon seit vielen Jahren nicht mehr aktiv ist, ebenfalls für ein „Kurdistan“ ein und bezeichnete den bewaffneten Kampf als einzige Möglichkeit, „Kurdistan“ zu befreien, und ihr militanter Ansatz verband sie vor allem mit der PKK.
98 
Das auch in der mündlichen Verhandlung festzustellende Bestreiten bzw. Verharmlosen seiner Aktivitäten spricht dafür, dass sich der Kläger allein mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und rechtfertigt vor dem Hintergrund des zurückliegenden Verhaltens die Prognose, dass der Kläger auch künftig eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung nachhaltig unterstützen wird.
99 
Soweit der Kläger der Auffassung ist, der Mesopotamische Kulturverein sei nicht verboten, er sei doch kein Terrorist, die PKK seien nur diejenigen, die „in den Bergen kämpfen“ und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -juris Rn. 49 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -juris Rn. 12).
II.
100 
Als Inhaber einer Niederlassungserlaubnis und anerkannter Flüchtling genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
101 
Dieser nationalrechtliche Maßstab der schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung wird jedoch bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings durch das Unionsrecht modifiziert. Eine Ausweisung eines Flüchtlings darf nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL oder denjenigen des Art. 24 Abs. 1 QRL erfolgen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Qualifikationsrichtlinie den Begriff der Ausweisung selbst nicht verwendet. Grundlage des Anspruch auf einen Aufenthaltstitel (Art. 24 QRL), den Zugang zur Beschäftigung (Art. 26 QRL) und den Zugang zu sozialen Rechten (Art. 27 bis 29 QRL, Art. 31 ff QRL) ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach nationalem Recht vernichtet die Ausweisung einen Aufenthaltstitel (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und sperrt eine Neuerteilung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG, der abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG erteilt werden könnte, ist nicht mit den Rechten verbunden, die z.B. Art. 26 und 28 QRL einem anerkannten Flüchtling gewähren; § 25 Abs. 5 AufenthG führt zu Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. dessen § 1 Abs. 1 Nr. 3) und ermöglicht eine Beschäftigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen (vgl. § 4 Abs. 2 und 3 AufenthG). Der Wortlaut der Art. 26 ff. QRL knüpft für den Anspruch auf Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an. Da jedoch etwa die Umsetzung des Zugangs zur Beschäftigung im deutschen Recht durch die Erteilung eines bestimmten Titels erfolgt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 iVm Abs. 1 Satz 4 AufenthG bzw. die hier dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis), kann der einem anerkannten Flüchtling erteilte Titel auch nur unter den Voraussetzungen der Qualifikationsrichtlinie beseitigt werden.
102 
Art. 21 Abs. 3 QRL schließt die Anwendung des Art. 24 Abs. 1 QRL bei einer Ausweisung nicht generell aus (1.) Die konkreten Unterstützungshandlungen des Klägers stellen keine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik i.S.d. Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL dar (2.). Die festgestellte Unterstützung erfüllt jedoch die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 QRL, denn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.v. Art. 24 Abs. 1 QRL setzen bei einer Unterstützung des internationalen Terrorismus keine herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit voraus; vielmehr können auch nicht besonders hervorgehobene Beiträge eines Sympathisanten genügen, wenn sie sich durch ein hohes Maß an Kontinuität auszeichnen und damit nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägen und beeinflussen (3.)
103 
1. Nach Art. 21 Abs. 3 QRL können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet. Gemäß Art. 21 Abs. 2 QRL kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtung untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Art. 24 Abs. 1 QRL sieht vor, dass so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
104 
Die Prüfung dieser Bestimmungen ist im vorliegenden Fall nicht deshalb entbehrlich, weil die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits mit Bescheid vom 20.02.1997 und damit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Qualifikationsrichtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 QRL) und sogar noch vor deren Inkrafttreten am 30.09.2004 bzw. ihres Erlasses am 29.04.2004 erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (siehe grds. zur Geltung der Qualifikationsrichtlinie bei Altanerkennungen auch BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Auch der Umstand, dass der Ausweisungsentscheidung Handlungen des Klägers zur Unterstützung der PKK zugrunde liegen, die zeitlich vor den relevanten Daten zur Richtlinie liegen, stellt deren Heranziehung nicht in Frage. Die Ausweisungsverfügung vom 19.07.2010, die diese Aktivitäten des Klägers aufgreift, ist nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 ergangen. Insoweit liegt ein nicht abgeschlossener Sachverhalt vor, auf den geltendes materielles Unionsrecht anzuwenden ist.
105 
Die Tatsache, dass der Kläger über eine Niederlassungserlaubnis und damit über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt, der in dieser rechtlichen Qualität von Art. 24 Abs. 1 QRL nicht vorgeschrieben ist, steht der Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie als Prüfungsmaßstab der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Die Ausweisungsentscheidung erschöpft sich nicht darin, nur die Niederlassungserlaubnis beseitigen zu wollen; die Ausweisung des Klägers dient nach den Erwägungen des Regierungspräsidiums vielmehr dem Zweck, die Legalität des Aufenthalts insgesamt zu beenden, den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft zu vernichten und damit eine spürbare und deutliche Beeinträchtigung der Aufenthaltsposition mit Beschränkungen des Zugangs zu sozialen Rechten, zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsmaßnahmen herbeizuführen. Eine Ausweisung, die einen Anspruch eines anerkannten Flüchtlings auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und die damit zusammenhängenden Rechte ausschließen soll, muss aber den Anforderungen des Art. 24 Abs. 1 QRL oder des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL entsprechen (zur - lediglich indirekt angedeuteten - Frage der Beachtung der Qualifikationsrichtlinie bei der Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 14.10 - juris Rn. 20; siehe näher die Ausgangsentscheidung VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 82 ff.).
106 
Nach Art. 24 Abs. 1 QRL ist der Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Flüchtlingen davon abhängig, dass keine zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen. Ist letzteres der Fall, ist der Aufenthaltstitel zu versagen, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht. Entsprechendes gilt nach Art. 24 Abs. 2 QRL, wenn dem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt ist (vgl. insoweit zur richtlinienkonformen Auslegung des 25 Abs. 3 AufenthG BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 13). Zwischen beiden Absätzen besteht nach der Richtlinie 2004/83/EG allerdings insoweit ein Unterschied, als nur in Absatz 1 hinsichtlich des Aufenthaltstitels bei einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, die Formulierung „und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ enthalten ist. Art. 21 Abs. 3 QRL eröffnet wiederum hinsichtlich des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings dem Mitgliedstaat die Möglichkeit, die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter der Voraussetzung des Absatz 2 abzulehnen. Diese Entscheidung steht im Ermessen des Mitgliedstaates, ebenso die dort weiter genannten Möglichkeiten des Widerrufs oder der Beendigung des Aufenthaltstitels, die in Art. 24 Abs. 1 QRL nicht ausdrücklich aufgeführt sind. Eine Ausweisung führt nach § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und stellt eine Beendigung des Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 QRL dar. Aus der speziellen Nennung der „Beendigung des Aufenthaltstitels“ in dieser Regelung und dem „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ in Art. 24 Abs. 1 QRL kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 24 Abs. 1 QRL ausschließlich für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gilt und eine nachträgliche Vernichtung des Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage nicht möglich wäre. Es kann vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn im letzterem Fall die Reaktionsmöglichkeit der Vernichtung des Titels nicht bestünde. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die inkriminierenden Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden. Für eine solche Auslegung besteht auch ein praktisches Bedürfnis. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 lit. a) und c) die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die EU-Mitgliedstaaten setzten diese Verpflichtung zu Sanktionsmaßnahmen auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes GASP/2001/931 bzw. Verordnung 2580/2001, zuletzt geändert durch Beschluss 2012/150/GASP vom 13.03.2012 und EU-Verordnung 213/2012 vom 13.03.2012 in EU-Recht um (vgl. Senatsurteil vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -juris Rn 52; vgl. näher auch BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012 - Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum politischen Betätigungsverbot). Gedanklich aufgegriffen ist diese Resolution aber auch mit dem Versagungsgrund in Art. 24 Abs.1 QRL, was ebenfalls dafür spricht, dass die rechtstechnische Umsetzung der Verweigerung der Legalität des Aufenthalts nicht entscheidend sein kann. Dass - gerade mit Blick auf die Bekämpfung der Unterstützung des internationalen Terrorismus - durch die Aufnahme des Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 und 2 QRL die Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert werden sollten und Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL nicht als ausreichend betrachtet worden ist, verdeutlicht vor allem die Entstehungsgeschichte der Qualifikationsrichtlinie:
107 
Der - noch vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 erarbeitete - Kommissionsentwurf vom 12.09.2001 (KOM<2001> 510 endg; Ratsdok. 13620/01; siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001 - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen) enthielt in einem Art. 19 unter der Überschrift „Schutz vor Zurückweisung und Ausweisung“ folgende Regelung: „Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung und weisen Personen, die internationalen Schutzstatus genießen, nur in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus.“ Begründet wurde diese Bestimmung ausdrücklich mit folgender Überlegung: „In Übereinstimmung mit Artikel 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention bestätigt dieser Artikel, dass die Mitgliedstaaten Flüchtlinge nicht ausweisen dürfen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Refoulement-Verbot) beachten müssen. Im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention wird diese Verpflichtung auch gegenüber Opfern von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung bekräftigt. Ebenso dürfen die Mitgliedstaaten Personen, denen andere Formen des subsidiären Schutzes zuerkannt wurden, nicht ausweisen und müssen auch hier nach Maßgabe der in Artikel 32 und 33 der Genfer Konvention genannten Einschränkungen nach dem Gebot der Nichtzurückweisung verfahren.“
108 
Was die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Flüchtling anbelangt, sah die Entwurfsfassung in einem Artikel 21 Abs. 1 lediglich vor, dass sobald der Schutzstatus zuerkannt ist, die Mitgliedstaaten Flüchtlingen und begleiteten Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel ausstellen, der mindestens 5 Jahre gültig und automatisch verlängerbar ist. Die Begründung führte hierzu aus, der vorgeschlagene Fünfjahreszeitraum stelle einen Kompromiss zwischen der Praxis in den verschiedenen Mitgliedstaaten dar, der Aufenthaltstitel unterliege den in den Beendigungs- und Ausschlussklauseln dieser Richtlinie vorgegebenen Kriterien.
109 
Während des Verfahrens, das zum Erlass der Richtlinie am 29.04.2004 führte, wurden die ursprünglichen Regelungen des Art. 19 und des Art. 21 durch den Rat entscheidend verändert. So erhielt der Vorschlag zu Art. 19 am 12.11.2002 (Rat der EU - 14083/02 -) folgende Fassung:
110 
„(1) Die Mitgliedstaaten erachten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
111 
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling, einen Asylbewerber oder eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass die Person
112 
a) eine Gefahr für das Land darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
113 
b) eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Landes darstellt, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
114 
(3) Die Mitgliedstaaten können die einem Flüchtling oder einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.“
115 
Parallel dazu wurde der Artikel zur Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft überarbeitet und in dem oben genannten Dokument in einem Art. 14B Abs. 4 folgende Regelung vorgeschlagen:
116 
„Die Mitgliedsstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Flüchtlingseigenschaft aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
117 
a) er ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen hat oder
118 
b) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für das Land darstellt, in dem er sich aufhält.“
119 
Aus der in diesem Dokument bei Art. 14B Abs. 4 enthaltenen Fußnote und dem Dokument des Rates der EU vom 08.11.2002 - 13648/02 - ist ferner ersichtlich, dass ein Teil der Mitgliedstaaten es für vorzugswürdig erachtete, den in lit. b) geregelten Fall im Rahmen des Art. 19 des Entwurfs (Schutz vor Zurückweisung) zu lösen. Verschiedene Arbeitsfassungen entwickelten im Weiteren präzisere Vorschläge für die Inhalte von lit. a) und b), die letztlich zu der - beabsichtigten - Parallelität der Eingriffsvoraussetzungen in den nunmehrigen Regelungen in Art. 14 Abs. 4 QRL zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Ermessenswege und der Verhinderung des Aufenthalts bzw. Verweigerung des Aufenthaltsrechts nach Art. 21 Abs. 2 QRL führten.
120 
In einem Art. 21 der Entwurfsfassung (später Art. 24 QRL) findet sich im Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 - der Zusatz, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegenstehen“ zunächst nur im Absatz 2, der den Titel bei subsidiärem Schutzstatus regelt. Im Dokument des Rats der EU vom 19.06.2003 - 10576/03 - ist dieser Zusatz dann auch im Absatz 1 (jetzt in einem Art. 22 des Entwurfs) enthalten, der den Aufenthaltstitel des anerkannten Flüchtlings betrifft. In diesem Dokument ist bei der Formulierung in Absatz 2, „es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen“ als Fußnote angeführt: „Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: 'Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt'. Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds in die Präambel war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Rat der EU vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -, das Dokument enthält aber keine nähere Begründung). Wie die englischen Fassungen des Erwägungsgrunds 28 und des Art. 24 QRL verdeutlichen („national security and public order“), ist mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit die „nationale Sicherheit“ gemeint, was im Übrigen in der deutschen Fassung der Neufassung der Qualifikationsrichtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 (ABl L 337, S. 9) nunmehr klargestellt ist (vgl. insoweit den Wortlaut des Art. 24 „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ und den Erwägungsgrund 37).
121 
In den Ratsdokumenten vom 19.06.2003 - 10576/03 -, vom 17.03.2004 - 7469/04 -, vom 24.03.2004 - 7728/04 - und vom 31.03.2004 - 7944/04 - ist im Art. 22, d.h. dem späteren Art. 24, in Absatz 1 der Zusatz „unbeschadet des Art. 19 Abs. 3“ (d.h. in der Endfassung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“) enthalten, ohne dass die Gründe hierfür ausdrücklich genannt wären.
122 
Die gegenüber dem Entwurf geänderten Regelungen in Art. 24 Abs. 1 und Art. 21 ebenso wie die Aufnahme des Erwägungsgrunds 28 sind jedoch eindeutig im Zusammenhang mit dem 11. September und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen. Die Überlegung, die Folgen dieser Anschläge für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen, ist Gegenstand verschiedener Stellungnahmen gewesen (vgl. etwa die ausdrückliche Forderung in der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002) und lässt sich auch anhand weiterer Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Qualifikationsrichtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ersehen, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 QRL und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
123 
Was das Verhältnis zwischen Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL und Art. 24 Abs. 1 QRL sowie die Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzungen anbelangt, ist zunächst zu beachten, dass Art. 14 Abs. 4 QRL und Art. 21 Abs. 2 QRL die gleichen Eingriffsvoraussetzungen normieren und Art. 21 Abs. 2 QRL inhaltlich Art. 33 Abs. 2 GFK entspricht. Letzteres lässt sich auch aus einem Vergleich des jeweiligen englischen Wortlauts dieser Bestimmungen ersehen:
124 
Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”
125 
Auch aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Qualifikationsrichtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte anerkannten Grundsätze gewährleisten (siehe EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 - und C-101/09 - „B.“ und „D.“ - Rn. 77 f.).
126 
2. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, welche Konsequenzen sich aus dem Grundrecht auf Asyl nach Art. 18 GRCh und den Anforderungen des Art. 52 GRCh (Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze) auf die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 QRL vorgesehene Durchbrechung des Refoulementschutzes ergeben. Der Ausländer muss jedenfalls aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmelandes anzusehen sein (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 - zu Art. 21 Abs. 2 QRL und Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - bisher nur Pressemitteilung). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn von dem Kläger selbst geht mit Blick auf seine oben I. dargestellten Aktivitäten und die hieran anknüpfende Prognose keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik aus.
127 
Zwar setzt Art. 33 Abs. 2 GK und damit auch Art. 21 Abs. 2 lit. a) QRL einen Sicherheitsbegriff voraus, der von den Staaten nach ihrem eigenen Recht festgelegt wird; denn der dem Begriff der nationalen Sicherheit immanente Charakter bedeutet, dass dieses Konzept im Völkerrecht nicht abschließend definiert werden kann (siehe näher Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie 2009, § 46 Rn 59 f., Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich um eine sehr große Gefahr handeln (Zimmermann, a.a.O. Rn. 89). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates oder des Staatenbündnisses, dessen Mitglied er ist, darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87).
128 
Der Kläger hat keine Handlungen vorgenommen, die geeignet wären, einen Schaden für die Existenz, die Bestands- und Funktionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen. Er hat weder selbst Gewalt angewendet noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Der Kläger hat zwar durch die regelmäßige - passive - Teilnahme an den oben dargestellten Veranstaltungen, die erkennbar dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, diese unterstützt; die PKK wendet Gewalt und Gewaltdrohungen in dem hier zu betrachtenden Zeitraum vor allem in der Türkei an, was auch erhebliche Interessen der Bundesrepublik berührt. Eine Gefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ist damit aber nicht verbunden.
129 
3. Die in Art. 24 Abs. 1 QRL verwendete Formulierung „unbeschadet des Art. 21 Abs. 3“ ist dahingehend zu verstehen, dass Art. 24 Abs. 1 QRL eine gegenüber Art. 21 Abs. 3 QRL selbstständige Möglichkeit eröffnet, einen Titel zu verweigern oder zu beseitigen. Die Fassung des Art. 24 Abs. 1 QRL mit dem dort vorgesehenen Ausschluss des Anspruchs aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist die Reaktion des Rates auf den Umstand, dass die Unterstützung des internationalen Terrorismus nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Ausnahme vom Refoulementverbot zulässt (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rn. 82 ff. und 90 ff. mwN.), unter dem Eindruck des 11. September, der neuen Dimensionen des Terrorismus und den UN-Resolutionen vom 12. und 28.09.2001 (Nr. 1368 und 1373) die Möglichkeiten, diesen zu bekämpfen, aber erweitert werden sollten.
130 
Ob und gegebenenfalls wie die öffentliche (d.h. nationale) Sicherheit von der öffentlichen Ordnung im Einzelnen abzugrenzen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn wie sich aus dem Erwägungsgrund 28 der Qualifikationsrichtlinie ersehen lässt, ist dieser Begriff in den Fällen erfüllt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Der 28. Erwägungsgrund ist integraler Bestandteil der Qualifikationsrichtlinie. Eine Begründungserwägung ist zwar nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Regelung, da sie sonst genau an dieser Stelle getroffen worden wäre. Sie ist insbesondere kein Mittel, um eindeutige Bestimmungen, die aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats letztlich eine normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Ihr kommt aber die Funktion einer - amtlichen - Auslegungshilfe zu (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2007 - 4 K 2563/07 - juris Rn. 18; Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90, 92 f.). Auch das Bundesministerium des Innern hat in seiner im Berufungsverfahren vorlegten Stellungnahme vom 14.05.2012 bestätigt, dass der Erwägungsgrund 28 - auf Vorschlag des Vereinigten Königreichs - gerade für die Auslegung von den Ausschlussgründen des Art. 24 QRL aufgenommen wurde. Aus der durch das Verfahren im Rat dokumentierten spezifischen Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu dem Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 QRL folgt, dass eine Unterstützung einer Vereinigung des internationalen Terrorismus einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.
131 
Was die „zwingenden Gründe“ anbelangt, so deutet der Wortlaut darauf hin, dass dieser Begriff enger zu verstehen ist als der der „schwerwiegenden Gründe“. Der Vergleich mit der englischen Fassung belegt dies („reasonable grounds“ in Art. 21 Abs. 2 QRL und „compelling reasons“ bei Art. 24 Abs. 1 QRL). Aus anderen Sprachfassungen ergibt sich kein hiervon abweichendes Bild. Die Tatsache, dass die Unionsbürgerrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen. Auch das Schutzniveau, das durch die Qualifikationsrichtlinie für Flüchtlinge vorgesehen werden sollte, könnte dafür sprechen, dass mit dem Begriff der zwingenden Gründe keine substantiell geringeren Anforderungen verbunden sind als mit dem gleichlautenden Ausweisungsgrund nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. zu dieser Überlegung auch VG Münster, Urteil vom 26.05.2009 - 8 K 734/08 - juris Rn. 94).
132 
Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Art. 28 Abs. 3 lit a) der Richtlinie 2004/38/EG eine spezielle Regelung für langjährig sich im Mitgliedstaat aufhaltende freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger darstellt. Der Unionsgesetzgeber wollte, indem er jede Ausweisungsmaßnahme in den in Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie genannten Fällen vom Vorliegen „zwingender Gründe“ der öffentlichen Sicherheit abhängig gemacht hat, einem Begriff, der erheblich enger ist als der der „schwerwiegenden Gründe“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels, die auf diesen Abs. 3 gestützten Maßnahmen ganz offensichtlich entsprechend der Ankündigung im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzen (EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 19 und Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -Tsakourids - Rn. 40 ff.). Eine Ausweisung eines Unionsbürgers wird nur aus zwingenden Gründen (und damit einem besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung) der öffentlichen Sicherheit erlaubt, wobei letztere sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaates umfasst und als Ausnahme von einem grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit eng zu verstehen ist (EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - Tsakourids - Rn. 43). Im Unterschied dazu wird in Art. 24 Abs. 1 QRL auch die öffentliche Ordnung genannt und durch die Zuordnung des 28. Erwägungsgrunds zu Art. 24 QRL unionsrechtlich klargestellt, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus „zwingende Gründe“ erfüllen kann. Bei einer anderen Deutung würde die Zuordnung keinen Sinn geben. Dies bedeutet andererseits auch nicht, dass jegliche Unterstützungshandlung zu Gunsten des internationalen Terrorismus schon „zwingende Gründe“ erfüllt; umgekehrt bedarf es aber auch keiner herausragenden Handlungen von außergewöhnlicher Gefährlichkeit. Dies verdeutlichen die verschiedenen „Ebenen“ der Terrorismusbekämpfung, die der Richtlinie immanent sind. Art. 12 Abs. 2 QRL führt in den dort erfassten Konstellationen zum zwingenden Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling, selbst wenn von diesem keine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht (siehe näher BVerwG, Urteil vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 25 ff.). Art. 14 Abs. 4 QRL ermächtigt in den hier geregelten Fällen zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. auch Art. 14 Abs. 5 QRL mit dem fakultativen Ausschluss unter den gleichen Voraussetzungen), wobei aufenthaltsrechtlich der gleiche Maßstab in Art. 21 Abs. 2 QRL gilt. Demgegenüber lässt Art. 24 QRL, der im Übrigen nicht nur für den Flüchtling, sondern auch für den Ausländer mit subsidiärem Schutzstatus gilt, den Status und den weiteren tatsächlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat unangetastet und beseitigt allein die Legalität des Aufenthalts. Dies verdeutlicht, dass eine Unterstützung des internationalen Terrorismus, die nach dem individuellen Beitrag des Ausländers im Vergleich zu den von den anderen Regelungen erfassten Sachverhalten eher nicht besonders hervorgehoben und sogar unabhängig von einer strafrechtlichen Relevanz ist, ein Vorgehen nach Art. 24 QRL zulässt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - durch ein hohes Maß an Kontinuität charakterisiert ist und nachhaltig das Umfeld der terroristischen Organisation prägt und beeinflusst. Es ist Sache der Mitgliedstaaten festzulegen, unter welchen Voraussetzungen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzunehmen sind (vgl. zu dieser Überlegung auch EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 23 - zu Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/28/EG). Aufgrund der Vielfältigkeit und Komplexität der Erscheinungsformen des internationalen Terrorismus (vgl. hierzu etwa Waldmann, Terrorismus - Provokation der Macht, 2. Aufl. 2005, S. 29 ff) und demzufolge der Vielfalt der in den einzelnen Mitgliedstaaten vorkommenden denkbaren Unterstützungshandlungen und deren Folgen enthält sich die Qualifikationsrichtlinie weiterer Vorgaben. Allerdings entbindet dies nicht von der unionsrechtlichen Verpflichtung (vgl. Art. 52 Abs. 1 GRCh), den Einzelfall und insbesondere das persönliche Verhalten des Betroffenen und die von ihm ausgehende tatsächliche und gegenwärtige Gefährdung umfassend zu prüfen und hierbei alle individuellen Umstände zu berücksichtigen (siehe zu diesem Grundsatz insoweit EuGH, Urteil vom 22.05.2012 - C-348/09 - „I.“ - Rn. 34).
III.
133 
Der Ausweisung des Klägers liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 QRL zugrunde. Sie erweist sich auch als verhältnismäßig.
134 
1. Der Kläger hat seit dem Jahr 2000 durch die oben unter I. dargelegten Handlungen die PKK unterstützt, wobei er sich zur Überzeugung des Senats seit Mitte 2009 allein aus verfahrenstaktischen Gründen zurückhält. Dabei handelt es sich zwar, was den jeweiligen einzelnen Veranstaltungsbesuch anbelangt, um eine passive Unterstützung, die als solche keinen hochrangigen Gefährdungsgrad hat. Bei einer wertenden Gesamtschau aller festgestellten Unterstützungshandlungen, d.h. auch mit Blick auf seine zweijährige Vorstandstätigkeit und langjährige aktive Mitgliedschaft im Mesopotamischen Kulturverein, hat er jedoch in einer quantitativ und qualitativ erheblichen Weise eine Verbundenheit mit der PKK ausgedrückt, die ihn eindeutig seit Jahren als deren Sympathisanten ausweist. Insbesondere die Teilnahme an den Märtyrergedenkveranstaltungen und den Wahlen zum Volksgebietsrat, mit der Bereitschaft, eine Funktion im Rahmen des Volksgebietsrats zu übernehmen, zeigen eine besondere Nähe und innere Verbundenheit mit der PKK. Durch die Beteiligung wird eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, wird günstig beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld werden erweitert und dadurch wird insgesamt dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen.
135 
Eine wirksame Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist wie bereits oben dargelegt eines der vorrangigen Ziele der Europäischen Union. Dies kommt nicht nur in Art. 83 Abs. 1 AEUV zum Ausdruck, sondern ist in zahlreichen Rechtsakten der Union, die sich mit der Terrorismusbekämpfung befassen, immer wieder betont worden (vgl. etwa Rahmenbeschluss vom 13.06.2002 zur Terrorismusbekämpfung, ABl. L 164, S. 3; Verordnung (EG) Nr. 2580/2002 des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. L 344, S. 70). Dass gerade auch Sympathisanten als Teil der Bedrohung durch den Terrorismus angesehen werden, ergibt sich aus dem Rahmenbeschluss 2008/919/JI des Rates vom 28.11.2008 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (ABl L 330, S. 21) und insbesondere dessen 3. Erwägungsgrund. Aufgrund der ihr eigenen Ausprägung und Organisationsstrukturen erfährt die PKK ihren Rückhalt und Unterstützung vor allem durch eine aktive „Sympathisantenszene“ außerhalb der Türkei, bei der die örtlichen PKK-nahen Vereine eine zentrale Rolle spielen, etwa bei der Kommunikation unter den Anhängern, bei der Mobilisierung für Aktionen sowie bei der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten (vgl. hierzu etwa Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2010, S. 106 ff.). Wie oben unter I. dargelegt, ist der Mesopotamische Kulturverein e.V. S... ein Ort, der der Verbreitung der „terroristischen Botschaft“ dient. Sympathisanten aus diesem Kreis sichern der PKK eine ihnen prinzipiell wohlgesonnene Basis, aus der der Rückhalt für die terroristischen Handlungen gewonnen werden kann, und ermöglichen ein günstiges Umfeld für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerilla oder den Kader der PKK und den Erhalt von dringend benötigten finanziellen Mitteln (etwa durch die Entrichtung regelmäßiger Beiträge der Anhänger der Organisation oder Spenden). Das in den oben beschriebenen Handlungen des Klägers, insbesondere etwa in den Besuchen der Märtyrerveranstaltungen, zum Ausdruck kommende befürwortende Verständnis für den Terror, trägt zum Rückhalt für die PKK bei. Dieses vom Kläger gezeigte jahrelange kontinuierliche Auftreten als Sympathisant der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung; die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts ist insoweit Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Im Übrigen ist es auch ein Grundinteresse der Mitgliedstaaten der Union, dass ihre Offenheit nicht missbraucht wird, um eine „Sympathisantenszene“ für den internationalen Terrorismus am Leben zu halten und zu fördern.
136 
2. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung verhältnismäßig.
137 
Der Kläger lebt als anerkannter Flüchtling seit dem Jahre 1997 mit einem Aufenthaltstitel, seit 2002 mit einem unbefristeten, im Bundesgebiet. Der Ehefrau, die seit 1998 in Deutschland ist, wurde ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuerkannt und eine Niederlassungserlaubnis erteilt. Sie führt einen Gastronomiebetrieb. Auch die beiden minderjährigen Kinder (geboren 1996 in der Türkei und 2001 im Bundesgebiet) haben einen legalen Aufenthalt. Sie verfügen über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Ungeachtet seines langen Aufenthalts in Deutschland spricht der Kläger aber nur sehr schlecht Deutsch. Hiervon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung überzeugen. Demzufolge ist auch seine Erwerbsbiographie durch türkische Arbeitgeber gekennzeichnet, so arbeitete er in der Zeit vom 02.11.2001 bis 31.07.2007 bei der Firma B. Dönerproduktions- und Fleischhandels GmbH, die im Übrigen dem LfV im Zusammenhang mit der PKK bekannt geworden sei (siehe die Bewertung des LfV vom 13.04.2012 zum Sicherheitsgesprächs des Zeugen K. vom 12.04.2011). Heute ist er bei seiner Frau angestellt. Eine dazwischenliegende selbstständige Erwerbstätigkeit blieb ohne wirtschaftlichen Erfolg. Der Kläger verkehrt vor allem in kurdisch-stämmigen Kreisen. Die Ausweisung vernichtet die Legalität seines Aufenthalts und ist daher mit weitreichenden Folgen für das soziale Leben verbunden. Sie lässt allerdings, was für die Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist, die Lebensgemeinschaft mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet unberührt, da keine Abschiebungsandrohung ergehen und infolge dessen auch keine Abschiebung erfolgen wird.
138 
Ein milderes Mittel, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kläger sein die PKK unterstützendes Verhalten unverändert fortsetzt, ist nicht gegeben. Insbesondere könnte mit einem Verbot oder der Beschränkung der politischen Betätigung ein wesentliches unionspolitisches Ziel nicht erreicht werden, abgesehen davon, dass die in § 47 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Vorgaben die Art und Weise der Betätigung des Klägers allenfalls zum Teil erfassen. Ausgehend von den Gedanken der UN-Resolution 1373 bezweckt die Terrorismusbekämpfung unionsrechtlich unter anderem, konsequent die Legalisierung des Aufenthalts zu unterbinden und damit auch den Genuss der daran hängenden privilegierenden Maßnahmen (wie Erwerbstätigkeit, Freizügigkeit) zu verwehren - und zwar gleichgültig, ob der Ausländer als Flüchtling anerkannt oder ob ihm nur subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. insoweit Art. 24 Abs. 1 Satz 1 mit Abs. 2 QRL). Dieses unionsrechtliche Ziel würde allein mit einer Maßnahme nach § 47 AufenthG nicht erreicht. Diese kann ggfs. die Ausweisung ergänzen, wenn der Ausländer - namentlich nach einer erfolgten Ausweisung - seine Unterstützungstätigkeit fortsetzt, sie aber nicht ersetzen. Insoweit ist eine Verbotsverfügung Teil einer ganzheitlichen Bekämpfung der Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung der PKK (so ausdrücklich auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu dem gegen Muzaffer Ayata verhängten politischen Betätigungsverbot, BT-Drs. 17/9076 vom 22.03.2012). Hinzukommt, dass auch national eine Anordnung nach § 47 AufenthG schon deshalb nicht gleich effektiv wäre, weil damit die Rechtsfolgen des § 54a AufenthG nicht ausgelöst werden könnten. Vergleichbare nachträgliche Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 2 AufenthG wären jedenfalls bei Inhabern einer Niederlassungserlaubnis nicht möglich (Renner/Dienelt, AuslR 9. Aufl. 2011, § 12 Rn. 2). Soweit in den Senatsurteilen vom 28.10.1998 (11 S 1853/98 - juris Rn. 28) und vom 10.03.1999 (11 S 1688/98 - juris Rn. 9) die Untersagung der politischen Betätigung ausdrücklich als ein milderes Mittel gegenüber der Ausweisung erachtet wurde, liegen dem rechtlich und tatsächlich andere Konstellationen zugrunde. Im Übrigen hat das Regierungspräsidium im Schriftsatz vom 18.04.2012 im Einzelnen ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall nicht zu dieser Maßnahme greift. Diese Erwägungen hat der Kläger nicht in Frage gestellt.
139 
Gründe der Verhältnismäßigkeit gebieten es auch nicht, schon jetzt von Amts wegen über eine Befristung der Wirkungen der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu entscheiden. Es lässt sich derzeit nicht absehen, wann diese Gefahr in relevanter Weise gemindert sein wird. Auch familiäre Belange erfordern keine sofortige Entscheidung, denn die familiäre Lebensgemeinschaft kann im Bundesgebiet unverändert fortgeführt werden (vgl. zur Befristung noch unten VI).
IV.
140 
Art. 14 ARB 1/80 oder die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln vermitteln dem Kläger keine weitergehenden Rechte. Der Kläger hatte aufgrund seiner jahrelangen Erwerbstätigkeit bis 31.07.2007 bei der Firma B. eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass er dieses Recht nicht verloren hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung meldete er sich nach seiner Kündigung bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos, wurde dort aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse als schwer vermittelbar angesehen und erhielt durch das Arbeitsamt eine Fördermaßnahme zur Gründung einer selbstständigen Existenz. Der Senat geht davon aus, dass durch diese selbstständige Erwerbstätigkeit ab 01.01.2008 die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt nicht verloren ging, weil die Selbstständigkeit noch in der Gründungs- und Aufbauphase wieder aufgegeben wurde, der Kläger in eine abhängige Beschäftigung zurückkehrte und nunmehr seit Mitte Dezember 2010 im Gastronomiebetrieb seiner Ehefrau angestellt ist.
141 
Ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger kann nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Nach den hierzu geltenden Grundsätzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 - Ziebell -Rn. 52 ff.; Senatsurteile vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris und vom 04.05.2012 - 11 S 3/12 -) führt dieser Maßstab materiell-rechtlich nicht zu strengeren Voraussetzungen als die oben unter III. dargestellten.
142 
Auch verfahrensrechtlich hat dies keine Auswirkungen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solcher folgt nicht aus dem in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. Nr. 56, S. 850) normierten „Vier-Augen-Prinzip“. Denn die Richtlinie 64/221/EWG ist gemäß Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG mit Wirkung vom 30.04.2006 aufgehoben worden. Damit ist auch deren Art. 9 nicht mehr - entsprechend - auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige anzuwenden (vgl. zur früheren Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips“ BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - InfAuslR 2006, 110). Geltende unionsrechtliche Verfahrensgarantien begründen ebenfalls nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung. Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf das Senatsurteils vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris) verwiesen (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris).
V.
143 
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung der Ergänzungen im gerichtlichen Verfahren ermessensfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO).
144 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris Rn. 4 m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umständen auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits sind auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris Rn. 73). Diesen Anforderungen hat das Regierungspräsidium entsprochen. Es hat anlässlich seiner korrigierten Ermessenserwägungen ausschließlich eine spezialpräventive Ausweisung zugrunde gelegt und auch zu erkennen gegeben, dass es bei dem Kläger allein um die Vernichtung der Legalität des Aufenthalts geht und dass das nach dem Aufenthaltsgesetz mit einer Ausweisung regelmäßig verfolgte Ziel, die von ihm ausgehende Gefahr mit der Ausreise bzw. der zwangsweisen Verbringung ins Ausland zu bekämpfen, auf nicht absehbare Zeit nicht erreicht wird. Es hat jedenfalls aufgrund der ergänzenden Angaben in der mündlichen Verhandlung den Schutzstatus des Klägers mit dem ihm gebührenden Gewicht eingestellt und auch die Rechtsstellung und Interessen der Familienangehörigen des Klägers nicht verkannt. Auch im Übrigen sind den Ermessenserwägungen in tatsächlicher Hinsicht zutreffende Annahmen zugrunde gelegt worden; das Regierungspräsidium hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass die Ausweisungsentscheidung auch für den Fall getroffen wird, dass (nur) der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG verwirklicht ist.
VI.
145 
Der Ausweisung steht auch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - RFRL - (ABl EU Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98) nicht entgegen.
146 
1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 22.03.2012 (1 C 3.11 - juris Rn. 15) und vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 35) entschieden, dass die Rückführungsrichtlinie für eine Rückkehrentscheidung - so die Ausweisung denn überhaupt eine solche wäre -, die wie hier vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie (nach deren Art. 20 Abs. 1 am 24.12.2010) verfügt worden ist, nicht gilt, und zur Begründung unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 - Rs. C-349/06 - 25 ff.) auf die Grundsätze der intertemporalen Rechtsgeltung verwiesen. Es hat weiter ausgeführt, dass sich etwas anderes auch nicht aus Art. 15 Abs. 5 und 6 RFRL ergebe, der auf bereits vor der Umsetzung begonnene und darüber hinaus andauernde Inhaftierungen Anwendung finde (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.2009 - Rs. C-357/09 PPU, Kadzoev - Rn. 38). Denn Regelungen zur Dauer der Abschiebungshaft beträfen zukünftige Auswirkungen eines noch andauernden Sachverhalts und nicht die gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist getroffen worden sei. Dies zugrunde gelegt ist die Rückführungsrichtlinie auf den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.07.2010 nicht anwendbar.
147 
Hält man hingegen an der bisherigen Rechtsprechung des Senats weiter fest, wonach die Rückführungsrichtlinie auch auf solche Sachverhalte anzuwenden ist, in denen die streitgegenständliche Behördenentscheidung schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist wirksam verfügt worden ist (siehe zur Begründung im Einzelnen Senatsurteil vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris Rn. 49 ff.; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Österreich in seinem Erkenntnis vom 20.03.2012 - 2011/21/0298 - , der unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 28.04.2011 in der Rechtssache „El Dridi“ die Rückführungsrichtlinie auch auf „Aufenthaltsverbote“ erstreckt hat, die bereits vor Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie verhängt worden sind), ist die Ausweisung gleichwohl nicht an den Vorgaben der Richtlinie messen. Sie stellt schon keine Rückkehrentscheidung dar. Unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 07.12.2001 - 11 S 897/11 -hat der Senat in seinem Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - (juris Rn. 83 - 88) ausgeführt:
148 
„…Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
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Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 -215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
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Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art. 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
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Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben …...“
152 
„Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.“
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Hieran ist auch mit Blick auf neuere Veröffentlichungen festzuhalten, die die Ausweisung als Rückkehrentscheidung einordnen (Deibel, ZAR 2012, 148, 150 f.; Gutmann, InfAuslR 2012, 208, 210 f.; offengelassen: BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 35; HambOVG, Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 - juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 22.03.2012 - 18 A 951/09 - juris Rn. 88; VG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2012 - 22 K 7443/11 - juris Rn. 102). Soweit darauf hingewiesen wird, dass eine Ausweisung zu einem Aufenthaltsverbot führe und wegen des mit ihr verbundenen Wiedereinreiseverbots eine Rückkehrentscheidung anzunehmen sei, sowie über Einreiseverbot und Befristung der Wirkungen der Ausweisung einheitlich zu entscheiden sei, sind diese Erwägungen nicht geeignet, die oben dargestellte Begründung des Senats in seinem Urteil vom 10.02.2012 infrage zu stellen (vgl. dazu, dass die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung ist auch Keßler, Asylmagazin 2012, 142, 143; GK-AufenthG, § 58 Rn. 102). Mit der Ausweisung wird dem Ausländer keine originäre Handlungspflicht auferlegt, innerhalb einer bestimmten Frist auszureisen. Dies erfolgt vielmehr erst mit der Abschiebungsandrohung (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RFRL i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Da diese jedoch aufgrund der Anerkennung des Klägers als Flüchtling unterbleibt, wird dieser keiner - vollstreckbaren - Rückkehrverpflichtung unterworfen, die unter das Schutzregime der Rückführungsrichtlinie fallen würde. Insofern ist auch unionsrechtlich nicht von Amts wegen über die Befristung eines Einreiseverbots zu entscheiden.
154 
2. Jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles ist nicht nach den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des hier anhängigen Verfahrens über die Befristung zu entscheiden.
155 
Das Bundesverwaltungsgericht geht in seinem Urteil vom 14.02.2012 (1 C 7.11 - juris Rn. 28 ff.) davon aus, dass aufgrund der unionsrechtlichen Prägung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, die dieser durch das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz vom 26.11.2011 erfahren hat, die Interessen des Einzelnen an der zeitlichen Beschränkung der Wirkungen der Ausweisung und an einem hierauf bezogenen effektiven Rechtsschutz erheblich aufgewertet worden sind. Es erachtet es aus der Gesamtschau der Rückführungsrichtlinie sowie den Grundrechten einschließlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention für geboten, dass über die Befristung nunmehr ausschließlich im Wege einer gebundenen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden Entscheidung zu befinden ist, damit nach der abschließenden gerichtlichen Entscheidung über die Ausweisung zugleich die Dauer der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG feststeht und der Ausländer sich in seiner Lebensplanung darauf einstellen kann. Diese in dem genannten Urteil für die Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen entwickelten Grundsätze sind auf eine spezialpräventive Ausweisung übertragen worden (so nunmehr BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - bisher nur Pressemitteilung).
156 
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausweisung einerseits und die Befristung ihrer Wirkungen andererseits zwei getrennte Verwaltungsakte darstellen, was nicht zuletzt daraus folgt, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nur auf Antrag erfolgt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht kann ein Anspruch auf Befristung im Rechtsstreit um die Ausweisungsverfügung prozessual dadurch realisiert werden, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung der Wirkungen der Ausweisung gesehen wird (BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - juris Rn. 30). Prozessual handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände. Der Streitgegenstand der Befristung wird durch den Antrag und den hierzu gehörenden Lebenssachverhalt bestimmt. Im vorliegenden Fall hat der schon im Verwaltungsverfahren und auch im gerichtlichen Verfahren stets anwaltlich vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent jemals ein (hilfsweises) Begehren auf Befristung der Ausweisung unterbreitet, insbesondere ist auch im Klageverfahren kein entsprechender Antrag gestellt worden. Dem Senat ist dieser selbstständige Streitgegenstand auch nicht „angewachsen“. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG normiert ausdrücklich das Erfordernis der Antragstellung. Ein entsprechender Antrag ist zu keinem Zeitpunkt bei der Behörde gestellt worden. Ein solcher ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.02.2012 nur bei einer allein generalpräventiv begründeten Ausweisung entbehrlich. Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine ausschließlich spezialpräventive Ausweisung. Die im Verfahren vorgelegten Anwaltsschreiben beschränken sich auf die Darlegung, warum beim Kläger die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht vorliegen. Zwar könnte ein Widerspruch, der gegen die Ausweisung eingelegt wird, und mit dem zunächst die Ausgangsbehörde befasst ist (§ 72 VwGO), Anlass dazu geben, diesen so zu deuten, dass damit konkludent jedenfalls auch das Begehren der Befristung umfasst wird; in Baden-Württemberg gibt es jedoch kein Widerspruchsverfahren gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO BW). Ein Verpflichtungsgehren auf Befristung kann im vorliegenden Fall daher deshalb nicht unterstellt werden, weil die Notwendigkeit der vorherigen Antragstellung bei der Behörde auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts unabhängig davon, ob es sich um eine gebundene Entscheidung oder eine Ermessensentscheidung handelt, eine nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung jeder Verpflichtungsklage ist (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteile vom 16.01.1985 - 5 C 36.84 - juris Rn. 9 ff. und vom 31.08.1995 - 5 C 11.94 - juris Rn. 14 ff.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 - juris Rn. 3 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Bader, u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 41 und § 75 Rn. 5). Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet es, dass der Behörde vor Erhebung der Klage die Gelegenheit gegeben wird, die begehrte Verwaltungsentscheidung zu prüfen und zu erlassen; insoweit kann auch in eine Klageerhebung nicht eine (bislang unterbliebene) Antragstellung hineininterpretiert werden. Weder der Wortlaut noch die unionsrechtliche Prägung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt, für die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG anderes anzunehmen und von den allgemein entwickelten und anerkannten prozessualen Grundsätzen abzuweichen.
VII.
157 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich der Meldeauflage und der räumlichen Beschränkung in Ziffer 2 des Bescheids vom 19.07.2010 für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen, denn er hat durch ein in seine Sphäre fallendes Ereignis, nämlich den Umzug von S... nach R... am 01.03.2011, die Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt.
158 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
159 
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist der Beschluss unanfechtbar.
160 
Beschluss vom 16. Mai 2012
161 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
162 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - ist unwirksam, soweit damit Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - geändert. Die Klage gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der am ... in .../Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 19.12.1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung trug er unter anderem vor, er und seine Ehefrau hätten in der Türkei die PKK unterstützt. So hätten sie z.B. Uniformen gewaschen und den Guerillas ab und zu Lebensmittel gegeben. Sie seien deshalb verfolgt worden. Auf die vom Kläger gegen den seinen Asylantrag ablehnenden Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (im Folgenden: Bundesamt) vom 21.03.1996 erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 01.07.1998 die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. In der Folge erhielt der Kläger befristete Aufenthaltsbefugnisse bzw. Aufenthaltserlaubnisse, erstmals zum 01.09.1998. Zuletzt wurde ihm am 13.09.2006 eine bis zum 12.09.2007 geltende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Der Kläger ist mit der am ... geborenen M... A..., geb. G..., verheiratet. Sie haben sieben gemeinsame Kinder: B... (* ...1988), Ex ... (* ...1990), C... (* ...1992), K... (* ...1993), E... (* ...1996), M... (* ...1998) und A... A... (* ...2005). Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.07.1996 wurden die Ehefrau des Klägers und die fünf älteren Kinder, mit denen diese am 28.05.1996 nach Deutschland eingereist war, als Asylberechtigte anerkannt. Bezüglich M..., C..., K... ... und E... wurden die Asylanerkennungen mit Bescheid des Bundesamts vom 02.03.2007 widerrufen. Die Ehefrau und die fünf älteren Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, M... ist Inhaber einer bis zum 07.01.2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis. Der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsangehöriger.
Bis auf einen Zeitraum vom 24.04.2006 bis zum 01.03.2007, in welchem der Kläger in L... gewohnt hatte, war er durchgehend mit Hauptwohnsitz in H... gemeldet. Er und seine Familie bezogen zunächst (ergänzende) Sozialleistungen. In den ersten Jahren war er gelegentlich geringfügig beschäftigt, danach bei wechselnden Arbeitgebern, überwiegend in H... Er war wie folgt tätig: vom 01.07.2002 bis zum 30.11.2002 bei einer Gebäudereinigung, vom 13.03.2004 bis zum 31.03.2005 bei C.M.A. Télécafé, vom 01.04.2005 bis zum 31.01.2006 bei M.S.A. Télécafé, dann - nach Bezug von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 - vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 bei einer Vertriebs GmbH in W..., vom 17.07.2006 bis zum 31.07.2006 bei B... K., Abbruch und Demontage, vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 bei M... K., Abbruch und Demontage, beide in L... und vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei Ü.S. Paletten-Depot in H... Seit dem 01.07.2009 ist der Kläger bei einer Gebäudereinigung tätig.
Am 25.01.1997 wurde der Kläger in einer Sitzung der Mitglieder des Vereins „Kurd... V... e.V.“, H..., - als Zuständiger für die Bücherei - in den Vorstand gewählt. Die Mitglieder des Vereins „Gebetshaus E... ... ...“, H..., wählten ihn am 12.12.1998 als zweiten Vertreter für den Bereich Sport und am 19.05.2002 als zweiten Vorsitzenden in den Vorstand. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 - KLs 71 Js 1603/96 - wurde der Kläger wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe von 35 Tagesätzen zu je 15,-- DM verurteilt. Am 16.02.1999 wurde er aus Anlass der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart (nach der Festnahme von Öcalan) gemeinsam mit 176 anderen Kurden einen Tag lang in „Vorbeugewahrsam“ nach § 28 PolG genommen. In einem gegen ihn wegen der Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK´ler“ eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 30.05.2003 von der Verfolgung abgesehen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Mit Bescheid vom 16.04.2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 27.08.1998 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die dagegen vom Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage - A 17 K 480/07 - wurde von ihm am 25.09.2007 zurückgenommen.
Bereits am 17.07.2007 hatte der Kläger (zum wiederholten Mal) die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beantragt. Unter anderem im Hinblick auf ein Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 13.11.2006, mit welchem die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt L... über die Wahl des Klägers in den Vorstand des Kurd... V... e.V. am 25.01.1997 und zum stellvertretenden Vorstandsmitglied des Gebetshauses „E... ...“ am 12.12.1998 sowie über diverse exilpolitische Aktivitäten des Klägers informiert worden war, forderte die Ausländerbehörde der Stadt H... den Kläger auf, an einer sog. Sicherheitsbefragung gemäß §§ 54 Nr. 6 i.V.m. § 82 Abs. 4 AufenthG teilzunehmen. Bei der daraufhin am 08.08.2007 durchgeführten Befragung verneinte der Kläger die Frage, ob er bestimmte Gruppen oder Organisationen, darunter die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) alias KADEK alias KONGRA-GEL, unterstütze oder für diese tätig geworden sei. Die Zusatzfrage, welcher Art diese Unterstützungshandlungen oder Tätigkeiten (z.B. Spenden) gewesen seien, beantwortete er sinngemäß wie folgt: Er sei nur Kurde; die PKK und die KONGRA-GEL interessierten ihn nicht. Er sei auch nicht Mitglied in einem kurdischen Verein.
Mit Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 26.02.2008 und an das Regierungspräsidium Stuttgart vom 18.11.2008 wurde mitgeteilt, dass der Kläger dem Landesamt im Zusammenhang mit der im November 1993 verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – welche 2002 in „Freiheit- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK) und 2003 in „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA-GEL) umbenannt worden sei – bekannt geworden sei. Neben den Vorstandstätigkeiten in den PKK-nahen Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ... - ...“ in H... lägen folgende Erkenntnisse vor: Der Kläger habe an einer Vielzahl von Versammlungen, Demonstrationen oder Feiern von KADEK bzw. KONRAG-GEL-Anhängern teilgenommen, so am 06.04.2003 in H... an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Abdullah Öcalan, am 05.02.2005 an einer Solidaritätsdemonstration für den am 22.01.2005 in Nürnberg festgenommenen stellvertretenden Vorsitzenden dieser Organisation, R... K..., am 03.04.2005 an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Öcalan, am 27.11.2005 in I... (bei H...) an einer Veranstaltung zum 27. Gründungsjahrestag der PKK, am 17.12.2005 an einer Versammlung in H..., am 28.01.2006 an einer Demonstration in Mannheim, am 11.02.2006 an einer Demonstration von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich des 7. Jahrestages der Festnahme Öcalans in Straßburg/Frankreich, am 16.02.2007 an einer Demonstration zu den Haftbedingungen Öcalans sowie zuvor stattgefundenen Exekutivmaßnahmen der deutschen und französischen Behörden gegen mutmaßliche KONGRA-GEL-Strukturen in H..., am 27.10.2007 an einer weiteren Demonstration in H..., am 24.11.2007 an einer Versammlung anlässlich einer Feier zum Parteigründungstag der PKK in H..., am 30.03.2008 an einer weiteren Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern und am 18.05.2008 an einer Märtyrer-Veranstaltung in H...
Nachdem das Regierungspräsidiums Stuttgart den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2008 unter anderem auf die Möglichkeit einer Ausweisung hingewiesen hatte, erklärte der Kläger in einem Schreiben vom 26.08.2008, er wolle zunächst feststellen, dass er kein Terrorist und kein Verbrecher sei, sondern ein einfacher Arbeiter. Jede Veranstaltung und Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei bei den Behörden angemeldet und genehmigt gewesen. Die Vereine, in deren Vorstand er gewählt worden sei, seien Kulturvereine von Kurden für Kurden. Sicher habe auch er, als er noch in der Türkei gelebt habe, die PKK unterstützt, aber eher mit humanitären als mit militärischen Mitteln. Seit die PKK als terroristische Vereinigung gelte, habe er diese Hilfe komplett eingestellt. Er unterstütze als Kurde die kurdische Sache. Er distanziere sich aber von jeder kriminellen Handlung, die im Namen des kurdischen Volkes begangen werde, somit auch von der PKK als terroristischer Vereinigung.
10 
Am 10.02.2009 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart (Untätigkeits-) Klage gegen die Stadt H... mit dem Antrag, diese zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen (8 K 487/09). Diese Klage wurde 25.05.2009 zurückgenommen; stattdessen erhob er Klage gegen das Land Baden-Württemberg (11 K 2004/09).
11 
Mit Schreiben vom 09.04.2009 und vom 01.02.2010 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz, es seien noch die folgenden gerichtsverwertbaren Erkenntnisse angefallen: Ausweislich eines Fotos und eines Zeitungsartikels in der der KONGRA-GEL nahestehenden türkischen Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ vom ...2008 habe er am ...2008 an einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in H... und außerdem am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestags der Gründung des militärischen Arms der PKK an einem Grillfest von KONGRA-GEL-Anhängern bei Bad Wimpfen sowie am 25.10.2008 an einer Demonstration gegen die angebliche Misshandlung von Öcalan in H... teilgenommen. Am 23.11.2008 und am 27.11.2009 sei der Kläger in I... (bei H...) Teilnehmer von Versammlungen zur Feier des 30. bzw. 31. Gründungsjahrestages der PKK gewesen, am 20.03.2009 habe er an der „Newroz“-Veranstaltung in H... teilgenommen.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise innerhalb der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht (Ziff. 2). Außerdem wurde sein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt (Ziff. 3). Der Kläger wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei dem Polizeirevier H... zu melden. Sein Aufenthalt sei bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung auf das Stadtgebiet des Stadtkreises H... beschränkt (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids und der Meldeauflage sowie der Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 5). In den Gründen des Bescheids wurde im Wesentlichen dargelegt: Die Voraussetzungen der Ausweisungstatbestände des § 55 AufenthG i.V.m. §§ 54 Nr. 5, Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien gegeben. Der Kläger sei nicht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats/EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) privilegiert. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 und/oder des Art. 7 ARB 1/80 lägen nicht vor. Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG sei erfüllt. Die PKK sei als eine terroristische Vereinigung zu qualifizieren. Der Kläger habe diese tatbestandsmäßig im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Er sei bereits vor seiner Einreise ins Bundesgebiet 1995 fünf bis sechs Jahre in der Türkei für die PKK tätig gewesen. Bereits Anfang 1996 habe er an einer verbotenen und gewalttätigen PKK-Demonstration in Dortmund teilgenommen und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem habe er im Jahr 1999 an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart anlässlich der Gefangennahme des PKK-Führers Öcalan teilgenommen und zudem im Jahr 2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet. Hinzu kämen die ab 1997 bis zumindest 2002 ausgeübten Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen. In der Folge habe er kontinuierlich ab dem Jahr 2003 bis Ende des Jahres 2009 an zahlreichen politisch-extremistischen und auch gewaltbereiten Veranstaltungen der PKK alias KADEK alias KONGRA-GEL aktiv teilgenommen. Die vorliegenden Erkenntnisse und Tatsachen rechtfertigten in ihrer wertenden Gesamtbetrachtung die Schlussfolgerung, dass er der PKK „angehöre“. Zudem seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5a und 6 AufenthG erfüllt. Da der Kläger und seine Ehefrau mit ihrem minderjährigen deutschen Kind A... A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, genieße er allerdings besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Seine Ausweisung sei daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig. Solche lägen jedoch in den Fällen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG, also auch hier, vor. Im vorliegenden Fall seien auch keine besonderen Umstände gegeben, die zur Annahme eines Ausnahmefalls führen könnten. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei daher gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sämtliche für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe in die Entscheidung einzubeziehen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und zu prüfen, ob die Ausweisung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei. Im Ergebnis überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung mit dem Entzug seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet abzuwehren. Zudem verfolge die Ausweisung general- und spezialpräventive Zwecke. Außerdem sei von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hätten Berücksichtigung gefunden. Auch seien die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Klägers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG bedacht worden. Es handle sich um eine schutzwürdige Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch seien die Interessen der Kinder, insbesondere des jüngsten deutschen Kindes, an der Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung und Abwägung des jeweiligen Interesses habe jedoch der Schutz der Ehe und Familie hinter das höher einzuschätzende Sicherheitsinteresse des Staates und seiner Bevölkerung vor Unterstützungshandlungen für terroristische Vereinigungen zurückzutreten. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK im Einklang. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei abzulehnen, weil dieser bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG entgegenstehe. Aufgrund der Ausweisungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, sei der Kläger nach §§ 50 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Gemäß § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliege er der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Gemäß § 54a Abs. 2 AufenthG sei sein Aufenthalt kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt.
13 
Mit am 01.07.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz vom 28.06.2010 machte der Kläger den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 im Wege der Klageänderung bzw. -erweiterung zum Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens 11 K 2004/09. In der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 wurde die Klage insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 11 K 2424/10 fortgesetzt, als sie auf Anfechtung von Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidium Stuttgart vom 10.06.2010 gerichtet ist. Im Übrigen (bezüglich der Niederlassungserlaubnis) ist nach entsprechenden Anträgen der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
14 
Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen: Obwohl der Kläger offensichtlich seit Jahren intensiv und engmaschig vom Verfassungsschutz beobachtet werde, könne das beklagte Land nicht einen konkreten Anhaltspunkt für eine objektive oder subjektive Unterstützungsleistung des Klägers benennen außer der schlichten Teilnahme an diversen, wohl gemerkt angemeldeten und erlaubten Versammlungen. Weder aus der Tatsache, dass er an diversen Kundgebungen teilnehme, noch daraus, dass er eine Zeitlang und bis 2002 in kurdischen Kulturvereinen in den Vorstand gewählt worden sei, habe er jemals einen Hehl gemacht. Er könne nicht für die Äußerungen irgendwelcher Redner auf irgendwelchen Veranstaltungen im Sinne einer Sippenhaft verantwortlich gemacht werden. Insgesamt bemühe sich das Land geradezu krampfhaft, eine über ein Jahrzehnt zurückliegende strafrechtliche Verurteilung und sogar ein von der Staatsanwaltschaft eingestelltes Ermittlungsverfahren, welches ebenfalls Jahre zurückliege, zur Begründung eines vermeintlichen Versagungsgrundes heranzuziehen. Tatsache sei, dass er weder Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei noch eine solche unterstützt habe. Insoweit werde auf seine Erklärung vom 26.08.2008 Bezug genommen. Obwohl es nicht darauf ankomme, werde bestritten, dass die PKK eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG sei. Die Aufnahme einer Vereinigung in die EU-Terrorliste entbinde weder Behörden noch Gerichte von der eigenständigen Prüfung. Eine Ausweisung könne zudem nur erfolgen, wenn vom Ausländer persönlich eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Er habe lediglich sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Information wahrgenommen. Dass er sich einen eigenen Staat wünsche und auch das Recht habe, als Kurde seine Auffassung kundzutun, dürfte auf der Hand liegen. Die Entscheidung verstoße im Übrigen gegen Art. 6 GG.
15 
Das Regierungspräsidium Stuttgart trat der Klage entgegen. Zur Begründung verwies es auf den angefochtenen Bescheid. Entgegen dem Vortrag des Klägers habe dieser nachweisbar im dargelegten Umfang an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen der PKK alias KONGRA-GEL vom 06.04.2003 bis zum 27.11.2009 sei durch offene und gerichtsverwertbare Tatsachen des Landesamts für Verfassungsschutz belegt, die vor Gericht durch einen Zeugen vom Hörensagen nachgewiesen werden könnten. Die PKK/KADEK/KONGRA-GEL sei auch als terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG einzustufen. Dass das „Gebetshaus E... ... - ... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger in den Jahren 1998 und 2002 gewählt worden sei, der PKK nahestehe, folge aus einem beigefügten Bericht des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006. Die PKK-Nähe des Vereins Kurdx ... V... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger 1997 gewählt worden sei, ergebe sich aus Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz. Unerheblich sei, dass die Wahl des Klägers in den Vorstand der genannten Vereinigungen bereits 1997, 1998 und 2002 erfolgt sei, da die Annahme einer Unterstützung der PKK durch den Kläger auf einer wertenden Gesamtbetrachtung beruhe und maßgeblich auch auf die bereits zu Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik erfolgten Tätigkeiten im Funktionärsstatus abzustellen sei, denen sich in den folgenden Jahren weitere politische Aktivitäten für die PKK angeschlossen hätten, und die sich bis in die Gegenwart fortsetzten. Selbst wenn es nur um die „bloße Teilnahme“ an Veranstaltungen und Demonstrationen gehen würde, könnte auch diese unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorfeldunterstützung des Internationalen Terrorismus darstellen. Die Versammlungen und Demonstrationen, an denen der Kläger teilgenommen habe, hätten entgegen seinem Vorbringen auch keinen „legalen und friedlichen“, sondern einen politisch-militanten Grundcharakter. Die Ausweisung verstoße auch nicht im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau des Klägers und mit den minderjährigen Kindern gegen Art. 6 GG. An dem Übergewicht des öffentlichen Interesses vermöge ein mögliches Abschiebungshindernis aufgrund familiärer Belange nichts zu ändern. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht ausgeschlossen, dass auch unter Berücksichtigung selbst eines strikten Abschiebungsverbotes - nach § 60 Abs. 1 AufenthG - und bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Duldung eine Ausweisung ermessensfehlerfrei ausgesprochen werden könne. Die Behörde habe dann das Abschiebungsverbot in die Ermessenserwägungen einzustellen. In Anwendung dieser Grundsätze werde ergänzend vorgetragen, dass zwar die Familienschutzvorschriften des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gewähren und einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Selbst wenn von einem solchen Abschiebungshindernis ausgegangen werde, führe dies aber nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung, sondern sei gemäß seiner Bedeutung zu werten und in die Ermessenserwägungen einzustellen. Im Ergebnis könne von einem Überwiegen des staatlichen Sicherheitsinteresses ausgegangen werden, so dass die Ausweisung des Klägers trotz eines - möglichen - Abschiebungshindernisses nicht unverhältnismäßig sei.
16 
Auf einen am 01.07.2010 vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - die aufschiebende Wirkung der Klage - 11 K 2424/10 - gegen die Ziffern 1, 2 und 3 im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wieder her. Bezüglich Ziffer 4 des Bescheids wurde der Antrag abgelehnt.
17 
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - wurden die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen dargelegt: Alle Vorgänge vor 2002 lägen derart weit in der Vergangenheit, dass sich aus ihnen eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht ablesen lasse. In der Zeit nach 2002 habe der Kläger lediglich an 13 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen - was er auch nicht bestritten habe. Im angefochtenen Bescheid seien allerdings keinerlei Ausführungen dazu enthalten, was der Kläger bei den Veranstaltungen konkret gemacht haben solle. Allein seine Anwesenheit könne noch nicht als Unterstützungshandlung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG gewertet werden, von der auf eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers geschlossen werden dürfe. Der Kläger erfülle aber auch nicht den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG. Zwar dürfte die Beantwortung zahlreicher Fragen zur Nähe zur PKK durch den Kläger anlässlich des mit ihm durchgeführten Sicherheitsgesprächs am 08.08.2007 falsch gewesen sein. Es gebe keine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen. Der Kläger hätte daher vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Ergebnis rechtlich nicht verwertbar. Damit erwiesen sich auch die Abschiebungsandrohung und die unter Ziffer 4 des Bescheids angeordneten Überwachungsmaßnahmen als rechtswidrig.
18 
Am 14.03.2011 hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das am 21.02.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese mit am 19.04.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Ergänzend wird unter anderem dargelegt: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2005 für die Annahme einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG genügen könne, wenn der Betreffende an einschlägigen Versammlungen und Kundgebungen teilnehme. In diesem Zusammenhang sei vorab richtig zu stellen, dass der Kläger ab dem Jahr 2002 nicht lediglich an 13, sondern an 18 bzw. 19 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen habe. Die jeweiligen Veranstaltungen seien terrorgeneigt und politisch-militant orientiert gewesen, woraus sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das objektiv Vorteilhafte der Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen ohne weiteres ergebe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufteilung der Gesamtaktivitäten des Klägers in solche vor und solche nach dem Jahr 2002 unter Außerachtlassung der älteren Aktivitäten sei rechtlich nicht haltbar. Im Übrigen habe der Kläger nach den aktuellen sicherheitsrelevanten Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.12.2010 und vom 18.04.2011 noch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ mit qualitativ hochstehendem Gefährdungspotential teilgenommen. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien ebenfalls gegeben. Die Ausweisungsentscheidung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Die familiären Bindungen des Klägers seien im Rahmen der Ermessensausübung vollständig berücksichtigt worden. Im Falle des Klägers sei davon auszugehen, dass aus familiären Gründen ein Abschiebungsverbot bestehe, weshalb es bei ihm nicht um eine Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik gehe. Eine Ausweisung sei gleichwohl möglich.
19 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
20 
Das beklagte Land beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 richtet.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Zur Begründung wird auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen und ergänzend unter anderem vorgetragen: Er habe eine Rechtsstellung nach Art. 6 ARB 1/80 inne. In der Zeit vom 01.04.2007 bis einschließlich Mai 2009 sei er durchgehend bei demselben Arbeitgeber in L... tätig gewesen. M... K. habe den Betrieb von B... K. übernommen. Nach einmonatiger Arbeitslosigkeit habe er dann zum 01.07.2009 seine Tätigkeit bei einer Gebäudereinigungsfirma angetreten, bei der er heute noch beschäftigt sei. Er lebe weiter mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammen, auch mit den volljährigen. Die minderjährigen Kinder befänden sich noch in der allgemeinen Schulausbildung. Die Tochter K... nehme seit dem 22.11.2011 an einem Berufsvorbereitungslehrgang teil. C... habe eine Ausbildungsstelle zur Kauffrau im Einzelhandel und arbeite seit einigen Jahren in Nebentätigkeit bei einem Schnellimbiss.
25 
In weiteren Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz an das Regierungspräsidium vom 17.12.2010, vom 18.04.2011 und vom 12.09.2011 wird mitgeteilt: Wie bereits am 17.12.2005 und am 30.03.2008 habe der Kläger auch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ in den Räumlichkeiten des PKK-nahen Vereins „Kurd... G...“ H... – dem Nachfolgeverein des „Kurd... V...“ – teilgenommen. Volksversammlungen gehörten zum organisatorischen Rahmen der PKK. Dabei bestehe der Teilnehmerkreis zu annähernd 100 % aus PKK-Anhängern. Sie dienten in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Am 20.11.2010 habe sich der Kläger außerdem an einer „Kurdistan Solidaritätsdemonstration“ in H... beteiligt, bei der Transparente/Plakate mit den Aufschriften „Freiheit für Öcalan - Frieden für Kurdistan“ u.ä. skandiert worden seien.
26 
In der mündlichen Verhandlung sind der Kläger und – informatorisch – Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.12.2011 übergeben, in welchem erklärt wird, dass der Kläger bis auf Weiteres eine Duldung aus familiären Gründen erhalte.
27 
Dem Senat liegen die ausländerrechtlichen Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) und der Stadt H... (2 Hefte), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart über Asylverfahren des Klägers (A 3 K 12680/98 und A 17 K 480/07), bezüglich Klagen wegen Niederlassungserlaubnis gegen die Stadt H... (8 K 487/09), wegen Niederlassungserlaubnis u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2004/09, mit Beiakte) und wegen Ausweisung u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2424/10, 2 Bände) sowie über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (11 K 2430/10) vor. Der Inhalt dieser Akten ist ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren (11 S 897/11) Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
44 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
45 
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
46 
aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
47 
Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
48 
Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
49 
bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
54 
Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
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a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
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aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
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Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
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Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
54 
Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und wurde am ... 1973 in ... (Türkei) geboren. Er ist verheiratet, reiste mit seiner Frau und seinen damals drei Kindern am ... 1997 in die Bundesrepublik ein und beantragte am folgenden Tag Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Oktober 1997 wurden die Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG festgestellt. Inzwischen hat der Kläger mit seiner Frau, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, sieben Kinder, von denen sechs die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Vier der Kinder studieren, zwei besuchen das Gymnasium und eines die Grundschule.
Der Kläger war zunächst im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen bis Mitte 2005. Ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom März 2006 nahm der Kläger mit Blick auf den Bezug von öffentlichen Leistungen zurück. Ende März 2009 beantragte er erneut die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. In diesem Zuge erfolgte eine Regelanfrage nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG, die zu der Mitteilung führte, dass Erkenntnisse vorlägen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erbat am 4. Juni 2009 von der Stadt ... die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG, nachdem das Bundesamt am 13. März 2009 mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylG nicht vorliegen würden. Unter dem 9. Juni 2009 teilte die Stadt ... dem Kläger mit, dass die Ermittlungen des Landeskriminalamts noch nicht abgeschlossen seien. Ausweislich eines in der Akte der Stadt ... befindlichen Vermerks vom 19. November 2009 ging die Stadt sodann davon aus, dass auf eine Rückantwort des Landeskriminalamts und auf die Regelanfrage verzichtet werden könne. Die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG wurde dem Kläger schließlich am 4. Dezember 2009 erteilt.
Das in der Akte der Stadt befindliche Schreiben des Regierungspräsidiums ... an die Stadt vom 22. September 2009, das per Mail an diese gegangen sein soll, findet sich in der Akte erstmals als Anhang einer Mail des Regierungspräsidiums, datierend vom 22. Mai 2010. In diesem bittet das Regierungspräsidium die Stadt um Durchführung einer Sicherheitsbefragung. Die Stadt teilte dem Regierungspräsidium mit, dass die Aufforderung zur Durchführung einer Sicherheitsbefragung nicht zu den Akten gekommen sei, was eventuell mit einer längeren Krankheitszeit der früheren Sachbearbeiterin zusammenhängen könne. Sie informierte das Regierungspräsidium darin im weiteren über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Kläger.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 informierte die Stadt dem Kläger darüber, dass das Regierungspräsidium sie aufgefordert habe, mit ihm eine Sicherheitsbefragung durchzuführen. Das Regierungspräsidium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis von Bedenken seitens der Sicherheitsbehörden gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland erteilt worden sei. Es prüfe derzeit eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Am 23. Februar 2011 fand eine Sicherheitsbefragung des Klägers statt. Am anschließenden Sicherheitsgespräch nahm der Kläger nicht teil.
Mit hier angegriffener Verfügung vom 10. Januar 2012 wurde der Kläger durch das Regierungspräsidium ausgewiesen und verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt ... begrenzt und die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet.
In der Verfügung wurde im Wesentlichen zunächst in tatsächlicher Hinsicht auf Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Aktivitäten des Klägers ab 2001 und bis Dezember 2010 abgestellt und im Übrigen darauf, dass er unverändert Vorstandsmitglied (nunmehr 2. Vorsitzender) der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ (YEK-KOM) sei. Die Ausweisung beruhe auf § 55 AufenthG in Verbindung mit § 54 Nr. 5 AufenthG. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei bestehe nicht, da der Kläger nur über wenige Monate hinweg abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Januar 2005 stehe er mit seiner Familie im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die vorliegenden Erkenntnisse wiesen ausreichend Tatsachen für die gerechtfertigte Annahme nach, dass der Kläger entsprechende Unterstützungshandlungen gegenüber einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, vorgenommen habe. Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle sich um Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die vom Kläger genannten Veranstaltungen, an denen dieser teilweise maßgeblich mitgewirkt habe, hätten erkennbar dazu gedient, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, sondern jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern. Insoweit sei die Freiheit der Meinungsäußerung beschränkt. Entscheidend sei zudem, dass der Kläger nicht bloß passiver Teilnehmer an denen vom Landesamt für Verfassungsschutz benannten Veranstaltungen der unterstützenden Vereinigung gewesen sei, sondern in hervorgehobener Funktion, beispielsweise als Redner, diese tragend mitgestaltet und er sich auch nicht distanziert habe, wenn durch andere Teilnehmer der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen gehuldigt worden sei. Er habe damit auch durch den Anschein der Billigung den Terrorismus gefördert. Das Engagement des Klägers als Vorsitzender im kurdischen Kulturverein e.V. ... sei ebenfalls als Unterstützungshandlung zu werten, da dieser nach Erkenntnissen und Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz als KONGRA-GEL-nah einzustufen sei. In der Vergangenheit habe der Vereinssitz mehrfach zwischen ... und ... gewechselt, wobei die Vereine auch unter verschiedenen Namen im Vereinsregister eingetragen worden seien. Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz könne davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Vereinen um die Vorgängervereine des heutigen kurdischen Kulturvereins e.V. ... handle. Zum einen bestehe zwischen diesen Vereinen Personengleichheit der Vereinsbesucher und auch von einigen Vorstandsmitgliedern, die im Großraum .../... wohnhaft seien. Zum anderen hätten in allen Vereinen Vereinsfeierlichkeiten anlässlich bestimmter PKK-Gedenktage sowie „Märtyrergedenkveranstaltungen“ und „Volksversammlungen“ stattgefunden. Der Verein sei auch Mitglied in der YEK-KOM, die ein Dachverband von überwiegend KONGRA-GEL-nahen örtlichen Kurdenvereinen sei. Als 2. Vorstandsvorsitzendem seien dem Kläger deren Aktivitäten zuzurechnen. Von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers sei auszugehen. Die Ausweisung sei danach aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Ausweisung des Klägers sei auch nicht unverhältnismäßig mit Blick auf Art. 8 EMRK. Hinsichtlich der Integrationsleistung des Klägers sei zu beachten, dass er seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht selbst sichern könne und weitere Verwurzelungserfolge des Klägers nicht ersichtlich seien. Das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiege hier sein Bleibeinteresse, dem im Übrigen durch seine Duldung Rechnung getragen werden könne. Es sei ihm daher zuzumuten, seinen weiteren Aufenthalt auf Grundlage der Aussetzung der Abschiebung auszugestalten. Auch sei einzustellen, dass die Ausweisung auf Antrag befristet werde.
Der Umstand, dass die Stadt ... als untere Ausländerbehörde am 4. Dezember 2009 eine Niederlassungserlaubnis erteilt habe, obwohl die Sicherheitsbehörden auch schon zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse über den Kläger gehabt hätten, welche zu Bedenken gegen seinen weiteren Aufenthalt führen könnten, sei hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung unschädlich. Insbesondere handele es sich nicht um ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Behördenverhalten. Der Stadt ... sei lediglich ein Wissen dahingehend zurechenbar, dass überhaupt Erkenntnisse seitens der Sicherheitsbehörden vorgelegen hätten. Über deren Inhalt und Gegenstand sowie den Umstand, dass diese geeignet gewesen seien, Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers zu begründen, habe die Stadt ... keine Kenntnis gehabt. Vor der Mitteilung der Sicherheitsbehörden seien entsprechende Ausweisungsgründe der Ausländerbehörde noch nicht bekannt gewesen und könnten daher auch nicht verbraucht sein. Es genüge nicht, dass die Ausländerbehörde Kenntnis darüber habe, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Erkenntnisse hätten. Entscheidend sei, dass weitere maßgebliche Erkenntnisse auch nach dem 4. Dezember 2009 erlangt worden seien, wie der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 17. Juli 2011 sie darstelle.
Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk ... beruhten auf §§ 54a Absatz 1 Satz 1 AufenthG. Die Auflagen seien auch verhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geboten, dies insbesondere mit Blick auf die notwendige Kontrolle des Verhaltens des Klägers. Dies gelte insbesondere auch mit Blick darauf, dass die tatsächliche Beendigung des Aufenthalt des Klägers nicht möglich sei.
10 
Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2012 erhob der Kläger Klage, mit dem Antrag, die Verfügung vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
11 
Das Verwaltungsgericht hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren persönlich zu den ihm vorgeworfenen Aktivitäten und seiner derzeitigen Funktion in der NAV-DEM und deren Zielrichtung an. Er räumte dabei die ihm vorgehaltenen Teilnahmen an den genannten Veranstaltungen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich ein. Insbesondere treffe es zu, dass er am 8. September 2012 Versammlungsleiter des kurdischen Kulturfestivals 2012 in ... gewesen und dort eine Videobotschaft von Murat Karayilan ausgestrahlt worden sei. Derzeit sei er 2. Vorsitzender der NAV-DEM. Diese sei durch eine Namens- und Satzungsänderung der YEK-KOM im Juni 2014 entstanden. Ein Antrag auf Löschung im Vereinsregister oder ein Auflösungsbeschluss bezüglich des Vereins YEK-KOM sei nicht erfolgt. Neben ihm und dem 1. Vorsitzenden, die bereits bei der YEK-KOM im Vorstand gewesen seien, seien drei neue Mitglieder in den fünfköpfigen Vorstand gewählt worden. Die NAV-DEM halte, wie die YEK-KOM zuvor, jedes Jahr zwei große Veranstaltungen ab. Er gehe auch weiterhin zu genehmigten Veranstaltungen anderer kurdischer Organisationen, auch in seiner Funktion als 2. Vorsitzender der NAV-DEM trete er als Redner auf. Das Verwaltungsgericht hörte des Weiteren Frau ... als Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg informatorisch zu den Aktivitäten des Klägers und den Erkenntnissen des Landesamtes zu den Organisationen YEK-KOM und NAV-DEM an. Sie führte aus, dass sie die in den vorliegenden Berichten des Landesamtes zum Ausdruck gebrachte Einschätzung der eindeutigen Nähe des Vereins YEK-KOM zur KONGRA-GEL, in dem der Verein der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen Raum zur Verbreitung ihrer Erklärungen und Äußerungen biete, teile. Dies gelte auch für die NAV-DEM, wie etwa eine Veranstaltung im Dezember 2014 gezeigt habe. Dem Landesamt lägen noch keine konkreten Erkenntnisse vor, dass zwischen YEK-KOM und NAV-DEM insoweit Unterschiede bestünden.
12 
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2015 den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
13 
Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei nur teilweise begründet, soweit der Beklagte verpflichtet sei, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Im Übrigen verletze diese den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein erhöhter Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) bestehe nicht, da der Kläger keine assoziationsrechtliche Rechtsposition erworben habe. Dies, da er selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, bei seinen Beschäftigungsverhältnissen jeweils kürzer als ein Jahr angestellt gewesen zu sein. Etwaige Rechtspositionen nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 wären daher durch den jeweils nächstfolgenden Arbeitgeberwechsel erloschen.
14 
Der Kläger sei in den Jahren von 2001 bis 2003 Vorsitzender des kurdischen Kulturvereins e.V. ... gewesen. Zwischen 2004 und Mitte 2014 sei er mit einer kurzen Unterbrechung Anfang des Jahres 2012 durchgehend Mitglied im Vorstand, zeitweise 2. Vorsitzender, der YEK-KOM gewesen. Im Mai 2012 sei er erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt worden, die inzwischen in die NAV-DEM übergegangen sei.
15 
Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzung einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen seien nach ständiger Rechtsprechung terroristische Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die PKK werde nach wie vor auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen geführt. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die PKK habe nunmehr eine geänderte Ausrichtung mit Blick auf die Verteidigung der kurdischen Bevölkerung und der Jesiden im Nordirak gegen den IS, handele es sich um ein temporäres Phänomen, das nicht mit einem dauerhaften Gewaltverzicht und Friedenskurs gegenüber der Türkei einhergehe. Dies ergebe sich auch aus einem Interview des stellvertretenden PKK-Chefs Cemil Bayik vom 10. Oktober 2014, in dem dieser damit gedroht habe, dass sie den Verteidigungskrieg zum Schutze des Volkes auch wieder aufnehmen könnten. Entsprechende Stellungnahmen gebe es auch vom Oberkommandierenden des bewaffneten Arms der PKK „Volksverteidigungskräfte“, der erklärt habe, dass der Friedensprozess mit der Türkei hinfällig sei und die gemeinsamen Übergriffe des türkischen Staates mit dem islamischen Staat einer Kriegserklärung gleichkämen, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 18/3491, Seite 4, entnehmen lasse. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der Vergangenheit entsprechende Kursänderungen nicht von Dauer gewesen seien.
16 
Der Kläger unterstütze die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen durch seine langjährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied der YEK-KOM bzw. nunmehr der NAV-DEM. Er sei nahezu ununterbrochen seit 2004 im Vorstand beider Vereine gewesen, was er in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich eingeräumt habe. Er habe seine Vorstandstätigkeit aktiv ausgeübt, sei selbst auch als Redner und Versammlungsleiter aufgetreten und habe die Interessen des Dachverbandes gegenüber den Mitgliedsvereinen vertreten. Damit seien dem Kläger die von diesen Organisationen ausgehenden Unterstützungshandlungen zuzurechnen.
17 
YEK-KOM bzw. NAV-DEM unterstützten wiederum die PKK und deren Nachfolgeorganisationen. Die Vereinigungen schafften insbesondere eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK und gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Sie sicherten der PKK auf diesem Wege einen Raum für die Ansprache und die Sicherung von Unterstützung durch im Bundesgebiet lebende Kurden. Diese Einschätzung werde sowohl durch die Selbstdarstellung der YEK-KOM wie auch von der Gestaltung und dem Ablauf ihrer Veranstaltungen sowie der Veranstaltungen ihrer Mitgliedsvereine getragen. Im nach wie vor auf der Internetpräsenz der YEK-KOM abrufbaren Arbeitsprogramm werde auf das Selbstverständnis der in Europa lebenden Kurden als „logistische UnterstützerInnen des nationalen Befreiungskampfes“ verwiesen. Die Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem kurdischen Kulturfestival im Jahr 2012 greife dies ebenfalls auf und spreche davon, dass die PKK für Millionen Kurdinnen und Kurden eine legitime Vertretung sei und einen „gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung“ führe. Deswegen lasse sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen. Bei diesem Selbstverständnis der Kurden handle es sich letztlich um das Selbstverständnis der YEK-KOM selbst. Denn zum einen begreife sich diese gerade als Dachorganisation der Kurden in Deutschland und als deren Interessenvertretung. Zum anderen werde auf dieses Selbstverständnis ohne jegliche Distanzierung und im Gesamtkontext der Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots Bezug genommen. Die YEK-KOM biete zudem eine Plattform für Äußerungen von Funktionären der PKK. Auf ihren Großveranstaltungen würden regelmäßig Grußbotschaften führender PKK-Funktionäre verlesen und als Videobotschaft gezeigt. Auf dem genannten Kulturfestival 2012, dessen Versammlungsleiter der Kläger gewesen sei, sei eine Videobotschaft des oben genannten Murat Karayilan und im Jahr 2013 eine solche des ebenfalls schon genannten Cemal Bayik gezeigt worden. Gleiches sei auf den jährlichen Newroz-Festivals geschehen. Die Veranstaltungen der Mitgliedsvereine der YEK-KOM, an denen der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied teilgenommen habe, seien jeweils durch die zeitliche Nähe zu für die PKK bedeutsamen Daten (PKK-Gründungsjahrestag; Tag der Festnahme Öcalans) und das regelmäßig stattfindende Märtyrergedenken gekennzeichnet, wie sich aus den Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Januar 2015, 29. Januar 2014, 17. Oktober 2013 und 27. August 2012 ergebe. Das Gedenken an Märtyrer möge Teil der kurdischen Kultur sein, wie der Kläger meine, zugleich komme jedoch zum Ausdruck, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im „Befreiungskampf Kurdistans“ grundsätzlich gebilligt werde. Denn ein Gedenken an Märtyrer schließe eine positive Bewertung der mit den Märtyrertod verbundenen Überzeugung ein. Dies gelte erst recht, weil auf den Veranstaltungen von YEK-KOM und ihren Mitgliedsvereinen soweit ersichtlich keine entsprechende Distanzierung von diesem bewaffneten Kampf erfolgt sei. Es handele sich gerade nicht, wie der Kläger wohl geltend machen wolle, um ein bloßes Gedenken an die verstorbenen des eigenen Volkes, sondern um Verstorbene im „Befreiungskampf“ der kurdischen Bevölkerung und zwar insbesondere derer, die bewaffnete Auseinandersetzungen, beispielsweise als Guerillakämpfer, geführt hätten. Durch die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM sowie die damit einhergehenden Satzungsänderungen habe sich die Ausrichtung des Vereins nicht verändert. Bereits aus vereinsrechtlicher Sicht liege keine Neugründung sondern eine bloße Umfirmierung vor. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Protokoll der Delegiertenversammlung vom 22. Juni 2014. In der Pressemitteilung zu Umbenennung vom 18. Juli 2014 spreche die Organisation selbst davon, dass „die Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland YEK-KOM e.V. […] ihre Arbeit fortan unter dem Namen NAV-DEM e.V. fortsetzen [wird]“. Dabei sei nicht in Abrede zu stellen, dass die NAV-DEM auf eine umfassendere Organisation kurdischer Vereine ausgerichtet sein möge und ihre satzungsmäßigen Ziele grundsätzlich legitime politische Anliegen beträfen. § 54 Nr. 5 AufenthG stelle jedoch auf tatsächliche Unterstützungshandlungen ab. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung des Aktivitätsspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM. Die NAV-DEM führe nach dem übereinstimmenden Bekunden des Klägers und des Landesamtes für Verfassungsschutz die beiden zentralen Großveranstaltungen (Newroz-Feier und kurdisches Kulturfestival) fort. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei bislang nicht erfolgt. Auch eine Distanzierung von den bisherigen Aktivitäten der YEK-KOM bzw. der Aktivitäten der PKK habe es nicht gegeben und gebe es auch jetzt nicht. Im Gegenteil führe die NAV-DEM die politischen Aktivitäten zur Aufhebung des PKK-Verbots fort. So führe eine Presseerklärung vom 24. November 2014 anlässlich des 21. Jahrestages des Verbots der PKK aus, dass das Betätigungsverbot für die PKK dazu geführt habe, dass „jegliches Engagement gegen den Krieg in Kurdistan und für die Rechte des kurdischen Volkes […] Repressionen und Kriminalisierung ausgesetzt [war]“.
18 
Der Kläger könne sich für seine Tätigkeit bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM nicht auf den Verbrauch der Ausweisungsgründe durch Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 berufen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könne eine Ausweisung in der Regel nicht mehr auf solche Tatbestände gestützt werden, in deren Kenntnis die Ausländerbehörde zuvor vorbehaltlos eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Für den Vertrauensschutz des Ausländers sei maßgeblich, wie dieser bei verständiger Würdigung die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verstehen durfte. Insofern dürfe eine Ausweisung nicht mehr allein auf die Betätigung des Klägers vor der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 gestützt werden, da er insoweit davon habe ausgehen dürfen, dass diese Betätigung im Verfahren zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis überprüft worden sei. Jedenfalls für den Zeitraum ab Erlass der angegriffenen Ausweisungsverfügung bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt, könne der Kläger jedoch keinen Vertrauensschutz geltend machen. Mit der Anhörung durch die Beklagte am 3. März 2011, spätestens jedoch mit Zustellung der Ausweisungsverfügung am 12. Januar 2012, habe dem Kläger die unterbliebene Prüfung von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG durch die Stadt... bewusst sein müssen. Schutzwürdiges Vertrauen auf seine weitere Betätigung für die YEK-KOM ohne entsprechende ausländerrechtliche Konsequenzen habe der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr entwickeln können. Der bis dahin bestehende Vertrauensschutz hindere aber nur die Neubewertung vergangener Ereignisse, nicht jedoch die Bewertung der fortgesetzten Tätigkeit des Klägers. Die erneute Wahl des Klägers in den Vorstand der YEK-KOM im Mai 2012 stelle die entscheidende Zäsur dar. Dieser habe sich in Kenntnis der Tatsachen, auf die der Beklagte seine Ausweisungsverfügung gestützt habe, dazu entschlossen, seine Tätigkeit im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM fortzusetzen und er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er von einer weiteren Betätigung nicht Abstand nehme.
19 
Als anerkannter Flüchtling und Besitzer einer Niederlassungserlaubnis, der sich länger als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, dürfe der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen insbesondere in den Fällen des §§ 54 Nr. 5 AufenthG vor. Ein Ausnahmefall von dieser Regel sei hier nicht gegeben. Der Kläger habe trotz der im Raum stehenden Ausweisung nunmehr erneut über einen Zeitraum von knapp drei Jahren aktiv die Aktivitäten der PKK über seine Vorstandstätigkeit unterstützt. Dabei habe er durch die Übernahme der Versammlungsleitung beim 20. kurdischen Kulturfestival in ... und seine Rednertätigkeit eine besonders exponierte Rolle eingenommen. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers im Ermessenswege vor. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
20 
Die Ausweisung sei auch gemessen an Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie rechtmäßig. Auf die Frage, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels Art. 21 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie geringer seien als die aus Art. 24 Abs. 1 komme es nicht an. Denn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie seien erfüllt. Danach dürfe die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, jedenfalls wenn sie ein unbefristetes Aufenthaltsrechts ersatzlos zum Erlöschen bringe, nur erfolgen, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei. Dabei sei eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich. In Anlehnung an das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG noch nicht aus. Vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Die Gründe müssten so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, dass Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das setze eine qualifizierte Unterstützung des Terrorismus voraus, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als aktiver Funktionär. Dies setze eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles voraus, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und eine Gewaltbereitschaft bestimmt werde. Eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei auch durch Unterstützung einer Organisation gegeben, die im Bundesgebiet selbst keine Terrorakte verübe, denn es sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sie die Gewalt auch als Mittel zur Lösung politischer Konflikte außerhalb ihres eigentlichen militärischen Aktionsgebiets einsetze. Zudem hätten Funktionäre der PKK auch Kurden in Deutschland zum bewaffneten Kampf in Syrien aufgerufen. Die Rückkehr solcher Kämpfer nach Deutschland stelle sich, wie bei Kämpfern anderer Organisation auch, als unkalkulierbares Sicherheitsrisiko dar. Eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Aktivitäten der PKK bestehe aber auch dann, wenn die Verübung terroristischer Akte auf dem Bundesgebiet durch die PKK ausgeschlossen wäre und sich alleine auf die Türkei beschränkten. Denn die Türkei und Deutschland seien NATO-Bündnispartner und in ein System kollektiver Verteidigung im Sinne von Art. 24 GG eingebunden. Diese Sicherheitspartnerschaft wäre in Frage gestellt, würde ein Bündnispartner die Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Gebiet eines anderen Bündnispartners dulden. Die Duldung solcher Aktivitäten könne zu einer in Stabilisierung der Sicherheitslage im betroffenen Staat führen, die wiederum dessen Handlungs- und Beistandsfunktion gegenüber sein Bündnispartner beeinträchtigen könne.
21 
Der Kläger habe durch seine aktive Funktionärstätigkeit die PKK in diesem Sinne qualifiziert unterstützt. Die aktive Tätigkeit im Vorstand der Vereine sei einer direkten Einbindung in die PKK-Funktionärsebene gleichzusetzen. Ohne die entsprechenden Veranstaltungen der YEK-KOM bzw. NAV-DEM wäre die Organisation und die Sicherung des Zusammenhalts der Anhängerschaft der PKK in Deutschland nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. Die Aufrechterhaltung eines jahrelangen, bewaffneten Guerillakampfes könne nur aufrechterhalten werden, wenn im Hintergrund der kämpfenden Einheiten ein stabiles und ideologisch gefestigtes Umfeld der Unterstützung, sei es in finanzieller oder politischer Hinsicht, bestehe. Die Bedeutung der YEK-KOM bzw. NAV-DEM für die Aktivitäten der PKK sei als sehr hoch zu bewerten. Besonders deutlich werde dies an den organisierten Veranstaltungen der Vereinigungen. Sie ermöglichten der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen, unter dem Schirm der Vereine die jeweilige Parteilinie an eine große Zahl von Personen zu vermitteln und dabei das auf den Großveranstaltungen erzeugte Gemeinschaftsgefühl für ihr Anliegen zu nutzen. Eine stärkere Identifikation und Unterstützung der Anliegen einer verbotenen Organisation als die Präsentation der Videobotschaften ihrer Führer vor einem Massenpublikum sei schwerlich vorstellbar. Dies rechtfertige es, die Vorstandstätigkeit in diesen Vereinen, zumal wenn sie im Fall des Klägers ohne jegliche Distanzierung zu den Aktivitäten der PKK erfolge, einer Funktionärstätigkeit in der PKK gleichzusetzen.
22 
Die Anordnung der Meldepflichten und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54 a AufenthG sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf eine Dauer von acht Jahren.
23 
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung habe, ob die Tätigkeit im Vorstand eines nicht verbotenen Vereins, der eine Vereinigung unterstütze, die den Terrorismus unterstützt, die Voraussetzung des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 und Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllen könne.
24 
Gegen das dem Kläger am 31. März 2015 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20. April 2015, eingegangen am selben Tag, beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt.
25 
Er führt im Wesentlichen aus: Dem Verwaltungsgericht fehle die Sachkunde für die Feststellung, dass die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM nicht zu einer wesentlichen Änderung des Aktivitätenspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM geführt habe. Zudem könne aufgrund einer veränderten internationalen Entwicklung nicht mehr ohne weiteres mit Blick auf die PKK von einer terroristischen Vereinigung ausgegangen werden. Einheiten der PKK hätten insbesondere ab August 2014 verfolgte Jesiden im Norden des Iraks vor dem IS geschützt, dies, nachdem die Peschmergas den Schutz verweigert hätten. Auch bei der Verteidigung von Kobane habe die PKK eine wichtige militärische Schutzfunktion für die schutzlose Zivilbevölkerung über ihren syrischen Zweig YPG übernommen. Diese sei dabei von der US-Luftwaffe unterstützt worden. Die PKK müsse nach Einschätzung westlicher Beobachter in den politischen Prozess eingebunden werden. Die US-Regierung weise ausdrücklich darauf hin, dass die YPG ungeachtet ihrer engen Verbindung zur PKK nicht als terroristische Organisation angesehen werde. Dies habe zu einer Überprüfung der Position der USA und westlicher Staaten im Hinblick auf ihre Einstellung gegenüber der PKK geführt. Haupthindernis bei den Bemühungen um eine gemeinsame internationale Strategie gegen den IS sei die türkische Regierung, die völlig eigene Interessen verfolge. Jedenfalls bedürfe es einer sorgfältigen Aufklärung der aufgezeigten Entwicklung und der darauf beruhenden Einschätzung. Das von den Verfassungsschutzbehörden unterstellte separatistische Ziel bezogen auf die Türkei sei seit langem überholt. Von der PKK gebilligte und koordinierte militärische Einsätze gegen die Türkei würden seit zwei Jahren nicht mehr geführt. Entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK müssten dem nicht zwingend entgegenstehen, sondern könnten auch als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat bewertet werden. Terroristische Aktionen in europäischen Ländern seien seit 2005 nicht mehr unternommen worden. Die politische und militärische Strategie der PKK habe sich seit dem Aufkommen des IS nahezu ausschließlich auf eine Schutzfunktion zu Gunsten der jesidischen und kurdischen Bevölkerung in Syrien verändert. Es entspreche jedenfalls dem Willen der jetzigen Führung der PKK, den Kampf der Einheiten vollständig auf den Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung in den bezeichneten Ländern zu konzentrieren.
26 
Das Verwaltungsgericht stelle auf die Vorstandstätigkeit des Klägers bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM ab, bezeichne jedoch keine einzige Aktivität des Klägers, die als individuelle Unterstützung der PKK ausgelegt werden könne. Der Unterstützungsbegriff werde unzutreffend ausgelegt, insbesondere soweit auf Aktivitäten „im Interessenbereich der PKK“, namentlich der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots unter Freilassung Öcalans abgestellt werde. Von derartigen, politisch neutralen Forderungen könne nicht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. eines bewaffneten Kampfes der PKK geschlossen werden. Es handele sich nicht um den Aufruf zur Begehung terroristischer Taten. Soweit das Verwaltungsgericht anführe, dass in dem „Denken an Märtyrer“ zugleich zum Ausdruck komme, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im Befreiungskampf Kurdistans grundsätzlich gebilligt werde, habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er insgesamt 13 nahestehenden Angehörigen in dem Kurdenkonflikt in der Türkei gedacht habe, die durch das türkische Militär getötet worden seien. Er sei gläubiger Muslim und bekunde so seine Trauer und seinen Respekt vor den Toten. Damit habe sich das Verwaltungsgericht in seiner Bewertung nicht auseinandergesetzt.
27 
Das Bundesverwaltungsgericht verlange für eine Unterstützung des Terrorismus aus rechtsstaatlichen Gründen eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten, da dem Einzelnen anderenfalls ein Verhalten zugerechnet werde, dass weder von seinem Willen noch von der durch ihn unterstützten Vereinigung getragen werde. Lediglich die Befürwortung bestimmter spezifischer Ideologien oder Weltanschauungen, sofern daraus nicht Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele abgeleitet würden, reichten danach nicht aus. Eine Vereinigung könne nur dann als den Terrorismus unterstützende Vereinigung angesehen werden, wenn sie Dritte mit einer entsprechenden Einstellung für die militante Durchsetzung der Ideologie gewinnen wolle. Das Verwaltungsgericht wende § 54 Nr. 5 AufenthG indessen bereits dann an, wenn z.B. die Aufhebung des Vereinsverbots der PKK oder eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei gefordert werde. Es lasse bereits bloße Sympathiebekundungen für eine Organisation, die durch die Sicherheitsbehörden als terroristische eingestuft werde, für den Unterstützungsbegriff ausreichen, ohne dass zusätzliche Tatsachen festgestellt würden, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung auch auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet seien, etwa dadurch, dass gezielt bei Veranstaltungen Jugendliche für den bewaffneten Kampf in kurdischen Siedlungsgebieten angeworben oder durch konkrete Aktionen Kämpfer der PKK in diesen Gebieten unterstützt würden.
28 
Das Verwaltungsgericht verletze § 54 Nr. 5 AufenthG auch, indem es keinen subjektiven Tatbestand voraussetze. Es stelle auf die Vorstandsfunktionen des Klägers in PKK-nahen Vereinigungen ab, berücksichtige aber nicht, dass dieser an seine 13 verstorbenen Verwandten gedacht habe. Im Übrigen fehlten Feststellungen dazu, dass der Kläger bei seinen Aktivitäten bewusst und gewollt den internationalen Terrorismus unterstütze.
29 
Die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zum Unterstützungsbegriff werde zudem verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht. Schon im objektiven Tatbestand sei darauf zu achten, dass der Unterstützungsbegriff nicht unverhältnismäßig namentlich in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreife. Der Organisationsbezug sei daher nicht schon immer dann zu bejahen, wenn in irgendeiner Form auf den verbotenen Verein und seine Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerungen die Tätigkeit des Vereins gefördert werden solle. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsschutz und Gefahrenabwehr folge das Erfordernis einer restriktiven Auslegung des Unterstützungsbegriffs. Unterstützungshandlungen müssten auf die Festigung vorhandener terroristischer Strukturen abzielen und der Ausländer selbst müsse einen den Unterstützungsbegriff gerecht werdenden Beitrag zur Unterstützung der Vereinigung leisten. Das Bundesverfassungsgericht weise ausdrücklich darauf hin, dass dem Einzelnen nicht verboten werde, selbst bestimmte politische Ziele anzustreben und zu vertreten, wohl aber, dies durch Förderung der verbotenen Tätigkeit des Vereins zu tun. Die Abwehr richte sich nicht gegen die Handlung des Einzelnen als solche, sondern gegen die mit ihr verbundene Stärkung der Organisation. Es reiche nicht aus, wenn der Außenstehende gleiche Ansichten wie die verbotene Partei vertrete. Einer Meinungsäußerung sei daher nur dann eine objektive Gefahr immanent, wenn zusätzlich äußere, sich nicht nur aus der Willensrichtung des Äußernden ergebende Umstände hinzuträten, die der Äußerung einen unmittelbaren Förderungseffekt geben. Es bedürfe einer auf die terroristische Tätigkeit der Vereinigung bezogene Zweckgerichtetheit und insoweit gelte auch das Regelbeweismaß für Tatsachenfeststellungen. Engagierte Sympathisanten im Umfeld einer terroristischen Organisation, die wie hier der Kläger nicht strukturell in diese eingebunden seien, erfüllten daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht den Begriff der Unterstützung einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze.
30 
Es müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie für den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff. Daran fehle es regelmäßig, wenn die Betätigung sich auf Geldspenden, Verteilung von Zeitungen und Flugblättern, die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen, Hungerstreiks oder nicht gewalttätigen Besetzungsaktionen beschränke. Von terroristischem Aktivitäten im Einzelfall sei auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit für die PKK eine qualifizierte Mitverantwortung für deren kriminelle und terroristische Aktivitäten in Deutschland trage. Dies werde auch durch die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 1 GFK, Art. 12 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 AsylG bestätigt. Auch dort gehe es um eine Zurechnung nach verwaltungsrechtlichen und nicht strafrechtlichen Grundsätzen, wobei dort der Beweisstandard hinsichtlich der materiellen Zurechnungskriterien gegenüber dem Strafrecht nicht herabgesenkt sei. Hier wie dort gehe es um die Gefährdung wichtiger öffentlicher Schutzgüter durch terroristische Gefahren. Verlangt werde dort ein vorsätzlicher Beitrag mit dem Ziel, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern. Die Beiträge müssten also ausreichend sein, die Fähigkeit der Organisation, terroristische Anschläge zu verüben, zu fördern. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union fordere in diesem Zusammenhang eine individuelle Prüfung der genauen tatsächlichen Umstände. Er gehe davon aus, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit vermutet werden könne. Ob diese Vermutung gerechtfertigt sei, erfordere nach seiner Rechtsprechung aber eine Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände.
31 
In vorliegendem Fall sei zur Entlastung des Klägers zu berücksichtigen, dass er nicht in eine Organisation eingebunden sei, die sich terroristischer Mittel bediene. Zwar gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass für den präventiven Gefahrenabwehrschutz gegenüber dem strafrechtlichen Maßstab der Begriff der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erweitert werden dürfe. Aus verfassungsrechtlichen Gründen setze aber eine präventive Gefahrenabwehrmaßnahme voraus, dass durch das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorgerufen werde. Es bedürfe stets einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die auf konkret umrissenen Tatsachen beruhe. Dass Sympathiebekundungen für eine terroristische Organisation, selbst Sympathiebekundungen für terroristische Aktivitäten, eine Gefahr begründeten, sei eher fern liegend, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert werden könnten, dass durch diese die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad dürften nicht beliebig abgesenkt werden. Aufgrund des prognostischen Charakters des Gefahrenbegriffs und der Tatsache, dass nahezu jedes Gut mehr oder weniger risikogeneigt sei und mit Blick auf das Recht auf Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheiten müsse der Gesetzgeber in abstrakter Weise einen Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen erreichen. Dies könne dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürften. Dies gelte auch für § 54 Nr. 5 AufenthG. Es genüge nicht, dass in irgendeiner Form auf die terroristische Organisation und deren Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerung deren terroristische geprägten Tätigkeiten im objektiven Sinne gefördert werden sollten. Gemessen hieran habe der Kläger durch seine Vereinsaktivitäten nicht den internationalen Terrorismus unterstützt. Für § 54 Nr. 5 AufenthG seien ein kognitives und ein voluntatives Element erforderlich. Hinsichtlich des voluntativen Elements des subjektiven Unterstützungsbegriffs fehle es indes an der verfassungsrechtlich gebotenen Eindeutigkeit. Nach der Rechtsprechung genüge es, dass der Einzelne in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst stehe, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringe und damit deren Stellung in der Gesellschaft, vor allem unter Landsleuten, begünstigend beeinflusse, deren Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitere und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefährdungspotenzials beitrage. Dies reiche aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht aus. Auch eine bloße Stärkung eines latenten Gefährdungspotenzials genüge nicht den Anforderungen, die für die Eingriffsverwaltung an das Bestehen einer konkreten Gefahr zu fordern seien. Bei Äußerungen müsse eine vereinsfördernde Zielrichtung eindeutig erkennbar sein. Ob der Betroffene die Grenzen einer erlaubten Tätigkeit überschreite, sei davon abhängig, wie weit der grundrechtlich geschützte Freiheitsbereich reiche. Dies könne ohne voluntative Elemente nicht bestimmt werden. Es sei daher zu verlangen, dass der Einzelne sich mit den Zielvorstellungen und terroristischen Aktivitäten einer Organisation identifiziere. Dementsprechend genüge eine bloße politische Sympathiebekundung des Einzelnen für eine terroristische Organisation nicht. Die Schwelle sei erst überschritten, wenn Sympathie in Form der Verherrlichung des Guerillakampfes bekundet werde. Zwar könne danach auch der Personenkult für Öcalan berücksichtigt werden, weil diesem nach wie vor ein Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK zukomme, es bedürfe aber zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen für die Identifikation Einzelner mit dem Terrorismus, in dem Sinne, dass diese mit der Sympathiebekundungen für Personen oder Organisationen zugleich auch deren terroristisch geführten bewaffneten Kampf unterstützen wollten.
32 
Das Verwaltungsgericht habe auch keine schwerwiegenden Gründe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz der Qualifikationsrichtlinie festgestellt. Eine Regelvermutung, wie das nationale Recht, kenne das Unionsrecht nicht. Es sei eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Das Refoulementverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder Bereitschaft hierzu oder eine strukturelle Einbindung in diese, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, erforderlich. Die bloße Mitgliedschaft des Klägers im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM sowie dessen Redebeiträge, die im Übrigen nicht dahingehend bewertet worden seien, ob der Kläger in diesen zu Gewaltanwendung aufgerufen habe, genügten nicht.
33 
Aus der Teilnahme an rechtmäßigen Versammlungen und an Veranstaltungen, in der sich die kulturelle Identität als Kurde manifestiert habe, folge nicht automatisch, dass der Betroffene selbst terroristische Handlungen unterstützt habe. Solche Veranstaltung seien auch nicht automatisch terroristische Handlungen.
34 
Zudem sei durch das neue Ausweisungsrecht dem bisherigen Automatismus eine klare Absage erteilt worden. Es sei danach eine ergebnisoffene Abwägung auf Tatbestandsseite erforderlich, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Hier fehle es schon an einer konkreten Gefahr als Grundlage einer solchen Abwägung. Generalpräventiv motiviert sei die Ausweisung im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen nicht vorlägen, nicht zulässig. Es fehle an der Unerlässlichkeit der Maßnahme. Auch bei Annahme einer vom Kläger ausgehenden Gefahr gehe die Abwägung zu dessen Gunsten aus, da besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nicht bestünden und zugleich besonders schwerwiegende und schwerwiegende Bleibeinteressen vorlägen. Der langjährige rechtmäßige Aufenthalt des Klägers in Deutschland und die Interessen seiner Familie, mit der er zusammen lebe, seien umfassend zu berücksichtigen. Eine Nachreisen der Familie in die Türkei sei dieser nicht zuzumuten. Auch sei zu beachten, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers aufgrund seines Flüchtlingsstatus nicht zulässig sei.
35 
Das Verhalten des Klägers erfülle auch deshalb nicht die Voraussetzungen der Art. 21 Abs. 2 und 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, da er selbst weder terroristische Handlungen begangen habe, noch solche geplant, entschieden oder andere dazu angeleitet bzw. finanziert oder er Mittel dazu beschafft habe. Eine dieser abschließend zu verstehenden Handlungen verlange der Gerichtshof der Europäischen in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ (Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris) jedoch. Auch betone dieser, dass eine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen keine solche Handlung sei und sich daraus nicht zwingend die Unterstützung solcher Taten ergebe.
36 
Der Kläger beantragt,
37 
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
38 
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
40 
Er führt im Wesentlichen aus: Die PKK sei auch nach wie vor als terroristische Organisation zu sehen. Sie sei weiterhin in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 sowie im bindenden Anhang zur Verordnung (EG) 2850/2001, zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/513 vom 26. März 2015, aufgeführt. Zudem sei auf die Bundestagsdrucksache 18/3702 vom 7. Januar 2015 zu verweisen, in der die Bundesregierung deutlich mache, weshalb sie am Vereinsverbot bezüglich der PKK festhalte und diese als terroristische Organisation einstufe. Diese halte weiter an ihrem Standpunkt fest, nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Terroristen zu unterscheiden. Zwar gehe die Bundesregierung nicht von Angriffen der PKK in Deutschland oder gegen deutsche Ziele aus, dennoch stünden Angriffe gegen Ziele des Nato-Partners Türkei unverändert auf dem Plan der PKK. Dies werde weiterhin von der Bundesregierung missbilligt und im Rahmen der Möglichkeiten deutscher Sicherheitsbehörden verhindert. Die Bundesregierung weise zudem darauf hin, dass die PKK Europa als Rückzugsraum für finanzielle und politische Aktivitäten betrachte. Weiterhin sei der Friedenprozess zwischen der Türkei und den Kurden seit Juli 2015 beendet, da die Waffenruhe zerbrochen und es zu neuen Kämpfen und Anschlägen gekommen sei. Am 22. Juli 2015 seien in Ceylanpinar im Südosten der Türkei zwei Polizisten ermordet worden. Die PKK habe sich hierzu bekannt. Am 10. August 2015 seien mehrere Anschläge in Istanbul erfolgt, darunter einer auf eine Polizeiwache, zu denen sich die PKK ebenfalls bekannt habe. Am 11. August 2015 habe es einen weiteren Anschlag in Südost-Anatolien gegeben, bei dem ein türkischer Soldat ums Leben gekommen sei.
41 
YEK-KOM und NAV-DEM unterstützten die PKK und deren Nachfolgeorganisationen insbesondere durch eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK; sie gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Die bloße Umbenennung der YEK-KOM in die NAV-DEM habe das Verwaltungsgericht zutreffend bewertet, dies werde auch durch den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 24. August 2015 aufgezeigt. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei nicht erfolgt, es gebe auch keine Distanzierung der NAV-DEM von den Aktivitäten der YEK-KOM. Auf beiden Internetpräsenzen werde jeweils das Logo der NAV-DEM abgebildet, es werde das nahezu identische Layout verwendet, wie die Screenshots vom 20. August 2015 zeigten. Die NAV-DEM sei nach eigenen Angaben Mitglied der KON-KURD-Nachfolgeorganisation (europäischer Dachverband PKK-naher Vereine) und der Vorsitzende der NAV-DEM habe im März 2014 erklärt, dass man die deutsche Demokratie nicht akzeptieren könne, wie sich aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014, Seite 131, ergebe. YEK-KOM bzw. NAV-DEM verträten entgegen der Darstellung des Klägers auch nicht lediglich die selben politischen Forderungen wie die PKK. Vielmehr würden die von der PKK gewählten Mittel der Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele öffentlich unterstützt, zumindest aber gebilligt. Die im verwaltungsgerichtlichen Urteil erwähnte Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Jahre 2012, in der ausgeführt werde, dass sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten lasse, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen, zeige das klare Bekenntnis zur PKK. Von der Gewaltanwendung der PKK habe sich die YEK-KOM auch nicht distanziert.
42 
§ 54 Nr. 5 AufenthG sei im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen, in der die Staaten dazu aufgefordert würden, die Nutzung ihres Staatsgebietes für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. Daher setze § 54 Nr. 5 AufenthG nicht voraus, dass von dem betroffenen Ausländer bereits eine konkrete Gefahr ausgehe. Angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus sei es gesetzgeberischer Wille, dass die Voraussetzungen dieses Ausweisungsgrundes deutlich niedriger anzusetzen sei.
43 
Erforderlich sei eine wertende Gesamtbetrachtung der Aktivitäten und des Verhaltens des Ausländers. Einzelne belegbare Unterstützungshandlungen müssten vorliegen, die nach vernünftiger Wertung den Schluss zuließen, dass der Ausländer in nicht völlig unerheblicher Weise eine terroristische Organisation unterstütze. Zur Sicherung vor unverhältnismäßigen Eingriffen, etwa in die Meinungsfreiheit, müsse die Tätigkeit für den Ausländer erkennbar geeignet sein, sich auf die unterstützte Vereinigung positiv auszuwirken. Lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele genügten nicht, das sei auch berücksichtigt worden. Die zahlreichen Aktivitäten des Klägers auch in herausgehobener Funktion könnten nicht als bloßes Gedenken an verstorbene Verwandte gewertet werden, da zugleich der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel gebilligt worden sei. Der Kläger in seinen herausgehobenen Funktionen habe auch gewusst, dass Märtyrergedenkveranstaltungen für die Sache der PKK instrumentalisiert würden. Zurechenbar seien ihm die Unterstützungshandlungen auch mangels klarer Distanzierung durch ihn oder die Organisationen, für die er tätig gewesen sei und ist.
44 
Die Ausweisungsverfügung sei auch nach neuem Recht rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie lägen vor, nachdem sogar jene des Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht worden seien. Der Kläger irre, wenn er meine, der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ zwingend eine Unterstützung in Form von eigenen terroristischen Tätigkeiten oder eine herausgehobene Stellung in der terroristischen Vereinigung selbst zur Voraussetzung gemacht. Stets sei der Einzelfall zu untersuchen und es gebe danach auch andere Formen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
45 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Beweisantrag gestellt: „Es soll eine Auskunft zu den Tatsachen, dass die NAV-DEM insbesondere das Ziel verfolgt, die Interessen aller Kurden aus den Staaten Syrien, Irak und Türkei und die Integration der in Deutschland lebenden Kurden zu fördern sowie die Öffentlichkeit auf die Situation der bedrohten kurdischen Minderheiten im Irak und in Syrien hinzuweisen und für die Leistung humanitärer Hilfe für diese Personengruppe zu werden, eingeholt werden durch eine Auskunft durch den Sachverständigen A. I., Steindamm 39, 20099 Hamburg“. Diesen hat der Senat abgelehnt.
46 
Dem Senat liegen die verfahrensbezogenen Akten der Behörde vor. Es hat im weiteren die sich aus Blatt 165 der Gerichtsakten ergebenden weiteren Erkenntnismittel erhoben, die den Parteien zuvor zugänglich gemacht wurden. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
77 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
83 
Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
96 
- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
97 
Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
98 
- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
100 
- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
111 
Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
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Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
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Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
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In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
77 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
83 
Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
96 
- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
97 
Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
98 
- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
100 
- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
111 
Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
119 
Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
120 
Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge. Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Angeklagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden: PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angelegenheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem damaligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der Angeklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach Europa zurück.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ist unzulässig.
4
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll- ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisionsverfahrens , in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
5
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
6
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortlichen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückgenommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungsermächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.
7
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
8
In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30; NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182; Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer hoheitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SKStGB /Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786, 2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte, die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesministerium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Weise erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
9
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
10
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
11
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revisionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan = Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verübten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzurechnen sind.
12
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht kein Rechtfertigungsgrund.
13
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deckmantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden. Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Türkei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wurden , sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völkerrechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtsprechung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12, BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht angezeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtlichen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zusammenfassend bzw. ergänzend:
14
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
15
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
16
(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96 Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vorschrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen Republik anzuwenden.
17
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Türkei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechtsfolgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
18
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" erfüllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ 2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime dar.
19
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Provinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Republik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türkischen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde, nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völkerrechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung scheidet somit aus.
20
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Südafrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a. in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines rassistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege- ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen werden. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht festgestellt.
21
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
22
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4 ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von einer ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Regierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom 30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Entwicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeugung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften , für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,

39).


Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
A K 2 7 / 1 5
vom
3. September 2015
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
Stuttgart sowie des Angeschuldigten und seines Verteidigers
am 3. September 2015 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern. Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Stuttgart übertragen.

Gründe:

I.


1
Der Angeschuldigte, der türkischer Staatsangehöriger ist, wurde am 12. Februar 2015 vorläufig festgenommen und befindet sich seit diesem Tag aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 4. August 2014 (OGs 1/14) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat unter dem 28. April 2015 Anklage gegen den Angeschuldigten vor dem Oberlandesgericht Stuttgart erhoben.
2
Gegenstand des Haftbefehls vom 4. August 2014 ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich mindestens seit Mitte des Jahres 2010 unter dem Decknamen "D. " in der Funktion eines Gebietsleiters als Mitglied an der Arbeiterpartei Kurdistans ("Partiya Karkeren Kurdistan" - PKK) und damit an einer Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
3
Die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zur strafrechtlichen Verfolgung unter anderem der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Gebiete der PKK und ihrer Teilorganisation in Europa CDK (Civata Demokratik Kurdistan; "Kurdische demokratische Gesellschaft"), soweit ein Deutschlandbezug besteht, liegt seit dem 6. September 2011 vor.

II.


4
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus sind gegeben.
5
1. Nach den bisherigen Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen:
6
a) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Sie gliedert sich in verschiedene Organisationen, die mehrfach die Bezeichnung wechselten. So bestehen u.a. seit 2007 die "Vereinigte Gemeinschaft Kurdistans" (Koma Civakên Kurdistan - KCK) als Kaderorganisation und der "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gelê Kurdistan - KONGRA-GEL) als quasi legislatives Organ sowie die ("neue") PKK mit der Aufgabe einer Fortentwicklung der ideologischen Ausrichtung. Ziel der KCK ist ein staatsähnlicher "konföderaler" Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, in Syrien, im Iran und im Irak.
7
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person Abdullah Öcalans ausgerichtet. Daneben vollzieht sich die Willensbildung über die KONGRA-GEL und den Exekutivrat der KCK. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie den übergeordneten Kadern regelmäßig Bericht zu erstatten.
8
Die PKK sieht im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel an. Zu ihrem System gehören auch die "Volksverteidigungskräfte" ("Hezen Parastine Gel" - HPG). Diese nehmen ein Recht auf "aktive Verteidigung" und auf "Vergeltungsangriffe" gegen türkische Sicherheitsbehörden in Anspruch. Sie verübten deshalb - auch in Zeiträumen, für die, wie zuletzt am 23. März 2013, vom Präsidium des Exekutivrats der KCK "Feuerpausen" verkündet wurden, - Anschläge mit Sprengstoff und Waffen insbesondere gegen türkische Soldaten und Polizisten und verletzten oder töteten eine Vielzahl von ihnen. Vereinzelt waren auch Zivilisten betroffen.
9
Der Schwerpunkt der Strukturen und das eigentliche Aktionsfeld der PKK liegen in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Iran und im Irak. Zahlreiche auf die Unterstützung der politischen und militärischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Staat ausgerichtete Aktivitäten betreibt die PKK jedoch auch in Deutschland und anderen Gebieten Westeuropas. Dazu bedient sie sich der CDK, deren Aufgabe insbesondere darin besteht, nach den Vorgaben der KCK und der KONGRA-GEL die in Europa lebenden Kurden zu organisieren. Unterhalb dieser Führungsebene ist Europa in Sektoren, Gebiete , Räume und Stadtteile eingeteilt.
10
b) Der Angeschuldigte ist dringend verdächtig, jedenfalls seit Mitte 2010 als Gebietsleiter in die dargestellte Organisation der PKK und CDK eingebunden gewesen zu sein und diese gefördert zu haben:
11
Der Angeschuldigte war seit diesem Zeitpunkt als - von der PKK alimentierter - Gebietsleiter zunächst für das Gebiet "Kiel" und später - bis zu seiner Verhaftung - nacheinander für die Gebiete "Sachsen", "Stuttgart" und "Bodensee" tätig. In dieser Funktion organisierte er Spendensammlungen, verwaltete die eingenommenen Gelder und leitete sie weiter. Er nahm an Treffen mit anderen PKK-Kadern teil bzw. besuchte entsprechende Schulungen. Außerdem organisierte er die Teilnahme von Kurden, die in "seinen" Gebieten ansässig waren, an zentralen Demonstrationen und Veranstaltungen. Höherrangigen Kadern, mit denen er auch telefonisch in Kontakt stand, erstattete er regelmäßig Bericht.
12
Der dringende Tatverdacht hinsichtlich dieses Sachverhalts ergibt sich aus den bei einer Durchsuchung des "Kurdistan Volkshauses" in H. im Jahr 2010 und bei der Festnahme des Angeschuldigten im Februar 2015 sichergestellten Unterlagen, dem Ergebnis der Überwachung der Telekommunikation des Angeschuldigten und seiner Observierung sowie weiteren Ermittlungsergebnissen der Landeskriminalämter Schleswig-Holstein, Sachsen und Baden-Württemberg. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Stuttgart und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Bezug genommen.
13
Damit ist der Angeschuldigte dringend verdächtig, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt zu haben.
14
2. Es besteht aus den im Haftbefehl dargestellten Gründen jedenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Zweck der Untersuchungshaft kann durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Die bisherige Dauer der Untersu- chungshaft steht auch noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden erheblichen Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
15
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil noch nicht zugelassen.
16
Nach der Festnahme des Angeschuldigten am 12. Februar 2015 wurde das Ermittlungsverfahren zügig abgeschlossen. Unter dem 28. April 2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart Anklage zum dortigen Oberlandesgericht erhoben. Bereits am 29. April 2015 verfügte der Vorsitzende des Strafsenats die Zustellung der Anklage und - nach Anhörung des Verteidigers - am 8. Mai 2015 deren Übersetzung. Am 23. Juni 2015 wurde dem Angeschuldigten die Übersetzung der Anklageschrift übersandt. Am 16. Juli 2015 lief die - auf Antrag des Verteidigers verlängerte - Erklärungsfrist nach § 201 Abs. 1Satz 1 StPO ab. Der Senat geht davon aus, dass das Oberlandesgericht - wie angekündigt - nunmehr zügig über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden wird.
Schäfer Pfister Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 2 / 1 5
vom
19. März 2015
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie des Angeschuldigten und seiner Verteidiger am 19. März
2015 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg übertragen.

Gründe:

I.

1
Der Angeschuldigte wurde am 29. August 2014 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 2014 festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in Deutschland (unter dem Decknamen K. ) als hauptamtlicher Kader der "Arbeiterpartei Kurdistans" ("Patiya Karkeren Kurdistan", im Folgenden: PKK) und ihrer Europaorganisation ("Civata Demokratik a Kurdistan", im Folgenden: CDK) in Kenntnis der Ziele, Programmatik und Methoden der Gesamtorganisation Führungsfunktionen ausgeübt, und zwar spätestens von Januar 2013 bis Mitte Juni 2013 als Leiter des PKK-Sektors "Mitte" und von Mitte Juni 2013 bis Mitte Juli 2014 als Leiter des PKK-Sektors "Nord". Dadurch habe er sich als Mitglied an einer außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehenden Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
3
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Taten der Europaführung, der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren (Saha) bzw. Regionen (Eyalet) und Gebiete (Bölge) der PKK und ihrer Teilorganisation in Europa CDK erteilt (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).
4
Unter dem 20. Januar 2015 hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof gegen den Angeschuldigten wegen des im vorbezeichneten Haftbefehls enthaltenen Tatvorwurfes Anklage zum Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg erhoben.

II.

5
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor (§§ 121, 122 StPO).
6
1. Der Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland dringend verdächtig.
7
a) Nach den Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen:
8
aa) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die PKK verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 unter dieser Bezeichnung die "Yorna Civaken 'Kurdistan'" ("Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan", im Folgenden: KCK), die auf einen staatsähnlichen "konföderalen" Verbund der kurdischen Siedlungsgebiete in der Türkei, Syrien, Iran und Irak abzielt und dabei umfangreiche staatliche Attribute beansprucht wie Parlament, Gerichtsbarkeit, Armee und Staatsbürgerschaft.
9
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person von Abdullah Öcalan ausgerichtet. Daneben vollzieht sich die Willensbildung etwa über den "Kongra Gele Kurdistan" (Kongra-Gel, "Volkskongress Kurdistans") und den KCKExekutivrat. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie regelmäßig der übergeordneten Ebene Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
10
Der Schwerpunkt der Strukturen und das eigentliche Aktionsfeld der PKK liegen in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran. Zahlreiche auf die Unterstützung der politischen und militärischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Staat ausgerichtete Aktivitäten betreibt die PKK jedoch auch in Deutschland und anderen Gebieten Westeuropas. Dazu bedient sie sich der Organisation "Kurdische Demokratische Gesellschaft" ("Civata Demokratik a Kurdistan": im Folgenden: CDK), die die Vorgaben der KCK-Führung umzusetzen hat und aus der YDK ("Kurdische Demokratische Volksunion") hervorgegangen ist; sie dient namentlich dazu, die in Europa lebenden Kurden zu organisieren.
11
bb) Die KCK bewertet im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel. Zu ihrem System gehören auch die "Hezen Parastina Gel" ("Volksverteidigungskräfte", im Folgenden: HPG), die nach dem Willen der Führung vor allem im Südosten der Türkei Anschläge gegen türkische Soldaten sowie Polizisten verübten und dabei eine Vielzahl von diesen töteten und verletzten. Sie bekannten sich seit der Aufkündigung eines "Waffenstillstands" zum 1. Juni 2004 zu über 60 Anschlägen.
12
Für verschiedene auch auf zivile Ziele in türkischen Großstädten und Touristenzentren, die ebenfalls von dem Kommando der HPG unterstehenden Einheiten begangen wurden, übernahmen nicht die HPG, sondern die "Teyrebazen Azadiya Kurdistan" ("Freiheitsfalken Kurdistans", im Folgenden: TAK) nach außen die Verantwortung. Die PKK/KCK bezweckt damit, sich offiziell von diesen Anschlägen distanzieren zu können, um ihren nach außen propagierten "Friedenskurs" nicht in Frage zu stellen, durch den sie sich erhofft, als politischer Ansprechpartner im In- und Ausland anerkannt zu werden.
13
Nachdem Abdullah Öcalan aus der Haft heraus in einer anlässlich des "Newrozfestes" am 21. März 2013 in Diyarbakir verlesenen Botschaft zu einer gewaltfreien politischen Lösung des Konflikts aufgerufen und die Guerillakämpfer aufgefordert hatte, sich aus der Türkei zurückzuziehen, erklärte das Präsidium des Exekutivrats der KCK eine Feuerpause ab dem 23. März 2013; ab dem 8. Mai 2013 zogen sich die Guerillakämpfer in den Nordirak zurück. Diese in PKK-Kreisen so bezeichnete "Initiative des Führers" führte in der Folgezeit zwar dazu, dass die Anschläge der HPG stark rückläufig waren, damit war aber keine Abkehr von der Ausrichtung der Organisation auf die Begehung von Tötungsdelikten verbunden. Bereits die Erklärung einer Feuerpause stand unter dem Vorbehalt, im Falle von Angriffen werde man vom "Recht auf Selbstverteidigung" Gebrauch machen und Vergeltung üben. Wie schon während der früheren einseitigen "Waffenstillstände" und sogenannter Friedensinitiativen stellte die PKK gleichzeitig Forderungen und drohte für den Fall der Nichterfüllung mit Terrorakten; solche wurden auch weiterhin verübt.
14
Die strukturelle und personelle Basis für die europäischen Aktivitäten der PKK bildet die der KCK-Führung untergeordnete CDK. Deren Führung besteht aus dem CDK-Rat, einer CDK-Exekutive und der CDK-Koordination. Unterhalb dieser Führungsebene ist Europa in "Sektoren" (saha), "Gebiete" (bölge), "Räume" (alan) und "Stadtteile" (semt) eingeteilt. In Deutschland gab es seit 2002 drei Sektoren ("Süd", "Mitte" und "Nord"); im Jahr 2012 wurde der Sektor "Süd" in die Sektoren "Süd 1" und "Süd 2" aufgeteilt. Im sogenannten "Außensektor" sind die anderen europäischen Staaten organisatorisch zusammengefasst , die sich den örtlichen Gegebenheiten entsprechend gegebenenfalls in Gebiete untergliedern. Für jede Organisationseinheit wird von der Führung mindestens ein Verantwortlicher eingesetzt, für Sektoren und Gebiete sind dies in der Regel durch die Partei alimentierte hauptamtliche Kader, zu deren wesentlichen Aufgaben die Beschaffung von Finanzmitteln und die Organisation öffentlichkeitswirksamer Aktionen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Sinne der PKK gehören. Sie sind auch verantwortlich für die Rekrutierung von Nachwuchs für die Guerillakräfte und den Kaderapparat. Dabei haben sie die Vorgaben der CDK umzusetzen und der CDK-Führung über die Erfüllung ihrer Aufgaben regelmäßig Bericht zu erstatten.
15
cc) Spätestens ab Januar 2013 befasste sich der Angeschuldigte mit den typischen Leitungsaufgaben eines "Sektorverantwortlichen" und koordinierte mindestens bis Mitte Juli 2014 die organisatorischen, finanziellen, personellen sowie propagandistischen Angelegenheiten der zu seinem jeweiligen Zuständigkeitsbereich gehörenden Gebiete. Im Sektor "Mitte" waren das die Gebiete Duisburg, Bonn, Köln, Bielefeld, Essen/Bochum, Dortmund und Düssel- dorf, zum Sektor "Nord" gehörten die Gebiete Bremen, Oldenburg, Hannover, Hamburg, Kiel, Berlin, Sachsen, Salzgitter und Kassel.
16
Auf die Arbeit der Gebietsverantwortlichen in den von ihm geleiteten Sektoren nahm er bestimmenden Einfluss. Er stand mit ihnen in regelmäßiger Verbindung, koordinierte ihre Arbeit, gab ihnen Anweisungen und ließ sich über die Entwicklungen in den Gebieten berichten. Er selbst befolgte die von der Europaführung erteilten Weisungen und war dieser gegenüber berichtspflichtig. Über die wesentlichen Vorgänge in den Gebieten seiner Sektoren informierte er die Europaführung regelmäßig.
17
b) Hinsichtlich des vorstehenden Sachverhalts ergibt sich der dringende Tatverdacht aus einer Vielzahl sichergestellter Unterlagen, der Auswertung zahlreicher Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, den Ergebnissen durchgeführter Observationen sowie aus öffentlichen Verlautbarungen der Organisationen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes sowie im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.
18
c) Danach stellt die von der PKK initiierte und aufrechterhaltene Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der Einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln unter den Gruppenwillen unterordnet. Sie ist infolge des von ihr in Anspruch genommenen - indes nicht gegebenen - "Selbstverteidigungsrechts" und der durch ihre Unterorganisationen verübten Anschläge darauf ausgerichtet, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen.
19
Nach den durchgeführten Ermittlungen hat sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit spätestens ab Januar 2013 bis mindestens Mitte Juli 2014 wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an dieser terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
20
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Zusätzlich zu den insoweit im Haftbefehl dargelegten Umständen, auf die Bezug genommen wird, ergibt sich dies aus Folgendem:
21
Die abschließende Auswertung der Überwachung des vom Angeschuldigten genutzten Mobilfunkanschlusses hat ergeben, dass der Angeschuldigte nach seiner Teilnahme am jährlichen CDK-Europakongress zwischen dem 28. Juni und 2. Juli 2014 eine Kadertätigkeit in Frankreich übernahm , die - neben ständigen telefonischen Kontakten zu französischen Kadern - auch mit mehrfachen längeren Aufenthalten in Frankreich verbunden war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vermerk des Bundeskriminalamts vom 19. November 2014 (Bd. I. 3 Bl. 319 - 331) und die Ausführungen im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift hierzu Bezug genommen (dort Abschn. III. 6, S. 163 - 166).
22
Daneben ist auch der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 StPO gegeben.
23
Der Zweck der Untersuchungshaft kann - entgegen der Ansicht des Angeschuldigten - nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden. Die vom Angeschuldigten beantragte Aussetzung des Vollzuges des Haftbefehls unter Auflagen kommt daher angesichts der gegebenen Umstände und der sich hieraus ergebenden hohen Fluchtgefahr nicht in Betracht (§ 116 StPO).
24
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Der besondere Umfang des Verfahrens hat ein Urteil innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Angeschuldigte in Untersuchungshaft genommen worden ist, noch nicht zugelassen.
25
a) Es handelt sich um ein umfangreiches Strafverfahren. Die Sachakte umfasst 51 Stehordner. In der Zeit zwischen dem 27. März 2013 bis zur Festnahme des Angeschuldigten am 29. August 2014 sind an insgesamt elf dem Angeschuldigten zuzuordnenden Mobilfunkanschlüssen Überwachungsmaßnahmen der Telekommunikation durchgeführt worden. Hierbei wurden (ohne Berücksichtigung von knapp 25.000 Internetverbindungen) mehr als 11.000 Ereignisse aufgezeichnet. Hinzu kommen Erkenntnisse aus insgesamt 14 anderweitigen Überwachungsmaßnahmen. Der Anklageschrift liegen insgesamt 964 beweiserhebliche Telefonate und Kurzmitteilungen zu Grunde. Die dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg mit der Anklageschrift vorgelegten Beweismittel enthalten darüber hinaus mehr als 400 Urkunden und Objekte des Augenscheins zu den Strukturen, Zwecken und Tätigkeiten der terroristischen Vereinigung.
26
b) Das Verfahren wurde mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben. Im Anschluss an die Festnahme des Angeschuldigten waren neben der für die Fertigung der Anklageschrift notwendigen Zeitspanne noch umfangreiche Ermittlungen - sowohl zum Bestand der PKK als terroristischer Vereinigung als auch zur mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten - erforderlich.
27
So waren die Ermittlungen zur Struktur und Tätigkeit der PKK um die im Jahr 2014 in der Türkei verübten Anschläge zu ergänzen. Die entsprechenden Recherchen des Bundeskriminalamts gestalteten sich schon wegen der Vielzahl der in diesem Zusammenhang auszuwertenden, überwiegend türkischsprachigen Dokumente besonders aufwändig. Hinzu kam die Notwendigkeit der Auswertung der in den Urteilen mehrerer Oberlandesgerichte getroffenen Feststellungen , nachdem diese Urteile rechtskräftig geworden waren.
28
Zu den konkreten Betätigungshandlungen des Angeschuldigten war zunächst eine Auswahl der für die Anklageerhebung erforderlichen Wortprotokolle überwachter Telefonate vorzunehmen, die bis dahin nur in Form von Inhaltsprotokollen verschriftet worden waren. Da die gesamte Kommunikation in türkischer und kurdischer Sprache geführt worden ist, war die Erstellung der - insgesamt 19 - Wortprotokolle mit erheblichem Übersetzungsaufwand verbunden. Im Hinblick auf Demonstrationen und sonstige Veranstaltungen mit Organisationsbezug , zu denen im Zuge der Telekommunikationsüberwachung Erkenntnisse angefallen sind, war ferner der Inhalt sowohl polizeiinterner Informationssysteme als auch der diesbezüglichen Berichterstattung in der Presse zu sichten und zu dokumentieren. Insoweit waren in größerem Umfang auch Übersetzungen aus türkischsprachigen Medien zu fertigen. Die Anklageerhebung erfolgte am 20. Januar 2015 unmittelbar nachdem die vorbezeichneten Beweismittel in die Anklageschrift eingearbeitet worden waren.
29
Auch nach Erhebung der Anklage ist das Verfahren mit der erforderlichen Beschleunigung betrieben worden: Der Vorsitzende des 3. Strafsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg verfügte noch am 2. Februar 2015, dem Tag des Eingangs der Anklageschrift, deren Zustellung und gab am 4. Februar 2015 ihre Übersetzung in die kurdische Sprache in Auftrag. Im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer der Übersetzung der Anklageschrift von drei Wochen und einer weiteren Woche für das Beweismittelverzeichnis hat er die Erklärungsfrist für den Angeschuldigten (§ 201 Abs. 1 StPO) bis zum 13. März 2015 verlängert. Die Hauptverhandlung soll - im Falle der Eröffnung des Hauptverfahrens - am 20. Mai 2015 beginnen.
30
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach alledemnicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung - wegen eines über einen längeren Zeitraum hinweg begangenen Verbrechens - zu erwartenden, - entgegen der Ansicht des Angeschuldigten - voraussichtlich nicht nur unerheblichen Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Becker Hubert Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 5 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§§ 44, 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Februar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und beanstandet die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Außerdem erstrebt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer Verfahrensrüge. Sämtliche Begehren bleiben ohne Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts übernahm der Angeklagte ab Mai 2007 als hauptamtlicher Kader die Aufgabe des Gebietsleiters der "Partiya Karkeren Kurdistan" ("Arbeiterpartei Kurdistans"; im Folgenden: PKK) bzw. deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" ("Kurdische Demokratische Gesellschaft"; im Folgenden: CDK) in Hamburg und von Juni 2007 bis April 2008 zusätzlich die neu eingerichtete Region Hamburg, der die Gebiete Hamburg, Kiel, Bremen und Oldenburg angehörten. Er kontrollierte und koordinierte die Aktivitäten der PKK in diesen Gebieten, indem er etwa Konflikte entschied, die Disziplinargewalt ausübte und die finanziellen Angelegenheiten sowie die Organisation von Demonstrationen, Veranstaltungen und Kadertreffen überwachte. Außerdem fungierte er als Bindeglied zu dem damaligen Deutschlandverantwortlichen der PKK. Im April 2008 begab sich der Angeklagte in den Nordirak und schloss sich dort der PKK-Guerilla in den Bergen des türkisch-irakischen Grenzgebietes an. Im September 2008 kehrte er nach Europa zurück.
3
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Rüge der Verletzung des § 261 StPO durch Verwertung der Erkenntnisse aus der am 12. Oktober 2011 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten ist unzulässig.
4
Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 StPO) ist nicht versäumt, da das Rechtsmittel fristgerecht mit der Sachrüge und mehreren - in zulässiger Weise geltend gemachten - Verfahrensrügen begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 - 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 f.; vom 3. September 1987 - 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1; vom 1. November 1988 - 5 StR 488/88, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3). Auch die in Rede stehende Rüge ist nicht verspätet, sondern allein in unvoll- ständiger Weise erhoben worden. Es widerspricht der Systematik des Revisionsverfahrens , in derartigen Fällen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur ergänzenden Begründung der Revisionsrüge zuzulassen, nachdem der Revisionsführer durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft von der Formwidrigkeit seiner Verfahrensrüge erfahren hat. Eine besondere Verfahrenslage, bei der ausnahmsweise zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) eine Wiedereinsetzung unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1993 - 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.), liegt nicht vor.
5
2. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht; die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.
6
Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 6. September 2011 die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten mit Deutschlandbezug der Europaführung, des Deutschlandverantwortlichen und der jeweiligen Verantwortlichen für die in Deutschland bestehenden Sektoren bzw. Regionen und Gebiete der PKK und CDK erteilt. Mit Schreiben vom 29. April 2013 hat es mitgeteilt, dass diese Ermächtigung nicht zurückgenommen werde. Zudem hat es unter dem 4. Mai 2012 eine Verfolgungsermächtigung für Taten des Angeklagten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit für die PKK und CDK erteilt. Diese Ermächtigungen genügen den an sie zu stellenden Anforderungen.
7
Bezüglich der formellen Einwände der Revision wird auf die Darlegungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. September 2012 und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
8
In der Sache bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Ermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB inhaltlich jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129b Rn. 30; NK-StGB/Ostendorf, 4. Aufl., § 129b Rn. 12; Altvater, NStZ 2003, 179, 182; Stein, GA 2005, 433, 457 f.; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 311) oder - ähnlich wie dies für einen von einer hoheitlich handelnden Behörde gestellten Strafantrag vertreten wird (vgl. SKStGB /Rudolphi/Wolter, 39. Lfg., § 77 Rn. 20; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 77 Rn. 17) - jedenfalls in begrenztem Maße auf Willkür überprüfbar ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 8. Mai 2007 - 6 St 1/07, NJW 2007, 2786, 2789; offen gelassen in MK/Schäfer, 2. Aufl., § 129b Rn. 26). Anhaltspunkte, die für eine willkürlich erteilte Verfolgungsermächtigung sprechen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Ermächtigung vom 6. September 2011 ist allgemein bis zur Ebene der Gebietsverantwortlichen erteilt. Sie erfasst somit alle für die PKK in herausgehobener Funktion Tätigen, ohne in sachwidriger Weise zwischen einzelnen Mitgliedern zu differenzieren. Hinweise darauf, dass das Bundesministerium die Ermächtigung aus sonstigen Gesichtspunkten in willkürlicher Weise erteilt hat, sind nicht ersichtlich.
9
3. Die Verfahrensrügen dringen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
10
4. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Der ergänzenden Erörterung über die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus bedürfen lediglich die folgenden Gesichtspunkte :
11
a) Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist nach dem im Revisionsrecht geltenden begrenzten Prüfungsmaßstab (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) rechtsfehlerfrei. Dies gilt insbesondere auch, soweit das Oberlandesgericht sich davon überzeugt hat, dass die Führung der PKK spätestens ab August 2004 die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung gegen zivile Objekte und Personen durch den Deckmantel der vermeintlich eigenständig agierenden "TAK" (Teyrebazen Azadiya Kurdistan = Freiheitsfalken Kurdistan) zu verschleiern suchte und die in der Folgezeit verübten Anschläge, zu denen sich "TAK" bekannte, daher tatsächlich der PKK zuzurechnen sind.
12
b) Für die Straftaten, auf die die Tätigkeit der PKK gerichtet ist, besteht kein Rechtfertigungsgrund.
13
Dies betrifft ohne Weiteres diejenigen Attentate, die unter dem Deckmantel der "TAK" gegen zivile Objekte und Personen durchgeführt wurden. Auch diejenigen Anschläge, die durch die Unterorganisation HPG (Hezen Parastina Gel = Volksverteidigungskräfte) vor allem im Osten der Republik Türkei auf militärische, paramilitärische oder polizeiliche Einrichtungen verübt wurden , sind weder nach nationalem Recht noch gemäß den Regeln des Völkerrechts gerechtfertigt. Dies entspricht der langjährigen, ständigen Rechtsprechung der mit Staatsschutzstrafsachen befassten Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - AK 1 und 2/12, BGHR StGB § 129b Vereinigung 2; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 29 ff.). Das Revisionsvorbringen bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen; auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 GG ist nicht angezeigt. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang zu den von der Verteidigung aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragestellungen sowohl in den schriftlichen Urteilsgründen als auch in seinem ausführlich begründeten Hinweisbeschluss vom 28. November 2012 zutreffend dargelegt, dass die der PKK zuzurechnenden Straftaten weder durch Völkervertrags- noch durch Völkergewohnheitsrecht gerechtfertigt sind. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen einschließlich der umfangreichen Nachweise aus dem völkerrechtlichen Schrifttum vollumfänglich an und bemerkt auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen lediglich zusammenfassend bzw. ergänzend:
14
aa) Art. 43 i.V.m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; im Folgenden: ZP I) kommt als Rechtfertigungsgrund nicht in Betracht; denn sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften sind nicht erfüllt.
15
Art. 43 ZP I statuiert das sog. Kombattantenprivileg, mithin das Recht der Angehörigen der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei, unmittelbar an Feindseligkeiten teilzunehmen. Dieses Recht umfasst auch die Tötung von militärischen Gegnern. Es steht allerdings grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I indes solche bewaffnete Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft und fremde Besetzung sowie gegen rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen, wie es in der Charta der Vereinten Nationen und in der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist.
16
(1) Formelle Voraussetzung für die Anwendbarkeit des ZP I als Teil des Völkervertragsrechts wäre, dass sowohl die Republik Türkei als auch die PKK dem Zusatzprotokoll rechtswirksam beigetreten sind. Dies ist jedoch bereits deshalb nicht der Fall, weil die Republik Türkei bis heute eine entsprechende Beitrittserklärung nicht abgegeben hat. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die PKK überhaupt als "Organ, das ein Volk vertritt" im Sinne des Art. 96 Abs. 3 ZP I angesehen werden kann und sich ihrerseits gemäß dieser Vorschrift durch eine an den Verwahrer gerichtete Erklärung verpflichtet hat, die Genfer Abkommen und das ZP I in Bezug auf den Konflikt mit der Türkischen Republik anzuwenden.
17
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das ZP I im Rahmen der Anwendung deutschen (Straf-)Rechts auch nicht deshalb anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland diesem Abkommen beigetreten ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei in dem Konflikt zwischen der Republik Türkei und der PKK. Ihr Beitritt zu dem ZP I kann deshalb für diese keine Rechtsfolgen bezüglich der Rechtfertigung von im Rahmen des Konflikts begangenen Straftaten bis hin zu Tötungshandlungen auslösen. Die völkervertragsrechtliche Regelung der Art. 43, Art. 1 Abs. 4 ZP I erlangt vielmehr nur Geltung, wenn die am Konflikt Beteiligten selbst Vertragspartner sind; durch die Ratifizierung des Abkommens durch einen unbeteiligten Staat können diesen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auferlegt werden.
18
(3) Hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 1 Abs. 4 ZP I kann dahinstehen, ob auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen "bewaffneter Konflikt" und "Volk" erfüllt sind (vgl. hierzu GBA, Verfügung vom 20. Juni 2013 - 3 BJs 7/12-4, NStZ 2013, 644, 645). Der türkisch-kurdische Konflikt stellt jedenfalls keinen Kampf der PKK gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder ein rassistisches Regime dar.
19
Die Republik Türkei hat die überwiegend von Kurden bevölkerten Provinzen nicht zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung oder aus anderen Gründen besetzt. Die Zugehörigkeit eines Teils der kurdischen Gebiete zur Republik Türkei ist letztlich ein Ergebnis des 1. Weltkrieges und des damit verbundenen Zusammenbruches des Osmanischen Reiches, nach dem die türkischen Staatsgrenzen neu bestimmt wurden. Die Auffassung der Revision, die Fremdheit türkischer Besetzung liege darin, dass die Entwicklung zu einem kurdischen Staat nach dem ersten Weltkrieg insbesondere durch den Vertrag von Sèvres vom 10. August 1920, in dem den Kurden unter den dort näher geregelten Voraussetzungen ein Recht auf Selbstbestimmung zugebilligt wurde, nur unterbrochen worden sei, geht fehl. Der Vertrag von Sèvres wurde bereits durch den Vertrag von Lausanne vom 24. Juli 1923 wieder aufgehoben. Die auf türkischem Hoheitsgebiet liegenden kurdischen Provinzen sind deshalb völkerrechtlich als Teil der Republik Türkei anzusehen; eine "fremde" Besetzung scheidet somit aus.
20
Die Republik Türkei ist schließlich kein rassistisches Regime im Sinne des Art. 1 Abs. 4 ZP I. Dieses Tatbestandsmerkmal ist eng auszulegen; nach der Entstehungsgeschichte des ZP I sollte es insbesondere das früher in Südafrika bestehende Apartheitsregime erfassen. Das Oberlandesgericht hat zwar festgestellt, dass die kurdische Bevölkerungsgruppe und ihre Repräsentanten in der Republik Türkei verschiedenen Repressionen ausgesetzt waren, was u.a. in mehreren Fällen zur Verurteilung der Republik Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte führte. Die Voraussetzungen eines rassistischen Regimes im hier relevanten Sinne sind aber nicht schon dann gege- ben, wenn einzelne Bevölkerungsteile diskriminiert werden. Erforderlich ist vielmehr, dass diese vom politischen Prozess vollständig ausgeschlossen werden. Derart weitgehende Maßnahmen seitens der Republik Türkei sind nicht festgestellt.
21
bb) Die der PKK zuzurechnenden Straftaten sind auch nicht nach den Maßgaben des Völkergewohnheitsrechts gerechtfertigt.
22
Die Entstehung eines universell geltenden Völkerrechtssatzes setzt grundsätzlich eine in der Staatengemeinschaft hinreichend verfestigte Praxis und eine entsprechende Rechtsüberzeugung voraus. Zu den in Art. 1 Abs. 4 ZP I niedergelegten Grundsätzen hat sich bisher keine einhellige Staatenpraxis entwickelt. Es fehlt - auch mit Blick auf das von der Verteidigung angeführte Recht auf Selbstbestimmung nach Art. 1 Nr. 2 der UN-Charta (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65 - NJW 1966, 310) - an einer von einer ausreichend einhelligen Rechtsüberzeugung getragenen Praxis für ein ius ad bellum etwa nationaler Befreiungsbewegungen; ein kollektives Recht auf bewaffneten Widerstand zugunsten einer Bevölkerungsgruppe gegen die Regierung des eigenen Landes hat sich bisher im Völkergewohnheitsrecht nicht herausgebildet (zur nicht gegebenen Rechtfertigung vorsätzlicher Tötungen wegen menschenrechtswidriger Versagung der Ausreisefreiheit vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2000 - 5 StR 629/99, NJW 2000, 3079; BVerfG, Beschluss vom 30. November 2000 - 2 BvR 1473/00, NStZ 2001, 187; zu den neueren Entwicklungen des Völkerrechts in einem Bürgerkrieg vgl. Kreß, JZ 2014, 365). Im Übrigen besteht im hier konkret zu beurteilenden Fall gerade keine Überzeugung der Staatengemeinschaft dahin, der bewaffnete Kampf der PKK und ihrer Unterorganisationen und die damit verbundene Begehung von Straftaten sei gerechtfertigt. Die PKK wird vielmehr international weitgehend als terroristische Organisation eingeordnet (vgl. etwa aus dem Bereich der Europäischen Union in neuerer Zeit Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10. Februar 2014 zur Aktualisierung und Änderung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften , für die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus gelten, und zur Aufhebung des Beschlusses 2013/395/GASP, Anhang Ziffer 2.16. und 25., ABl. L 40/56; vgl. auch die Nachweise in BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28,

39).


Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
AK 1 und 2/12
vom
16. Februar 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
1.
2.
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie der Beschuldigten und ihrer Verteidiger am 16. Februar 2012
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

I.

1
Die Beschuldigten wurden aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 (6 BGs 51 und 52/11) am 17. Juli 2011 festgenommen und befinden sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand der Haftbefehle ist der Vorwurf, die Beschuldigten seien seit dem Frühjahr 2010 als Kader der "Komalen Ciwan" (KC, "Gemeinschaft der Jugendlichen"), einer Jugendorganisation der "Partiya Karkeren Kurdistan" (PKK, "Arbeiterpartei Kurdistans") und deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" (CDK, "Kurdische Demokratische Gesellschaft"), tätig und hätten sich dadurch als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außer- halb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).
3
Das Bundesministerium der Justiz hat am 12. Mai 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten A. ) sowie am 1. April 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten Ö. ) die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten des jeweiligen Beschuldigten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die PKK oder eine ihrer Nebenorganisationen, insbesondere der KC, erteilt (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).

II.

4
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Die Beschuldigten sind der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland dringend verdächtig.
6
a) Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen :
7
aa) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die PKK verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 - unter dieser Bezeichnung - die "Koma Civaken Kurdistan" (KCK, "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan"), die staatliche Attribute beansprucht und sich laut ihrem grundlegenden Abkommen als "demokratisches, kommunalistisch-konföderales System" versteht. Als Jugendorganisation inner- halb dieses Systems existiert die KC. Die CDK, die letztlich der KCK-Führung untergeordnet ist, dient dazu, die in Europa lebenden Kurden zu organisieren. Dementsprechend sind in Europa (außerhalb der Türkei) lebende Mitglieder der KC an die CDK angebunden.
8
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person von Abdullah Öcalan ausgerichtet; nach Art. 11 Satz 2 und 3 des "KCK-Abkommens" ist er "die Führungsinstanz , die das gesamte Volk in allen Bereichen vertritt", und "in grundlegenden Fragen die letzte Entscheidungsinstanz". Neben dieser "Entscheidungsinstanz" geschieht die Willensbildung etwa über den "Kongra Gele Kurdistan" (Kongra Gel, "Volkskongress Kurdistans"). Entsprechend hält auch die CDK Kongresse ab. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie regelmäßig der übergeordneten Ebene Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
9
Die KCK sieht die PKK als "ideologische Kraft des Systems der KCK" und als verantwortlich dafür an, "die Philosophie und die Ideologie der Führung umzusetzen". "Alle PKK-Kader innerhalb des Systems der KCK sind bezüglich ihrer ideologischen, moralischen, philosophischen sowie die Organisation und das Leben betreffenden Maßstäbe an die Struktur der PKK gebunden"; außerdem "nimmt jeder, der innerhalb des Systems der KCK tätig ist, die ideologischen und moralischen Maßstäbe der PKK zur Grundlage" (Art. 36 "KCKAbkommen" ).
10
bb) Die KCK bewertet im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel. Zu ihrem System gehören auch die "Hezen Parastina Gel" (HPG, "Volksverteidigungskräfte"), die nach dem Willen der Führung handeln. Die HPG verübten vor allem im Osten der Türkei Anschläge gegen türkische Soldaten sowie Polizisten und töteten dabei eine Vielzahl von diesen. Die HPG bekannten sich beispielsweise im Jahr 2010 zu diversen Anschlägen mit mindestens vierzig Todesopfern.
11
cc) Die beiden Beschuldigten waren spätestens ab dem Frühjahr 2010 als Führungskader der KC in Europa in die dargestellte Organisation von PKK sowie KCK eingebunden und förderten diese. Sie nahmen im Februar 2010 als Kader an einem Zwischenkongress der Europaführung der KC bei Pisa teil. Den Beschuldigten war die Ausrichtung der PKK sowie der KCK auf "Guerillaanschläge" gegen türkische Einheiten bekannt, und sie unterstützten diese Richtung bewusst.
12
(1) Der Beschuldigte A. (alias "M. ", "C. " u.a.) war - zumindest ab dem 19. Januar 2010 - zunächst als für ganz Deutschland zuständiger Funktionär der KC tätig. Als solcher war er in Deutschland unter anderem damit befasst, Kader für die KC zu rekrutieren, die Teilnahme von Interessierten an Ausbildungslagern der KC zu organisieren und Veranstaltungen der KC zu koordinieren.
13
Im März 2010 wechselte der Beschuldigte A. aufgrund einer Entscheidung der KC-Führung als Kader nach Frankreich. Ab Herbst 2010 war er für die KC wieder in Deutschland, und zwar in Ma. , tätig. Im Dezember 2010 war er an einer mehrtägigen Schulungsveranstaltung der KC in N. beteiligt, die unter anderem die Geschichte der PKK und die Guerilla zum Gegenstand hatte.
14
(2) Der Beschuldigte Ö. (alias "R. ", "Z. ", "Ni. " u.a.) übernahm im März 2010 - nach vorangegangener Kadertätigkeit in der Schweiz - vom Beschuldigten A. die Aufgabe des für Deutschland verantwortlichen Funktionärs der KC und reiste dazu nach Deutschland ein. Er hielt und vermittelte Kon- takte zu über- sowie untergeordneten Kadern. Ferner richtete er verschiedene Veranstaltungen der KC aus und war damit befasst, Reisen von KC-Mitgliedern nach Deutschland oder von dort in die Türkei oder den Irak zu organisieren. Zudem entschied er mit über die Verwendung von Geldern. Im Dezember 2010 nahm er ebenso wie der Mitbeschuldigte A. an der Schulung in N. teil.
15
b) Hinsichtlich des vorstehenden Sachverhalts ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den (unter anderem im Dezember 2010 in N. ) sichergestellten Unterlagen, der Auswertung der überwachten Telekommunikation, öffentlichen Verlautbarungen der Organisationen und diversen Zeugenaussagen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 und den Vermerk des Bundeskriminalamts vom 23. Dezember 2011 Bezug genommen.
16
c) Danach besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Beschuldigten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.
17
Die Beteiligung an der KC stellt nach gegenwärtigem Ermittlungsstand zugleich eine Beteiligung an dem von der PKK initiierten System der KCK dar. Zwar organisiert sich die KC laut Art. 38 des "KCK-Abkommens" selbstständig und autonom. Doch ergibt sich sowohl aus dem Abkommen selbst als auch aus den weiteren Ermittlungsergebnissen, dass die Willensbildung der KC letztlich in diejenige von KCK und PKK eingebunden ist. So sind die Mandatsträger der KC nicht nur ihren eigenen Organen, sondern auch denjenigen der KCK gegenüber verantwortlich (Art. 38 Satz 5 "KCK-Abkommen"). Für eine entsprechende Anbindung der KC in Europa an die Kader der CDK sprechen etwa von CDK-Kongressen gefasste Beschlüsse, überwachte Telefonate und Zeugenaussagen. Dafür, dass die KC letztlich darauf ausgerichtet ist, die Politik der PKK umzusetzen und den Guerillakrieg zu unterstützen, lassen sich unter anderem die Unterlagen heranziehen, die bei der Schulung in N. sichergestellt wurden und Rückschlüsse auf den Schulungsinhalt ermöglichen.
18
Nach dem Ermittlungsstand stellt die von der PKK initiierte Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln unter den Gruppenwillen unterordnet. Sie ist angesichts des von ihr in Anspruch genommenen "Selbstverteidigungsrechts" und der durch ihre weitere Unterorganisation, die HPG, verübten Anschläge auf türkische Einheiten darauf ausgerichtet, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Eine Rechtfertigung für die Tötungsdelikte oder eine Ausnahme von der Strafbarkeit ist nicht gegeben; insbesondere ist eine völkerrechtliche Zulässigkeit der Kampfhandlungen nach dem aktuellen Ermittlungsstand auszuschließen. Unabhängig davon, ob überhaupt völkerrechtlich eine Volksgruppe innerhalb eines bestehenden Staates in Ausnahmefällen das Recht zu einer Sezession haben kann und dieses Recht gewaltsam durchsetzen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 313; IGH, Rechtsgutachten vom 22. Juli 2010 - General List No. 141, Rn. 82 f., International Legal Materials 49 [2010], 1404 ff.), fehlen in der konkreten Situation die Voraussetzungen für ein solches allenfalls in besonderen Konstellationen gegebenes Recht.
19
Vor diesem Hintergrund bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Annahme in den Haftbefehlen, die "Teyrebazen Azadiya Kurdistan" (TAK, "Freiheitsfalken Kurdistans") gehörten - entgegen deren ausdrücklichen Presseerklärungen und der Distanzierung seitens der KCK - zu den Organisationsstrukturen der PKK/KCK, nach den bisherigen Ermittlungen im Sinne eines dringenden Tatverdachts hinreichend belegt ist.
20
2. Es bestehen hinsichtlich beider Beschuldigter die Haftgründe der Flucht- und der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 StPO), wie in den Haftbefehlen im Einzelnen zutreffend dargelegt worden ist. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
21
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Abgesehen davon, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens - unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Senats zu in Deutschland tätigen Teilorganisationen ausländischer Vereinigungen - die Organisation der PKK, der KCK und ihrer Untergliederungen, insbesondere der KC, der CDK sowie der HPG, im Tatzeitraum näher aufzuklären war, war die Auswertung umfangreicher überwachter Telekommunikation erforderlich, um vor allem die konkrete Beteiligung der Beschuldigten näher zu ermitteln. Dies bedurfte der Übersetzung der beweiserheblichen Telefonate und Kurzmitteilungen, die erst im Januar 2012 abgeschlossen wurde. Die Schwierigkeit und der Umfang der konkreten Ermittlungen haben daher ein Urteil noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist entgegen den Beanstandungen der Verteidigung mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
22
Insgesamt steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
23
Der Senat geht davon aus, dass - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angekündigt - alsbald Anklage erhoben werden kann. Becker Pfister Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
AK 1 und 2/12
vom
16. Februar 2012
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
1.
2.
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
sowie der Beschuldigten und ihrer Verteidiger am 16. Februar 2012
gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

I.

1
Die Beschuldigten wurden aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 (6 BGs 51 und 52/11) am 17. Juli 2011 festgenommen und befinden sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.
2
Gegenstand der Haftbefehle ist der Vorwurf, die Beschuldigten seien seit dem Frühjahr 2010 als Kader der "Komalen Ciwan" (KC, "Gemeinschaft der Jugendlichen"), einer Jugendorganisation der "Partiya Karkeren Kurdistan" (PKK, "Arbeiterpartei Kurdistans") und deren Europaorganisation "Civaka Demokratik a Kurdistan" (CDK, "Kurdische Demokratische Gesellschaft"), tätig und hätten sich dadurch als Mitglied an einer Vereinigung im Ausland außer- halb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).
3
Das Bundesministerium der Justiz hat am 12. Mai 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten A. ) sowie am 1. April 2011 (hinsichtlich des Beschuldigten Ö. ) die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener und künftiger Taten des jeweiligen Beschuldigten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die PKK oder eine ihrer Nebenorganisationen, insbesondere der KC, erteilt (§ 129b Abs. 1 Satz 3 StGB).

II.

4
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
5
1. Die Beschuldigten sind der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland dringend verdächtig.
6
a) Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt auszugehen :
7
aa) Die PKK wurde 1978 u.a. von Abdullah Öcalan in der Türkei als Kaderorganisation mit dem Ziel gegründet, einen kurdischen Nationalstaat unter ihrer Führung zu schaffen. Zur Verwirklichung dieses Plans initiierte die PKK verschiedene Organisationen, die mehrfach ihre Bezeichnung wechselten. So besteht seit 2007 - unter dieser Bezeichnung - die "Koma Civaken Kurdistan" (KCK, "Vereinigte Gemeinschaften Kurdistan"), die staatliche Attribute beansprucht und sich laut ihrem grundlegenden Abkommen als "demokratisches, kommunalistisch-konföderales System" versteht. Als Jugendorganisation inner- halb dieses Systems existiert die KC. Die CDK, die letztlich der KCK-Führung untergeordnet ist, dient dazu, die in Europa lebenden Kurden zu organisieren. Dementsprechend sind in Europa (außerhalb der Türkei) lebende Mitglieder der KC an die CDK angebunden.
8
Die KCK ist, ebenso wie die PKK, auf die Person von Abdullah Öcalan ausgerichtet; nach Art. 11 Satz 2 und 3 des "KCK-Abkommens" ist er "die Führungsinstanz , die das gesamte Volk in allen Bereichen vertritt", und "in grundlegenden Fragen die letzte Entscheidungsinstanz". Neben dieser "Entscheidungsinstanz" geschieht die Willensbildung etwa über den "Kongra Gele Kurdistan" (Kongra Gel, "Volkskongress Kurdistans"). Entsprechend hält auch die CDK Kongresse ab. Die Führungskader folgen grundsätzlich dieser Willensbildung und setzen die getroffenen Entscheidungen um. Zur Überprüfung haben sie regelmäßig der übergeordneten Ebene Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten.
9
Die KCK sieht die PKK als "ideologische Kraft des Systems der KCK" und als verantwortlich dafür an, "die Philosophie und die Ideologie der Führung umzusetzen". "Alle PKK-Kader innerhalb des Systems der KCK sind bezüglich ihrer ideologischen, moralischen, philosophischen sowie die Organisation und das Leben betreffenden Maßstäbe an die Struktur der PKK gebunden"; außerdem "nimmt jeder, der innerhalb des Systems der KCK tätig ist, die ideologischen und moralischen Maßstäbe der PKK zur Grundlage" (Art. 36 "KCKAbkommen" ).
10
bb) Die KCK bewertet im Rahmen der "Selbstverteidigung" einen Guerillakrieg als legitimes Mittel. Zu ihrem System gehören auch die "Hezen Parastina Gel" (HPG, "Volksverteidigungskräfte"), die nach dem Willen der Führung handeln. Die HPG verübten vor allem im Osten der Türkei Anschläge gegen türkische Soldaten sowie Polizisten und töteten dabei eine Vielzahl von diesen. Die HPG bekannten sich beispielsweise im Jahr 2010 zu diversen Anschlägen mit mindestens vierzig Todesopfern.
11
cc) Die beiden Beschuldigten waren spätestens ab dem Frühjahr 2010 als Führungskader der KC in Europa in die dargestellte Organisation von PKK sowie KCK eingebunden und förderten diese. Sie nahmen im Februar 2010 als Kader an einem Zwischenkongress der Europaführung der KC bei Pisa teil. Den Beschuldigten war die Ausrichtung der PKK sowie der KCK auf "Guerillaanschläge" gegen türkische Einheiten bekannt, und sie unterstützten diese Richtung bewusst.
12
(1) Der Beschuldigte A. (alias "M. ", "C. " u.a.) war - zumindest ab dem 19. Januar 2010 - zunächst als für ganz Deutschland zuständiger Funktionär der KC tätig. Als solcher war er in Deutschland unter anderem damit befasst, Kader für die KC zu rekrutieren, die Teilnahme von Interessierten an Ausbildungslagern der KC zu organisieren und Veranstaltungen der KC zu koordinieren.
13
Im März 2010 wechselte der Beschuldigte A. aufgrund einer Entscheidung der KC-Führung als Kader nach Frankreich. Ab Herbst 2010 war er für die KC wieder in Deutschland, und zwar in Ma. , tätig. Im Dezember 2010 war er an einer mehrtägigen Schulungsveranstaltung der KC in N. beteiligt, die unter anderem die Geschichte der PKK und die Guerilla zum Gegenstand hatte.
14
(2) Der Beschuldigte Ö. (alias "R. ", "Z. ", "Ni. " u.a.) übernahm im März 2010 - nach vorangegangener Kadertätigkeit in der Schweiz - vom Beschuldigten A. die Aufgabe des für Deutschland verantwortlichen Funktionärs der KC und reiste dazu nach Deutschland ein. Er hielt und vermittelte Kon- takte zu über- sowie untergeordneten Kadern. Ferner richtete er verschiedene Veranstaltungen der KC aus und war damit befasst, Reisen von KC-Mitgliedern nach Deutschland oder von dort in die Türkei oder den Irak zu organisieren. Zudem entschied er mit über die Verwendung von Geldern. Im Dezember 2010 nahm er ebenso wie der Mitbeschuldigte A. an der Schulung in N. teil.
15
b) Hinsichtlich des vorstehenden Sachverhalts ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den (unter anderem im Dezember 2010 in N. ) sichergestellten Unterlagen, der Auswertung der überwachten Telekommunikation, öffentlichen Verlautbarungen der Organisationen und diversen Zeugenaussagen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 und den Vermerk des Bundeskriminalamts vom 23. Dezember 2011 Bezug genommen.
16
c) Danach besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Beschuldigten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben.
17
Die Beteiligung an der KC stellt nach gegenwärtigem Ermittlungsstand zugleich eine Beteiligung an dem von der PKK initiierten System der KCK dar. Zwar organisiert sich die KC laut Art. 38 des "KCK-Abkommens" selbstständig und autonom. Doch ergibt sich sowohl aus dem Abkommen selbst als auch aus den weiteren Ermittlungsergebnissen, dass die Willensbildung der KC letztlich in diejenige von KCK und PKK eingebunden ist. So sind die Mandatsträger der KC nicht nur ihren eigenen Organen, sondern auch denjenigen der KCK gegenüber verantwortlich (Art. 38 Satz 5 "KCK-Abkommen"). Für eine entsprechende Anbindung der KC in Europa an die Kader der CDK sprechen etwa von CDK-Kongressen gefasste Beschlüsse, überwachte Telefonate und Zeugenaussagen. Dafür, dass die KC letztlich darauf ausgerichtet ist, die Politik der PKK umzusetzen und den Guerillakrieg zu unterstützen, lassen sich unter anderem die Unterlagen heranziehen, die bei der Schulung in N. sichergestellt wurden und Rückschlüsse auf den Schulungsinhalt ermöglichen.
18
Nach dem Ermittlungsstand stellt die von der PKK initiierte Verbandsstruktur eine Vereinigung dar, bei der sich der einzelne entsprechend den intern bestehenden Regeln unter den Gruppenwillen unterordnet. Sie ist angesichts des von ihr in Anspruch genommenen "Selbstverteidigungsrechts" und der durch ihre weitere Unterorganisation, die HPG, verübten Anschläge auf türkische Einheiten darauf ausgerichtet, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Eine Rechtfertigung für die Tötungsdelikte oder eine Ausnahme von der Strafbarkeit ist nicht gegeben; insbesondere ist eine völkerrechtliche Zulässigkeit der Kampfhandlungen nach dem aktuellen Ermittlungsstand auszuschließen. Unabhängig davon, ob überhaupt völkerrechtlich eine Volksgruppe innerhalb eines bestehenden Staates in Ausnahmefällen das Recht zu einer Sezession haben kann und dieses Recht gewaltsam durchsetzen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 313; IGH, Rechtsgutachten vom 22. Juli 2010 - General List No. 141, Rn. 82 f., International Legal Materials 49 [2010], 1404 ff.), fehlen in der konkreten Situation die Voraussetzungen für ein solches allenfalls in besonderen Konstellationen gegebenes Recht.
19
Vor diesem Hintergrund bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Annahme in den Haftbefehlen, die "Teyrebazen Azadiya Kurdistan" (TAK, "Freiheitsfalken Kurdistans") gehörten - entgegen deren ausdrücklichen Presseerklärungen und der Distanzierung seitens der KCK - zu den Organisationsstrukturen der PKK/KCK, nach den bisherigen Ermittlungen im Sinne eines dringenden Tatverdachts hinreichend belegt ist.
20
2. Es bestehen hinsichtlich beider Beschuldigter die Haftgründe der Flucht- und der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 StPO), wie in den Haftbefehlen im Einzelnen zutreffend dargelegt worden ist. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
21
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Abgesehen davon, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens - unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des Senats zu in Deutschland tätigen Teilorganisationen ausländischer Vereinigungen - die Organisation der PKK, der KCK und ihrer Untergliederungen, insbesondere der KC, der CDK sowie der HPG, im Tatzeitraum näher aufzuklären war, war die Auswertung umfangreicher überwachter Telekommunikation erforderlich, um vor allem die konkrete Beteiligung der Beschuldigten näher zu ermitteln. Dies bedurfte der Übersetzung der beweiserheblichen Telefonate und Kurzmitteilungen, die erst im Januar 2012 abgeschlossen wurde. Die Schwierigkeit und der Umfang der konkreten Ermittlungen haben daher ein Urteil noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist entgegen den Beanstandungen der Verteidigung mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
22
Insgesamt steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
23
Der Senat geht davon aus, dass - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angekündigt - alsbald Anklage erhoben werden kann. Becker Pfister Menges

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 179/10
vom
28. Oktober 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Eine in Deutschland tätige Teilorganisation einer ausländischen Vereinigung ist
nur dann als eigenständige inländische Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129a
StGB anzusehen, wenn die Gruppierung für sich genommen alle für eine Vereinigung
notwendigen personellen, organisatorischen, zeitlichen und voluntativen
Voraussetzungen erfüllt.
2. Hieraus folgt, dass die inländische Teilgruppierung ein ausreichendes Maß an organisatorischer
Selbstständigkeit aufweisen und einen eigenen, von der ausländischen
(Haupt-)Organisation unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen
muss, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Hierfür reicht es nicht aus, dass die
Mitglieder der inländischen Teilgruppe lediglich Einigkeit darüber erzielen, sich
dem Willen der Gesamtorganisation unterzuordnen; erforderlich ist vielmehr, dass
sich der für eine Vereinigung konstitutive, auf deren Zwecke bezogene Willensbildungsprozess
in seiner Gesamtheit in der inländischen Gruppierung vollzieht.
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10 - OLG Frankfurt am Main
in der Strafsache
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Dezember 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Angeklagte beanstandet mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
2
1. Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass der Angeklagte von Juli 2004 bis Juni 2007 in Deutschland nacheinander insgesamt drei Gebiete der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkeren Kurdistan - PKK) leitete.
3
Im Einzelnen hat das Oberlandesgericht hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
a) Ziel der im Jahre 1978 gegründeten PKK war es zunächst, in den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran einen sozialistischen kurdischen Nationalstaat unter ihrer alleinigen Führung zu errichten. Sie verstand sich als straff organisierte, zentralistisch geführte, den Zielen des Marxismus/Leninismus verpflichtete Kaderorganisation und erachtete die Anwendung "revolutionärer Gewalt" als legitim. Im Jahre 1984 begann sie einen bewaffneten Kampf gegen den türkischen Staat. Die Auseinandersetzungen wurden von beiden Seiten mit großer Härte geführt und forderten insbesondere unter der Zivilbevölkerung zahlreiche Opfer.
5
Nachdem die Kämpfe die PKK ihrem Ziel nicht entscheidend näher gebracht hatten, erklärte ihr Führer Abdullah Öcalan 1996/1997, es sei auch ein "bundesstaatliches Modell nach Schweizer Vorbild" vorstellbar. Öcalan wurde im Februar 1999 festgenommen. Aus diesem Anlass wurden die Parteiziele weiter modifiziert; es sollte nunmehr nur noch die Wahrung der kurdischen Identität durch Erhaltung der sozialen und kulturellen Eigenständigkeit der kurdischen Bevölkerung innerhalb der staatlichen Ordnung der Türkei in friedlichem Ausgleich mit dem türkischen Staat und auf demokratischem Wege erreicht werden. Im Juni 1999 wurde Öcalan in der Türkei wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Im August 1999 erklärte die PKK den Guerillakampf einseitig für beendet und ordnete den Rückzug ihrer Verbände aus der Türkei an. Die bewaffneten Einheiten zogen sich daraufhin vor allem in den Nordirak zurück und gliederten sich als "Volksverteidigungskräfte" (Hezen Parastina Gel - HPG) neu. Diese "Friedenslinie" diente vorrangig dazu, das Leben Öcalans zu retten.
6
Im April 2002 wurde der "Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans" (Kongreya Azadi u Demokrasiya Kurdistane - KADEK) gegründet, der sich unter Aufrechterhaltung von Strukturen und Zielen der PKK als deren Nachfolger verstand. Die gegen Öcalan verhängte Todesstrafe wurde im Oktober 2002 in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Der KADEK beschloss im Oktober 2003 seine Auflösung; gebildet wurde nunmehr der "Volkskongress Kurdistans" (Kongra Gele Kurdistan - KONGRA-GEL), dessen politischen Willen die HPG unterstellt wurden. Diese kündigten den "Waffenstillstand" mit der Türkei zum 1. Juni 2004 auf. In der Folgezeit eskalierten die gewalttätigen Auseinandersetzungen und forderten auf beiden Seiten vermehrt Todesopfer.
7
Im April 2005 bildete sich nach den Vorgaben Öcalans eine "neue PKK", die sich als ideologische und philosophische Bewegung verstand und die ebenfalls von Öcalan entwickelte Idee eines "Demokratischen Konföderalismus Kurdistans" mit Hilfe des KONGRA-GEL umsetzen wollte. Hierzu wurde im Mai 2005 die "Gemeinschaft der Kommunen in Kurdistan" (Koma Komalen Kurdistan - KKK) gegründet; die KKK-Vereinbarung vom 17. Mai 2005 enthält grundlegende Regelungen in Form einer Verfassung. U. a. werden in Art. 19 die "Gebiete Europa und GUS" als Landesteile behandelt. Im Jahre 2007 verstärkten sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen den HPG und der türkischen Armee erneut. Der KKK benannte sich in "Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans" (Koma Civaken Kurdistan - KCK) um; die KKK-Verein-barung wurde durch das KCK-Abkommen vom 25. Mai 2007 fortgeschrieben.
8
Die PKK verlegte schon wenige Jahre nach ihrer Gründung zahlreiche Aktivitäten ins Ausland, um dem massiven Verfolgungsdruck in der Türkei auszuweichen. Sie warb in Deutschland und anderen Regionen Westeuropas um Mitglieder und Sympathisanten, die zur finanziellen Unterstützung der Partei und ihrer Kader verpflichtet wurden, und betrieb intensiv die Rekrutierung von Nachwuchs sowohl für Kader als auch für die in der Türkei operierende Guerilla. Zur Organisierung ihrer in Europa lebenden Anhänger und zur Propagierung ihrer Ziele gründete die PKK im Jahre 1985 die "Nationale Befreiungsfront Kurdistans" (Eniya Rizgariya Netewa Kurdistan - ERNK). Der Europaführung der PKK gelang es, eine straffe Organisationsstruktur zu errichten und viele der in Europa lebenden Kurden für die Ziele der Partei zu gewinnen. Ihren uneingeschränkten Führungs- und Alleinvertretungsanspruch setzte die PKK vor allem zwischen 1984 und 1988 auch durch die Begehung von Tötungsdelikten an sog. Verrätern bzw. Abweichlern um.
9
Der hierdurch hervorgerufene Verfolgungsdruck sowie der Wunsch nach einer Stärkung der Effizienz der Parteiarbeit veranlasste die PKK zu Beginn der 1990er Jahre, die Organisation in Europa noch fester und straffer zu gliedern. Träger war ein aus professionellen Kadern bestehender Funktionärskörper mit der "Europäischen Frontzentrale" (Avrupa Cephe Merkezi - ACM) an der Spitze. Im Jahre 2000 wurde die ERNK aufgelöst und durch die "Kurdische Demokratische Volksunion" (Yekitiya Demokratika Gele Kurd - YDK) ersetzt; an deren Stelle trat 2004 die "Koordination der kurdisch-demokratischen Gesellschaft" (Koordinasyon Civata Demokratik a Kurdistan - CDK).
10
Dementsprechend folgten auf den ACM zunächst der YDK-Rat und sodann der CDK-Rat bzw. die CDK-Koordinierung. Diesem Gremium stand die sog. Zentrale oder auch Exekutive vor, die aus dem Europaverantwortlichen sowie einigen weiteren engen Vertrauten Öcalans bestand und für die Leitung der laufenden Geschäfte zuständig war. Ihr oblag es, die Ziele, Vorgaben und Personalentscheidungen der Parteiführung gegenüber den nachgeordneten Einheiten durch individuelle und generelle Anweisungen durchzusetzen. Unterhalb dieser Führungsebene war Europa überwiegend in Regionen (Eyalet), Gebiete (Bölge), Räume (Alan) und Stadtteile (Semt) eingeteilt. Für jede Organisationseinheit wurde von der Führung ein Verantwortlicher eingesetzt, für Regionen und Gebiete waren dies in der Regel durch die Partei alimentierte professionelle Kader. Diese wechselten regelmäßig ihre Funktionen und verhielten sich in hohem Maße konspirativ.
11
In Deutschland gab es seit 2002 mit einer kurzen Unterbrechung im Jahre 2007 drei Sektoren (Süd, Mitte und Nord), denen etwa 25 Gebiete nachgeordnet waren; zeitweise übte ein Sektorleiter auch die Funktion eines sog. Deutschlandkoordinators aus. Die Tätigkeit der PKK in Deutschland war von Beginn an auf die Unterstützung der militärischen und politischen Auseinandersetzung mit dem türkischen Staat ausgerichtet. Hierfür stellten die Organisationseinheiten der PKK in Europa die Finanzmittel, rekrutierten Nachwuchs für den Guerillakampf und betrieben Propaganda, um die öffentliche Meinung zu Gunsten der PKK zu beeinflussen. Es wurden verschiedene Aufgabenbereiche (Finanzen, Außenbeziehungen, Öffentlichkeitsarbeit u.a.) gebildet, die ihre Aufgaben nach den Vorgaben der Europazentrale zu erfüllen hatten.
12
Besondere Bedeutung kam dabei dem Bereich Finanzen zu. Die erforderlichen Geldmittel erzielte die Organisation vor allem durch eine jährlich durchgeführte "Spendenkampagne". Die zu leistenden Zahlungen wurden auf der Grundlage verbindlicher Zielvorgaben der Europaführung für die einzelnen Strukturebenen nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Einzelnen festgelegt ; in der Regel wurde ein Monatsgehalt verlangt. Die führenden Funktionäre und Kader führten die Aktionen durch, überwachten sie und hatten dafür zu sorgen, dass die Vorgaben der Europaführung erfüllt wurden. Raumverantwortliche und "Frontarbeiter" suchten die ortsansässigen Kurden in Deutschland auf und forderten die Gelder ein. Aufgrund der hohen Planvorgaben standen vor allem die Gebietsleiter sowie die sonstigen Kader und Aktivisten an der Front unter erheblichem Erfolgsdruck. Die eingesammelten Gelder sowie weitere Beiträge und Einnahmen aus Publikationen waren an das unmittelbar an die Europaführung angebundene "Wirtschafts- und Finanzbüro" (Ekonomi Razi Buroya Iliskin - EMB) zu übermitteln.
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Im November 1993 gingen Mitglieder und Sympathisanten der PKK weisungsgemäß dazu über, in Deutschland Brandanschläge auf türkische Geschäfte , Banken, Vereinslokale und ähnliche Versammlungsstätten zu verüben. Diese Aktivitäten führten dazu, dass der PKK und der ERNK die Betätigung in Deutschland durch Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22. November 2002 vereinsrechtlich verboten wurde; das Verbot wurde später auf die Nachfolgeorganisationen erstreckt. In der Folge kam es zu von der Europaführung zentral gesteuerten Protestwellen mit gewalttätigen Ausschreitungen, Autobahnblockaden , Brandanschlägen und Verwüstungsaktionen. Öcalan bezeichnete noch in der ersten Hälfte des Jahres 1996 Deutschland als den "Feind Nr. 2" nach der türkischen Republik.
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Nachdem die Führung der PKK erkannt hatte, dass diese Aktivitäten in Deutschland den Zielen der Partei abträglich waren, stellte Öcalan das gewaltsame Vorgehen in Deutschland als einen auf einem Missverständnis seiner Anordnungen beruhenden Fehler dar und wies seine Organisation im August 1996 an, alle Gewaltaktionen in Westeuropa einzustellen. Diese Anweisung wurde in der Folgezeit - mit Ausnahme von Besetzungsaktionen im Februar 1999 im Zusammenhang mit der Festnahme Öcalans - befolgt.
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Die Organisationsstruktur der Partei und deren Ziele bestanden allerdings fort. Die von Öcalan in der Öffentlichkeit verkündete "Garantie", die Mitglieder der PKK würden sich künftig in Deutschland gesetzestreu verhalten, wurde nicht eingelöst:
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Es wurde ein Arbeitsbereich "heimatgerichtete Aktivitäten" gebildet, dem vor allem die Unterstützung der Guerillakämpfer und der Parteigliederungen in den Heimatgebieten, die Rekrutierung von Nachwuchs, die Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen sowie die Organisierung eines Kurierdienstes und von Reisen oblag. Die Grundentscheidungen über diese Aktivitäten traf die Europaführung , die entsprechende Anweisungen an das "Heimatbüro" sowie an die Leiter der Sektoren, Regionen und der Basisorganisationen erließ. Die Europaführung ihrerseits war Adressat von Anordnungen der Parteiführung in der Heimat, die etwa Reisen von Kadern und sonstigen Parteimitgliedern nach Europa zum Gegenstand hatten. Die systematische Durchführung grenzüberschreitender Reisebewegungen wurde mit Hilfe von Straftaten der Urkundenfälschung insbesondere in Form der Verfälschung von Ausweisen und Pässen und solchen des Einschleusens von Ausländern begangen.
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Daneben nahm die PKK für sich eine Strafgewalt in Anspruch und setzte diese über die Strukturen der Organisation um. Es entwickelte sich bereits in den 1980er Jahren eine Disziplinierungs- und Bestrafungspraxis. Opfer waren zum einen sog. Verräter oder Abweichler, d. h. Angehörige der Organisation oder außenstehende Personen, die durch ein als parteischädigend bewertetes Verhalten aufgefallen waren. Zum anderen maßte sich die PKK eine Strafgewalt im Zusammenhang mit dem Eintreiben von "Spenden" und sonstigen Geldern an und ging mit Drohungen und Gewalt gegen Zahlungsunwillige und Säumige vor. Bei den begangenen Straftaten handelte es sich vor allem um Körperverletzungen, Freiheitsberaubungen, Nötigungen und Bedrohungen. Ab den Jahren 1993/1994 wurde das Strafsystem ausgeweitet; bis 1999 kam es in Deutschland zu zahlreichen Bestrafungsaktionen bis hin zu (versuchten) Tötungsdelikten. Auch nach der Festnahme Öcalans wurde die angemaßte Strafgewalt bis in das Jahr 2007 weiterhin ausgeübt. Formale Grundlage war ein von der PKK auf verschiedenen Parteikongressen beschlossenes und modifiziertes Strafsystem, das mehrere Kategorien von Straftaten vorsah und diese in verschiedene Schweregrade unterteilte.
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Der Angeklagte war unter dem Decknamen "D. " von Juli 2004 bis Juni 2007 ununterbrochen als hauptamtlicher Kader mit der Funktion eines Gebietsverantwortlichen für die PKK tätig. In der Zeit von Juli 2004 bis Ende Mai 2005 leitete er das Gebiet N. . Anschließend war er in der Zeit von Juni 2005 bis Juni 2006 für das Gebiet M. zuständig. Von Juli 2006 bis Juni 2007 fungierte er als Leiter des Gebiets Da. . Er nahm die für einen Gebietsverantwortlichen typischen Leitungsaufgaben wahr und regelte die organisatorischen , finanziellen, personellen sowie propagandistischen Angelegenheiten seines jeweiligen Zuständigkeitsbereichs. Z. B. war er in erheblichem Umfang damit befasst, Veranstaltungen der PKK und Zusammenkünfte ihrer Mitglieder und Sympathisanten zu organisieren und zu koordinieren; außerdem stellte er sicher, dass die in seinem Gebiet ansässigen Kurden sich auch an überregionalen Veranstaltungen beteiligten. Er koordinierte die Arbeit der ihm nachgeordneten Kader und Aktivisten; außerdem berichtete er den ihm übergeordneten Kadern - etwa dem damaligen Finanzverantwortlichen der PKK für Europa "S. " - und befolgte deren Anweisungen. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehörte das Eintreiben und Weiterleiten von "Spendengeldern" und sonstigen finanziellen Mitteln. Er war in die Bestrafungs- und Disziplinierungsmaßnahmen der Organisation eingebunden und gab Anweisungen zum Vorgehen gegen säumige oder unwillige "Spendenzahler".
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b) Das Oberlandesgericht hat dieses Verhalten des Angeklagten rechtlich als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB gewürdigt. Im Tatzeitraum habe ein in Deutschland auf Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluss von Funktionären der PKK bestanden, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsam kriminelle Zwecke verfolgten und kriminelle Tätigkeiten entfalteten. Zwecke und Tätigkeiten dieser Vereinigung seien darauf gerichtet gewesen, das Erscheinungsbild nach außen prägende und nicht nur un- tergeordnete Straftaten zu begehen, namentlich im Bereich "heimatgerichtete Aktivitäten" Urkundendelikte und Vergehen nach dem Asylverfahrens- und Aufenthaltsgesetz sowie im Bereich Bestrafungs- und Disziplinierungswesen Körperverletzungen , Freiheitsberaubungen, Nötigungen und Bedrohungen. Personelle Träger der kriminellen Vereinigung seien die Mitglieder der Europazentrale , die Sektor- und Gebietsleiter sowie weitere mit Sonderzuständigkeiten ausgestattete Kader gewesen; der Angeklagte habe als Gebietsverantwortlicher zu diesem Kreis gezählt.
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2. Diese Wertung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn die Feststellungen belegen nicht, dass die in Deutschland tätigen Führungskader der PKK im Tatzeitraum eine - im Verhältnis zur Gesamtorganisation eigenständige - kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB bildeten.
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a) Die rechtliche Einordnung des inländischen Funktionärskörpers der PKK durch das Oberlandesgericht entspricht allerdings der bisherigen ständigen Rechtsprechung. Danach galt:
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aa) Als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist der auf eine gewisse Dauer angelegte, freiwillige organisatorische Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; s. aus neuerer Zeit BGH, Beschluss vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, BGHSt 45, 26, 35; Urteil vom 10. März 2005 - 3 StR 233/04, NJW 2005, 1668; Beschluss vom 10. Januar 2006 - 3 StR 263/05, NJW 2006, 1603; Beschluss vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, BGHR StGB § 129 Vereinigung 3; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 107 ff.). Das notwendige voluntative Element ist regelmäßig hinreichend belegt, wenn festgestellt ist, dass die Mitglieder der Organisation nicht nur kurzfristig ein gemeinsames Ziel verfolgen, das über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgeht, auf welche die Zwecke oder Tätigkeit der Gruppe gerichtet sind, und hierbei - etwa im Rahmen der Vorbereitung oder der Verwirklichung dieser Straftaten - koordiniert zusammenwirken (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216).
23
Der Senat hat in der jüngeren Vergangenheit in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass auch mit Blick auf Rechtsakte der Europäischen Union an dieser Umschreibung einer kriminellen Vereinigung festzuhalten ist und es gegebenenfalls dem Gesetzgeber obliegt, als erforderlich angesehene Modifikationen vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, BGHR StGB § 129 Vereinigung 3; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 110 f.; Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 221 f.). Dies gilt fort.
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bb) Vor Inkrafttreten des durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002 (BGBl. I S. 3390) in das Strafgesetzbuch eingefügten § 129b StGB am 30. August 2002 war ein organisationsbezogenes Verhalten mit Blick auf den räumlichen Geltungsbereich des Verbots nach Art. 9 Abs. 2 GG, an das die §§ 129, 129a StGB anknüpfen, nur dann nach diesen Vorschriften strafbar, wenn es sich auf eine Vereinigung bezog, die innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestand (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 311; Beschlüsse vom 5. Januar 1982 - StB 53/81, BGHSt 30, 328; vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, BGHSt 45, 26, 35; vom 10. Januar 2002 - AK 22/01). Hierfür reichte es indes aus, dass eine ausländische Gruppierung eine Teilorganisation in Deutschland unterhielt, die ihrerseits die Voraussetzungen einer Vereinigung erfüllte. Nicht erforderlich war es jedoch, dass sich auch die gruppeninterne Willensbildung autonom innerhalb der inländischen Teilorganisation vollzog; vielmehr genügte es, wenn deren Mitglieder in die Willensbildung der ausländischen Organisation integriert waren und sich den auf dieser Ebene getroffenen Entschlüssen gegebenenfalls unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwarfen, sie mithin von der ausländischen (Haupt-)Vereinigung "gelenkt" wurden (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1965 - 3 StR 15/65, NJW 1966, 310, 311; Beschluss vom 12. Oktober 2001 - AK 14/01).
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cc) In Anwendung dieser Maßstäbe wurden die in Deutschland agierenden Führungskader der PKK als eigenständige Vereinigung angesehen (s. etwa BGH, Beschlüsse vom 11. August 1999 - AK 10, 11/99, BGHR StGB § 129 Straftaten 1; vom 20. Dezember 2001 - AK 21/01, BGHR StGB § 129 Straftaten 2; vom 10. Januar 2002 - AK 22/01; vom 18. Januar 2002 - AK 1/02). Für die Zeit von November 1993 bis August 1996 galt die Gruppierung als terroristische Vereinigung nach § 129a StGB aF, da ihre Zwecke und Tätigkeit insbesondere auch auf die Begehung von Straftaten nach § 129a Abs. 1 Nr. 3 StGB aF, etwa Brandstiftungsdelikte, gerichtet waren (s. etwa BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2007 - AK 15/07). Für die Zeit danach wurde der führende inländische Funktionärskörper der PKK als kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB eingestuft, wobei die Zwecke und Tätigkeit sich bis etwa Ende 1999 auf drei Bereiche von Straftaten richteten, namentlich demonstrative Gewalttaten und Delikte im Zusammenhang mit den Aktivitäten des "Heimatbüros" sowie mit der angemaßten Strafgewalt. Ab Anfang 2000 bezogen sich die Zwecke und Tätigkeit der in Deutschland agierenden Führungsebene jedenfalls noch auf Straftaten in den Bereichen "Heimatbüro" und Strafsystem (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268).
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dd) Die Strafverfolgungspraxis hat diese Maßstäbe auch nach Inkrafttreten des § 129b StGB angewendet und den im Inland tätigen führenden Funktio- närskörper der PKK bzw. deren Nachfolge- und Unterorganisationen weiterhin als inländische Vereinigung bewertet. Der Senat hat diese Würdigung bisher in mehreren Entscheidungen (s. etwa BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 3 StR 94/04, BGHSt 49, 268, 274; Beschlüsse vom 11. November 2004 - AK 13/04, insoweit in BGHR StGB § 129 Strafzumessung 1 nicht abgedruckt; vom 2. Oktober 2007 - AK 15/07; vom 12. Februar 2009 - AK 1/09; vom 9. April 2009 - AK 7/09) - darunter auch einem Haftfortdauerbeschluss in dem vorliegenden Verfahren (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - AK 16/08) - auf der jeweiligen Grundlage der tatgerichtlichen Feststellungen bzw. der Ermittlungsergebnisse gebilligt.
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b) Hieran hält der Senat nicht länger fest. Er sieht sich vielmehr vor allem mit Blick auf die durch die Einfügung des § 129b StGB in das Strafgesetzbuch veränderte Rechtslage zu folgender neuen rechtlichen Bewertung veranlasst (s. schon BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042):
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Eine in Deutschland tätige Teilorganisation einer ausländischen Vereinigung ist nur dann als eigenständige inländische Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129a StGB anzusehen, wenn die Gruppierung für sich genommen alle für eine Vereinigung notwendigen personellen, organisatorischen, zeitlichen und voluntativen Voraussetzungen erfüllt. Hieraus folgt insbesondere auch, dass die inländische Teilgruppierung ein ausreichendes Maß an organisatorischer Selbstständigkeit aufweisen und einen eigenen, von der ausländischen (Haupt )Organisation unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen muss, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Mitglieder der inländischen Teilgruppe lediglich Einigkeit darüber erzielen, sich dem Willen der Gesamtorganisation unterzuordnen; erforderlich ist vielmehr, dass sich der für eine Vereinigung konstitutive, auf deren Zwecke bezogene Willensbildungsprozess in seiner Gesamtheit in der inländischen Gruppierung vollzieht. Aus die- sem Grund wird das für die Annahme einer Vereinigung notwendige voluntative Element in Bezug auf die Teilorganisation auch nicht allein dadurch hinreichend belegt, dass die Mitglieder dieser Gruppe mittel- oder langfristig ein gemeinsames , politisch/ideologisches Ziel verfolgen, wenn dieses Ziel von der Gesamtorganisation vorgegeben wird.
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Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
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aa) § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB bestimmt, dass die §§ 129, 129a StGB auch für Vereinigungen im Ausland gelten. Die Vorschrift erfasst - soweit hier von Bedeutung - jede Beteiligung an einer ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit, ohne dass es darauf ankommt, ob in Deutschland Organisationsstrukturen der ausländischen Vereinigung vorhanden sind. Das Handeln des Täters im Inland wird typischerweise durch seine Einbindung in die ausländische Organisation und seine Unterwerfung unter die auf deren Ebene getroffenen Entscheidungen bestimmt. Dabei macht es für die Strafbarkeit wegen der Tätigkeit für eine ausländische Vereinigung keinen Unterschied, ob es bei dem isolierten Handeln eines Einzelnen verbleibt oder ob die Vorgaben der Gesamtorganisation ein Zusammenwirken bedingen; denn allein aus einer solchen gemeinschaftlichen Beteiligungshandlung im Inland lässt sich das Bestehen einer gesonderten inländischen Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129a StGB, die neben die ausländische Organisation tritt, nicht ableiten.
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bb) Bilden die in Deutschland handelnden Mitglieder einer ausländischen Vereinigung keinen eigenständigen Gesamtwillen, so weist die Tat auch keinen Unrechtsgehalt auf, der über den bereits von § 129b StGB erfassten hinausgeht. Strafgrund der §§ 129 ff. StGB ist die erhöhte kriminelle Intensität, die in der Gründung und Fortführung einer festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet, die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte abstrakte Gefährlichkeit für wichtige Güter der Gemeinschaft mit sich bringt (BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - 3 StR 583/94, BGHSt 41, 47, 51). Diese größere Personenzusammenschlüsse kennzeichnende Eigendynamik hat ihre besondere Gefährlichkeit darin, dass sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1978 - 3 StR 105/78, BGHSt 28, 147, 148 f.). Für das Entstehen dieser typischerweise von den einzelnen Mitgliedern der Vereinigung nicht mehr voll steuerbaren Eigendynamik sind vor allem die eine bestimmte Festigkeit aufweisende innere Organisationsstruktur sowie die auf Dauer angelegte organisierte Willensbildung von Belang. Besteht eine ausländische, diese Merkmale aufweisende kriminelle oder terroristische Vereinigung, so wird deshalb der vereinigungsspezifische Unrechtsgehalt der Tat bereits durch deren Ahndung unter diesem Gesichtspunkt erfasst. Für eine zusätzliche - gegebenenfalls tateinheitlich neben den Schuldspruch nach § 129b StGB tretende - Verurteilung nach § 129 oder § 129a StGB ist daher kein Raum. Sie ist mit Blick auf die Betätigung für eine inländische Gruppierung nur dann gerechtfertigt, wenn diese eigenständig alle Voraussetzungen einer Vereinigung erfüllt und aus diesem Grunde die abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit erhöht.
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cc) § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB erfordert für die Verfolgung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und damit die Erfüllung einer besonderen Prozessvoraussetzung. Dies gilt auch dann, wenn die Tat durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit begangen wird. Zweck des Ermächtigungsvorbehalts ist es insbesondere, der Exekutive die Möglichkeit einzuräumen, auf die Durchführung eines Strafverfahrens zu verzichten, wenn dieses unverhältnismäßige außenpo- litische Nachteile mit sich bringen würde (BT-Drucks. 14/8893 S. 17; Altvater NStZ 2003, 179, 181). Es entspricht somit der Grundentscheidung des Gesetzgebers, die Verfolgung einer Tat im Sinne des § 129b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB von der Prüfung abhängig zu machen, ob außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland berührt sein können. Dieses Erfordernis würde umgangen, wollte man bei einer inländischen Teilorganisation einer ausländischen Gruppierung auf die für eine eigenständige Vereinigung konstitutiven Voraussetzungen auch nur teilweise verzichten.
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c) Gemessen an diesem Maßstab wird das Bestehen einer eigenständigen inländischen, aus den in Deutschland agierenden Führungskadern der PKK zusammengesetzten kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB durch die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht belegt; denn diese Gruppierung vollzog nicht einen eigenen, auf die Zwecke der Vereinigung gerichteten Willensbildungsprozess. Damit ist das Willenselement einer Vereinigung nicht gegeben. Der festgestellte Sachverhalt trägt auch nicht die Bewertung , bei der Europaführung der PKK handele es sich um eine eigenständige Vereinigung. Er lässt es vielmehr nahe liegend erscheinen, dass die PKK insgesamt die Voraussetzungen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland erfüllt, bei welcher der maßgebende Vereinigungswille außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gebildet wird und der Schwerpunkt der Strukturen sowie das eigentliche Aktionsfeld in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran liegen (zu den maßgeblichen Abgrenzungskriterien für die Entscheidung der Frage, ob eine Vereinigung, die sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in anderen Staaten Tätigkeiten entfaltet, als in- oder ausländische Vereinigung zu bewerten ist, vgl. Zöller, Terrorismusstrafrecht, S. 523). Im Einzelnen:
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aa) Die PKK war insgesamt zentralistisch und hierarchisch organisiert. In diesen Aufbau war die Organisation in Deutschland nahtlos eingegliedert. Die in Deutschland agierenden Kader verfolgten aufgrund der gemeinsamen politisch /ideologischen Überzeugung und dem auf dieser Basis unterhaltenen, nach Art, Inhalt und Intensität engem Beziehungsgeflecht zu den im Ausland tätigen Kadern jeweils diejenigen über den bloßen Zweckzusammenhang hinausreichenden politisch/ideologischen Zielsetzungen, die von der Gesamtorganisation vorgegeben wurden. Von deren jeweiligen Vorstellungen abweichende Ziele der inländischen Gruppierung sind nicht festgestellt. Die Endziele der PKK wurden vielmehr von deren Führern entwickelt bzw. auf deren Versammlungen beschlossen. Sie waren für die in Deutschland tätigen Kader verbindlich. Deren hauptsächliche Aufgabe bestand vor allem darin, die von den übergeordneten Führungsebenen erteilten Direktiven umzusetzen und auf diese Weise die PKK insgesamt zu unterstützen. Die wesentlichen Grundsätze der Art und Weise der Umsetzung wurden dabei ebenfalls von der Spitze der PKK vorgegeben. Die enge Verbindung zwischen der im Ausland tätigen Gruppierung und den hiesigen Kadern tritt auch im Hinblick auf die umfangreichen Berichtspflichten zu Tage, mit denen u.a. der wesentliche Einfluss der übergeordneten Funktionäre und Gremien abgesichert wurde. Eine ausreichend eigenständige, auf die Zwecke der PKK bezogene Willensbildung der Kader in Deutschland fand demgegenüber weder bezüglich der - sich im Laufe der Zeit nach den Vorgaben der Gesamtorganisation ändernden - Zielsetzung noch der Wahl der verwendeten Mittel bzw. der durchgeführten Aktionsformen statt. Dies wird deutlich etwa im Bereich der Finanzen, bei dem sich die in Deutschland handelnden Führungsfunktionäre streng nach den ihnen erteilten Direktiven zu richten hatten. Aber z. B. auch in dem Bereich der "heimatgerichteten Aktivitäten" war die inländische Organisation nicht eigenständig tätig. Sie befolgte vielmehr auch hier die Anweisungen der Leitung der Gesamtorganisation, die teilweise sogar Schleusungen im Einzelfall betrafen.
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Danach verblieb für die inländische Teilorganisation ein Bereich eigenverantwortlicher Entscheidungen nur im Rahmen der Ausführung der vorgegebenen Direktiven; allein dieser limitierte Entscheidungsspielraum konnte durch eine eigenständige Willensbildung der inländischen Unterorganisation ausgefüllt werden. Dies genügt für die Bejahung des Willenselements der Vereinigung nicht.
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bb) Entsprechendes gilt, soweit man - den Ausführungen des Generalbundesanwalts folgend - über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus den führenden Funktionärskörper der PKK in Westeuropa in den Blick nimmt. Auch diese Gruppierung erfüllt nach den bisherigen Feststellungen die Voraussetzungen einer eigenständigen (Teil-)Vereinigung nicht. Die auf Europaebene tätigen Funktionäre - bei denen es sich jedenfalls zeitweise überwiegend um enge Weggefährten Öcalans handelte - waren zwar den nationalen Teilen der Organisation in Westeuropa übergeordnet und insoweit weisungsbefugt. Sie erhielten ihre Direktiven indes von der Spitze der Gesamtorganisation und waren in deren zentralistisches und hierarchisches System integriert. Für eine ausreichend eigenständige, auf die Zwecke der Vereinigung bezogene Willensbildung der europäischen Führungsgruppe ergeben die bisherigen Feststellungen ebenfalls nichts.
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cc) Die - auf der Grundlage der vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen erfolgte - Neubewertung der PKK trägt schließlich zu einer insgesamt harmonischeren, in sich stimmigeren Rechtsanwendung in dem Bereich der Vereinigungskriminalität bei; denn im Gegensatz zu der bisher zur PKK vertretenen Auffassung würdigt die Strafverfolgungspraxis Organisationen, die in ihrer Struktur der PKK ähnlich sind, nach Inkrafttreten des § 129b StGB rechtlich insgesamt als terroristische Vereinigung im Ausland. So ist etwa - wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist - die DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi = Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front), eine marxistisch-leninistisch orientierte, wie die PKK hierarchisch und zentralistisch aufgebaute Gruppierung, die das Ziel verfolgt, durch "bewaffneten Kampf" einen Umsturz der politischen Verhältnisse in der Türkei herbeizuführen und dort eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu errichten, auch außerhalb der Türkei, insbesondere in Westeuropa, aktiv. Aufgabe der vor allem auch in Deutschland bestehenden Organisationseinheiten ist es - ähnlich der PKK -, finanzielle Mittel zu beschaffen, Nachwuchs zu rekrutieren sowie einen Rückzugsraum für Mitglieder der Organisation zu bilden. Das Bundesministerium der Justiz hat am 29. Juli 2003 die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 und 4 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung erteilt. Eine auf den Vorwurf gegründete Strafverfolgung, die in Deutschland aktiven Führungsfunktionäre bildeten eine selbstständige inländische Vereinigung nach den §§ 129, 129a StGB, findet, soweit für den Senat ersichtlich, jedenfalls in den Fällen nicht statt, in denen die Tatzeit nach Inkrafttreten des § 129b StGB liegt. Zwar sollen die Unterschiede zwischen der PKK und der DHKP-C nicht verkannt werden. So sind etwa die jeweiligen Strukturen nicht völlig deckungsgleich und die Funktionäre und Aktivisten der DHKP-C nach der Gewaltverzichtserklärung vom Februar 1999 in Deutschland zunächst nicht mehr nach den §§ 129, 129a StGB, sondern nur wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz strafrechtlich verfolgt worden. Auch genießt die PKK in der Öffentlichkeit eine größere Aufmerksamkeit und die Anzahl ihrer Mitglieder und Sympathisanten ist deutlich größer als bei der DHKP-C. Jedoch rechtfertigen allein diese Umstände eine ungleiche Bewertung der Organisationen als ausländische Vereinigung jedenfalls nach Inkrafttreten des § 129b StGB nicht. Insbesondere wäre eine unter- schiedliche rechtliche Einordnung, die sich im Wesentlichen lediglich auf die verschiedene Größe und Bedeutung der Gruppierung gründen würde, mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren; diese gelten für alle Organisationen in gleicher Weise.
38
3. Eine eigene Sachentscheidung des Senats scheidet aus.
39
Dabei bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob die Feststellungen vor dem Hintergrund der vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen rechtsfehlerfrei getroffen worden sind (vgl. zur Frage der Gerichtskundigkeit KK-Fischer, 6. Aufl., § 244 Rn. 137 ff.; LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 208 ff., jeweils mwN). Die Umstellung des Schuldspruchs auf eine Beteiligung des Angeklagten als Mitglied an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129, § 129a jeweils i.V.m. § 129b StGB kommt nicht in Betracht, weil die Feststellungen, die das Oberlandesgericht mit Blick auf eine inländische kriminelle Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB getroffen hat, keine hinreichende Grundlage für die Bewertung der Organisation als kriminelle oder terroristische Vereinigung im Ausland bilden. Dies gilt sowohl für die PKK insgesamt als auch für deren Organisation in Europa. Soweit sich die Tat möglicherweise auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bezieht, fehlt es darüber hinaus an der für eine Verfolgung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderlichen Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz; eine solche ist bisher bezüglich der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen nicht erteilt worden. Im Übrigen ist eine Verurteilung nach § 129 Abs. 1 StGB durch ein neues Tatgericht nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen; denn das Oberlandesgericht hat sich erkennbar an den Maßstäben der bisherigen Rechtsprechung ausgerichtet und bei der Ermittlung des Sachverhalts die nunmehr maßgeblichen Gesichtspunkte nicht im Blick gehabt. Denkbar erscheint es ebenso , dass nach neu zu treffenden Feststellungen die mitgliedschaftliche Be- teiligung an einer kriminellen inländischen Vereinigung in Tateinheit zu einer Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland steht; denn eine Gruppierung kann sich etwa auch in der Art organisieren und strukturieren, dass neben einzelnen regionalen Vereinigungen eine übergeordnete Dach-Vereinigung besteht, und beide Gruppierungen die Kriterien einer Vereinigung erfüllen. Einzelne Mitglieder können sich dann sowohl an der regionalen als auch an der Dach-Vereinigung und damit gegebenenfalls an zwei Vereinigungen beteiligen (BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4, 5/01, BGHSt 46, 349, 354). Schließlich steht einer Umstellung des Schuldspruchs auch § 265 StPO entgegen; denn der Angeklagte hatte vor dem Hintergrund des Anklagevorwurfs, welcher der bisherigen Rechtsprechung entsprach, ohne einen diesbezüglichen Hinweis keine ausreichende Möglichkeit, sich gegen den Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland angemessen zu verteidigen. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
40
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:
41
a) Die Verfolgungsermächtigung nach § 129b Abs. 1 Satz 3, 4 StGB ist als Prozessvoraussetzung einzuordnen (Altvater NStZ 2003, 179, 182); sie kann deshalb auch noch während des laufenden Strafverfahrens wirksam erteilt werden.
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b) Der möglichen Beteiligung des Angeklagten an einer ausländischen Vereinigung als Mitglied stünde gegebenenfalls nicht grundsätzlich entgegen, dass er sich im Inland und damit außerhalb des unmittelbaren Betätigungsgebiets der Kernorganisation aufhielt. In einem solchen Fall bedürfen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft zwar besonderer Prüfung (BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 112 f.); dies bedeutet indes nicht, dass sie von vornherein ausgeschlossen sind. Maßstab sind auch in diesen Fallkonstellationen die allgemeinen Kriterien für eine mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Vereinigung (BGH aaO).
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5. Obwohl es sich nach den bisherigen Feststellungen bei dem Angeklagten um einen Gebietsverantwortlichen und damit um einen Führungskader der Organisation handelte, sieht der Senat vorsorglich Anlass zu folgender Bemerkung :
44
Anhaltspunkte dafür, dass bezüglich der Mitgliedschaft in der Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre bzw. Kadern einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren ist, sind den bisherigen Feststellungen in Ansehung der Struktur der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen nicht zu entnehmen. Der Senat hat die entsprechende Unterscheidung zwar bisher gebilligt und entschieden, dass dann, wenn nur ein Kern der Gruppierung strafrechtlich relevante Ziele verfolgt, lediglich dieser eine kriminelle Vereinigung bildet; die außenstehenden weiteren Mitglieder der Gruppierung können dann aber Unterstützer der Vereinigung sein (BGH, Beschluss vom 17. März 1999 - 3 ARs 2/99, BGHSt 45, 26, 36 = NJW 1999, 1876, 1878). Es ist jedoch kein ausreichender sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der Organisation dieser anschließt und in ihr betätigt, allein deshalb nicht als Mitglied der Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre angehört (BGH, Beschluss vom 28. September 2010 - 3 StR 214/10). Dies entspräche auch nicht den Vorstellungen und dem Willen des Gesetzgebers, der etwa anlässlich der Einfügung des § 153c Abs. 1 Nr. 3 StPO als Beispiel für untergeordnete , den Tatbestand gleichwohl erfüllende Beteiligungshandlungen die Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen oder die Vornahme einfacher Hilfsdienste, mit- hin Tätigkeiten mit weit geringerem Gewicht als die Ausübung einer Führungsfunktion , genannt hat (BT-Drucks. 14/8893, S. 10; LK-Krauß, 12. Aufl., § 129b Rn. 38). Die Einstufung der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL als terroristische Vereinigung durch die Europäische Union (vgl. aus der neueren Zeit Gemeinsamer Standpunkt 2009/ 468/GASP des Rates vom 15. Juni 2009 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2009/67/GASP, Anhang Ziffer 2. 25., ABl. L 151/49; Beschluss 2010/386/GASP des Rates vom 12. Juli 2010 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden, Anhang Ziffer 2. 16., ABl. L 178/28) enthält ebenfalls keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb der Organisation. Der Senat verkennt mit Blick auf die große Zahl der in Deutschland für die PKK und ihre Nachfolgesowie Teilorganisationen aktiven Personen zwar nicht, dass nach dieser Maßgabe der Kreis potentieller Beschuldigter unter Umständen deutlich größer werden und der Unrechtsgehalt der Tat sowie das Maß des Verschuldens stark unterschiedlich zu bewerten sein kann. Diesen Umständen wird - gegebenenfalls etwa durch Anwendung der § 129 Abs. 5, § 129a Abs. 6 StGB, §§ 153b, 153c StPO - im Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen sein.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. September 2010 - 8 K 2707/10 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.09.2010, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.06.2010 wiederhergestellt bzw. angeordnet wurde, ist zwar fristgerecht eingelegt (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründet worden (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) und auch sonst zulässig. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg. Die vom Antragsgegner vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gebieten keine andere Entscheidung.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist entgegen dem Beschwerdevorbringen auch statthaft, soweit er sich gegen Ziffer 3 der Verfügung vom 29.06.2010 richtet. Mit dieser Ziffer werden die kraft Gesetzes eintretenden Pflichten nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG regelnd konkretisiert. Zum einen wird nicht nur der Wortlaut des Gesetzes wiederholt; vielmehr werden die gesetzliche Meldepflicht und die Aufenthaltsbeschränkung im Tenor der Verfügung näher bestimmt. Zum anderen wird unter Ziffer 4 der Verfügung die sofortige Vollziehung auch in Bezug auf Ziffer 3 ausdrücklich angeordnet und diese Entscheidung im Folgenden näher begründet. Damit ist nicht nur ein Hinweis auf die Rechtslage ohne Regelungsgehalt, sondern ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG erlassen worden.
2. Das Verwaltungsgericht hat dem nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaften Antrag zu Recht stattgegeben. Es hat schlüssig ausgeführt, dass dem Interesse des Antragstellers, sich vorläufig weiterhin in Deutschland aufhalten zu dürfen, größeres Gewicht zukomme als dem entgegenstehenden öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung. So sei die sofortige Vollziehung der Ausweisung nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt. Zum einen erscheine die Ausweisung, die auf den Regelausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei, nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der derzeitigen Sach- und Rechtslage nicht ohne weiteres rechtmäßig; der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei offen. Zum anderen sei auch kein besonderes öffentliches Interesse dafür ersichtlich, die Vollziehbarkeit der Ausweisung schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens eintreten zu lassen. Hiergegen hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren keine durchgreifenden Bedenken vorgebracht.
Ob die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestandes des § 54 Nr. 5 AufenthG vorliegen, ist nach derzeitigem Erkenntnisstand offen.
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
Bei der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen handelt es sich zwar um eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dem steht nicht entgegen, dass die strafgerichtliche Rechtsprechung die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht. Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129a, 129b StGB (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris). Es bedarf jedoch umfassender Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob ein Unterstützen der terroristischen Vereinigung durch den Antragsteller vorliegt.
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (vgl. zu Vorstehendem zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG: BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114; Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris; vgl. zum Erfordernis der Zurechenbarkeit auch BVerwG, Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140; Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 1088/10 und 11 S 597/10 -).
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung lässt sich die Frage, ob im Falle des Antragstellers ein Unterstützen in diesem Sinne vorliegt, derzeit nicht beantworten. Dem Antragsteller, der unstreitig kein Funktionär einer PKK-nahen Organisation ist, wird die wiederholte Teilnahme als Zuhörer an Veranstaltungen vorgehalten, die dem Umfeld der PKK-Nachfolgeorganisationen bzw. dem Kurdischen Kulturverein e.V. Heilbronn zugerechnet werden. Nach den Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 08.11.2007, vom 19.04.2010 und vom 08.09.2010 hat der Antragsteller von Dezember 2005 bis Januar 2010 an insgesamt 21 Veranstaltungen, Versammlungen und Demonstrationen von KONGRA-GEL-Anhängern bzw. Veranstaltungen des Kurdischen Kulturvereins e.V. Heilbronn teilgenommen. Dort wurde insbesondere der Kampf um die Freilassung Öcalans thematisiert und der Person Öcalans gehuldigt, der gefallenen Gesinnungsgenossen (Märtyrer) in der Türkei gedacht, die Entwicklung der PKK referiert, aber auch zum bewaffneten Kampf für die Sache der Kurden aufgerufen (vgl. hierzu im Einzelnen die vorgenannten Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz und die im Beschwerdeverfahren vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 20.10.2010 vorgebrachten Ergänzungen, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist).
Hierbei handelt es sich um Veranstaltungen, deren jeweilige Hintergründe und Schwerpunkte bislang nur unzureichend aufgeklärt sind. So bedarf es der Klärung, inwieweit der Kurdische Kulturverein e.V. Heilbronn, der nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V. (YEK-KOM) angehört, die wiederum als scheinlegaler Arm der PKK/KONGRA-GEL bezeichnet wird, aufgrund seiner Ausrichtung und tatsächlichen Betätigung als PKK-naher Verein einzustufen ist und inwieweit die konkret im Raum stehenden Veranstaltungen im Hinblick auf Veranstalter, Ablauf und Teilnehmerschaft tatsächlich dem KONGRA-GEL zuzurechnen sind. Dem äußeren Erscheinungsbild nach geht es im Falle des Antragstellers nicht zuletzt um gesellige Treffen und kulturelle Veranstaltungen mit zum Teil mehr als hundert Teilnehmern, während derer es (auch) zu gewaltverherrlichenden Äußerungen gekommen ist. Die dem Antragsteller vorgehaltene, rein passive Teilnahme an diesen Veranstaltungen lässt zwar durchaus den Schluss auf eine Unterstützung einer terroristischen Vereinigung als möglich erscheinen; das aber bedarf einer umfassenden Bewertung der Einwendungen und Glaubwürdigkeit des Antragstellers, die sachgerecht nur im Hauptsacheverfahren möglich ist. Der Antragsteller hat sich wiederholt dazu eingelassen, er habe ausschließlich an legalen Veranstaltungen als bloßer Zuhörer teilgenommen und teile nicht alle dort geäußerten Ansichten, sondern stehe für die friedliche Lösung des Kurdenkonflikts. Dessen ungeachtet zeigt sein Verhalten eine deutliche, auch nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens nicht beendete Hinwendung zu Veranstaltungen, die nicht nur im Einzelfall (auch) Propagandazwecken zugunsten der PKK und ihrer Nachfolgeorganisationen dienten, was dem Antragsteller nicht verborgen geblieben sein kann. Die Frage nach dem notwendigen subjektiven Moment und die erforderliche Abgrenzung der vorwerfbaren Teilnahme an Veranstaltungen, die auch der Unterstützung terroristischer Vereinigungen dienen von der zulässigen Wahrnehmung des Recht auf freie Meinungsäußerung bedürfen vor diesem Hintergrund näherer Klärung im Hauptsacheverfahren. Um aufgrund wertender Gesamtschau eine durch Tatsachen gestützte Entscheidung treffen zu können, bedarf es voraussichtlich nicht zuletzt der persönlichen Anhörung des Antragstellers.
10 
Näherer Würdigung in der Hauptsache vorbehalten bleiben muss auch der Vorwurf, der Antragsteller sei am 19.03.1994 unerlaubt zu einer verbotenen Feier des kurdischen Neujahrsfestes nach Augsburg gefahren. Bei der zu treffenden Bewertung der Gesamtumstände wird zu berücksichtigen sein, dass das in diesem Zusammenhang eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, Nötigung und Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, weil sich der Antragsteller nicht an den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt hat.
11 
Soweit dem Antragsteller vorgeworfen wird, er habe 2001 die Selbsterklärung „ich bin ein PKKler“ unterschrieben, dürfte allein die Unterzeichnung der Erklärung nicht die Annahme des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung tragen. Regelmäßig handelt es sich insoweit um eine Äußerung in einer speziellen historischen Konstellation und nicht um einen Beleg für die innere Verbundenheit mit den Zielen der PKK und der Organisation selbst (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 22.02.2007 - 5 C 20.05 - BVerwGE 128, 140). Ob der Antragsteller allerdings in Zusammenschau mit seinem stetigen Eintreten für die „Sache der Kurden“, das er nicht zuletzt in den seit seiner Einreise geführten Asylverfahren wiederholt unterstrichen hat, nach seinem Kenntnis- und Wissensstand Zweifel an der Ernsthaftigkeit der PKK hegen musste, dass sie ihre Ziele zukünftig legal und gewaltfrei verfolgen werde, bleibt der Klärung in der Hauptsache vorbehalten.
12 
Schließlich genießt der Antragsteller nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz und kann nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Ermessen ausgewiesen werden. Im Zusammenhang mit der zu treffenden Ermessensentscheidung bedarf es einer umfassenden Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gesichtspunkte, bei der die Qualität der Unterstützungshandlung und die Gefährdungslage ebenso wie die persönlichen Belangen des Antragstellers mit dem jeweils gebotenen Gewicht einzustellen sind (vgl. hierzu auch Beschlüsse des Senats vom 28.09.2010 a.a.O. und vom 16.11.2007 - 11 S 695/07 - VBlBW 2008, 149). Auch insoweit bedarf es der ergänzenden Würdigung. Insbesondere steht eine differenzierte Bewertung des durch den Antragsteller begründeten Maßes der Gefährdungslage bislang aus.
13 
Da der Antragsteller ausweislich der Aktenlage seit dem 01.07.2008 als Arbeitnehmer tätig ist, dürfte er zudem auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80 aufenthaltsberechtigt sein. Ob die gegen ihn verfügte Ausweisung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 in der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung im Ergebnis rechtmäßig ist, bedarf ebenfalls sorgfältiger Prüfung im Hauptsacheverfahren. Offen ist in diesem Zusammenhang, ob die Ausweisung überhaupt nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit zulässig ist und wie diese Gründe auszulegen sind. So steht derzeit die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 - 1 C 25.08 - sowie das Vorabentscheidungsersuchen des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2009 - 18 A 2263/08 - aus. Die dort aufgeworfenen Fragen dazu, ob Art. 28 Abs. 3a der Unionsbürger-RL 2004/38/EG auf türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 besitzen, Anwendung findet und wie Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie im Kontext auszulegen ist, sind auch im Fall des Antragstellers, der sich seit über 10 Jahren in Deutschland aufhält, entscheidungserheblich (vgl. zu den aufzuwerfenden Fragen auch die Vorlagebeschlüsse des VGH Bad.-Württ. vom 22.07.2008 - 13 S 1917/07 - juris und vom 09.04.2009 - 13 S 342/09 - juris und das hierzu ergangene Urteil des EuGH vom 23.11.2010, Rs. C-145/09 , wonach das Vorliegen zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit voraussetzt, dass die Beeinträchtigung einen besonders hohen Schweregrad aufweist). Dass Aktivitäten im Umfeld terroristischer Organisationen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit darstellen können, dürfte keinem Zweifel unterliegen, doch wäre im konkreten Einzelfall des Antragstellers zu klären, inwieweit die Maßnahme angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollen, erforderlich ist.
14 
Auch der Senat misst bei der aufgrund der Ergebnisoffenheit des Hauptsacheverfahrens gebotenen Interessenabwägung dem privaten Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der angefochtenen Ausweisungsentscheidung verschont zu bleiben, größere Bedeutung zu als dem öffentlichen Interesse an einem Sofortvollzug. Es fehlen hinreichende, auf Tatsachen gestützte Feststellungen zur Besorgnis, dass sich die vom Antragsteller ausgehende, mit der Ausweisung bekämpfte Gefahr bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren wird. Insoweit genügt nicht die bloße Behauptung, dass bis zur Hauptsacheentscheidung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland droht (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.06.2005 - 2 BvR 485/05 - BVerfGK 5, 328).
15 
Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Ausweisung in erster Linie damit begründet, dass nach der Persönlichkeit des Antragstellers und den gesamten Umständen damit gerechnet werden müsse, dass er die PKK weiterhin massiv unterstütze, zumal er sich bislang nicht von ihr distanziert habe. Insoweit fehlt es aber an entsprechenden Feststellungen zur (angeblichen) Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers und auch „massive“ Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen sind angesichts des nach Aktenlage rein passiven Verhaltens des Antragstellers weder vorgetragen noch erkennbar. Im Gegenteil ging der Antragsgegner wohl zunächst selbst nicht von einem erheblichen Gefahrenpotential aus. Denn zwischen der ersten Anhörung zum Vorliegen von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG mit Schreiben vom 19.02.2008 und der Ausweisungsverfügung vom 20.09.2010 liegen deutlich über zwei Jahre, ohne dass in dieser Zeit qualitativ wesentlich neue Erkenntnisse hinzugekommen wären. Vor diesem Hintergrund und angesichts der ganz erheblichen nachteiligen Folgen der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung für die persönlichen Lebensverhältnisse des Antragstellers, der seit 1987 mit seiner Ehefrau in familiärer Lebensgemeinschaft in Deutschland lebt, eine Niederlassungserlaubnis besitzt und hier arbeitet, ist ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse nicht hinreichend zu erkennen. Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller noch vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens sicherheitsgefährdende Unterstützungshandlungen zugunsten einer terroristischen Vereinigung vornehmen könnte. Nach Erlass der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung sind keine weiteren Aktivitäten bekannt geworden, die eine sofortige Ausweisung rechtfertigen könnten.
16 
Auch soweit der Antragsgegner mit der Anordnung des Sofortvollzugs den Zweck verfolgt, die Folgen des § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auszulösen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ausweisungsverfügung allein zu dem Zweck, die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung herbeizuführen, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der tatsächlichen Aufenthaltsbeendigung - wie hier - keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen (offen gelassen für den Sonderfall der Unzulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung im Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 -; anders in einem Fall, in dem der ausgewiesene Ausländer nicht abgeschoben werden konnte: BayVGH, Beschluss vom 24.10.2008 - 10 CS 08.2339 - juris). Nach der klar formulierten Bestimmung in § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG greifen die Überwachungsmaßnahmen erst mit Eintritt der Bestandskraft oder aber aufgrund - rechtmäßiger - Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung. Eine von der Vollziehbarkeit der Ausweisung unabhängige Meldepflicht und räumliche Beschränkung des Aufenthalts ist vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen (s. a. § 46 Abs. 1 und § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Ungeachtet dessen ist allerdings auch nicht erkennbar, dass dringende Sicherheitsgründe eine sofortige Überwachung des Antragstellers gebieten könnten.
17 
3. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage im Hinblick auf die in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung erlassene Abschiebungsandrohung angeordnet. Zwar dürfte die nicht näher eingegrenzte Bestimmung der Ausreisfrist von einem Monat im Hinblick auf die Regelung des § 31 Abs. 2 LVwvfG ausgehend vom Tag der Bekanntgabe der Verfügung zu berechnen und damit grundsätzlich hinreichend bestimmt sein, doch kommt eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers aus den vorgenannten Gründen derzeit nicht in Betracht.
18 
4. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ausweisung erfasst auch die im Tenor der angefochtenen Verfügung unter Ziffer 3 genannten Maßnahmen. Entfällt die Vollziehbarkeit der Ausweisung, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG nicht mehr vor.
19 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
20 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am ... Mai 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24. Juli 2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag.
Die Anträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt.
Die Klagen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen blieben ohne Erfolg (Urteil vom 15. Oktober 2003 - A 9 K 11243/01 -).
In einem vom Kläger eingeleiteten Folgeantragsverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil vom 26. Mai 2006 (A 1 K 10241/05) festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren im Übrigen eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung stellte das Verwaltungsgericht darauf ab, dem Kläger drohe aufgrund seiner exponierten Stellung als Vorstandsmitglied der Unterorganisation der „International Sikh Youth Federation“ (ISYF) in Baden-Württemberg im Falle seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter.
Am 4. August 2006 beantragte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium Tübingen verweigerte jedoch die Erteilung der Zustimmung.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Ausweisung an und wies in einem weiteren Schreiben vom 19. Juli 2007 ergänzend darauf hin, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die ISYF ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF könne auch nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die ISYF werde zwar von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keine konkreten Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Kläger mit Verfügung vom 14. September 2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 4. August 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19. November 2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder aus Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen. Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft. Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In Baden-Württemberg sei er am 25. April 2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner hervorgehobenen Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass er sich von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe. Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Eine Ausnahme vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe, die aber auch in Indien zur Verfügung stehe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch für den Fall, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste. Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt. Die Ausweisung stehe zudem in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27. September 2007 zugestellt.
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Der Kläger erhob am 29. Oktober 2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Zur Begründung trug er vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
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Der Beklagte trat der Klage entgegen und führte ergänzend aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen im Sinne des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb nach dem Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbare Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
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Das Verwaltungsgericht erhob Beweis durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt vom 14. September 2009.
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Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt. Im Tatbestand des Urteil heißt es in diesem Zusammenhang: „Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in Baden-Württemberg. Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg sei Pal Singh geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg mit Gurinder Singh als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in Frankfurt statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in Frankfurt bezahle er selbst.“
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Durch Urteil vom 8. Dezember 2009 hob das Verwaltungsgericht die Verfügung vom 14. September 2007 auf und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
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Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe. Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen könne die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründe. Diese Voraussetzungen lägen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greife nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliege. Hierzu reiche es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehöre, die früher den Terrorismus unterstützt habe. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgehe („die den Terrorismus unterstützt"). Es folge auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft diene und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen müsse, folge auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort werde vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen müsse, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit lägen. Die gegenwärtige Gefahr entfalle aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstütze. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus sei zwar nicht erforderlich, da es ausreiche, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigten. Es müssten aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden könne. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reiche nicht aus. Es könne derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstütze. Es könne daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg gewesen sei, in einem Sinne von der ISYF distanziert habe, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung allerdings erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass gegeben, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handele, die den Terrorismus unterstütze, werte die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel bestehe nicht. Dies gelte insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15. Juli 2008 zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 enthalte einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehöre auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhten auf Art. 15 EUV (a.F.). Nach dieser Vorschrift nehme der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten werde das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten trügen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang stehe. Aus Art. 15 Satz 3 EUV sei der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes bestehe. Der gemeinsame Standpunkt sei an die Mitgliedstaaten gerichtet, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssten. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liege nicht vor. In seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03) habe sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folge aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt werde auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Hiernach seien diese und ihre Anhänge bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstütze, zu berücksichtigen. Auch der Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers verpflichte die Kammer nicht, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handele. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt sei eine EG-Verordnung nach Art. 249 EGV (a.F.) verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nehme auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt worden sei, teil. Die Verbindlichkeit der  Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränke sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen seien. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung seien in dieser Verordnung nicht geregelt. Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung lieferten die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG nur Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen seien. Der Sikh-Terrorismus im Punjab sei seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen, insbesondere lägen dem Auswärtigen Amt keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor. Nach Auswertung und Gewichtung dieser und auch weiterer Erkenntnismittel könne die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handele, die aktuell den Terrorismus unterstütze oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Das Auswärtige Amt habe seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig sei. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, sei danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies sei nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.
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Das Urteil wurde dem Beklagten am 4. Januar 2010 zugestellt.
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Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 27. Januar 2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese am 25. Februar 2010 unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet:
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Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vorgelegen hätten. Bei der ISYF handele es sich um eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Der Ausweisungstatbestand sei vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) in dem Bestreben eingeführt worden, dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Die aufgrund des VII. Kapitels der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) erlassenen Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung enthielten gemäß Art. 25 SVN völkerrechtlich bindende Verpflichtungen. Die Bundesrepublik habe der SVN mit Zustimmungsgesetz vom 6. Juni 1973 den entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erteilt und sich in ein System kollektiver Sicherheit eingeordnet. Folglich sei die Bundesrepublik der Bindungswirkung der Resolutionen gemäß Art. 25 SVN i.V.m. Art. 48, 2 Nr. 7 HS 2 SVN unterworfen. Gemäß Art. 30 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention in Verbindung mit Art. 103 SVN hätten die Verpflichtungen aus den Resolutionen, die auf Grundlage des VII. Kapitels der SVN erlassen worden seien, zudem grundsätzlich Vorrang vor den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der EMRK, wie etwa dem Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung, wie z.B. Nr. 1269 (1999), 1363 (2001) und Nr. 1373 (2001), beinhalteten das Verbot der Lieferung von Rüstungsgütern, ein Ein- und Durchreiseverbot sowie das Unterbinden von Finanzaktionen. Nach Nr. 2a der Resolution des VN Sicherheitsrates Nr. 1373 (2001) seien die Staaten verpflichtet, unmittelbare oder auch mittelbare Unterstützung für die Begehung terroristischer Handlungen in einem umfassenden Sinne zu verhindern. Der Sicherheitsrat habe die Notwendigkeit betont, den Terrorismus mit allen Mitteln, im Einklang mit der SVN, zu bekämpfen (vgl. Absatz 5 der Präambel der Resolution 1373/2001). Diese Aussage beziehe sich explizit auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Die Generalversammlung habe betont, dass die Bemühungen der Vereinten Nationen darauf gerichtet seien, die Kohärenz bei der Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zu fördern (vgl. VN-Dok. A/RES/62/272 v. 5. September 2008, Abs. 5). Aus Nr. 2c der Resolution Nr. 1373 (2001) folge die Pflicht, denjenigen, die terroristische Handlungen finanzierten, planten, unterstützten oder begingen, oder die den Tätern Unterschlupf gewährten, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern. Dies werde auch im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) und im Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 (2002/475/Jl) betont. In der Rechtsprechung des EuGH sei anerkannt, dass angesichts des für die Völkergemeinschaft grundlegenden Zieles der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt seien. Dem gleichen Zweck dienten die von der Europäischen Gemeinschaft mit Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 vom 27. Dezember 2001 angeordneten länderunabhängigen Embargomaßnahmen. Dies werde aus dem 3. Erwägungsgrund dieser Verordnung ersichtlich, der auf die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) verweise. Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 würden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen seien. Der Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, aktualisiert durch die Verordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009, nehme am unionsrechtlichen Anwendungsvorrang teil. Die Listung von Personen für länderbezogene und länderunabhängige Embargomaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung habe eine rechtlich bindende Wirkung auch im Rahmen der Anwendung ausländerrechtlicher Normen. Wegen des Ziels der Rechtsakte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, dem Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen und zu verhindern, dass Rückzugsräume entstünden, seien auch ausländerrechtliche Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die Organisationen angehörten, welche die Bundesrepublik als Rückzugsraum nutzten. Solange keine Berichtigung des Anhangs zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass es sich bei den aufgeführten Organisationen nach Auffassung des Rates der Europäischen Union um terroristische Organisationen handele und die zuständigen Behörden nach dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung, der sowohl innerhalb des Rechtes der Europäischen Union als auch im Bundesrecht, aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG gelte, gehalten seien, die entsprechende Organisation als terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG zu behandeln. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte zur Konsequenz, dass es zwischen den für die Finanzsanktionen zuständigen Behörden seien, und den Ausländerbehörden zu divergierenden Entscheidungen kommen könnte. Die Behörden, die für die Finanzsanktionen zuständig sind, wären unwiderleglich kraft unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs an die Listung einer Organisation im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gebunden, während die Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung vorzunehmen hätten. Terroristische Anschläge seien heute des Weiteren weit weniger vorhersehbar als beim „klassischen Terrorismus" in der Vergangenheit. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts dürfte eine Überschreitung gewaltenteiliger Befugnisse darstellen. Die ISYF habe auch bisher - soweit ersichtlich - nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, soweit die ISYF dort als terroristische Organisation aufgeführt sei, gemäß Art. 263 AEUV (früher Art. 230 EGV) gerichtlich überprüfen zu lassen. Das EuG überprüfe im Verfahren nach Art. 263 AEUV, ob die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) vorlägen. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) werde die Liste auf Grundlage genauer Informationen, aus denen sich ergebe, dass eine Verurteilung der Organisation für eine terroristische Handlung vorliege, erstellt. Im Klageverfahren vor dem EuG werde geprüft, ob der Verbleib auf der Liste gerechtfertigt sei. Hierbei sei es jedoch nicht erforderlich, dass aktuell Terrorakte nachgewiesen worden seien, sondern es komme darauf an, ob die Beibehaltung der Listung einer Organisation im Hinblick auf die Gesamtheit der maßgeblichen Umstände weiterhin gerechtfertigt sei. Hierbei stehe dem Rat der Europäischen Union bei der Beurteilung, ob künftig von einer Organisation Terroranschläge zu befürchten sind, ein weites Ermessen zu. Das Listungsverfahren sei durch Beschluss des Rates vom 28. Juni 2007 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Beschlüsse 2006/379/EG und 2006/1008/EG (2007/445/EG) geändert worden. Die Betroffenen erhielten grundsätzlich eine Begründung der gegen sie ergangenen Listungsentscheidung durch das EU-Ratssekretariat. Die Begründung enthalte einen Hinweis auf das Klagerecht vor dem EuG nach Art. 263 Abs. 4 AEUV. Darüber hinaus erfolge vor einem neuen Listungsbeschluss eine im Amtsblatt veröffentlichte Mitteilung des Rates an alle zu diesem Zeitpunkt gelisteten Organisationen, dass der Rat beabsichtige, sie weiterhin in der Liste aufzuführen, nachdem eine Überprüfung ergeben habe, dass die Gründe für ihre Aufnahme in die Liste nach vor wie vor gültig seien. Dabei würden die Betroffenen über die ihnen zustehenden Rechte, eine Begründung der Listungsentscheidung anzufordern und eine Überprüfung der Entscheidung zu beantragen, unterrichtet. Dieses Verfahren sei auch beim Erlass der aktuellen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 eingehalten worden. Die ISYF sei jedoch nicht den ihr zustehenden Weg der Überprüfung der Listung gegangen. Stattdessen habe sie zur Umgehung der Sanktionen der Europäischen Union eine Zweitorganisation, die Sikh Federation Germany (SFG), mit identischen Zielen - der Herauslösung aus dem indischen Staatenverbund und der Errichtung eines selbstständigen Staates Khalistan („Land der Reinen") - und mit den nahezu gleichen Vorstandsmitgliedern gegründet. Diese Erkenntnisse seien in einem Sicherheitsgespräch mit einem ehemaligen Vorstandsmitglied der ISYF gewonnen worden. Hieraus lasse sich schließen, dass die SFG als eine Nachfolgeorganisation der ISYF zur Umgehung der Sanktionen nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gegründet worden sei. Dies werde auch durch die Einlassungen des Klägers in diesem Verfahren bestätigt. Eine aktuelle Gefahr im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG liege gleichwohl vor, denn es sei obergerichtlich geklärt, dass die Auflösung einer Organisation allein einer Gefährlichkeit im Sinne der Ausweisungstatbestände nicht entgegen stehe. Der Kläger sei exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg, in der er seit Ende 2002 als Hauptberater fungiert habe und zu deren Präsidenten er im April 2005 gewählt worden sei. Der Kläger sei auch nach wie vor Mitglied der ISYF. Ein Persönlichkeitswandel oder eine Distanzierung von den Zielen der ISYF und dem Einsatz terroristischer Mittel sei nicht erfolgt und nicht ersichtlich. Nach alledem sei die Ausweisungsverfügung rechtmäßig. Auch die Aufenthaltserlaubnis sei zu Recht versagt worden. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 lit c) AufenthG scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG aus, wenn die Person sich Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 SVN verankert seien, zuwiderliefen. Der Ausschlusstatbestand greife auch im Falle des Begehens terroristischer Handlungen ein. Der Sicherheitsrat habe in mehreren Resolutionen Akte des Terrorismus als Bedrohung für den Frieden im Sinne des Art. 39 SVN betrachtet. Wie dargelegt, sei die ISYF bzw. ihre Nachfolgeorganisation SFG eine terroristische Organisation. Eine exponierte Stellung in der ISYF stelle somit eine Handlung dar, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
19 
Es seien zwischenzeitlich weitere behördliche Stellungnahmen mit folgenden Kernaussagen eingeholt worden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe auf eine aktuelle Anfrage mitgeteilt, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, wonach sich die ISYF öffentlich und hinreichend eindeutig von ihrer terroristischen Vergangenheit losgesagt habe. Das Bundeskriminalamt teile in seiner Stellungnahme vom 1. April 2010 ebenfalls mit, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, die darauf hindeuteten, dass sich die ISYF von ihren terroristischen Aktivitäten distanziert hätte oder von ihren extremistischen Bestrebungen absehen würde. Das Sezessionsstreben und damit der Kampf gegen die vermeintlich indische Vorherrschaft bilde die wesentliche Basis für den Zusammenhalt der Gruppierung. Dies gelte selbst dann, wenn vom Bundesgebiet aus lediglich Propagandaaktivitäten bzw. Geldsammlungen zu Zwecken der ISYF stattgefunden haben sollten. Von den vom Senat aufgeführten Quellen würden vom BKA insbesondere die Berichte des „South Asia Terrorism Portals" als von herausgehobener Qualität benannt. Auch der Bundesnachrichtendienst habe in der beigefügten Behördenerklärung vom 13. April 2010 mitgeteilt, dass sich die Bedrohungslage durch terroristische Gewaltakte im indischen Punjab zwar seit 1993 erheblich entspannt und sich nach dortigen Informationen die letzte Festnahme militanter Aktivisten der ISYF in Indien im Dezember 2008 ereignet habe. Jedoch werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Premierminister SINGH am 4. März 2008 davor gewarnt habe, dass sich extremistische Sikh-Gruppierungen außerhalb Indiens um eine Wiederbelebung des gewaltsamen Kampfes in Indien bemühen würden. Weiter werde festgestellt, dass versprengte Einheiten in Punjab tatsächlich immer noch eine Bedrohung darstellten, wie auch mehrere Sprengstoff-, Waffen- und Munitionsfunde nahe wichtiger Einrichtungen belegten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die jüngsten militanten Aktionen aber wohl nicht der ISYF zuzurechnen. Gleichwohl lasse sich auch der Erklärung des Bundesnachrichtendienstes entnehmen, dass keine eindeutige und glaubhafte Distanzierung der ISYF vorliege und daher auch zum derzeitigen Zeitpunkt terroristische Aktivitäten seitens der ISYF durchaus noch für möglich gehalten würden.
20 
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Von der ISYF gingen keine Gefahren für die Ziele der Vereinten Nationen aus, weil diese Organisation nur noch gewaltfrei für einen eigenständigen Staat Khalistan eintrete. § 54 Nr. 5 AufenthG sei eng auszulegen, um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Da die Vorschrift der Gefahrenabwehr diene, müsse vom Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung noch eine Gefahr ausgehen, wie dies auch bei § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG gefordert werde. Für das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährlichkeit spreche bereits der Wortlaut der Norm, wonach die betroffene Vereinigung den Terrorismus unterstützen müsse und es nicht genüge, dass sie den Terrorismus unterstützt habe. Insoweit genüge entgegen der Auffassung der Berufung nicht, dass die ISYF im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (EU-Terrorliste) aufgeführt sei. Der Gemeinsame Standpunkt richte sich nur an die Mitgliedstaaten und habe keine Rechtsverbindlichkeit. Die EU-Terrorliste werde ohne öffentliche Kontrolle erstellt, die Aufnahmekriterien seien undurchschaubar und es spreche einiges für politische und diplomatische Rücksichtnahmen. Gerade im Falle Indiens liege dies nahe, da ein großes Interesse der EU an dieser aufstrebenden Wirtschaftsmacht bestehe. Die Aufnahme einer Organisation in diese Liste habe zwar Indizwirkung, genüge aber allein nicht für Feststellungen nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Vielmehr sei eine eigenständige Prüfung der Behörden und Gerichte erforderlich. Umgekehrt sei dem Senat zuzugeben, dass eine längere Untätigkeit einer vormals terroristisch aktiven Gruppierung nicht per se den Rückschluss auf eine entfallene Gefährlichkeit erlaube. Andererseits könne aber eine schwierige Informationsgewinnung und unklare Informationslage nicht zu Lasten des Klägers gehen. Denn mangele es an konkreten und belastbaren Tatsachenfeststellungen, sei der Schluss auf eine aktuelle Gefährlichkeit der Organisation unzulässig und nur dieser Schluss wiederum rechtfertige den Eingriff in seine Rechte. Gerade wenn die Norm unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten derart problematisch sei, werde man eine unklare Sachverhaltssituation nicht für einen Eingriff genügen lassen können. Es sei zwischen der Babbar Khalsa einerseits und der ISYF andererseits zu unterscheiden. Die Babbar Khalsa sei in der Vergangenheit stets die gewaltbereitere Organisation gewesen, während die ISYF, die in Indien selbst nicht aktiv sei, die auch früher weit weniger militanten Mutterorganisationen AISSF und SSF unterstütze und ebenso wie diese gespalten sei. So gebe es den sog. Rhode-Flügel, der Gewalt als Mittel zur Schaffung eines selbstständigen Staates Khalistan abgelehnt habe, und den sog. Bittu-Flügel, der nach der SSF des Daljit Singh Bittu benannt sei. Daljit Singh Bittu sei in Indien lange als Terrorist gesucht worden und auch verhaftet worden, gelte aber heute - soweit ersichtlich - nicht mehr als militanter Politiker der Sikhs. Nach den zur Verfügung stehenden Informationen würden militante Aktionen der letzten Jahre zwar der Babbar Khalsa, nicht aber der ISYF oder ihren Mutterorganisationen zugeschrieben. Der Kläger sei seit einiger Zeit nur noch einfaches Mitglied der ISYF. Wenn aber nach dem Urteil des BVerwG vom 13. Januar 2009 (1 C 2.08) das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die wegen der Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung verboten worden sei, für sich genommen regelmäßig noch keine Gefährdung im Sinne des § 54 Nr. 5a AufenthG begründe, dann deute auch dies darauf hin, dass die Anforderungen an eine aktuelle Gefährlichkeit hoch seien. Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, welche die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass die Vereinigung, der er angehöre, den Terrorismus unterstütze, liege bei dem Beklagten.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat liegen Akten des Regierungspräsidiums Tübingen sowie Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
67 
Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
67 
Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - ist unwirksam, soweit damit Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 aufgehoben worden ist.

Im Übrigen wird auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Februar 2011 - 11 K 2424/10 - geändert. Die Klage gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10. Juni 2010 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der am ... in .../Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 19.12.1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung trug er unter anderem vor, er und seine Ehefrau hätten in der Türkei die PKK unterstützt. So hätten sie z.B. Uniformen gewaschen und den Guerillas ab und zu Lebensmittel gegeben. Sie seien deshalb verfolgt worden. Auf die vom Kläger gegen den seinen Asylantrag ablehnenden Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – (im Folgenden: Bundesamt) vom 21.03.1996 erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 01.07.1998 die Bundesrepublik Deutschland festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. In der Folge erhielt der Kläger befristete Aufenthaltsbefugnisse bzw. Aufenthaltserlaubnisse, erstmals zum 01.09.1998. Zuletzt wurde ihm am 13.09.2006 eine bis zum 12.09.2007 geltende Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.
Der Kläger ist mit der am ... geborenen M... A..., geb. G..., verheiratet. Sie haben sieben gemeinsame Kinder: B... (* ...1988), Ex ... (* ...1990), C... (* ...1992), K... (* ...1993), E... (* ...1996), M... (* ...1998) und A... A... (* ...2005). Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.07.1996 wurden die Ehefrau des Klägers und die fünf älteren Kinder, mit denen diese am 28.05.1996 nach Deutschland eingereist war, als Asylberechtigte anerkannt. Bezüglich M..., C..., K... ... und E... wurden die Asylanerkennungen mit Bescheid des Bundesamts vom 02.03.2007 widerrufen. Die Ehefrau und die fünf älteren Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, M... ist Inhaber einer bis zum 07.01.2014 befristeten Aufenthaltserlaubnis. Der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsangehöriger.
Bis auf einen Zeitraum vom 24.04.2006 bis zum 01.03.2007, in welchem der Kläger in L... gewohnt hatte, war er durchgehend mit Hauptwohnsitz in H... gemeldet. Er und seine Familie bezogen zunächst (ergänzende) Sozialleistungen. In den ersten Jahren war er gelegentlich geringfügig beschäftigt, danach bei wechselnden Arbeitgebern, überwiegend in H... Er war wie folgt tätig: vom 01.07.2002 bis zum 30.11.2002 bei einer Gebäudereinigung, vom 13.03.2004 bis zum 31.03.2005 bei C.M.A. Télécafé, vom 01.04.2005 bis zum 31.01.2006 bei M.S.A. Télécafé, dann - nach Bezug von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 01.05.2005 bis zum 30.04.2006 - vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 bei einer Vertriebs GmbH in W..., vom 17.07.2006 bis zum 31.07.2006 bei B... K., Abbruch und Demontage, vom 01.08.2006 bis zum 31.01.2007 bei M... K., Abbruch und Demontage, beide in L... und vom 01.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei Ü.S. Paletten-Depot in H... Seit dem 01.07.2009 ist der Kläger bei einer Gebäudereinigung tätig.
Am 25.01.1997 wurde der Kläger in einer Sitzung der Mitglieder des Vereins „Kurd... V... e.V.“, H..., - als Zuständiger für die Bücherei - in den Vorstand gewählt. Die Mitglieder des Vereins „Gebetshaus E... ... ...“, H..., wählten ihn am 12.12.1998 als zweiten Vertreter für den Bereich Sport und am 19.05.2002 als zweiten Vorsitzenden in den Vorstand. Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 - KLs 71 Js 1603/96 - wurde der Kläger wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe von 35 Tagesätzen zu je 15,-- DM verurteilt. Am 16.02.1999 wurde er aus Anlass der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart (nach der Festnahme von Öcalan) gemeinsam mit 176 anderen Kurden einen Tag lang in „Vorbeugewahrsam“ nach § 28 PolG genommen. In einem gegen ihn wegen der Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK´ler“ eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 30.05.2003 von der Verfolgung abgesehen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Mit Bescheid vom 16.04.2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 27.08.1998 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die dagegen vom Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage - A 17 K 480/07 - wurde von ihm am 25.09.2007 zurückgenommen.
Bereits am 17.07.2007 hatte der Kläger (zum wiederholten Mal) die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beantragt. Unter anderem im Hinblick auf ein Schreiben des Ministeriums des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz vom 13.11.2006, mit welchem die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt L... über die Wahl des Klägers in den Vorstand des Kurd... V... e.V. am 25.01.1997 und zum stellvertretenden Vorstandsmitglied des Gebetshauses „E... ...“ am 12.12.1998 sowie über diverse exilpolitische Aktivitäten des Klägers informiert worden war, forderte die Ausländerbehörde der Stadt H... den Kläger auf, an einer sog. Sicherheitsbefragung gemäß §§ 54 Nr. 6 i.V.m. § 82 Abs. 4 AufenthG teilzunehmen. Bei der daraufhin am 08.08.2007 durchgeführten Befragung verneinte der Kläger die Frage, ob er bestimmte Gruppen oder Organisationen, darunter die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) alias KADEK alias KONGRA-GEL, unterstütze oder für diese tätig geworden sei. Die Zusatzfrage, welcher Art diese Unterstützungshandlungen oder Tätigkeiten (z.B. Spenden) gewesen seien, beantwortete er sinngemäß wie folgt: Er sei nur Kurde; die PKK und die KONGRA-GEL interessierten ihn nicht. Er sei auch nicht Mitglied in einem kurdischen Verein.
Mit Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an das Innenministerium Baden-Württemberg vom 26.02.2008 und an das Regierungspräsidium Stuttgart vom 18.11.2008 wurde mitgeteilt, dass der Kläger dem Landesamt im Zusammenhang mit der im November 1993 verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – welche 2002 in „Freiheit- und Demokratiekongress Kurdistans“ (KADEK) und 2003 in „Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA-GEL) umbenannt worden sei – bekannt geworden sei. Neben den Vorstandstätigkeiten in den PKK-nahen Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ... - ...“ in H... lägen folgende Erkenntnisse vor: Der Kläger habe an einer Vielzahl von Versammlungen, Demonstrationen oder Feiern von KADEK bzw. KONRAG-GEL-Anhängern teilgenommen, so am 06.04.2003 in H... an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Abdullah Öcalan, am 05.02.2005 an einer Solidaritätsdemonstration für den am 22.01.2005 in Nürnberg festgenommenen stellvertretenden Vorsitzenden dieser Organisation, R... K..., am 03.04.2005 an einer Versammlung anlässlich des Geburtstags von Öcalan, am 27.11.2005 in I... (bei H...) an einer Veranstaltung zum 27. Gründungsjahrestag der PKK, am 17.12.2005 an einer Versammlung in H..., am 28.01.2006 an einer Demonstration in Mannheim, am 11.02.2006 an einer Demonstration von KONGRA-GEL-Anhängern anlässlich des 7. Jahrestages der Festnahme Öcalans in Straßburg/Frankreich, am 16.02.2007 an einer Demonstration zu den Haftbedingungen Öcalans sowie zuvor stattgefundenen Exekutivmaßnahmen der deutschen und französischen Behörden gegen mutmaßliche KONGRA-GEL-Strukturen in H..., am 27.10.2007 an einer weiteren Demonstration in H..., am 24.11.2007 an einer Versammlung anlässlich einer Feier zum Parteigründungstag der PKK in H..., am 30.03.2008 an einer weiteren Versammlung von KONGRA-GEL-Anhängern und am 18.05.2008 an einer Märtyrer-Veranstaltung in H...
Nachdem das Regierungspräsidiums Stuttgart den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2008 unter anderem auf die Möglichkeit einer Ausweisung hingewiesen hatte, erklärte der Kläger in einem Schreiben vom 26.08.2008, er wolle zunächst feststellen, dass er kein Terrorist und kein Verbrecher sei, sondern ein einfacher Arbeiter. Jede Veranstaltung und Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei bei den Behörden angemeldet und genehmigt gewesen. Die Vereine, in deren Vorstand er gewählt worden sei, seien Kulturvereine von Kurden für Kurden. Sicher habe auch er, als er noch in der Türkei gelebt habe, die PKK unterstützt, aber eher mit humanitären als mit militärischen Mitteln. Seit die PKK als terroristische Vereinigung gelte, habe er diese Hilfe komplett eingestellt. Er unterstütze als Kurde die kurdische Sache. Er distanziere sich aber von jeder kriminellen Handlung, die im Namen des kurdischen Volkes begangen werde, somit auch von der PKK als terroristischer Vereinigung.
10 
Am 10.02.2009 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart (Untätigkeits-) Klage gegen die Stadt H... mit dem Antrag, diese zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen (8 K 487/09). Diese Klage wurde 25.05.2009 zurückgenommen; stattdessen erhob er Klage gegen das Land Baden-Württemberg (11 K 2004/09).
11 
Mit Schreiben vom 09.04.2009 und vom 01.02.2010 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz, es seien noch die folgenden gerichtsverwertbaren Erkenntnisse angefallen: Ausweislich eines Fotos und eines Zeitungsartikels in der der KONGRA-GEL nahestehenden türkischen Tageszeitung „Yeni Özgür Politika“ vom ...2008 habe er am ...2008 an einer Märtyrer-Gedenkveranstaltung von KONGRA-GEL-Anhängern in H... und außerdem am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestags der Gründung des militärischen Arms der PKK an einem Grillfest von KONGRA-GEL-Anhängern bei Bad Wimpfen sowie am 25.10.2008 an einer Demonstration gegen die angebliche Misshandlung von Öcalan in H... teilgenommen. Am 23.11.2008 und am 27.11.2009 sei der Kläger in I... (bei H...) Teilnehmer von Versammlungen zur Feier des 30. bzw. 31. Gründungsjahrestages der PKK gewesen, am 20.03.2009 habe er an der „Newroz“-Veranstaltung in H... teilgenommen.
12 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise innerhalb der Ausreisefrist wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen Staat, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht (Ziff. 2). Außerdem wurde sein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abgelehnt (Ziff. 3). Der Kläger wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei dem Polizeirevier H... zu melden. Sein Aufenthalt sei bis zu seiner Ausreise bzw. Abschiebung auf das Stadtgebiet des Stadtkreises H... beschränkt (Ziff. 4). Die sofortige Vollziehung der Ausweisung unter Ziffer 1 des Bescheids und der Meldeauflage sowie der Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids wurde angeordnet (Ziff. 5). In den Gründen des Bescheids wurde im Wesentlichen dargelegt: Die Voraussetzungen der Ausweisungstatbestände des § 55 AufenthG i.V.m. §§ 54 Nr. 5, Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien gegeben. Der Kläger sei nicht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats/EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) privilegiert. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 und/oder des Art. 7 ARB 1/80 lägen nicht vor. Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG sei erfüllt. Die PKK sei als eine terroristische Vereinigung zu qualifizieren. Der Kläger habe diese tatbestandsmäßig im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Er sei bereits vor seiner Einreise ins Bundesgebiet 1995 fünf bis sechs Jahre in der Türkei für die PKK tätig gewesen. Bereits Anfang 1996 habe er an einer verbotenen und gewalttätigen PKK-Demonstration in Dortmund teilgenommen und sei deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Außerdem habe er im Jahr 1999 an der Besetzung des griechischen Generalkonsulats in Stuttgart anlässlich der Gefangennahme des PKK-Führers Öcalan teilgenommen und zudem im Jahr 2001 die PKK-Selbsterklärung unterzeichnet. Hinzu kämen die ab 1997 bis zumindest 2002 ausgeübten Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen. In der Folge habe er kontinuierlich ab dem Jahr 2003 bis Ende des Jahres 2009 an zahlreichen politisch-extremistischen und auch gewaltbereiten Veranstaltungen der PKK alias KADEK alias KONGRA-GEL aktiv teilgenommen. Die vorliegenden Erkenntnisse und Tatsachen rechtfertigten in ihrer wertenden Gesamtbetrachtung die Schlussfolgerung, dass er der PKK „angehöre“. Zudem seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5a und 6 AufenthG erfüllt. Da der Kläger und seine Ehefrau mit ihrem minderjährigen deutschen Kind A... A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, genieße er allerdings besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Seine Ausweisung sei daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig. Solche lägen jedoch in den Fällen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG, also auch hier, vor. Im vorliegenden Fall seien auch keine besonderen Umstände gegeben, die zur Annahme eines Ausnahmefalls führen könnten. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei daher gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sämtliche für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe in die Entscheidung einzubeziehen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und zu prüfen, ob die Ausweisung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei. Im Ergebnis überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung mit dem Entzug seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet abzuwehren. Zudem verfolge die Ausweisung general- und spezialpräventive Zwecke. Außerdem sei von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet hätten Berücksichtigung gefunden. Auch seien die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Klägers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebten, gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG bedacht worden. Es handle sich um eine schutzwürdige Ehe im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG. Auch seien die Interessen der Kinder, insbesondere des jüngsten deutschen Kindes, an der Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung und Abwägung des jeweiligen Interesses habe jedoch der Schutz der Ehe und Familie hinter das höher einzuschätzende Sicherheitsinteresse des Staates und seiner Bevölkerung vor Unterstützungshandlungen für terroristische Vereinigungen zurückzutreten. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK im Einklang. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei abzulehnen, weil dieser bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG entgegenstehe. Aufgrund der Ausweisungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, sei der Kläger nach §§ 50 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Gemäß § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliege er der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Gemäß § 54a Abs. 2 AufenthG sei sein Aufenthalt kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt.
13 
Mit am 01.07.2010 beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz vom 28.06.2010 machte der Kläger den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 im Wege der Klageänderung bzw. -erweiterung zum Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens 11 K 2004/09. In der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2010 wurde die Klage insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 11 K 2424/10 fortgesetzt, als sie auf Anfechtung von Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidium Stuttgart vom 10.06.2010 gerichtet ist. Im Übrigen (bezüglich der Niederlassungserlaubnis) ist nach entsprechenden Anträgen der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
14 
Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen: Obwohl der Kläger offensichtlich seit Jahren intensiv und engmaschig vom Verfassungsschutz beobachtet werde, könne das beklagte Land nicht einen konkreten Anhaltspunkt für eine objektive oder subjektive Unterstützungsleistung des Klägers benennen außer der schlichten Teilnahme an diversen, wohl gemerkt angemeldeten und erlaubten Versammlungen. Weder aus der Tatsache, dass er an diversen Kundgebungen teilnehme, noch daraus, dass er eine Zeitlang und bis 2002 in kurdischen Kulturvereinen in den Vorstand gewählt worden sei, habe er jemals einen Hehl gemacht. Er könne nicht für die Äußerungen irgendwelcher Redner auf irgendwelchen Veranstaltungen im Sinne einer Sippenhaft verantwortlich gemacht werden. Insgesamt bemühe sich das Land geradezu krampfhaft, eine über ein Jahrzehnt zurückliegende strafrechtliche Verurteilung und sogar ein von der Staatsanwaltschaft eingestelltes Ermittlungsverfahren, welches ebenfalls Jahre zurückliege, zur Begründung eines vermeintlichen Versagungsgrundes heranzuziehen. Tatsache sei, dass er weder Mitglied einer terroristischen Vereinigung sei noch eine solche unterstützt habe. Insoweit werde auf seine Erklärung vom 26.08.2008 Bezug genommen. Obwohl es nicht darauf ankomme, werde bestritten, dass die PKK eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG sei. Die Aufnahme einer Vereinigung in die EU-Terrorliste entbinde weder Behörden noch Gerichte von der eigenständigen Prüfung. Eine Ausweisung könne zudem nur erfolgen, wenn vom Ausländer persönlich eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Er habe lediglich sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Information wahrgenommen. Dass er sich einen eigenen Staat wünsche und auch das Recht habe, als Kurde seine Auffassung kundzutun, dürfte auf der Hand liegen. Die Entscheidung verstoße im Übrigen gegen Art. 6 GG.
15 
Das Regierungspräsidium Stuttgart trat der Klage entgegen. Zur Begründung verwies es auf den angefochtenen Bescheid. Entgegen dem Vortrag des Klägers habe dieser nachweisbar im dargelegten Umfang an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen. Seine Teilnahme an den Veranstaltungen der PKK alias KONGRA-GEL vom 06.04.2003 bis zum 27.11.2009 sei durch offene und gerichtsverwertbare Tatsachen des Landesamts für Verfassungsschutz belegt, die vor Gericht durch einen Zeugen vom Hörensagen nachgewiesen werden könnten. Die PKK/KADEK/KONGRA-GEL sei auch als terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG einzustufen. Dass das „Gebetshaus E... ... - ... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger in den Jahren 1998 und 2002 gewählt worden sei, der PKK nahestehe, folge aus einem beigefügten Bericht des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006. Die PKK-Nähe des Vereins Kurdx ... V... e.V.“ in H..., in dessen Vorstand der Kläger 1997 gewählt worden sei, ergebe sich aus Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz. Unerheblich sei, dass die Wahl des Klägers in den Vorstand der genannten Vereinigungen bereits 1997, 1998 und 2002 erfolgt sei, da die Annahme einer Unterstützung der PKK durch den Kläger auf einer wertenden Gesamtbetrachtung beruhe und maßgeblich auch auf die bereits zu Beginn seines Aufenthalts in der Bundesrepublik erfolgten Tätigkeiten im Funktionärsstatus abzustellen sei, denen sich in den folgenden Jahren weitere politische Aktivitäten für die PKK angeschlossen hätten, und die sich bis in die Gegenwart fortsetzten. Selbst wenn es nur um die „bloße Teilnahme“ an Veranstaltungen und Demonstrationen gehen würde, könnte auch diese unter bestimmten Voraussetzungen eine Vorfeldunterstützung des Internationalen Terrorismus darstellen. Die Versammlungen und Demonstrationen, an denen der Kläger teilgenommen habe, hätten entgegen seinem Vorbringen auch keinen „legalen und friedlichen“, sondern einen politisch-militanten Grundcharakter. Die Ausweisung verstoße auch nicht im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau des Klägers und mit den minderjährigen Kindern gegen Art. 6 GG. An dem Übergewicht des öffentlichen Interesses vermöge ein mögliches Abschiebungshindernis aufgrund familiärer Belange nichts zu ändern. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei nicht ausgeschlossen, dass auch unter Berücksichtigung selbst eines strikten Abschiebungsverbotes - nach § 60 Abs. 1 AufenthG - und bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Duldung eine Ausweisung ermessensfehlerfrei ausgesprochen werden könne. Die Behörde habe dann das Abschiebungsverbot in die Ermessenserwägungen einzustellen. In Anwendung dieser Grundsätze werde ergänzend vorgetragen, dass zwar die Familienschutzvorschriften des Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gewähren und einer Abschiebung entgegenstehen könnten. Selbst wenn von einem solchen Abschiebungshindernis ausgegangen werde, führe dies aber nicht zur Unzulässigkeit der Ausweisung, sondern sei gemäß seiner Bedeutung zu werten und in die Ermessenserwägungen einzustellen. Im Ergebnis könne von einem Überwiegen des staatlichen Sicherheitsinteresses ausgegangen werden, so dass die Ausweisung des Klägers trotz eines - möglichen - Abschiebungshindernisses nicht unverhältnismäßig sei.
16 
Auf einen am 01.07.2010 vom Kläger gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - die aufschiebende Wirkung der Klage - 11 K 2424/10 - gegen die Ziffern 1, 2 und 3 im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 wieder her. Bezüglich Ziffer 4 des Bescheids wurde der Antrag abgelehnt.
17 
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - wurden die Ziffern 1, 2 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen dargelegt: Alle Vorgänge vor 2002 lägen derart weit in der Vergangenheit, dass sich aus ihnen eine gegenwärtige Gefährlichkeit nicht ablesen lasse. In der Zeit nach 2002 habe der Kläger lediglich an 13 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen - was er auch nicht bestritten habe. Im angefochtenen Bescheid seien allerdings keinerlei Ausführungen dazu enthalten, was der Kläger bei den Veranstaltungen konkret gemacht haben solle. Allein seine Anwesenheit könne noch nicht als Unterstützungshandlung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG gewertet werden, von der auf eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers geschlossen werden dürfe. Der Kläger erfülle aber auch nicht den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG. Zwar dürfte die Beantwortung zahlreicher Fragen zur Nähe zur PKK durch den Kläger anlässlich des mit ihm durchgeführten Sicherheitsgesprächs am 08.08.2007 falsch gewesen sein. Es gebe keine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen. Der Kläger hätte daher vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei das Ergebnis rechtlich nicht verwertbar. Damit erwiesen sich auch die Abschiebungsandrohung und die unter Ziffer 4 des Bescheids angeordneten Überwachungsmaßnahmen als rechtswidrig.
18 
Am 14.03.2011 hat das beklagte Land die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung gegen das am 21.02.2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt und diese mit am 19.04.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Ergänzend wird unter anderem dargelegt: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2005 für die Annahme einer Unterstützungshandlung nach § 54 Nr. 5 AufenthG genügen könne, wenn der Betreffende an einschlägigen Versammlungen und Kundgebungen teilnehme. In diesem Zusammenhang sei vorab richtig zu stellen, dass der Kläger ab dem Jahr 2002 nicht lediglich an 13, sondern an 18 bzw. 19 Versammlungen, Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen habe. Die jeweiligen Veranstaltungen seien terrorgeneigt und politisch-militant orientiert gewesen, woraus sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das objektiv Vorteilhafte der Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen ohne weiteres ergebe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Aufteilung der Gesamtaktivitäten des Klägers in solche vor und solche nach dem Jahr 2002 unter Außerachtlassung der älteren Aktivitäten sei rechtlich nicht haltbar. Im Übrigen habe der Kläger nach den aktuellen sicherheitsrelevanten Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.12.2010 und vom 18.04.2011 noch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ mit qualitativ hochstehendem Gefährdungspotential teilgenommen. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a und Nr. 6 AufenthG seien ebenfalls gegeben. Die Ausweisungsentscheidung sei auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Die familiären Bindungen des Klägers seien im Rahmen der Ermessensausübung vollständig berücksichtigt worden. Im Falle des Klägers sei davon auszugehen, dass aus familiären Gründen ein Abschiebungsverbot bestehe, weshalb es bei ihm nicht um eine Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik gehe. Eine Ausweisung sei gleichwohl möglich.
19 
Nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
20 
Das beklagte Land beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 - 11 K 2424/10 - zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen Ziffern 1 und 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 richtet.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Zur Begründung wird auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen und ergänzend unter anderem vorgetragen: Er habe eine Rechtsstellung nach Art. 6 ARB 1/80 inne. In der Zeit vom 01.04.2007 bis einschließlich Mai 2009 sei er durchgehend bei demselben Arbeitgeber in L... tätig gewesen. M... K. habe den Betrieb von B... K. übernommen. Nach einmonatiger Arbeitslosigkeit habe er dann zum 01.07.2009 seine Tätigkeit bei einer Gebäudereinigungsfirma angetreten, bei der er heute noch beschäftigt sei. Er lebe weiter mit seiner Ehefrau und seinen Kindern zusammen, auch mit den volljährigen. Die minderjährigen Kinder befänden sich noch in der allgemeinen Schulausbildung. Die Tochter K... nehme seit dem 22.11.2011 an einem Berufsvorbereitungslehrgang teil. C... habe eine Ausbildungsstelle zur Kauffrau im Einzelhandel und arbeite seit einigen Jahren in Nebentätigkeit bei einem Schnellimbiss.
25 
In weiteren Stellungnahmen des Landesamts für Verfassungsschutz an das Regierungspräsidium vom 17.12.2010, vom 18.04.2011 und vom 12.09.2011 wird mitgeteilt: Wie bereits am 17.12.2005 und am 30.03.2008 habe der Kläger auch am 28.02.2010 an einer „Volksversammlung“ in den Räumlichkeiten des PKK-nahen Vereins „Kurd... G...“ H... – dem Nachfolgeverein des „Kurd... V...“ – teilgenommen. Volksversammlungen gehörten zum organisatorischen Rahmen der PKK. Dabei bestehe der Teilnehmerkreis zu annähernd 100 % aus PKK-Anhängern. Sie dienten in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Am 20.11.2010 habe sich der Kläger außerdem an einer „Kurdistan Solidaritätsdemonstration“ in H... beteiligt, bei der Transparente/Plakate mit den Aufschriften „Freiheit für Öcalan - Frieden für Kurdistan“ u.ä. skandiert worden seien.
26 
In der mündlichen Verhandlung sind der Kläger und – informatorisch – Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg angehört worden. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.12.2011 übergeben, in welchem erklärt wird, dass der Kläger bis auf Weiteres eine Duldung aus familiären Gründen erhalte.
27 
Dem Senat liegen die ausländerrechtlichen Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) und der Stadt H... (2 Hefte), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart über Asylverfahren des Klägers (A 3 K 12680/98 und A 17 K 480/07), bezüglich Klagen wegen Niederlassungserlaubnis gegen die Stadt H... (8 K 487/09), wegen Niederlassungserlaubnis u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2004/09, mit Beiakte) und wegen Ausweisung u.a. gegen das beklagte Land (11 K 2424/10, 2 Bände) sowie über das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hinsichtlich des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (11 K 2430/10) vor. Der Inhalt dieser Akten ist ebenso wie der Inhalt der Gerichtsakten zum vorliegenden Verfahren (11 S 897/11) Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
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Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
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Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
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1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
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2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
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Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
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Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
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a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
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aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
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Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
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Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
50 
Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
52 
Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
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Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
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Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
28 
Soweit die Beteiligten - nach Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Ziffer 2 des Bescheids vom 10.06.2010 in der mündlichen Verhandlung - den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entspr.).
29 
Im Übrigen ist die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14.02.2011 zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage gegen die Ausweisung unter Ziffer 1 (dazu unter A) und die Meldeauflage sowie die Aufenthaltsbeschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 10.06.2010 (B) abweisen müssen. Denn diese Verfügungen sind zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20) rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
A.
30 
Rechtsgrundlage der Ausweisung ist § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG (I.). Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG liegen vor (II.), die Ausweisungsentscheidung lässt sich auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden (III.).
I.
31 
Das Regierungspräsidium hat diese rechtsfehlerfrei auf § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob als Rechtsgrundlage daneben § 55 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5a oder Nr. 6 AufenthG herangezogen werden könnten.
32 
Diese Regelungen sind hier uneingeschränkt anwendbar.
33 
1. Aus der Tatsache, dass der Kläger Vater eines minderjährigen deutschen Kindes – dem am ...2005 geborenen A... A... – ist, folgt nicht, dass er wie ein Unionsbürger oder nach unionsrechtlichen Grundsätzen zu behandeln wäre.
34 
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 08.03.2011 in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C-34/09 - InfAuslR 2011, 179) entschieden, dass dem drittstaatsangehörigen Vater eines minderjährigen Kindes mit der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates, dem er Unterhalt gewährt, unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft (des Kindes) nach Art. 20 AEUV ein Aufenthalts- und Arbeitsanspruch zustehen kann. Ausschlaggebend war ausweislich der Gründe der Umstand, dass die Kinder, welche Unionsbürger waren, bei einer „Verweigerung von Aufenthalt und Arbeitserlaubnis“ ihrer drittstaatsangehörigen Eltern gezwungen gewesen wären, das Unionsgebiet zu verlassen. Art. 20 AEUV sei daher dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verwehre, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, den Aufenthalt im Wohnsitzstaat und eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da derartige Entscheidungen diesen Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleihe, verwehren würden. Folge eines entsprechenden Aufenthaltsrechts wäre eine allenfalls eingeschränkte Anwendbarkeit der Ausweisungsvorschriften der §§ 53 ff. AufenthG (vgl. dazu Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291; allgemein zum Urteil des EuGH vom 08.03.2011: OVG NRW, Beschluss vom 29.04.2011 - 18 B 377/11 -; Hess. VGH, Beschluss vom 27.10.2011 - 6 D 1633/11 - juris). Wie auch inzwischen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.2011 in der Rechtssache McCarthy (C-434/09 - InfAuslR 2011, 268) und vom 15.11.2011 in der Rechtssache Dereci (C-256/11 - juris) deutlich machen, ist ein Aufenthaltsanspruch des Drittstaatsangehörigen aus der Unionsbürgerschaft seines Kindes – oder auch seines Ehepartners – aber nur abzuleiten, wenn der betreffende Unionsbürger andernfalls zwingend das Unionsgebiet verlassen müsste (weitergehend noch Urteil des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - a.a.O., und Beschluss des Senats vom 12.05.2011 - 11 S 765/11 - NVwZ 2011, 1213). Vorliegend kann aber das jüngste deutsche Kind des Klägers zusammen mit dessen Ehefrau, welche im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, in Deutschland bleiben und wäre daher nicht gezwungen, das Unionsgebiet zu verlassen. Ob gegebenenfalls eine Trennung des Klägers von seiner Familie, insbesondere seinem minderjährigen deutschen Kind zulässig ist, ist somit keine unionsrechtliche Fragestellung, sondern nach den allgemeinen Maßstäben (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK) zu beantworten.
35 
2. Eine nur beschränkte Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG folgt hier auch nicht aus dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: ARB 1/80; vgl. insbesondere Art. 14 ARB 1/80). Der Kläger verfügt über kein Aufenthaltsrecht gemäß der - hier allein in Betracht kommenden - Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80.
36 
Nach dem gestuften Regelungssystem des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 kann im Rahmen der ersten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 1) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht bei einjähriger Beschäftigung nur zum Zwecke der Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bei dem gleichen Arbeitgeber erworben werden. Im Rahmen der zweiten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 2) wird nach dreijähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht erworben, Stellenangebote eines anderen Arbeitgebers im gleichen Beruf zu akzeptieren. Erst im Rahmen der dritten Verfestigungsstufe (Spiegelstrich 3), d.h. nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung, erwirbt der türkische Arbeitnehmer gemäß Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht nur das Recht, auf ein bereits existierendes Stellenangebot einzugehen, sondern auch das unbedingte Recht, Arbeit zu suchen und jede beliebige Beschäftigung aufzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.1997 - C-171/95 - [Tetik] InfAuslR 1997, 146). Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 berühren Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche. Entsprechendes gilt auch bei einem „unverschuldeten Arbeitgeberwechsel“ (vgl. Renner, AufenthG, 9. Aufl. 2011, § 4 AufenthG Rn. 124 f.), und zwar selbst dann, wenn keine Unterbrechung der Beschäftigung eingetreten ist. Voraussetzung ist nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80 allerdings, dass die Zeiten der unverschuldeten Arbeitslosigkeit „von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind“, das bedeutet, dass sich der Betreffende arbeitslos gemeldet und der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestanden hat.
37 
Nach diesen Grundsätzen verfügt der Kläger nicht über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Seine Arbeitstätigkeit in einer Gebäudereinigung im Jahr 2002 war zu kurz, um zum Erwerb von Ansprüchen nach dem ARB 1/80 zu führen. Selbst wenn man die sozialversicherungsfreien (Neben-)Tätigkeiten in einem Internetcafé in H... vom 13.03.2004 bis zum 31.01.2006 und die Tätigkeit bei einer Vertriebs GmbH vom 01.04.2006 bis zum 15.06.2006 insgesamt anerkennen und die damaligen Unterbrechungen durch – ordnungsgemäß festgestellte – Arbeitslosigkeit sowie den Wechsel der Arbeitgeber wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit als unschädlich ansehen würde, wäre der Kläger danach zum 15.06.2006 maximal 2 Jahre 3 Monate und 2 Tage ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die damit allenfalls erreichte Rechtsposition nach dem ersten Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 wäre durch die anschließende beschäftigungslose Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bei einem Abbruchunternehmen in L... unterbrochen gewesen. Denn ausweislich der vorliegenden Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung (vgl. den vom Kläger mit Schriftsatz vom 30.06.2011 vorgelegten Versicherungsverlauf vom 06.06.2011) war er in dieser Zeit nicht arbeitslos gemeldet. Letztlich kommt es aber darauf nicht an. Selbst wenn man – trotz des Betriebsinhaberwechsels – die anschließende Beschäftigung bei den Abbruchunternehmen in L... vom 17.07.2006 bis zum 31.01.2007 hinzurechnen würde, wäre der Kläger seit dem 13.03.2004 noch keine drei Jahre beschäftigt gewesen, hätte also nur die Rechtsposition der ersten Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht gehabt. Diese hätte er durch die anschließende Kündigung und die folgende zweimonatige Arbeitslosigkeit aber wieder verloren gehabt. Denn diese Kündigung erfolgte nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung durch ihn. Da seine Kinder sich geweigert hätten, zu ihm nach L... zu ziehen, habe er wieder zu seiner Familie ziehen wollen.
38 
Im Anschluss war der Kläger zwar noch vom 02.04.2007 bis zum 31.05.2009 als Fahrer bei einer Firma in H... beschäftigt und ist seit dem 01.07.2009 bei einer Gebäudereinigung angestellt. Die Beschäftigungszeiten als Fahrer können aber schon deshalb nicht mehr zum Erreichen eines Rechts nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 führen, weil der Kläger seinen Angaben nach zwar entlassen wurde, sich aber nicht unmittelbar anschließend bei der Arbeitsverwaltung gemeldet hat. Abgesehen davon war er seit dem 13.09.2007 nicht mehr „ordnungsgemäß beschäftigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Denn seine letzte Aufenthaltserlaubnis lief am 12.09.2007 aus und galt lediglich aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Grundsätzlich setzt aber eine „ordnungsgemäße Beschäftigung“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt voraus (vgl. nur EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], NVwZ 1991, 255). Keine gesicherte, sondern nur eine vorläufige verfahrenssichernde Rechtsstellung hat ein türkischer Arbeitnehmer während des Zeitraums, in dem sein Widerspruch oder seine Klage aufschiebende Wirkung gegen eine die Erteilung oder die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ablehnende behördliche Entscheidung entfaltet (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 - [Kus], InfAuslR 1993, 41). Dies gilt auch in Bezug auf die Titelfunktion des § 81 Abs. 4 AufenthG (vgl. Renner, a.a.O., § 4 AufenthG, Rn. 117 m.w.N.). Etwas anderes folgt hier auch nicht daraus, dass über die am 25.05.2009 gegen das Land Baden-Württemberg erhobene Klage des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (11 K 2004/09) noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Zwar können Zeiten der Arbeitstätigkeit, in denen der Betreffende lediglich über ein fiktives Aufenthaltsrecht verfügt hat, später - rückwirkend - doch wieder als Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zu berücksichtigen sein, wenn in der Folge eine positive behördliche oder gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Denn dann werden die zurückliegenden Beschäftigungszeiten anrechnungsfähig (EuGH, Urteil vom 20.09.1990 - C-192/89 - [Sevince], a.a.O.), und zwar gegebenenfalls selbst dann, wenn während kurzer Zeiträume kein Aufenthaltstitel und auch keine Fiktionswirkung bestand, etwa weil der Betreffende eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erst kurz nach Ablauf der geltenden Aufenthaltserlaubnis beantragt hatte (EuGH, Urteil vom 16.03.2000 - C-329/97 - [Ergat], InfAuslR 2000, 217). Diese Fragen können hier jedoch dahingestellt bleiben. Denn es ist wegen des vom Kläger verwirklichten Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 5 AufenthG (dazu unten) offensichtlich, dass er keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis oder auf Verlängerung der früher bestehenden Aufenthaltserlaubnis hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG). Abgesehen davon kommt es darauf auch deshalb nicht an, weil die Fiktionswirkung entsprechend § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG jedenfalls mit Bekanntgabe der Ausweisung vom 10.06.2010 – und damit vor Ablauf eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit am 01.07.2009 und Erreichen einer Position nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 – erloschen ist. Zwar kommt der vom Kläger gegen die Ausweisung erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zu, weil das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.11.2010 - 11 K 2430/10 - auch insoweit die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen jedoch Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit unter anderem der Ausweisung unberührt, solange diese nicht unanfechtbar aufgehoben worden ist.
II.
39 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG sind erfüllt.
40 
Nach dieser Vorschrift wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Die Zugehörigkeit zu einer entsprechenden Vereinigung oder ihre Unterstützung muss danach nicht erwiesen sein, es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die entsprechende Schlussfolgerung rechtfertigen. Dass es sich dabei um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, muss hingegen feststehen (Bay.VGH, Urteil vom 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris, bestätigt mit Urteil des BVerwG vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -).
41 
1. Zunächst sind das Verwaltungsgericht und das Regierungspräsidium Stuttgart zu Recht davon ausgegangen, dass die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) und ihre Nachfolgeorganisationen KADEK (Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans), KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans), KKK (Gemeinschaft der Kommunen Kurdistans) oder KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen sind (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 29.09.2010 - 11 S 597/10 - VBlBW 2011, 478, und vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris sowie Beschlüsse des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vom 16.12.2010 - 11 S 2374/10 - und vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - InfAuslRAuslR 2011, 105). Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus, wenn sie selbst ihre Ziele auch mit terroristischen Mitteln – wie dem Einsatz gemeingefährlicher Waffen und mit Angriffen auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele – verfolgt (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - juris, m.w.N.; vgl. im Einzelnen zum Begriff des Terrorismus GK-AufenthG, Stand: Sept. 2011, § 54 Rn. 436 ff.). Das ist bei der PKK in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1997 bis heute der Fall. Insbesondere verzichtete die PKK auch während der Phase des 1999 ausgerufenen und 2004 wieder beendeten „Friedenskurses“ nicht auf Gewalt. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53; OVG Bremen, Beschluss vom 26.10.2010 - 1 A 111/09 - InfAuslR 2011, 37) und ändert nichts an deren grundsätzlich bestehender Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei (so etwa am 22.06.2010 in Istanbul, vgl. ZEIT-ONLINE vom 23.06.2010: www.zeit.de/politik/ausland/2010-06/kurden-tuerkei-politik; WELT ONLINE vom 22.06.2010 www.welt.de/politik/ausland/ article8142791/Tuerkei-Touristen-im-Fadenkreuz-kurdischen-Terrors.html; am 27. und 28.08 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, vgl. SPIEGEL ONLINE vom 28.08.2006 www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,434039,00.html) oder der Entführung Unbeteiligter (vgl. zur Entführung von drei deutschen Staatsangehörigen am Berg Ararat am 08.07.2008 SPIEGEL ONLINE vom 09.07.2011: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,564783,00.html). Insoweit wird ergänzend auf die ausführliche und zutreffende Darstellung im angefochtenen Bescheid des Regierungspräsidiums vom 10.06.2010 verwiesen (vgl. auch Landesamt für Verfassungsschutz Bad.-Württ., „Ausländerextremismus“, August 2007, S. 9 ff., sowie Bundesamt für Verfassungsschutz, „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – Volkskongress Kurdistans (KONGRA-GEL)“, März 2007). Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP – ABl. L 116, S. 75). Entgegen der Auffassung des Klägers erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 - InfAuslR 2011, 40; vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.2010 - 1 B 24.10 - juris; noch offengelassen im Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
42 
2. Ob der Kläger der PKK „angehört“ im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, kann hier offen bleiben. Denn aus den vorliegenden Tatsachen ist jedenfalls die Folgerung gerechtfertigt, dass er diese seit vielen Jahren in mehrfacher Weise unterstützt hat und weiter unterstützt.
43 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -BVerwGE 123, 114 - zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O., m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O.; Urteile des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris und vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.).
44 
Nach diesen Grundsätzen liegen hier eine Vielzahl von Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen (a) und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten PKK-nahen Aktionen und Veranstaltungen (b). Dabei sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch die länger zurückliegenden Tatsachen noch zu berücksichtigen (c).
45 
a) Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die kurdischen Vereine in H..., in denen der Kläger Vorstandsmitglied war, den Terrorismus unterstützen. Dabei zu berücksichtigen, dass - wie dargelegt - bereits jede Tätigkeit als tatbestandliches Unterstützen anzusehen ist, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Vereinigung, hier der PKK, auswirkt.
46 
aa) Der Verein „Kurd... V...“ e.V. wurde in den 1990-er Jahren gegründet und im Jahr 2000 wieder aufgelöst. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich deutlich gemacht, dass er in dem im Anschluss gegründeten „Kurd... K...“ und in dem derzeit bestehenden Verein „Kurd... G...“ Nachfolgevereine des Vereins Kurdx ... V...“ sieht. Es handle sich um „den Verein“, in welchem er bis heute Mitglied sei und mit seinen Familienangehörigen jedes Wochenende verbringe. Er hat damit die entsprechende Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, die in der mündlichen Verhandlung von dem angehörten Mitarbeiter I.V. weiter erläutert worden ist, bestätigt. Der Kläger ist in einer Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 in den Vorstand des Vereins „K... V...“ gewählt worden und war als solcher für die Bücherei des Vereins zuständig. Darauf hat er sich auch in seinem Asylverfahren berufen und geltend gemacht, dass ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei Verfolgung drohe (Schriftsatz vom 01.07.1997 zum Verfahren A 3 K 12680/98).
47 
Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder – nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM – für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010“ im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.
48 
Hinzu kommen die Veranstaltungen, die vom Verein „Kurd... V...“ durchgeführt wurden, so zum Beispiel aus der Zeit, in der der Kläger Vorstandsmitglied war, eine Demonstration zum Newroz-Fest am 20.03.1998. In einem Bericht der Stadt H... vom 29.04.1998 über diese Demonstration wird dargelegt, dass Fahnen mit Symbolen der PKK gezeigt worden seien. Nach Einschätzung der Polizei und der Stadt H... habe nicht das Thema „Newroz-Fest“ im Vordergrund gestanden, sondern das Thema „Politische Lösung der kurdischen Frage und Aufhebung des Verbots der PKK“. Wie sich außerdem einem Bescheid der Stadt H... vom 14.05.1998 über das Verbot einer für den 17.05.1998 im Schlachthof in H... geplanten Veranstaltung entnehmen lässt, wurde zu dieser angeblichen „Folkloreveranstaltung“ mit Flugblättern der ENRK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans, eine Organisation der PKK) eingeladen. In den Räumen des Vereins wurde dafür mit einem Aushang mit dem Text „Sieg im Frieden, Freiheit im Leben, Volksversammlung wird stattfinden. Ort = Schlachthof“ geworben. Herr I.V. vom Landesamt für Verfassungsschutz hat zudem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren überzeugend dargelegt, dass „der Verein“ in H... – derzeit die „Kurd... G...“ – seit Jahren durch regelmäßige PKK-Veranstaltungen auffalle. Er rufe immer wieder zu Veranstaltungen und zu Kundgebungen auf, die inhaltlich die PKK, Abdullah Öcalan als PKK-Führer u.ä zum Thema hätten. Insofern trete der Verein immer wieder aktiv auf und führe diese Kundgebungen durch. Bei den Veranstaltungen würden PKK-Slogans skandiert, es werde die Freilassung Öcalans und die Aufhebung des PKK-Verbots gefordert und die Türkei werde als terroristischer Staat bezeichnet. Das alles seien für das Landesamt für Verfassungsschutz Indizien, um die entsprechende Veranstaltung – anders als normale kulturelle Veranstaltungen von Kurden – als „PKK-nah“ anzusehen. Schließlich existierten auch zahlreiche andere kurdische Vereine, die vom Verfassungsschutz nicht als „PKK-nah“ eingestuft würden, etwa solche, die dem Dachverband der KOMKAR (Verband der Vereine aus Kurdistan) angehörten. Es gebe also eine Alternative. Der Verein in H... wie auch andere PKK-nahe Vereine fielen dadurch auf, dass sie sich stets und immer wieder PKK-spezifischen Themen annähmen. Das ziehe sich seit den 1980er-Jahren wie ein „roter Faden“ durch die Betätigung des Vereins.
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bb) Dass sich auch der Verein „Gebetshaus E... ... - I... ... e.V., H...“ – in dessen Vorstand der Kläger erstmals im Dezember 1998 (als stellvertretendes Vorstandsmitglied) und erneut im Mai 2002 (als 2. Vorsitzender des Vorstands) gewählt worden war – der PKK verbunden gefühlt hat, folgt bereits aus dem Formular zur Anmeldung des Vereins am 29.04.1998 bei der Stadt H... Darin wird ausgeführt, „Wir glauben, dass die kurdische Sache unter Führung der PKK gelöst wird“ und „Abgrenzung zum Kurd... V... e.V. durch Schwerpunkt Religion“. Auch wird als Zweck des Vereins angegeben „Versammlung von allen Kurden, auch revolutionäre Kurden, unter einem Dach“. Außerdem verdeutlicht die vorliegende Stellungnahme des Bundeskriminalamts, Stand 11/2006, „Religiöse Vereinigungen innerhalb der PKK“ die Anbindung auch dieses Vereins an die PKK. Danach sei im Zuge des 4. Parteikongresses der PKK im Dezember 1990 die Gründung der Union der patriotischen Gläubigen aus Kurdistan (kurz: YOWK, ab 1991 YDK), einem Dachverband von Muslimen, beschlossen worden. 1993 sei die Umbenennung in „Islamischer Bund Kurdistans - HIK“ bzw. „Islamische Bewegung Kurdistans - KIH“ erfolgt. Die regionale Aufteilung sei in drei Funktionsbereiche, darunter eine Föderation in Süddeutschland mit Sitz in Heilbronn, erfolgt. Im Mai 2005 sei eine erneute Umbenennung, diesmal in „Islamische Gesellschaft Kurdistans - CIK“ beschlossen worden. Nach Auffassung des Bundesamts für Verfassungsschutz sei die CIK/HIK eine Massenorganisation der PKK, über die muslimische Kurden an die PKK gebunden werden sollen. In der Herbstausgabe der Baweri, dem seit 1995 erscheinenden Publikationsorgan der CIK/HIK, werde diese als eine religiös-politische Kampfesbewegung bezeichnet, die den nationalen Befreiungskampf Kurdistans unterstütze. In diesem Rahmen rufe sie regelmäßig zu Spenden oder Kampagnen auf, wie beispielsweise zur Sammlung von Spenden für kurdische Bedürftige und Waisen oder der Opferkampagne. Zu den der CIK/HIK angehörenden Moschen gehöre u.a. die „Mizgevta E... ...“ in H... ... Die Anbindung der CIK/HIK an die PKK und deren Abhängigkeit von der Organisation werde auch durch verschiedene Asservate belegt. In einem Fazit heißt es, die PKK unterhalte eine Vielzahl von Organisationen, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss auf alle Lebensbereiche auszudehnen versuche. In ihrem Bestreben, auch die religiösen Gruppierungen der Kurden in ihren Strukturen einzubinden, habe sie die Gruppe der Muslime durch die CIK/HIK an ihre Organisation angebunden. Die Verlautbarungen führender Parteikader sowie die Organisationsbeschlüsse belegten die strukturelle Anbindung an die CDK (Nachfolgeorganisation der YDK) und damit an eine in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegte Organisation.
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Ist danach davon auszugehen, dass beide ausländerrechtlichen Vereine, in deren Vorstand der Kläger gewählt war, die PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen unterstützt haben, so ist dem Kläger diese Unterstützung bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied zuzurechnen, ohne dass der Frage seiner tatsächlichen inneren Einstellung weiter nachgegangen werden müsste (vgl. zu § 11 StAG: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.06.2008 - 13 S 2613/03 - VBlBW 2009, 29, m.w.N). Davon abgesehen greift § 54 Nr. 5 AufenthG auch in Fällen, in denen der Betreffende einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, hier dem Verein „Kurdx... V...“ und der „E... ...“, d.h. es kommt auch deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang er persönlich Unterstützung geleistet hat.
51 
b) Hinzu kommt, dass schon allein wegen der Teilnahme des Klägers an diversen PKK-nahen Veranstaltungen davon auszugehen ist, dass er die PKK unterstützt hat und bis heute unterstützt. Denn er war bei einer Reihe von Veranstaltungen, die geeignet sind, den ideologischen und emotionalen Zusammenhalt der PKK, ihrer Nachfolgeorganisationen und Organisationen im politischen Umfeld zu stärken. Diese Teilnahmen sind daher bereits für sich genommen ohne Weiteres als selbstständige Unterstützungshandlungen zu qualifizieren, die zum Vorliegen des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG führen. Umso mehr gilt dies bei einer Gesamtschau aller festgestellten Aktivitäten des Klägers einschließlich der Vorstandstätigkeiten in den Vereinen.
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Zu den Veranstaltungen, deren Besuch als Unterstützung der PKK anzusehen ist, gehören insbesondere die Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK. Nach den Mitteilungen des Landesamts für Verfassungsschutz hat der Kläger in den Jahren 2005, 2007, 2008 und 2009, jeweils in I... bei H..., den 27., 29., 30. und den 31. Gründungsjahrestag der PKK mitgefeiert. Dies wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Nach den Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz seien bei diesen Feiern Fahnen der KONGRA-GEL bzw. der KCK oder der KKK und Bilder Öcalans aufgehängt gewesen bzw. entrollt worden (27.11.2005, 23.11.2008 und 27.11.2009), Filme über das Leben des Öcalan (27.11.2005 und 23.11.2008) oder die Guerilla (27.11.2009) vorgeführt und jeweils Reden über die PKK gehalten worden – zum Beispiel mit einem Überblick über die Entwicklung der PKK seit deren Gründung (23.11.2008). Regelmäßig werde die Bedeutung der PKK für die Kurden in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hervorgehoben. Zudem werde regelmäßig die PKK-Guerilla positiv herausgestellt, wenn nicht gar glorifiziert, indem zum Beispiel - wie im Jahr 2009 - ein Film über diese gezeigt werde (vgl. Bericht des LfV vom 17.12.2010). Solche Veranstaltungen haben in spezifischer Weise Propagandacharakter und dienen erkennbar der Förderung und Stärkung der PKK. Mit dem Besuch zeigt der Teilnehmer seine Anhängerschaft und fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger (vgl. Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -). Typisch für PKK-nahe Veranstaltungen ist auch der Personenkult um den in der Türkei inhaftierten PKK-Vorsitzenden Öcalan. Seiner Person kommt nach wie vor ein Symbolgehalt auch für den bewaffneten Kampf der PKK gegen den Staat zu (BVerwG, Beschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - a.a.O.). Es ist daher auch bezeichnend, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen zu dem vom Landesamt für Verfassungsschutz geschilderten Ablauf der Veranstaltung zum 31. Gründungsjahrestag der PKK am 27.11.2009 und nach dem Hinweis darauf, dass dort auch ein Film über den Guerilla-Kampf und Öcalan vorgeführt worden sei, entgegnete: Man brauche ihm nicht zu sagen, dass in diesem Saal ein Bild von Öcalan angebracht gewesen sei; Öcalan sei in seinem Herzen.
53 
Ebenso als Unterstützung der PKK zu werten ist der Besuch einer Veranstaltung am 17.08.2008 anlässlich des 24. Jahrestages der Gründung des militärischen Arms der PKK, bei welchem in einer Rede Öcalan und die PKK gewürdigt worden seien.
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Besonders ins Gewicht fallen auch die vom Kläger nicht in Abrede gestellten Besuche bei so genannten Volksversammlungen in den Räumlichkeiten des „Kurd... K...“ bzw. der „Kurd... G... H...“ am 17.12.2005, 30.03.2008 und am 28.02.2010. Den vorliegenden Berichten des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. vor allem Bericht vom 17.12.2010) lässt sich entnehmen, dass es – anders als bei Vereinsversammlungen, die sich schwerpunktmäßig mit Vereinsthemen beschäftigten – bei Volksversammlungen thematisch im Wesentlichen um den mit einem Betätigungsverbot belegten und deshalb streng konspirativ arbeitenden Teil der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen gehe. Demgemäß dienten Volksversammlungen in erster Linie der Information und Mobilisierung der Basis durch Funktionäre der PKK. Meist halte ein hochrangiger PKK-Funktionär eine „emotionalisierende“ Rede, die durchaus ein bis zwei Stunden dauern könne. Dabei würden die Zuhörer über alle Aspekte, die die PKK beträfen, ausführlich informiert, insbesondere über Verlautbarungen, Haftbedingungen und Gesundheitszustand des PKK-Führers Öcalan, Anweisungen der Organisation, Lageentwicklung in der Türkei, in Deutschland und in Europa und aktuelle Kampagnen. Sie würden außerdem unter Hinweis auf die angebliche patriotische Verpflichtung zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen aufgerufen. Häufig legten in Volksversammlungen Frontarbeiter und Aktivisten Rechenschaft gegenüber höherrangigen Funktionären ab und übten dabei gegebenenfalls – bei Schlechterfüllung ihrer Pflichten – entsprechende Selbstkritik. Bei der Versammlung am 28.02.2010 sei nach einer Gedenkminute für die verstorbenen „PKK-Märtyrer“ die aktuelle Lage in der Türkei thematisiert und ein Bericht des Volksgebietsrats verlesen worden. Anschließend hätten die Vertreter verschiedener Kommissionen (Justiz, Außenkontakte u.ä.) des Volksgebietsrats über ihre Arbeit berichtet. Danach seien der Leiter des Volksgebietsrats und die Vertreter dieser Kommissionen neu gewählt worden. Eine Ausnahme gelte für zwei Kommissionen: Die „Vereinskommission“ bestehe „automatisch“ aus dem Vorstand der „Kurd... G...“. Die „Organisationskommission“ verfüge über 25 „Frontarbeiter“; diese Aktivisten hätten gute Arbeit geleistet.
55 
Hinzu kommt die Teilnahme des Klägers an Treffen, bei denen der gefallenen und verstorbenen PKK-Kämpfer oder -Aktivisten gedacht wird (18.05.2008 und ...2008). Wie dem Senat aus einer Reihe anderer Verfahren bekannt ist, sind gerade auch solche Märtyrergedenkveranstaltungen ein wesentliches Element zur Herstellung eines engeren ideologischen und emotionalen Zusammenhalts der PKK-Mitglieder und PKK-Sympathisanten und führen damit zur Verbreiterung und Stärkung der Basis der PKK (Beschluss des Senats vom 17.03.2011 - 11 S 460/11 -, vgl. zum Märtyrerkult bei der PKK auch BVerwG, Beschluss vom 24.02.1010 - 6 A 7.08 - a.a.O.).
56 
Bezeichnend ist der Besuch von Versammlungen anlässlich des Geburtstages von Öcalan (06.04.2003, 03.04.2005). Auch hat der Kläger ausweislich der Feststellungen des Landesamts für Verfassungsschutz an mehreren Demonstrationen zu verschiedenen Anlässen (05.02.2005, 28.01.2006, 16.02.2007, 27.10.2007, 25.10.2008, 20.11.2010) teilgenommen, bei denen jeweils Rufe wie „ Es lebe Öcalan“, „Hoch leben Apo“ oder „PKK“ skandiert und „Freiheit für Öcalan“ gefordert wurde. Bei einer „Kurdistan-Solidaritätsdemonstration“ in H... am 20.11.2010 seien auch Parolen wie „Die PKK ist das Volk, das Volk ist hier“ gerufen und Plakate bzw. Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für Öcalan – Frieden für Kurdistan“ mitgeführt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, an dieser Veranstaltung vom 20.11.2010 teilgenommen zu haben, und darüber hinaus erklärt, er nehme an (allen) „offiziell genehmigten Demonstrationen“ teil. Es sei um die Freiheit der Kurden gegangen.
57 
Tatsächlich ist bei der Teilnahme an Demonstrationen besonders zu beachten, dass nicht unverhältnismäßig in das Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.; Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.). Zum einen können aber auch Aktivitäten, die dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen, das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.). Zum anderen ging es bei diesen Demonstrationen nicht nur um Themen, die nicht ausschließlich von der PKK besetzt sind – wie die Forderung eines unabhängigen Kurdistans, die Kritik am Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen die kurdisches Zivilbevölkerung, die Anmahnung der Einhaltung von Menschenrechten, oder auch die Kritik an Haftbedingung politischer Gefangener einschließlich Öcalans – sondern um die Bekundung der Anhängerschaft zu Öcalan und der PKK durch entsprechende Parolen und Transparente. Damit bestand eine klare politisch-ideologische Verbindung zur PKK und ihren Zielen bzw. ihren Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele, zu denen auch der Terror zählte und zählt. Dies war und ist auch für den Kläger erkennbar. Er hat dazu in der mündlichen Verhandlung erklärt, es sei ihm egal, welche Parolen gerufen und welche Transparente getragen würden; er selbst habe weder Parolen gerufen noch Plakate getragen. Wie ausgeführt, kommt es darauf jedoch nicht an. Auch überzeugt die Erklärung des Klägers nicht, er habe die Plakate bzw. Transparente nicht lesen können, weil er dann von vorne gegen die Demonstration hätte laufen müssen. Jedenfalls konnte ihm die Solidarisierung mit der PKK schon vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen bei ähnlichen Veranstaltungen und den offensichtlich eindeutigen Parolen nicht entgehen, so dass ihm diese zuzurechnen ist.
58 
Vor dem Hintergrund des Charakters und der Vielzahl der vom Kläger besuchten anderen Veranstaltungen, wie den Volksversammlungen, den Feiern anlässlich des Gründungsjahrestages der PKK und dem Geburtstag von Öcalan sowie den Märtyrergedenkfeiern, ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil, es wären zusätzliche Erkenntnisse darüber erforderlich, was der Kläger bei den Veranstaltungen getan habe, unzutreffend. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts waren bereits zum Zeitpunkt von dessen Entscheidung mehr als 13 Beteiligungen des Klägers an Veranstaltungen bekannt. Inzwischen sind es 20, die vom Landesamt für Verfassungsschutz benannt worden sind. Wie ausgeführt, kommt es zudem auf Anlass und Charakter der betreffenden Veranstaltungen an. In Anbetracht des konkreten Falles ist jedenfalls der Hinweis des Verwaltungsgerichts unverständlich, man könne einer Versammlung oder Veranstaltung auch „kopfschüttelnd“ zu Informationszwecken beiwohnen, ohne eine „unterstützende Haltung“ durch Applaus, Rufen von Parolen, Tragen von Schildern oder Transparenten einzunehmen. Dabei wird verkannt, dass bereits die regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen wie den angeführten, welche erkennbar auch dazu dienen, die PKK einschließlich ihrer terroristischen Aktionen zu fördern, eine Unterstützung der PKK darstellt. Die durch die – auch rein passive – Teilnahme ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung in der Gesellschaft, hier insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, ihre Aktionsmöglichkeiten und ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - a.a.O.).
59 
Soweit der Kläger vorträgt, die Vereine, bei denen er Mitglied gewesen und auch heute noch Mitglied sei und in deren Vorstand er gewesen sei, seien nicht verboten gewesen, er sei doch kein Terrorist und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach weder darauf an, dass die in Frage stehende Vereinigung verboten ist noch darauf, dass die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 - a.a.O.).
60 
In Anbetracht der bereits zur Überzeugung des Senats festgestellten Umstände kommt weiteren länger zurückliegenden Tatsachen wie etwa der Ingewahrsamnahme des Klägers anlässlich der Besetzung des griechischen Generalkonsulats nach der Festnahme von Öcalan am 16.02.1999 und der Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahr 2001 nur noch eine das Gesamtbild abrundende Bedeutung zu.
61 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger im Übrigen keinen Zweifel an seiner Verehrung von Abdullah Öcalan und seiner Anhängerschaft zur PKK gelassen. Er hat deutlich gemacht, dass er auf Veranstaltungen wie die angeführten, auch solche zur Feier des Gründungsjahrestages der PKK, weiter gehen werde, solange diese nicht verboten seien. Seiner Meinung nach trete die PKK – wie auch er selbst – für die Freiheit der Kurden ein und sei nicht terroristisch. Wenn man die PKK als terroristisch ansähe, wäre er auch ein Terrorist. Soweit der Kläger mehrmals darauf hingewiesen hat, dass er aber kein „Vertreter“ der PKK sei, verkennt er, dass es darauf nicht ankommt.
62 
c) Die hiernach maßgeblichen Umstände – die Mitgliedschaft und Vorstandstätigkeiten in den Vereinen „Kurd... V...“ und „E... ...“ und die beschriebenen Teilnahmen an PKK-nahen Veranstaltungen – sind auch noch zu berücksichtigen, soweit sie bereits länger zurückliegen.
63 
Das Verwertungsverbot für getilgte Strafen nach § 51 Abs. 1 BZRG kann schon deshalb nicht greifen, weil der Kläger wegen der angeführten Umstände bzw. Aktivitäten nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Ob seine Teilnahme an einer Demonstration der PKK in Dortmund am 16.03.1996 noch berücksichtigt werden könnte, obwohl die deswegen gegen den Kläger mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 05.03.1998 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verhängte Geldstrafe bereits aus dem Bundeszentralregister getilgt ist, kann hier offen bleiben. Denn auf diese Tat kommt es in Anbetracht der Vielzahl von sonstigen maßgeblichen Tatsachen – wie die Teilnahme an den angeführten Veranstaltungen 2002 bis 2010 und die Vorstandstätigkeit sowie die Mitgliedschaft in den kurdischen Vereinen in H... – hier nicht an. Jedenfalls ist weder bei Unterstützungshandlungen, die strafbar gewesen wären, aber nicht zu einer Verurteilung geführt haben, noch bei den nicht mit einer Strafe bewehrten Aktivitäten eine „fiktive Tilgung“ mit der Folge eines Verwertungsverbots nach § 51 Abs. 1 BZRG vorzunehmen (ausführlich dazu OVG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2010 - 3 Bs 2/10 - InfAuslR 2011, 193, m.w.N.; zu den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.12.2010 - 19 A 1491/05 - AuAS 2011, 89; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2011 - 5 N 30.08 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.05.2009 - 13 S 2428/08 -, juris – auch zum Fall einer möglichen Atypik im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
64 
Die länger zurückliegenden Tätigkeiten des Klägers sowie insbesondere seine Stellung als Vorstand in den Vereinen sind auch nicht aus anderen Gründen nicht mehr „verwertbar“. Insbesondere bestehen keinerlei Anhaltspunkte für einen „Verbrauch“, etwa weil die Ausländerbehörde dem Kläger in Kenntnis der Ausweisungsgründe einen Aufenthaltstitel erteilt hätte (vgl. dazu GK-AufenthG, a.a.O., § 5 AufenthG Rn. 106 ff., m.w.N.). Soweit im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14.02.2011 die Aktivitäten des Klägers und seine Tätigkeiten in den Vereinsvorständen in solche bis zum Jahr 2002 und solche danach aufgeteilt und nur die neueren berücksichtigt worden sind, ist diese Aufteilung nicht nachvollziehbar. Da der Kläger noch im Mai Jahr 2002 als 2. Vorsitzender in den Vorstand des Vereins „E... ...“ gewählt wurde und diese Funktion danach mindestens ein Jahr lang - so seinen eigenen Angaben nach -, ausweislich des Vereinsregisters sogar bis zur Löschung des Vereins im Jahr 2007 innehatte, hätte diese Vorstandsmitgliedschaft ohnehin mit einbezogen werden müssen. Jedenfalls fehlt es schon in Anbetracht der bis heute andauernden Aktivitäten des Klägers in und für PKK-nahe Vereine in H... bzw. für die PKK und seiner fortdauernden Mitgliedschaft in den Nachfolgevereinen des Vereins „Kurd... V...“ an einer Zäsur, die zur Folge haben könnte, dass frühere Unterstützungshandlungen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
65 
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die des § 54 Nr. 5a AufenthG) grundsätzlich weder vom Wortlaut noch nach deren Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefährdung voraussetzt. Eine “gegenwärtige Gefährlichkeit“ muss nur dann festgestellt werden, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind (ausführlich dazu Urteile des Senats vom 25.05.2011- 11 S 308/11 - und vom 21.04.2010 - 11 S 200/11 - jew. a.a.O.). Wegen der fortdauernden Unterstützungshandlungen des Klägers und seiner ständigen Präsenz bei lokalen PKK-Veranstaltungen liegt eine solche im Übrigen hier eindeutig vor.
III.
66 
Die Entscheidung, den Kläger wegen des Vorliegens des Ausweisungsgrundes des § 54 Nr. 5 AufenthG auszuweisen, lässt sich rechtlich nicht beanstanden.
67 
1. Das Regierungspräsidiums ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 55 AufenthG über die Ausweisung zu entscheiden hat.
68 
a) Offen bleiben kann, ob schon deshalb Ermessen auszuüben ist, weil eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gegeben ist. Allerdings geht das Regierungspräsidium zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst davon aus, dass der Kläger jedenfalls derzeit „aus familiären Gründen“ (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), und zwar vor allem im Hinblick auf sein jüngstes, noch minderjähriges Kind A..., welches die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nicht abgeschoben werden kann. Mit Schreiben vom 02.12.2011 hat das dafür zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe erklärt, dass dem Kläger daher eine Duldung erteilt werde. Das Vorliegen eines Duldungsgrundes oder eines Abschiebungsverbots führt zwar nicht zur Unzulässigkeit einer Ausweisung, kann aber atypische Umstände in Bezug auf den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG begründen (so zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG: Beschluss des Senats vom 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - InfAuslR 2011, 19; Urteil des Senats vom 21.07.2010 - 11 S 541/10 - a.a.O., m.w.N.¸ vgl. zur Atypik auch GK-AufenthG, a.a.O., § 54 AufenthG Rn. 50 ff., 124 ff.) mit der Folge, dass der Betreffende nur nach Ermessen ausgewiesen werden kann. Ob deshalb oder aus anderen Gründen von einer Atypik auszugehen ist, bedarf hier aber keiner anschließenden Klärung.
69 
b) Denn die Entscheidung über die Ausweisung des Klägers hat bereits mit Blick auf den dem Kläger zustehenden besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG nach Ermessen zu erfolgen.
70 
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG unstreitig nicht vor, weil der Kläger nicht „im Besitz“ einer Niederlassungserlaubnis ist. Weil er mit seinem jüngsten, am ...2005 geborenen deutschen Sohn A... in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, kommt ihm aber nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG besonderer Ausweisungsschutz zu. Er kann daher nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen solche Gründe in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 AufenthG vor. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ist in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 54 AufenthG vorliegen, nach Ermessen über die Ausweisung zu entscheiden.
71 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Sept. 2011, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Hartnäckigkeit und Unbelehrbarkeit, mit der der Kläger trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter an PKK-nahen Veranstaltungen teilgenommen hat, und der in der mündlichen Verhandlung von ihm demonstrierten tiefen Verehrung von Öcalan und Anhängerschaft zur PKK ist damit zu rechnen, dass der Kläger weiter die PKK unterstützt.
72 
2. Die danach erforderliche Ermessensentscheidung ist vom Regierungspräsidium in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffen worden (§ 114 Satz 1 VwGO).
73 
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist eine einzelfallbezogene Würdigung und Abwägung der für die Ausweisung sprechenden öffentlichen Belange und der gegenläufigen Interessen des Ausländers unter Beachtung der insbesondere vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK entwickelten Kriterien vorzunehmen (BVerwG, Beschluss vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 - juris, m.w.N.). Dabei sind neben allen ehelichen und familiären Umstände auch andere gewichtige persönlichen Belange (unter dem Aspekt des durch Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens) zu berücksichtigen. Im Übrigen sind bei der nach § 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG zur Ermessensausweisung herabgestuften Regelausweisung die vom Ausländer ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einerseits und dessen private schutzwürdige Belange andererseits auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung umfassend zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - BVerwGE 129, 367, Beschluss vom 21.01.2011 - 1 B 17.10, 1 PKH 8/10 - juris, vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300).
74 
Danach sind hier zugunsten des Klägers in erster Linie seine Familie bzw. seine familiären Bindungen zu berücksichtigen. Seine Ehefrau und fast alle Kinder sind im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Nicht nur der jüngste Sohn A... ist deutscher Staatsgenhöriger; vielmehr hat sich nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat inzwischen auch seine älteste Tochter einbürgern lassen, bei einer anderen laufe derzeit das Einbürgerungsverfahren. Der Kläger hat berichtet, noch mit allen Kindern in einem Haushalt zu leben. Diesen Umständen, denen sicherlich eine aufenthaltsrechtlich erhebliche und weitreichende, durch Art. 6 Abs. 1 Abs. 2 GG und Art. 8 EMRK vermittelte Schutzwirkung zukommt, hat das Regierungspräsidium Stuttgart jedoch hinreichend Rechnung getragen. Im Rahmen der von ihm angestellten und in späteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung ergänzten umfassenden Ermessenserwägungen hat es auch alle anderen relevanten Belange eingestellt und zutreffend gewichtet.
75 
Zwar hat das Regierungspräsidium in der Ausgangsentscheidung noch angenommen, dass der Kläger auch tatsächlich ausreisen müsse. Es hat aber später allein darauf abgestellt, dass er mit Rücksicht auf seine familiäre Situation nicht abgeschoben werden könne. Im Hinblick darauf ist dem Kläger inzwischen die Duldung aus familiären Gründen erteilt worden. In der mündlichen Verhandlung ist zudem die im Bescheid vom 10.06.2010 verfügte Abschiebungsandrohung aufgehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger bis auf Weiteres – das bedeutet jedenfalls solange seinen familiären Belangen insbesondere im Hinblick auf das jüngste deutsche Kind keine geringere Bedeutung einzuräumen ist oder sich andere maßgebliche Umstände ändern – zumindest geduldet wird und seine Familie nicht verlassen muss. Die Ausweisung ist damit schon deshalb auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig anzusehen.
76 
Die Entscheidung, den Kläger auszuweisen, begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil sich das in erster Linie mit einer Ausweisung verfolgte Ziel, die von dem betreffenden Ausländer ausgehende (Wiederholungs-) Gefahr mit der Ausreise zu bannen, hier bis auf Weiteres nicht verwirklichen lässt. Denn immerhin wird mit der Ausweisung zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst bzw. der Erlass entsprechender Überwachungsmaßnahmen ermöglicht (Urteil des Senats vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 - a.a.O.; vgl. auch Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 - a.a.O., ebenso Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.08.2004 - 1 C 25.03 - InfAuslR 2005, 49).
77 
Auch die sonstigen Ermessenserwägungen des Regierungspräsidiums sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vertreterin des beklagten Landes hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die Ausweisungsverfügung selbstständig tragend auf den Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt sei und dass für diese schon allein die angestellten spezialpräventiven Erwägungen ausschlaggebend seien. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts des Klägers und schutzwürdige persönliche wirtschaftliche und sonstige Bindungen (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG) wurden eingestellt und zutreffend gewürdigt. Dabei durfte zu Lasten des Klägers berücksichtigt werden, dass dieser nur sehr schlecht Deutsch spricht, lediglich wechselnden und unqualifizierten Berufstätigkeiten nachgegangen ist und offensichtlich bis heute nur im Umfeld seiner kurdischen Landsleute und „des Vereins“ Umgang und Bekanntschaften pflegt.
78 
Beim Kläger handelt es sich zwar um keine führende Persönlichkeit in der PKK. Angesichts seiner jahrelangen Unterstützung der PKK, der beschriebenen Hartnäckigkeit, mit der er trotz des laufenden Ausweisungsverfahrens weiter einschlägige Veranstaltungen besucht hat, und der deshalb weiter bestehenden gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG erweist sich die Ausweisung aber auch in Ansehung des langjährigen Aufenthalts des Klägers und insbesondere seiner familiären Bindungen nicht als unverhältnismäßig, und zwar selbst dann, wenn der Kläger nicht weiter geduldet würde (vgl. dazu auch die vom EGMR entwickelten sog. „Boultif/Üner-Kriterien, mit denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung plausibel und operationabel gemacht werden kann; vgl. Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 - [Boultif] InfAuslR 2001, 476, vom 18.10.2006 - 46410/99 - [Üner] NVwZ 2007, 1279, vom 23.06.2008 - 1683/04 - [Maslov II] InfAuslR 2008, 333, vom 25.03.2010 - 40601/05 - [Mutlag] InfAuslR 2010, 325, und vom 13.10.2011 - 41548/06 - [Trabelsi]).
IV.
79 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
80 
Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht odernicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
81 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/ Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
82 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
83 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).
84 
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
85 
Die hier vom Senat allein zu beurteilende Ausweisungsverfügung bleibt nach dem Vorgesagten aber hiervon unberührt.
B)
86 
Die Klage gegen die die Meldeauflage sowie die räumliche Beschränkung unter Ziffer 4 des Bescheids vom 10.06.2010 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig angesehen worden. Beide Verfügungen stellen die gesetzlichen Pflichten des § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 54a Abs. 2 AufenthG konkretisierende Regelungen dar (ebenso Urteil des Senats vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - a.a.O.).
87 
Die Klage ist jedoch auch insoweit unbegründet. Zwar setzen beide Maßnahmen voraus, dass die Ausweisung sofort vollziehbar ist (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 29.11.2010 - 11 S 2481/10 - juris). Dementsprechend wurde auch unter Ziffer 5 des Bescheids vom 10.06.2011 die sofortige Vollziehung angeordnet, weshalb zum Zeitpunkt ihres Erlasses die Verfügung unter dem hier zu behandelnden Aspekt nicht zu beanstanden war. Allerdings wurde mit Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 19.11.2010 (11 K 2430/10 - juris) unter anderem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausweisung wiederhergestellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung nunmehr allein wegen der fehlenden Vollziehbarkeit der Ausweisung vorübergehend als rechtswidrig anzusehen wären. Denn mit Eintritt der Rechtskraft des Senatsurteils wäre die Erlassvoraussetzung der Vollziehbarkeit wieder erfüllt. Namentlich müsste in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden in einem von den Beteiligten angestrengten Revisionsverfahren das Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung mit ihrem Erlass notwendigerweise rechtkräftig wird, die Klage gegen die auf § 54a AufenthG gestützten Maßnahmen als unbegründet abweisen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung galt bzw. gilt lediglich vorläufig – bis zum Eintritt der Bestands- bzw. Rechtskraft der Ausweisung. Dies legt ein Verständnis der aufschiebenden Wirkung nahe, nach welchem auch die Folgemaßnahmen nach § 54a AufenthG vom Wiedereintritt der aufschiebenden Wirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung bezüglich der Ausweisung in ihrer Wirksamkeit nur vorläufig suspendiert sind, selbst wenn die aufschiebende Wirkung insoweit nicht ausdrücklich angeordnet wurde (ebenso zu vergleichbaren verwaltungsverfahrensrechtlichen Konstellationen Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 80 Rn. 31; Bader, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80 Rn. 23). Schließlich würden die Meldepflicht und die räumliche Beschränkung nach § 54a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG auch ohne Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, wie sie hier erfolgt ist, unmittelbar mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung kraft Gesetzes (wieder) eintreten. Weitergehende Rechtswirkungen müssen der aufschiebenden Wirkung im Interesse des Betroffenen, insbesondere aus Gründen effektiver Rechtsschutzgewährung, nicht beigemessen werden.
88 
In Anbetracht der Rechtmäßigkeit der Ausweisung und der aktuell bestehenden Gefahr weiterer Unterstützung der PKK durch den Kläger lassen sich die Meldeauflage und die räumliche Beschränkung auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden; sie verstoßen insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
89 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
90 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
91 
Beschluss
92 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 und 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
93 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
10 
Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
11 
Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
12 
Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
13 
Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
14 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
15 
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
16 
Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
17 
Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
18 
Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
19 
Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
20 
- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
21 
Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
22 
Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
23 
Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.05.2010 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet und gegen die ihm auferlegte Meldeauflage.
Der am ....1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 07.12.1994 in das Bundesgebiet ein. Am 13.12.1994 beantragte er die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 26.01.1995 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und droht dem Kläger mit einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei an. Mit Urteil vom 02.11.1995 - A 3 K 10370/95 - verpflichtete das VG Freiburg das Bundesamt festzustellen, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Entsprechend dieser gerichtlichen Verpflichtung stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 27.12.1995 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Vom 17.01.1996 bis zum 16.01.2006 war der Kläger im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen. Am 10.10.2005 beantragte er bei der damals zuständigen Stadt Mannheim die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Am 18.05.2006 fand bei der Ausländerbehörde der Stadt Mannheim eine Sicherheitsbefragung statt. Zur Klärung weiterer Fragen wurde am 08.11.2006 ein Sicherheitsgespräch angesetzt. Mit Bescheid vom 06.07.2007 lehnte die Stadt Mannheim den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab und drohte dem Kläger mit einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei an. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 17.07.2007 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2007 zurück. Die hierauf erhobene Klage wies das VG Karlsruhe mit Urteil vom 29.04.2008 - 11 K 3727/07 - ab. Mit Beschluss vom 04.09.2008 - 11 S 1656/08 - ließ der VGH Baden-Württemberg auf den Antrag des Klägers die Berufung gegen das Urteil des VG Karlsruhe vom 29.04.2008 zu, soweit es seine Klage auf Verpflichtung zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie gegen die verfügte Abschiebungsandrohung abgewiesen hat. Mit Schriftsatz vom 21.10.2008 hat der Kläger die zugelassene Berufung zurückgenommen. Am 01.09.2008 ist der Kläger in den Zuständigkeitsbereich der Landeshauptstadt Stuttgart verzogen.
Der Kläger lebt mit einer türkischen Staatsangehörigen, mit der er im Rahmen einer Iman-Ehe verheiratet ist, in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zusammen. Aus dieser Beziehung sind sieben Kinder hervorgegangen, mit denen der Kläger in häuslicher Gemeinschaft lebt. Für die Lebensgefährtin des Klägers und seine Kinder wurden die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG durch das Bundesamt festgestellt. Sie sind im Besitz von Reiseausweisen für Flüchtlinge sowie einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG.
Am 25.11.2008 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt Stuttgart die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis. Mit Schreiben vom 09.09.2009 teilte die Landeshauptstadt Stuttgart dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt werden könne.
Das Regierungspräsidium Stuttgart teilte der Landeshauptstadt Stuttgart per E-Mail vom 14.09.2009 mit, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abzulehnen sei, da die Voraussetzungen des Ausweisungstatbestandes des § 54 Nr. 5 AufenthG gegeben seien. Der Kläger hat daraufhin am 18.02.2010 Untätigkeitsklage gegen die Landeshauptstadt Stuttgart erhoben (Az.: 11 K 575/10), nachdem die Beteiligten die am 04.06.2009 erhobene Untätigkeitsklage aufgrund der von der Landeshauptstadt Stuttgart abgegebenen Zusage zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG übereinstimmend für erledigt erklärt hatten (vgl. VG Stuttgart, Beschl. v. 30.09.2009 - 11 K 2155/09 -).
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte mit Schreiben vom 02.10.2009 mit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Begünstigung nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylVerfG nicht vorliegen und das eingeleitete Aufhebungsverfahren formlos eingestellt wurde.
Mit Bescheid vom 06.05.2010 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und verpflichtete diesen, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 7, Ludwigsburger Straße 126, 70435 Stuttgart unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden und beschränkte den Aufenthalt des Klägers bis zu seiner Ausreise auf das Stadtgebiet Stuttgart. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe sich nach den Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz sowie des Landeskriminalamtes bzw. der Polizei in der Zeit von 1996 bis 2009 aktiv an zahlreichen PKK-Veranstaltungen sowie an Veranstaltungen des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins in Mannheim beteiligt. Außerdem hätten Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im Zusammenhang mit seiner PKK-Zugehörigkeit gestanden. Er habe am 12.02.1996 anlässlich einer Großdemonstration in Stuttgart zu einer Gruppe von ca. 30 Personen gehört, die Parolen wie „es lebe die PKK“ und „Deutsche Polizisten schützen Mörder und Faschisten“ kandiert habe. Der Kläger und auch andere Personen hätten eine Fahne der ERNK geschwenkt. Ein von der Landespolizeidirektion Stuttgart II gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz, Asylverfahrensgesetz und wegen Beleidigung sei von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingestellt worden. Nach einer Mitteilung der Polizeidirektion Offenburg sei der Kläger mit zwei anderen Personen verdächtigt worden, am 19.08.1996 in Offenburg gemeinschaftlich einen Kurden durch Faustschläge und Fußtritte derart verletzt zu haben, dass dieser sich in ärztliche Behandlung habe begeben müssen. Das Ermittlungsverfahren sei von der Staatsanwaltschaft Offenburg jedoch eingestellt worden. Durch die Polizeidirektion Offenburg sei bekannt geworden, dass sich der Kläger mit fünf weiteren Kurden an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin zum Zwecke von deren Ausbildung im Sinne der PKK beteiligt habe. Er sei deshalb am 02.07.1997 festgenommen worden. Auch dieses Verfahren gegen den Kläger sei durch die Staatsanwaltschaft Offenburg eingestellt worden. Der Kläger habe am 15.07.2001 im Rahmen der PKK-Identitätskampagne eine Selbsterklärung unterzeichnet. Weiter habe er am 17.08.2003 in Heilbronn an einer Versammlung von Anhängern der PKK teilgenommen. Dabei sei dieser Organisation anlässlich des 19. Jahrestages ihrer Aufnahme des bewaffneten Kampfes gratuliert und das Protokoll einer Ratsversammlung verlesen worden. Am 11.02.2006 habe der Kläger anlässlich des 7. Jahrestages der Verhaftung von Öcalan in Straßburg an einer Demonstration mit Kundgebung teilgenommen. Dort seien Transparente und Bilder von Öcalan gezeigt und einschlägige Parolen skandiert worden. Schließlich habe der Kläger am 29.11.2009 in Mannheim an einer Veranstaltung von PKK-Anhängern anlässlich des 31. Jahrestages der PKK-Gründung teilgenommen. Die Halle sei u. a. mit Öcalan-Bildern und Fahnen der Koma Civaken Kurdistan geschmückt gewesen. In politischen Liedern seien der Parteigründungstag und die Geschichte der PKK thematisiert worden. Der Kläger erfülle den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Eine Privilegierung nach ARB 1/80 liege nicht vor. Der Kläger habe die verbotene, kriminelle und terroristische PKK jahrelang aktiv unterstützt und von ihm gehe ein entsprechendes extremistisches und terroristisches Gefährdungs- und Gefahrenpotential aus. Die PKK sei auf der EU-Terrorliste aufgeführt. Dies begründe eine Bindungswirkung. Unabhängig hiervon habe die PKK terroristische Handlungen bis in die Gegenwart begangen. Der Kläger habe die PKK auch unterstützt. Schon in jungen Jahren sei er in der Türkei mit dieser Organisation in Kontakt getreten. Seit 1989 sei er in der Türkei für die PKK aktiv tätig gewesen. Zuletzt habe er sich in den Bergen versteckt und für die Guerilla gearbeitet. Er habe sich früh eine gefestigte politische militante Ideologie im Sinne der PKK angeeignet und sei bereit gewesen, für die Zielsetzungen der PKK verhaftet und verfolgt zu werden. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet habe er bereits Anfang 1996 PKK-Parolen skandiert und eine ERNK-Fahne geschwenkt. Am 19.08.1996 habe er im Rahmen einer Bestrafungsaktion der PKK einen Kurden tätlich angegriffen und verletzt. Ein Jahr später habe er sich zusammen mit fünf weiteren Kurden und PKK-Aktivisten an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin beteiligt. Den jeweiligen Verfahrenseinstellungen durch die Staatsanwaltschaft komme keine Bedeutung zu, da § 54 Nr. 5 AufenthG weder ein Verschulden erfordere noch voraussetze, dass die Handlungen strafbar bzw. strafgerichtlich geahndet worden seien. Bei diesen Vorfällen handele es sich um politisch-militante Unterstützungshandlungen des Klägers. Seine Zugehörigkeit zur PKK habe der Kläger durch die Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung am 15.07.2001 bestätigt. Schließlich habe der Kläger noch an Veranstaltungen am 17.08.2003, 11.02.2006 und am 29.11.2009 teilgenommen, die in einem militant-extremistischen Kontext zur PKK gestanden hätten. Die erforderliche Zurechenbarkeit liege vor, da dem Kläger aus seinem Gesamtverhalten erkennbar gewesen sei, dass er mit seinen Handlungen die Zielsetzungen der PKK billige. Die vielfältigen Aktivitäten des Klägers begründeten die Prognose einer fortbestehenden politisch-extremistischen Gefahr, die vom Kläger ausgehe. Die beim Kläger zu prognostizierende gegenwärtige Gefährlichkeit könne nur ausgeschlossen werden, wenn er sich eindeutig, glaubhaft und endgültig von der terroristischen Vereinigung distanziert habe. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er habe bis heute kein Unrechtsbewusstsein und auch keine Einsicht in seine zugunsten der PKK ausgeführten Aktivitäten. Beim Kläger liege auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG vor. Der Kläger gefährde die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Die PKK sei im Bundesgebiet trotz ihres Verbots durch den Bundesminister des Innern vom 22.11.1993 aktiv tätig. Der Kläger müsse sich die von der PKK ausgehende Gefährdung persönlich zurechnen lassen, da seit seiner Jugend in subjektiver und objektiver Hinsicht eine fortlaufende Verbindung zu dieser Organisation bestehe. Mit der Betätigung für die PKK habe sich der vereinsrechtliche Verbotsgrund der Gefährdung der Sicherheit in der Person des Klägers konkretisiert. Er müsse sich die von der PKK ausgehende Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, deren politische Ziele gegen elementare Verfassungsgrundsätze gerichtet seien, persönlich zurechnen lassen. Schließlich liege auch der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG vor. Der Kläger habe falsche und unvollständige Angaben über Verbindungen zur PKK und zu dieser Organisation nahestehenden Personen gemacht. Er habe bei der Sicherheitsbefragung am 18.05.2006 die Frage zur Mitgliedschaft hinsichtlich der PKK mit nein angekreuzt und die Unterstützung der PKK oder ihr nahestehender Personen mit nein beantwortet. Außerdem habe er Kontakte zur PKK und ihr nahestehender Personen verneint. Aufgrund des dem Kläger zustehenden Flüchtlingsstatus sei die Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der Sicherheit und Ordnung zulässig. Derartige Gründe seien aber bei Vorliegen der Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG in der Regel gegeben. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Die vom Kläger ausgehende Gefährdung bestehe im Hinblick auf die fehlende Distanzierung nach wie vor. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung überwiege das öffentliche Interesse an der Ausweisung das private Interesse des Klägers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Es bestehe ein gewichtiges öffentliches Sicherheitsinteresse, die vom Kläger persönlich ausgehende nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter durch seine Ausweisung abzuwehren. Nach dem gesamten Verhalten des Klägers und aufgrund der fehlenden inneren und äußeren Abkehr bestehe eine konkrete Gefahr. Im Hinblick auf die gefährdeten Rechtsgüter reiche die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus; dies sei aufgrund der zu Tage getretenen grundsätzlichen Gewaltbereitschaft des Klägers zu bejahen. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Zwecken geboten. Der Schwächung und Zerschlagung der kriminellen, verbotenen und terroristischen PKK komme eine überragende Bedeutung zu. In spezialpräventiver Hinsicht sei beim Kläger von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen, da er nach seinem gesamten Werdegang und seiner gesamten Persönlichkeit in starkem Maße geprägt erscheine von der Idee, für die kurdische Sache und die PKK auch gewalttätig einzutreten und sich hiervon bislang nicht losgesagt habe. Zwar halte sich der Kläger seit fünfzehn Jahren im Bundesgebiet auf. Von einer wirtschaftlichen Integration in den hiesigen Arbeitsmarkt könne jedoch keine Rede sein. Er habe weder einen Beruf erlernt noch eine Berufsausbildung durchlaufen. Kurze Arbeitsphasen hätten sich mit Phasen des Bezugs von Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld abgewechselt. Er besitze auch nur bruchstückhafte Kenntnisse der deutschen Sprache; dies belege eine mangelnde Integrationsbereitschaft. Der Kläger pflege auch Bekanntschaften nur im türkischen bzw. kurdischen und PKK-nahen Umfeld. Eine Legalisierung der nach deutschem Recht nicht anerkannten Iman-Ehe habe der Kläger bislang nicht herbeigeführt; damit lehne der Kläger deutsche Lebensverhältnisse ab. Die vom Kläger und seiner Ehefrau gelebte eheliche Lebensgemeinschaft genieße nur einen abgeschwächten Schutz. Der Ehefrau des Klägers sei zumutbar, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei fortzuführen. Entsprechendes gelte für die gemeinsamen Kinder. Die Ausweisungsentscheidung stehe auch mit Art. 8 EMRK in Einklang. Bei der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Bundesgebiet nur eingeschränkt verwurzelt sei und gleichzeitig eine Entwurzelung in der Türkei nicht bestehe. Der Kläger habe seit seiner Einreise in das Bundesgebiet vielfältige berufliche und soziale Kontakte zu türkischen bzw. kurdischen Landsleuten gepflegt, außerdem habe er noch zahlreiche in der Türkei lebende Familienangehörige. Sein Festhalten an der nach türkischer Tradition vor einem Iman geschlossenen Ehe zeige, dass er dem türkischen Brauchtum verhaftet sei. Der Kläger habe seine gesamte Kindheit und Jugend in der Türkei verbracht. Zudem hätten die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Terrorismusbekämpfung gemäß Art. 30 Abs. 1 Wiener Vertragskonvention i.V.m. Art. 103 der Charta der Vereinten Nationen Vorrang vor den Verpflichtungen der EMRK. Das dem Kläger zustehende Abschiebungsverbot stehe der Ausweisung nicht entgegen. Seit der Feststellung des Abschiebungsverbots seien etwa fünfzehn Jahre vergangen. Zwischenzeitlich hätten sich die politischen Verhältnisse in der Türkei grundlegend geändert. Es seien kontinuierliche Verbesserungen und Reformen in der Türkei im Bereich der Strafverfolgung und des Justizvollzugs zu verzeichnen. Ein Auslieferungsersuchen der Türkei oder ein Haftbefehl gegen den Kläger lägen nicht vor, so dass es an konkreten Anhaltspunkten dafür fehle, dass dieser bei einer Rückkehr an der Grenze zur Türkei verhaftet, inhaftiert und möglicherweise gefoltert würde oder generell bei einer Rückkehr in die Türkei politischer Verfolgung ausgesetzt wäre. Er habe in der PKK keine hochrangige Kader- und Funktionärsfunktion innegehabt, so dass der Kläger nicht dem Personenkreis zuzurechnen sei, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungsmaßnahmen und Folter in der Türkei zu befürchten hätte. Der Aufenthalt des Klägers sei gemäß § 54 a Abs. 2 AufenthG kraft Gesetzes auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde Stuttgart beschränkt. Gemäß § 54 a Abs. 1 AufenthG unterliege der Kläger der gesetzlichen Verpflichtung, sich einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden.
Am 18.05.2010 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, seit dem 01.01.2010 sei er unbefristet bei einer Firma in Waiblingen beschäftigt. Aufgrund der verhängten Meldeauflage und der Aufenthaltsbeschränkung könne er dieser Beschäftigung nicht weiter nachgehen. Die Ausweisungsverfügung sei rechtsfehlerhaft. Zu keinem Zeitpunkt sei er gewalttätig in Erscheinung getreten und er habe sich in der kurdischen Szene auch nicht hervorgehoben betätigt. Auf die viele Jahre zurückliegenden Ermittlungsvorgänge könne sich der Beklagte nicht berufen, da sie weder zu einer Anklage noch zu einer Verurteilung geführt hätten. Die schon vierzehn Jahre zurückliegende Demonstration vom 12.02.1996 habe keine Anhaltspunkte für strafrechtliche Ermittlungen ergeben. Konkrete Hinweise darauf, dass er bestimmte Parolen gerufen oder eine PKK-Fahne getragen habe, gebe es nicht. An einer Veranstaltung am 29.11.2009 in Mannheim habe er nicht teilgenommen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nach Mannheim keinen Kontakt mehr gehabt, da er schon länger als ein Jahr in Stuttgart gewohnt habe. Für ihn habe nicht der geringste Anlass bestanden, für eine solche Veranstaltung nach Mannheim zu fahren, zumal eine entsprechende Veranstaltung in Stuttgart durchgeführt worden sei. Alle Sachverhalte bis zum Jahr 2006 könnten für eine Ausweisungsentscheidung nicht mehr herangezogen werden. Denn das Regierungspräsidium Karlsruhe habe aufgrund der Sicherheitsbefragung am 08.11.2006 bewusst auf eine Ausweisung verzichtet.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.05.2010 aufzuheben.
12 
Der Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Er wiederholt im Wesentlichen den Inhalt des angefochtenen Bescheids. Ergänzend trägt er vor, das beim Kläger bestehende Abschiebungsverbot sei gemäß seiner Bedeutung in die Ermessensentscheidung einzustellen. Die im Falle einer Rückkehr in die Türkei bestehende Gefahr einer Bedrohung des Lebens und der Freiheit des Klägers wegen seiner politischen Überzeugung werde nicht verkannt. Diesen drohenden Nachteilen und Gefahren werde mit der zeitweisen Aussetzung der Abschiebung Rechnung getragen. Aus der derzeitigen Gefährdungslage folge nicht, dass die vollziehbare Ausreisepflicht auf Dauer nicht vollstreckt werden könne. Es könne davon ausgegangen werden, dass mit zunehmendem Zeitablauf die begonnenen Reformen in der Türkei Platz greifen und umgesetzt würden, so dass sich für den Kläger die dortige Gefährdungssituation abschwächen könne. Der Kläger habe schwerwiegende Ausweisungsgründe verwirklicht. Deshalb sei den ihm bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden Gefahren eine verminderte Gewichtung zuzuschreiben. Der Flüchtlingsschutz der Familienangehörigen des Klägers könne durch die Ausweisung des Klägers nicht betroffen sein, da es nicht um die Ausweisung der Familienangehörigen gehe. Auch wenn der Schutzbereich des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK in Folge des asylrechtlichen Schutzes der Familienangehörigen stärker betroffen sei, führe dieser zu berücksichtigende Ermessensbelang nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung. Da die Familienangehörigen über keinen Daueraufenthaltstitel verfügten, sei deren Vertrauen auf einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet nicht begründet. Von einer Zumutbarkeit der Fortführung der ehelichen und familiären Lebensgemeinschaft in der Türkei sei daher nach wie vor auszugehen. Bei einem Terrorismusverdacht trete der Schutz von Ehe und Familie hinter das höhere öffentliche Sicherheitsinteresse zurück. Auch bei Ausländern, bei denen ein Abschiebungsverbot vorliege, sei die Ausweisung zur Erreichung eines spezialpräventiven Zwecks geeignet. Die Rechtsfolgen der Ausweisung trügen dazu bei, dass der Ausländer sich künftig ordnungsgemäß verhalte, auch wenn derzeit seine Abschiebung nicht möglich sei. Nur durch eine Meldeauflage und eine räumliche Beschränkung könnten die terrorgeneigten und staatsgefährdenden Aktivitäten des Kläger unterbunden werden. Die Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften nähmen deutlich zu. Beobachtern zufolge ähnele die derzeitige Situation derjenigen Anfang der neunziger Jahre, als der Höhepunkt an bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften erreicht worden sei.
15 
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin S vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
16 
Mit Beschluss vom 23.07.2010 - 11 K 1927/10 - hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.05.2010 wiederhergestellt.
17 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörenden Behördenakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
19 
Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 und Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 227). Durch die Zeitpunktverlagerung sind bei der Anfechtung einer Ausweisung während des gerichtlichen Verfahrens bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt neu eingetretene Tatsachen - sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Ausländers - zu berücksichtigen.
20 
Das Regierungspräsidium ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 (BGBl. I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG. Durch Streichung des Attributs „international“ im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - NVwZ 2009, 1162 unter Verweis auf BT-Drucks. 15/420 S. 70).
21 
Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Terrorismus die politisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger im Rahmen längerfristiger Strategien, um mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern (vgl. VGH München, Beschluss v. 18.07.2006 - 19 C 06.1496 - juris). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Verfolgung politischer Ziele angesehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114; Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O. und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Auch aus der Sicht der Vereinten Nationen gehören jedenfalls Angriffe auf das Leben unschuldiger Menschen (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten, die als terroristisch eingestuft werden müssen (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris - m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene kann bei der Abgrenzung einer terroristischen von einer politischen Straftat zudem auf die Definition zurückgegriffen werden, auf die sich die Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O.). Danach werden bestimmte vorsätzliche Handlungen (etwa Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person) dadurch zu „terroristischen Handlungen“, dass sie - erstens - durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und sie - zweitens - mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigter Weise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2001/931/GASP - ABl EG Nr. L 344 v. 28.12.2001 S. 93).
22 
Zwar ist die PKK in die europäische Liste der Terrororganisationen aufgenommen worden. Dieser Auflistung terroristischer Organisationen kommt indes keine Bindungswirkung zu.
23 
Der Rat der Europäischen Union erließ am 27.12.2001 in der Erwägung, dass die Europäische Gemeinschaft tätig werden müsse, um die Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen umzusetzen, die Gemeinsamen Standpunkte 2001/930/GASP über die Bekämpfung des Terrorismus (ABl. EG Nr. L 344 S. 90) und 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl EG Nr. L 344 S. 93). Der Gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP) in seiner jeweils aktualisierten Fassung, zuletzt Beschluss des Rates vom 12.07.2010 (2010/386/GASP, ABl. EU Nr. L 178 S. 28), enthält eine Auflistung terroristischer Organisationen.
24 
Die PKK ist seit dem Jahr 2002 im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aufgeführt (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2002/340/GASP des Europäischen Rates vom 17.06.2002, ABl. EG Nr. L 160 S. 32). Hieran hat der Europäische Rat trotz der Beanstandung durch den EuGH (vgl. Urt. v. 18.01.2007 - C-229/05 - PKK u. KNK/Rat der EU - Slg 2007 I - 439 -) festgehalten (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2009/1004/GASP des Europäischen Rates vom 22.12.2009, ABl. EU L 346 S. 58).
25 
Gemeinsame Standpunkte entfalten jedoch nur eine völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten, ihre Außen- und Sicherheitspolitik an dem Gemeinsamen Standpunkt auszurichten (Art. 29 Satz 2 EUV). Ein Gemeinsamer Standpunkt kann keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten (vgl. EuGH, Urt. v. 27.02.2007 - C-355/04 - Segi/Rat - Slg. 2007 I - 1662). Dem Gemeinsamen Standpunkt kommt deshalb eine rechtliche Bindungswirkung nicht zu (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
26 
Die in den Art. 2 und 3 des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP vorgesehenen Maßnahmen wurden allerdings auf der Grundlage der Art. 60, 301 und 308 EGV (nunmehr Art. 75 und 215 AEUV) durch die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) umgesetzt. Diese Verordnung wurde zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 (ABl. EU Nr. L 178 S. 1). Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 und der nachfolgenden Durchführungsverordnungen wurden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen sind (im Folgenden „EU-Terrorliste“). Zu diesen gelisteten Organisationen zählt auch die PKK.
27 
Zwar ist eine EU-Verordnung verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 aufgeführt sind, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der PKK als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung sind in dieser Verordnung indes nicht geregelt (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
28 
Ein Weiteres kommt hinzu: Die EU-Terrorliste wird von einem geheim tagenden Gremium des Ministerrats erstellt; eine unabhängige Beurteilung der Fälle auf der Grundlage gesicherter Beweise findet nicht statt (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/ recht/eurst047.html). Weiter sind die Kriterien, nach denen die Listen erstellt werden, undurchsichtig; die Einstufung hängt nicht selten von politischen, ökonomischen und militärischen Interessen ab (vgl. www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Terrorliste_der_EU). So wurden die iranischen Volksmudschaheddin im Jahre 2002 auf Druck des Iran in die EU-Terrorliste aufgenommen, um mit dem Iran lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen und das iranische Regime zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/ eurst047.html). Andererseits ist die libanesische Hisbollah in der EU-Terrorliste nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament dies wegen nachgewiesener terroristischer Aktivitäten in einer Entschließung vom 08.03.2005 gefordert hat; der EU-Rat kam dieser Forderung gleichwohl aus politischen, diplomatischen und taktischen Gründen nicht nach (vgl. www.zum-leben.de/aktuell/terrorliste.pdf.; http://de.wikipedia.org/wiki/Hisbollah; VG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2009 - 11 K 18/09). Schließlich fällt auf, dass die baskische Gruppierung ETA nicht mehr auf der aktuellen EU-Terrorliste erscheint, obwohl diese Organisation bekanntermaßen nach wie vor durch Bombenanschläge in Erscheinung tritt. Von einem transparenten Listungsverfahren kann somit keine Rede sein (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
29 
Zudem scheidet eine Bindungswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 auch im Hinblick auf Art 19 Abs. 4 GG aus. Denn ein Ausländer ist individuell nicht in der Lage, eine gerichtliche Klärung der Aufnahme einer Organisation in die EU-Verordnung herbeizuführen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris). Gegen eine Bindungs- und Tatbestandswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 spricht auch, dass es keine den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare Vorgabe gibt (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
30 
Die Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste besagt somit nur, dass die PKK nach Auffassung des Europäischen Rates auch noch gegenwärtig eine terroristische Organisation ist. Auch wenn einer solchen Feststellung nicht unerhebliches Gewicht zukommt, ist dieser Umstand gleichwohl nicht geeignet, eine eigenständige Prüfung seitens der Gerichte (und Behörden) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel entbehrlich zu machen (vgl. VGH München, Beschluss v. 08.05.2009 - 19 CS 09.268 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 -juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
31 
Eine solche eigenständige Prüfung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid vorgenommen und überzeugend dargelegt, dass die PKK bis in die Gegenwart als eine Vereinigung angesehen werden kann, die den Terrorismus unterstützt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Diese Einschätzung wird in der Rechtsprechung überwiegend geteilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114 und Beschl. v. 25.11.2008 - 10 C 46/07 - NVwZ 2009, 592; VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris - und Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
32 
Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, mit Blick auf ihre politisch-strategische Neuausrichtung nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 - 3 StR 94/04 - NJW 2005, 80; KG Berlin, Urt. v. 23.01.2008 - 2 StE 6/07- 6 - juris -; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 -1/07), ändert hieran nichts (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129 a, 129 b StGB (vgl. Discher in: GK-AufenthG II - § 54 RdNr. 462). Im Rahmen des § 54 Nr. 5 AufenthG ist zudem unerheblich, ob es sich um Terrorismus im Bundesgebiet oder im Ausland handelt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.03.2008 - 11 LB 203/06 - InfAuslR 2009, 54).
33 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Stuttgart hat der Kläger die PKK jedoch nicht unterstützt.
34 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, auswirkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
35 
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Unterstützung der PKK durch den Kläger nicht feststellbar. Der Beklagte hält dem Kläger vor, er sei schon in der Türkei seit dem Jahr 1989 für die PKK tätig gewesen; dort habe er Kurierdienste übernommen, Lebensmittel und Kleidung besorgt sowie Flugblätter verteilt. Diese Handlungen werden aber schon deshalb von § 54 Nr. 5 AufenthG nicht erfasst, da sie lange vor Inkrafttreten dieser Bestimmung getätigt wurden und dem Kläger nur solche Verhaltensweisen vorgeworfen werden können, auf die er sich im Hinblick auf die bestehende Rechtslage einstellen kann.
36 
Soweit der Beklagte dem Kläger Aktivitäten für die PKK im Bundesgebiet vorhält, sind diese entweder nicht erwiesen oder aber nicht als schädliche Unterstützungshandlungen zu bewerten. Im Einzelnen:
37 
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger am 12.02.1996 anlässlich einer Großdemonstration in Stuttgart Parolen wie „es lebe die PKK“ und „Deutsche Polizisten schützen Mörder und Faschisten“ skandiert und eine Fahne der PKK geschwenkt hat. Ein diesbezügliches Verhalten hat der Kläger beim durchgeführten Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vehement abgestritten. Der materiell beweispflichtige Beklagte hat für die Richtigkeit seines Vorbringens keinerlei Beweis angetreten. Im Übrigen wurde das diesbezügliche Ermittlungsverfahren eingestellt. Zwar greift bei einem strafrechtlichen Verhalten, das nicht zu einer Verurteilung des Ausländers geführt hat, das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG nicht ein; auch eine analoge Anwendung des Verwertungsverbots scheidet aus. Gleichwohl ist eine Straftat, die nicht zu einer Verurteilung geführt hat und nicht mehr zu einer Verurteilung führen kann, unberücksichtigt zu lassen, wenn die Verfehlung länger zurückliegt und im Falle einer Verurteilung aller Voraussicht nach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.1996 - 1 C 12/95 - BVerwGE 101, 24; VGH Mannheim, Urt. v. 08.07.2009 - 13 S 358/09). Für den vom Beklagten geltend gemachten Vorfall vom 12.02.1996 kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren herangezogen werden (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 a BZRG), so dass die Verfehlung vom 12.02.1996 unabhängig vom Wahrheitsgehalt nicht mehr berücksichtigt werden darf. Entsprechendes gilt in Bezug auf das strafrechtliche Verhalten des Klägers am 19.08.1996. An diesem Tag soll der Kläger nach dem Vorbringen des Beklagten einen anderen Kurden durch Faustschläge und Fußtritte verletzt haben. Auch das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da die Täterschaft des Klägers nicht nachweisbar war.
38 
Das Gericht ist weiter nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Juli 1997 an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin zum Zwecke von deren Ausbildung im Sinne der PKK beteiligt war. Denn auch das insoweit gegen den Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Im Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Offenburg vom 15.09.1997 heißt es ausdrücklich, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Betroffene Angaben unter Druck gemacht habe. Für die substanzlose entgegengesetzte Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart fehlt jeglicher Nachweis.
39 
Der Kläger soll nach dem Vortrag des Beklagten zudem am 17.08.2003 in Heilbronn und am 19.11.2009 in Mannheim an einer Veranstaltung von Anhängern der PKK teilgenommen haben. Dies hat der Kläger indes nachhaltig bestritten. Die Erkenntnisse des Beklagten über die angebliche Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 gehen auf Wahrnehmungen einer Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zurück. Diese Gewährsperson ist als unmittelbarer Zeuge nicht erreichbar. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass auch Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als „Zeugenaussage vom Hörensagen“ in den Prozess eingeführt werden, grundsätzlich berücksichtigt werden können. Die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen unterliegt aber besonderen Anforderungen, die auf dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sie die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Die Angaben der Gewährsperson genügen danach regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte - die etwa im Blick auf Einlassungen des Betroffenen oder in Gestalt objektiver Umstände gegeben sein können - gestützt oder bestätigt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250; Beschl. v. 11.04.1991 - 2 BvR 196/91 - NJW 1992, 168; Beschl. v. 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448 und Beschl. v. 21.08.1996 - 2 BvR 1304/96 - NJW 1997, 999). Diese für den Strafprozess entwickelten Grundsätze gelten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 02.05.1984 - 10 S 1739/82 - NJW 1984, 2429; Urt. v. 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - EzAR 277 Nr. 10 und Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris -).
40 
Nach diesen Maßstäben genügen die Angaben der Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht, die angeblichen Teilnahmen des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 zu erweisen, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt werden. Der Kläger hat während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gibt es nicht.
41 
Der Kläger hat allerdings unstreitig am 15.07.2001 die „PKK-Selbsterklärung“ unterzeichnet. Es bestehen bereits Zweifel, ob die Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ objektiv eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2007 - 5 C 20/05 - BVerwGE 128, 140). Jedenfalls fehlt es insoweit an dem erforderlichen subjektiven Moment. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ tatsächlich die PKK unterstützen wollte. Der Kläger hat beim Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vorgetragen, ein Freund habe ihm gesagt, es gehe um die kurdische Sache, er unterschreibe nicht für die PKK. Da der Kläger Analphabet ist und die deutsche Sprache - wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat - nur bruchstückhaft versteht, ist nicht anzunehmen, dass der Kläger den umfangreichen und schwierigen, teilweise hochintellektuellen deutschen Text verstanden und ihn vor seiner Unterschriftsleistung nachvollzogen hat. Vielmehr ist glaubhaft, dass der Kläger - wie von ihm geltend gemacht - dem durch Landsleute vermittelten friedlichen Inhalt aufgesessen ist. Allein aus der Existenz der klägerischen Unterschrift unter der „PKK-Selbsterklärung“ kann daher nicht der Schluss gezogen werden, der der deutschen Schriftsprache nicht mächtige Kläger habe unabhängig von den mündlichen Erläuterungen des ihn bedrängenden Freundes die Zusammenhänge und die Bedeutung einer vom ihm zu erbringenden Unterstützungshandlung zutreffend einordnen können oder dies jedenfalls müssen.
42 
Schließlich hat der Kläger unstreitig am 11.02.2006 an einer Demonstration mit Kundgebung anlässlich des siebten Jahrestages der Verhaftung Öcalans in Straßburg teilgenommen. Diese Demonstrationsteilnahme stellt aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG dar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass er an der Demonstration in Straßburg lediglich zur Unterstützung der kurdischen Belange, nicht aber wegen der PKK teilgenommen habe. Das bloße Werben um Verständnis für die von politisch Gleichgesinnten im Heimatland verfolgten Ziele oder vergleichbare, auf die Beeinflussung des „Meinungsklimas“ gerichtete Verhaltensweisen können nicht als Unterstützungshandlungen gewertet werden (vgl. VGH München, Urt. v. 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris -). Zudem fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114). Der Kläger ist allein durch die Teilnahme an der Demonstration am 11.02.2006 auch nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten; eine solche innere Nähe läge nur dann vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies ist aber, wie dargelegt, hier nicht der Fall. Liegen somit - wie vorliegend - lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützen oder selbst terroristisch handeln, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Vereinigung selbst zum Ausdruck bringt, fehlt es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG (vgl. VGH München, Urt. v. 25.03.2010 - 10 BV 09.178 - juris -).
43 
Selbst wenn dem Kläger aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Zwar hat die in der mündlichen Verhandlung vom Gericht vernommene Zeugin S vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg eine gegenwärtige Gefährlichkeit beim Kläger bejaht, da er sich von seinen bisherigen Tätigkeiten nicht distanziert habe. Diese Einschätzung hält das Gericht jedoch für verfehlt. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit kommt der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere der Einbindung und Vernetzung des Ausländers in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristisch handelt. Dass beim Kläger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK besteht, ist den vom Beklagten dem Kläger vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keinerlei verantwortliche Tätigkeiten im Umfeld der PKK übernommen. Bei dieser Sachlage kann von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht ausgegangen werden.
44 
Entgegen der Ansicht des Beklagten erfüllt der Kläger auch nicht den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.
45 
Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst entsprechend der Legaldefinition des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB die innere und äußere Sicherheit des Staates. Die hier allein betroffene innere Sicherheit beinhaltet Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach innen und nach außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen und gefährdet damit seine Sicherheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
46 
Für die Feststellung einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland reicht aber die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden kann oder verboten ist, nicht aus; vielmehr muss sich bei einer Betätigung für einen Verein der vereinsrechtliche Verbotsgrund nach polizeirechtlichen Grundsätzen in der Person des Ausländers konkretisiert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände nicht aus. Derartige Umstände können sich im Einzelfall etwa aus der Art und der Gefährlichkeit der verbotenen Vereinigung ergeben, etwa im Fall eines besonders hartnäckigen Zuwiderhandelns gegen die Verbotsverfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 727).
47 
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Kläger persönlich nicht als Gefahr für die Sicherheit des Staates anzusehen. Er hat weder an terroristischen Bestrebungen teilgenommen (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.) noch hat er strukturell wesentliche Funktionen innerhalb der PKK übernommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Die dem Kläger im angefochtenen Bescheid vorgehaltenen Unterstützungshandlungen bewegen sich auf niedrigstem Niveau. Diese in der Vergangenheit liegenden Aktivitäten geben nichts her für die Annahme, der Kläger werde Ziele verfolgen, die die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit des Staates gefährden.
48 
Der Beklagte geht auch zu Unrecht davon aus, dass im Falle des Klägers der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt dient, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtigt sind.
49 
Ob eine Angabe falsch oder unvollständig ist, richtet sich nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers, so dass bloß objektiv falsche Angaben nicht tatbestandsmäßig sind (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -). Denn die Annahme eines die Ausweisung rechtfertigenden spezial- oder generalpräventiven Ausweisungsinteresses setzt voraus, dass der Ausländer selbst vollständig Kenntnis von dem wahren Sachverhalt hat und diesen Sachverhalt bewusst falsch oder unvollständig wiedergibt. Nur bewusst falsche oder unvollständige Angaben zu sicherheitsrelevanten Sachverhalten können den Verdacht begründen, der Ausländer wolle aus unlauteren, sicherheitsrelevanten Motiven heraus etwas verbergen. Von Bedeutung ist der Verständnishorizont des Ausländers auch insoweit, als bestimmte Begriffe mehreren Interpretationen zugänglich sind, so dass die Frage vom Ausländer anders verstanden werden kann als vom Befrager gemeint und umgekehrt (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -; Discher in: GK-AufenthG, § 54 Rdnr. 742).
50 
Hiervon ausgehend vermag die Feststellung des Regierungspräsidiums Stuttgart im angefochtenen Bescheid, der Kläger habe anlässlich der Sicherheitsbefragung am 18.05.2006 und dem Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 wahrheitswidrige Angaben gemacht, nicht zu tragen. Der Kläger hat die Fragen zur Mitgliedschaft in der PKK, zur Unterstützung der PKK, zum Kontakt zur PKK sowie zum Kontakt zu einer Person, die der PKK nahestand, jeweils mit „nein“ beantwortet. Diese Antworten können entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als falsch i.S.d. § 54 Nr. 6 AufenthG gewertet werden. Es ist gerichtsbekannt, dass nur Funktionäre und die kämpfenden Einheiten als „Mitglieder“ der PKK gelten. Anhänger und Sympathisanten sind demnach keine „Mitglieder“. Nach den dem Kläger vorgehaltenen Tätigkeiten kann es sich bei ihm allenfalls um einen Sympathisanten handeln. Auch die Antwort des Klägers zur Unterstützung der PKK ist nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des Klägers nicht falsch. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, eine Unterstützungshandlung im Hinblick auf die PKK liege aus seiner Sicht nur vor, wenn er diese Organisation finanziell unterstütze. Dass der Kläger die PKK mit Geldspenden unterstützt hat, wird vom Beklagten indes nicht geltend gemacht. Im Hinblick auf Kontakte zur PKK und zu einer ihr nahestehenden Person liegen ebenso wenig falsche oder unvollständige Angaben des Klägers vor. Für den Kläger ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ein „Kontakt“ dann gegeben, wenn der Kontaktierte ein Freund von ihm sei. Nach diesem maßgeblichen Verständnis ist aber nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen des Beklagten nicht erkennbar, dass der Kläger einen „Kontakt“ zur PKK hatte. Soweit das VG Karlsruhe (Urt. v. 29.04.2008 - 11 K 3727/07) und der VGH Mannheim (Beschl. v. 04.09.2008 - 11 S 1656/08) in einem vorhergehenden Aufenthaltserlaubnisverfahren das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 6 AufenthG bejaht haben, wurde übersehen, dass für die Bewertung einer Angabe als falsch oder unvollständig der Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers maßgebend ist. Ein Weiteres kommt hinzu: Eine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen, gibt es nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -). War aber die Teilnahme an dem Sicherheitsgespräch freiwillig, so setzt eine Ausweisung nach § 54 Nr. 6 AufenthG - über den Wortlaut der Norm hinaus - auch voraus, dass der Ausländer vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen wurde. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
51 
Selbst wenn aber die Regelausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5, Nr. 5 a und Nr. 6 AufenthG insgesamt oder teilweise vorliegen würden, müsste der angefochtene Bescheid aufgrund von sonstigen Rechtsfehlern aufgehoben werden. Da der Kläger sich auf den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG berufen kann, darf die Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Gleichzeitig ist die Regelausweisung zu einer Ermessensausweisung herabgestuft (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Zwar hat das Regierungspräsidium Stuttgart eine Ermessensentscheidung getroffen; die hierbei angestellten Erwägungen sind indes fehlerhaft, da der Beklagte von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.
52 
Das Regierungspräsidium Stuttgart hat seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass beim Kläger eine nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter besteht; beim Kläger sei eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft zu Tage getreten. Diese Annahme entbehrt indes jeglicher Grundlage. Aus der Akte und dem Vorbringen des Beklagten ist auch nicht in Ansätzen zu entnehmen, dass sich der Kläger in der Vergangenheit durch Gewalttaten hervorgetan hat. Der Vorfall vom 19.08.1996, der Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens war und das von der Staatsanwaltschaft Offenburg eingestellt wurde, konnte dem Kläger gerade nicht zugeordnet werden.
53 
Bei seiner Ermessensentscheidung ist der Beklagte weiter davon ausgegangen, dass es der Ehefrau des Klägers zumutbar sei, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei fortzuführen. Mit dieser Annahme hat das Regierungspräsidium Stuttgart indes verkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Ehefrau des Klägers und seinen Kindern den Flüchtlingsstatus (§ 60 Abs. 1 AufenthG) zuerkannt hat. Droht aber einem Familienmitglied im Herkunftsland flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, so ist diesem ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar; infolgedessen kann die familiäre Lebensgemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81; BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 3/08 - NVwZ 2009, 1239).
54 
Schließlich ist das Regierungspräsidium bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine Gefährdung des Klägers nicht mehr bestehe. Damit setzt sich der Beklagte in rechtswidriger Weise über die Bindungswirkung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.12.1995, wonach beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf die Türkei vorliegen, hinweg (§ 4 AsylVfG).
55 
Die Ausweisung kann danach keinen Bestand haben; sie ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
56 
Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ausweisung greifen auch die auf der Grundlage von § 54 a AufenthG angeordneten Maßnahmen ins Leere.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
18 
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
19 
Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 und Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 227). Durch die Zeitpunktverlagerung sind bei der Anfechtung einer Ausweisung während des gerichtlichen Verfahrens bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt neu eingetretene Tatsachen - sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Ausländers - zu berücksichtigen.
20 
Das Regierungspräsidium ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 (BGBl. I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG. Durch Streichung des Attributs „international“ im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - NVwZ 2009, 1162 unter Verweis auf BT-Drucks. 15/420 S. 70).
21 
Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Terrorismus die politisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger im Rahmen längerfristiger Strategien, um mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern (vgl. VGH München, Beschluss v. 18.07.2006 - 19 C 06.1496 - juris). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Verfolgung politischer Ziele angesehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114; Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O. und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Auch aus der Sicht der Vereinten Nationen gehören jedenfalls Angriffe auf das Leben unschuldiger Menschen (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten, die als terroristisch eingestuft werden müssen (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris - m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene kann bei der Abgrenzung einer terroristischen von einer politischen Straftat zudem auf die Definition zurückgegriffen werden, auf die sich die Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O.). Danach werden bestimmte vorsätzliche Handlungen (etwa Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person) dadurch zu „terroristischen Handlungen“, dass sie - erstens - durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und sie - zweitens - mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigter Weise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2001/931/GASP - ABl EG Nr. L 344 v. 28.12.2001 S. 93).
22 
Zwar ist die PKK in die europäische Liste der Terrororganisationen aufgenommen worden. Dieser Auflistung terroristischer Organisationen kommt indes keine Bindungswirkung zu.
23 
Der Rat der Europäischen Union erließ am 27.12.2001 in der Erwägung, dass die Europäische Gemeinschaft tätig werden müsse, um die Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen umzusetzen, die Gemeinsamen Standpunkte 2001/930/GASP über die Bekämpfung des Terrorismus (ABl. EG Nr. L 344 S. 90) und 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl EG Nr. L 344 S. 93). Der Gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP) in seiner jeweils aktualisierten Fassung, zuletzt Beschluss des Rates vom 12.07.2010 (2010/386/GASP, ABl. EU Nr. L 178 S. 28), enthält eine Auflistung terroristischer Organisationen.
24 
Die PKK ist seit dem Jahr 2002 im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus aufgeführt (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2002/340/GASP des Europäischen Rates vom 17.06.2002, ABl. EG Nr. L 160 S. 32). Hieran hat der Europäische Rat trotz der Beanstandung durch den EuGH (vgl. Urt. v. 18.01.2007 - C-229/05 - PKK u. KNK/Rat der EU - Slg 2007 I - 439 -) festgehalten (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2009/1004/GASP des Europäischen Rates vom 22.12.2009, ABl. EU L 346 S. 58).
25 
Gemeinsame Standpunkte entfalten jedoch nur eine völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten, ihre Außen- und Sicherheitspolitik an dem Gemeinsamen Standpunkt auszurichten (Art. 29 Satz 2 EUV). Ein Gemeinsamer Standpunkt kann keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalten (vgl. EuGH, Urt. v. 27.02.2007 - C-355/04 - Segi/Rat - Slg. 2007 I - 1662). Dem Gemeinsamen Standpunkt kommt deshalb eine rechtliche Bindungswirkung nicht zu (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
26 
Die in den Art. 2 und 3 des Gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP vorgesehenen Maßnahmen wurden allerdings auf der Grundlage der Art. 60, 301 und 308 EGV (nunmehr Art. 75 und 215 AEUV) durch die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. EG Nr. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) umgesetzt. Diese Verordnung wurde zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 (ABl. EU Nr. L 178 S. 1). Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 und der nachfolgenden Durchführungsverordnungen wurden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen sind (im Folgenden „EU-Terrorliste“). Zu diesen gelisteten Organisationen zählt auch die PKK.
27 
Zwar ist eine EU-Verordnung verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 aufgeführt sind, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der PKK als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung sind in dieser Verordnung indes nicht geregelt (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
28 
Ein Weiteres kommt hinzu: Die EU-Terrorliste wird von einem geheim tagenden Gremium des Ministerrats erstellt; eine unabhängige Beurteilung der Fälle auf der Grundlage gesicherter Beweise findet nicht statt (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/ recht/eurst047.html). Weiter sind die Kriterien, nach denen die Listen erstellt werden, undurchsichtig; die Einstufung hängt nicht selten von politischen, ökonomischen und militärischen Interessen ab (vgl. www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Terrorliste_der_EU). So wurden die iranischen Volksmudschaheddin im Jahre 2002 auf Druck des Iran in die EU-Terrorliste aufgenommen, um mit dem Iran lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen und das iranische Regime zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/ eurst047.html). Andererseits ist die libanesische Hisbollah in der EU-Terrorliste nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament dies wegen nachgewiesener terroristischer Aktivitäten in einer Entschließung vom 08.03.2005 gefordert hat; der EU-Rat kam dieser Forderung gleichwohl aus politischen, diplomatischen und taktischen Gründen nicht nach (vgl. www.zum-leben.de/aktuell/terrorliste.pdf.; http://de.wikipedia.org/wiki/Hisbollah; VG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2009 - 11 K 18/09). Schließlich fällt auf, dass die baskische Gruppierung ETA nicht mehr auf der aktuellen EU-Terrorliste erscheint, obwohl diese Organisation bekanntermaßen nach wie vor durch Bombenanschläge in Erscheinung tritt. Von einem transparenten Listungsverfahren kann somit keine Rede sein (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
29 
Zudem scheidet eine Bindungswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 auch im Hinblick auf Art 19 Abs. 4 GG aus. Denn ein Ausländer ist individuell nicht in der Lage, eine gerichtliche Klärung der Aufnahme einer Organisation in die EU-Verordnung herbeizuführen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris). Gegen eine Bindungs- und Tatbestandswirkung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.07.2010 spricht auch, dass es keine den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare Vorgabe gibt (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris).
30 
Die Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste besagt somit nur, dass die PKK nach Auffassung des Europäischen Rates auch noch gegenwärtig eine terroristische Organisation ist. Auch wenn einer solchen Feststellung nicht unerhebliches Gewicht zukommt, ist dieser Umstand gleichwohl nicht geeignet, eine eigenständige Prüfung seitens der Gerichte (und Behörden) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel entbehrlich zu machen (vgl. VGH München, Beschluss v. 08.05.2009 - 19 CS 09.268 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 -juris - ; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
31 
Eine solche eigenständige Prüfung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid vorgenommen und überzeugend dargelegt, dass die PKK bis in die Gegenwart als eine Vereinigung angesehen werden kann, die den Terrorismus unterstützt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Diese Einschätzung wird in der Rechtsprechung überwiegend geteilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114 und Beschl. v. 25.11.2008 - 10 C 46/07 - NVwZ 2009, 592; VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -; VGH Mannheim, Urt. v. 21.07.2010 - 11 S 541/10 - juris - und Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -; VG Stuttgart, Urt. v. 25.01.2010 - 11 K 3543/09 - juris).
32 
Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, mit Blick auf ihre politisch-strategische Neuausrichtung nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 - 3 StR 94/04 - NJW 2005, 80; KG Berlin, Urt. v. 23.01.2008 - 2 StE 6/07- 6 - juris -; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 -1/07), ändert hieran nichts (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129 a, 129 b StGB (vgl. Discher in: GK-AufenthG II - § 54 RdNr. 462). Im Rahmen des § 54 Nr. 5 AufenthG ist zudem unerheblich, ob es sich um Terrorismus im Bundesgebiet oder im Ausland handelt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.03.2008 - 11 LB 203/06 - InfAuslR 2009, 54).
33 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums Stuttgart hat der Kläger die PKK jedoch nicht unterstützt.
34 
Als tatbestandserhebliches Unterstützen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, auswirkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
35 
Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Unterstützung der PKK durch den Kläger nicht feststellbar. Der Beklagte hält dem Kläger vor, er sei schon in der Türkei seit dem Jahr 1989 für die PKK tätig gewesen; dort habe er Kurierdienste übernommen, Lebensmittel und Kleidung besorgt sowie Flugblätter verteilt. Diese Handlungen werden aber schon deshalb von § 54 Nr. 5 AufenthG nicht erfasst, da sie lange vor Inkrafttreten dieser Bestimmung getätigt wurden und dem Kläger nur solche Verhaltensweisen vorgeworfen werden können, auf die er sich im Hinblick auf die bestehende Rechtslage einstellen kann.
36 
Soweit der Beklagte dem Kläger Aktivitäten für die PKK im Bundesgebiet vorhält, sind diese entweder nicht erwiesen oder aber nicht als schädliche Unterstützungshandlungen zu bewerten. Im Einzelnen:
37 
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger am 12.02.1996 anlässlich einer Großdemonstration in Stuttgart Parolen wie „es lebe die PKK“ und „Deutsche Polizisten schützen Mörder und Faschisten“ skandiert und eine Fahne der PKK geschwenkt hat. Ein diesbezügliches Verhalten hat der Kläger beim durchgeführten Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vehement abgestritten. Der materiell beweispflichtige Beklagte hat für die Richtigkeit seines Vorbringens keinerlei Beweis angetreten. Im Übrigen wurde das diesbezügliche Ermittlungsverfahren eingestellt. Zwar greift bei einem strafrechtlichen Verhalten, das nicht zu einer Verurteilung des Ausländers geführt hat, das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG nicht ein; auch eine analoge Anwendung des Verwertungsverbots scheidet aus. Gleichwohl ist eine Straftat, die nicht zu einer Verurteilung geführt hat und nicht mehr zu einer Verurteilung führen kann, unberücksichtigt zu lassen, wenn die Verfehlung länger zurückliegt und im Falle einer Verurteilung aller Voraussicht nach bereits Tilgungsreife eingetreten wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.1996 - 1 C 12/95 - BVerwGE 101, 24; VGH Mannheim, Urt. v. 08.07.2009 - 13 S 358/09). Für den vom Beklagten geltend gemachten Vorfall vom 12.02.1996 kann allenfalls die für eine Verurteilung wegen einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen geltende Frist von fünf Jahren herangezogen werden (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 a BZRG), so dass die Verfehlung vom 12.02.1996 unabhängig vom Wahrheitsgehalt nicht mehr berücksichtigt werden darf. Entsprechendes gilt in Bezug auf das strafrechtliche Verhalten des Klägers am 19.08.1996. An diesem Tag soll der Kläger nach dem Vorbringen des Beklagten einen anderen Kurden durch Faustschläge und Fußtritte verletzt haben. Auch das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, da die Täterschaft des Klägers nicht nachweisbar war.
38 
Das Gericht ist weiter nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Juli 1997 an der Kindesentziehung und Freiheitsberaubung einer siebzehnjährigen Türkin zum Zwecke von deren Ausbildung im Sinne der PKK beteiligt war. Denn auch das insoweit gegen den Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Im Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Offenburg vom 15.09.1997 heißt es ausdrücklich, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Betroffene Angaben unter Druck gemacht habe. Für die substanzlose entgegengesetzte Behauptung des Regierungspräsidiums Stuttgart fehlt jeglicher Nachweis.
39 
Der Kläger soll nach dem Vortrag des Beklagten zudem am 17.08.2003 in Heilbronn und am 19.11.2009 in Mannheim an einer Veranstaltung von Anhängern der PKK teilgenommen haben. Dies hat der Kläger indes nachhaltig bestritten. Die Erkenntnisse des Beklagten über die angebliche Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 gehen auf Wahrnehmungen einer Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zurück. Diese Gewährsperson ist als unmittelbarer Zeuge nicht erreichbar. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass auch Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz, die auf geheim gehaltenen Quellen beruhen und als „Zeugenaussage vom Hörensagen“ in den Prozess eingeführt werden, grundsätzlich berücksichtigt werden können. Die gerichtliche Beweiswürdigung der Angaben eines Zeugen vom Hörensagen unterliegt aber besonderen Anforderungen, die auf dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten sind. Danach ist der Beweiswert seiner Angaben besonders kritisch zu prüfen. Denn das Zeugnis vom Hörensagen ist nur begrenzt zuverlässig, weil sie die jedem Personenbeweis anhaftenden Fehlerquellen im Zuge der Vermittlung der Angaben verstärken und weil das Gericht die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson nicht selbst einschätzen kann. Die Angaben der Gewährsperson genügen danach regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte - die etwa im Blick auf Einlassungen des Betroffenen oder in Gestalt objektiver Umstände gegeben sein können - gestützt oder bestätigt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.05.1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250; Beschl. v. 11.04.1991 - 2 BvR 196/91 - NJW 1992, 168; Beschl. v. 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93 - NJW 1996, 448 und Beschl. v. 21.08.1996 - 2 BvR 1304/96 - NJW 1997, 999). Diese für den Strafprozess entwickelten Grundsätze gelten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 02.05.1984 - 10 S 1739/82 - NJW 1984, 2429; Urt. v. 27.03.1998 - 13 S 1349/96 - EzAR 277 Nr. 10 und Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - juris -).
40 
Nach diesen Maßstäben genügen die Angaben der Gewährsperson des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht, die angeblichen Teilnahmen des Klägers an den Veranstaltungen am 17.08.2003 und am 29.11.2009 zu erweisen, weil sie nicht durch andere wichtige Gesichtspunkte gestützt oder bestätigt werden. Der Kläger hat während des gesamten Verfahrens bestritten, an diesen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Andere Indizien als die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg im Hinblick auf eine Teilnahme des Klägers an den besagten Veranstaltungen gibt es nicht.
41 
Der Kläger hat allerdings unstreitig am 15.07.2001 die „PKK-Selbsterklärung“ unterzeichnet. Es bestehen bereits Zweifel, ob die Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ objektiv eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.2007 - 5 C 20/05 - BVerwGE 128, 140). Jedenfalls fehlt es insoweit an dem erforderlichen subjektiven Moment. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Unterzeichnung der „PKK-Selbsterklärung“ tatsächlich die PKK unterstützen wollte. Der Kläger hat beim Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 vorgetragen, ein Freund habe ihm gesagt, es gehe um die kurdische Sache, er unterschreibe nicht für die PKK. Da der Kläger Analphabet ist und die deutsche Sprache - wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat - nur bruchstückhaft versteht, ist nicht anzunehmen, dass der Kläger den umfangreichen und schwierigen, teilweise hochintellektuellen deutschen Text verstanden und ihn vor seiner Unterschriftsleistung nachvollzogen hat. Vielmehr ist glaubhaft, dass der Kläger - wie von ihm geltend gemacht - dem durch Landsleute vermittelten friedlichen Inhalt aufgesessen ist. Allein aus der Existenz der klägerischen Unterschrift unter der „PKK-Selbsterklärung“ kann daher nicht der Schluss gezogen werden, der der deutschen Schriftsprache nicht mächtige Kläger habe unabhängig von den mündlichen Erläuterungen des ihn bedrängenden Freundes die Zusammenhänge und die Bedeutung einer vom ihm zu erbringenden Unterstützungshandlung zutreffend einordnen können oder dies jedenfalls müssen.
42 
Schließlich hat der Kläger unstreitig am 11.02.2006 an einer Demonstration mit Kundgebung anlässlich des siebten Jahrestages der Verhaftung Öcalans in Straßburg teilgenommen. Diese Demonstrationsteilnahme stellt aber weder in subjektiver noch in objektiver Hinsicht eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG dar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass er an der Demonstration in Straßburg lediglich zur Unterstützung der kurdischen Belange, nicht aber wegen der PKK teilgenommen habe. Das bloße Werben um Verständnis für die von politisch Gleichgesinnten im Heimatland verfolgten Ziele oder vergleichbare, auf die Beeinflussung des „Meinungsklimas“ gerichtete Verhaltensweisen können nicht als Unterstützungshandlungen gewertet werden (vgl. VGH München, Urt. v. 22.02.2010 - 19 B 09.929 - juris -). Zudem fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114). Der Kläger ist allein durch die Teilnahme an der Demonstration am 11.02.2006 auch nicht in eine innere Nähe und Verbundenheit zur PKK geraten; eine solche innere Nähe läge nur dann vor, wenn zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen der PKK feststellbar wären. Dies ist aber, wie dargelegt, hier nicht der Fall. Liegen somit - wie vorliegend - lediglich Verbindungen und Kontakte zu Organisationen, die den Terrorismus unterstützen oder selbst terroristisch handeln, oder zu deren Mitgliedern vor, ohne dass der Ausländer auch als Nichtmitglied durch sein Engagement eine innere Nähe und Verbundenheit zu dieser Vereinigung selbst zum Ausdruck bringt, fehlt es an einer Unterstützung i.S.d. § 54 Nr. 5 AufenthG (vgl. VGH München, Urt. v. 25.03.2010 - 10 BV 09.178 - juris -).
43 
Selbst wenn dem Kläger aber Unterstützungshandlungen für die PKK vorgehalten werden könnten, könnte die von § 54 Nr. 5 AufenthG zusätzlich geforderte gegenwärtige Gefährlichkeit vorliegend nicht festgestellt werden. Zwar hat die in der mündlichen Verhandlung vom Gericht vernommene Zeugin S vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg eine gegenwärtige Gefährlichkeit beim Kläger bejaht, da er sich von seinen bisherigen Tätigkeiten nicht distanziert habe. Diese Einschätzung hält das Gericht jedoch für verfehlt. Bei der Beurteilung einer gegenwärtigen Gefährlichkeit kommt der allgemeinen Entwicklung des Ausländers in den letzten Jahren bis zur mündlichen Verhandlung maßgebliche Bedeutung zu, insbesondere der Einbindung und Vernetzung des Ausländers in die Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt oder selbst terroristisch handelt. Dass beim Kläger eine Einbindung und Vernetzung in Bezug auf die PKK besteht, ist den vom Beklagten dem Kläger vorgehaltenen Unterstützungshandlungen nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keinerlei verantwortliche Tätigkeiten im Umfeld der PKK übernommen. Bei dieser Sachlage kann von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit nicht ausgegangen werden.
44 
Entgegen der Ansicht des Beklagten erfüllt der Kläger auch nicht den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.
45 
Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst entsprechend der Legaldefinition des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB die innere und äußere Sicherheit des Staates. Die hier allein betroffene innere Sicherheit beinhaltet Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach innen und nach außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen und gefährdet damit seine Sicherheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
46 
Für die Feststellung einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland reicht aber die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden kann oder verboten ist, nicht aus; vielmehr muss sich bei einer Betätigung für einen Verein der vereinsrechtliche Verbotsgrund nach polizeirechtlichen Grundsätzen in der Person des Ausländers konkretisiert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände nicht aus. Derartige Umstände können sich im Einzelfall etwa aus der Art und der Gefährlichkeit der verbotenen Vereinigung ergeben, etwa im Fall eines besonders hartnäckigen Zuwiderhandelns gegen die Verbotsverfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 727).
47 
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Kläger persönlich nicht als Gefahr für die Sicherheit des Staates anzusehen. Er hat weder an terroristischen Bestrebungen teilgenommen (vgl. zu dieser Anforderung BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.) noch hat er strukturell wesentliche Funktionen innerhalb der PKK übernommen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Die dem Kläger im angefochtenen Bescheid vorgehaltenen Unterstützungshandlungen bewegen sich auf niedrigstem Niveau. Diese in der Vergangenheit liegenden Aktivitäten geben nichts her für die Annahme, der Kläger werde Ziele verfolgen, die die verfassungsmäßige Ordnung oder die Sicherheit des Staates gefährden.
48 
Der Beklagte geht auch zu Unrecht davon aus, dass im Falle des Klägers der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 6 AufenthG erfüllt ist. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt dient, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des internationalen Terrorismus verdächtigt sind.
49 
Ob eine Angabe falsch oder unvollständig ist, richtet sich nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers, so dass bloß objektiv falsche Angaben nicht tatbestandsmäßig sind (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -). Denn die Annahme eines die Ausweisung rechtfertigenden spezial- oder generalpräventiven Ausweisungsinteresses setzt voraus, dass der Ausländer selbst vollständig Kenntnis von dem wahren Sachverhalt hat und diesen Sachverhalt bewusst falsch oder unvollständig wiedergibt. Nur bewusst falsche oder unvollständige Angaben zu sicherheitsrelevanten Sachverhalten können den Verdacht begründen, der Ausländer wolle aus unlauteren, sicherheitsrelevanten Motiven heraus etwas verbergen. Von Bedeutung ist der Verständnishorizont des Ausländers auch insoweit, als bestimmte Begriffe mehreren Interpretationen zugänglich sind, so dass die Frage vom Ausländer anders verstanden werden kann als vom Befrager gemeint und umgekehrt (vgl. VGH München, Beschl. v. 19.02.2009 - 19 CS 08.1175 - juris -; Discher in: GK-AufenthG, § 54 Rdnr. 742).
50 
Hiervon ausgehend vermag die Feststellung des Regierungspräsidiums Stuttgart im angefochtenen Bescheid, der Kläger habe anlässlich der Sicherheitsbefragung am 18.05.2006 und dem Sicherheitsgespräch am 08.11.2006 wahrheitswidrige Angaben gemacht, nicht zu tragen. Der Kläger hat die Fragen zur Mitgliedschaft in der PKK, zur Unterstützung der PKK, zum Kontakt zur PKK sowie zum Kontakt zu einer Person, die der PKK nahestand, jeweils mit „nein“ beantwortet. Diese Antworten können entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als falsch i.S.d. § 54 Nr. 6 AufenthG gewertet werden. Es ist gerichtsbekannt, dass nur Funktionäre und die kämpfenden Einheiten als „Mitglieder“ der PKK gelten. Anhänger und Sympathisanten sind demnach keine „Mitglieder“. Nach den dem Kläger vorgehaltenen Tätigkeiten kann es sich bei ihm allenfalls um einen Sympathisanten handeln. Auch die Antwort des Klägers zur Unterstützung der PKK ist nach dem Erkenntnis- und Verständnishorizont des Klägers nicht falsch. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, eine Unterstützungshandlung im Hinblick auf die PKK liege aus seiner Sicht nur vor, wenn er diese Organisation finanziell unterstütze. Dass der Kläger die PKK mit Geldspenden unterstützt hat, wird vom Beklagten indes nicht geltend gemacht. Im Hinblick auf Kontakte zur PKK und zu einer ihr nahestehenden Person liegen ebenso wenig falsche oder unvollständige Angaben des Klägers vor. Für den Kläger ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung ein „Kontakt“ dann gegeben, wenn der Kontaktierte ein Freund von ihm sei. Nach diesem maßgeblichen Verständnis ist aber nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen des Beklagten nicht erkennbar, dass der Kläger einen „Kontakt“ zur PKK hatte. Soweit das VG Karlsruhe (Urt. v. 29.04.2008 - 11 K 3727/07) und der VGH Mannheim (Beschl. v. 04.09.2008 - 11 S 1656/08) in einem vorhergehenden Aufenthaltserlaubnisverfahren das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 54 Nr. 6 AufenthG bejaht haben, wurde übersehen, dass für die Bewertung einer Angabe als falsch oder unvollständig der Erkenntnis- und Verständnishorizont des befragten Ausländers maßgebend ist. Ein Weiteres kommt hinzu: Eine gesetzlich angeordnete Rechtspflicht, an einer Sicherheitsbefragung aktiv teilzunehmen, gibt es nicht (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 28.09.2010 - 11 S 1978/10 - juris -). War aber die Teilnahme an dem Sicherheitsgespräch freiwillig, so setzt eine Ausweisung nach § 54 Nr. 6 AufenthG - über den Wortlaut der Norm hinaus - auch voraus, dass der Ausländer vor Beginn des Sicherheitsgesprächs auf diese Freiwilligkeit hingewiesen wurde. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
51 
Selbst wenn aber die Regelausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5, Nr. 5 a und Nr. 6 AufenthG insgesamt oder teilweise vorliegen würden, müsste der angefochtene Bescheid aufgrund von sonstigen Rechtsfehlern aufgehoben werden. Da der Kläger sich auf den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG berufen kann, darf die Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Gleichzeitig ist die Regelausweisung zu einer Ermessensausweisung herabgestuft (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG). Zwar hat das Regierungspräsidium Stuttgart eine Ermessensentscheidung getroffen; die hierbei angestellten Erwägungen sind indes fehlerhaft, da der Beklagte von unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist.
52 
Das Regierungspräsidium Stuttgart hat seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass beim Kläger eine nicht unerhebliche und extremistische Gefahr für höchste Rechtsgüter besteht; beim Kläger sei eine grundsätzliche Gewaltbereitschaft zu Tage getreten. Diese Annahme entbehrt indes jeglicher Grundlage. Aus der Akte und dem Vorbringen des Beklagten ist auch nicht in Ansätzen zu entnehmen, dass sich der Kläger in der Vergangenheit durch Gewalttaten hervorgetan hat. Der Vorfall vom 19.08.1996, der Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens war und das von der Staatsanwaltschaft Offenburg eingestellt wurde, konnte dem Kläger gerade nicht zugeordnet werden.
53 
Bei seiner Ermessensentscheidung ist der Beklagte weiter davon ausgegangen, dass es der Ehefrau des Klägers zumutbar sei, die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Kläger in der Türkei fortzuführen. Mit dieser Annahme hat das Regierungspräsidium Stuttgart indes verkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Ehefrau des Klägers und seinen Kindern den Flüchtlingsstatus (§ 60 Abs. 1 AufenthG) zuerkannt hat. Droht aber einem Familienmitglied im Herkunftsland flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung, so ist diesem ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar; infolgedessen kann die familiäre Lebensgemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81; BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 3/08 - NVwZ 2009, 1239).
54 
Schließlich ist das Regierungspräsidium bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine Gefährdung des Klägers nicht mehr bestehe. Damit setzt sich der Beklagte in rechtswidriger Weise über die Bindungswirkung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.12.1995, wonach beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Hinblick auf die Türkei vorliegen, hinweg (§ 4 AsylVfG).
55 
Die Ausweisung kann danach keinen Bestand haben; sie ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
56 
Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Ausweisung greifen auch die auf der Grundlage von § 54 a AufenthG angeordneten Maßnahmen ins Leere.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
10 
Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
11 
Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
12 
Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
13 
Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
14 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
15 
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
16 
Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
17 
Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
18 
Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
19 
Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
20 
- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
21 
Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
22 
Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
23 
Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 497/10
vom
3. November 2010
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
Bedarf es der Darlegung der Konnexität, so hat der Antragsteller
die Tatsachen, die diese begründen sollen, bestimmt
zu behaupten.
BGH, Beschluss vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10 - LG
Mosbach
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. November 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mosbach vom 27. Mai 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 2. September 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Der ergänzenden Erörterung bedarf allein die neben der ausgeführten Sachrüge erhobene Verfahrensrüge , das Landgericht habe § 244 Abs. 3 StPO verletzt.
2
1. Dieses hat aufgrund der eintägigen Hauptverhandlung festgestellt, der inhaftierte Angeklagte habe den Mitinsassen S. durch mehrere Schläge gegen die Brust und durch die Drohung, ihm anderenfalls mit einer Billardkugel auf den Kopf zu schlagen, dazu gebracht, ihm einen Teil der von diesem gekauften Lebensmittel auszuhändigen, ohne dass der Angeklagte hierauf einen Anspruch gehabt hätte. Seine diesbezügliche Überzeugung hat es insbesondere auf die Angaben des als Zeugen gehörten S. sowie auf den Inhalt eines von diesem an seine Eltern gerichteten, im Rahmen der Postkontrolle sichergestellten Briefes gestützt, in dem er die Tat schildert.
3
2. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Geschehen zugrunde: Im Rahmen seines Plädoyers stellte der Verteidiger „für den Fall, dass das Gericht den Angeklagten wegen … schwerer räuberischer Erpressung verurteilen möchte“, den Antrag, S. s Mutter als Zeugin zu hören zum Beweis der Tatsache, dass dieser ihr gegenüber „nach Abfassen des Briefes geschildert hat, dass er dem Angeklagten die Sachen freiwillig gegeben hat als Gegenleistung für Tabak und von anderen ´abgezockt` wurde“. In der Antragsbegründung heißt es, es sei „davon auszugehen, dass der Zeuge“ S. „von seiner Mutter bei dem nächsten Besuch nach dem Brief auf die Vorgänge angesprochen wurde und diese wie“ - nach den Feststellungen des Landgerichts zunächst durch den Angeklagten eingeschüchtert - „in der Hauptverhandlung geschildert“, d.h. sinngemäß angegeben hat, er hätte dem Angeklagten die Lebensmittel auch ohne Auseinandersetzung, also freiwillig gegeben. Die dem Verteidiger seitens der Strafkammer daraufhin gestellte Frage, ob ihm „nähere Informationen vorliegen, dass ein derartiges Gespräch zwischen dem Geschädigten und seiner Mutter stattgefunden hat“, wurde von diesem verneint. Diesbezüglich wurde - von der Revision nicht vorgetragen - im Hauptverhandlungsprotokoll folgendes protokolliert : „Auf Frage erklärte der Verteidiger, er wisse nicht, ob und was der Zeuge S. mit seiner Mutter gesprochen habe. Sein Hilfsbeweisantrag beruhe insoweit allein auf einer Vermutung“. Das Landgericht hat in seinem Urteil ausgeführt , „die Beweistatsache“ sei „demnach aufs Geratewohl behauptet, so dass nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt, dem nachzukommen die Aufklärungspflicht nicht geboten hat“.
4
3. Der Verfahrensrüge bleibt der Erfolg versagt.
5
a) Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Denn nach dieser Bestimmung sind die Verfahrenstatsachen so vollständig und aus sich heraus verständlich anzugeben, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, darüber - unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit - endgültig zu entscheiden (BGH, Urteil vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399 mwN). Hierzu hätte vorliegend die - wie dargelegt unterbliebene - Mitteilung gehört, dass das zwischen der Strafkammer und dem Verteidiger geführte Gespräch über dessen mögliche Erkenntnisse hinsichtlich der behaupteten Angaben des Zeugen S. seiner Mutter gegenüber einen - wie sich dem Hauptverhandlungsprotokoll entnehmen lässt - weitergehenden Inhalt gehabt hat, als ihn die Revision vorgetragen hat. Dieser lässt sich auch den ergänzend heranzuziehenden Urteilsgründen nicht vollständig entnehmen. Die Frage der Zulässigkeit kann jedoch offen bleiben, da die Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet ist.
6
b) Denn die Verfahrensweise des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand, weil es den Antrag im Ergebnis zutreffend nicht als Beweisantrag angesehen hat. Der Senat lässt allerdings offen, ob das Landgericht den Antrag zu Recht als „aufs Geratewohl“ gestellt bewertet hat (aa). Denn jedenfalls handelte es sich deshalb lediglich um einen Beweisermittlungsantrag, weil die für einen Beweisantrag notwendige Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel nicht hinreichend bestimmt behauptet worden ist (bb).
7
aa) Allerdings muss einem Beweisbegehren nach bisheriger Rechtsprechung nicht (oder nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht) nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl, d.h. „ins Blaue hinein“ aufgestellt wird, so dass es sich in Wahrheit nur um einen nicht ernst gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Ob es sich um einen solchen handelt, ist aus der Sicht eines "verständigen" Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen zu beurteilen (zusammenfassend BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474 mwN; s. auch BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 - 5 StR 58/97, NJW 1997, 2762, 2764; BGH, Beschluss vom 5. März 2003 - 2 StR 405/02, NStZ 2003, 497).
8
Was den insofern geltenden Maßstab angeht, soll einerseits von einer "ins Blaue hinein" aufgestellten Beweisbehauptung nicht schon dann gesprochen werden können, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder andere Möglichkeiten näher gelegen hätten (BGH, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474). Andererseits soll bei Sachverhalten, in denen keine sachlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, eine sich aufdrängende Tatsache in Frage zu stellen, auf eine strenge Einhaltung der Anforderungen an einen Beweisantrag zum Zweck der Abgrenzung von sog. Pseudobehauptungen oder von „ins Blaue hinein“ bzw. aufs Geratewohl angestellten Vermutungen nicht verzichtet werden können (BGH, Urteil vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684).
9
Hieran gemessen hat der Senat Zweifel, ob den von der Revision (erstmals mit ihrer Begründungsschrift) vorgebrachten, nach ihrer Auffassung für die aufgestellte Vermutung „ausreichenden Anhaltspunkte“ ein hinreichendes Gewicht zukommt, nämlich der Mitinhaftierte S. sei zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes 19 Jahre alt gewesen, aus diesem ergebe sich ein gutes Verhältnis zu der als Zeugin benannten Mutter, diese wohne ca. 180 Straßenkilometer von der Justizvollzugsanstalt entfernt und es sei schließlich die Regel, dass Gefangene von ihren Eltern besucht würden. Er braucht dies aber - wie ausgeführt - nicht zu entscheiden.
10
Ebenso braucht er sich nicht zu der vom 3. Strafsenat aufgeworfenen Frage zu äußern, ob überhaupt an der Rechtsprechung festzuhalten sei, dass einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl aufgestellte Behauptung handelt (BGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9; BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10).
11
bb) Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 StPO setzt als erstes Erfordernis die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus. Zweitens ist ein bestimmtes Beweismittel zu benennen, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, kann je nach der Fallgestaltung eine dritte hinzutreten, die sog. Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung. Darunter ist im Falle des Zeugenbeweises zu verstehen, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09), etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw. (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f. mwN).
12
Dieser Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel wird sich in vielen Fällen von selbst verstehen. Es sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen - vergleichbar gerade den in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behauptung abgehandelten Fällen - zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen eines Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen lässt, weshalb der Zeuge seine Wahr- nehmung hat machen können. Verhält es sich so, bedarf es der näheren Darlegung des erforderlichen Zusammenhangs, der Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel (BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 330).
13
Ebenso wie die Beweistatsache - auch wenn sie ggf. vom Antragsteller lediglich als möglicherweise geschehen erachtet werden darf (BGH, Beschluss vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, NStZ 1993, 143; BGH, Beschluss vom 5. Februar 2002 - 3 StR 482/01, NStZ 2002, 383; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586; BGH, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, NStZ 2006, 405) - und das Beweismittel bestimmt bezeichnet werden müssen, hat der Antragsteller auch die Tatsachen bestimmt zu behaupten , aus denen sich die Konnexität ergibt. Denn es muss dem Tatgericht plausibel gemacht werden, dass der benannte Zeuge in der Lage gewesen ist, die Beweistatsache wahrzunehmen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 287). In der Antragsbegründung ist daher insoweit ein nachvollziehbarer Grund anzugeben (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 - 3 StR 201/05, NStZ 2006, 585, 586), zumal dann, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, weshalb der Zeuge S. gegenüber seiner Mutter das Gegenteil dessen gesagt haben soll, was er zuvor in seinem ebenfalls an diese gerichteten Brief bekundet hatte (zur vergleichbaren Konstellation bei einer Aufklärungsrüge BGH, Beschluss vom 3. Juli 2007 - 1 StR 168/06, NStZ 2007, 165).
14
Diesem Erfordernis wird der vorliegend gestellte Antrag nicht gerecht. Denn er bezeichnet - worauf schon der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - die Wahrnehmungssituation nicht bestimmt genug. Vielmehr lässt bereits der Antrag in seiner Gesamtheit erkennen, dass ihm lediglich die Vermutung zugrunde liegt, es habe ein - im Übrigen vor allem zeitlich nicht näher spezifiziertes - Gespräch mit dem behaupteten Inhalt gegeben. Der infolge dessen seitens des Gerichts mit dem Antragsteller aus Gründen der Fairness (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284, 288) und verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 2 BvR 2580/08, NStZ 2010, 155) gesuchte Dialog hat dann dementsprechend eindeutig bestätigt, der „Hilfsbeweisantrag beruhe … allein auf einer Vermutung“.
15
c) Angesichts der gesamten Sach- und Beweislage brauchte sich das Landgericht auch nicht zu der in Rede stehenden weiteren Aufklärung gemäß § 244 Abs. 2 StPO gedrängt zu sehen.
VRiBGH Nack ist wegen Wahl Graf Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Jäger Sander

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Es wird gemäß Artikel 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:

1. a) Ist die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels an Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, auch bei der Aufhebung eines bereits erteilten Aufenthaltstitels zu beachten?

b) Ist diese daher dahingehend auszulegen, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) eines anerkannten Flüchtlings entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sind?

2. Für den Fall, dass die Fragen unter 1 zu bejahen sind:

a) Wie ist der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG mit Blick auf Gefahren auszulegen, die von der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgehen?

b) Können „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG gegeben sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots nach Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht erfüllt sind?

3. Für den Fall, dass die Frage unter 1a) zu verneinen ist:

Ist die Aufhebung bzw. Beendigung des einem anerkannten Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels (etwa durch eine Ausweisung nach nationalem Recht) unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG (bzw. der gleichlautenden Nachfolgeregelung der Richtlinie 2011/95/EU) zulässig?

Gründe

 
A)
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung sowie gegen eine ihm auferlegte räumliche Aufenthaltsbeschränkung und eine Meldeauflage.
Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er lebt seit 1989 mit seiner Ehefrau, welche ebenfalls türkische Staatsangehörige ist, und mit inzwischen acht gemeinsamen Kindern, von denen fünf die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bis heute Flüchtling im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Auf seinen Asylantrag wurde er am 24.06.1993 als Asylberechtigter anerkannt. Außerdem wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des - damals geltenden - § 51 Abs. 1 AuslG (Flüchtlingsschutz, heute § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen. Die Anerkennung wurde mit den exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und der ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei drohenden politischen Verfolgung begründet (vgl. Urteil des VG Minden vom 08.02.1993). Der im Wesentlichen mit geänderten Verhältnissen in der Türkei begründete Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.08.2006 wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 aufgehoben. Seit dem 07.10.1993 ist der Kläger im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels.
Der Kläger war in den 1990er-Jahren in vielfältiger Weise für die PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) bzw. deren Neben- oder Nachfolgeorganisationen exilpolitsch aktiv. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 22.11.1993 wurden der PKK und der ENRK (Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê, Nationale Befreiungsfront Kurdistans) - einer inzwischen aufgelösten, damals in Deutschland für die PKK aktiven "Frontorganisation" - verboten, sich in Deutschland zu betätigen. Nach § 20 Vereinsgesetz macht sich unter anderem strafbar, wer diesem Verbot zuwiderhandelt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 18 Satz 2 VereinsG). 1992 wurde der Kläger in den Vorstand des "Arbeiter- und Kulturzentrums der Kurden Bielefeld" gewählt. Der Verein wurde 1993 als Teilorganisation der PKK verboten. Im Asylverfahren gab der Kläger selbst an, er besuche alle Veranstaltungen und Demonstrationen der ERNK. Dabei sei er teilweise als Ordner eingesetzt. Diese exilpolitischen Aktivitäten setzte der Kläger auch nach seiner Asylanerkennung fort. Es kam deshalb zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Im Jahr 2001 beteiligte er sich an der Unterschriftenaktion im Rahmen der so genannten "Identitätskampagne" der PKK und unterzeichnete die Erklärung "Auch ich bin ein PKK'ler". Nach Erkenntnissen des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg nahm der Kläger in den folgenden Jahren, auch nach dem Umzug seiner Familie aus dem Raum Bielefeld nach Mannheim im Jahr 2002, weiter regelmäßig an Demonstrationen und Veranstaltungen teil, bei welchen es um die Rechte der Kurden, um die PKK und/oder deren Generalsekretär Abdulah Öcalan ging, darunter auch solche mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan, so genannte "Märtyrergedenkfeiern" (Feiern zum Gedenken an gefallene PKK-Kämpfer und Selbstmordattentäter) und "Volksversammlungen".
Im Juni 2006 reiste der Kläger in den Irak. Er hielt sich dort zwei Monate lang auf und besuchte Verwandte sowie diverse Orte bzw. Stationen im Grenzgebiet zur Türkei. 2007 unternahm er mit seinem ältesten Sohn eine weitere Reise in den Irak.
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers am 10.01.2007 wegen des Verdachts eines - durch Betätigung für die PKK begangenen - Verstoßes gegen das Vereinsgesetz wurden unter anderem eine handschriftlich verfasste Spendenliste mit 16 Namen und Beträgen zwischen 100 und 1000 EUR sowie eine mit dem Computer im Jahr 2006 erstellte Spendenliste, welche in 4 Ortsbezirke unterteilt war und auf der hinter 29 der insgesamt 48 aufgeführten Namen monatliche Spenden im Zeitraum von Januar bis Mai in Höhe von 10 bis 30 EUR pro Monat vermerkt waren, aufgefunden, außerdem ein Zettel und ein Notizbuch mit Vermerken zu eingesammelten Beträgen, Ausdrucke eines Vordrucks für eine Spendenliste, 4 Zeitschriften Serxwebun, Fotos mit Abdullah Öcalan, darunter eines mit der Aufschrift "PKK" im Scheckkartenformat im Geldbeutel des Klägers, Fotos des Klägers neben bewaffneten Personen, welche von der Reise des Klägers in den Irak im Juni 2006 stammten, Flaggen bzw. Fahnen mit dem Emblem der "KKK" (Koma Komalên Kurdistan), Flaggen mit einer Abbildung von Abdullah Öcalan sowie ein Buch von Öcalan. Der Kläger wurde daraufhin mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt. Nach den Feststellungen im Urteil hat er dem Verbot einer Betätigung für die PKK zuwidergehandelt. Die PKK bzw. die KONGRA-GEL finanzierten sich durch Beiträge für legale kurdische Vereine, monatliche Mitgliedsbeiträge der Anhänger, Verkauf von Publikationen, Einnahmen beim jährlichen „Kurdistanfestival“ und andere Feste auf örtlicher Ebene sowie Einnahmen aus der jährlich im Herbst/Winter durchgeführten „Spendenkampagne“. Bei dieser „Spendenkampagne“ setze der für Europa zuständige „Rat“ fest, welche Beträge von den einzelnen europäischen Ländern zu erbringen seien. Diese würden auf der jeweiligen Hierarchieebene Raum bzw. Gebiet aufgeschlüsselt. Dabei würden Listen der ortsansässigen Kurden verwendet und die von diesen zu erbringenden „Spenden“ nach der Höhe des jeweiligen Einkommens festgesetzt, wobei etwa ein Monatseinkommen zu erbringen sei. Die Spenden würden von so genannten „Sammelteams“ von zwei bis drei Personen eingesammelt, notfalls auch mit Gewalt eingetrieben. Im Zuge der hierarchischen Gebietsstruktur der PKK sei auch die Bundesrepublik Deutschland in mehrere Gebiete gegliedert, denen jeweils ein Gebietsverantwortlicher vorstehe, der regelmäßig nach einem Jahr ausgewechselt werde. Im Jahr 2005 sei dies bis zum Oktober im Gebiet Mannheim der Gebietsverantwortliche M.T., Deckname D., gewesen. Die Gebiete seien wiederum in Räume aufgeteilt, denen jeweils ein Raumverantwortlicher vorstehe. So sei das Gebiet Mannheim in die Räume Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Worms, Bruchsal, Karlsruhe und Germersheim aufgeteilt. Verantwortlicher im Raum Mannheim sei im Jahr 2005 eine nicht identifizierte Person namens Ma. gewesen. Der Kläger sei in den Jahren 2005 und 2006 im Raum Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen. Er sei direkt dem Raumverantwortlichen für Mannheim namens Ma. unterstellt und auch direkter Ansprechpartner des Gebietsverantwortlichen M.T. gewesen. Dies schließe die Strafkammer daraus, dass er als einer von wenigen Adressaten vom Gebietsverantwortlichen M.T. zwei Rundschreiben per SMS erhalten habe, in welchen er dazu aufgefordert worden sei, als einer der "Freunde, die für die Räume verantwortlich seien, ... die Freunde, mit denen er "zusammenarbeite, zu benachrichtigen". Außerdem seien sein Vorname und seine Handynummer auf sichergestellten Notizzetteln des Gebietsverantwortlichen M.T. notiert gewesen. In der von ihm übernommenen Funktion habe sich der Kläger mit dem Sammeln und der Weiterleitung von Spenden für die PKK und gelegentlich auch mit der Verteilung der Zeitschrift Serxwebun - eines der Publikationsorgane der PKK bzw. der Nachfolgeorganisation KONGRA-GEL - befasst. Er habe in den im einzelnen aufgeführten Fällen (von insgesamt 29 Personen aus vier Bezirken des Raums Mannheim - jeweils von Januar bis Mai, teilweise auch nur bis März oder April 2006) selbst oder unter Einschaltung von Hilfspersonen Spenden für die PKK gesammelt, diese in seiner Spendenliste verbucht und an ein zentrales Finanz- und Wirtschaftsbüro der PKK, wahrscheinlich in Brüssel, abführen lassen. Er habe sich zudem noch am 10.01.2007 von seinem Sohn mit Hilfe des Computers einen neuen Vordruck einer Spendenliste erstellen lassen. Der Kläger habe das gegen die PKK verhängte Betätigungsverbot gekannt. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Spendenkampagnen für die PKK von großer Bedeutung seien. An ihnen und an dem Verkauf der Zeitschrift habe er mit dem Willen teilgenommen, die PKK zu fördern und die Eintreibung von Spenden und Einnahmen aus Zeitungsverkäufen an den Vorgaben der Partei auszurichten. Nach Verwerfung der Revision durch den Bundesgerichtshof wurde das Urteil am 08.04.2009 rechtskräftig.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 27.03.2012 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziff. 1). Er wurde außerdem verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim begrenzt (Ziff. 2). Die Ausweisung wurde auf §§ 55, 56 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Als Ausweisungsgrund wurde § 54 Nr. 5 AufenthG herangezogen, wonach ein Ausländer in der Regel ausgewiesen wird, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder unterstützt hat oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Mit Blick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und den minderjährigen Kindern und unter Berücksichtigung seines unbefristeten Aufenthaltsrechts sowie des Status als Asylberechtigter und Flüchtling erging die Ausweisungsverfügung jedoch als Ermessensentscheidung (§§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5, Satz 5 AufenthG, 55 AufenthG, Art. 6 Abs. 1 GG, 8 EMRK). Zur Begründung wurde ausgeführt: Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle es sich um Vereinigungen im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Aktivitäten des Klägers wie insbesondere das Eintreiben von Spenden, der Verkauf der PKK-Zeitung Serxwebun und auch die ständige Teilnahme an Veranstaltungen der PKK bzw. PKK-naher Vereine seien als Unterstützung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dabei sei auch von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit auszugehen. Schließlich seien bis weit ins Jahr 2011 Unterstützungshandlungen nachgewiesen. Dem Interesse des Klägers an seinem Verbleib im Bundesgebiet, das sich aus den bestehenden persönlichen und familiären Bindungen ergebe, werde durch Duldungen (d.h. eine Aussetzung der Abschiebung ohne Aufenthaltstitel) Rechnung getragen werden.
Die vom Kläger gegen diesen Bescheid erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 07.08.2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wurde dargelegt: Der Umstand, dass der Kläger durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK verurteilt worden sei, rechtfertige ohne weiteres die Annahme einer relevanten Unterstützungstätigkeit, wenn diese Tätigkeiten nicht sogar auf eine Zugehörigkeit zur Organisation selbst hinwiesen. Des Weiteren stelle jedenfalls der regelmäßige, über Jahre erfolgte häufige Besuch der dem Kläger vorgehaltenen Veranstaltungen, insbesondere wenn es sich um so genannte Märtyrergedenkveranstaltungen und Feiern zum Jahrestag der Gründung der PKK handle, eine relevante Unterstützungstätigkeit dar. Durch das Einsammeln der Spenden und deren Weiterleitung habe der Kläger die PKK sogar in qualifizierter Weise unterstützt.
Auf den vom Kläger gestellten Antrag hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.11.2012 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen.
Der Kläger bestreitet, dass es sich bei der PKK um eine terroristische Vereinigung handelt. Jedenfalls habe er diese nicht unterstützt. Außerdem seien die für ihn als anerkannten Flüchtling geltenden Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, Art. 21 und Art. 24, nicht berücksichtigt worden. Eine Ausweisung setze nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie voraus, dass der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen sei. Solche wären nur zu bejahen, wenn er eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt hätte. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben, auch nicht mit Blick auf seine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Dieser lägen Vorgänge aus den Jahren 2005 und 2006 zugrunde. Ob von ihm - unterstellt die vom beklagten Land behaupteten Aktivitäten träfen zu - eine aktuelle Gefährdung, ausginge, sei weder überprüft noch festgestellt worden. Die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG seien schon deshalb eindeutig nicht erfüllt, weil die danach erforderlichen „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ schwerwiegendere Gründe als die in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe voraussetzten. Diesbezüglich sei zur Auslegung auf Art. 28 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie - abzustellen.
10 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2013 hat der Kläger erklärt, er habe die ihm im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zur Last gelegte Straftat nicht begangen und auch nie eingeräumt. Er sei Kurde und sehe sich als "progressiver Kurde", weshalb er sich verpflichtet fühle, an Newroz-Festen, Demonstrationen und Veranstaltungen von Kurden teilzunehmen. Als Kurde möge er die PKK; er stehe hinter ihr. Er sei aber kein "PKK'ler". Zu letzteren zähle er die Personen, die in den Bergen gegen den Feind kämpfen. Veranstaltungen in Gedenken an die PKK, wie zum Beispiel zum Jahrestag ihrer Gründung, seien für ihn persönlich zwar nicht wichtig. Wenn es aber "für das Volk" wichtig sei, dass er daran teilnehme, könne es sein, dass er das auch mache. Feiern aus Anlass des Geburtstages von Öcalan seien nicht verboten und für ihn persönlich "schon wichtig". An Märtyrergedenkveranstaltungen nehme er teil, wenn es ihm danach sei. Wenn in den Räumen des kurdischen Vereins Versammlungen durchgeführt worden seien, sei er hingegangen. Es habe sich immer um erlaubte Veranstaltungen gehandelt. Als Vorstandsmitglied des kurdischen Vereins in Bielefeld Anfang der 1990-er Jahre habe er lediglich die Aufgabe gehabt, die Einkäufe für den Verein zu erledigen. Nach dem Verbot der PKK habe es deshalb bei ihm zu Hause eine Razzia gegeben und er sei auch angeklagt worden. Später habe er keine Aufgaben mehr übernommen. Nach seinem Umzug nach Mannheim 2002 sei er zwar zunächst noch Mitglied des örtlichen Kulturvereins der Kurden gewesen, nach Verlegung des Vereinssitzes in die benachbarte Stadt Ludwigshafen aber nicht mehr. Wegen der mit der Ausweisungsverfügung gegen ihn verhängten Beschränkung seines Aufenthalts auf die Stadt Mannheim sei er auch nicht mehr dorthin gegangen, früher habe er sich einmal die Woche, manchmal auch täglich, in den Vereinsräumen aufgehalten. Seine Reise in den Irak sei für ihn wie eine "Pilgerreise" gewesen. Dies habe er unter anderem deshalb so empfunden, weil dort sogar Staatsbedienstete wie Polizisten, Richter usw. kurdischer Volkszugehörigkeit seien. Mit einem Neffen sei er überall unterwegs gewesen. Bewaffnete Personen wie die, mit denen er sich auf Fotos habe ablichten lassen, gebe es dort überall.
11 
Das beklagte Land verteidigt den angegriffenen Ausweisungsbescheid. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 21 Abs. 2 und 3 RL 2004/83/EG stünden einer Ausweisung nicht entgegen. Der Kläger sei schließlich rechtskräftig wegen des Sammelns von Spenden für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen verurteilt worden. Den Urteilsgründen des Strafurteils sei zu entnehmen, dass er in den Jahren 2005 und 2006 in Mannheim in gehobener Funktion für die PKK aktiv gewesen sei. Durch das Sammeln von Spenden habe er nicht nur die Strukturen der PKK in Deutschland gestärkt, sondern darüber hinaus auch die kämpfende PKK in der Türkei, die sich unter anderem durch die Spenden ihrer Anhänger finanziere, im Vorfeld qualifiziert unterstützt. Die Ausübung der genannten Tätigkeiten und die gehobene Funktion des Klägers im Raum Mannheim verdeutlichten seine strukturelle Einbindung in die Organisation, durch welche er das Gefährdungspotential der PKK mittrage. Dem stehe nicht entgegen, dass seine Verurteilung schon mehrere Jahre zurückliege. Selbst wenn er seither nicht mehr für das Sammeln von Spenden zuständig sei, belege doch die in den darauffolgenden Jahren weiterhin erfolgte regelmäßige Teilnahme an zahlreichen Demonstrationen und Veranstaltungen der PKK das Fehlen der inneren und äußeren Abkehr von der PKK und deren Zielen.
B)
12 
Der Rechtsstreit ist in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen und es ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 AEUV).
I.
13 
Die für die Erörterung der Vorlagefragen maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
14 
1. Völkerrecht und Unionsrecht
15 
a) Genfer Flüchtlingskonvention
16 
(Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951; GFK)
17 
Artikel 28 - Reiseausweise
18 
1. Die vertragschließenden Staaten werden den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten, Reiseausweise ausstellen, die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen; …
19 
Artikel 32 - Ausweisung
20 
1. Die vertragschließenden Staaten werden einen Flüchtling, der sich rechtmäßig in ihrem Gebiet befindet, nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausweisen.
21 
Artikel 33 - Verbot der Ausweisung und Zurückweisung
22 
1. Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.
23 
2. Auf die Vergünstigung dieser Vorschrift kann sich jedoch ein Flüchtling nicht berufen, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.
24 
b) Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ)
25 
Artikel 21
26 
(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen.
27 
c) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 304 vom 30.09.2004, S. 12; im folgenden RL 2004/83/EG bzw. "Richtlinie“)
28 
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
...
29 
in Erwägung nachstehender Gründe:
30 
...
(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
31 
(7) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen.
32 
(22) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, “dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und “dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.
...
33 
(28) Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
34 
HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
35 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
36 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
37 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde.
38 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
39 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
40 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
41 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
42 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem sie sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
43 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
44 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
45 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
46 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
47 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.
48 
d) Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU L 337 vom 20.12.2011, S. 9, im Folgenden RL 2011/95/EU)
49 
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
50 
in Erwägung nachstehender Gründe:
51 
...
(12) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien zur Bestimmung der Personen anwenden, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.
52 
(13) Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Zuerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragt haben, zwischen Mitgliedstaaten einzudämmen, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht.
...
53 
(31) Handlungen im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt; sie sind unter anderem in den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, dass die "Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und dass die "wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen".
...
54 
(37) Der Begriff der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt.
...
55 
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:
56 
Artikel 14 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft
57 
...
(4) Die Mitgliedstaaten können einem Flüchtling die ihm von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannte Rechtsstellung aberkennen, diese beenden oder ihre Verlängerung ablehnen, wenn
58 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält;
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
59 
(5) In den in Absatz 4 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten entscheiden, einem Flüchtling eine Rechtsstellung nicht zuzuerkennen, solange noch keine Entscheidung darüber gefasst worden ist.
60 
Artikel 21 - Schutz vor Zurückweisung
61 
(1) Die Mitgliedstaaten achten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen.
62 
(2) Ein Mitgliedstaat kann, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn
63 
a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder
b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde.
64 
(3) Die Mitgliedstaaten können den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
65 
Artikel 24 - Aufenthaltstitel
66 
(1) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3 stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
67 
Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 kann der Aufenthaltstitel, der Familienangehörigen von Personen ausgestellt wird, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, weniger als drei Jahre gültig und verlängerbar sein.
68 
(2) So bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
69 
e) Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77, ber. ABl. L 229 vom 29.06.2004, S. 35; im Folgenden RL 2004/38/EG)
70 
Artikel 28 - Schutz vor Ausweisung
71 
...
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
72 
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, ...
73 
2. Nationales Recht:
74 
a) Aufenthaltsgesetz (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30.07.2004, BGBl. I 1950, in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2008, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 15.02.2013, BGBl. I, S. 254; AufenthG)
75 
§ 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot
76 
(1) Ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, darf nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Wirkungen werden auf Antrag befristet. Die Frist ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist. Die Frist beginnt mit der Ausreise. …
(2) ...
77 
§ 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen
78 
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
79 
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (§ 3 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes). Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
...
80 
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann abweichend von § 11 Abs. 1 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist...
81 
§ 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen
82 
(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:
83 
...
5. Ausweisung des Ausländers,
84 
§ 54 Ausweisung im Regelfall
85 
Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn
1. ...
...
86 
5. Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen,
87 
§ 54a Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit
88 
(1) Ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. …
89 
(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.
90 
§ 55 Ermessensausweisung
91 
(1) Ein Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
92 
(2) Ein Ausländer kann nach Absatz 1 insbesondere ausgewiesen werden, wenn er ...
93 
(3) Bei der Entscheidung über die Ausweisung sind zu berücksichtigen
94 
1. die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet,
2. die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen oder Lebenspartner des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben,
3. die in § 60a Abs. 2 und 2b genannten Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung.
95 
§ 56 Besonderer Ausweisungsschutz
96 
(1) Ein Ausländer, der
97 
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
1a. eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 bis 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4. mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
5. als Asylberechtigter anerkannt ist, im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, genießt besonderen Ausweisungsschutz. Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor. Liegen die Voraussetzungen des § 53 vor, so wird der Ausländer in der Regel ausgewiesen. Liegen die Voraussetzungen des § 54 vor, so wird über seine Ausweisung nach Ermessen entschieden.
98 
§ 60 Verbot der Abschiebung
99 
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurden.
100 
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes erfüllt.
101 
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden.
102 
§ 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)
103 

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn…
...
104 
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
105 
b) Vereinsgesetz
106 
(Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts vom 05.08.1964, BGBl. I 1964, S. 593; VereinsG)
107 
§ 18 Räumlicher Geltungsbereich von Vereinsverboten
108 
Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.
109 
§ 20 Zuwiderhandlungen gegen Verbote
110 
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
111 
...
4. einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5. ...,
112 
wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ ….… des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist.
II.
113 
Zu den im Beschlusstenor angeführten Fragen - welche noch nicht Gegenstand von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs waren - ist eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV einzuholen, weil diese entscheidungserheblich sind und der Klärung bedürfen.
114 
Gemessen an den Bestimmungen des nationalen Rechts kann die Berufung keinen Erfolg haben. Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht zu Recht abgewiesen, weil die Ausweisung und die mit ihr verfügte Aufenthaltsbeschränkung sowie die Meldeauflage danach als rechtmäßig zu beurteilen sind (dazu unter 1.). Es kommt daher darauf an, ob Unionsrecht - hier Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG - einer Ausweisung des Klägers entgegensteht (2.)
115 
1. Der Senat ist aufgrund der vorliegenden Akten und Unterlagen sowie der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Sachverhalt und die nationale Rechtslage - ohne Berücksichtigung von Art. 21 oder 24 RL 2004/83/EG - derzeit (maßgeblich wäre letztlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Senats über das Berufungsverfahren) wie folgt zu beurteilen wären:
116 
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG sind gegeben (a). Die Ausweisung lässt sich nach nationalem Recht auch insgesamt rechtlich nicht beanstanden, insbesondere liegen keine Ermessensfehler vor (b). Danach wären die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers und die ihm gegenüber verfügte Meldeauflage ebenfalls rechtmäßig (c).
117 
a) Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG liegt vor.
118 
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - juris, Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris, jew. m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2012 - AK 1/12 und 2/12 - juris) sind die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen - im Folgenden PKK - dem Terrorismus zuzurechnen und damit jedenfalls als eine den Terrorismus im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützende Vereinigung anzusehen. Das seit vielen Jahren weitgehend friedliche Auftreten der PKK in Europa ist Teil einer „Doppelstrategie“ (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 24.02.2010 - 6 A 7.08 - juris) und ändert nichts an deren bislang grundsätzlich weiter bestehenden Gewaltbereitschaft und der Anwendung von terroristischen Mitteln, etwa bei Anschlägen in der Türkei. Abgesehen davon ist die PKK seit Mai 2002 auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Ziff. 2.9 des Anhangs zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP - ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2012/765/GASP des Rates vom 10.12.2012, ABl. EU L 337 vom 11.12.2012, S. 50). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erlaubt eine solche Aufnahme die Feststellung, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09, B. und D. - Slg. 2010, I-10979, = juris).
119 
Zwar hat Abdullah Öcalan im März dieses Jahres eine Waffenruhe verkündet, die das Ergebnis von Verhandlungen mit dem türkischen Geheimdienst sein soll. Diese ist dann von der PKK tatsächlich ausgerufen worden. Inzwischen hat nach Medienberichten der Abzug von PKK-Kämpfern aus der Türkei bereits begonnen; er soll Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allein deshalb kann aber noch nicht angenommen werden, die PKK wäre nicht mehr als terroristische Organisation anzusehen. Schließlich gab es auch in der Vergangenheit entsprechende Erklärungen, die zu keiner wesentlichen Änderung auf Dauer geführt haben. So wurde ein 1999 ausgerufener „Friedenskurs“ 2004 wieder beendet. Selbst in der Zwischenzeit hatte die PKK nicht auf Gewalt verzichtet.
120 
Der Senat ist auch der Überzeugung, dass der Kläger die PKK unterstützt im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die von ihm ausgeübten Aktivitäten zur Unterstützung haben dabei sicherlich unterschiedliches Gewicht und unterschiedliche Qualität. Von besonderer Bedeutung ist das "Sammeln" bzw. "Eintreiben" und das Weiterleiten von Spenden für die PKK aus vier Bezirken des Raums Mannheim in den Jahren 2005 und 2006. Der Senat folgt insoweit den Feststellungen des Landgerichts Karlsruhe im Strafurteil vom 03.12.2008. Danach war der Kläger zwar nicht in einer Führungsposition, etwa als Gebiets- oder Raumverantwortlicher, für die PKK aktiv, er hatte aber jedenfalls eine besondere Stellung inne, welche einen aktiven Einsatz auch nach außen hin erforderte. Schließlich mussten die Spenden regelmäßig einkassiert und gegebenenfalls eingefordert werden. Die Spendenkampagnen sind für die PKK von großer Bedeutung, was dem Kläger bekannt war. Hinzu kommt der Verkauf der PKK-Zeitschrift Serxwebun. Länger zurück liegen die Aktivitäten des Klägers in Bielefeld als Vorstandsmitglied eines später verbotenen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre. Diese sowie die regelmäßige Teilnahme an diversen PKK-nahen Veranstaltungen, auf welche sich der Kläger auch in seinen Asylverfahren berufen hat, zeigen aber, dass er seit seiner Einreise nach Deutschland durchgehend für die PKK aktiv war. Auch der bloße Besuch der angeführten Feiern bzw. Versammlungen mit einer besonderen PKK-Nähe, wie Veranstaltungen aus Anlass des Gründungsjahrestages der PKK, des Geburtstags und des Jahrestags der Festnahme von Öcalan sowie so genannte "Märtyrergedenkfeiern" und "Volksversammlungen" (vgl. zu letzteren genauer Senatsurteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - a.a.O.) fördert den Zusammenhalt der Organisation und ihrer Anhänger. Diese Veranstaltungen haben schon von ihrem Anlass bzw. ihrer Thematik her für die Besucher erkennbar den Charakter einer Propagandaveranstaltung für die PKK und werden auch entsprechend inszeniert. Die durch eine Teilnahme an solchen besonderen Veranstaltungen ausgedrückte innere Nähe und Verbundenheit zur PKK kann deren Stellung und Ansehen in der Gesellschaft, namentlich unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflussen, damit ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitern und dadurch insgesamt dazu beitragen, das latente Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Sie kann daher - auch in Ansehung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit - als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung anzusehen sein (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - sowie Urteile des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - und vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, jew. a.a.O. und m.w.N.; Beschluss des Senats vom 08.01.2013 - 11 S 1581/12 - juris). Davon ist hier in Anbetracht der Vielzahl von einschlägigen Veranstaltungen, die der Kläger im Laufe von mittlerweile über zwei Jahrzehnten besucht hat, auszugehen. Er hat in der mündlichen Verhandlung zudem deutlich gemacht, dass es ihm tatsächlich darum geht, die PKK zu unterstützen, und dass er sich verpflichtet fühlt, an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Soweit er vorgetragen hat, er sei kein "PKK'ler", das seien doch nur die Kämpfer in den Bergen, und er habe auch nur an erlaubten Veranstaltungen teilgenommen, verkennt er, dass § 54 Nr. 5 AufenthG der effektiven Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Herabsetzen der Eingriffsschwelle dient. Sinn und Zweck ist die präventive Gefahrenabwehr. Für die Verwirklichung des Tatbestands kommt es danach nicht darauf an, ob die konkrete Unterstützungshandlung strafbar wäre oder ob die Veranstaltung, um deren Besuch es geht, verboten wurde (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O., m.w.N.). Abgesehen davon hat sich der Kläger unter anderem wegen des Einsammelns und Weiterleitens von Spenden für die PKK sogar strafbar gemacht.
121 
Vor dem Hintergrund der langjährigen Aktivitäten des Klägers kann auch nicht allein aus der Tatsache, dass er inzwischen weniger - und seit Ergehen der Ausweisungsverfügung am 27.03.2012 kaum mehr - an entsprechenden Veranstaltungen teilnimmt, geschlossen werden, dass er nicht mehr als Unterstützer der PKK anzusehen wäre. Es ist im Gegenteil bezeichnend, dass er selbst nach der Durchsuchung seiner Wohnung wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz am 10.01.2007 und während des daran anschließenden Strafverfahrens und selbst noch nach Hinweis durch das Regierungspräsidium in einem Schreiben vom 09.10.2009, dass seine Ausweisung geprüft werde, weiter PKK-nahe Veranstaltungen besucht hat. Seit Erlass des Ausweisungsbescheids vom 27.03.2012 ist zudem sein Aufenthalt aufgrund der darin unter Ziffer 2 verfügten sofort vollziehbaren Anordnung auf den Stadtbezirk Mannheims beschränkt. Dies ist seinen Angaben nach auch der Grund dafür, dass er nicht einmal mehr den kurdischen Verein in Ludwigshafen besucht. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass der Kläger sich lediglich mit Blick auf die laufenden Verfahren derzeit „zurückhält“ und seine Aktivitäten andernfalls zumindest mit dem Besuch von Veranstaltungen der geschilderten Art fortsetzen bzw. wieder aufgreifen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch künftig die PKK nachhaltig unterstützen wird.
122 
b) Die Ausweisung ist - bei einer Beurteilung rein nach nationalem Recht - auch im Übrigen rechtmäßig.
123 
Unter anderem wegen seiner Rechtsstellung als anerkannter Asylbewerber und als Flüchtling sowie der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern deutscher Staatsangehörigkeit (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 5 AufenthG) genießt der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besonderen Ausweisungsschutz. Er darf nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden (§ 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), die allerdings im Fall des § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel vorliegen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier in Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, nicht gegeben. Über die Ausweisung des Klägers ist nach Ermessen zu entscheiden (§§ 56 Abs. 1 Satz 5, 55 AufenthG). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK, vgl. auch Art. 6 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ist die Ausweisung insbesondere als verhältnismäßig anzusehen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger Deutschland nicht - als Folge der Ausweisung - verlassen müsste, sondern jedenfalls weiter geduldet würde.
124 
c) Damit liegen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit nach § 54a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vor. Die Verpflichtung des Klägers unter Ziffer 2 des Bescheids vom 27.03.2012, sich zweimal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, beruht auf § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG; die Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim folgt aus § 54a Abs. 2 AufenthG.
125 
2. Es ist aber weiter zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welcher Weise - die nach nationalem Recht bei der Ausweisung eines Flüchtlings geltenden Voraussetzungen durch vorrangiges Unionsrecht modifiziert werden. Das würde hier bedeuten, dass der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG mit Blick auf Unionsrecht gegebenenfalls abweichend - unionsrechtskonform - auszulegen ist.
126 
Vorab ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass die Ausweisung des Klägers nicht an Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation zu messen ist. Da der Kläger nie einer Arbeit nachgegangen ist, hat er auch keine Rechtsstellung nach Art. 6 des Assoziationsratsbeschlusses erworben.
127 
Als unionsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die Ausweisung des Klägers als anerkannter Flüchtling kommen die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bzw. die entsprechenden Nachfolgevorschriften der Richtlinie 2011/95/EU in Betracht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die Voraussetzungen des - auf die Ausweisung anzuwendenden - Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind (dazu unter a). Deshalb stellen sich die Vorlagefragen (b).
128 
a) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG ist auch bei der Ausweisung eines Flüchtlings nach deutschem Recht anwendbar (aa). Dessen Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor (bb).
129 
aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 der Regelung kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Gemäß Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG können die Mitgliedstaaten den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.
130 
Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gilt auch für Fälle, in denen der einem Flüchtling erteilte Aufenthaltstitel vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 RL 2004/83/EG) oder sogar vor deren Inkrafttreten am 20.10.2004 erteilt worden ist. Art. 21 RL 2004/83/EG enthält - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 RL 2004/83/EG bezüglich Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie gestellt werden - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass dessen Anwendbarkeit bei bereits erteilten Aufenthaltstiteln ausgeschlossen wäre. Auf die Frage, ob bereits auf die Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, welche am 09.01.2012 in Kraft getreten ist (vgl. dazu deren Art. 41 Abs. 1), abzustellen ist, kommt es nicht an, weil Art. 21 unverändert geblieben ist (soweit im Folgenden auf Art. 21 RL 2004/83/EG abgestellt wird, gelten die entsprechenden Ausführungen daher ebenso bezüglich Art. 21 RL 2011/95/EU).
131 
Eine Ausweisung nach deutschem Recht führt nicht zwingend zu einer Abschiebung des Betreffenden und damit auch nicht zu einer "Zurückweisung" im Sinne des Art. 21 Abs. 1 und 2 RL 2004/83/EG, sie kann daher nicht unmittelbar gegen den in Absatz 1 angeführten Grundsatz der Nichtzurückweisung verstoßen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass er unter anderem wegen der familiären Lebensgemeinschaft mit den minderjährigen Kindern, von denen einige die deutsche Staatsangehörigkeit haben, (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) und wegen seines Status als anerkannter Asylbewerber und Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) nicht abgeschoben werden darf und soll.
132 
Auf eine Ausweisung finden jedoch die Regelungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG über die Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln bei Flüchtlingen Anwendung. Dies folgt daraus, dass nach nationalem Recht (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) eine Ausweisung ohne Weiteres das Erlöschen des dem Betreffenden erteilten Aufenthaltstitels, hier der Niederlassungserlaubnis des Klägers, zur Folge hat. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird diesem auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein (neuer) Aufenthaltstitel erteilt (vgl. auch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Sie hat außerdem Folgen für den Zugang zu Beschäftigung, Bildung und weiteren sozialen Rechten, die nach deutschem Recht in der Regel an das Bestehen eines Titels (vgl. §§ 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 AufenthG, 4 Abs. 2 und 3 AufenthG) und nicht wie nach Art. 26 ff. RL 2004/83/EG an die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft anknüpfen. Das beklagte Land geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger - sollte die Ausweisung rechtskräftig werden - jedenfalls vorerst kein Aufenthaltstitel erteilt werden kann, sondern dass er lediglich einen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, also auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung hat. Diese lässt die Ausreisepflicht unberührt (§ 60a Abs. 3 AufenthG). Aus alledem folgt nach Auffassung des Senats, dass die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht der Beendigung eines Aufenthaltstitels im Sinne des Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG gleichzustellen ist.
133 
bb) Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG lässt jedoch im vorliegenden Fall nicht die Beendigung des Aufenthaltstitels - und damit in letzter Konsequenz auch nicht eine Ausweisung - zu. Erforderlich wäre danach, dass "Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet". Dieser Verweis auf den zweiten Absatz bedeutet, dass die Aufhebung bzw. die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels voraussetzt, dass eine Zurückweisung des betreffenden Flüchtlings nicht nach völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt wäre (siehe dazu den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist") und dass die in den Buchstaben a oder b des Art. 21 Abs. 2 RL der Richtlinie genannten Gefahren gegeben sind (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris). Hier fehlt es schon am Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder b RL 2004/83/EG.
134 
Diese entsprechen im Wesentlichen den in Art. 33 Abs. 2 GFK enthaltenen Voraussetzungen für eine Durchbrechung des völkerrechtlichen Refoulement-Verbots (vgl. dazu Battjes in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, Ch. IV.3. Council Directive 2004/83/EC, Art. 21 Rn. 11). Art. 33 Abs. 1 GFK untersagt die Ausweisung oder Zurückweisung eines Flüchtlings über die Grenzen von Gebieten, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach Absatz 2 kann sich auf die Vergünstigung jedoch ein Flüchtling nicht berufen, "der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde". Die Parallelen zwischen den Ausnahmetatbeständen beider Vorschriften zeigen, dass nicht nur eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG, sondern auch die Versagung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels nur unter den Voraussetzungen zulässig ist, welche auch die Zurückschiebung eines Flüchtlings in das "Verfolgerland" ermöglichen würden, also nur bei "schwerwiegenden Gründen". Im Übrigen finden sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG auch in Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einem Flüchtling die ihm zuerkannte Rechtsstellung (als Flüchtling) wieder aberkennen, beenden oder ihre Verlängerung ablehnen (Abs. 4), gegebenenfalls die Rechtsstellung von vornherein nicht zuerkennen (Abs. 5), wenn eine der angeführten Gefahren gegeben ist. Auch dies verdeutlicht, dass es sich um besonders gravierende Gefahren handeln muss. Zurückweisung und Ausschluss vom bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus können nur "ultima ratio" sein (vgl. zu Art. 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl 2012, § 37 Rn. 54; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 17.12 - juris). Bei der Gefahr für die Allgemeinheit gelten nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und in Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/83/EG mit dem Erfordernis der Verurteilung des Betreffenden wegen "eines besonders schweren Verbrechens" - jedenfalls dem Wortlaut nach - sogar höhere Anforderungen als gemäß Art. 33 Abs. 2, 2. Alternative GFK, wonach eine Verurteilung wegen "eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens" genügt.
135 
Offen bleiben kann hier, ob der Umstand, dass in der deutschen Fassung des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und des Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG nicht "schwerwiegende Gründe" wie in Art. 33 Abs. 2 GFK, sondern lediglich "stichhaltige Gründe" gefordert werden, bedeutet, dass ein geringeres Maß an Überzeugungsgewissheit erforderlich ist (vgl. dazu die englischen Fassungen dieser Bestimmungen: Art. 21 Abs. 2: „… reasonable grounds for considering him or her as a danger to the security of the Member State in which he or she is present…; Art. 33 Abs. 2 GFK: „… reasonable grounds for regarding as a danger for the security of the state in which he is…”). Mit Blick auf Art. 33 GFK, welcher zwingende Vorgaben für das Refoulement-Verbot und seine Ausnahmen enthält und in Art. 21 Abs. 1 RL 2004/83/EG aufgegriffen wird, dürften allerdings nicht nur an das Ausmaß der Gefahr, sondern auch an deren Nachweis insgesamt dieselben Anforderungen zu stellen sein wie im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GFK (a.A. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Letztlich kommt es aber hier auf diese Frage nicht an.
136 
Denn selbst wenn man insofern von einer Absenkung des erforderlichen Beweismaßes ausginge, sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht erfüllt. Der vom Kläger begangene Verstoß gegen das Vereinsgesetz, der zu seiner Verurteilung mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.12.2008 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen geführt hat, ist ersichtlich nicht als "besonders schwere Straftat" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG anzusehen. Es bestehen aber auch keine "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie bzw. dass er aus "schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes" anzusehen ist im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GFK.
137 
Bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, Art. 14 Abs. 4 und Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten - in bestimmten Grenzen - den Begriff der "Sicherheit" nach dem jeweiligen eigenen Recht selbst definieren, weil auf die Sicherheit des eigenen Staates abzustellen ist und diese im Völkerrecht nicht abschließend festgelegt werden kann (vgl. dazu und zum folgenden: Zimmermann, The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and its 1967 Protocol, A Commentary, Oxford 2011, Article 33, para 2 Rn. 82 ff.). Jedoch muss es sich jedenfalls um eine sehr große Gefahr handeln (Marx, a.a.O., § 35 Rn. 182, § 37 Rn. 51, § 54 Rn. 4, m.w.N.). Aspekte der nationalen Sicherheit sind vor allem der Bestand des Staates und seiner Einrichtungen, das Überleben der Bevölkerung, die Freiheit von militärischer Bedrohung oder Umsturz. Es muss eine substantielle Bedrohung von dem Flüchtling für die Grundinteressen des Staates ausgehen, die auch terroristische Aktivitäten umfassen kann, wobei allerdings nicht jeder Akt von internationalem Terrorismus per se eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt (näher Zimmermann, a.a.O. Rn. 87). Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 8 AufenthG von der Möglichkeit der Verweigerung bzw. Aberkennung des Flüchtlingsstatus Gebrauch gemacht (vgl. auch § 3 Abs. 4 AsylVfG). Die diesbezügliche Rechtsprechung kann daher zur Auslegung der Voraussetzungen herangezogen werden.
138 
Danach kann die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des Ausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht ausreichen; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Stichhaltige bzw. schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 Abs. 1 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine terroristische Vereinigung bzw. eine Vereinigung, welche den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht ab- strakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 31.98 - juris, zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990; Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.).
139 
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine Aufhebung des Aufenthaltstitels des Klägers und damit seine Ausweisung nicht unter Verweis auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG rechtfertigen. Es bedarf schon genauerer Prüfung, ob tatsächlich noch von einer Gefahr für die (innere und äußere) Sicherheit des deutschen Staates durch Unterstützung der PKK auszugehen sein kann, obwohl diese in den letzten Jahren terroristische Mittel fast überwiegend nur in der Türkei angewandt hat. Abgesehen davon hat der Kläger aber jedenfalls weder selbst Gewalt ausgeübt noch dazu aufgerufen oder diese aktiv öffentlich verherrlicht. Es besteht keine Grundlage für die Annahme, er selbst könnte terroristischen Gewalttätern unmittelbar Hilfeleistungen zukommen lassen. Wie dargelegt, hat er zwar die PKK Anfang der 1990-er Jahre durch die Übernahme einer Vorstandstätigkeit in einem PKK-nahen Verein in Bielefeld, in den Jahren 2005 sowie 2006 durch das Einsammeln von Spenden und das Verkaufen von Zeitschriften sowie ständig durch den Besuch von PKK-nahen Veranstaltungen unterstützt. Der Senat geht aber davon aus, dass der Kläger 2005 und 2006 lediglich vorübergehend wieder eine wichtigere Funktion übernommen hat und nicht weitreichend und vor allem nicht über einen längeren Zeitraum in die Hierarchieebenen der PKK eingebunden war. Schließlich war er nach den Feststellungen im Strafurteil vom 03.12.2008 selbst in der Zeit des Einsammelns von Spenden lediglich unterhalb des Raumverantwortlichen aktiv. Er kann daher nicht - jedenfalls nicht mehr - als ein "Funktionär" der PKK angesehen werden. Bezeichnend ist auch, dass es trotz der dem Senat aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten engen Überwachung der örtlichen kurdischen Vereine und ihres Umfelds durch das Landesamt für Verfassungsschutz - abgesehen von der Teilnahme an Veranstaltungen - keinerlei Hinweise auf weitere Aktivitäten des Klägers für die PKK bzw. ihr Umfeld gibt. Vor allem in Anbetracht der verstrichenen Zeit seit seiner Betätigung als Spendensammler 2005 und 2006 kann daher derzeit nicht (mehr) von einer gegenwärtigen Gefährdung der Sicherheit Deutschlands durch ein Handeln des Klägers ausgegangen werden.
140 
b) Damit bedürfen die Vorlagefragen der Klärung durch den Europäischen Gerichtshof. Da die Voraussetzungen für die in Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG eingeräumte Möglichkeit zur Aufhebung bzw. Beendigung der einem Flüchtling erteilten Aufenthaltserlaubnis hier nicht vorliegen, sind zunächst der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie (aa, Vorlagefragen 1) und gegebenenfalls dessen Voraussetzungen (bb, Vorlagefragen 2) zu klären. Sollte die Regelung keine Anwendung finden auf die Aufhebung bzw. Beendigung eines Aufenthaltstitels, stellt sich die Frage, ob eine solche unionsrechtlich nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist (cc, Vorlagefrage 3).
141 
aa) Vorlagefragen 1
142 
Mit diesen beiden Fragen soll geklärt werden, ob die Regelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels auch bei der Beendigung von Aufenthaltstiteln - und damit für die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings nach deutschem Recht - Anwendung findet, und ob diese gegebenenfalls dahingehend auszulegen ist, dass sie der Aufhebung oder Beendigung des Aufenthaltstitels einer betreffenden Person entgegensteht, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegeben sind.
143 
Zunächst ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch auf Fälle Anwendung findet, in denen die Flüchtlingsanerkennung vor Geltung dieser Vorschrift erfolgt ist (vgl. dazu oben 2 a) aa)). Derzeit ist noch nicht auf die Neufassung des Art. 24 - in der Fassung der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - abzustellen. Denn diese gilt gemäß Art. 41 Abs. 2 RL 2011/95/EU erst ab dem 22.12.2013. Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an. Die Vorlagefragen stellen sich ebenso unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU. Denn die beiden Fassungen des ersten Unterabsatzes unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG an die Zuerkennung des "Schutzstatus" und die geänderte Fassung der Richtlinie 2011/95/EU an die Zuerkennung des "internationalen Schutzes" anknüpft und dass in der älteren Fassung auf die Personen abgestellt wird, denen die "Flüchtlingseigenschaft" zuerkannt worden ist, während in der neuen der Begriff "Flüchtlingseigenschaft" durch "Flüchtlingsstatus" ersetzt wurde. Die materiellen Anforderungen haben sich damit nicht geändert. Abgesehen davon sind in der deutschen Fassung offensichtlich nur Übersetzungsungenauigkeiten beseitigt worden: Der letzte Halbsatz des Absatz 1 Unterabsatz 1 (ebenso in Absatz 3) in der Veröffentlichung in deutscher Sprache (ABl. L 304 vom 30.09.2004, S. 12, in der Fassung der Berichtigung, ABl. L 204 vom 05.08.2005, S. 24) lautete "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen" statt - wie in der neuen Fassung - "es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen" (so aber schon in der englischen Fassung 2004: "unless reasons of compelling national security or public order otherwise reqire", ebenso z.B. in der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Fassung).
144 
Art. 24 RL 2004/83/EG enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Beendigung oder Aufhebung von Aufenthaltstiteln. Dessen Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus (RL 2004/83/EG) - bzw. des internationalen Schutzes (RL 2011/95/EU) - und unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel auszustellen, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (RL 2004/83/EG) - bzw. der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (RL 2011/95/EU) - dem entgegenstehen. Unterabsatz 2 enthält Regelungen für Familienangehörige, Absatz 2 eine Absatz 1 Unterabsatz 1 entsprechende Verpflichtung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, mit dem Unterschied, dass nicht auf - den nicht für diesen Personenkreis geltenden - Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG verwiesen wird und dass der Aufenthaltstitel eine Geltungsdauer von lediglich einem Jahr enthalten muss. Die Vorschrift bezweckt neben der "Gewährleistung eines Mindestmaßes an Schutz" für "Personen, die tatsächlich Schutz benötigen", die Sicherstellung, dass diesen "ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird" (Erwägungsgrund 6 der RL 2004/83/EG, 12 der RL 2011/95/EU). Dazu gehört die Sicherung des Aufenthaltsstatus von Personen mit internationalem Schutz. Außerdem zielt die Richtlinie auf eine weitgehende Angleichung der Stellung von Flüchtlingen und von Personen mit subsidiärem Schutzstatus (vgl. Erwägungsgrund 7 der RL 2004/83/EG, 13 der RL 2011/95/EU).
145 
Der Senat ist der Auffassung, dass aus der in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG normierten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, anerkannten Flüchtlingen einen mindestens drei Jahre gültigen Aufenthaltstitel zu erteilen, auch das Verbot abzuleiten ist, diesen Aufenthaltstitel bzw. einen bereits bestehenden wieder aufzuheben, ohne dass einer der normierten Gründe gegeben ist, bei deren Vorliegen bereits die Erteilung abgelehnt werden kann. Neben den in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie angeführten zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gehört dazu der Tatbestand des Art. 21 Abs. 3, auf welchen mit dem Vorbehalt des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 1 „unbeschadet des Artikel 21 Absatz 3“ explizit verwiesen wird.
146 
Für eine entsprechende Anwendung spricht mit Blick auf das Ziel der Sicherstellung eines "Mindestniveaus von Leistungen" für anerkannte Flüchtlinge schon die grundsätzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Vor allem ist zu bedenken, dass es - neben Art. 21 Abs. 3 RL der Richtlinie - bei bereits erteiltem Titel die Möglichkeit der Aufhebung bzw. Beendigung des Aufenthaltstitels bei Vorliegen der Ausschlusstatbestände der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" geben muss. Schließlich kann es vom Zufall abhängen, ob Tatsachen in der Person des Flüchtlings, die zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begründen, noch vor oder erst nach der Erteilung des Titels bekannt werden. Es wäre mit dem Ziel der Regelung nicht zu vereinbaren, wenn es im letzteren Fall keine Möglichkeit der Aufhebung eines bereits erteilten Titels gäbe. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen die maßgeblichen Handlungen des Ausländers erst nach Erteilung des Titels begangen wurden.
147 
Etwas anderes würde zwar gelten, wenn "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" immer voraussetzen würden, dass auch die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG gegeben sind, also nur einen Unterfall der "stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Betreffende eine Gefahr für die Sicherheit oder die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellt," bildeten. Denn dann bestünde kein Bedürfnis für eine entsprechende Auslegung, weil der Aufenthaltstitel gegebenenfalls aufgrund der Ermächtigung in Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie aufgehoben werden könnte. Die Beantwortung der Fragen unter 1 kann daher auch davon abhängen, wie die Fragen unter 2 zur Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie beantwortet werden. Abgesehen davon, dass der Senat der Auffassung ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG hier keine höhere Gefahrenschwelle voraussetzt als der der "stichhaltigen bzw. schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK (vgl. dazu unten zu Vorlagefragen 2), zeigt schon die Verwendung des Begriffs "öffentliche Ordnung", dass die Ausschlussgründe des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG weiter reichen als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. dazu genauer unten im Folgenden).
148 
bb) Vorlagefragen 2
149 
Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen, dass die unter 1 angeführten Vorlagefragen zu bejahen sind, stellen sich die unter 2 aufgelisteten zur Auslegung des in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung".
150 
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG ohnehin in den Fällen des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie nicht greifen kann, weil danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie abgelehnt werden kann. Dies wird mit der Einschränkung in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG "unbeschadet des Artikels 21 Absatz 3" klargestellt. Die Nennung einer weiteren Ausnahme - der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" - dürfte aber wenig Sinn machen, wenn deren Voraussetzungen enger wären als die des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Dafür, dass die Ablehnung eines Aufenthaltstitels in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 eher möglich sein soll als nach Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie, sprechen auch Inhalt und Zielsetzung der jeweiligen Regelungen. Bei Art. 21 RL 2004/83/EG geht es primär um den Schutz eines bereits anerkannten Flüchtlings vor Zurückweisung, also einer möglichen Überstellung in das Land, aus dem er wegen Verfolgung geflüchtet ist. Eine solche soll nur - ausnahmsweise - unter den in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie angeführten, Art. 33 Abs. 2 GFK nachgebildeten, Voraussetzungen möglich sein. Dass dann - nach Absatz 3 der Vorschrift - auch der Aufenthaltstitel aufgehoben bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt werden kann, ist lediglich eine folgerichtige Konsequenz der Ausnahmen vom Refoulement-Verbot. Hingegen zielt Art. 24 RL 2004/83/EG auf die Gewährleistung eines Aufenthaltstitels von drei (Abs. 1) bzw. einem Jahr (Abs. 2) für Personen mit zuerkanntem internationalem Schutz. Mit dieser Regelung wurde das erste Mal ein Anspruch anerkannter Flüchtlinge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels festgelegt. Die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" erinnern an die des Art. 32 Abs. 1 GFK (vgl. auch Battjes, a.a.O., Art. 24 Rn. 6), nach welchem aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Ausweisung eines Flüchtlings, der sich rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Staates aufhält, zulässig sein kann. "Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" können im Übrigen auch der Verpflichtung zur Erteilung eines Reiseausweises an Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK entgegenstehen. Die mit dem Aufenthaltsstatus - oder auch mit der Frage der Erteilung eines Reiseausweises - verbundenen Fragen sind aber bei weitem nicht von einer derart existentiellen Bedeutung für den Flüchtling wie die, ob er sogar zurückgewiesen werden kann. In der Regel wird bei einem anerkannten Flüchtling allein eine bei Versagung eines Aufenthaltstitels folgende Illegalität des Aufenthalts nicht zu einer Abschiebung führen. Eine solche kommt allenfalls in wenigen Ausnahmefällen und nur in einen aufnahmebereiten Drittstaat in Betracht, welcher seinerseits aber das Refoulement-Verbot zu beachten hat. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. Wie ausgeführt, soll und kann auch der Kläger nicht abgeschoben werden. Selbst wenn sein Aufenthaltstitel erlöschen und er derzeit keinen Anspruch auf Erteilung eines anderen Titels haben sollte, müsste er Deutschland nicht verlassen. Er hat nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung (§ 60a Abs. 2 AufenthG).
151 
Dafür, dass die Möglichkeiten der Versagung eines Aufenthaltstitel durch die Aufnahme des zusätzlichen Ausschlussgrundes in Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG über die nach Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie bestehenden Ausnahmetatbestände hinaus erweitert werden sollten, sprechen auch die Entstehungsgeschichte des Art. 24 der Richtlinie und deren Erwägungsgrund 28 (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). In der ersten Fassung des - noch vor den Terroranschlägen des 11.09.2001 erarbeiteten - Kommissionsentwurfs vom 12.09.2001 (KOM [2001] 510 endg; Ratsdok. 2001/027 (CNS); siehe auch BR-Drs. 1017/01 vom 26.11.2001) war lediglich die Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, also ohne explizit geregelte Ausschlussgründe, vorgesehen. Der Vorbehalt "es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen" wurde erst später, und zwar zunächst bei der Regelung für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, in Absatz 2 (vgl. Dokument des Rats der EU vom 19.12.2002 - 15627/02 -, damals Art. 21), dann auch für Absatz 1 Unterabsatz 1 (Ratsdokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -, dort Art. 22), vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang wurde in einer Fußnote zu der entsprechenden Formulierung in Absatz 2 angeführt: Folgender Erwägungsgrund wird in die Präambel aufgenommen: "Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gilt auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt". Die Aufnahme dieses Erwägungsgrunds war bereits Gegenstand der Tagung des Ausschusses der Ständigen Vertreter vom 26.02.2003 gewesen (Ratsdokument vom 26.02.2003 - 6566/03 ADD 1 COR 1 -). Ab 2002 findet sich zudem der Vorbehalt hinsichtlich Art. 21 Abs. 3 (damals 19 Abs. 3; vgl. nur Art. 21 in der Fassung des Ratsdokuments vom 19.12.2002 - 15627/02 -; vgl. auch Dokument vom 19.06.2003 - 10576/03 -). Die Absätze 2 und 3 des Art. 21 (damals Art. 19) waren bereits kurz zuvor vorgeschlagen worden (vgl. Ratsdokument vom 08.11.2002 - 13468/02 -).
152 
Die geschilderten Ergänzungen und Abänderungen der Richtlinie dürften vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11.09.2001 und den Herausforderungen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus zu sehen sein. So verpflichtet die UN-Resolution 1373 in Ziff. 2 Buchst. a und c die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern. Die Berücksichtigung der Folgen der Anschläge vom 11.09.2001 für die nationale und internationale Sicherheit im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG wurde zum Beispiel in einer Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 16.05.2002 ausdrücklich gefordert (ABl. EU C 278 vom 14.11.2002, S. 44). Mit diesem Ziel dürften auch weitere Verschärfungen bzw. Präzisierungen in der Richtlinie gegenüber dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sein, wie etwa bei den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 RL 2004/83/EG und den Hinweisen im Erwägungsgrund 22 (entspricht Erwägungsgrund 31 der RL 2011/95/EU) auf die Folgerungen aus den Resolutionen der Vereinten Nationen zu Antiterrormaßnahmen.
153 
Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass im Falle von Handlungen zur Unterstützung terroristischer Vereinigungen der Ausschlussgrund der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG bereits bei Aktivitäten eines niedrigeren Profils mit einem geringeren Gefährdungspotential erfüllt sein kann als dies für die Annahme des Tatbestands der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats" in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vorausgesetzt wird.
154 
Dabei wäre zunächst zu klären, ob in Anbetracht der Entstehungsgeschichte und mit Blick auf den Zweck der Regelungen nicht sogar anzunehmen ist, dass der Begriff der "zwingenden Gründe" für sich genommen - also ohne diesen in Beziehung zu setzen zu dem Schutzgut, um das es geht - trotz des dagegen sprechenden Wortlauts eine niedrigere Gefahrenschwelle erfordert als der der "stichhaltigen" bzw. "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a RL 2004/83/EG (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - a.a.O.; a.A. BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris, unter Verweis auf das Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Die Tatsache, dass die Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, und die Richtlinie 2004/83/EG am gleichen Tag erlassen wurden, legt es zwar auf den ersten Blick nahe, den Begriff der „zwingenden Gründe“, der in beiden Richtlinien verwendet wird, inhaltlich übereinstimmend auszulegen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen (vgl. zu Art. 28 Abs. 3 RL 2004/38/EG: EuGH, Urteile vom 23.11.2010 - C-145/09, Tsakouridis - Slg. 2010, I-11979, = juris, und vom 22.05.2012 - C-348/09 I. - juris). Dagegen sprechen aber schon die Unterschiede hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen, der jeweils verfolgten Ziele und der betroffenen Personen. Zudem stellt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG lediglich auf die öffentliche Sicherheit ab, während Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG als Schutzgut neben der öffentlichen Sicherheit auch die Ordnung anführt (vgl. dazu auch Bayer. VGH, Beschluss vom 10.07.2009 - 10 ZB 09.950 - juris). Vor allem geht es um unterschiedlich gravierende Eingriffe. Erlaubt Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bei "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden," eine Ausweisung, führt das Vorliegen "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/83/EG lediglich zu der für die Betroffenen wesentlich weniger einschneidenden Rechtsfolge der Verweigerung oder des Entzugs des Aufenthaltstitels. Nach Auffassung des Senats ist der Begriff der zwingenden Gründe daher eigenständig und nicht durch Übernahme von Grundsätzen der Unionsbürgerrichtlinie zu entwickeln.
155 
Ungeachtet des Vorgesagten spricht vieles dafür, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" bzw. der "nationalen Sicherheit" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG umfassender bzw. weiter zu verstehen ist als der der "Sicherheit des Mitgliedstaats" oder "der Sicherheit des Landes, in dem sich der Betreffende befindet" im Sinne des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, Art. 14 Abs. 4 Buchst. a RL 2004/83/EG bzw. des Art. 33 Abs. 2 GFK, mit anderen Worten, dass die bedrohten öffentlichen Interessen, die im Falle des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG gegen die Erteilung oder Aufrechterhaltung des Aufenthaltstitels streiten, von geringerem Gewicht sein können als dies Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erfordert.
156 
Jedenfalls werden aber die Voraussetzungen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" deshalb eher zu bejahen sein, weil das geschützte Rechtsgut "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" allein mit Blick auf die "öffentliche Ordnung" einen weiteren Anwendungsbereich hat als die Sicherheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a oder auch die Allgemeinheit des Mitgliedstaats nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. b RL 2004/83/EG (welcher wiederum voraussetzt, dass der Betreffende wegen eine besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde). Dies folgt insbesondere auch aus dem Erwägungsgrund 28, welcher, wie ausgeführt, im Zusammenhang mit der Einfügung des auch in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/83/EG enthaltenen - für Flüchtlinge, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, geltenden - Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" gefasst wurde (entspricht Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU). Wenn danach "der Begriff der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt", soll es in diesen Fällen der Unterstützung des internationalen Terrorismus jedenfalls für die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht mehr darauf ankommen, ob die Sicherheit des Mitgliedstaats in dem Sinne gefährdet ist, dass der Betreffende auch zurückgewiesen bzw. von vornherein von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden könnte (Art. 21 Abs. 2 Buchst. a, 14 Abs. 4 RL 2004/83/EG, Art. 33 Abs. 2 GFK). Einer genauen Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der öffentlichen bzw. nationalen Sicherheit von dem der öffentlichen Ordnung bedarf es daher mit Blick auf den Erwägungsgrund 28 der Richtlinie hier nicht. Eine entsprechend weitere Auslegung liegt im Übrigen nicht nur im (Sicherheits-)Interesse des Staates, in welchem sich der Betreffende aufhält, sondern auch in dem der anderen Mitgliedstaaten. Schließlich können sich gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu drei Monate in einem Zeitraum von sechs Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen.
157 
Der Senat verkennt allerdings nicht, dass Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch dahingehend verstanden werden könnte, dass bei Vorliegen der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausnahmslos untersagt wird, während Art. 21 Abs. 3 RL 2004/83/EG die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ins Ermessen stellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Voraussetzungen für die Erfüllung des Ausschlussgrundes der "stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr für den Mitgliedstaat" eher anzunehmen sind als die der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG, könnte dann in der Einführung des Ausschlussgrundes des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG insofern eine Verschärfung zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gesehen werden, als danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwingend ausgeschlossen wäre (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - a.a.O.). Zum einen erscheint es aber zweifelhaft, ob die Normierung einer Ausnahme ("es sei denn") von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge haben kann - und auch hier hat -, dass den Mitgliedstaaten damit die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen des Ausschlussgrundes gänzlich - und ohne jeden Ermessensspielraum - untersagt wird. Es spricht mehr dafür, dass darin die bloße Einschränkung der Verpflichtung des Mitgliedstaats bzw. des daraus folgenden Anspruchs eines betroffenen Flüchtlings zu sehen ist. Zum anderen erscheint eine solche Auslegung vor allem vor dem Hintergrund fernliegend, dass der Begriff der "öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" aus den angeführten Gründen weiter zu verstehen ist als die in den Ausschlussgründen des Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Schutzgüter.
158 
Von der Beantwortung der angeführten Fragen hängt ab, ob die Ausweisung des Klägers - und damit auch die gegen ihn aus Sicherheitsgründen verhängte Meldepflicht und die räumliche Beschränkung - wegen entgegenstehenden Unionsrechts als rechtswidrig anzusehen und daher aufzuheben ist. Teilt man das dargelegte weitere Verständnis des Ausschlussgrundes der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 2004/83/EG, wäre die Vorlagefrage 2a) zu bejahen. Denn dann könnte dieser Ausschlussgrund erfüllt sein, wenn ein anerkannter Flüchtling unter anderem durch das Einsammeln von Spenden und die ständige Teilnahme an PKK-nahen Veranstaltungen die PKK unterstützt hat, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Durchbrechung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 2 GFK und damit auch die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG nicht vorliegen. „Zwingend“ dürften die Gründe dabei immer dann sein, wenn die für die bloße Verweigerung der Legalität des Aufenthalts maßgeblichen Gründe bezogen auf die Folgen für den Betroffenen verhältnismäßig im engeren Sinn und für die Erreichung dieses Zwecks aus der Sicht der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unerlässlich sind, das heißt mit anderen Worten, wenn auf die Herbeiführung der Rechtsfolge - hier die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels - unter keinen Umständen verzichtet werden kann.
159 
Für den vorliegenden Fall würde dies nach Auffassung des Senats bedeuten, dass wegen des Vorliegens "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" kein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG besteht, mit der Folge, dass diese Regelung einer Ausweisung nicht entgegensteht. Abgesehen davon, dass beim Kläger nicht ausgeschlossen erscheint, dass er die PKK weiter durch hervorgehobenere Unterstützungshandlungen wie das Einsammeln von Spenden, das Verteilen von Zeitschriften oder die Übernahme anderer Aufgaben unterstützt, ist jedenfalls damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft regelmäßig Veranstaltungen besucht, welche in einer besonderen Nähe zur PKK stehen. Zwar hat die letztgenannte Form der Unterstützung für sich genommen keinen besonders hohen Gefährdungsgrad. Mit einer Beteiligung an entsprechenden Veranstaltungen wird aber eine Billigung der Zielsetzungen der PKK signalisiert. Wie ausgeführt, werden dadurch deren Stellung, insbesondere unter den in Deutschland lebenden Kurden, günstig beeinflusst und ihre Aktionsmöglichkeiten sowie ihr Rekrutierungsfeld erweitert. Insgesamt wird damit dazu beigetragen, das (latente) Gefährdungspotential der Vereinigung zu erhöhen. Die vom Kläger über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichem Ausmaß - von der Übernahme der Funktion des Vorstands eines später als Teilorganisation der PKK verbotenen örtlichen kurdischen Vereins Anfang der 1990er-Jahre über das Einsammeln von Spenden 2005 und 2006 bis zur ständigen (bloßen) Teilnahme an unzähligen PKK-nahen Veranstaltungen - vorgenommene Unterstützung der PKK begründet zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beseitigung der Legalität des Aufenthalts Teil der unionsrechtlich angestrebten effektiven Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist. Mit einer Aufenthaltserlaubnis könnte sich der Betreffende hingegen im Rahmen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ frei im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten bewegen und sich auch in anderen Mitgliedstaaten bis zu drei Monate (innerhalb von sechs Monaten) aufhalten. Nach nationalem Recht ist die Ausweisung, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führt, zudem Voraussetzung für weitere unter Sicherheitsaspekten wichtige Maßnahmen, wie die des § 54a AufenthG "zur Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der Sicherheit", insbesondere die Verpflichtung, sich regelmäßig bei der örtlich zuständigen Polizeidienstelle zu melden, (Abs. 1) und die Beschränkung des Aufenthalts auf den Bezirk der Ausländerbehörde (Abs. 2).
160 
Wegen der danach gegebenen individuellen Gefährdung durch den Kläger kann die Frage offen bleiben, ob bei der Prüfung "zwingender Gründe" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG auch generalpräventive Aspekte - wie die durch die Verweigerung eines Aufenthaltstitels bzw. dessen Aufhebung oder Beendigung gegebenenfalls erzielte abschreckende Wirkung - zu berücksichtigen sind. Die Ausweisung des Klägers (und das Erlöschen seines Aufenthaltstitels als Voraussetzung für die in § 54a Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte vollziehbare Ausreisepflicht) ist hier nach Auffassung des Senats schon deshalb als unerlässlich anzusehen, weil sie Grundlage der ihm gegenüber im Bescheid vom 27.03.2012 verfügten Meldepflicht und der räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts auf den Bereich der Stadt Mannheim ist. Mit diesen Maßnahmen werden die Möglichkeiten des Klägers, die PKK weiter zu unterstützen, effektiv eingeschränkt. So liegt schon der nächste kurdische Verein, welcher einige der PKK-nahen Veranstaltungen ausgerichtet hat, zu deren regelmäßigen Besuch sich der Kläger seinen Angaben nach verpflichtet fühlt, außerhalb des Bezirks der Stadt Mannheim. Die mit der Ausweisung und dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis verbundenen Einschränkungen und Nachteile für den Kläger sind andererseits unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls hier nicht als derart gravierend anzusehen, dass darauf verzichtet werden könnte bzw. müsste.
161 
cc) Vorlagefrage 3
162 
Geht man davon aus, dass die Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2004/83/EG in Fällen der Beendigung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung findet, stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie als abschließend zu verstehen ist mit der Folge, dass die Aufhebung oder Beendigung des einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitels unionsrechtlich nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 RL 2004/83/EG zulässig ist. Dann wäre der Begriff der "schwerwiegenden Gründe" im Sinne des § 56 Satz 2 AufenthG entsprechend auszulegen. Die Ausweisung des Klägers wäre als rechtswidrig anzusehen.
163 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
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Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
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Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
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Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
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Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
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Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
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Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
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Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
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Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
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Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
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Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
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- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
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Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
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Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
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Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - geändert.

Ziffer 2 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.02.2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 und vom 24.02.2014 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Das beklagte Land wendet sich mit seiner Berufung gegen die Aufhebung der Verfügung, mit der das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger ausgewiesen und die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG abgelehnt hat, durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart. Der Kläger, der der Berufung entgegentritt, begehrt hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Befristung der Ausweisung auf Null.
Der am ...1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und kinderlos. Sein Vater ist inzwischen verstorben, die Mutter wohnt noch in der Türkei.
Der Kläger besuchte die 5-jährige Primärschule und das Gymnasium. Ab 1988 studierte er an der Universität A... Soziologie. Im Jahre 1989 wurde er in der Türkei unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Revolutionären Linken inhaftiert. Nach etwa einem Jahr wurde er während des laufenden Strafverfahrens zunächst entlassen und setzte sein Studium fort. Zwei Jahre später wurde er zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, worauf er sich weitere etwa drei Jahre in Haft befand, bis er aufgrund einer Amnestie der türkischen Regierung entlassen wurde. Als er erfuhr, dass er erneut wegen Strafverfolgung gesucht wurde, nämlich aufgrund des Inhalts seiner Verteidigungsrede im vorherigen Strafverfahren, befürchtete er, auch den Rest der Freiheitsstrafe von 15 Jahren verbüßen zu müssen, und floh unter Verwendung eines falschen Passes Ende 1995 nach Deutschland.
Am 20.11.1995 stellte er einen Asylantrag, der vom Bundesamt abgelehnt wurde. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.05.2000 - 5 K 10696/96 - wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (1990) hinsichtlich der Türkei vorliegen.
Der Kläger erhielt am 29.09.2000 eine Aufenthaltsbefugnis, die bis zum 19.09.2006 verlängert wurde. Nachdem er die Verlängerung beantragt hatte, erhielt er zunächst Fiktionsbescheinigungen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.10.2008 wurde die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.02.2009 - A 11 K 4050/08 - wurde dieser Widerrufsbescheid aufgehoben.
Die von den türkischen Behörden im Jahre 2008 beantragte Auslieferung des Klägers unterblieb, weil das Bundesministerium der Justiz dieser nicht zugestimmt hatte.
Der Kläger ist rechtskräftig wegen Urkundenfälschung, mehreren Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz sowie Beleidigung in zwei Fällen und versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 - 18 KLs 6 Js 39617/08 - wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot nach dem Vereinsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den dortigen Feststellungen hat der Kläger das über die DHKP-C verhängte Organisationsverbot gekannt und sich spätestens ab Juli 2006 bis 21.03.2007 als Aktivist dieser Vereinigung betätigt. Aufgrund seiner langjährigen Affinität zur „Revolutionären Linken" und der festgestellten Nähebeziehung des Klägers zum Gebietsverantwortlichen Süd der DHKP-C in Deutschland und seiner engen Verbindung zum DHKP-C Aktivisten E... G..., für den er in seiner Wohnung wichtige Unterlagen verwahrt und der ersichtlich beim Druck und Vertrieb der „Yürüyüs" eine entscheidende Rolle gespielt hat, erschien es dem Landgericht ausgeschlossen, dass der Kläger das DHKP-C-Verbot nicht gekannt hat oder dass ihm die Eigenschaft der „Yürüyüs" als Publikationsorgan der verbotenen Organisation verborgen geblieben ist, deren Vertrieb er vereinsbezogen unterstützt hat. Zugunsten des Klägers wurde davon ausgegangen, dass er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C nicht befürwortet und die Organisation in den letzten Jahren nicht durch Gewalttaten in Deutschland aufgefallen ist.
Der Kläger arbeitete - meist geringfügig oder untervollschichtig - für verschiedene Unternehmen im Reinigungsgewerbe. Zuletzt wurde ihm am 17.01.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG befristet bis zum 16.01.2010 erteilt. Auf seine Vorsprache bei der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger am 15.01.2010 eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG, die letztmalig am 19.07.2011 bis zum 23.01.2012 verlängert wurde.
10 
Mit Schreiben des Beklagten vom 31.10.2011 wurde der Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags und zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
11 
Mit Bescheid vom 20.01.2012, zugestellt am 23.01.2012, wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1). Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt (Ziffer 2). Weiterhin wurde er verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei dem Polizeirevier 8 in S...-... zu melden; sein Aufenthalt wurde auf das Stadtgebiet S... beschränkt (Ziffer 3). Der sofortige Vollzug der Verfügungen zu Ziffer 1 und 3 wurde angeordnet.
12 
Die Ausweisungsentscheidung wurde auf § 55 i.V.m. § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG gestützt. Die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 seien nicht gegeben, weil der Kläger nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne sei, weshalb ihm eine Privilegierung nach § 14 ARB 1/80 nicht zu Gute komme. Die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG lägen vor, weil der Kläger die DHKP-C, eine terroristische Organisation, unterstütze. Auch die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG lägen vor. Der Ausweisung des Klägers stehe auch nicht der besondere Ausweisungsschutz des § 56 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG entgegen, weil die Ausweisung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten sei. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung schon deshalb nicht entgegen, weil der Kläger in keiner familiären Gemeinschaft lebe. Nach dem Grundsatz der Herabstufung sei über die Ausweisung nach Ermessen zu entscheiden gewesen. Die danach vorzunehmende Abwägung gehe zu Lasten des Klägers aus. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Auch wenn er aufgrund seines Abschiebeschutzes zu dulden sei, sei der Erlass der Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG bereits deshalb erforderlich und sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe bereits die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen, da die Ausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt seien. Auch lägen keine Anhaltspunkte für eine tätige Reue nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vor. Die Anordnung von Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG sei aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich.
13 
Mit dem am 22.02.2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Eilantrag - 11 K 582/12 - beantragte der Kläger, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung vom 20.01.2012 wiederherzustellen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23.05.2012 wurde diesem Antrag hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 entsprochen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beklagten wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 28.01.2013 - 11 S 1187/12 - zurückgewiesen.
14 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage gegen die Ausweisung“ erhoben, beantragt, den Bescheid vom 20.01.2012 aufzuheben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihm würden Sachverhalte vorgehalten, die lange zurücklägen. Im Übrigen habe er immer bestritten und bestreite dies unverändert, zu irgendeinem Zeitpunkt die DHKP-C tatsächlich unterstützt zu haben. Er habe immer die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland respektiert und beachtet.
15 
Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten.
16 
Mit Urteil vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - hat das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid insgesamt aufgehoben. Ob der Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass dem Kläger kein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen mit der Türkei zukomme, könne dahinstehen, weil jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Ausweisungsgründe gemäß § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG nicht vorlägen. Zudem habe der Beklagte von dem ihm eingeräumten Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht. Habe die Ausweisung keinen Bestand, erwiesen sich die unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 20.01.2012 getroffenen Regelungen ebenfalls als rechtswidrig.
17 
Das beklagte Land hat gegen dieses ihm am 24.05.2013 zugestellte Urteil am 07.06.2013 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dazu hat es u.a. ausgeführt, dass es an seinen generalpräventiven Ermessenserwägungen (vgl. Ausweisungsverfügung S. 46) nicht festhalte und die Ausweisung des Klägers allein tragend auf spezialpräventive Gründe stütze. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.12.2011 (1 C 14.10) hat es die entsprechenden Ausführungen in seinem Bescheid ersetzt.
18 
Mit Beschluss vom 22.10.2013, dem Beklagten zugestellt am 28.10.2013, hat der Senat die Berufung des Beklagten wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen.
19 
Das beklagte Land hat die zugelassene Berufung am 25.11.2013 begründet und im Wesentlichen geltend gemacht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger durch sein Verhalten die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG erfüllt. Er habe seit 1998 bis in die Gegenwart die Terrororganisation DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt, er sei DHKP-C-Funktionär und er gefährde die Sicherheit und die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, da
20 
- er 1998 und 2001 bei Polizeikontrollen zahlreiche DHKP-C-Publikationen und DHKP-C-Propagandamaterial mit sich geführt,
- 2002 an einer DHKP-C-Schulung teilgenommen habe,
- zumindest im Jahr 2006 zusammen mit dem hohen DHKP-C-Funktionär A... D... Y... für die Terrororganisation tätig gewesen sei und den A... D... Y... auch beherbergt habe und
- 2006 und 2007 am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" auch überregional und ins benachbarte Ausland umfassend beteiligt gewesen sei,
- bei Durchsuchungen seiner Wohnung 2006 und 2007 sowie einer Polizeikontrolle 2007 wiederum zahlreiche Exemplare der „Yürüyüs", Lieferscheine, Adressen und Quittungen, ein Block Eintrittskarten für das DHKP-C-Europatreffen April 2007 und zwei DHKP-C-Propaganda-CD's zum DHKP-C-Todesfasten bei ihm vorgefunden worden seien,
- er regelmäßiger Besucher des DHKP-C-Tarnvereins „Anatolisches Kunst- und Kulturhaus e.V." in S... gewesen sei und an dessen Veranstaltungen teilgenommen habe und
- mit DHKP-C-Aktivisten wie E... D... und E... G... für die Terrororganisation tätig gewesen sowie
- an den DHKP-C-Parteiveranstaltungen am 10.04.2010 in Wuppertal, am 16.04.2011 in Lüttich/Belgien und am 18.12.2011 in Stuttgart teilgenommen habe.
21 
Diese Aktivitäten seien zudem vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger bereits in der Türkei seit Ende der 80-er Jahre der Vorläuferorganisation Devrimci Sol angehört und diese unterstützt habe. Zu den Aktivitäten des Klägers im Einzelnen werde auf die Ausweisungsverfügung, das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Die dort genannten nachgewiesenen Tatsachen rechtfertigten die Schlussfolgerung, dass der Kläger die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstütze und ihr durch strukturelle Einbindung als Funktionär angehöre. Der Kläger sei bis in die Gegenwart einvernehmlich als Funktionär mit eigenem Verantwortungsbereich in die Strukturen der DHKP-C eingebunden gewesen und fördere damit den inneren Zusammenhalt und die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele und damit deren Gefährlichkeit nicht nur in der Türkei, sondern durch Stärkung der hier befindlichen DHKP-C-Rückfront auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies alles sei dem Kläger nicht nur ohne weiteres erkennbar gewesen, sondern er habe auch angesichts seiner langjährigen Einbindung in die DHKP-C und ihre Vorläuferorganisation Devrimci Sol diese Terrororganisation wissentlich und willentlich unterstützt und gehöre ihr ebenso wissentlich und willentlich in gehobener Funktion an, so dass neben dem objektiven auch der subjektive Tatbestand der Art. 21 und 24 QRL i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt sei.
22 
Hinzu kämen weitere Tatsachen und Erkenntnisse aus dem strafgerichtlichen Verfahren und dem darauf beruhenden Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D..., die durch die dortigen Beweismittel belegt seien. So werde nach dem Strafurteil beispielhaft für eine DHKP-C-Massenschulung „eine in der Zeit vom 19. bis 30. August 2002 in Neuhausen-Schellbronn (Enzkreis) durchgeführte, als „Familientreffen" bezeichnete Veranstaltung" angeführt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 30). Weiter werde seine Mitwirkung am entgeltlichen Vertrieb der DHKP-C-Zeitschrift „Yürüyüs" zusammen mit dem DHKP-C-Funktionär A... D... Y... und den DHKP-C-Aktivisten E... D... und E... G... im Frühjahr/Sommer 2006 detailliert dargelegt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 38 und 94 ff.) und zudem darauf hingewiesen, dass es „gerichtsbekannt sei", dass es sich bei der „Yürüyüs" „um eine von der DHKP-C zur propagandistischen Verbreitung ihrer Zielsetzungen und Aktivitäten genutzte Publikation handelt", wobei das OLG Stuttgart „auch auf die überzeugenden Ausführungen im (dortigen) Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz" Bezug nehme (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 81). Zu Lasten des Klägers gingen auch die weiteren Feststellungen des Strafurteils, wonach neben E... D...-... am 28.11.2006 „- der ebenfalls im Gebiet S... für die DHKP-C agierende 'Aktivist'“ - auch der Kläger von der Polizei - schlafend in den Räumlichkeiten des Tarnvereins der Organisation in S... (S... ...) angetroffen worden sei und im Rahmen der damit einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen u.a. „ein USB-Stick und ein blaues Ringbuch“ aufgefunden und sichergestellt worden seien, welche „Aufzeichnungen über Abrechnungen aus dem Verkauf der Zeitschrift Yürüyüs, den Zeitraum Mai 2005 bis November 2006 betreffend" enthalten hätten, wobei im Ringbuch überdies (handschriftlich) Vermerke zu Spendengeldsammlungen in Süddeutschland eingetragen gewesen seien (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 39). Auch führe das Strafurteil aus, dass E... D... und O... zusammen mit dem seinerzeit (ebenfalls) im Gebiet S... für die DHKP-C tätigen Kläger und einer weiteren (männlichen) Person - in einem PKW von S... aus – in die Niederlande gefahren sei, nachdem der frühere Generalsekretär der DHKP-C, Dursun Karatas, dort am selben Tag (11. August 2008) verstorben gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 41). Von Bedeutung seien auch die Ausführungen in dem Strafurteil, „dass E... D... - u.a. zusammen mit A... T... - der Gruppierung um den (früheren) Verantwortlichen der DHKP-C im Gebiet S..., Ö... A..., angehörte" und dass „diese Einschätzung durch die nachweislichen Kontakte zwischen" E... D... „und A... T..." gestützt werde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 99 f.). Zudem lege das Strafurteil dar, dass E... D... „auch in Unterredungen mit dem (früheren) Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 (andauernden) Kontakt mit 'A...' bestätigt und im Zuge der Berichterstattung über (vormalige organisationsinterne) Gegebenheiten im Gebiet S... ergänzende Ausführungen zu 'A...' gemacht habe, wobei aus dem Sinnzusammenhang deutlich werde, dass es sich um den Kläger handele (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 100). Wichtige Hinweise enthalte das Strafurteil auch insofern, als das Parteifest der DHKP-C in Wuppertal am 10.04.2010 erwähnt werde, „auf dem (u.a.) eine Verlautbarung der Partei bekannt gegeben wurde, in der (auch) die 'Fortsetzung des Kampfes für Sozialismus und Revolution durch die DHKP-C' thematisiert wurde" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45). Dies gelte entsprechend für die gerichtlichen Ausführungen zu dem am 16.04.2011 „aus Anlass des Parteigründungstags veranstalteten Jahrestreffen der DHKP-C in Lüttich/Belgien" und die am 18.12.2011 „in Stuttgart durchgeführte(n) 'Gedenkveranstaltung der DHKP-C' zum Jahrestag der 'Gefängniserstürmung' in der Türkei" (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 45; zur Bedeutung des jährlichen Parteifestes zum Gründungstag und Gedenken an die „Gefallenen der Revolution" sowie als kommerzielle Veranstaltung vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 24 f.). In dem Strafurteil wurden weiterhin neben den bis 2012 von der DHKP-C verübten Attentaten auch die DHKP-C-Anschläge seit 2012 bis in die Gegenwart sowie eine von der Terrororganisation durchgeführte interne „Bestrafungsaktion" an einer DHKP-C-Zugehörigen am 25.10.2012 angeführt. Weiter werde durch das Strafurteil der konspirative politisch-terroristische Charakter der DHKP-C-Schulung vom 19.08.2002 bis 30.08.2002 in Neuhausen, an welcher der Kläger teilgenommen habe, nachdrücklich bestätigt. Zudem belege das Strafurteil auch die bewusste und gewollte umfassende und eigenverantwortliche Beteiligung des Klägers am entgeltlichen Vertrieb in Deutschland und Europa der von der DHKP-C zur massenhaften Propagierung und Weiterverbreitung ihrer Ideologie und Aktivitäten genutzten Zeitschrift „Yürüyüs" in Zusammenarbeit mit dem hohen DHKP-C-Funktionär ...-... D... Y... und weiteren DHKP-C-Aktivisten und -Funktionären. Durch die Zugehörigkeit des Klägers zu der Gruppierung um den früheren Gebietsleiter für S... Ö... A... werde zum Ausdruck gebracht, dass seinerzeit eine strukturierte und gehobene Eingliederung des Klägers in die DHKP-C bestanden habe. Die Wichtigkeit des Klägers belege auch die Tatsache, dass der DHKP-C-Aktivist E... D... in Unterredungen mit dem früheren DHKP-C-Deutschlandverantwortlichen Ö... im November 2009 über die andauernde Verbindung zu dem Kläger berichtet und ergänzende Ausführungen zu ihm gemacht habe.
23 
Mit Schriftsatz vom 03.03.2014 hat das beklagte Land seine Berufungsbegründung ergänzt und weitere Tatsachen und Erkenntnisse zur qualifizierten Unterstützung und Funktionärsstellung des Klägers in das Verfahren eingebracht. Diese gingen insbesondere aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) betreffend den DHKP-C-Aktivisten und -Funktionär E... D... und aus der auszugsweise beigefügten Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28.01.2014 - 2 BJs 37/11.7, 2 StE 1/14-7 - hervor und seien durch die dort erlangten Beweismittel belegt. So ergebe sich im Hinblick auf eine frühzeitige Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Geldbeschaffungssystem bzw. den Vertrieb von Publikationen und die Befassung des Klägers mit dem Finanzwesen der DHKP-C als wichtige innerorganisatorischer Aufgabe aus einer organisationsinternen Notiz der DHKP-C-„Rückfront" in Deutschland (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013, a.a.O., S. 4) vom 15.12.2002, dass er bei Spendengeldsammlungen - organisationsintern konspirativ mit den Begriffen „Kampagne(n)"/„Kassette(n)" umschrieben - eingesetzt worden sei. Aus den in der OLG-Entscheidung zitierten organisationsinternen DHKP-C-Berichten vom 15.02.2002 und vom 01.02.2003 gehe hervor, dass er bereits Anfang 2002 und 2003 durch Spendengeldsammlungen zur Finanzierung der DHKP-C und deren „Rückfront" im Bundesgebiet eingebunden gewesen sei, was seinen Aktivisten- und Funktionärsrang bestätige. Hinzukomme, dass auch im Zusammenhang mit der Vorbereitung bzw. Durchführung kommerzieller Veranstaltungen der DHKP-C und bereits durchgeführter oder noch durchzuführender Maßnahmen wie z. B. Reservierung von Flugtickets, Versand von Einladungen, Kauf/Versand von (Flug-)Tickets im Hinblick auf anstehende (Bühnen- bzw. Saal-) „Abende" (der „Yorum-Leute" bzw. „Kubat", „Haluk Levent") vom Kläger die Rede sei. Er sei danach im Zeitraum von Anfang 2002 bis Anfang 2003 im Gebiet S... zusätzlich mit der Vorbereitung und Durchführung kommerzieller DHKP-C-Veranstaltungen betraut gewesen, wobei die von ihm geleistete Arbeit zur Finanzierung der Terrororganisation offenbar erfolgreich verlaufen sei, da die relativ hohe Geldsumme alleine im Stadtgebiet S... in Höhe von 6043 Euro erzielt worden sei und die gute Atmosphäre sowie der gut laufende Ticketverkauf in seinem Gebiet organisationsintern gelobt worden seien. Außerdem werde der Verkauf von Tickets für der DHKP-C zuzurechnende kommerzielle Veranstaltungen zusätzlich durch die Tatsache untermauert, dass er auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 bei einer Polizeikontrolle am 21.03.2007 in Verkaufsabsicht bei sich getragen habe.
24 
Zudem habe der Kläger im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit auch Delegationen der Organisation angehört, die zu Veranstaltungen im (europäischen) Ausland entsandt worden seien, wie aus einem organisationsinternen Bericht vom 15.12.2002 hervorgehe. So habe der Kläger einer DHKP-C-Delegation angehört, die von S... aus nach Kopenhagen entsandt worden sei, wobei es sich dort wohl um eine Großveranstaltung gehandelt habe. Dieses Agieren bestätige die Einbindung des Klägers in das organisationsinterne Weisungssystem, da seine Entsendung in einer DHKP-C-Delegation von insgesamt 35 Personen nach Kopenhagen naturgemäß aufgrund einer Anordnung ihm übergeordneter DHKP-C-Führungsmitglieder stattgefunden haben müsse. Dass er weisungsgebunden für die Terrororganisation tätig gewesen sei, stehe seinem eigenen Funktionärsstatus nicht entgegen.
25 
Mit Verfügung vom 24.02.2014 hat das Regierungspräsidium die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre nach erfolgter Ausreise befristet (Ziffer 1). Hierzu hat es in Ziffer 2 bestimmt, dass, sollte der Kläger vor Fristablauf unerlaubt wieder in das Bundesgebiet einreisen, der Lauf der Frist nach Ziffer 1 während seines Aufenthalts gehemmt werde mit der Folge, dass sich das Fristende um die Zeitdauer des unerlaubten Aufenthalts verschiebe.
26 
Das beklagte Land beantragt,
27 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17.05.2013 - 11 K 563/12 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise: die Wirkungen der Ausweisung auf Null zu befristen.
30 
Er erwidert auf die ihm am 02.12.2013 zugestellte Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass es unzutreffend sei, dass er seit 1998 bis in die Gegenwart die DHKP-C in qualifizierter Weise unterstützt habe oder gar Funktionär dieser Organisation sei. Er habe eingeräumt, vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle an der Verbreitung der in der Türkei frei erhältlichen Zeitung „Yürüyüs" beteiligt gewesen zu sein. Ansonsten werde ihm lediglich der Besuch politischer Veranstaltungen sowie die Bekanntschaft bestimmter Personen vorgehalten. Nichts anderes ergebe sich aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.6.2013 gegen Herrn E... D... Die vom Beklagten mitgeteilten Tatsachen ließen auch nicht die Schlussfolgerung zu, dass er die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG erfülle.
31 
Gegen die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage gegen Ziff. 2 der Verfügung bestünden keine Bedenken. Die Meldeauflage in Ziff. 3 der Verfügung sei mit Art. 33 QRL nicht vereinbar.
32 
Zur beantragten Befristung trägt der Kläger vor, aufgrund seiner Flüchtlingsanerkennung sowie der besonderen Umstände des Einzelfalles sei die Wirkung der Ausweisung „auf Null" zu befristen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mehrfach entschieden, dass in Ausnahmefällen die Befristung der Sperrwirkung auch ohne vorherige Ausreise möglich sei. So müsse die Sperrwirkung mit sofortiger Wirkung und ohne Ausreise beendet werden, wenn die Gründe für die Freizügigkeitsbeschränkungen nicht mehr vorlägen. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i.V.m. Art. 6 GG könne im Einzelfall die Befristung der Sperrwirkung einer Ausweisung nach § 11 Absatz 1 Satz 2 AufenthG gebieten, ohne dass der Ausländer zur vorherigen Ausreise verpflichtet sei. Der gleiche Rechtsgedanke gebiete bei einem Flüchtling, der in sein Verfolgerland nicht zurückkehren und somit auch nicht ausreisen könne, eine verkürzte Befristung, da er ansonsten lebenslänglich an die Aufenthaltsbeschränkung gebunden wäre.
33 
In den mündlichen Verhandlungen vom 06.03.2014 und vom 14.05.2014 wurde der Kläger befragt. Insoweit wird auf die Niederschriften verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 erhielt der Beklagte Schriftsatzfrist zur Ergänzung und Aktualisierung seiner Ermessenserwägungen, worauf das Regierungspräsidium mit Schriftsatz vom 20.03.2014 zunächst nochmals darauf hinwies, dass die Ausweisung des Klägers aus rein spezialpräventiven Gründen erfolgt sei (vgl. RPS-Schriftsatz vom 19.07.2013, S. 17 ff., und vom 10.02.2014, S. 1), und auf die Ausweisungsverfügung sowie seine bisherigen Schriftsätze Bezug nahm, mit denen weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse über den Kläger ausdrücklich in das laufende Verfahren eingebracht worden seien. Zudem seien im Verlauf der mündlichen Verhandlung am 06.03.2014 zusätzliche Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden, da sich aus den vom Senat beigezogenen Gefangenenpersonalakten ergeben habe, dass der Kläger in der JVA R... Ende 2000 selbst an einem Hungerstreik teilgenommen habe, der maßgeblich von der DHKP-C gesteuert worden sei, und er außerdem nach den Auszügen des Vereinsregisters des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses als einer von drei Versammlungsleitern das Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 unterschrieben habe. Diese neuen Erkenntnisse würden ebenfalls in das hiesige Verfahren einbezogen und der Ausweisung zugrunde gelegt. An der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5a AufenthG werde nicht festgehalten. Auch könne nach den vorliegenden Fakten zu den beruflichen Tätigkeiten davon ausgegangen werden, dass der Kläger keine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 besitze (vgl. Ausweisungsverfügung S. 4 ff. und 16 ff.). Aber selbst wenn er Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, stünde Art. 14 ARB 1/80 seiner Ausweisung nicht entgegen. In Anbetracht dieser Sachlage und der Bezugnahme in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2013 auf den Schriftsatz vom 03.03.2014 letzter Absatz Ziffer 4 (vgl. Niederschrift S. 5 und 6) ergänzte das Regierungspräsidium seine Ermessenserwägungen. Hinsichtlich des Inhalts dieser Ergänzung wird Bezug auf den Schriftsatz vom 20.03.2014 genommen. Das Regierungspräsidium hat nicht mehr daran festgehalten, dass die Ausweisung erforderlich sei, um die Überwachungsmaßnahmen des § 54a AufenthG auszulösen. Sie sei jedoch weiterhin bereits deshalb sinnvoll, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Diese zwingenden gesetzlichen Rechtsfolgen entsprächen eher als diejenigen der §§ 12 und 61 AufenthG dem Charakter der schwerwiegenden Ausweisungsgründe des § 54 Nr. 5 AufenthG. Art. 33 QRL 2011/95/EU stehe der Verhängung von Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gemäß § 54a AufenthG gegenüber Personen mit internationalem Schutz nicht entgegen. Aber selbst wenn § 54a AufenthG aufgrund des Art. 33 QRL nicht zur Anwendung gelangen könnte, bestünde doch eine wesentliche Funktion der Ausweisung darin, ein mögliches Recht aus Art. 6 ARB 1/80 zu beseitigen. Weiterhin wäre die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG dauernden Bestand hätte, da die Frage, welches Gewicht den Gefahrenlagen zukomme, maßgeblich von den Ausweisungsgründen abhänge. Schließlich ergebe sich selbst bei Außerachtlassung der Veranstaltungsteilnahme vom 18.12.2011 aus der Teilnahme des Klägers an der DHKP-C-Parteiveranstaltung vom 16.04.2011 ein vergleichbarer Gegenwartsbezug.
34 
In Erwiderung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, von seiner Person gehe keine "schwerwiegende" Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 11 Abs. 2 S. 2 RFRL aus. Hieran ändere auch nichts die Tatsache, dass er in der Justizvollzugsanstalt R... Ende 2000 an einem dreitägigen Hungerstreik wegen der Haftbedingungen für politische Gefangene in der Türkei teilgenommen habe. Er habe sich für den Hungerstreik aus einer persönlichen Entscheidung heraus entschlossen und sich aus humanitärer Solidarität gegenüber den politischen Gefangenen aus unterschiedlichen politischen Gruppierungen in der Türkei an dem Hungerstreik beteiligt. Auch seine Unterschrift unter einem Protokoll über die satzungsändernde Versammlung im Jahr 2007 hinsichtlich des anatolischen Kunst- und Kulturhauses ergebe insofern keine weiteren Anhaltspunkte. Der betreffende Verein sei niemals verboten worden.
35 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Klageakte und Berufungsakte, den Akten zum Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (VG Stuttgart 11 K 582/12 und den Beschwerdeakten des Senats 11 S 1187/12), den Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart, den Akten des Bundesamts (E 2048283-163, 5263257-163), den Gefangenen-Personalakten der JVA R... (00/02252/0), den Ermittlungsakten der StA München (6 Js 39617/08) und den Strafakten des Landgerichts Stuttgart (18 KLs 6 Js 39617/08). Weiterhin wurden in das Verfahren eingeführt die Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - und vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 -, das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 -, die Bundesverfassungsschutzberichte 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Nordrhein-Westfalen 2010, 2011, 2012, die Verfassungsschutzberichte Baden-Württemberg 2010, 2011, 2012 und die Search Results aus der Global Terrorism Database zu den Anschlägen der DHKP-C, Dev Sol und Dev Genc vom 21.04.1992 bis 11.12.2012 sowie der Auszug aus dem Vereinsregister zur Registernummer VR 7184 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht - vom 05.03.2014. Die beigezogenen Akten und die in das Verfahren eingeführten Urteile und sonstigen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
36 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht und formell ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 3 VwGO) Berufung des beklagten Landes hat Erfolg.
A.
37 
Soweit sich die Berufung des Beklagten gegen die Aufhebung der Ziffer 2 ihrer Verfügung vom 20.01.2012 richtet, hat sie bereits deswegen Erfolg, weil - soweit die Ziffer 2 der Verfügung überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens war (I.) - die erhobene Anfechtungsklage insoweit unzulässig ist (II.).
I.
38 
Der Kläger hat am 21.02.2012 „Anfechtungsklage wegen Ausweisung“ erhoben, ohne den angegriffenen Bescheid vorzulegen. Die Begründung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Sachverhaltswiedergabe und die Würdigung, dass die Verfügung rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Der schriftsätzliche Klageantrag war gerichtet auf die Aufhebung der Verfügung vom 20.01.2012. Die hierzu vorgelegte Vollmacht war wegen „Ausweisung“ erteilt worden. Späteres Klagevorbringen befasst sich ausschließlich mit den angeschuldigten Aktivitäten für die DHKP-C. Hiervon ausgehend, ist nicht erkennbar, dass die erhobene Klage auch die Ziffer 2 der Verfügung erfassen sollte. Der Kläger hat auch nicht dazu vorgetragen, dass ihm von der Wirkung der Ausweisung abgesehen der abgelehnte Aufenthaltstitel zustünde und hätte erteilt werden müssen. Unerheblich ist, ob der Kläger die Ablehnung der Verlängerung ausdrücklich - anders als die Ausweisung - hinnehmen wollte oder diese weitere Entscheidung in der Verfügung aus den Augen verloren bzw. ihre selbständige Bedeutung verkannt hat. War das Klagebegehren damit - aus welchen Gründen auch immer - lediglich auf die Aufhebung der Ausweisung gerichtet, kann die Anfechtungsklage auch im Wege der sachdienlichen Auslegung nicht zugleich als Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Verlängerung behandelt werden. Denn nach § 88 VwGO ist das Gericht nicht an die Formulierung des Klageantrags gebunden, wohl aber an das Klagebegehren, das sich aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt.
II.
39 
Geht man ungeachtet dessen zugunsten des Klägers davon aus, dass der auf Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag auch die Ziffer 2 der Verfügung betroffen hatte, wäre das Klageziel vom Verwaltungsgericht falsch bestimmt worden. Denn dieses hatte den Klageantrag nicht nur in der mündlichen Verhandlung und dementsprechend im Tatbestand ausschließlich als Anfechtungsantrag aufgenommen, sondern auch, wie sich aus der bloßen Aufhebung der Ziffer 2 ergibt, nicht im Sinne eines rechtlich gebotenen Verpflichtungsbegehrens beschieden. Denn es hat offenbar in der Annahme, dass der Kläger durch den mit Klageerhebung angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Aufhebungsantrag ein solches Klageziel festgelegt hat, auch zu Ziffer 2 der Verfügung ein Aufhebungsurteil erlassen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40 
Soweit das wahre Klageziel damit teilweise verkannt worden sein sollte, weil der Kläger trotz des als Anfechtungsantrag schriftsätzlich formulierten und protokollierten Klageantrags hinsichtlich der Ziffer 2 eigentlich ein Verpflichtungsbegehren verfolgen wollte (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1966 - VIII C 30.66 - juris), stellt das Urteil kein Teilurteil dar, sondern leidet an einem Verfahrensfehler, weil das Gericht gem. § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden war. Wurde der Verpflichtungsanspruch dabei rechtsirrtümlich nicht beschieden, weil er nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht rechtshängig war, liegt kein Übergehen im Sinne des § 120 VwGO vor, so dass dieser Verfahrensfehler mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen innerhalb der gegebenen Frist geltend zu machen gewesen wäre (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - und Urteil vom 22.03.1994 - 9 C 529.93 - jeweils juris). Mit Ablauf der Frist des hierfür gegebenen Rechtsmittels endet die Rechtshängigkeit in Bezug auf das rechtsirrtümlich nicht beschiedene Begehren (BVerwG, Beschluss vom 22.02.1994 - 9 B 510.93 - a.a.O.). Übergeht ein Gericht einen gestellten Antrag versehentlich, so erlischt die Rechtshängigkeit insoweit mit Ablauf der Ergänzungsantragsfrist des § 120 Abs. 2 VwGO. Im Ergebnis wäre die Rechtsfolge hier in beiden Fällen die gleiche, weil die Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO längst abgelaufen ist und der Kläger die Entscheidung weder mit dem Zulassungsbegehren angegriffen hat, das beklagte Land auch zur Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu verpflichten, noch, nachdem auf den Antrag des Beklagten die Berufung zugelassen worden war, innerhalb eines Monats (§ 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nach der am 02.12.2013 erfolgten Zustellung der Berufungsbegründung Anschlussberufung eingelegt hat. Damit ist auch dann, wenn das Klageziel des Klägers ursprünglich ein Verpflichtungsbegehren auf Verlängerung des Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG umfasst hat, dieses jedenfalls nicht mehr anhängig und damit nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Es bleibt hinsichtlich der Ziffer 2 der Verfügung damit im Berufungsverfahren, in dem allein der Beklagte Berufungsführer ist und deshalb eine Klageänderung mit dem Ziel der Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausscheidet (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2006 - VII ZR 73/04 - juris zu § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO), bei der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und beschiedenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der beantragten Verlängerung. Diese Klage ist unzulässig.
41 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage ("Versagungsgegenklage") zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges - gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres - Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so überhaupt oder besser abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 09.03.1982 - 9 B 360.82 - DÖV 1982, S. 744 und Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist, oder die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - m.w.N., juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - juris). Das Bundesverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbständige Beschwer enthält. Es sei aber in jedem Fall zu beachten, dass die Zulassung einer isolierten Anfechtung nicht zu einer Umgehung von spezifisch für die Verpflichtungsklage geltendem Verfahrensrecht führen dürfe wie beispielsweise der Unanwendbarkeit des § 113 Abs. 3 VwGO und zudem zu berücksichtigen sei, dass die Beschränkung auf eine isolierte Anfechtung - bei Abweisung der Klage - zu einem endgültigen Rechtsverlust ohne gerichtliche Sachprüfung führen kann. Das ergebe sich notwendig daraus, dass eine isolierte Anfechtung nur Sinn hat und den Vorrang der Verpflichtungsklage wahre, wenn auch die gerichtliche Prüfung auf die geltend gemachten isolierten Anfechtungsgründe beschränkt bleibe. Die noch weitergehende allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage, die zugleich mit einer Vollprüfung auch aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen verbunden sein solle, widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs - nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweise - mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren (BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 - juris).
42 
Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Anfechtungsklage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 der Verfügung unzulässig. Hier konnte die Klage nicht auf isoliert geltend gemachte Anfechtungsgründe beschränkt werden. Eine Aufhebung wäre vielmehr nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn alle Voraussetzungen für die Titelerteilung geprüft und bejaht worden wären, was prozessual zur Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung hätte führen müssen. Die vorliegende Aufhebung stellt damit eine unzulässige Zurückverweisung an die Verwaltung dar. Vor diesem Hintergrund könnte auch eine selbständige Beschwer der Ablehnungsentscheidung die Zulässigkeit der isolierten Anfechtungsklage nicht begründen. Zudem kann eine solche nicht in der hierdurch bedingten Beendigung der Fiktionswirkung gesehen werden. Hieraus lässt sich, entgegen der Ansicht des Klägers, kein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung ableiten. Vielmehr spricht schon die gesetzliche Begrenzung der Fiktionswirkung auf die Zeit bis zur Entscheidung der Ausgangsbehörde, die auch im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht verlängert wird, dagegen, deren Wegfall nach Abschluss des Verfahrens als eigenständige Beschwer einer Ablehnungsentscheidung anzusehen. Die Fiktionswirkung vermittelt auch bis zu diesem Zeitpunkt eine nur vorläufige und rein verfahrensrechtliche Position (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris), die die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 VwGO bis zum Ergehen des Bescheids erübrigt und die sicherstellt, dass der Antragsteller durch die verspätete Entscheidung über seinen Antrag nicht schlechter gestellt, wird, als wenn die Behörde alsbald entschieden hätte (BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6.09 - juris). Diese Funktion der Fiktionswirkung schließt aber nicht nur die Verfestigung des Aufenthalts aufgrund dieser verfahrensrechtlichen Position aus, sondern auch ein rechtlich schützenswertes Interesse daran, eine endgültige Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs auf den erstrebten Aufenthaltstitel hinauszuzögern, um diese lediglich den status quo während des Verwaltungsverfahrens sichernde Position möglichst lange aufrecht zu erhalten. Vielmehr besteht bei Verfahren zur Klärung des Aufenthaltsstatus - ebenso wie bei sonstigen Statusverfahren - das schützenswerte private Interesse allein an einer zügigen abschließenden Klärung und der Beendigung eines Schwebezustands.
B.
43 
Die Berufung des Beklagten ist auch bezüglich der Aufhebung von Ziffer 1 und Ziffer 3 der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.01.2012 begründet. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung (I.), der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung (II.) sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten kürzeren Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf Null (C.) ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
I.
44 
Die unter Ziffer 1 des Bescheids vom 20.01.2012 verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.
45 
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 54 Nr. 5, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift liegt ein Ausweisungsgrund vor, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Dabei gilt sowohl für das Tatbestandsmerkmal "Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt" als auch für das Vorliegen von Indiztatsachen, die den Schluss auf eine Zugehörigkeit des Ausländers zu der Vereinigung oder ihre Unterstützung rechtfertigen, der normale Beweismaßstab der vollen gerichtlichen Überzeugung. Der reduzierte Beweismaßstab, wonach diese Tatsachen eine entsprechende Schlussfolgerung lediglich rechtfertigen, nicht aber zur vollen gerichtlichen Überzeugung beweisen müssen, bezieht sich nur auf die Frage, ob der betroffene Ausländer der Vereinigung tatsächlich angehört oder sie individuell unterstützt (hat) (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris).
46 
1. Eine Vereinigung unterstützt den Terrorismus in diesem Sinne, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da § 54 Nr. 5 AufenthG der präventiven Gefahrenabwehr dient und die Eingriffsmöglichkeiten des Aufenthaltsrechts auch die Vorfeldunterstützung durch so genannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 a.a.O.).
47 
Die DHKP-C ist eine Vereinigung in diesem Sinne. Die DHKP-C ist eine Nachfolgeorganisation der 1970 gegründeten THKP-C, aus der im Jahre 1978 die Devrimci Sol (deutsch: Revolutionäre Linke, kurz: Dev Sol) entstand, die darauf ausgerichtet war, in der Türkei durch Anwendung revolutionärer Gewalt einen politischen Umsturz herbeizuführen und eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Muster zu errichten. Im Jahre 1980 wurde die Dev Sol in der Türkei verboten. Mit Verfügung des Bundesministers des Innern vom 27.01.1983 wurde die Dev Sol nebst zugehöriger Teilorganisationen auch in Deutschland bestandskräftig verboten. Die DHKP-C wurde am 13.08.1998 in das Verbot einbezogen. Nach der ab 1992 infolge innerorganisatorischer Meinungsverschiedenheiten und persönlicher Auseinandersetzungen einsetzenden (Auf-)Spaltung der Dev Sol in zwei konkurrierende und sich gegenseitig bekämpfende Gruppierungen (sog. „Karatas-/Yagan-Flügel“) konstituierten sich die Anhänger des „Karatas-Flügels“ auf einem vom 30.03.1994 bis 09.05.1994 abgehaltenen Parteigründungskongress in Damaskus zur DHKP-C als Zusammenschluss der Revolutionären Volksbefreiungspartei (DHKP) und der Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKC). Es wurden ein Parteiprogramm und Satzungen für die DHKP bzw. DHKC sowie Grundsatzbeschlüsse, in denen die Leitlinien der DHKP-C verbindlich festgelegt wurden, verabschiedet. Als Gründungstag wurde das Datum der (Partei-)Kongresseröffnung (30.03.1994) festgelegt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Ihre Zielsetzung ist die Herbeiführung einer Weltrevolution und der Sturz des Imperialismus, wobei nach der Parteiprogrammatik der DHKP-C Aktivitäten und bewaffneter Kampf nicht nur in der Türkei, sondern grundsätzlich auch in anderen Staaten zu erfolgen haben (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
48 
Außerhalb der Türkei hat sich die DHKP-C insbesondere in zahlreichen westeuropäischen Ländern sowie in Südosteuropa, organisationsintern als „Rückfront“ bezeichnet, strukturell verfestigt. Die an der „Rückfront“ in Europa für die DHKP-C Agierenden sind den Führungsorganen unterstellt, die sich ebenfalls überwiegend im europäischen Ausland aufhalten, und in die hierarchischen Strukturen der (Gesamt-)Organisation eingebunden sind. Ziel und Aufgabe der in den genannten Staaten errichteten Organisationseinheiten ist es, die Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes in der Türkei zu fördern. Die „Rückfront“ der DHKP-C ist für die Verwirklichung der Zielsetzungen dieser Vereinigung von herausragender, zentraler Bedeutung und unverzichtbar. Innerhalb der „Rückfront“ ist Deutschland aufgrund der hohen Anzahl der hier lebenden türkischstämmigen Personen, deren finanzieller Möglichkeiten und des daraus resultierenden Potentials zur personellen und materiellen Unterstützung von Aktivitäten der DHKP-C in der Türkei das wichtigste Betätigungsgebiet dieser Organisation. Diese ist bestrebt, die im Bundesgebiet ansässigen Personen mit türkischem Migrationshintergrund zur aktiven Mitarbeit in der DHKP-C, mindestens aber zur finanziellen Förderung ihrer Partei- und Frontarbeit zu veranlassen. Im Jahre 2008 waren der DHKP-C bundesweit etwa 650 Personen zuzurechnen, die sich in unterschiedlicher Weise und Funktion an der Rückfront für diese Organisation betätigten (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...). Diese Zahl ist stabil und weiterhin gültig (Verfassungsschutzbericht des Bundes 2012, S. 352).
49 
Die DHKP-C führt ihren bewaffneten Kampf auch unter Einsatz terroristischer Anschläge und Attentate. Unter Zugrundelegung der Einträge und des unten dargestellten Diagramms aus der Global Terrorism Database des National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism, einem Center of Excellence of the U.S. Department of Homeland Security, University of Maryland waren die terroristischen Aktivitäten der Dev Sol und ihrer Nachfolgeorganisation der DHKP-C in der Türkei in den Jahren von 1988 bis 1995 besonders hoch. 1995 übten sie auch terroristische Anschläge in Wien und in Köln aus und 1996 auch in den in den Niederlanden. Seit 1999 agiert die DHKP-C in Europa gewaltfrei. Auch in der Türkei ebbten bis 2003 zunächst die Aktivitäten ab. Jedoch kam es dort weiterhin bis 2001 zu ein bis drei terroristischen Anschlägen pro Jahr.
50 
2001 wurden drei Anschläge auf die Istanbuler Polizei verübt. Beim letzten am 10.09.2001 handelte es sich um einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation in Istanbul(-Taksim) durch das Frontmitglied U. Bülbül, bei dem zwei Polizeibeamte und ein Tourist getötet sowie mehrere Personen verletzt wurden.
51 
Am 20.05.2003 explodierte in einem Café in Ankara-Cankaya eine Bombe, welche Sengülül Akkurt bei der Vorbereitung einer so genannten Aufopferungsaktion in einem Gürtel an ihrem Körper befestigt hatte, um einen Anschlag auf das türkische Justizministerium durchzuführen. Bevor die Selbstmordattentäterin ihr Ziel erreicht hatte, kam es zur vorzeitigen Detonation der Sprengvorrichtung. Die 26-jährige Akkurt wurde dabei getötet. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden.
52 
Am 03.06.2003 verübte eine sogenannte Aufopferungseinheit der DHKP-C mittels einer ferngezündeten (Splitter-)Bombe in Istanbul einen Anschlag auf einen (Service-)Bus der türkischen Justizbehörden, in dem sich Richter und Staatsanwälte des Staatssicherheitsgerichts befanden. Durch die Explosion mit Schrapnell- und Druckwirkung wurden insgesamt sieben Fahrzeuginsassen leicht verletzt. Außerdem entstand erheblicher Sachschaden an mehreren Kraftfahrzeugen. Der Explosionsort befand sich an einer stark frequentierten Küstenstraße, auf der zum Tatzeitpunkt sehr dichter Verkehr herrschte.
53 
Am 29.04.2009 kam es in der Rechtsfakultät der Bilkent Universität Ankara zu einem versuchten Selbstmordanschlag auf den ehemaligen türkischen Justizminister H. Sami Türk. Dieser blieb unverletzt, da es der 25-jährigen Attentäterin, Didem A., die vier Kilogramm TNT sowie eine Pistole nebst Munition mit sich führte, nicht gelang, den Sprengsatz zur Explosion zu bringen bzw. von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - D...).
54 
Bei diesen auch in dem genannten Register aufgenommenen Anschlägen der DHKP-C handelt es sich um dieser mit Sicherheit zurechenbare terroristische Anschläge. Es gab im Jahre 2003 und auch in den nachfolgenden Jahren bis 2007 weitere Aktionen, die dieser Organisation zugerechnet werden, wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - in Sachen E... D... (rechtskräftig seit dem 22.01.2014) ergibt. Maßgeblich ist aber, dass diese Organisation nie - und damit auch nicht in den Jahren 2004 bis 2008 - von dem Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele abgerückt ist, was auch in der erneuten Zunahme auch terroristischer Anschläge ab 2012 deutlichen Ausdruck findet.
55 
Das Oberlandesgerichts Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.06.2013 (6 OJs 1/11) ausgeführt:
56 
„Nachdem im Sommer 2011 die frühere Europaverantwortliche der DHKP-C, Gülaferit Ünsal („Gülsen“), in Griechenland festgenommen und drei Monate später in der Wohnung eines - bei der Herstellung einer unkonventionellen Spreng-/Brandvorrichtung (USBV) zu Tode gekommenen - „DHKP-C-Aktivisten“ in Thessaloniki von Sicherheitskräften ein umfangreiches Waffen-/Sprengstofflager sichergestellt worden war, wurde im Mai 2012 organisationsintern (in der Zeitschrift Devrimci Sol - hierzu mehr bei C. II. 3. -) zu einer intensivierten Fortsetzung des bewaffneten Kampfs aufgerufen. Ab Mitte Juni 2012 kam es daraufhin in der Türkei im Zuge einer „Anschlagsoffensive“ zu - in dichter Folge verübten - Anschlägen, Selbstmordattentaten durch „Kämpfer“ der DHKP-C sowie einer (organisationsinternen) „Bestrafungsaktion“. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Vorgänge:
57 
- Am 12. Juni 2012 verübten zwei Angehörige der DHKP-C einen Sprengstoffanschlag auf eine Istanbuler Polizeidienststelle; einer der (beiden) Täter (Erdal Dalgic) wurde verletzt festgenommen und verstarb kurze Zeit später;
- am 15. Juni 2012 schoss ein Organisationsmitglied in Istanbul - (u. a.) in der Absicht, den Tod Dalgics zu „rächen“ - auf einen Polizeibeamten (M... S. Y...); dieser erlitt mehrere Schussverletzungen, darüber hinaus wurde bei dem Vorgang eine weitere Person (durch einen Querschläger) getroffen und (leicht) verletzt;
- am 16. Juni 2012 überfielen bewaffnete „Kämpfer“ der DHKP-C in Istanbul auf offener Straße ein „Polizeiteam“; ein Polizeibeamter (Z... Y...) wurde erschossen; ein weiterer Polizist sowie ein Zivilist erlitten jeweils Verletzungen;
- am 20. Juli 2012 erschossen der Kommandant einer Kampfeinheit, Hasan S. Gönen, und die ihn begleitende Sultan Isikli in Istanbul bei einer Fahrzeugkontrolle zwei (Polizei-)Beamte; Gönen konnte (schwer verletzt) festgenommen werden und verstarb tags darauf;
- am 11. September 2012 verübte Ibrahim Cuhadar, ein „Selbstmordkämpfer“ der DHKC, ein Attentat auf eine Polizeiwache in Istanbul (-Gazi); neben dem Attentäter wurde ein Polizist getötet; sieben weitere Personen erlitten Verletzungen;
- am 25. Oktober 2012 verletzten „Kämpfer“ der DHKP-C das (frühere) Organisationsmitglied A... A..., die des Verrats bezichtigt worden war, mittels eines Kopfschusses im Rahmen einer Bestrafungsaktion;
- am 8. Dezember 2012 kam es durch zwei „Kämpferinnen“ der Organisation zu einem, mittels Handgranaten durchgeführten, Anschlag auf ein Polizeirevier in Istanbul; zwei Polizeibeamte wurden verletzt; eine Täterin (N... A...) konnte festgenommen werden;
- am 11. Dezember 2012 töteten Mitglieder der DHKP-C in Istanbul einen uniformierten Polizeibeamten. Im Zuge der Ausführung dieses Anschlags wurden überdies drei Passanten verletzt, die versucht hatten, die Tatausführung zu verhindern;
- am 1. Februar 2013 verübte Ecevit (Alisan) Sanli, ein vormals unter dem Decknamen „Yücel“ als Gebietsverantwortlicher der DHKP-C in Berlin agierender „Märtyrerkämpfer“, einen Selbstmordanschlag auf das Gebäude der US-Botschaft in Ankara. Neben dem Attentäter wurde ein türkischer Sicherheitsbeamter (Mustafa Akarsu) getötet; zwei weitere Personen wurden verletzt;
- am 19. März 2013 führten „Kämpfer“ der Organisation Anschläge auf das türkische Justizministerium sowie die (General-) Zentrale der AK-Partei in Ankara aus und brachten im Zuge dessen neben zwei Handgranaten auch eine Panzerfaust („LAW/LAV“) zur Explosion. Eine Person wurde leicht verletzt“.
58 
Die hier genannten terroristischen Anschläge und Selbstmordattentate vom 12.06., 11.09., 08.12. und 11.12.2012 werden ebenfalls in der GT-Datenbank aufgeführt, aus der für die Folgejahre 2013 und 2014 noch keine Daten abrufbar sind.
59 
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse war die DHKP-C (sowie ihre Vorgängerorganisation Dev Sol) als eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG anzusehen und ist dies auch weiterhin, weil sie seit Gründung ihrer Vorgängerorganisation der Dev Sol im Jahr 1978 ihre Ziele jedenfalls auch mit terroristischen Mitteln verfolgt. Dies steht für den Senat in Übereinstimmung mit der strafrechtlichen Beurteilung des Bundesgerichtshofs fest, wonach es sich um eine Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris), handelt.
60 
Diese Einschätzung wird auch dadurch bestätigt, dass die DHKP-C bereits seit 2002 in der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste terroristischer Organisationen (Ratsbeschluss 2002/460/EG vom 17.06.2002) aufgeführt wird (vgl. zuletzt Ziff. 2.23 des Anhangs zum Beschluss 2014/72/GASP des Rates vom 10.02.2014).
61 
2. Der Kläger ist seit vielen Jahren Anhänger der DHKP-C und fördert diese, nachdem er bereits für die Dev Sol tätig war, zumindest als ein in dieser Organisation seit ihrer Gründung verwurzelter Aktivist.
62 
a) Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen DHKP-C - bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (siehe BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris und vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris jeweils m.w.N.).
63 
b) Nach diesen Maßstäben sind hier die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Auswertung der eingeführten Erkenntnismittel, insbesondere der strafgerichtlichen Urteile, liegen jedenfalls Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger, der schon 1989 für die 1978 gegründete Dev Sol aktiv war, seit seiner Einreise ins Bundesgebiet Ende 1995 die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation unterstützt (siehe zum reduzierten Beweismaß für das Unterstützen der Vereinigung durch den Ausländer BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 - juris Rn. 15). Es spricht sogar viel dafür, dass der Kläger seit ihrer Gründung im Frühjahr 1994 in Damaskus Mitglied der DHKP-C und damit Mitglied einer Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist, worauf es jedoch nicht entscheidend ankommt.
64 
Hintergrund für seine Ausreise aus der Türkei im Jahre 1995 und sein Asylgesuch im Bundesgebiet war u.a., dass der Kläger am 31.08.1993 zusammen mit E... Ö... in der Türkei vor Gericht gestanden hatte. Sie hatten dort ihre linken Hände erhoben und gerufen: „Die Strafe kann uns nicht erschüttern, wir sind im Recht und werden gewinnen, Kurdistan wird dem Faschismus zum Grabe“ (bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 24.03.2000 an das Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren A 5 K 10696/96). Deshalb war er nach seinen Angaben zu einem Jahr Haft verurteilt worden, die er nicht angetreten hat.
65 
Nach den Erkenntnissen in den Behördenakten wurde er 1998 in Begleitung des M... B..., des damaligen Vereinsvorsitzenden des Anatolischen Kunst- und Kulturhauses, mit DHKP-C-Zeitschriften angetroffen.
66 
Ab 04.12.2000 trat der Kläger ausweislich der Gefangenenakte in der JVA R... in Hungerstreik. Der Kläger hat hierzu in seiner schriftlichen Erklärung vom 01.12.2000 angegeben, dass er in Hungerstreik trete, um den Bau der Typ-F-Gefängnisse zu stoppen und aus Solidarität mit 12 Gefangenen, die 1996 bei einem Hungerstreik gestorben, und 10 politischen Gefangenen, die 1999 in der JVA Ankara zu Tode gefoltert worden seien. In der Türkei seien mehr als 1000 Gefangene in Hungerstreik getreten, in diesem Jahr seien mehrere Gefängnisse beteiligt; um diese zu unterstützen, trete er ab 04.12.2000 in Hungerstreik. Die Aktion hatte in der Türkei am 20.10.2000 unter Beteiligung der DHKP-C, TKP(ML) und TKIP begonnen.
67 
2001 wurde bei ihm nach den Erkenntnissen in den Behördenakten zahlreiches Propagandamaterial für die DHKP-C aufgefunden. Dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009 liegen folgende Feststellungen zugrunde, die sich der Senat zu eigen macht:
68 
„Der Kläger hat z.B. den ihm übergeordneten DHKP-C-Funktionär A... Y...-... - Gebietsverantwortlicher für Süddeutschland mit den Decknamen „Emmi", „Kamil" und „Rüstern" - als Besucher aufgenommen, den Kontakt zwischen diesem führenden DHKP-C-Funktionär und anderen Anhängern der Organisation gehalten und den E... G..., einen wichtigen Aktivisten der verbotenen Vereinigung, im Interesse der DHKP-C-Organisation beim regionalen, aber auch beim überregionalen Vertrieb der Zeitung „Yürüyüs", auch in Bezug auf das nähere europäischen Ausland unterstützt. Der Kläger vereinbarte mit A... Y..., mit dem er jedenfalls seit 05.07.2006 per Mobiltelefon in Verbindung stand, Treffen in der S... ... x in S... im dortigen Anatolischen Kultur- und Kunsthaus, von A... Y... wurde er über sein Mobiltelefon zu verschiedenen Veranstaltungen bzw. Versammlungen eingeladen, wurde von ihm beauftragt, andere Personen zu Treffen und Versammlungen hinzuziehen und erhielt überdies weitere Anweisungen und Hinweise auf von diesem für wichtig erachtete Medienereignisse. Im Übrigen kündigte A... Y... per Handy auch seinen Besuch beim Kläger an. Mehrmals - mindestens 3 mal - holte der Kläger - abwechselnd mit anderen Aktivisten der Vereinigung - zwischen August 2006 und 19. März 2007 bei der Offsetdruckerei ... in ... bei ..., ...-...-... x, jeweils mindestens 150 Exemplare (insgesamt also wenigstens 450 Stück) der DHKP-C-Wochenzeitschrift „Yürüyüs" ab, um sie im Interesse der verbotenen Vereinigung der Weiterverbreitung im regionalen Bereich zuzuführen oder sie selbst zu verteilen. Die Druckerei ... hatte im fraglichen Zeitraum bis zur Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 die Ausgaben 63 bis 95 (also insgesamt 33 Ausgaben) der weiterhin wöchentlich erscheinenden Zeitschrift nach der Kontaktierung und Auftragsvergabe durch A... Y... gemeinsam mit E... G... im Mai 2006 ab August 2006 in einer Auflage von jeweils ca. 2500 bis etwa 2700 Stück gedruckt. A... Y... trat bei der Auftragsvergabe als der eigentliche Verhandlungspartner auf, während E... G... seiner besseren Kenntnisse der deutschen Sprache wegen dabei im Wesentlichen nur als Dolmetscher fungierte. Anfangs 2300 Exemplare, gegen Ende nur noch 2230 Exemplare einer jeden Ausgabe wurden jeweils direkt von der Druckerei ... anhand eines dieser zur Verfügung stehenden Verteilers überregional - auch in das nähere europäische Ausland - verschickt. Es gab jeweils auch Ausschussware, die in den erwähnten ca. 2500 bis rund 2700 Auflage freilich nicht enthalten war und nicht berechnet wurde. Mindestens 150 Exemplare einer jeden Auflage (gelegentlich auch bis zu 390 Stück) wurden jeweils von wechselnden DHKP-C-Aktivisten, davon zu etwa 50 % durch E... G... selbst, der nach der Erteilung des Auftrags der Ansprechpartner des Betreibers der Druckerei, des Zeugen ..., auf Seiten seiner Auftraggeber war, und in mindestens drei Fällen auch durch den Kläger abgeholt. Dieses Abholen der wenigstens 150 Exemplare erfolgte jeweils zum Zwecke der Weiterverbreitung im regionalen Bereich und auf einen Anruf des Zeugen ... bei der ihm von jenem DHKP-C-Aktivisten genannten Telefonnummer des E... G... hin, der sich bei diesen Telefonaten stets selbst am Apparat meldete. In der Wohnung des Klägers in S..., ... ..., hielt dieser aus den für die Verteilung im regionalen Bereich bestimmten Mengen der Zeitschrift am 28.11.2006 insgesamt 60 Exemplare zur Weiterverbreitung in Interesse der DHKP-C vorrätig, nämlich 2 Pakete zu je 30 Stück der Ausgabe 78 vom 12.11.2006, am 19.03.2007, ebenfalls in dieser Wohnung, 7 Exemplare der Ausgabe vom 4. März 2007 und am 21.03.2007 in seinem Rucksack im Fahrzeug Renault, amtliches Kennzeichen ...-... ..., das kurz zuvor von E... G... unweit der Offsetdruckerei ... abgestellt worden war, um den Zeugen ... aufzusuchen, 23 Exemplare der Auflage 95 von Mitte März 2007. Der Kläger wurde am 21.03.2007 in dem beschriebenen Fahrzeug auf dem Beifahrersitz auf E... G... wartend von der Polizei angetroffen und führte dabei auch einen Block Eintrittskarten für das Europatreffen der DHKP-C im April 2007 zur Verbreitung im Interesse des verbotenen Vereins mit sich. Überdies bewahrte der Kläger am 28.11.2006 in seiner Wohnung in Stuttgart für den E... G..., für den er unter seinem Sofa auch für diesen bestimmte Gerichts- und Anwaltsschreiben verwahrte, 10 vom 01.08.2006 datierende Lieferscheine der Druckerei ..., über die Lieferung von insgesamt 2300 Exemplare der DHKP-C Wochenzeitschrift „Yürüyüs" an überregionale Empfänger, auch im benachbarten europäischen Ausland, Adressaufkleber mit entsprechenden Anschriften und Originalquittungen über Druckkosten des auf den Lieferscheinen jeweils als Auftraggeber des Druckauftrags genannten Yurtdisi Büros V... E..., ... ... ... ... in ... ... R...-... / Niederlande auf. Tatsächlich waren die Druckkosten freilich jeweils von E... G... beim Zeugen ... in bar bezahlt worden. Die letzten 5 Ausgaben waren allerdings zur Zeit der Durchsuchung des Druckereigebäudes am 19.03.2007 noch unbezahlt. Weitere vom Kläger am 28.11.2006 verwahrte Notizen betrafen „Yürüyüs" - Ausgaben aus der Zeit vor Beginn der Druckaufnahme durch die Fa. ... im August 2006.“
69 
Der Kläger hat die einzelnen Tatsachenfeststellungen in diesem Urteil des Landgerichts, gegen das er Rechtsmittel nicht eingelegt hat, im angegriffenen Bescheid und auch in den Schriftsätzen des Beklagten - mit Ausnahme der Teilnahme an der Veranstaltung am 18.12.2011 in Stuttgart - nicht substantiiert bestritten. Soweit er im Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung geltend macht, er habe nur wenige Exemplare der Wochenzeitung Yürüyüs selbst verteilt, der weit überwiegende Teil sei von Dritten bei ihm abgeholt und weiterverteilt worden, führt dies zu keiner günstigeren Beurteilung dieser Unterstützungshandlung, sondern bestätigt, dass er hierarchisch zwar gemeinsam mit E... G... dem A... Y... als für den Druck und die Verbreitung in der Region Verantwortlichen untergeordnet gewesen ist, aber, wie sich bereits aus dem persönlichen Kontakt zu diesem und auch unmittelbar zur Druckerei ergibt, in diese Organisationsstruktur deutlich über den reinen „Zeitungsausträgern“ hinaus eingebunden war. A... Y... war damals bis zu seiner Festnahme Ende November 2006 der für die „Region Süd“ verantwortliche (Führungs-)Funktionär und Rechtsberater der DHKP-C (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11). Der Kläger kannte diesen bereits aus der Türkei, wo er nach seinen Angaben sein Rechtsanwalt gewesen war.
70 
Weiterhin war er am 14.01.2007, wie sich aus in den Gerichtsakten befindlichen Kopien des Vereinsregisters ergibt, einer der Leiter der satzungsändernden Versammlung des Vereins „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“, eines Tarnvereins der DHKP-C, zu dessen neuen Sekretär E... D... am 03.06.2007 gewählt wurde (vgl. hierzu unten). Auch fuhr er mit Funktionären noch am Tag des Todes von Dursun Karatas am 11.08.2008 in die Niederlande.
71 
Zutreffend hat das Regierungspräsidium mit Schriftsätzen vom 03.03.2014 und 20.03.2014 auf der Grundlage der Feststellungen der ins Verfahren eingeführten Urteile des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18.06.2013 - 6 OJs 1/11 - (Verurteilung von E... D...) und vom 15.07.2010 - 6 - 2 StE 8/07 - a - (Verurteilung von A... D. Y... und E... G...) zudem dargelegt, dass der Kläger im Zeitraum von 2002 bis 2007 in vielfältiger Weise nicht nur in den Vertrieb von Publikationen, sondern auch - u.a. zusammen mit Y... und G... - in den Vertrieb von Tickets für Veranstaltungen der DHKP-C und in die Sammlung von Spendengeldern involviert und damit maßgeblich an der Geldbeschaffung als eine der wichtigsten Aufgaben der Rückfront dieser terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er nahm im Jahr 2002 nicht nur an einer politischen Schulung der DHKP-C im August 2002 in Neuhausen-Schellbronn, sondern auch als Mitglied einer Delegation der DHKP-C an einer Großveranstaltung in Kopenhagen teil.
72 
Schließlich hat der Kläger auch noch nach seiner Verurteilung jedenfalls an den beiden Kundgebungen der DHKP-C am 10.04.2010 in Wuppertal mit mehreren hundert Teilnehmern und am 16.04.2011 in Lüttich teilgenommen. Hierbei hat es sich jeweils um traditionelle Parteifeste zum Jahrestag ihrer Gründung gehandelt, wobei die lediglich von etwa 200 Personen besuchte Veranstaltung in Lüttich nur Mitgliedern zugänglich gewesen sein soll (vgl. Bundesverfassungsschutzberichte 2010, S. 310 und 2011, S. 349; Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen 2010, S. 166; Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 30.04.2013). Darauf, ob er auch die Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 zum Jahrestag der Gefängniserstürmung am 19.12.2000, die nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 als - vorhersehbare - Folge des am 20.10.2000 aufgenommenen Hungerstreiks türkischer Gefangener maßgeblicher Grund für seine damalige Beteiligung an dieser Aktion in der JVA R... gewesen ist, besucht hat, kommt es nicht an. Nachdem er erklärt hat, er würde sich jederzeit in einer solchen Situation wieder solidarisch zeigen und im Übrigen weiterhin an zahlreichen Demonstrationen in S... teilnehmen, insbesondere kurdischer und PKK-naher Organisationen, ist davon auszugehen, dass er, soweit er ausgerechnet an dieser Veranstaltung in Stuttgart am 18.12.2011 nicht teilgenommen hat, aus persönlichen Gründen verhindert gewesen ist. Jedenfalls hat er selbst nicht behauptet, dass er die Kontakte zur DHKP-C abgebrochen habe und nun auch keine Veranstaltungen dieser Organisation mehr besuchen werde.
73 
Eine Distanzierung von seinen Unterstützungshandlungen für die DHKP-C und eine Abkehr von seinen früheren Aktivitäten ist auch sonst in keiner Weise erkennbar. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich von zurückliegenden Aktivitäten nicht distanziert, sondern sie ohne erkennbare Unterbrechung fortgeführt hat, folgt, dass auch die in der Vergangenheit liegenden Tätigkeiten auf die gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers im Sinne von § 54 Nr. 5 Halbs. 2 AufenthG schließen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 1 C 6.08 - juris).
74 
Der Kläger wehrt sich gegen die in der Begründung der angegriffenen Verfügung und den Schriftsätzen des Beklagten genannten sowie gegen die weiteren in die Verhandlung eingeführten Tatsachen, denen er nicht im Einzelnen entgegentritt, im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dass er kein Mitglied der DHKP-C sei, sondern lediglich ein politisch denkender Mensch und jedenfalls nicht bewusst etwas Verbotenes - insbesondere seien die Versammlungen genehmigt und der Kulturverein zu keinem Zeitpunkt verboten worden - getan habe. Hierauf kommt es aber nicht an.
75 
Daran, dass der Kläger die DHKP-C in Kenntnis von deren Zielen, Programmatik und Methoden unterstützt hat, kann nach Ansicht des Senats aufgrund seiner langjährigen Beteiligung und vor dem Hintergrund seiner Unterstützung bereits der Vorgängerorganisation Dev-Sol und - noch in der Türkei - der Jugendorganisation Dev-Genc sowie seines mit hieran anknüpfender politischer Verfolgung begründeten Asylgesuchs kein ernsthafter Zweifel bestehen. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Kläger, der in der Türkei Soziologie studiert hat, sich bereits als Student politisch engagiert hat. Bereits seit dieser Zeit steht er in Verbindung zu A... Y..., der nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 in der Türkei sein Rechtsanwalt war. Weiterhin hat er nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 Karatas bereits aus Zeiten seiner türkischen Haft gekannt und mit diesem jedenfalls damals in brieflichen Kontakt gestanden. Auch hat er zusammen mit dem wegen seiner Mitgliedschaft in der DHKP-C verurteilten E... D... eines der „Vereinsblätter“ vertrieben und dem Tarnverein „Anatolische Kultur und Kunsthaus e.V.“ angehört, dessen Vorstand dieses DHKP-C-Mitglied seit 2007 nach der unter Mitwirkung des Klägers erfolgten Satzungsänderung angehörte.
76 
Nach Ansicht des Senats ist dementsprechend davon auszugehen, dass der Kläger - entgegen seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 - sowohl die Ziele der DHKP-C als auch deren terroristischen Aktionen zu deren Erreichung kannte bzw. kennt. In der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 hat er schließlich selbst erklärt, dass er Sympathisant dieser Organisation sei und deren Meinung und Ideologie teile. Ob er persönlich die gewalttätige Komponente der Ideologie der DHKP-C ausdrücklich befürwortet, ist nicht ausschlaggebend. Es fällt aber auf, dass er sich auch insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2014 nicht von dieser Organisation distanziert, sondern vielmehr die Ansicht vertreten hat, die DHKP-C beeinträchtige Deutschland nicht, da sie außerhalb der Türkei Gewalt grundsätzlich ablehne.
77 
Der Kläger hat mit den oben dargestellten jahrelangen kontinuierlichen Tätigkeiten diese Organisation mitgetragen. Dass er seit seiner Einreise ins Bundesgebiet die Bestrebungen dieser verbotenen Vereinigung bzw. ihrer Vorgängerorganisation unabhängig von einer Mitgliedschaft jedenfalls fördern und deren Strukturen, die ihm einschließlich der Tarnorganisationen bekannt waren, erhalten wollte, steht für den Senat in Übereinstimmung mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart fest. Für die Unterstützung der DHKP-C im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG ist es insoweit nicht maßgeblich, welcher Hierarchieebene innerhalb der Struktur dieser Vereinigung der Kläger angehört hat. Der Senat schließt sich im Übrigen der Beurteilung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris) an, wonach in Ansehung der Struktur der Vereinigung Anhaltspunkte dafür, hinsichtlich der Qualifizierung der DHKP-C als terroristische Vereinigung zwischen einem Kreis herausgehobener Funktionäre und mit Anschlägen befasster Kader einerseits und den sonstigen Angehörigen zu differenzieren, nicht gegeben sind. Es ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, denjenigen, der sich in Kenntnis von Zielen, Programmatik und Methoden der DHKP-C dieser anschließt und in ihr betätigt, deshalb nicht als Mitglied oder Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung einzustufen, weil er nicht dem Kreis der führenden Funktionäre oder den mit den Anschlägen der Organisation befassten Kadern angehört.
78 
Es liegt vielmehr auf der Hand, dass die Unterstützung jedes Einzelnen gerade für den Erhalt und die Handlungsfähigkeit einer relativ kleinen Organisation (ca. 650, davon 65 in Baden-Württemberg hauptsächlich im Großraum S... und in der R...-N...-Region, vgl. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126) von besonderer Bedeutung ist und die fördernde Tätigkeit jedes in diese Eingebundenen eine unmittelbare Nähe nicht nur zu den Zielen, sondern auch zu den terroristischen Aktionen zur Durchsetzung dieser Ziele hat. Dementsprechend kam und kommt auch dem Kläger, der nach dem Dargelegten jedenfalls Aufgaben für die aus lediglich etwa 65 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Organisationseinheit der DHKP-C eigenständig u.a. in Zusammenarbeit mit einem inzwischen verurteilten Mitglied (G...) und in - zum Teil auch unmittelbarer - Abstimmung mit inzwischen verurteilten maßgeblichen Funktionären (Y... und D...) auf Gebietsebene wahrgenommen hat, Verantwortung für die terroristischen Aktionen der DHKP-C und deren Opfer zu.
79 
Schließlich fehlt dieser Unterstützung der DHKP-C auch nicht deswegen, weil diese Organisation nur relativ wenige Mitglieder im Bundesgebiet hat, das in § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte Gewicht. Maßgeblich ist, dass sie, wie dargelegt, entschlossen und fähig war und ist, Terroranschläge in nicht unerheblichem Umfang und Ausmaß durchzuführen (vgl. dazu oben) und die Organisation im Bundesgebiet eine Rückfront für diese derzeit auf die Türkei konzentrierten Anschläge bildet, ohne deren Rückzugsräume und finanzielle Unterstützung die DHKP-C kaum fortbestehen könnte (vgl. oben). Schließlich ist die Rückfront auch nicht aufgrund der erfolgten Verurteilungen von Funktionären und Mitgliedern nachhaltig geschwächt. Insoweit macht sich der Senat die Einschätzung des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen und des Verfassungsschutzberichts des Bundes jeweils über das Jahr 2012 zu eigen, wonach die sich im Jahr 2012 häufenden Anschläge der Organisation in der Türkei - insbesondere die tödlichen Schüsse auf Polizeibeamte - zu einem Motivationsschub bei den Anhängern in Europa geführt haben und es der DHKP-C vermehrt gelinge, ihre Anhänger zu mobilisieren und neue, vor allem junge Unterstützer zu rekrutieren. Gleichzeitig schaffe sie es, strukturelle Schwächen zu beseitigen (Bund, S. 358). Die DHKP-C sei weiterhin in der Lage, zumindest auf niedrigem Niveau Aktivitäten zu entfalten, wozu auch weiterhin von Deutschland aus unterstützte terroristische Aktionen gegen Ziele in der Türkei gehören können (NRW, S. 90).
80 
Nicht entscheidend ist schließlich, ob die Organisation im Bundesgebiet in den letzten Jahren durch Gewalttaten aufgefallen ist und ob bzw. in welchem Umfang sie in den Jahren 2004 bis 2008 Terrorakte durchgeführt hat, da sie zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat, was insbesondere auch in der aktuellen „Anschlagoffensive“ 2012 (vgl. oben) sichtbar wird, und weil der Kläger, wie dargelegt, durchgehend in die Organisation eingebunden war und ist.
81 
3. Als anerkannter Flüchtling darf der Kläger nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 5 und Satz 2 AufenthG nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG liegen schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die auch eine Ausweisung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 bis 5 AufenthG besonderen Schutz genießender Ausländer rechtfertigen können, in der Regel in den Fällen der §§ 53 und 54 Nr. 5 bis 5b und 7 vor.
82 
Ein Ausnahmefall von der Regel des § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist hier nicht gegeben (vgl. zu den Voraussetzungen Hailbronner, AuslR, Stand: Dezember 2013, § 56 AufenthG Rn. 23 ff., m.w.N.). Insbesondere liegen keine „tatbezogenen“ besonderen Umstände vor, die den an sich schwerwiegenden Ausweisungsanlass als weniger gewichtig erscheinen lassen. In Anbetracht der Qualität und jahrelangen Dauer der Aktivitäten, die jederzeit ihre Fortsetzung finden können, liegt ein solcher Fall nicht vor.
83 
Im Ergebnis sind damit die Voraussetzungen geben, bei deren Vorliegen über die Ausweisung des Klägers nach Ermessen zu entscheiden ist (§ 56 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).
84 
4. Die Ausweisung des Klägers ist nicht am Maßstab von Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu messen, da der Kläger eine assoziationsrechtliche Rechtsposition nicht erworben hat. Ausgehend von dem durch den Kläger vorgelegten Versicherungsverlauf vom 03.02.2014 und der Auskunft der AOK Ludwigsburg vom 12.02.2014 konnten seine Beschäftigungszeiten ihm - ungeachtet der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen einer Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und einer ordnungsgemäßen Beschäftigung vorgelegen haben - bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 20.01.2012 keine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vermitteln. Der Erwerb des Rechts aus dem 2. Spiegelstrich Art. 6 ARB 1/80 scheitert an der Beschäftigungslücke in der Zeit vom 17.06.2008 bis 14.08.2008. Ab September 2009 erfolgten regelmäßig vor Ablauf von drei Jahren Arbeitgeberwechsel. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung war er nicht beschäftigt.
85 
Aber selbst wenn der Maßstab des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 hier zur Anwendung käme, stünde er der Ausweisung nicht entgegen, weil sie aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist. Nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 gilt der Abschnitt 1 des Beschlusses (nur) vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind. Bei der Prüfung des daraus für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige abzuleitenden besonderen Ausweisungsschutzes ist nach der ständigen Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, m.w.N.). Allerdings sind die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie wegen der grundsätzlichen Unterschiede der durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers zu der eines Assoziationsberechtigten nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Ausweisungsschutz - nach Aufhebung der bisher insoweit sinngemäß bzw. analog auch auf assoziationsrechtlich geschützte türkische Staatsangehörige angewandten Richtlinie 64/221/EWG - nach Art. 12 Richtlinie 2003/109/EG vom 25.11.2003 (Daueraufenthaltsrichtlinie) zu bestimmen (vgl. zum Ganzen EuGH, Urteil vom 08.12.2011, a.a.O.; Senatsurteile vom 16.04.2012 - 11 S 4/12 - juris, vom 07.03.2012 - 11 S 3269/11 - InfAuslR 2012, 203, und vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 - juris).
86 
Gemäß Art. 12 Daueraufenthaltsrichtlinie darf ein langfristig Aufenthaltsberechtigter nur ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt (Abs. 1). Außerdem darf die Ausweisungsverfügung nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen (Abs. 2). Schließlich haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Abs. 3). Die entsprechende Anwendung dieser Regelung auf türkische Staatsangehörige, welchen eine assoziationsrechtliche Rechtsstellung zukommt, bedeutet für diese der Sache nach einen Ausweisungsschutz, der dem bislang geltenden entspricht (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26.10.2012 - 11 S 278/12 - juris, m.w.N.).
87 
Dieser Schutz steht der Ausweisung hier nicht entgegen. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Kläger eine ausländische terroristische Vereinigung im Bundesgebiet aktiv unterstützt hat und auch weiterhin als überzeugter Anhänger im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Damit stellt er aber eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar. Die Ausweisung beruht auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen.
88 
Somit liegen nach nationalem Recht sowie auch nach ARB 1/80 die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Ermessensausweisung vor.
89 
5. Die Ausübung dieses Ermessens ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht insbesondere auch den Anforderungen von Art. 14 ARB 1/80 bzw. Art. 12 Abs. 3 der Daueraufenthaltsrichtlinie.
90 
Die Behörde ist von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Dies gilt sowohl für die Gefährlichkeit der Organisation und Art, Umfang und Bedeutung der Unterstützungshandlungen des Klägers als auch hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse (vgl. unten). Ihre Einschätzung, dass der Kläger die DHKP-C bzw. ihre Vorgängerorganisation und damit eine terroristische Organisation bereits seit 1998 nachhaltig und in subjektiv zurechenbarer Weise unterstützt und in diese eingebunden war, ist, wie dargelegt, auch im heutigen Zeitpunkt weiterhin zutreffend, wobei es auch nach Ansicht des Senats nicht darauf ankommt, ob der Kläger auch die Veranstaltung in Stuttgart oder nur die Veranstaltungen in Wuppertal und Lüttich besucht hat (vgl. oben).
91 
Die Verfügung weist auch im Übrigen mit den im Zulassungsantrag und im letzten Schriftsatz des Regierungspräsidiums vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen keine Ermessensfehler auf. Die Änderungen und Ergänzungen sind hier einzubeziehen. Denn sie entsprechen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Änderung der Begründung eines Verwaltungsakts im gerichtlichen Verfahren.
92 
In seiner Entscheidung vom 13.12.2011 (1 C 14.10 - juris) hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass durch die Änderung der Begründung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden dürfe. Daraus folge, dass die Behörde klar und eindeutig zu erkennen geben müsse, mit welcher "neuen" Begründung die behördliche Entscheidung letztlich aufrechterhalten bleibe, da nur dann der Betroffene wirksam seine Rechte verfolgen und die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Verfügung überprüfen könnten. Insbesondere müsse sie im gerichtlichen Verfahren erkennbar trennen zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt ihrer Entscheidung beträfen, und Ausführungen, mit denen sie lediglich als Prozesspartei ihre Entscheidung verteidige. Stütze die Behörde ihre Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens auf neue Ermessenserwägungen, habe das Gericht dafür Sorge zu tragen, dass auch der Betroffene hinreichend Gelegenheit erhalte, seine Rechtsverteidigung hierauf einzustellen.
93 
Diese Anforderungen sind hier eingehalten worden. Das Regierungspräsidium hat zunächst bereits im Zulassungsantrag die Begründung der angegriffenen Verfügung geändert und deutlich gemacht, dass sie diese nur noch auf den spezialpräventiven Zweck stützt. Es hat dabei eindeutig zu erkennen gegeben, mit welchem Text sie die Verfügung ergänzt und welche ursprüngliche Passage dafür entfällt. Es hat noch im letzten Schriftsatz erklärt, dass es an dieser Änderung festhält. Zusätzlich hat es die Verfügung mit einem eindeutig benannten Einschub dahingehend ergänzt, dass es, auch soweit der Kläger ein Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte, seine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen für gerechtfertigt halte und das öffentliche Sicherheitsinteresse weiterhin gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Klägers auch hiervon ausgehend als überwiegend ansehe. Weiterhin hat es eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass es die Ausweisungsverfügung bereits deshalb als sinnvoll erachte, um gemäß § 54a AufenthG die Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zum Einsatz zu bringen. Schließlich hat die Behörde die Ausführungen zu § 54 Nr. 5a AufenthG gestrichen. Der Kläger hatte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
94 
Die danach im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Bereits in der ursprünglichen Begründung der Ermessensentscheidung ist ausgeführt, aufgrund seines gesamten und mangels Distanzierung auch gegenwärtigen Verhaltens, der Häufigkeit und Kontinuität seiner Unterstützungs- und Mitgliedschaftshandlungen und seiner gefestigten Befürwortung der militant-extremistischen Ziele der DHKP-C gehe vom Kläger eine konkrete Gefahr aus, die ein großes öffentliches Interesse an seiner Ausweisung begründe, das gegenüber den privaten Interessen des Klägers höher zu gewichten sei. Dieser halte sich seit November 1995 im Bundesgebiet auf, sei während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik zunächst zehn Jahre lang keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern habe staatliche Sozialleistungen in Anspruch genommen. Erst ab Ende 2005 habe er mit geringfügigen und unqualifizierten Gelegenheitsarbeiten einen - bis 2010 allerdings lediglich geringen - Teil seines Lebensunterhaltes selbst bestritten. Er habe zwar zwei im Bundesgebiet lebende Brüder, aber die meisten Familienmitglieder lebten noch in der Türkei. Es sei kein Interesse etwa an deutscher Tradition oder Kultur und es sei kein Aufbau von allgemein sozialen und gesellschaftlichen Kontakten zu deutschen Staatsangehörigen erkennbar, vielmehr fielen umgekehrt die zahlreichen intensiven Verbindungen zu - gleichgesinnten - Landsleuten deutlich ins Gewicht. Dies gelte vor allem auch in politischer Hinsicht, da sein gesamtes Verhalten zeige, dass es ihm offenbar in erster Linie darum gehe, seine Zugehörigkeit zur DHKP-C und deren Mitglieder und Unterstützer auch auf deutschem Staatsgebiet zu bewahren.
95 
In nicht zu beanstandender Weise davon ausgehend, dass der Kläger - in dem von der Beklagten-Vertreterin erklärten Sinne - als Funktionär der DHKP-C anzusehen ist, d.h., diese qualifiziert unterstützt, indem er konkrete, ihm zugewiesene Funktionen wahrnimmt und hierdurch in diese eingebunden ist, ist das Regierungspräsidium rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die erheblichen Sicherheitsinteressen an der Ausweisung die gegenläufigen privaten Interessen des trotz langjährigen Aufenthalts nur in Ansätzen in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integrierten Klägers überwiegen. Mit der Zulassungsbegründung hat die Behörde dargelegt, dass sie an dieser Einschätzung festhält, auch wenn der Kläger aufgrund der bekannten beruflichen Tätigkeiten einen Anspruch nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben sollte. Die so ergänzten bzw. geänderten Ermessenserwägungen tragen auch den Anforderungen des Art. 12 Abs. 3 Daueraufenthaltsrichtlinie ausreichend Rechnung.
96 
Weiterhin hat die Behörde die Flüchtlingseigenschaft und die Folge, dass der Kläger auf derzeit nicht absehbare Zeit zu dulden sein wird, berücksichtigt, und die Ausweisung hiervon unabhängig u.a. wegen der beabsichtigten Beschränkungen ausgesprochen. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, nachdem sie jedenfalls nicht mehr davon ausgeht, dass diese Beschränkungen ohne Ausweisung überhaupt nicht möglich gewesen wären.
97 
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger, wie von dem Beklagten angenommen, nicht nur den Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG, sondern auch den des § 54 Nr. 5a AufenthG verwirklicht hat. Denn insoweit handelt es sich lediglich um eine im Hinblick auf das Ermessen nicht maßgebliche Würdigung ein- und desgleichen zutreffend zugrunde gelegten Sachverhalts unter zwei verschiedene Normen. Zudem hat das Regierungspräsidium mit der entsprechenden Streichung ihre Verfügung nicht mehr auf diese Norm gestützt.
98 
6. Der dargestellte nationale Maßstab der „schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ als tatbestandliche Voraussetzung der Ausweisung wird hier nicht durch die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig nationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29.04.2004 (ABl. L 304, S. 12) bzw. die Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie (- QRL - ABl. L 337, S. 9) modifiziert.
99 
Auf die streitgegenständliche Ausweisungsverfügung sind diese Grundsätze trotz der dem Kläger zuerkannten Flüchtlingseigenschaft und des ihm daraufhin ursprünglich erteilten Titels ausnahmsweise nicht anwendbar. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Kläger bereits vor Inkrafttreten der ursprünglichen Qualifikationsrichtlinie erfolgte. Art. 21 und Art. 24 QRL enthalten - etwa im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 oder Art. 19 Abs. 1 QRL - keine Sonderregelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass deren Anwendbarkeit bei Altanerkennungen ausgeschlossen wäre (Urteil des Senats vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 - juris, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 - juris Rn. 21 f. und vom 01.03.2012 - 10 C 10.11 - juris Rn. 11 ff.). Nach deutschem Recht ist die Ausweisung auch, soweit sie zum Erlöschen eines statusbedingten Titels im Sinne der Richtlinie (Art. 24 QRL) führt, eine Entscheidung im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL (a). Im hier vorliegenden besonderen Fall ist aber die bereits bestandskräftig gewordene und auch ausweisungsunabhängig erfolgte Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 2 AufenthG die in Bezug auf Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL maßgebliche Entscheidung (b).
100 
a) Art. 24 Abs. 1 QRL regelt den sich aus der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Absatz 1) ergebenden Anspruch auf einen Aufenthaltstitel und die Voraussetzungen, unter denen trotz der Zuerkennung internationalen Schutzes der Titel verweigert werden darf. Art. 21 QRL regelt in Absatz 2 die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines Flüchtlings und macht in Absatz 3 deutlich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch ein Anspruch auf einen Aufenthaltstitel oder ein bereits erteilter und fortbestehender Aufenthaltstitel keinen weitergehenden Schutz bietet.
101 
Entscheidungen im Sinne von Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 QRL sind damit - bezogen auf eine Person, der, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde - alle Maßnahmen, die dieser entweder den statusbedingten Aufenthaltstitel entziehen und/oder deren Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung dieses Aufenthaltstitels ablehnen.
102 
Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall der Ablehnung der Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 2 AufenthG entschieden, dass die Voraussetzungen des insoweit allein in Betracht kommenden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG an Art. 21, 24 QRL gemessen werden müssen (BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - Rn. 24). Nicht entschieden hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. auch Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 - juris), ob auch eine Ausweisung eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ist und die sich hieraus ergebenden erhöhten Anforderungen damit auch bei einer Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, die - anders als die Ablehnung - nicht auf die Gründe des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG beschränkt ist, zu stellen sind.
103 
Der Senat hat bereits ausgeführt (vgl. zuletzt Vorlage-Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), dass eine Ausweisung, die einen aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilten Aufenthaltstitel zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG), den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 oder Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL entsprechen muss. Hieran ist festzuhalten.
104 
Die Ausweisung beendet grundsätzlich nicht nur einen bestimmten, sondern alle bereits erteilten Titel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Sie trifft dabei - anders als die Rücknahme und die Ablehnung der Neuerteilung oder Verlängerung - keine unmittelbare Entscheidung über das Bestehen von Titelerteilungsansprüchen (auch nicht auf die erneute Erteilung der erloschenen Aufenthaltstitel). Dem entspricht es, dass auch der besondere Ausweisungsschutz nach nationalem Recht grundsätzlich nicht an das Bestehen oder Nichtbestehen von Titelerteilungsansprüchen anknüpft. In Bezug auf solche Ansprüche entfaltet die Ausweisung aber gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG u.a. ein in der Regel zu befristendes Titelerteilungsverbot, die sog. Sperrwirkung. Die Sperrwirkung wird durch gleichzeitige oder nachfolgende hierauf gestützte Ablehnungsentscheidungen titelbezogen umgesetzt und konkretisiert.
105 
Dieses deutsche Institut der Ausweisung als solches kennt die Qualifikationsrichtlinie, die auch mit Art. 21, 24 QRL nicht tatbestandlich an einzelne nationale Bestimmungen anknüpft, nicht. Aus Art. 21, 24 QRL lässt sich dementsprechend zwar kein unmittelbarer Ausweisungsschutz im Sinne des § 56 AufenthG - weder anknüpfend an einen Titel noch an einen Status - entnehmen. Es wird insoweit grundsätzlich vom Gesetzgeber zu entscheiden sein, ob er den Schutz der Art. 21, 24 QRL im nationalen Recht als besonderen, an den Status oder den Titelbesitz anknüpfenden Ausweisungsschutz für Ausländer, denen internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt ist, ausgestaltet, mit der Folge, dass hierdurch auch mittelbar bereits erteilte schutzunabhängige nationale Titel vor dem Erlöschen und Ansprüche auf Erteilung von schutzunabhängigen nationalen Titeln vor dem Eingreifen der Sperrwirkung geschützt werden. Ein solcher besonderer über die Vorgaben der Art. 21, 24 QRL hinausgehender Ausweisungsschutz ist dabei nicht die einzig mögliche Umsetzung. Alternativ wäre denkbar, dass der Gesetzgeber den zur Aufnahme des Flüchtlings zu erteilenden nationalen Titel von den Wirkungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG durch Änderung dieser Bestimmungen, durch Änderung des § 25 AufenthG oder auch durch Normierung dieser Titel außerhalb des Aufenthaltsgesetzes ausnimmt (vgl. zur Aufenthaltsgestattung des Schutzsuchenden vgl. § 67 AsylVfG, §§ 56 Abs. 4, § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sowie Art. 9 RL 2013/32/EU). Bisher hat der nationale Gesetzgeber die sich aus Art. 21, 24 QRL ergebenden Anforderungen aber nicht umgesetzt, was zur Folge hat, dass Art. 21, 24 QRL unmittelbar Anwendung finden und die Ausweisung damit jedenfalls soweit sie die dort genannten Wirkungen bezüglich des zur Aufnahme als Flüchtling (zum Begriff vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) bzw. aufgrund der Zuerkennung von internationalem Schutz erteilten Titels entfaltet, an deren Vorgaben zu messen ist.
106 
Daher finden nach Ansicht des Senats auch auf eine Ausweisung, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt, die Regelungen der Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 QRL über die Aufhebung bzw. Beendigung von Aufenthaltstiteln Anwendung (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Dabei kann es im vorliegenden Fall weiterhin offen bleiben, an welchem Maßstab eine Ausweisung zu messen ist, die die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG nicht ersatzlos zum Erlöschen bringt, weil gleichzeitig eine auf mindestens drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG erteilt wird, so dass im Ergebnis nur eine „Herabstufung“ erfolgt (offen gelassen im Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris und im Beschluss des Senats vom 15.08.2013 - 11 S 1711/12 - für den Fall des Verstoßes der ersatzlosen Rücknahme einer Niederlassungserlaubnis gegen Art. 6 ARB 1/80).
107 
b) aa) Weiterhin ist die Ausweisung grundsätzlich immer dann eine an Art. 21, 24 QRL zu messende Beendigung eines statusbedingten Aufenthaltstitels eines Flüchtlings, wenn sie ein befristetes Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 2 AufenthG ersatzlos zum Erlöschen bringt. Allerdings wird eine solche Ausweisung meist verbunden mit einer in die Zukunft gerichteten Ablehnung der - erneuten - Erteilung bzw. Verlängerung dieses befristeten Titels. Diese Ablehnung ist, ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL. Wenn eine solche Ausweisung hinsichtlich der - vorzeitigen - Beendigung des befristeten Aufenthaltstitels den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie gerecht wird, ergibt sich regelmäßig schon hieraus die Rechtmäßigkeit der anspruchsverneinenden Ablehnungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 und § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch in unionsrechtlicher Hinsicht. Damit wird sich die Prüfung auf die Vereinbarkeit der titelvernichtenden Ausweisung mit den Vorgaben der Richtlinie konzentrieren.
108 
Anders ist dies dann, wenn eine Ausweisung erst ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist. Dann ist zunächst diese Ablehnung an den Vorgaben der Art. 21, 24 QRL zu messen. Behält diese Bestand, weil Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder erfolglos bleiben, greift eine nachfolgende Ausweisung in keinen entsprechenden Titel mehr ein. Ist der Anspruch auf Erteilung eines Titels gemäß §§ 25 Abs. 2, 26 Abs. 3 AufenthG bereits ausweisungsunabhängig (zurückgenommen oder) abgelehnt, geht schließlich auch das - zu befristende - Titelerteilungsverbot insoweit ins Leere.
109 
Dem Fall, dass eine Ausweisung gegenüber einem anerkannten Flüchtling ergeht, nachdem aufgrund (einer Rücknahme oder) einer Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung des bereits abgelaufenen Titels bereits kein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 oder § 26 Abs. 3 AufenthG mehr besteht und der Anspruch hierauf verneint worden ist, ist der Fall gleichzusetzen, in dem eine Ausweisung nach Ablauf der Geltungsdauer des befristeten Aufenthaltstitels zwar gleichzeitig mit einer - zumindest auch - ausweisungsunabhängigen Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des befristeten Titels als weitere Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL ergeht, letztere aber bereits bestandskräftig ist (vgl. zur Prüfung von Art. 8 EMRK in einer entsprechenden Konstellation vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.02.2011 - 10 ZB 10.243 - juris). Dann ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Prüfung ebenfalls nicht mehr an der Qualifikationsrichtlinie zu messen.
110 
bb) Nach diesen Grundsätzen ist die hier allein maßgebliche Entscheidung im Sinne des Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 der angegriffenen Verfügung mit der Folge, dass im vorliegenden Fall nicht auch die Ausweisungsverfügung an den Anforderungen der Art. 21 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1 QRL zu messen ist.
111 
Der Kläger war nach Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG nicht mehr im Besitz eines entsprechenden Aufenthaltstitels. Dieser galt zwar nach rechtzeitiger Stellung des Verlängerungsantrags als fortbestehend. Die Fortgeltung endete aber bereits mit dem Wirksamwerden der auch auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG gestützten Ablehnung (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). Für diese Ablehnungsentscheidung waren die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL einschlägig. Ob die Ablehnungsentscheidung, die nach nationalem Recht aufgrund des Vorliegens des Versagungsgrunds des § 5 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG zwingend erfolgen musste, diesen Anforderungen gerecht wird, ist hier nicht zu prüfen, weil die Klage, wie dargelegt, insoweit bereits unzulässig war und diese Entscheidung damit bestandskräftig ist. Zur Nichtigkeit würde nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Verfahrensrecht ein solcher nicht offensichtlicher Verstoß gegen höherrangige Regelungen nicht führen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Nicht zu entscheiden ist hier, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ablehnungsverfügung im Falle ihres Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 QRL wiederaufgegriffen werden müsste (vgl. EuGH, Urteil vom 04.10.2012 - C-249/11/Byankov - juris m.w.N.). Die bloße grundsätzlich bestehende Möglichkeit des Wiederaufgreifens erfordert weder die Inzidentprüfung einer bestandskräftigen Verfügung noch lässt sie eine Abweichung von der durch diese geschaffenen Sachlage zu.
112 
Somit hat der Kläger schon aufgrund dieser Entscheidung keinen fortbestehenden Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG mehr inne, so dass die Ausweisung in diesen Titel nicht mehr eingreifen kann. Auch hinsichtlich der Sperrwirkung ist in solchen Fällen die Ablehnungsentscheidung (oder ggf. Rücknahme) in Bezug auf den abgelehnten Titel jedenfalls dann, wenn die Ablehnung - wie hier - nicht nur wegen der Sperrwirkung der Ausweisung, sondern zusätzlich selbständig tragend wegen des Vorliegens des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG erfolgt ist, die bezogen auf Art. 21, 24 QRL maßgebliche Entscheidung. Denn mit bestandskräftiger Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels steht auch bindend fest, dass ein Anspruch auf diesen Titel nicht besteht. Die Bestandskraft dieser Ablehnungsentscheidung wird weder von der hier mit der Berufung angegriffenen Kassation der Ausweisungsverfügung noch von deren Befristung berührt.
113 
7. Unabhängig davon ist die Ausweisung schließlich aber auch dann rechtmäßig, wenn sie im vorliegenden Fall - neben der hier nicht streitgegenständlichen Ablehnungsentscheidung ebenfalls - an Art. 21, 24 QRL zu messen ist.
114 
Dabei kommt es hier auf die dem Europäischen Gerichtshof vom Senat (Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) vorgelegte streitige Frage nicht an, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL ergeben, geringer sind, als die aus Art. 24 Abs. 1 QRL (so BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris; a.A. zuletzt Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris), so dass weder eine weitere Vorlage noch eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt war. Vom Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts ausgehend, ist es für eine Maßnahme im Sinne der Art. 21 Abs. 3 QRL und auch eine Ablehnung eines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 QRL jedenfalls ausreichend, dass die niedrigen Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 und 2 QRL erfüllt sind; dementsprechend können auch an eine Ausweisung, wenn sie an diesen Vorschriften zu messen ist, nicht die nach diesem Ansatz höheren Anforderungen des Art. 24 QRL gestellt werden. Nach Überzeugung des Senats sind hier aber die Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL herleitet, erfüllt.
115 
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts es - mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 1 QRL enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle - gebietet, bei anerkannten Flüchtlingen den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Voraussetzungen nur in Fällen vorliegen, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansehe, enthalte das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlange eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Dabei reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe lägen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetze. Vielmehr müssten bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das sei typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstütze. Das könne sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintrete oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mittrage. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend sei, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lasse sich nicht abstrakt beantworten, sondern hänge von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.05.2012 - 1 C 8.11 - juris).
116 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die DHKP-C verfolgt, wie dargelegt, die Herbeiführung einer Weltrevolution und den Sturz des Imperialismus. Die DHKP-C strebt eine kommunistische Gesellschaftsordnung an, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar ist. Darüber hinaus gefährdet sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 126). Die Organisation versteht es als „heilige Pflicht", gegen die „Tyrannei und Ausbeutung" in der Türkei zu kämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele führt sie den bewaffneten Kampf. Angriffsziele sind nicht nur der türkische Staat und dessen Organe, sondern auch weitere „Feinde des Volkes", zu denen die DHKP-C in erster Linie den „US-Imperialismus" zählt (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 127 f.). Ebenso wie diese Zielsetzung sind auch ihre Aktivitäten und ihr bewaffneter Kampf, der auch mit Mitteln terroristischer Anschläge geführt wird (vgl. oben), nicht - grundsätzlich - auf die Türkei beschränkt. Am 12.02.1999 verfügte Dursun Karatas zwar einen Gewaltverzicht der DHKP-C für Westeuropa. In Deutschland waren seitdem auch keine gewaltsamen Aktionen mehr festzustellen. Der Organisation der DHKP-C in Deutschland kommt aber weiterhin eine bedeutende Rolle als „Rückfront“ zu, die insbesondere für finanzielle Förderung zur Aufrechterhaltung und Fortführung des bewaffneten Kampfes der DHKP-C in der Türkei erforderlich ist (vgl. oben), die zu keinem Zeitpunkt vom Einsatz terroristischer Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele Abstand genommen hat (vgl. oben).
117 
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt sich vor allem im Einsatz von eindeutig terroristischen (Selbstmord-)Anschlägen mit Sprengsätzen, Handgranaten u.ä., aber auch in der Bewaffnung mit und dem Gebrauch von Schusswaffen. Dass der Einsatz dieser Mittel derzeit auf die Türkei beschränkt ist, ändert an dem hohem Grad der Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit nichts, da der Verzicht auf Gewalt in anderen europäischen Ländern und insbesondere auch in Deutschland erkennbar aus taktischen Gründen erfolgt ist, um hier die Rückfront möglichst von strafrechtlicher Verfolgung ungestört aufzubauen und wirken zu lassen. Der Grad der Gefährlichkeit ist, wie ebenfalls bereits dargelegt, auch nicht deswegen als niedriger anzusehen, weil es sich um eine Organisation mit einer eher geringen Mitgliederzahl handelt. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Organisation sich auch in der Struktur von großen Organisationen, wie beispielsweise der PKK, u.a. dadurch unterscheidet, dass eine klare Unterscheidung in herausgehobene Funktionäre und mit Anschlägen befasste Kader und sonstige Angehörige nicht geboten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 - 3 StR 214/10 - juris und s. oben). Jedem einzelnen ihrer Anhänger, der, wie der Kläger, durch arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung in diese und in deren Kontrolle eingebunden ist, kommt insoweit regelmäßig unmittelbare Bedeutung für die Förderung und den Erhalt der nach Überzeugung des Senats hochgradig gefährlichen Organisation zu. Dementsprechend verhalten sich nicht nur die Funktionäre, sondern auch die „einfachen“ Anhänger der DHKP-C ausgesprochen konspirativ (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128).
118 
Ihre aktuelle Gefährlichkeit und Gewaltbereitschaft hat die Organisation mit der „Anschlagoffensive“ ab Mitte 2012 demonstriert (vgl. oben), die ebenfalls belegt, dass auch die Festnahmen und Verurteilungen einzelner auch überregional verantwortlicher Funktionäre und die Sicherstellungen von Waffen und Sprengstoff den Gefährdungsgrad der Organisation bisher nicht nachhaltig beeinträchtigen konnten.
119 
Zur Führung in der Bundesrepublik zählen neben dem Deutschlandverantwortlichen und dessen Vertretern mehrere Regions- und Gebietsverantwortliche sowie weitere, mit Sonderaufgaben betraute Funktionäre, etwa die Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit. Als örtliche oder regionale Basis dienen DHKP-C-nahe Tarn-Vereine. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Baden-Württemberg liegen im Großraum S... sowie in der R...-N...-Region (Landesverfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2012, S. 128), wo auch der Kläger, wie dargelegt, nach Überzeugung des Senats als Aktivist strukturell in die Organisation der DHKP-C, deren Gefährdungspotential er auch weiterhin mitträgt, eingebunden war und ist. Er hat die DHKP-C durch die oben dargestellten Tätigkeiten jahrelang planmäßig in Abstimmung und Zusammenarbeit mit anderen Anhängern, Mitgliedern und Funktionären unterstützt und damit, insbesondere durch Verbreitung ihrer Ideologie und Beschaffung von finanziellen Mitteln, maßgeblich dazu beigetragen, dass die DHKP-C, deren Aktionen die Rückfront durch Mitgliedsbeiträge, den Verkauf ihrer Schriften, durch Einnahmen aus Spendengeldsammlungen und aus Musik- und anderen Veranstaltungen finanziert, in der Türkei Terroranschläge in erheblichem Umfang und Ausmaß durchführen konnte (vgl. dazu oben).
120 
Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 QRL aufgestellt hat, hier gegeben.
121 
Nach der Ansicht des Senats liegen hier ohne weiteres "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 QRL vor und rechtfertigen die Ausweisung auch unionsrechtlich (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris). Ob daneben auch die nach Ansicht des Senats im Vergleich zu Art. 24 Abs. 1 QRL strengeren Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 QRL (vgl. Vorlagebeschluss des Senats vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 - juris) erfüllt sind, ist hiervon ausgehend aber unerheblich, weil die Ausweisung weder eine Entscheidung über die Zurückweisung darstellt noch den - nach deutschem Recht titelunabhängigen - Schutz davor (vgl. § 60 Abs. 1 AufenthG) entzieht.
122 
8. In die übrigen, sich aus der Richtlinie ergebenden Rechte des international Schutzberechtigten, von denen der Anspruch auf den befristeten Aufenthaltstitel nur eines ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris), greift eine Ausweisung hier nicht ein.
123 
Dies gilt unabhängig davon, dass im deutschen Recht zum Teil, insbesondere im Bereich der Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, bestimmte durch die Richtlinie garantierte Rechte über den Aufenthaltstitel vermittelt werden (vgl. Vorlage-Beschluss des Senats vom 27.05.2013 a.a.O.). Denn soweit die dem Statusinhaber in der Qualifikationsrichtlinie gewährten Rechte weder vom Fortbestehen des aufgrund des Status ausgestellten Aufenthaltstitels abhängig sind bzw. gemacht werden können, hat der Eingriff in den - Anspruch auf einen - Aufenthaltstitel auf diese ohnehin keinen Einfluss. Insoweit können dem Ausländer, dem internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) zuerkannt worden ist, die hierauf beruhenden Rechte nur mit der Zuerkennung als solcher entzogen werden.
124 
Es kann offenbleiben, ob und inwieweit einzelne Rechte noch nach der erfolgten Aufnahme durch Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Flüchtlingseigenschaft (vgl. Art. 12 Abs. 2 lit. b QRL) vom Fortbestand des vermittelten Aufenthaltsstatus bzw. von der Verlängerung des Aufenthaltstitels abhängig gemacht werden können und ob das nationale Recht die Voraussetzungen hierfür erfüllt (vgl. Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Denn im hier vorliegenden Fall hat, wie dargelegt, schon die bestandskräftige Ablehnung und nicht erst die streitgegenständliche Ausweisung zum Verlust des Titels und damit ggf. auch hiervon abhängiger Rechte geführt.
II.
125 
Die Anordnung der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54a AufenthG durch Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtmäßig.
126 
Nach § 54a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung u.a. nach § 54 Nr. 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Nach Absatz 2 der Vorschrift ist sein Aufenthalt auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit diese keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses in das Gesetz eingefügten Vorschriften (BT-Drucks. 15/3479 S. 9) dienen der Gefahrenabwehr. Sie sollen die von den nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG ausgewiesenen Ausländern ausgehende Gefahr einer Weiterführung von Handlungen im Vorfeld des Terrorismus eindämmen, gerade auch in Fällen, in denen mit einer baldigen Aufenthaltsbeendigung nicht zu rechnen ist (BR, Plenarprotokoll 802 vom 09.07.2004, S. 338 ff.). Die Ausländerbehörde hat die Möglichkeit, die gesetzliche Ausgestaltung der Überwachungsmaßnahmen je nach dem Gewicht der konkreten Gefahr zu modifizieren; dabei hat sie den mit einer Meldepflicht und einer Aufenthaltsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriff unter Wahrung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu beschränken und - insbesondere bei länger andauernder Unmöglichkeit der Aufenthaltsbeendigung - unter Kontrolle zu halten (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
127 
Der angegriffene Bescheid konkretisiert die gesetzlichen Verhaltenspflichten durch die Regelung, ohne von der gesetzlich im Normalfall vorgesehenen Meldehäufigkeit oder von der Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde abzuweichen. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass vom Kläger eine geringere Gefahr ausgeht als von anderen Ausländern, die auf der Grundlage von § 54 Nr. 5 AufenthG ausgewiesen werden, so dass die gesetzlichen Verhaltenspflichten des § 54a Abs. 1 und 2 AufenthG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abzuschwächen wären, sind weder festgestellt noch vorgetragen. Nach nationalem Recht sind die Auflagen damit nicht zu beanstanden.
128 
Den auf der Grundlage von § 54a AufenthG verfügten Auflagen steht auch nicht der Anspruch des anerkannten Flüchtlings auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit innerhalb des jeweiligen Hoheitsgebiets nach Art. 33 QRL entgegen. Zwar gilt Art. 33 QRL unabhängig von der aufenthaltsrechtlichen Aufnahme im Mitgliedstaat und lässt eine Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht zu (vgl. auch oben zu Erwägungsgrund 30 der QRL 2004 bzw. Erwägungsgrund 40 der QRL 2011). Ein anderes Verständnis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Art. 26 GFK herleiten (so aber Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 939). Der Wortlaut der deutschen Fassung des Art. 33 QRL setzt eindeutig ausschließlich die Zuerkennung des internationalen Schutzstatus und nicht auch die erfolgte Aufnahme im Wege der Erteilung des Aufenthaltstitels voraus. Auch aus der englischen und französischen Fassung (Begünstigte des Status bzw. die, den Status genießen) ergibt sich nichts anderes. In der englischen Fassung lautet die Regelung:
129 
"Member States shall allow freedom of movement within their territory to beneficiaries of refugee or subsidiary protection status, under the same conditions and restrictions as those provided for other third country nationals legally resident in their territories."
Die französische Fassung lautet: "Les États membres permettent aux personnes bénéficiant du statut de réfugié ou du statut conféré par la protection subsidiaire de circuler librement à l'intérieur de leur territoire, dans les mêmes conditions et avec les mêmes restrictions que celles qui sont prévues pour les ressortissants d'autres pays tiers résidant légalement sur leur territoire."
130 
Dem entspricht es, dass die sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Rechte, von denen der Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 24 QRL nur einer ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris), auch im Übrigen grundsätzlich nur an die Zuerkennung des jeweiligen Status anknüpfen (vgl. die unter Kapitel VII „Inhalt des nationalen Schutzes“ getroffenen Bestimmungen - Art. 22 ff., sowie die Erwägungsgründe 38 ff.). Das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit wird im jeweiligen Aufenthaltsstaat garantiert. Dabei fordert das Recht auf Gleichbehandlung im Bereich der Freizügigkeit nicht die Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen, sondern, wie beim Zugang zu Wohnraum (Art. 32), mit Drittausländern, die sich rechtmäßig im jeweiligen Hoheitsgebiet aufhalten.
131 
Etwas anderes lässt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm nicht herleiten. Nach Art. 30 des Entwurfs der Kommission sollten Personen, die internationalen Schutz genießen, unbeschränkte Freizügigkeit in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhalten (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen, Schutz benötigen KOM(2001) 510 endgültig vom 12.9.2001: „Member States shall not limit the freedom of movement within their territory of persons enjoying international protection“). Der Kreis der Berechtigten wurde im Laufe des Normgebungsverfahrens nicht eingeschränkt. Allerdings wurde der Umfang der Freizügigkeit, die ihnen zu gewähren ist, aufgrund von Forderungen einzelner Mitgliedstaaten nach Ergänzung von Ausnahmen (z.B. aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung, Strafverfahren) eingeschränkt (EL/E/IRL/I/UK – Deutschland hatte einen Prüfungsvorbehalt geltend gemacht, vgl. Council doc. No. 10596/02, p. 36 und Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 1198). Auch wenn die Gestaltung dieser Einschränkung mit Blick auf Art. 26 GFK erfolgt sein dürfte (vgl. Hailbronner, a.a.O.), der in der deutschen Fassung bestimmt, dass jeder vertragsschließende Staat den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren wird, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen, vorbehaltlich der Bestimmungen, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden (vgl. dazu unten), ergibt sich hieraus nicht, dass auch der Kreis der Berechtigten auf diejenigen anerkannten Schutzberechtigten, die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, beschränkt werden sollte, und sich ausgewiesene Schutzberechtigte deshalb nicht darauf berufen können (so aber Marx a.a.O.). Denn zwar wird auch anerkannten Schutzberechtigten mit der erfolgten Einschränkung nicht mehr - wie zunächst vorgesehen - uneingeschränkte Freizügigkeit (wie den jeweiligen Staatsangehörigen), sondern nur noch in dem Umfang, wie diese auch anderen Drittstaatsangehörigen zusteht, die sich rechtmäßig im jeweiligen Mitgliedstaat aufhalten, gewährt. Die in Art. 26 GFK enthaltene Einschränkung auf sich „rechtmäßig“ im Hoheitsgebiet aufhaltende Schutzberechtigte wurde aber nicht übernommen. Offenbleiben kann damit, ob die nicht verbindliche deutsche Übersetzung der Genfer Flüchtlingskonvention überhaupt korrekt ist (vgl. die verbindliche englische und französische Fassung: Each Contracting State shall accord to refugees lawfully in its territory the Right … und Tout Etat Contractant accordera aux réfugiés se trouvant régulièrement sur son territoire le droit …) bzw. welche Bedeutung der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts in dieser Bestimmung hat (vgl. zu diesem Begriff in Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GFK vgl. BVerwG, Urteil vom 17.03.2004 - 1 C 1.03 - juris) und insbesondere, ob damit ein rechtmäßiger, über den gewährten Schutz vor Zurückweisung hinausgehender Aufenthaltsstatus gemeint ist.
132 
Im Bereich der Freizügigkeit muss damit ein Ausländer, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist, auch wenn er ausgewiesen und/oder ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 3 QRL versagt werden kann bzw., wie im Falle des Klägers, versagt worden ist, einem sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer gleichgestellt werden.
133 
Für die Frage, welche sich mit oder ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländer dabei als Vergleichsgruppe heranzuziehen sind, erscheint eine Auslegung unter der Berücksichtigung der in Art. 26 GFK naheliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15.01.2008 - 1 C 17.07 - juris) hat zu Art. 26 GFK entschieden, dass diese Vorschrift die Anwendung der Bestimmungen erlaubt, die allgemein für Ausländer unter den „gleichen Umständen“ gelten. Der Begriff der „gleichen Umstände“ wird in Art. 6 GFK näher definiert. Danach sind Differenzierungen, die sich „auf die Dauer und die Bedingungen des vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts beziehen“, zulässig, wenn sie die betroffenen Personen auch erfüllen müssten, falls sie nicht Flüchtlinge wären, wenn sie also auch für andere Ausländer gelten würden. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus geschlossen, dass etwa zwischen Ausländern mit unbefristetem Aufenthaltsrecht und solchen, die nur einen befristeten Aufenthaltstitel haben, differenziert werden darf, aber auch nach den Aufenthaltszwecken, für die Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.01.2008 a.a.O.).
134 
Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat in seiner Entscheidung offen gelassen, ob sich aus Art. 32 QRL 2004 (jetzt Art. 33 QRL 2011) engere Vorgaben für das Erfordernis der Ausländergleichbehandlung ergeben als aus Art. 26 GFK, aber darauf hingewiesen, dass Art. 33 QRL als Vergleichsgruppe der Gleichbehandlung die anderen Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig im Aufnahmestaat aufhalten, wählt und keine Präzisierung wie Art. 6 GFK enthält. Der Senat kann ebenfalls offenlassen, ob die Einschränkung der Freizügigkeit in Art. 33 QRL mit der in Art. 26 GFK gleichbedeutend ist. Denn im vorliegenden Fall findet die Aufenthalts- und Meldeauflage ihre Grundlage in der in Art. 33 QRL vorgesehenen Einschränkung, auch wenn die Vergleichsgruppe alle sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von dem ihrem Aufenthalt jeweils zugrunde liegenden Zweck. Vor dem Hintergrund, dass sich allein aus dem Schutzstatus nach der Qualifikationsrichtlinie grundsätzlich kein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht ergibt, scheidet demgegenüber eine Gleichstellung mit Inhabern einer Niederlassungserlaubnis oder eines Daueraufenthalts-EU aus.
135 
Ausgehend von dieser Vergleichsgruppe sind die verfügten Auflagen rechtmäßig. Zwar können sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Drittausländer den hier verfügten Beschränkungen nicht auf der Grundlage des § 54a AufenthG unterworfen werden. Absatz 1 der Regelung sieht Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkungen für Ausländer, gegen die eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, 5a oder Nr. 5b oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, zwingend vor (Satz 1). Ist ein Ausländer auf Grund anderer Ausweisungsgründe vollziehbar ausreisepflichtig, kann eine entsprechende Meldepflicht angeordnet werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist (Satz 2). Auch die Aufenthaltsbeschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde gemäß Absatz 2 erfasst ausschließlich Ausländer im Sinne des Satzes 1 (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar, AuslR, Stand: 01.09.2013, § 54a Rn. 5; a.A. Hailbronner, a.a.O., § 54a Rn. 11). Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des Absatzes 1 lässt sich bereits entnehmen, dass auch im Falle des Satzes 1 grundsätzlich eine vollziehbare Ausreisepflicht vorliegen muss, so dass auch ein Ausländer, der sich trotz vollziehbarer Ausweisung aufgrund eines Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht auf dieser Grundlage entsprechenden Beschränkungen unterworfen werden kann.
136 
Entsprechendes gilt für die gesetzliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf das Gebiet des Landes. Auch sie enthält keine Grundlage für die räumliche Beschränkung sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltender Ausländer.
137 
Dagegen sieht aber § 12 AufenthG allgemein Nebenbestimmungen - auch unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltszweck - für Visa, Aufenthaltserlaubnisse oder im Falle des erlaubnisfreien Aufenthalts vor (für Niederlassungserlaubnisse bedarf es einer speziellen gesetzlichen Regelung vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Nach § 12 Abs. 2 AufenthG können das Visum und die Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können - auch nachträglich - mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Auch der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann nach Absatz 4 der Bestimmung zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden. Eine solche Auflage muss ihre Rechtfertigung im Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden; sie muss aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. In diesem Rahmen darf die Ausländerbehörde durch Auflagen öffentliche Interessen schützen, die durch die Anwesenheit des Ausländers nachteilig berührt werden können (BVerwG, Urteil vom 15.12.1981 - 1 C 145.80 - juris zu § 7 Abs. 4 AuslG), insbesondere Beschränkungen verfügen, die die Verhinderung von Straftaten und/oder verfassungsgefährdendem Verhalten im Sinne des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG bezwecken (vgl. Beck‘scher Online-Kommentar a.a.O., AuslR, § 12 Rn. 12). Damit kann grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 und 4 AufenthG - z.B. als gegenüber der Ausweisung milderes Mittel oder einziges Mittel, weil von einer Ausweisung aufgrund besonderer Umstände abgesehen wird oder abgesehen werden muss - eine fortbestehende Aufenthaltserlaubnis, unabhängig davon zu welchem Zweck sie erteilt worden ist, sowie ein erlaubnisfreier Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt werden. Entsprechendes gilt für die Verhängung von der Überwachung dienenden Meldeauflagen, ohne die die räumliche Aufenthaltsbeschränkung in solchen Fällen nicht sicherzustellen ist (vgl. dagegen zur Unvereinbarkeit von Wohnsitzauflagen zum Zweck der angemessenen Verteilung öffentlicher Sozialhilfelasten mit Art. 28 Abs. 1 und 32 QRL vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.11.2013 - 18 A 1291/13 - juris m.w.N.).
138 
Wie sich aus dem oben Dargelegten ergibt, steht auch Art. 26 GFK bei sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Flüchtlingen entsprechenden Auflagen nicht entgegen. Eine räumliche Beschränkung ihres Aufenthaltstitels auf dieser Grundlage verstößt schließlich auch nicht gegen das Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16.09.1963 (BGBl. 1968 II S. 423, 1109). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Protokolls hat jedermann, der sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen. Der Aufenthalt wäre aber nur insoweit rechtmäßig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 des Protokolls, als sich der Ausländer in den Grenzen aufhält, die sein Aufenthaltstitel vorsieht, der den rechtmäßigen Aufenthalt räumlich beschränkt (BVerwG, Urteil vom 19.03.1996 - 1 C 34.93 - juris).
139 
Für den Senat besteht nach diesem Maßstab kein Zweifel daran, dass gegenüber jedem sich im Bundesgebiet mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis oder erlaubnisfrei aufhaltenden (Dritt-)Ausländer bei dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt auf der Grundlage des § 12 AufenthG die unter Ziff. 3 verfügten Beschränkungen hätten erlassen werden können. Im Hinblick darauf, dass der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund durch die Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklicht hat, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sein Verhalten seit seiner Ausweisung grundlegend geändert hat oder in Zukunft ändern wird, erscheinen Beschränkungen seiner Freizügigkeit, um ihm weitere Aktivitäten zugunsten der DHKP-C zumindest zu erschweren, notwendig, geeignet und ihm Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers auch verhältnismäßig. Somit sind diese Beschränkungen auch mit Art. 33 QRL vereinbar.
140 
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, dass derartige Beschränkungen gegenüber nicht vollziehbar Ausreisepflichtigen auf der Grundlage von § 12 AufenthG im Ermessen der Behörde stehen und auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG nicht - in einem Mindestumfang - zwingend vorgegeben sind. Denn der nach Art. 33 QRL vorzunehmende Vergleich dürfte ohnehin nur auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der beabsichtigten bzw. erfolgten Beschränkung auch gegenüber anderen sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Drittausländern bei Zugrundelegung des gleichen Sachverhalts zielen. Unabhängig davon schließt es die gesetzgeberische Bewertung der Tatbestände der § 54 Nr. 5 bis 5b AufenthG als Regelausweisungsgründe und zwingende Versagungsgründe - auch in Bezug auf humanitäre Aufenthaltstitel - aus, bei deren Erfüllung von Beschränkungen, wie sie § 54a AufenthG vorsieht, ganz abzusehen, wenn im Einzelfall weder eine Ausweisung erfolgen noch der befristete Titel widerrufen oder zurückgenommen werden kann und deswegen eine Aufenthaltsbeendigung vorerst ausscheidet. Art und Umfang der Beschränkungen stehen auch nach § 54a AufenthG unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der vom Beklagten beachtet worden ist.
141 
Auch im Übrigen begegnen diese Auflagen keinen rechtlichen Bedenken. Das Regierungspräsidium hat die angegriffene Verfügung in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2014 insbesondere insoweit geändert, dass die Auflagen nun erst mit Vollziehbarkeit der Ausweisungsverfügung wirksam werden sollen (vgl. im Übrigen Urteil des Senats vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 - juris).
C.
142 
Schließlich ist auch die vom Beklagten mit Verfügung vom 24.02.2014 getroffene Befristungsentscheidung, die der Senat aufgrund des Hilfsantrags des Klägers, mit dem er die Verpflichtung des beklagten Landes zur Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung auf Null begehrt, zu prüfen hat, überwiegend nicht zu beanstanden.
143 
Dieser Hilfsantrag des Klägers ist zulässig. Denn in der Anfechtung der Ausweisung war bereits erstinstanzlich zugleich - als Minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen zu sehen (BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 39 und vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 24; Beschluss vom 14.03.2013 - 1 B 17.12 - NVwZ-RR 2013, S. 574 Rn. 9 ff.). Nachdem das Verwaltungsgericht die Ausweisungsverfügung auf den Hauptantrag des Klägers hin aufgehoben hatte, hatte es über diesen Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden. In diesen Fällen fällt der Hilfsantrag im Berufungsverfahren an, wenn - wie hier - die Berufung zur Abweisung des Hauptantrags führt.
I.
144 
Nachdem der Beklagte während des Berufungsverfahrens eine Befristung für die Dauer von zehn Jahren ausgesprochen hat, ist vom Senat insoweit zunächst zu entscheiden, ob der Kläger - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung - einen Anspruch auf Festsetzung einer kürzeren Frist, insbesondere, wie vom Kläger beantragt, auf Null hat. Dies ist nicht der Fall.
145 
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
146 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine Dauer unter zehn Jahren. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass der Kläger derzeit noch keinen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung hätte. Zwar knüpft in Fällen, wie dem vorliegenden, in dem die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. § 55 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 AufenthG) ebenso ungewiss ist, wie die der freiwilligen Ausreise, der Fristbeginn nicht an ein gewisses bzw. von den Beteiligten herbeiführbares Ereignis an. Eine in dieser Weise bedingte Befristung verfehlt ihre eigentliche Aufgabe. Weder verschafft sie dem Ausgewiesenen eine zeitliche Perspektive noch trägt sie zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sich der Senat aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung gehalten sieht, ist die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aber einheitlich so auszulegen, dass auch die Wirkungen der Ausweisung bereits mit Erlass der Ausweisungsverfügung zu befristen sind.
147 
Diese allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre grundsätzlich überschreiten, weil von dem Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Denn es besteht in der Person des Klägers weiterhin die Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (§ 54 Nr. 5 AufenthG) und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung. Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - juris). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Zeitpunkt der Aufenthaltsbeendigung durch die dem Kläger erteilte Duldung möglicherweise weit in die Zukunft verschoben ist, so dass die Fristbestimmung auf typisierende Annahmen zurückgreifen muss. Danach ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Neigung zeigt, von seiner Unterstützung der DHKP-C, die bereits auf das Jahr 1989 zurückgeht, abzusehen, so dass mit einer grundlegenden Änderung seines Verhaltens auch in ferner Zukunft nicht ernsthaft gerechnet werden kann.
148 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist - wohl ausgehend von der aktuellen Situation - an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK, messen lassen. Dieses normative Korrektiv biete der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 a.a.O. jeweils Rn. 42 m.w.N.). Dabei seien insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
149 
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung muss hierzu die nach der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ermittelte Frist zunächst wohl auch immer dann unmittelbar in einem zweiten Schritt relativiert werden, wenn, wie hier, noch ungewiss ist, ob überhaupt und ggf. bei Vorliegen welcher persönlichen Verhältnisse die gesetzte Frist, die auch nachträglich verkürzt werden kann, in Lauf gesetzt wird. Auch nach diesen Grundsätzen ist hier allerdings die Frist von 10 Jahren nicht zu verkürzen. Im vorliegenden Fall ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Kläger zwar durch Erwerbstätigkeit seinen Unterhalt sichert, aber eine besondere berufliche Integration liegt dem nicht zugrunde. Er ist als Reinigungskraft für häufig wechselnde (Leih-)Arbeitgeber tätig. Er ist erst im Alter von 31 Jahren nach Deutschland gekommen, verfügt über keine starken familiären Bindungen in Deutschland und es ist auch eine Verwurzelung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht zu erkennen. Sein politisches Denken ist maßgeblich auf die Türkei ausgerichtet und sein soziales Umfeld bilden gleichgesinnte Landsleute. Die Festsetzung einer Sperrfrist von zehn Jahren ist damit auch unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht (vgl. oben) entwickelten Kriterien verhältnismäßig.
150 
Der Senat verkennt nicht, dass sich aus dem oben Dargelegten auch ergibt, dass die Wirkungen der Ausweisung (weitgehendes Titelerteilungsverbot, Verfestigungssperre, Ausreisepflicht), die nicht erst mit der Ausreise des Klägers eintreten, sondern bereits mit Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit der Verfügung, trotz der Befristung auf 10 Jahre letztlich unbefristet fortwirken. Dies beruht aber unabhängig davon, welche Frist festgesetzt wird, auf der Art der Bedingtheit des Fristbeginns (vgl. oben) in Fällen, wie dem vorliegenden, und führt nicht dazu, dass diese oder alle Wirkungen der Ausweisung unabhängig von einer Ausreise oder gar auf Null zu befristen sind. Denn nach dem eindeutigen und damit nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 6 AufenthG beginnt die nach Satz 3 bis 5 festzusetzende Frist mit Ausreise.
151 
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht hiervon abweichend einen Anspruch auf eine Befristung auf Null in Ausnahmefällen angenommen (vgl. zuletzt BVerwG, Urteile vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - und - 1 C 5.13 - juris, m.w.N.). Es handelte sich dabei aber um Fallgestaltungen, in denen aufgrund von Änderungen der Sachlage grundsätzlich ein Widerruf der bestandskräftigen Ausweisung wegen Unverhältnismäßigkeit mit sofortiger Wirkung in Betracht gekommen wäre (vgl. § 51 Abs. 5 und § 49 Abs. 1 LVwVfG). Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 49 LVwVfG auch schon vor Ausreise grundsätzlich oder jedenfalls dann ausscheidet, wenn es um die Berücksichtigung von Sachverhaltsänderungen geht, die für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erheblich sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.09.2007 - 1 C 21.07 - und vom 22.10.2009 - 1 C 15.08 - juris zu nach § 11 AufenthG), muss in solchen Fällen nun statt eines Widerrufs eine gesetzlich nicht vorgesehene Befristung auf Null erfolgen. Aus dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des Senats aber nichts dafür herleiten, dass ein (Hilfs-)Anspruch auf Befristung ohne Ausreise oder sogar auf Null bereits bei der erstmaligen Befristung gleichzeitig mit Erlass einer rechtmäßigen Verfügung bestehen könnte. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich nichts anderes, da der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellen kann, wenn sich die für die Festsetzung der Frist maßgeblichen Tatsachen nachträglich ändern sollten und insoweit auch einen nachträglich entstandenen Anspruch auf Befristung auf Null geltend machen kann.
152 
Im Übrigen gibt es derzeit auch keine Gründe dafür, dem Kläger die Verfestigung seines Aufenthalts bereits ab einem früheren Zeitpunkt wieder zu ermöglichen. Zudem sind die Auflagen und Beschränkungen, wie dargelegt, unabhängig hiervon unter Kontrolle zu halten und ggf. zu beschränken.
II.
153 
Allerdings gibt es für die von der Behörde unter Ziffer 2 der Befristungsentscheidung angeordnete Hemmung dieser Frist im Falle einer erneuten unerlaubten Einreise vor Fristablauf derzeit keine Rechtsgrundlage.
154 
Auch wenn in der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums des Innern zum Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (Stand: 07.04.2014, Zu Nummer 8) zum dort vorgesehenen Absatz 8 der Neuregelung des § 11 AufenthG, der eine Unterbrechung des Fristablaufs durch eine unerlaubte Einreise vorsieht, ausgeführt wird, die Regelung stelle klar, dass der Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach einer unerlaubten Wiedereinreise nicht im Bundesgebiet abgewartet werden könne, entspricht dies nicht der jetzigen Rechtslage, da § 11 AufenthG in der derzeitigen Fassung keinen Hinweis auf einen solche Unterbrechung der Frist enthält, so dass die Frist nach der ersten maßgeblichen Ausreise oder Abschiebung allein durch den anschließenden Zeitablauf endet (vgl. Urteil des Senats vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 - juris Rn. 73 m.w.N), ohne dass es auf danach eintretende Ereignisse ankommt.
155 
Es besteht derzeit aber auch keine Rechtsgrundlage für die behördliche Bestimmung einer Fristhemmung oder -unterbrechung für die von ihr festzusetzende Frist. Dass es sich bei den Ausführungen unter Ziffer 2 der Befristungsregelung nicht um einen unverbindlichen - die Rechtslage verkennenden - Hinweis handelt, folgt zum einen daraus, dass diese Bestimmung eigenständiger Teil des Tenors der Verfügung ist und nicht ein lediglich ergänzender Text in Ziffer 1 der Verfügung. Zum anderen ist die Hemmung des Fristablaufs in der Verfügung auch selbständig begründet:
156 
„Der präventive Ausweisungszweck wird bis zu dem oben bestimmten Fristablauf nicht erreicht, wenn eine unerlaubte Einreise vor Fristablauf erfolgt. Einmal ist die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eine Straftat gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG. Zum anderen geht die Wirkung der Ausweisung, die u. a. gerade durch das Einreise- und Aufenthaltsverbot gekennzeichnet ist, ins Leere, wenn sich Herr T... trotz des Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhält. Dies rechtfertigt die Hemmung des Fristlaufes in der Zeit eines unerlaubten Aufenthaltes. Die Frist läuft damit erst dann weiter, wenn Herr T... das Land wieder verlassen hat. Insoweit soll die Regelung dazu beitragen, dass der präventive Ausweisungszweck nicht gefährdet wird. Zudem soll eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt vermieden werden. Auch an diesem Regelungszweck besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, wie die Strafvorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG unterstreicht.“
157 
Diese Begründung für die Anordnung der Fristhemmung im konkreten Fall lässt klar erkennen, dass es sich bei der Ziffer 2 der Verfügung auch nach der Vorstellung der Behörde um eine verbindliche, von ihr getroffene Regelung und nicht um eine sich - ihrer Meinung nach - bereits aus dem Gesetz ergebende regelmäßige Folge handelt.
158 
Die Bestimmung der Hemmung des Fristablaufs steht zwar - anders als die Bestimmung des Neubeginns (früher: Unterbrechung) - nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, dass die Frist mit der Ausreise beginnt. Denn sie berührt den Fristbeginn nicht, sondern modifiziert ausschließlich den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Ablauf der von der Behörde zu setzenden Frist. Dennoch ist die Regelung zur Hemmung aber derzeit nicht im Rahmen und als Teil der Bestimmung der Fristdauer möglich, sondern bedarf einer gesetzlichen Grundlage, an der es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt. Auch dies entnimmt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Befristung nach § 11 AufenthG, der er - wie dargelegt - aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung folgt. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur betont, dass es sich bei der Befristung um eine gerichtlich vollständig überprüfbare Prognoseentscheidung handelt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, sondern es hat selbst in Fallkonstellationen, in denen besonders gefahrbringende Gewohnheiten oder persönliche Eigenschaften vorlagen, dem jeweiligen Kläger einen Anspruch auf unbedingte Befristung jeweils unter zehn Jahren zugesprochen, ohne bei der Festsetzung dieser Fristdauer eine solch naheliegende Bestimmung zum Fristablauf wie die Hemmung im Falle der unerlaubten Einreise bis zur erneuten Ausreise überhaupt in Betracht zu ziehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - juris).
159 
Daraus, dass diese Bestimmung zur Hemmung des Fristablaufs damit nicht hätte ergehen dürfen, folgt nicht, dass die Befristungsverfügung insgesamt aufzuheben, und das beklagte Land zur erneuten Befristung auf zehn Jahre ohne die vorgesehene Hemmung zu verpflichten wäre, da das gleiche Ergebnis hier schon mit der Aufhebung der Verfügung zu Ziffer 2 in einfacherer Weise erreicht wird.
D.
160 
Der Senat misst diesem geringfügigen Obsiegen des Klägers keine Bedeutung für die Kostenfolge zu. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
E.
161 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
162 
Beschluss vom 14. Mai 2014
163 
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt (§§ 39 Abs. 1, 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG).
164 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die

1.
eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen,
1a.
ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nummern 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen,
2.
über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
a)
wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes,
b)
nach § 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder
c)
nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt,
4.
eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen,
5.
vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist,
6.
Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen,
7.
einen Folgeantrag nach § 71 des Asylgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylgesetzes stellen oder
8.
a)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die ihnen nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 erteilt wurde, oder
b)
eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 ausgestellt wurde,
und bei denen weder eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes oder nach § 16 des Asylgesetzes durchgeführt worden ist, noch deren Daten nach § 3 Absatz 1 des AZR-Gesetzes gespeichert wurden; das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(2) Die in Absatz 1 bezeichneten Ausländer sind für die Zeit, für die ihnen ein anderer Aufenthaltstitel als die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichnete Aufenthaltserlaubnis mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden ist, nicht nach diesem Gesetz leistungsberechtigt.

(3) Die Leistungsberechtigung endet mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt. Für minderjährige Kinder, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die mit ihren Eltern in einer Haushaltsgemeinschaft leben, endet die Leistungsberechtigung auch dann, wenn die Leistungsberechtigung eines Elternteils, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzt, entfallen ist.

(3a) Sofern kein Fall des Absatzes 1 Nummer 8 vorliegt, sind Leistungen nach diesem Gesetz mit Ablauf des Monats ausgeschlossen, in dem Leistungsberechtigten, die gemäß § 49 des Aufenthaltsgesetzes erkennungsdienstlich behandelt worden sind und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes beantragt haben, eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt worden ist. Der Ausschluss nach Satz 1 gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung in den Sätzen 1 und 2 gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(4) Leistungsberechtigte nach Absatz 1 Nummer 5, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von § 1a Absatz 4 Satz 1 internationaler Schutz gewährt worden ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz, wenn der internationale Schutz fortbesteht. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Wochen, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 2. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Satz 6 sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen die Leistungen nach § 1a Absatz 1 und nach § 4 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2. Sie sollen als Sachleistung erbracht werden. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 2 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von zwei Wochen hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 7 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Satz 4 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.

(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.

(3) Die zuständige Behörde stellt die Versorgung mit den Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sicher. Sie stellt auch sicher, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig eine Vervollständigung ihres Impfschutzes angeboten wird. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Absatz 2 und § 132e Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 – 6 K 2480/10 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1986 in Leonberg geborene Kläger ist lediger und kinderloser türkischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt lebte er zunächst einige Jahre bei seinen Eltern in Deutschland und wuchs dann bis zu seinem 9. Lebensjahr gemeinsam mit seinem älteren Bruder bei seiner Großmutter in der Türkei auf. In der Türkei besuchte er die 1. und 2. Klasse der Grundschule. Sein Vater, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, hielt sich auch in dieser Zeit in Deutschland rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. 1995 kehrte der Kläger dann zu seinen Eltern nach Sindelfingen zurück. Der Kläger besuchte in Deutschland zunächst eine Vorbereitungsklasse, dann die Grundschule und wechselte nach der 4. Klasse Grundschule auf das Gymnasium. Von dort musste er nach der 6. Klasse aufgrund unzureichender Leistungen auf die Realschule wechseln. Nachdem er dort die 6. Klasse wiederholt hatte, verließ er schließlich wegen Verhaltensauffälligkeiten und Fehlzeiten die Realschule ohne Abschluss. Im Jahre 2001 und nach dem Besuch verschiedener Schulen erreichte er den Hauptschulabschluss mit dem Notendurchschnitt von 2,3. Eine danach begonnene Lehre als Kfz-Mechaniker endete vorzeitig, weil ihm betriebsbedingt gekündigt worden war. Eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der Kläger nicht vorweisen, da er einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker wegen eigenen Fehlverhaltens wieder verlor. Danach hielt er sich bis 2003 immer wieder vorübergehend in der Türkei auf. Nach seiner Rückkehr trennten sich seine Eltern; er lebte in der Folgezeit bei seiner Mutter. Er ging nach seiner Rückkehr auch nur gelegentlichen unselbständigen Erwerbstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. durch Inhaftierungen unterbrochen waren. Zuletzt arbeitete er von Juni 2008 bis März 2009 bei einer Zeitarbeitsfirma, jedoch wurde das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt.
Ihm wurde am 21.05.1997 eine bis 22.02.2002 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach verlängert wurde, zuletzt gültig bis zum 28.05.2009. Einen Verlängerungsantrag stellte er nicht.
Bereits im Alter von 12 Jahren begann der Kläger mit regelmäßigem Alkoholkonsum, wenig später mit dem zusätzlichen Konsum von Haschisch und Ecstacy sowie Kokain und Heroin. In der Zeit von Oktober 2006 bis Sommer 2007 nahm er - im Zuge einer Bewährungsauflage - an Gesprächen der Drogenberatung Sindelfingen teil, räumte dort seinen Drogenkonsum aber nur teilweise ein. Nach dem Ergebnis eines vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenen forensisch-psychiatrischen Gutachtens vom 11.11.2009 ist beim Kläger zwar von einem anhaltenden, schädlichen politoxikomanen Alkohol-und Drogenmissbrauch mit im zeitlichen Verlauf wechselndem Ausmaß auszugehen, nicht hingegen von einer Suchterkrankung im engeren Sinne mit körperlicher und/oder psychischer Abhängigkeit. Im Übrigen diagnostizierte der Gutachter beim Kläger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
Am 29.09.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu zwei Freizeitarresten und zur Erbringung von Arbeitsleistungen.
Am 17.01.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 12.03.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der Verurteilung vom 17.01.2002 wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einem Jahr Jugendstrafe, die erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 31.08.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Verurteilungen wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einem Jahr und vier Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung im Berufungsverfahren (vgl. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.11.2004) zur Bewährung ausgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang war er bereits vorübergehend vom 10.10.2003 bis 21.11.2003 sowie vom 25.05.2004 bis 18.11.2004 in Untersuchungshaft genommen worden.
Am 25.10.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der drei vorgenannten Verurteilungen wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
10 
Am 22.11.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der vier vorgenannten Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Jugendstrafe von 2 Jahre und sechs Monaten. Der Rest der Strafe wurde bis zum 03.09.2009 zur Bewährung ausgesetzt.
11 
Von einer Ausweisung sahen die Ausländerbehörden zunächst ab, sprachen aber am 15.05.2002 (durch die Ausländerbehörde der Stadt Sindelfingen) sowie am 15.08.2006 (durch das Regierungspräsidium) eine ausländerrechtliche Verwarnung aus.
12 
Am 20.04.2009 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart festgenommen und verbüßte während der U-Haft auch Ersatzfreiheitsstrafen aus vorangegangenen Verurteilungen.
13 
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009, rechtskräftig seit dem 16.04.2010, wurde er wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er in den Morgenstunden des 20.04.2009 zusammen mit einem Mittäter maskiert und mit einem Messer bewaffnet eine Spielothek betreten und den dort Angestellten mit einem auf ihn gerichteten Messer bedroht und zur Freigabe des Weges zur Kassenschublade veranlasst hatte. Dabei erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 4.000,- EUR das sie allerdings auf der anschließenden Flucht größtenteils wieder verloren.
14 
Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger mit Verfügung vom 25.06.2010 aus dem Bundesgebiet aus, drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei auf seine Kosten an und wies ihn darauf hin, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass seine Abschiebung für den Zeitpunkt der Haftentlassung angekündigt werde. Die Ausweisungsverfügung wurde als Ermessensausweisung auf § 55 Abs. 1 AufenthG gestützt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bestehe, weil der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze. Seine Ausweisung setze daher außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche, hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung durch ein persönliches Verhalten voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Mit ausführlicher Begründung bejahte das Regierungspräsidium eine solche Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewaltkriminalität. Sie komme in der schweren und besonders häufigen Straffälligkeit, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der Ergebnislosigkeit der Hafterfahrung und der ausländerrechtlichen Verwarnungen zum Ausdruck und werde durch die fortbestehende Alkohol- und Drogenabhängigkeit verstärkt. Auch ein unterstellter beanstandungsfreier Haftvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu, zumal bereits eine vorherige Haftverbüßung keinerlei nachhaltige Wirkung auf sein Verhalten gehabt habe. Wegen der Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegen. Zu seinen Gunsten greife kein Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG ein, denn ein solcher gelte nur für Unionsbürger. Nationaler Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG greife nicht, weil der Kläger nicht im Besitz der dafür erforderlichen Aufenthaltserlaubnis sei. Unter Würdigung und Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe und auch im Hinblick auf den Schutz nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kam das Regierungspräsidium Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung wegen der durch den Kläger wiederholt begangenen schwerwiegenden Verstöße und der Wiederholungsgefahr verhältnismäßig sei.
15 
Der Kläger erhob am 06.07.2010 zum Verwaltungsgericht Stuttgart Klage und machte geltend: Er lebe seit 1 1/2 Jahrzehnten im Bundesgebiet. Sein Aufenthaltsrecht stütze sich auf Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Seine Ausweisung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i.V.m. Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG. Der Umstand, dass der Kläger gutachterlich als dissoziale Persönlichkeit eingeordnet worden sei, rechtfertige seine Ausweisung nicht. Die Anpassungsschwierigkeiten in der Türkei wären für ihn unlösbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ausweisung wäre eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Sicherheit des Staates. Eine solche Gefahr stelle der Kläger nicht dar. In der Sache verdeutliche auch EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - Rs C-145/09 , dass nach dem Maßstab des Art. 28 Abs. 3 lit. a) 2004/38/EG eine Ausweisung des Klägers ausscheide. Seine Straftat gefährde die Sicherheit des Staates nicht.
16 
Der Beklagte trat unter Berufung auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung der Klage entgegen.
17 
Mit Urteil vom 28.03.2011 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Das Regierungspräsidium habe die Ausweisung zutreffend auf § 55 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 und 14 ARB 1/80 gestützt und den Kläger ermessensfehlerfrei aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, denn er sei in Deutschland geboren worden und habe über fünf Jahre bei seinem Vater, der als türkischer Arbeitnehmer dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe, gelebt. Das Aufenthaltsrecht gelte unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst eine Beschäftigung ausübe oder nicht. Aufgrund dieser Rechtsstellung bestehe für den Kläger der besondere Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80, und er könne, selbst wenn er nach nationalem Recht einen Ist-Ausweisungstatbestand (§ 53 AufenthG) verwirklicht habe, nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters finde Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Unionsbürgerrichtlinie auf den Status des Klägers weder Anwendung noch sonst Berücksichtigung. Das Regierungspräsidium Stuttgart sei weiter mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Ausweisung des Klägers nicht entgegenstehe. Eine Ausweisung des Klägers komme lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut gegeben sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe diese Voraussetzungen zutreffend bejaht. Es bestehe nach der Verurteilung vom 04.12.2009 eine erhebliche Gefahr, dass der Kläger wieder ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten begehen werde. Im angefochtenen Bescheid habe das Regierungspräsidium eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen und beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter Straftaten der Beschaffungs- und Gewaltkriminalität festgestellt. Dabei habe es sich auf die Vielzahl der seit 2000 begangenen Delikte, auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit, auf seine Unbelehrbarkeit auch nach entsprechenden Verwarnungen und Inhaftierungen gestützt. Selbst die Tatsache, dass einer seiner Brüder im Jahre 2004 bereits wegen schwerer Straftaten aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden und ihm damit die ausländerrechtlichen Folgen von delinquentem Verhalten ganz konkret vor Augen geführt worden seien, habe ihn nicht von der Begehung von Straftaten abhalten können. Die angesichts des strafrechtlichen Werdegangs große Gefahr weiterer Gewaltkriminalität werde auch durch die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstruktur verstärkt. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, genieße er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG keinen besonderen Ausweisungsschutz. Das Regierungspräsidium habe das Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt. Danach seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. In seiner Entscheidung habe das Regierungspräsidium zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich seit rund 1 1/2 Jahrzehnten, bis auf kurze Unterbrechung, ununterbrochen rechtmäßig hier aufgehalten habe. Das Regierungspräsidium habe ferner die Entwicklung der Lebensverhältnisse des Klägers während seines lang andauernden Aufenthalts berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, dass er zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und nur gelegentlich unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, überwiegend aber beschäftigungslos gewesen sei. Er habe sich im Bundesgebiet keine sichere wirtschaftliche Lebensgrundlage aufgebaut. Seine fehlende Integration komme auch in beharrlichen Verstößen gegen die deutsche (Straf-) Rechtsordnung zum Ausdruck. Das Regierungspräsidium habe zutreffend die wirtschaftliche Bindung des Klägers im Bundesgebiet durch sein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigt. Es habe ferner das Ermessen auch im Hinblick auf die persönlichen Bindungen des Klägers, nämlich seine Beziehung zu seiner noch lebenden Mutter und seinem Onkel, pflichtgemäß ausgeübt. Die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit dem Kläger in einer familiären Lebensgemeinschaft lebten, seien gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG hinreichend berücksichtigt worden. Zutreffend sei erkannt worden, dass die Ausweisung mit der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Kläger künftig daran hindere, die Familieneinheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leben und dass damit ein Eingriff in Art. 6 GG vorliege. Allerdings verbiete Art. 6 GG auch einen für die Beteiligten schwerwiegenden Eingriff nicht schlechthin. Im vorliegenden Fall beruhe die Ausweisung auf einem wiederholten, schweren kriminellen Fehlverhalten des Klägers. Der staatliche Schutz der Gesellschaft vor etwaigen weiteren Beeinträchtigungen habe ebenfalls Verfassungsrang und müsse in diesem Fall wegen der konkreten Wiederholungsgefahr Vorrang genießen. Der Kläger habe die zu einem Eingriff in Art. 6 GG führenden Gründe selbst geschaffen. Die Bindung zu seinen Familienangehörigen habe ihn in der Vergangenheit nicht davon abhalten können, eine Vielzahl von Straftaten zu begehen. Die Bindung eines volljährigen erwachsenen Menschen zu seinen Verwandten sei ferner durch eine fortschreitende „Abnabelung" geprägt. Dem Kläger könne daher eine eigenverantwortliche Lebensführung zugemutet werden. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Angesichts der Schwere der vom Kläger zuletzt begangenen Straftaten sei der Allgemeinheit das Risiko einer erneuten einschlägigen Straffälligkeit des Klägers unter dem Gesichtspunkt des vorrangigen Schutzes der Bevölkerung vor Gewaltdelikten nicht zuzumuten. Die Ausweisung sei zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich und angemessen. Ein milderes Mittel zur Abwendung der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen durch schwerwiegende Straftaten sei nicht ersichtlich. Die Rückkehr in seine Heimat sei dem Kläger auch zuzumuten. Zwar sei er in Deutschland geboren und aufgewachsen; trotzdem sei davon auszugehen, dass er als Sohn türkischer Staatsangehöriger die türkische Sprache mindestens in den Grundzügen beherrsche. Dafür sprächen auch sein mehrmonatiger Schulaufenthalt in der Türkei und seine kurzzeitigen Aufenthalte dort. Auch einer seiner Brüder, der bereits 2004 dorthin abgeschoben worden sei, lebe in seinem Heimatland. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie vom Regierungspräsidium nicht bereits bei Erlass befristet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Frage der Befristung eines Aufenthaltsverbotes nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Ausweisung am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle insofern auf die Umstände des Einzelfalls ab. Angesichts des hier mit der Ausweisung verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses und der demgegenüber geringer wiegenden Belange des Klägers sei es nicht ermessensfehlerhaft, ihn zunächst unbefristet auszuweisen, die Frage der Befristung aber von seiner künftigen persönlichen Entwicklung abhängig zu machen und in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Die Ausweisung verstoße ferner nicht gegen völker- und europarechtlichen Vorschriften. Einer Ausweisung des Klägers stehe nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen, denn der hier überwundene Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sei weitergehend als derjenige aus Art. 3 Abs. 3 ENA. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Zwar stelle die Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Dieser sei jedoch nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, denn die Ausweisung sei, wie dargelegt, in § 55 AufenthG gesetzlich vorgesehen, und sie stelle eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Grundordnung unter anderem für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei. Die gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage habe ebenfalls keinen Erfolg.
18 
Am 01.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er berief sich zunächst auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und darauf, dass nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Tsakouridis aufgestellten Grundsätzen im Falle der Ausweisung die Resozialisierung des Klägers gefährdet wäre. Nach Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Sache Ziebell macht der Kläger nunmehr geltend, die angegriffene Verfügung sei schon wegen der Verletzung des sog. Vier-Augen-Prinzips des Art. 9 RL 64/221/EWG aufzuheben, das mit Rücksicht auf die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.03.2011 - 6 K 2480/10 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Er macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen und stellt insbesondere ein subjektives Recht des Klägers auf Resozialisierung infrage. Ein derartiger Rechtsanspruch würde dazu führen, dass nahezu jede Ausweisung eines straffälligen Ausländers ausgeschlossen sei. Im Übrigen seien die Überlegungen des EuGH in der Rechtssache Tsakouridis ungeachtet der nicht möglichen Anwendung der Unionsbürgerrichtlinie nicht übertragbar, weil türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 inne hätten, keine Freizügigkeit innerhalb der Union genössen. Das sog. Vier-Augen-Prinzip gelte entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr weiter. Denn zum einen wäre die Fortgeltung mit Art. 59 ZP unvereinbar. Ungeachtet dessen sei dieses auch nicht durch die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 aufrechterhalten, weil diese sich nur an die Mitgliedstaaten wende.
24 
Der Senat hat eine Stellungnahme der JVA Heilbronn über die Entwicklungen des Klägers im Vollzug eingeholt. Insoweit wird auf das Schreiben der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 verwiesen.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat lagen die Ausländerakten, die Akten des Regierungspräsidiums sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.


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(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. März 2011 – 6 K 2480/10 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am ...1986 in Leonberg geborene Kläger ist lediger und kinderloser türkischer Staatsangehöriger. Nach der Geburt lebte er zunächst einige Jahre bei seinen Eltern in Deutschland und wuchs dann bis zu seinem 9. Lebensjahr gemeinsam mit seinem älteren Bruder bei seiner Großmutter in der Türkei auf. In der Türkei besuchte er die 1. und 2. Klasse der Grundschule. Sein Vater, der ebenfalls türkischer Staatsangehöriger ist, hielt sich auch in dieser Zeit in Deutschland rechtmäßig als Arbeitnehmer auf. 1995 kehrte der Kläger dann zu seinen Eltern nach Sindelfingen zurück. Der Kläger besuchte in Deutschland zunächst eine Vorbereitungsklasse, dann die Grundschule und wechselte nach der 4. Klasse Grundschule auf das Gymnasium. Von dort musste er nach der 6. Klasse aufgrund unzureichender Leistungen auf die Realschule wechseln. Nachdem er dort die 6. Klasse wiederholt hatte, verließ er schließlich wegen Verhaltensauffälligkeiten und Fehlzeiten die Realschule ohne Abschluss. Im Jahre 2001 und nach dem Besuch verschiedener Schulen erreichte er den Hauptschulabschluss mit dem Notendurchschnitt von 2,3. Eine danach begonnene Lehre als Kfz-Mechaniker endete vorzeitig, weil ihm betriebsbedingt gekündigt worden war. Eine abgeschlossene Berufsausbildung kann der Kläger nicht vorweisen, da er einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker wegen eigenen Fehlverhaltens wieder verlor. Danach hielt er sich bis 2003 immer wieder vorübergehend in der Türkei auf. Nach seiner Rückkehr trennten sich seine Eltern; er lebte in der Folgezeit bei seiner Mutter. Er ging nach seiner Rückkehr auch nur gelegentlichen unselbständigen Erwerbstätigkeiten nach, die immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. durch Inhaftierungen unterbrochen waren. Zuletzt arbeitete er von Juni 2008 bis März 2009 bei einer Zeitarbeitsfirma, jedoch wurde das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt.
Ihm wurde am 21.05.1997 eine bis 22.02.2002 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die anschließend mehrfach verlängert wurde, zuletzt gültig bis zum 28.05.2009. Einen Verlängerungsantrag stellte er nicht.
Bereits im Alter von 12 Jahren begann der Kläger mit regelmäßigem Alkoholkonsum, wenig später mit dem zusätzlichen Konsum von Haschisch und Ecstacy sowie Kokain und Heroin. In der Zeit von Oktober 2006 bis Sommer 2007 nahm er - im Zuge einer Bewährungsauflage - an Gesprächen der Drogenberatung Sindelfingen teil, räumte dort seinen Drogenkonsum aber nur teilweise ein. Nach dem Ergebnis eines vom Landgericht Stuttgart in Auftrag gegebenen forensisch-psychiatrischen Gutachtens vom 11.11.2009 ist beim Kläger zwar von einem anhaltenden, schädlichen politoxikomanen Alkohol-und Drogenmissbrauch mit im zeitlichen Verlauf wechselndem Ausmaß auszugehen, nicht hingegen von einer Suchterkrankung im engeren Sinne mit körperlicher und/oder psychischer Abhängigkeit. Im Übrigen diagnostizierte der Gutachter beim Kläger eine dissoziale Persönlichkeitsstörung.
Der Kläger ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
Am 29.09.2000 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen zu zwei Freizeitarresten und zur Erbringung von Arbeitsleistungen.
Am 17.01.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 12.03.2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der Verurteilung vom 17.01.2002 wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einem Jahr Jugendstrafe, die erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Am 31.08.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der beiden vorgenannten Verurteilungen wegen Diebstahls und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einem Jahr und vier Monaten Jugendstrafe, deren Vollstreckung im Berufungsverfahren (vgl. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.11.2004) zur Bewährung ausgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang war er bereits vorübergehend vom 10.10.2003 bis 21.11.2003 sowie vom 25.05.2004 bis 18.11.2004 in Untersuchungshaft genommen worden.
Am 25.10.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der drei vorgenannten Verurteilungen wegen schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
10 
Am 22.11.2005 verurteilte ihn das Amtsgericht Böblingen unter Einbeziehung der vier vorgenannten Verurteilungen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Jugendstrafe von 2 Jahre und sechs Monaten. Der Rest der Strafe wurde bis zum 03.09.2009 zur Bewährung ausgesetzt.
11 
Von einer Ausweisung sahen die Ausländerbehörden zunächst ab, sprachen aber am 15.05.2002 (durch die Ausländerbehörde der Stadt Sindelfingen) sowie am 15.08.2006 (durch das Regierungspräsidium) eine ausländerrechtliche Verwarnung aus.
12 
Am 20.04.2009 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Stuttgart festgenommen und verbüßte während der U-Haft auch Ersatzfreiheitsstrafen aus vorangegangenen Verurteilungen.
13 
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 04.12.2009, rechtskräftig seit dem 16.04.2010, wurde er wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er in den Morgenstunden des 20.04.2009 zusammen mit einem Mittäter maskiert und mit einem Messer bewaffnet eine Spielothek betreten und den dort Angestellten mit einem auf ihn gerichteten Messer bedroht und zur Freigabe des Weges zur Kassenschublade veranlasst hatte. Dabei erbeuteten sie Bargeld in Höhe von mindestens 4.000,- EUR das sie allerdings auf der anschließenden Flucht größtenteils wieder verloren.
14 
Nach vorheriger Anhörung wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger mit Verfügung vom 25.06.2010 aus dem Bundesgebiet aus, drohte ihm ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Türkei auf seine Kosten an und wies ihn darauf hin, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass seine Abschiebung für den Zeitpunkt der Haftentlassung angekündigt werde. Die Ausweisungsverfügung wurde als Ermessensausweisung auf § 55 Abs. 1 AufenthG gestützt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bestehe, weil der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze. Seine Ausweisung setze daher außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstelle, eine tatsächliche, hinreichend schwere und gegenwärtige Gefährdung durch ein persönliches Verhalten voraus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Zudem setze die Ausweisung nach dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 einen Extremfall voraus, also die konkrete und hohe Wiederholungsgefahr weiterer schwerwiegender Straftaten. Mit ausführlicher Begründung bejahte das Regierungspräsidium eine solche Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewaltkriminalität. Sie komme in der schweren und besonders häufigen Straffälligkeit, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der Ergebnislosigkeit der Hafterfahrung und der ausländerrechtlichen Verwarnungen zum Ausdruck und werde durch die fortbestehende Alkohol- und Drogenabhängigkeit verstärkt. Auch ein unterstellter beanstandungsfreier Haftvollzug lasse keinen Rückschluss auf eine fehlende Wiederholungsgefahr zu, zumal bereits eine vorherige Haftverbüßung keinerlei nachhaltige Wirkung auf sein Verhalten gehabt habe. Wegen der Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der hohen konkreten Wiederholungsgefahr weiterer schwerer Straftaten stehe Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 einer Ausweisung nicht entgegen. Zu seinen Gunsten greife kein Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG ein, denn ein solcher gelte nur für Unionsbürger. Nationaler Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG greife nicht, weil der Kläger nicht im Besitz der dafür erforderlichen Aufenthaltserlaubnis sei. Unter Würdigung und Abwägung der für und gegen eine Ausweisung sprechenden Gründe und auch im Hinblick auf den Schutz nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG kam das Regierungspräsidium Stuttgart zu dem Ergebnis, dass eine Ausweisung wegen der durch den Kläger wiederholt begangenen schwerwiegenden Verstöße und der Wiederholungsgefahr verhältnismäßig sei.
15 
Der Kläger erhob am 06.07.2010 zum Verwaltungsgericht Stuttgart Klage und machte geltend: Er lebe seit 1 1/2 Jahrzehnten im Bundesgebiet. Sein Aufenthaltsrecht stütze sich auf Art. 7 Satz 1 ARB 1/80. Seine Ausweisung verstoße gegen Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 i.V.m. Art. 28 Abs. 3 lit. a) RL 2004/38/EG. Der Umstand, dass der Kläger gutachterlich als dissoziale Persönlichkeit eingeordnet worden sei, rechtfertige seine Ausweisung nicht. Die Anpassungsschwierigkeiten in der Türkei wären für ihn unlösbar. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Ausweisung wäre eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der Sicherheit des Staates. Eine solche Gefahr stelle der Kläger nicht dar. In der Sache verdeutliche auch EuGH, Urt. v. 23.11.2010 - Rs C-145/09 , dass nach dem Maßstab des Art. 28 Abs. 3 lit. a) 2004/38/EG eine Ausweisung des Klägers ausscheide. Seine Straftat gefährde die Sicherheit des Staates nicht.
16 
Der Beklagte trat unter Berufung auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung der Klage entgegen.
17 
Mit Urteil vom 28.03.2011 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und führte aus: Das Regierungspräsidium habe die Ausweisung zutreffend auf § 55 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 7 Satz 1 und 14 ARB 1/80 gestützt und den Kläger ermessensfehlerfrei aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Das Regierungspräsidium sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besitze, denn er sei in Deutschland geboren worden und habe über fünf Jahre bei seinem Vater, der als türkischer Arbeitnehmer dem regulären deutschen Arbeitsmarkt angehört habe, gelebt. Das Aufenthaltsrecht gelte unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst eine Beschäftigung ausübe oder nicht. Aufgrund dieser Rechtsstellung bestehe für den Kläger der besondere Ausweisungsschutz nach Art. 14 ARB 1/80, und er könne, selbst wenn er nach nationalem Recht einen Ist-Ausweisungstatbestand (§ 53 AufenthG) verwirklicht habe, nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung nach § 55 AufenthG ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägervertreters finde Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Unionsbürgerrichtlinie auf den Status des Klägers weder Anwendung noch sonst Berücksichtigung. Das Regierungspräsidium Stuttgart sei weiter mit Recht davon ausgegangen, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Ausweisung des Klägers nicht entgegenstehe. Eine Ausweisung des Klägers komme lediglich aus spezialpräventiven Gründen in Betracht, wenn eine tatsächliche und schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit i.S.v. Art. 14 ARB 1/80 vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Das sei der Fall, wenn ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht bestehe, der sich bei Straftaten aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergebe, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohe und damit eine gewichtige Gefahr für ein wichtiges Schutzgut gegeben sei. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe diese Voraussetzungen zutreffend bejaht. Es bestehe nach der Verurteilung vom 04.12.2009 eine erhebliche Gefahr, dass der Kläger wieder ähnlich gelagerte schwerwiegende Straftaten begehen werde. Im angefochtenen Bescheid habe das Regierungspräsidium eine umfassende Gesamtwürdigung vorgenommen und beim Kläger eine konkrete Wiederholungsgefahr ähnlich gelagerter Straftaten der Beschaffungs- und Gewaltkriminalität festgestellt. Dabei habe es sich auf die Vielzahl der seit 2000 begangenen Delikte, auf die hohe Rückfallgeschwindigkeit, auf seine Unbelehrbarkeit auch nach entsprechenden Verwarnungen und Inhaftierungen gestützt. Selbst die Tatsache, dass einer seiner Brüder im Jahre 2004 bereits wegen schwerer Straftaten aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und abgeschoben worden und ihm damit die ausländerrechtlichen Folgen von delinquentem Verhalten ganz konkret vor Augen geführt worden seien, habe ihn nicht von der Begehung von Straftaten abhalten können. Die angesichts des strafrechtlichen Werdegangs große Gefahr weiterer Gewaltkriminalität werde auch durch die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstruktur verstärkt. Da der Kläger keine Aufenthaltserlaubnis besitze, genieße er nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG keinen besonderen Ausweisungsschutz. Das Regierungspräsidium habe das Ermessen nach § 55 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG fehlerfrei ausgeübt. Danach seien bei der Entscheidung über die Ausweisung die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes und die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet zu berücksichtigen. In seiner Entscheidung habe das Regierungspräsidium zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren sei und sich seit rund 1 1/2 Jahrzehnten, bis auf kurze Unterbrechung, ununterbrochen rechtmäßig hier aufgehalten habe. Das Regierungspräsidium habe ferner die Entwicklung der Lebensverhältnisse des Klägers während seines lang andauernden Aufenthalts berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, dass er zwar den Hauptschulabschluss erreicht, aber keine Berufsausbildung abgeschlossen habe und nur gelegentlich unselbständigen Erwerbstätigkeiten nachgegangen, überwiegend aber beschäftigungslos gewesen sei. Er habe sich im Bundesgebiet keine sichere wirtschaftliche Lebensgrundlage aufgebaut. Seine fehlende Integration komme auch in beharrlichen Verstößen gegen die deutsche (Straf-) Rechtsordnung zum Ausdruck. Das Regierungspräsidium habe zutreffend die wirtschaftliche Bindung des Klägers im Bundesgebiet durch sein freies Zugangsrecht zum deutschen Arbeitsmarkt berücksichtigt. Es habe ferner das Ermessen auch im Hinblick auf die persönlichen Bindungen des Klägers, nämlich seine Beziehung zu seiner noch lebenden Mutter und seinem Onkel, pflichtgemäß ausgeübt. Die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und mit dem Kläger in einer familiären Lebensgemeinschaft lebten, seien gemäß § 55 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG hinreichend berücksichtigt worden. Zutreffend sei erkannt worden, dass die Ausweisung mit der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG den Kläger künftig daran hindere, die Familieneinheit in der Bundesrepublik Deutschland zu leben und dass damit ein Eingriff in Art. 6 GG vorliege. Allerdings verbiete Art. 6 GG auch einen für die Beteiligten schwerwiegenden Eingriff nicht schlechthin. Im vorliegenden Fall beruhe die Ausweisung auf einem wiederholten, schweren kriminellen Fehlverhalten des Klägers. Der staatliche Schutz der Gesellschaft vor etwaigen weiteren Beeinträchtigungen habe ebenfalls Verfassungsrang und müsse in diesem Fall wegen der konkreten Wiederholungsgefahr Vorrang genießen. Der Kläger habe die zu einem Eingriff in Art. 6 GG führenden Gründe selbst geschaffen. Die Bindung zu seinen Familienangehörigen habe ihn in der Vergangenheit nicht davon abhalten können, eine Vielzahl von Straftaten zu begehen. Die Bindung eines volljährigen erwachsenen Menschen zu seinen Verwandten sei ferner durch eine fortschreitende „Abnabelung" geprägt. Dem Kläger könne daher eine eigenverantwortliche Lebensführung zugemutet werden. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Angesichts der Schwere der vom Kläger zuletzt begangenen Straftaten sei der Allgemeinheit das Risiko einer erneuten einschlägigen Straffälligkeit des Klägers unter dem Gesichtspunkt des vorrangigen Schutzes der Bevölkerung vor Gewaltdelikten nicht zuzumuten. Die Ausweisung sei zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks erforderlich und angemessen. Ein milderes Mittel zur Abwendung der Gefahr weiterer Beeinträchtigungen durch schwerwiegende Straftaten sei nicht ersichtlich. Die Rückkehr in seine Heimat sei dem Kläger auch zuzumuten. Zwar sei er in Deutschland geboren und aufgewachsen; trotzdem sei davon auszugehen, dass er als Sohn türkischer Staatsangehöriger die türkische Sprache mindestens in den Grundzügen beherrsche. Dafür sprächen auch sein mehrmonatiger Schulaufenthalt in der Türkei und seine kurzzeitigen Aufenthalte dort. Auch einer seiner Brüder, der bereits 2004 dorthin abgeschoben worden sei, lebe in seinem Heimatland. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie vom Regierungspräsidium nicht bereits bei Erlass befristet worden sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei die Frage der Befristung eines Aufenthaltsverbotes nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Ausweisung am Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle insofern auf die Umstände des Einzelfalls ab. Angesichts des hier mit der Ausweisung verfolgten gewichtigen öffentlichen Interesses und der demgegenüber geringer wiegenden Belange des Klägers sei es nicht ermessensfehlerhaft, ihn zunächst unbefristet auszuweisen, die Frage der Befristung aber von seiner künftigen persönlichen Entwicklung abhängig zu machen und in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Die Ausweisung verstoße ferner nicht gegen völker- und europarechtlichen Vorschriften. Einer Ausweisung des Klägers stehe nicht das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) vom 13.12.1955 entgegen, denn der hier überwundene Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sei weitergehend als derjenige aus Art. 3 Abs. 3 ENA. Die Ausweisung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Zwar stelle die Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Dieser sei jedoch nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, denn die Ausweisung sei, wie dargelegt, in § 55 AufenthG gesetzlich vorgesehen, und sie stelle eine Maßnahme dar, die in einer demokratischen Grundordnung unter anderem für die öffentliche Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig sei. Die gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage habe ebenfalls keinen Erfolg.
18 
Am 01.04.2011 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Er berief sich zunächst auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und darauf, dass nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Tsakouridis aufgestellten Grundsätzen im Falle der Ausweisung die Resozialisierung des Klägers gefährdet wäre. Nach Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Sache Ziebell macht der Kläger nunmehr geltend, die angegriffene Verfügung sei schon wegen der Verletzung des sog. Vier-Augen-Prinzips des Art. 9 RL 64/221/EWG aufzuheben, das mit Rücksicht auf die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 weiter anzuwenden sei.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28.03.2011 - 6 K 2480/10 - zu ändern und die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 aufzuheben.
21 
Der Beklagte beantragt,
22 
die Berufung zurückzuweisen.
23 
Er macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu eigen und stellt insbesondere ein subjektives Recht des Klägers auf Resozialisierung infrage. Ein derartiger Rechtsanspruch würde dazu führen, dass nahezu jede Ausweisung eines straffälligen Ausländers ausgeschlossen sei. Im Übrigen seien die Überlegungen des EuGH in der Rechtssache Tsakouridis ungeachtet der nicht möglichen Anwendung der Unionsbürgerrichtlinie nicht übertragbar, weil türkische Staatsangehörige, die eine Rechtsposition nach dem ARB 1/80 inne hätten, keine Freizügigkeit innerhalb der Union genössen. Das sog. Vier-Augen-Prinzip gelte entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr weiter. Denn zum einen wäre die Fortgeltung mit Art. 59 ZP unvereinbar. Ungeachtet dessen sei dieses auch nicht durch die Standstill-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 aufrechterhalten, weil diese sich nur an die Mitgliedstaaten wende.
24 
Der Senat hat eine Stellungnahme der JVA Heilbronn über die Entwicklungen des Klägers im Vollzug eingeholt. Insoweit wird auf das Schreiben der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 verwiesen.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat lagen die Ausländerakten, die Akten des Regierungspräsidiums sowie die Gefangenenpersonalakten vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
27 
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.06.2010 zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
I.
28 
Die mit Bescheid vom 25.06.2010 verfügte Ausweisung leidet nicht deshalb an einem unheilbaren Verfahrensfehler, weil das nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25.02.1964 (ABl. 56 vom 04.04.1964, S. 850) vorgesehene „Vier-Augen-Prinzip“ nicht beachtet wurde. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.12.2011 in der Rechtssache C-371/08 - hinreichend ersehen lässt, entfaltet diese zum 30.04.2006 aufgehobene Bestimmung keine Wirkungen mehr für den verfahrensrechtlichen Ausweisungsschutz assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger (1.). Auch aus geltenden unionsrechtlichen Verfahrensgarantien folgt nicht die Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen (2.). Die Stillhalteklauseln gebieten keine andere Betrachtung (3.). Die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens ergibt sich schließlich nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens (4.).
29 
1. Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG war bei einer ausländerrechtlichen Entscheidung über die Ausweisung ein weiteres Verwaltungsverfahren durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise ein dringender Fall vorlag und sofern nicht im gerichtlichen Verfahren eine Zweckmäßigkeitsprüfung vorgesehen war. Diese für Angehörige der Mitgliedstaaten (vgl. zum personellen Anwendungsbereich Art. 1 dieser Richtlinie) geltende Regelung erstreckte der Europäische Gerichtshof auf die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger (Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 65 ff.). Fehlte es an der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, so war die Ausweisung unheilbar rechtswidrig (BVerwG, Urteil vom 13.09.2005 - 1 C 7.04 - Rn. 12 ff., BVerwGE 124, 217, vom 06.10.2005 - 1 C 5.04 - Rn. 14 ff., BVerwGE 124, 243 und vom 09.08.2007 - 1 C 47.06 - Rn. 23 ff., BVerwGE 129, 162).
30 
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 EGV (später Art. 39, 40, 41 EG und nunmehr Art. 45 ff. AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türkische Arbeitnehmer zu übertragen sind, die die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen. Dies beruht auf den Erwägungen, dass in Art. 12 des Assoziierungsabkommens die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des „Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft“ leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, dass Art. 36 ZP die Fristen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (nunmehr und im Folgenden: Union) und der Türkei festlegt, dass der Assoziationsrat die hierfür erforderlichen Regeln vorsieht und dass der Beschluss 1/80 bezweckt, im sozialen Bereich die Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen zu verbessern (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 04.10.2007- Rs. C-349/06 Rn. 29, vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn. 61 ff., vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 Rn. 42 ff. und vom 10.02.2000 - Rs. C-340/97 Rn. 42 f.). In der Rechtssache „Dörr und Ünal“ (Rn. 65 ff.) heißt es, es sei nach diesen Erwägungen geboten, die in Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG niedergelegten Grundsätze als auf türkische Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragbar anzusehen, und weiter:
31 
„….Um effektiv zu sein, müssen die individuellen Rechte von den türkischen Arbeitnehmern vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden können. Damit die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet ist, ist es unabdingbar, diesen Arbeitnehmern die Verfahrensgarantien zuzuerkennen, die den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistet werden, und es muss ihnen somit ermöglicht werden, sich auf die in den Artikeln 8 und 9 der Richtlinie 64/221 vorgesehenen Garantien zu berufen. Diese Garantien sind nämlich, wie der Generalanwalt …ausführt, untrennbar mit den Rechten verbunden, auf die sie sich beziehen.“
32 
In der Entscheidung „Ziebell“ knüpft der Gerichtshof an die Ausführungen im Urteil „Dörr und Ünal“ an und legt dar (Rn. 58), dass
33 
„…die Grundsätze, die im Rahmen der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Bestimmungen des EG-Vertrags gelten, so weit wie möglich auf türkische Staatsangehörige übertragen werden, die Rechte aufgrund der Assoziation EWG-Türkei besitzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, muss eine solche Analogie nicht nur für die genannten Artikel des Vertrags gelten, sondern auch für die auf der Grundlage dieser Artikel erlassenen sekundärrechtlichen Vorschriften, mit denen die Artikel durchgeführt und konkretisiert werden sollen (vgl. zur Richtlinie 64/221 u.a. Urteil Dörr und Ünal)“.
34 
Durch den Terminus „Analogie“, der etwa auch in der französischen und englischen Fassung des Urteils verwendet wird, ist klargestellt, dass die Inhalte des - für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten - maßgeblichen Sekundärrechts nicht deshalb auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt werden, weil diese allgemeine Rechtsgrundsätze sind, die ggfs. auch losgelöst von der Wirksamkeit der jeweiligen Regelung noch Geltung beanspruchen können, sondern dass es sich um eine entsprechende Übertragung geltenden Rechts handelt. Eine Vorschrift kann jedoch nur solange analog angewandt werden, wie sie selbst Gültigkeit beansprucht. Mit der Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG mit Wirkung vom 30.04.2006 durch Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG entfällt deshalb - wie der Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ darlegt - die Grundlage für ihre entsprechende Anwendung.
35 
Dass aufgrund dieser Aufhebung nicht mehr „traditionell auf die in der Richtlinie 64/221/EWG festgeschriebenen Grundsätze abgestellt“ werden kann (Rn. 76) und der Richtlinie insgesamt, d.h. in materieller und verfahrensrechtlicher Hinsicht, keine Bedeutung mehr zukommt, ist nach den Ausführungen im Urteil „Ziebell“ (insb. Rn. 77 ff.) und dem ihm zugrunde liegenden Sachverhalt hinreichend geklärt. Dem Europäischen Gerichtshof war aufgrund des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.07.2008 und der beigefügten Akten bekannt, dass auf die dort streitgegenständliche Ausweisungsverfügung vom 06.03.2007 das „Vier-Augen-Prinzip“ des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr angewandt, vielmehr gegen die Ausweisungsentscheidung direkt Klage erhoben worden ist. Das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.08.2009 (1 C 25.08 - AuAS 2009, 267) führt sogar ausdrücklich aus, dass - sollte der in Kapitel VI der Richtlinie 2004/38/EG für Unionsbürger geregelte Ausweisungsschutz nicht auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige zu übertragen sein - sich die Frage stellt, ob Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG gleichwohl weiterhin anzuwenden ist oder stattdessen die Verfahrensgarantien des Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG Anwendung finden, die das „Vier-Augen-Prinzip“ abgelöst haben (BVerwG, a.a.O., Rn. 26). Hätte der Gerichtshof dem im Verfahren „Ziebell“ nicht eingehaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ - und sei es auch mit Blick auf besondere oder allgemeine unionsrechtliche Verfahrensgarantien, die Standstillklauseln oder das Assoziationsabkommen an sich - noch irgendeine rechtliche Relevanz zu Gunsten des Klägers beigemessen, so hätte es nahegelegen, unabhängig von der konkreten Vorlagefrage hierzu Ausführungen zu machen. Die Tatsache, dass der Gerichtshof die Aufhebung der Richtlinie insgesamt besonders hervorhebt, und der Umstand, dass er den Ausweisungsschutz für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsposition nach dem ARB 1/80 zudem ausdrücklich auf einen anderen unionsrechtlichen Bezugsrahmen im geltenden Recht stützt, belegen, dass die Richtlinie 64/221/EWG nach Auffassung des Gerichtshofs in Gänze nicht mehr zur Konkretisierung des formellen und materiellen Ausweisungsschutzes des Klägers herangezogen werden kann. Hätte der Gerichtshof den Inhalten der Richtlinie 64/221/EWG noch irgendeine Bedeutung beigemessen, so hätte es sich im Übrigen auch aufgedrängt, für das materielle Ausweisungsrecht - etwa in Anknüpfung an die Rechtssachen „Cetinkaya“ (Urteil vom 11.11.2004 - Rs. C-467/02 - Rn. 44 ff.) oder „Polat“ (Urteil vom 04.10.2007 -Rs. C-349/06 - Rn. 30 ff.) - den dort erwähnten Art. 3 der Richtlinie 64/221/ EWG ausdrücklich weiterhin fruchtbar zu machen. Diesen Weg hat der Gerichthof in der Rechtssache „Ziebell“ jedoch ebenfalls nicht beschritten. An dieser Sicht vermag – entgegen der Auffassung des Klägers – auch der Umstand nichts zu ändern, dass für die Anwendung des am 21.06.1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits geschlossenen Abkommen über die Freizügigkeit (ABl. 2002 L 114, S. 6) die Richtlinie 64/221/EWG nach wie vor vorübergehend Bedeutung hat (vgl. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs I).
36 
2. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob sich die Verfahrensgarantien für einen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, der sich gegen seine Ausweisung wendet, nunmehr ebenfalls aus der Richtlinie 2003/109/EG (Art. 10, Art. 12 Abs. 4), aus Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG oder aus den auch im Unionsrecht allgemeinen anerkannten Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes ergeben. Denn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist in keinem dieser Fälle geboten.
37 
a) Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG sieht vor, dass einem langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem betroffenen Mitgliedstaat der Rechtsweg gegen seine Ausweisung offen steht. Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie normiert, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte Rechtsbehelfe u.a. gegen den Entzug seiner Rechtsstellung einlegen kann. Welche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, bestimmt sich jedoch allein nach dem nationalen Recht. Ein Vorverfahren als einzuräumender Rechtsbehelf ist nach der Richtlinie nicht vorgeschrieben.
38 
b) Auch soweit man für die einem assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen einzuräumenden Verfahrensgarantien Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG heranziehen wollte, folgt hieraus nichts anderes. Die Erwägungen zu den Besonderheiten der Unionsbürgerschaft haben den Gerichtshof in der Rechtssache „Ziebell“ im Anschluss an die Ausführungen des Generalanwalts bewogen, den Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung, wie in Art. 28 Abs. 3 lit. a) der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehen, nicht im Rahmen der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen (vgl. im Einzelnen Rn. 60 ff. und Schlussanträge des Generalanwalts vom 14.04.2011 - Rs. C-371/08 - Rn. 42 ff.). Selbst wenn man der Auffassung wäre, die Spezifika der Unionsbürgerschaft (vgl. zu deren Begriff und Inhalt auch Bergmann , Handlexikon der Europäischen Union, 4. Aufl. 2012, Stichwort „Unionsbürgerschaft“) stünden lediglich der Anwendung des materiellen Ausweisungsrechts der Richtlinie 2004/38/EG auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige entgegen und nicht der Übertragung der im gleichen Kapitel enthaltenen Verfahrensgarantien nach Art. 30 f., leidet die Ausweisungsverfügung nicht an einem Verfahrensfehler. Der Gerichtshof hat sich im Urteil „Ziebell“ nicht dazu geäußert, ob diese Bestimmungen insoweit analogiefähig sind bzw. ihnen jedenfalls allgemein geltende Grundsätze zu entnehmen sind (vgl. auch Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG), die in Anknüpfung allein an die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Notwendigkeit deren verfahrensrechtlichen Schutzes ihre Berechtigung haben, oder ob auch diesen ein spezifisch unionsbürgerbezogener Inhalt zukommt. Für letzteres könnte etwa Art. 31 Abs. 3 S. 2 dieser Richtlinie angeführt werden, wonach das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 nicht unverhältnismäßig ist; auch die Bezugnahme in Art. 31 Abs. 2, letzter Spiegelstrich auf Art. 28 Abs. 3 könnte dafür sprechen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, denn die Verfahrensgarantien nach Art. 30 f. der Richtlinie 2004/38/EG schreiben die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens bei der Ausweisung von Unionsbürgern nicht vor (diese Frage lediglich ansprechend BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.10.2011 - 2 BvR 1969/09 - juris Rn. 40), so dass der Kläger selbst bei ihrer Anwendbarkeit kein für ihn günstigeres Ergebnis herleiten könnte.
39 
Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Aus dieser Bestimmung folgt aber nicht die Verpflichtung des Mitgliedstaates, außer dem gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Ausweisungsverfügung (zusätzlich) ein behördliches Rechtsbehelfsverfahren vorzuhalten und in diesem auch die Überprüfung der Zweckmäßigkeit einer Ausweisung zu ermöglichen. Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („..und gegebenenfalls bei einer Behörde…“), trägt diese Bestimmung lediglich dem - heterogenen - System des Rechtsschutzes der Mitgliedstaaten Rechnung und lässt deren Berechtigung unberührt, ein Rechtsbehelfsverfahren auch noch bei einer Behörde zu eröffnen. Ein solches ist jedoch in Baden-Württemberg nicht mehr vorgesehen. Erlässt das Regierungspräsidium den Verwaltungsakt - wie dies für die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers zutrifft (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO) -, so ist hiergegen unabhängig von dem zugrundeliegenden Rechtsgebiet im Anwendungsbereich des seit 22.10.2008 geltenden § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO (GBl. 2008, 343) i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorverfahren nicht statthaft. Aufgrund vergleichbarer, wenn auch regelungstechnisch teilweise von einem anderen Ansatz ausgehender Landesgesetze entspricht es einer bundesweit anzutreffenden Rechtspraxis, ein Widerspruchsverfahren vor Erhebung einer Klage nicht mehr vorzuschreiben (vgl. z.B. auch Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO, § 16a HessAGVwGO, § 8a NdsAGVwGO). Dass die Unionsbürgerrichtlinie nicht dazu zwingt, ein dem gerichtlichen Rechtsschutz vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren zu schaffen, folgt im Übrigen eindeutig aus ihrer Entstehungsgeschichte.
40 
Der Vorschlag der Kommission für die Unionsbürgerrichtlinie (KOM 2001/0257/endgültig, ABl. C 270 E vom 25.09.2001, S. 150) sah ursprünglich vor, dass u.a. bei der Ausweisung der Betreffende bei den Behörden oder den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen kann; ist der behördliche Weg vorgesehen, entscheidet die Behörde außer bei Dringlichkeit erst nach Stellungnahme der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaates, vor dem es dem Betreffenden möglich sein muss, auf seinen Antrag hin seine Verteidigung vorzubringen. Diese Stelle darf nicht die Behörde sein, die befugt ist, die Ausweisungsentscheidung zu treffen (vgl. im Einzelnen den - hier verkürzt wiedergegebenen - Wortlaut des Entwurfs zu Art. 29 Abs. 1 und 2). In der Begründung des Vorschlags zu Art. 29 heißt es ausdrücklich:
41 
„Ein lückenloser Rechtsschutz schließt nicht aus, dass ein Mitgliedstaat vorsieht, dass ein Rechtsbehelf bei einer Behörde eingelegt werden kann. In diesem Fall müssen die in Art. 9 der Richtlinie 63/221/EWG genannten Objektivitätsgarantien gegeben sein, insbesondere die vorherige Stellungnahme einer anderen Behörde, als die, die die Einreiseverweigerung oder die Ausweisung verfügen soll, sowie Garantie in Bezug auf die Rechte der Verteidigung.“
42 
In dem Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 6/2004 vom 05.12.2003 (ABl. C 54 E vom 02.03.2004, S. 12) hat Art. 31 Abs. 1 bereits - mit Zustimmung der Kommission - die Fassung, wie sie in der Unionsbürgerrichtlinie vom 29.04.2004 enthalten ist (a.a.O., S. 26). Schon in dem geänderten Vorschlag der Kommission vom 15.04.2003 (KOM(2003) 199 endgültig) erhielt der Entwurf zu Art. 29 Abs. 1 die Fassung, dass „….der Betroffene bei den Gerichten und gegebenenfalls bei den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen“ kann. Durch diese Abänderung sollte klargestellt werden,
43 
„dass der Rechtsbehelf stets bei einem Gericht eingelegt werden muss und ein Rechtsbehelf bei einer Behörde nur dann ebenfalls zulässig ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaats dies vorsieht (zum Beispiel bevor ein Rechtsbehelf bei einem Gericht eingelegt werden kann).“
44 
Diese Begründung der Kommission im geänderten Vorschlag vom 15.04.2003 (a.a.O., S. 10) zu Art. 29 Abs. 1 hat sich der „Gemeinsame Standpunkt“ vom 05.12.2003 zu Eigen gemacht (a.a.O., S 27) und ferner Art. 29 Abs. 2 des Kommissionsentwurfs mit dem dort enthaltenen „Vier-Augen-Prinzip“ komplett gestrichen. Dieser ist mit Blick auf die von den Mitgliedstaaten stets vorzusehende Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts und der dort zu gewährenden Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung und der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung über die Ausweisung beruht, für überflüssig erachtet worden (vgl. die Begründung des Rates, a.a.O., S. 29, 32).
45 
Das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene „Vier-Augen-Prinzip“, das defizitäre gerichtliche Kontrollmechanismen und eine in den Mitgliedstaaten zum Teil vorherrschende geringe Kontrolldichte der gerichtlichen Entscheidungen kompensieren sollte, wurde somit in Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG durch eine Verbesserung des gerichtlichen Rechtsschutzes ersetzt (vgl. zur bewussten Abkehr von den in Art. 8 f der Richtlinie 64/221/ EWG vorgesehenen Verfahrensregelungen auch Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/38/EG). Der in Deutschland dem Kläger zur Verfügung stehende gerichtliche Rechtsschutz erfüllt die Vorgaben des Art. 31 der Richtlinie.
46 
Es bleibt daher der Verfahrensautonomie des Mitgliedstaats überlassen, ob er bei einer Ausweisung eines Unionsbürgers zusätzlich zum gerichtlichen Rechtsschutz noch ein Widerspruchsverfahren vorsieht. Dass die in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltene Formulierung „..und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen zu können“ bei diesem Verständnis nur noch eine unionsrechtliche Selbstverständlichkeit wiedergibt, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
47 
c) Auch die allgemeine unionsrechtliche Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs fordert nicht die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens. Selbst wenn man entgegen den Ausführungen oben unter 1.) der Auffassung wäre, der Gerichtshof habe sich im Urteil „Ziebell“ hierzu nicht der Sache nach geäußert, ist dies eindeutig.
48 
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof hat ein türkischer Arbeitnehmer, der die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzt, einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um diese Rechte wirksam geltend machen zu können (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 02.06.2005 - Rs. C-136/03 Rn.67). Es entspricht einem allgemein anerkannten unionsrechtlichen Grundsatz, der sich aus der gemeinsamen Verfassungstradition der Mitgliedstaaten ergibt und der in Art. 6 und 13 EMRK verankert ist, dass bei einem Eingriff in die Rechte des Betroffenen (hier: Eingriff in die Freizügigkeit des Arbeitnehmers) durch eine Behörde des Mitgliedstaats der Betroffene das Recht hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen; den Mitgliedstaaten obliegt es, eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der eingeräumten Rechte dient (vgl. schon EuGH, Urteil vom 03.12.1992 - Rs. C-97/91 Rn.14, vom 15.10.1987 - Rs. C-222/86 Rn. 12 ff. und vom 15.05.1986 - Rs. C-222/84 Rn. 17 ff.). Zum Effektivitätsgrundsatz gehört, dass die gerichtliche Kontrolle die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung umfasst (EuGH, Urteil vom 15.10.1987 - Rs. C-222/84 Rn.15). Auch dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (EuGH, Urteil vom 22.12.2010 - Rs. C-279/09 Rn. 28, vom 15.04.2008 - Rs. C-268/06 Rn. 46, vom 13.03.2007 - Rs. C-432/05 Rn. 43 und vom 16.12.1976 - 33/76 Rn.5). Ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ist unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren vor den verschiedenen nationalen Stellen sowie des Ablaufs und der Besonderheiten dieses Verfahrens zu prüfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2002 - Rs. C-473/00 Rn. 37 und vom 14.12.1995 - Rs. C-312/93 Rn.14).
49 
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es nicht geboten, ein behördliches Vorverfahren mit einer diesem immanenten Rechtmäßigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzuschalten, das die Vorgaben des effektiven Rechtschutzes in jeder Hinsicht erfüllt. Auch Art. 19 Abs. 4 GG fordert dies übrigens gerade nicht (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83 u.a. - juris Rn. 105 m.w.N.). Ein Anspruch des Einzelnen auf ein „Maximum“ an Verfahrensrechten und den unveränderten Fortbestand einer einmal eingeräumten verfahrensrechtlichen Möglichkeit besteht nicht - zumal wenn diese wie das „Vier-Augen-Prinzip“ aus einer bestimmten historischen Situation als Kompensation für eine früher weit verbreitete zu geringe gerichtliche Kontrolldichte erfolgte.
50 
d) Aus dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und dem „Recht auf gute Verwaltung“ nach Art. 41 GRCh (vgl. zu den dort eingeräumten Rechten Jarass, GRCh-Kommentar, 2010, Art. 41 Rn. 21 ff.) ergibt sich für den Kläger ebenfalls kein Recht auf Durchführung eines Vorverfahrens.
51 
3. Ein Widerspruchsverfahren ist ferner nicht mit Blick auf die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln nach Art. 7 ARB 2/76, Art. 13 ARB 1/80 oder Art. 41 Abs. 1 ZP einzuräumen. Selbst wenn man die Ansicht nicht teilen würde, schon aus dem Urteil „Ziebell“ ergebe sich hinreichend deutlich, der Gerichtshof halte das Fehlen eines Vorverfahrens auch unter dem Aspekt der Stillhalteklauseln nicht für problematisch, lässt sich feststellen, dass dessen Abschaffung keinen Verstoß gegen die Stillhalteklauseln darstellt.
52 
a) Der Kläger kann sich als im Bundesgebiet geborener Familienangehöriger eines türkischen Arbeitnehmers auf Art. 13 ARB 1/80 berufen. Nach dieser am 01.12.1980 in Kraft getretenen Regelung dürfen die Mitgliedstaaten für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß ist, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel, die unmittelbar wirkt (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62, vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 58 f. und vom 20.09.1990 - Rs. C-192/89 Rn. 26), verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die für ihn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 in dem entsprechenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62), wobei den Mitgliedstaaten auch untersagt ist, nach dem Stichtag eingeführte günstigere Regelungen wieder zurückzunehmen, selbst wenn der nunmehr geltende Zustand nicht strenger ist als der am Stichtag geltende (siehe zu dieser „zeitlichen Meistbegünstigungsklausel“ EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 49 ff ). Die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verfolgt das Ziel, günstigere Bedingungen für die schrittweise Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu schaffen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 und vom 21.10.2003 - Rs. C-317/01 Rn. 72 ff.). Normadressat ist ausschließlich der einzelne Mitgliedstaat mit Blick auf dessen nationales Recht, nicht die Europäische Union als Vertragspartner des Assoziationsabkommens EWG/Türkei. Deren Befugnisse werden durch diese Stillhalteklausel nicht beschränkt. Vom Wortlaut her schützt das Unterlassungsgebot der Standstillklausel zwar ausschließlich den unveränderten Zugang zum Arbeitsmarkt, es entfaltet gleichwohl mittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkungen, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (EuGH, Urteil vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 62 ff. und vom 29.04.2010 - Rs. C-92/09 Rn. 44 ff.) oder der Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet beendet werden soll (vgl. auch Renner, 9. Aufl., 2011, § 4 Rn. 197). Bei der Bestimmung, wann eine Maßnahme eine „neue Beschränkung“ darstellt, orientiert sich der Gerichtshof gleichermaßen an den mit Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 ZP verfolgten Zielen und erstreckt die Tragweite der Stillhalteverpflichtung auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (EuGH, Urteil vom 09.12.2010 - Rs. C-300/09 Rn. 52 ff.), wobei eine solche materieller und/oder verfahrensrechtlicher Art sein kann (EuGH, Urteil vom 21.07.2011 - Rs. C-186/10 Rn. 22, vom 29.04.2010 - Rs. C-92/07 Rn. 49, vom 17.09.2009 - Rs. C-242/06 Rn. 64 und vom 20.09.2007 - Rs. C-16/05 Rn. 69). Nach diesen Grundsätzen stellt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keine „neue Beschränkung“ dar.
53 
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 13 ARB 1/80 war nach dem damals geltenden § 68 VwGO und dem baden-württembergischen Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22.03.1960 (GBl. 1960, 94) in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.1979 (GBl. 1979, 549) auch bei der Ausweisung eines türkischen Staatsangehöriger ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die in der vorliegenden Fallkonstellation nunmehr vorgesehene Zuständigkeit einer Mittelbehörde für den Erlass der Ausweisungsverfügung (§ 6 Nr. 1 AAZuVO) und das gesetzlich deswegen angeordnete Entfallen des Vorverfahrens (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO BW vom 14.10.2008; vgl. auch die Vorgängervorschrift § 6a AGVwGO BW vom 01.07.1999) ist keine Änderung, die geeignet wäre, die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erschweren oder die einem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten materiellen Rechte zu beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob das Widerspruchsverfahrens nur als Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens angesehen wird (vgl. hierzu Bader, u.a. VwGO, 5. Aufl. 2011, Vor §§ 68 ff. Rn. 49), oder ob es auch als Teil des Prozessrechts begriffen wird (i.S.e. Doppelcharakters Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb § 68 Rn. 14), ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dessen Wegfall zu einer merklichen Verschlechterung der Rechtsposition türkischer Staatsangehöriger führt. Eine rechtliche Beeinträchtigung des Betroffenen durch die Abschaffung des Vorverfahrens wird im Übrigen auch nicht in anderen rechtlichen Konstellationen außerhalb des Aufenthaltsrechts angenommen.
54 
Grund für den letztlich allein rechtspolitisch gewählten Weg eines weitgehenden Ausschluss des Vorverfahrens in Baden-Württemberg war die Erkenntnis gewesen, dass entsprechend einer evaluierten Verwaltungspraxis jedenfalls in den Fällen, in denen das Regierungspräsidium die Ausgangsentscheidung getroffen hat, die Sach- und Rechtslage vor der ersten Verwaltungsentscheidung so umfassend geprüft wird, dass sich während des Vorverfahrens regelmäßig keine neuen Aspekte ergeben. Der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in den Fällen der Ausgangszuständigkeit der Mittelbehörden dient nicht nur deren Entlastung, sondern vor allem auch der Verfahrensbeschleunigung (vgl. näher die Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf der Landesregierung, LT Drs. 12/3862 vom 16.03.1999 sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses vom 22.04.1999, LT Drs. 12/3976). Die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens kann daher allenfalls als ambivalent begriffen werden. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens kommt in besonderem Maße dem Interesse des von einer Ausweisung betroffenen Ausländers entgegen, eine möglichst rasche gerichtliche Klärung zu erhalten. Zwar können etwa Mängel in der Ausweisungsentscheidung leichter behoben werden, wenn die Verwaltung „einen zweiten Blick“ hierauf wirft. Der Ausländer wird jedoch nicht belastet, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Vielmehr verbessert dies unter Umständen sogar seine Erfolgschancen bei Gericht. Als Kläger kann er auch all das bei Gericht geltend machen, was er in einem Widerspruchsverfahren vortragen könnte; das Verwaltungsgericht unterzieht die Ausweisung einer umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle, die insbesondere auch eine volle Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit einschließt. Lediglich die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung kann durch das Verwaltungsgericht nicht geprüft werden, was aber bei einer Gesamtbetrachtung der Wirkungen der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht negativ ins Gewicht fällt. Im Übrigen kam es nach den Angaben des Vertreters des Beklagten zu Zeiten des noch bestehenden Widerspruchsverfahrens jedenfalls auf dem Gebiet des Ausländer- bzw. Aufenthaltsrechts praktisch nicht vor, dass allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen von einer Ausweisung Abstand genommen wurde - gerade in den Fällen der Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger und den hohen Anforderungen des Art. 14 ARB 1/80 spielte dieser Gesichtspunkt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle, da er insoweit ausschließlich Rechtsvoraussetzungen und Rechtsgrenzen formuliert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht wie auch das Assoziationsrecht für Beschränkungen der Freizügigkeit nicht zwingend eine Ermessensentscheidung verlange. Der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung, die das deutsche System von Ist- und Regelausweisung aber nicht zulasse. Nicht erforderlich sei eine behördliche Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten, ein Handlungsermessen der Ausländerbehörde. Die Ausweisung unterliege hinsichtlich der qualifizierten Gefahrenschwelle und des Verhältnismäßigkeitsprinzips voller gerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Lediglich deshalb, weil das nationale Recht neben der Ist- und Regelausweisung nur die Ermessensausweisung kennt, ist im Rahmen dieses Instrumentariums dann, wenn die Eingriffsschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 erreicht ist, gleichwohl eine Ermessensentscheidung zu treffen. National-rechtlich ist die Frage einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit in einem weiteren Behördenverfahren gleichfalls weder in § 10 AuslG 1965 noch in den späteren Änderungen im Ausweisungsrecht vorgegeben.
55 
Abgesehen davon bedeutet die Stillhalteverpflichtung auch nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens- und -prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (EuGH, Urteil vom 18.10.2011 -Rs. C-128/09 - Rn. 52). Lässt eine Änderung des Verfahrens aber - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor, zumal wenn man gebührend in Rechnung stellt, dass im Widerspruchsverfahren auch formelle wie materielle Fehler der Ausgangsbehörde zu Lasten des Betroffenen behoben werden können (Bader, VwGO, a.a.O., § 68 Rn. 4, 7, 10; § 79 Rn. 2 ff.).
56 
b) Geht man davon aus, dass der Kläger seine Eigenschaft als Arbeitnehmer nicht verloren hat und hält daher auch den am 20.12.1976 in Kraft getretenen Art. 7 ARB 2/76 für anwendbar, so gilt nichts anderes (vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 7 ARB 2/76 neben Art. 13 ARB 1/80 EuGH, Urteil vom 20.09.1990 -Rs. C-192/89 Rn. 18 ff.). Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Union und die Türkei für Arbeitnehmer, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Mit Art. 7 ARB 2/76 wird gegenüber Art. 13 ARB 1/80 insoweit nur der zeitliche Bezugspunkt für neue Beschränkungen verändert, ohne dass diese jedoch inhaltlich anders zu bestimmen wären.
57 
c) Ein Verstoß gegen die seit 01.01.1973 geltende Stillhalteklausel nach 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation - ZP - scheidet schon deshalb aus, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt selbstständig erwerbstätig war.
58 
4. Eine Fortgeltung des „Vier-Augen-Prinzips“ nach der Richtlinie 64/221/ EWG folgt auch nicht aus dem völkerrechtlichen Charakter des Assoziationsabkommens.
59 
Die Europäische Kommission hat in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2006 (JURM(2006)12099) in der Rechtssache „Polat“ (C-349/06) die Auffassung vertreten, bei der Auslegung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen des Assoziationsabkommens oder darauf gestützter Rechtsakte wie Art. 14 ARB 1/80 sei davon auszugehen, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklichen wollten, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr Union) seinerzeit verwirklicht worden sei. Hieraus folge, dass die Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG durch die Unionsbürgerrichtlinie auf die Auslegung des Assoziationsabkommens und der aufgrund dessen erlassenen Rechtsakte keinen Einfluss haben könne. Der Inhalt völkerrechtlicher Verträge könne sich nämlich nicht automatisch durch eine spätere Änderung der Rechtslage eines Vertragspartners ändern. Das Wesen des Völkerrechts bestehe gerade darin, dass sich die souveränen Vertragsparteien nur selbst verpflichten können, heteronome Normsetzung komme in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. Eine solche heteronome Normsetzung läge aber vor, wenn sich die Änderung der internen Rechtslage der Gemeinschaft unmittelbar auf die Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger, die durch völkerrechtlichen Regelungen festgelegt sei, auswirken könnte (vgl. im Einzelnen die Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 Rn. 57 ff., beziehbar unter www.migrationsrecht.net). Diese Ausführungen sind nahezu wortgleich auch in der Stellungnahme enthalten, die die Kommission am 02.12.2008 in der Rechtssache „Ziebell“ abgegeben hat (JURM(08)12077 - Rn. 32 ff.)
60 
Diese Auffassung beruht jedoch allein auf einer eigenen Interpretation des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ vom 02.06.2005 (Rs. C-136/03 - Rn.61 bis 64) durch die Kommission (vgl. insoweit Rn. 57 der Stellungnahme im Verfahren C-349/06 und Rn. 33 der Äußerung in der Rechtssache C-371/08: „Die Kommission versteht diese Rechtsprechung wie folgt:“). Der Gerichtshof hat diese Interpretation allerdings weder im Urteil „Polat“ noch in späteren Entscheidungen aufgegriffen. Aus dem Urteil in der Rechtssache „Ziebell“ und dem dort eingeschlagenen Lösungsweg (siehe hierzu oben 1.) ergibt sich sogar mit aller Deutlichkeit, dass der Gerichtshof, der für sich die Kompetenz zur Auslegung des Assoziationsrechts in Anspruch nimmt, diese Auffassung nicht teilt. Die Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 14.04.2011 im Verfahren „Ziebell“ (vgl. insb. Rn. 57) lassen ebenfalls ersehen, dass auch von dieser Seite dem dogmatischen Ansatz der Kommission insoweit keine Bedeutung beigemessen wird. Die von der Kommission befürwortete Auslegung des Urteils in der Rechtssache „Dörr und Ünal“ überzeugt den Senat auch deshalb nicht, weil die Ansicht der Kommission zu dem Ergebnis führen könnte, dass in dieser Regelungsmaterie unter Umständen notwendig werdende Änderungen des Unionsrechts zum Nachteil von Unionsbürgern überhaupt nicht mehr oder nur noch um den Preis einer Diskriminierung möglich wären.
61 
Im Übrigen heißt es in der Stellungnahme der Kommission vom 15.12.2006 ebenso wie in derjenigen vom 02.12.2008, dass „in etwa dasselbe Schutzniveau verwirklicht werden sollte, welches in der Richtlinie 64/221/EWG für Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit verwirklicht worden sei.“ Dieses Schutzniveau für die türkischen Staatsangehörigen wird jedoch durch die Abschaffung des „Vier-Augen-Prinzips“ bei gleichzeitig verbessertem Rechtsschutz gewahrt.
62 
Nach alledem liegt im Fall des Klägers durch die Nichtbeachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ kein unheilbarer Verfahrensfehler vor.
II.
63 
Da der Kläger eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genießt, kann gem. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 sein Aufenthalt nur beendet werden, wenn dieses aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist.
64 
1. Nach der ständigen und mittlerweile gefestigten Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs ist in diesem Zusammenhang zur Auslegung der assoziationsrechtlichen Begrifflichkeiten auf die für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union geltenden Grundsätze zurückzugreifen (vgl. zuletzt Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 52, insbesondere auch Rn. 67 m.w.N.). Allerdings scheidet ein Rückgriff auf die weitergehenden Schutzwirkungen des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wegen der grundsätzlich unterschiedlichen durch diese Richtlinie vermittelten Rechtstellung des Unionsbürgers aus (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - Rs. C-371/08 Rn. 73).
65 
Der Europäische Gerichtshof ist hiernach der Auffassung, dass der Ausweisungsschutz nach der Aufhebung der bisher für seine Rechtsprechung zum Ausweisungsschutz von assoziationsrechtlich geschützten türkischen Staatsangehörigen sinngemäß bzw. analog (vgl. hierzu nunmehr EuGH, Urteil vom 08.12.2010 - Rs. C-317/08 Rn. 58) berücksichtigten Richtlinie 64/221 entsprechend den Grundsätzen des erhöhten Ausweisungsschutzes nach Art. 12 der Richtlinie 2003/109, der sog. Daueraufenthaltsrichtlinie zu bestimmen ist. Diejenigen Drittstaatsangehörigen, die die Rechtsstellung eines Daueraufenthaltsberechtigten genießen, können hiernach nur dann ausgewiesen werden, wenn sie eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen (Urteil vom 08.12.2011 – Rs C-371/08 Rn. 79). Wie sich unschwer aus den weiteren Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil in der Sache Ziebell ablesen lässt (vgl. Rn. 80 ff.), folgt hieraus aber kein andersartiges Schutzniveau, als es bis zum Inkrafttreten der Unionsbürgerrichtlinie für Freizügigkeit genießende Arbeitnehmer der Union galt (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 26.02.1975 - Rs 67/74 ; vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ; vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ; vom 18.05.1982 - Rs. 115 und 116/81 ; vom 18.05.1989 - Rs. 249/86 ; vom 19.01.1999 - Rs C-348/96 ). Soweit der Gerichtshof die Tatsache anspricht, dass Herr Ziebell sich mehr als zehn Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (vgl. Rn. 79, auch Rn. 46), wird damit kein eigenständiges erhöhtes materielles Schutzniveau eingeführt, sondern lediglich eine dem Vorabentscheidungsverfahren zugrunde liegende Tatsache wiedergegeben. Diese Schlussfolgerung ist auch deshalb unausweichlich, weil der Daueraufenthaltsrichtlinie, anders als der Unionsbürgerrichtlinie eine Zehnjahresschwelle fremd ist. Vielmehr setzt der erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie nur einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und darüber hinaus nach Art. 7 der Richtlinie die ausdrückliche Verleihung der Rechtsstellung voraus.
66 
Kann ein assoziationsrechtlich geschützter türkischer Staatsangehöriger nur dann ausgewiesen werden, wenn er eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, so steht dem auch entgegen, dass die Ausweisungsverfügung auf wirtschaftliche Überlegungen gestützt wird.
67 
Weiter haben die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, bevor sie eine solche Verfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen (Urteil vom 08.12.2011 - Rs C-371/08 Rn. 80).
68 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Ausnahmen und Abweichungen von der Grundfreiheit der Arbeitnehmer eng auszulegen, wobei deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann (vgl. Rn. 81 mit dem Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 
Somit dürfen Maßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, nur getroffen werden, wenn sich nach einer Einzelfallprüfung durch die zuständigen nationalen Behörden herausstellt, dass das individuelle Verhalten der betroffenen Person eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Bei dieser Prüfung müssen die Behörden zudem sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, wahren (vgl. Rn. 82 wiederum mit Hinweis auf das Urteil vom 22.12.2010 - Rs C-303/08 Rn. 57 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 
Eine Ausweisung darf daher nicht automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung oder zum Zweck der Generalprävention, um andere Ausländer vor der Begehung von Straftaten abzuschrecken, angeordnet werden (Rn. 83 Urteil vom 22.12.2010, Bozkurt, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 
Der Gerichtshof betont im Urteil vom 08.12.2011 (Rn. 85) zudem ausdrücklich, dass die nationalen Gerichte und Behörden anhand der gegenwärtigen Situation des Betroffenen die Notwendigkeit des beabsichtigten Eingriffs in dessen Aufenthaltsrecht zum Schutz des vom Aufnahmemitgliedstaat verfolgten berechtigten Ziels gegen alle tatsächlich vorliegenden Integrationsfaktoren abwägen müssen, die die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob das Verhalten des türkischen Staatsangehörigen gegenwärtig eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Sämtliche konkreten Umstände sind angemessen zu berücksichtigen, die für seine Situation kennzeichnend sind, wie namentlich besonders enge Bindungen des betroffenen Ausländers zur Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, in deren Hoheitsgebiet er geboren oder auch nur aufgewachsen ist.
72 
Demzufolge sind für die Feststellung der Gegenwärtigkeit der konkreten Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch alle nach der letzten Behördenentscheidung eingetretenen Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für das in Rede stehende Grundinteresse darstellen soll (Rn. 84; vgl. u. a. Urteil vom 11.11.2004 - Rs C-467/02 Rn. 47).
73 
Wenn der Gerichtshof schließlich in der konkreten Antwort auf die Vorlagefrage (Rn. 86) noch davon spricht, dass die jeweilige Maßnahme für die Wahrung des Grundinteresses „unerlässlich“ sein muss, ohne dass dieses in den vorangegangenen Ausführungen näher angesprochen und erörtert worden wäre, so kann dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Ausweisungsentscheidung gewissermaßen die „ultima ratio“ sein muss und dem Mitgliedstaat keinerlei Handlungsalternative mehr offen stehen darf. Denn bei einem solchen Verständnis ginge der Schutz der assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen weiter als der von Unionsbürgern, was mit Art. 59 ZP nicht zu vereinbaren wäre. Vielmehr wird mit dieser Formel mit anderen Worten nur der in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern entwickelte Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie insbesondere nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. etwa Urteil vom 26.11.2002 - Rs C-100/01 Rn. 43; vom 30.11.1995 - Rs C-55/94, Rn. 37; vom 28.10.1975 - Rs 36/75 ), wobei insoweit eine besonders sorgfältige Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist.
74 
Der vom Gerichtshof entwickelte Maßstab verweist - anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht - nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern nur auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich auf „ein Grundinteresse der Gesellschaft, das tatsächlich berührt sein muss“. Dabei ist zu beachten, dass eine in der Vergangenheit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung allein nur dann eine Ausweisung rechtfertigen kann, wenn die ihr zugrunde liegenden Umstände ein künftiges persönliches Verhalten erwarten lassen, das die beschriebene Gefährdung ausmacht (EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - Rs C-482 und 493/01 ). Die Gefährdung kann sich allerdings auch allein aufgrund eines strafgerichtlich abgeurteilten Verhaltens ergeben (EuGH, Urteil vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 ). Andererseits kann und darf es unionsrechtlich gesehen keine Regel geben, wonach bei schwerwiegenden Straftaten das abgeurteilte Verhalten zwangsläufig die hinreichende Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten begründet. Maßgeblich ist allein der jeweilige Einzelfall, was eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen erfordert (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30.06.1998 - 1 C 27.95 - InfAuslR 1999, 59). Wenn der Umstand, dass eine oder mehrere frühere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, für sich genommen ohne Bedeutung für die Rechtfertigung einer Ausweisung ist, die einem türkischen Staatsangehörigen Rechte nimmt, die er unmittelbar aus dem Beschluss Nr. 1/80 ARB 1/80 ableitet (vgl. auch Urteil vom 04.10.2007 - C-349/06 Rn. 36), so muss das Gleiche erst recht für eine Maßnahme gelten, die im Wesentlichen nur auf die Dauer der Inhaftierung des Betroffenen gestützt wird.
75 
Der Gerichtshof billigt den Mitgliedstaaten bei der Beurteilung dessen, was ein eigenes gesellschaftliches „Grundinteresse“ sein soll, einen gewissen Spielraum zu (vgl. Urteil vom 28.10.1975 - Rs. 36/75 ). Gleichwohl bleiben die Begriffe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemeinschafts- bzw. unionsrechtliche Begriffe, die nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgelegt werden können.
76 
Für die Festlegung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr und des Maßes der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch bei der Anwendung der dargestellten unionsrechtlichen Grundsätze entsprechend dem allgemein geltenden aufenthalts- wie ordnungsrechtlichen Maßstab ein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gelten mit der Folge, dass insbesondere bei einer Gefährdung des menschlichen Lebens oder bei drohenden schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3). Dieser Sichtweise ist mit den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Dessen Rechtsprechung lassen sich keine verifizierbaren und tragfähigen Ansätze für eine derartige weitgehende Relativierung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes entnehmen; sie werden vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 02.09.2009 sowie in der dort in Bezug genommenen anderen Entscheidungen auch nicht bezeichnet. Das vom Gerichtshof gerade regelmäßig herausgestellte Erfordernis der engen Auslegung der Ausnahmevorschrift und die inzwischen in ständiger Spruchpraxis wiederholten Kriterien der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung eines gesellschaftlichen Grundinteresses, der die Vorstellung zugrunde liegt, dass im Interesse einer möglichst umfassenden Effektivierung der Grundfreiheiten die Aufenthaltsbeendigung und damit die vollständige Unterbindung der jeweils in Frage stehenden Grundfreiheit unter dem strikten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit steht, lassen ein solches Verständnis nicht zu. Es wäre auch nicht durch den den Mitgliedstaaten eingeräumten Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des jeweiligen Grundinteresses gedeckt. Denn andernfalls wäre gerade die hier unmittelbar unions- bzw. assoziationsrechtlich gebotene und veranlasste enge Auslegung nicht mehr gewährleistet (so schon Senatsurteil vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291).
77 
Dem restriktiven, vom Verhältnismäßigkeitsprinzip und „effet utile“ geprägten Verständnis des Gerichtshofs liegt abgesehen davon die Vorstellung einer die gesamte Union in den Blick nehmenden Sichtweise zugrunde. Alle Mitgliedstaaten haben nämlich auch eine Verantwortung für die gesamte Union (vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV). Mit dieser wäre es schwerlich vereinbar, dass ein Mitgliedstaat ein zunächst einmal genuin auf seinem Territorium aufgetretenes und entstandenes Risiko für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch die Absenkung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs für sich so aus der Welt schafft, dass er sich des Verursachers dieses Risiko gewissermaßen zu Lasten aller anderen Mitgliedstaaten räumlich entledigt. Denn zunächst einmal bewirkt die Beendigung der Freizügigkeit und die Außer-Landes-Schaffung des früheren Straftäters durch einen EU-Mitgliedstaat im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten nichts und hätte keine Auswirkungen auf dessen Freizügigkeit in allen anderen Mitgliedstaaten. Allerdings wäre es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, wenn der Betreffende dort gerade auch für diesen Mitgliedstaat eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung darstellte, seinerseits die Freizügigkeit zu beschränken. Dennoch widerspricht diese Art von „Gefahrenexport“ zu Lasten anderer Mitgliedstaaten dem Geist des EU-Vertrags. Auch wenn diese Überlegungen im Rahmen der Assoziation EWG-Türkei nicht unmittelbar tragfähig sind, weil diese keine Freizügigkeit innerhalb der Union gewährleistet, so ändert dies angesichts des vom Europäischen Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung praktizierten Übernahme der unionsrechtlichen Grundsätze nichts an der Gültigkeit der Annahme, dass ein „gleitender Wahrscheinlichkeitsmaßstab“ auch nach Assoziationsrecht einer tragfähigen Grundlage entbehrt.
78 
Andererseits ist nach Auffassung des Senats das Kriterium der tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auch eine „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne der traditionellen Begrifflichkeit des deutschen Polizei- und Ordnungsrechts vorliegen muss, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung kann daher nach Auffassung des Senats dann ausgegangen werden, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spricht, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten wird.
79 
2. Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Ausweisungsverfügung als ermessensfehlerfrei (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
80 
Aufgrund der langjährigen kriminellen Karriere, nach dem im letzten Strafverfahren erstellten Gutachten Dr. W... vom 11.11.2009 sowie der vom Senat eingeholten Stellungnahme der JVA Heilbronn vom 23.01.2012 (Frau G...), in der im Einzelnen dargestellt wird, dass der Kläger kaum Interesse an der Aufarbeitung seiner Vergangenheit an den Tag gelegt hat, besteht für den Senat kein Zweifel, das vom Kläger nach wie vor eine erhebliche konkrete Gefahr der Begehung weiterer erheblicher und schwerer Straftaten ausgeht, wodurch das für eine Ausweisung erforderliche Grundinteresse der Gesellschaft unmittelbar berührt ist. Es ist namentlich nach der Stellungnahme der JVA Heilbronn nichts dafür ersichtlich, dass sich beim Kläger etwas Grundsätzliches gebessert haben könnte. Es fehlt hiernach jeder greifbare und glaubhafte, geschweige denn Erfolg versprechende Ansatz dafür, dass der Kläger bereit sein könnte, sich seiner kriminellen Vergangenheit zu stellen und hieran aktiv zu arbeiten. Im Gegenteil: Aus der Stellungnahme wird hinreichend deutlich, dass der Kläger - von guten Arbeitsleistungen abgesehen -sich einer Aufarbeitung der grundlegenden Problematik konsequent verweigert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vom Beklagten angesprochene und verneinte Frage, ob ihm eine Resozialisierung im dem Land, in dem er geboren und überwiegend aufgewachsen ist, um deren Erfolg willen ermöglicht werden muss, nicht. Der Senat ist sich mit dem Regierungspräsidium Stuttgart der Tatsache bewusst, dass der Kläger, der nie wirklich längere Zeit in der Türkei gelebt hat, mit ganz erheblichen Problemen im Falle der Rückkehr konfrontiert sein wird. Andererseits geht der Senat davon aus, dass er mit Rücksicht auf seinen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei im Kindesalter über die nötige Sprachkompetenz verfügt, um in der Türkei eine neue Basis für sein Leben finden zu können. Angesichts des von ihm ausgehenden erheblichen Gefährdungspotential für bedeutende Rechtsgüter erweist sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er - nicht zuletzt bedingt durch seine häufige Straffälligkeit - zu keinem Zeitpunkt über eine gesicherte und gewachsene eigenständige wirtschaftliche Grundlage verfügt hat, die Ausweisung als verhältnismäßig: Sie stellt namentlich keinen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben dar. Der Umstand, dass im Bundesgebiet noch nahe Angehörige des immerhin bereits knapp 26 Jahre alten Klägers leben, gebietet keine andere Sicht der Dinge.
81 
Auch die Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat keine neuen Aspekte ergeben. Vielmehr wurde die Stellungnahme vom 23.01.2012 bestätigt. Insbesondere konnte der Kläger keine plausible Erklärung dafür geben, weshalb er die verschiedenen Angebote im Strafvollzug zur Aufarbeitung seiner Taten nicht wahrgenommen hatte.
III.
82 
Die Ausweisung ist auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil sie unbefristet erfolgt ist. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348/2008, S. 98 ff. – Rückführungsrichtlinie, im Folgenden RFRL), deren Art. 11 Abs. 1 grundsätzlich die Befristung des mit einer Rückkehrentscheidung einhergehenden Einreiseverbots anordnet. Denn eine Ausweisung ist schon keine Rückkehrentscheidung im Sinne dieser Richtlinie.
83 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 - juris) in diesem Zusammenhang u.a. ausgeführt:
84 
„Diese Richtlinie, deren Umsetzungsfrist am 24.12.2010 abgelaufen war, soll mit dem zum 26.11.2011 in Kraft getreten „Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex“ vom 22.11.2011 (BGBl. I, 2258) umgesetzt werden. Nach Art. 2 Abs. 1 RFRL findet sie auf solche Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten; sie regelt die Vorgehensweise zu deren Rückführung. Art. 3 Nr. 2 RFRL definiert den illegalen Aufenthalt wie folgt: „die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen, die nicht oder nicht mehr die Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 des Schengener Grenzkodex oder andere Voraussetzungen für die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den dortigen Aufenthalt erfüllen, im Hoheitsgebiet diese Mitgliedstaats“ (vgl. auch den 5. Erwägungsgrund).
85 
Der Umstand, dass eine Ausweisung gegebenenfalls erst das Aufenthaltsrecht des Ausländers zum Erlöschen bringt (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und damit dessen „illegalen Aufenthalt“ begründet (vgl. auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), macht diese nicht zu einer Rückführungsentscheidung. Daran ändert nichts, dass nach der deutschen Rechtslage häufig die Abschiebungsandrohung mit der die Illegalität des Aufenthalts herbeiführenden Verfügung verbunden ist (vgl. hierzu den ausdrücklichen Vorbehalt in Art. 6 Abs. 6 RFRL). Art. 3 Nr. 4 RFRL umschreibt die Rückkehrentscheidung als „die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird.“ Nach der Struktur des deutschen Aufenthaltsrechts stellt die Ausweisung hiernach aber keine „Rückkehrentscheidung“ im Sinne von Art. 6 und Art. 3 Nr. 4 RFRL dar (so schon Urteile des Senats vom 04.05.2011 - 11 S 207/11 - InfAuslR 2011, 291, und vom 20.10.2011 - 11 S 1929/11 - juris ; Gutmann, InfAuslR 2011, 13; Westphal/Stoppa, Report Ausländer- und Europarecht Nr. 24, November 2011 unter www.westphal-stoppa.de; a.A. Hörich, ZAR 2011, 281, 283 f.; Fritzsch, ZAR 2011, 297, 302 f.; Stiegeler, Asylmagazin 2011, 62, 63 ff.; vorl. Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2010 zur einstweiligen Umsetzung der Richtlinie - Az.: M I 3 - 215 734/25, S. 3; vgl. auch Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 24 K 5524/10 - juris). Dass die Ausweisung selbst nicht in den Anwendungsbereich der Rückführungsrichtlinie fällt, macht auch folgende Überlegung deutlich: Die Richtlinie ist Teil des Programms der Union zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Mit ihr soll mitgliedstaatsübergreifend das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (aus dem gesamten Gebiet der Union) von solchen Drittstaatsangehörigen, die von vornherein oder nicht mehr die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat erfüllen, vereinheitlicht und unter Wahrung der berechtigten Belange der Betroffenen und der Humanität effektiviert werden (vgl. etwa die 5. und 11. Begründungserwägung). Zugleich soll auch durch Einreiseverbote, die unionsweit Geltung beanspruchen, die vollzogene Aufenthaltsbeendigung für die Zukunft abgesichert werden (vgl. die 14. Begründungserwägung). Andererseits soll – gewissermaßen als Kehrseite des Einreiseverbots – durch dessen grundsätzliche Befristung unübersehbar den Betroffenen eine Perspektive der Rückkehr eröffnet werden. Der Zweck der Richtlinie geht jedoch nicht dahin, ein eigenständiges unionsrechtliches Instrumentarium zur Bekämpfung der Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schaffen, die von Drittstaatsangehörigen ausgehen, namentlich von solchen, die bislang einen legalen Aufenthalt hatten. Der Aspekt der Wahrung bzw. Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat nur insoweit mittelbare, dort aber zentrale Relevanz, als es um die Modalitäten der Aufenthaltsbeendigung geht, wie sie etwa in Art. 7 und 8 bzw. Art. 15 ff. RFRL bestimmt sind. Er ist jedoch nicht der eigentliche Geltungsgrund der Richtlinie. Ob gegebenenfalls nach der nationalen Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats eine Ausweisung auch eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie darstellen kann, ist insoweit unerheblich (vgl. zu Italien EuGH, Urteil vom 28.04.2011 - C-61/11 PPU - [El Dridi] InfAuslR 2011, 320, Rn. 50).
86 
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass nach dem nationalen Ausländerrecht eine Ausweisung auch gegenüber solchen Ausländern erlassen werden kann, die sich bereits illegal im Mitgliedstaat aufhalten. Auch eine derartige Ausweisung stellt nicht die Illegalität fest und erlegt nicht dem Betroffenen die Ausreisepflicht auf. Die Feststellung der Illegalität und damit der bereits bestehenden Ausreisepflicht geschieht, da der Gesetzgeber kein eigenständiges Institut der „Rückkehrentscheidung“ eingeführt hat, nach dem nationalen Recht vielmehr typischerweise gerade durch die Abschiebungsandrohung – sofern nicht ausnahmsweise auf eine solche verzichtet werden darf (vgl. z.B. § 58a AufenthG); in diesem Fall wäre die Abschiebungsanordnung als Rückkehrentscheidung zu qualifizieren. Die Abschiebungsandrohung enthält auch die nach Art 7 RFRL in einer Rückkehrentscheidung zu setzende Frist für eine freiwillige Ausreise (vgl. § 59 Abs. 1 a.F. sowie § 59 Abs. 1 AufenthG n.F.).
87 
Die Ausweisung ist nicht etwa deshalb als „Rückkehrentscheidung“ anzusehen, weil sie nach nationalem Recht als solche ausgestaltet wäre. Wie ausgeführt, verbindet allerdings nach der bisherigen, wie auch nach der aktuellen Rechtslage das nationale Recht in § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit der Ausweisung ausdrücklich ein Einreiseverbot, das in Satz 2 zusätzlich um das Verbot der Erteilung eines Aufenthaltstitels erweitert wird. Zwar bestimmt Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL ausdrücklich, dass auch in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen kann. Das nationale Recht kann danach vorsehen, dass selbst dann, wenn kein Fall des Absatzes Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL vorliegt (d.h. keine Fristsetzung in der Abschiebungsandrohung oder tatsächliche Abschiebung), in Folge einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot verhängt werden kann. Es muss sich jedoch immer noch um eine Rückkehrentscheidung handeln. Das ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, an die Ausweisung ein Einreiseverbot zu knüpfen, überschreitet die begrifflichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie. Daran ändert der Umstand nichts, dass der nationale Gesetzgeber der (irrigen) Auffassung war, mit der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG spezifisch und ausschließlich für die Ausweisung von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch zu machen (vgl. ausdrücklich BTDrucks 17/5470, S. 39). Diese „Opt-Out-Klausel“ beträfe etwa den Abschiebungsfall des § 58 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG; insoweit wurde aber in Bezug auf die Folgen einer Abschiebung gerade hiervon kein Gebrauch gemacht. Da die Ausweisung keine Rückkehrentscheidung darstellt, steht die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, nach wie vor an die Ausweisung selbst ein zunächst unbefristetes Einreiseverbot zu knüpfen, nicht im Widerspruch zu unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. hierzu noch im Folgenden).“
88 
Ergänzend und vertiefend ist noch auszuführen: Gegen die Annahme, die Ausweisung sei keine Rückkehrentscheidung, kann auch nicht die Legaldefinition des „illegalen Aufenthalts“ in Art. 3 Nr. 2 RFRL eingewandt werden. Zwar erweckt der pauschale und undifferenzierte Verweis auf Art. 5 SDK auf den ersten Blick den Eindruck, es könnten auch Fälle gemeint sein, in denen materielle Einreise- bzw. Aufenthaltsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind und somit auch in einem solchen Fall ein illegaler Aufenthalt vorläge. Dagegen sprechen aber bereits das in Art. 6 Abs. 6 RFRL vorausgesetzte Verständnis des „legalen Aufenthalts“ und der dort vorgenommenen ausdrücklichen Abgrenzung zur „Rückkehrentscheidung“. Entscheidend für ein Verständnis im Sinne eines allein formell zu verstehenden illegalen Aufenthalts spricht die Begründung des Kommissionsentwurfs (vgl. KOM/2005/ 0391endg vom 1.9.2005). Hiernach ist der Befund eindeutig. Unter I 3 Ziffer 12 wird ausdrücklich ausgeführt, dass Regelungsgegenstand der Richtlinie nicht die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung/Sicherheit sei. Unter I 4 wird zu „Kapitel II“ weiter dargelegt, die Vorschriften der Richtlinie seien auf jede Art von illegalem Aufenthalt anwendbar (z.B. Ablauf eines Visums, Ablauf eines Aufenthaltstitels, Widerruf oder Rücknahme eines Aufenthaltstitels, endgültige Ablehnung eines Asylantrags, Aberkennung des Flüchtlingsstatus, illegale Einreise). Nicht Gegenstand seien die Gründe und Verfahren für die Beendigung eines rechtmäßigen Aufenthalts. Für dieses Verständnis spricht auch die in Anspruch genommene Rechtsgrundlage des Art. 63 Abs. 3 lit. b) EG. Im Übrigen entspricht der im Gesetzgebungsverfahren neu eingefügte Verweis auf Art. 5 SDK sachlich dem früheren Verweis auf Art. 5 SDÜ, der auch materielle Regelungen enthielt. Demzufolge stellen auch Widerruf, Rücknahme oder nachträgliche Befristung keine Rückkehrentscheidung dar.
89 
Ausgehend hiervon war der Beklagte unionsrechtlich nicht gehalten, von vornherein von Amts wegen eine Befristung der Ausweisung auszusprechen.
90 
Eine Befristung war auch nicht aus sonstigen Gründen der Verhältnismäßigkeit auszusprechen, namentlich um dem Kläger eine Rückkehrperspektive zu eröffnen. Zum einen bestünde eine solche im Falle des ledigen Klägers nach Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohnehin nicht. Zum anderen besteht gegenwärtig keine tatsächlich ausreichend gesicherte Grundlage für eine solche Entscheidung, da eine sachgerechte Prognose, dass überhaupt und ggf. wann der Ausweisungsanlass entfallen sein wird, nicht angestellt werden kann. Es wäre unauflöslich widersprüchlich, im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das Vorliegen der (hohen) Ausweisungsvoraussetzungen anzunehmen und gleichzeitig eine sachgerechte Prognose anstellen zu wollen, dass diese mit hinreichender Sicherheit bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt entfallen sein werden. Daher hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch fehlerfrei vorsorglich eine Befristung abgelehnt. Wenn die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG für den Fall einer auf einer strafgerichtlichen Verurteilung beruhenden Ausweisung eine Überschreitung der Fünfjahresfrist zulässt, ohne dass dieses von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig gemacht wird, so ist dem die Option immanent, ausnahmsweise von der Setzung einer Frist abzusehen, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Frist sachgerecht und willkürfrei überhaupt nicht bestimmt werden kann. Zur Klarstellung weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass diese nationale Vorgabe, da es sich bei der Ausweisung schon keine Rückkehrentscheidung handelt, keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, weshalb insoweit auch keine Entscheidung von Amts wegen getroffen werden muss (anders für eine allein generalpräventiv begründete Ausweisung nunmehr BVerwG, Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11).
91 
Wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie qualifizieren, so hätte der nationale Gesetzgeber hier von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht und die formellen wie materiellen Befristungsvorgaben des Art. 11 Abs. 2 RFRL ohne Verstoß gegen Unionsrecht nicht in nationales Recht umgesetzt. Die Tatsache, dass er gleichwohl das nationale Recht insoweit gegenüber der früheren Rechtslage modifiziert und auch dem Grundsatz nach bei strafgerichtlichen Verurteilungen eine Fünfjahresfrist vorgegeben hätte, die im Einzelfall überschritten werden darf, stellt kein unzulässiges teilweises Gebrauchmachen von der Opt-Out-Klausel dar, sondern nur die Wahrnehmung eines eigenständigen nationalen Gestaltungsspielraums (a.A. wohl OVGNW, Urteil vom 13.12.2011 - 12 B 19.11 - juris).
92 
Abgesehen davon könnte, wenn wie hier eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 11 Abs. 2 Satz 2 RFRL vorliegt – nicht anders als im nationalen Recht – im Ausnahmefall die Bestimmung einer Frist vorläufig unterbleiben, sofern, wie bereits oben ausgeführt, eine solche gegenwärtig nicht bestimmt werden kann. Der Beklagte hätte daher, wie dargelegt, zu Recht von einer Bestimmung abgesehen, wenn man die vom Senat nicht geteilten Auffassung verträte, dass hier Art. 11 Abs. 2 RFRL uneingeschränkt anzuwenden wäre.
IV.
93 
Die vom Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 und 5 AufenthG. Bereits aus deren Begründung ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie nur für den Fall des Eintritts der Unanfechtbarkeit Geltung beanspruchen soll. Im Übrigen hat der Beklagte dies in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich klargestellt.
94 
Im Zusammenhang mit dem Erlass der Abschiebungsandrohung war auch im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben keine Entscheidung über die Befristung eines mit einer späteren Abschiebung einhergehenden Einreiseverbots zu treffen.
95 
Der Senat hat im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11) hierzu ausgeführt:
96 
„Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass demgegenüber unter dem Aspekt des Einreiseverbots die Abschiebungsandrohung sowie die Abschiebungsanordnung einer abweichenden und differenzierten Betrachtung bedürfen. Nach Art. 11 Abs. 1 UA 1 RFRL gehen „Rückkehrentscheidungen“ mit einem Einreiseverbot einher, a) falls keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt wurde, oder b) falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Gemäß Art. 11 Abs. 1 UA 2 RFRL kann in anderen Fällen eine Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot einhergehen. Nach Art. 11 Abs. 2 RFRL wird die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und überschreitet grundsätzlich nicht fünf Jahre. Sie kann jedoch fünf Jahre überschreiten, wenn der Drittstaatsangehörige eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Art. 3 Nr. 6 RFRL definiert das Einreiseverbot als die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme, mit der die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und der dortige Aufenthalt für einen bestimmten Zeitraum untersagt wird und die mit einer Rückkehrentscheidung einhergeht. Daraus folgt, dass spätestens mit der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eines „illegal aufhältigen“ Ausländers von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung (vgl. auch Art. 12 Abs. 1 RFRL) über das Einreiseverbot und dessen Dauer zu treffen ist (vgl. auch den 14. Erwägungsgrund). Mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben ist es bereits nicht zu vereinbaren, wenn § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG an die Abschiebung selbst unmittelbar kraft Gesetzes ein Einreiseverbot knüpft. Es ist demnach unerlässlich, dass die zuständige Behörde entweder in der Rückkehrentscheidung (also etwa der Abschiebungsandrohung) oder in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang hiermit für den unter Umständen noch nicht feststehenden Fall einer späteren Vollstreckung (vgl. Art. 11 Abs. 1 UA 1 lit. b) RFRL) von Amts wegen eine individuelle Einzelfallentscheidung trifft. Spätestens jedoch mit der Anordnung der Abschiebung, ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt oder nicht (vgl. GK-AufenthG, § 58 AufenthG Rn. 52 ff.), oder aber wiederum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang damit muss diese Entscheidung über ein Einreiseverbot und dessen Befristung getroffen werden, wobei nach Art. 11 Abs. 2 RFRL eine Befristung des Einreiseverbots die Regel ist und ein unbefristetes Verbot allenfalls ausnahmsweise erfolgen kann. Diesen Vorgaben genügt § 11 Sätze 1, 3 und 4 AufenthG nicht (a.A. Saarl. OVG, Beschluss vom 18.10.2011 - 2 A 352/11 - a.a.O.). Mit der aktuellen Regelung, wonach erst später und nur auf Antrag eine Befristung vorzunehmen ist, würde das von der Richtlinie intendierte Regel-Ausnahme-Verhältnis „auf den Kopf gestellt“ und das unbefristete Einreiseverbot zunächst zum gesetzlichen Regelfall ausgestaltet. Dies lässt sich auch nicht mit einer dem nationalen Gesetzgeber grundsätzlich eingeräumten Verfahrensautonomie rechtfertigen (so aber Thym und Kluth in der Anhörung des Innenausschusses am 27.6.2011, Drs 17(A)282 F, S. 3 bzw. 17(4)282 A, S. 2). Denn der Rekurs auf eine dem Grundsatz nach richtigerweise anzuerkennende Verfahrensautonomie wäre hier unauflösbar widersprüchlich, weil mit der Konzeption der Richtlinie unvereinbar. Der Vorbehalt zugunsten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie reicht nur soweit, als Unionsrecht keine abweichenden bindenden Vorgaben enthält, was hier gerade der Fall ist. Diese Konzeption dient im Übrigen nicht nur den öffentlichen Interessen der Mitgliedstaaten und der Union (vgl. 14. Erwägungsgrund), sondern soll, wie bereits erwähnt, auch den Betroffenen sofort eine Rückkehrperspektive für die Zukunft eröffnen (oder ausnahmsweise auch deutlich machen, dass eine solche jedenfalls derzeit nicht besteht). Die Entscheidung der Behörde hat daher nach der Konzeption des Art. 11 RFRL auch von Amts wegen zu erfolgen. Dieses bereits von Anfang an festzusetzende Einreiseverbot unterliegt dann weitergehend nach Art. 11 Abs. 3 RFRL der Überprüfung und Korrektur. Demzufolge hat die Ausländerbehörde entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG spätestens im Zuge der zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung eine Entscheidung darüber zu treffen, wie lange das Einreiseverbot gelten soll.
97 
Zur Klarstellung seiner Ausführungen im Urteil vom 07.12.2011 (11 S 897/11 – juris Rn. 83) weist der Senat auch darauf hin, dass die oben (vgl. III.) dargestellte Einschränkung hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen auch in Bezug auf die nach einer Ausweisung ergehende Rückkehrentscheidung und das mit ihr einhergehende Einreiseverbot selbst gilt, weil die Bundesrepublik Deutschland nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht nur hinsichtlich der Folgewirkungen der Ausweisung, sondern auch hinsichtlich derer einer späteren Abschiebung insoweit von der „Opt-Out-Klausel“ des Art. 2 Abs. 2 lit. b) RFRL Gebrauch gemacht hat, die allgemein alle Fälle einer aufgrund bzw. infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung eintretenden Rückehrpflicht betrifft.
98 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
99 
Die Revision wird zugelassen, weil die unter III. und IV. aufgeworfenen Fragen der Anwendung und Auslegung der Rückführungsrichtlinie Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
100 
Beschluss vom 10. Februar 2012
101 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
102 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2015 - 5 K 3589/13 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots.
Der Kläger wurde nach seinen Angaben am ...1957 in Buffalo im Bundesstaat New York geboren. Er reiste im Jahr 1986 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, den er später zurücknahm. Er ist seit seiner Einreise nicht im Besitz eines ausländischen Ausweisdokuments. Versuche, seine Staatsangehörigkeit zu klären, führten bislang nicht zum Erfolg.Am 18.03.1988 heiratete der Kläger eine deutsche Staatsangehörige. Die Ehe besteht nach wie vor. Die Ehefrau ist mittlerweile infolge eines Schlaganfalls schwerbehindert und auf Betreuungsleistungen angewiesen.
Der Kläger ist siebenmal strafrechtlich in Erscheinung getreten. U.a. verurteilte ihn am 11.07.1994 das Landgericht Stuttgart wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, in zwei Fällen in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Am 16.10.1997 folgte eine Verurteilung zu der Freiheitstrafe von zwei Jahren sechs Monaten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Zuletzt verurteilte das Landgericht Stuttgart den Kläger am 08.06.2006 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Nach (nahezu) vollständiger Verbüßung dieser Strafe wurde der Kläger am 31.10.2012 aus der Haft entlassen. Zuvor hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe durch Beschluss vom 02.02.2011 die bewährungsweise Aussetzung der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe abgelehnt.
Durch Beschluss vom 12.09.2012 hatte das Landgericht Stuttgart Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren nach Haftentlassung angeordnet und einen Bewährungshelfer bestellt.
Mit Verfügung vom 05.02.2007 hatte das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die gegen die Verfügung erhobene Klage blieb erfolglos (Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 25.07.2007 - 5 K 2538/07 -).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2013 beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Stuttgart die Befristung der Wirkungen der Ausweisung ohne vorherige Ausreise.
Der Kläger erhob am 27.09.2013 Untätigkeitsklage.
Mit Verfügung vom 06.05.2014 befristete das Regierungspräsidium Stuttgart die Wirkungen der Ausweisung vom 05.02.2007 auf drei Jahre, wobei die Frist mit der Ausreise/Abschiebung beginnt. Das Regierungspräsidium ging in der Verfügung davon aus, dass die Gefahr der Begehung weiterer schwerwiegender Straftaten hoch sei. Unter Berücksichtigung des Gewichts des Ausweisungsgrundes und des verfolgten Ausweisungszwecks setzt es in einem Schritt die Sperrfrist auf sieben Jahre nach erfolgter Ausreise/Abschiebung fest. Als Umstand für die Relativierung berücksichtigte es, dass der Kläger mit einer inzwischen über siebzigjährigen deutschen Ehefrau verheiratet ist, die im Jahr 1996 einen Schlaganfall erlitt hatte, seitdem auf den Rollstuhl angewiesen ist und er mit ihr in Stuttgart in häuslicher Gemeinschaft lebt. Eine Befristung auf sofort kam nach Auffassung des Regierungspräsidiums nicht in Frage. Die deutsche Ehefrau sei bei der Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht zwingend auf die Lebenshilfe des Klägers angewiesen, zumal sie sich dieser während der Inhaftierung des Klägers auch nicht habe bedienen können.
Im April 2014 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt Stuttgart die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart ein Klageverfahren anhängig.
10 
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, die in der Verfügung vorgenommene Interessenabwägung sei höchst peinlich. Die Bedeutung des im Haushalt verfügbaren Ehegattens zur Verrichtung der anfallenden Aufgaben sei übersehen worden. Dass es soziale Dienste gebe, mindere den verfassungsrechtlichen Rang des Angewiesenseins der Ehefrau auf seine Unterstützung nicht.
11 
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
12 
Durch Urteil vom 29.05.2015 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.05.2014 zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sofort und ohne vorherige Ausreise. Zur Begründung führte es aus:
13 
Bei der Bestimmung der Länge der Frist seien in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedürfe der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge. Bei einer aus generalpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung komme es - soweit sie zulässig sei - darauf an, wie lange von ihr noch eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer ausgehe. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist müsse sich aber in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Die Abwägung sei nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne in bestimmten Fällen eine vollständige Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung geboten sein. Dies könne zum einen deshalb geboten sein, weil seit der Verfügung einer nicht vollzogenen Ausweisung ein so langer Zeitraum verstrichen sei, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- oder generalpräventiven Gründe entfallen seien. Ein Anspruch auf vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG könne sich aber auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, etwa weil schützenswerte familiäre Belange im Sinne von Art. 6 GG dies erforderten. Die Beseitigung der in §11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung setze nicht die vorherige Ausreise des Ausländers voraus. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei dem Begehren des Klägers zu entsprechen. Allerdings sei auch das Gericht nicht davon überzeugt, dass praktisch ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger weitere schwerwiegende Straftaten begehen werde. Insbesondere sei der Kläger nach wie vor nicht bereit, das große Unrecht des zuletzt abgeurteilten versuchten Mordes einzusehen. So habe er in der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren die wenig glaubhafte Theorie von einer Verschwörung im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 28.11.2005 wiederholt; ferner habe er dem Landgericht eine beachtliche Voreingenommenheit wegen seiner Vorstrafen unterstellt. Nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zudem ein ausgeprägtes Anspruchsdenken, das eine Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtmäßigkeit und Moralität des eigenen Verhaltens offensichtlich erheblich erschwere. So habe der Kläger auf die gleich zu Beginn seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Umfang seiner Betreuungsleistungen für seine Ehefrau erst einmal sein erhebliches Unverständnis mit seiner ausländerrechtlichen Stellung geäußert; offensichtlich wolle er für sich einen Anspruch auf Aufenthalt in der Bundesrepublik (und wohl auch auf Einbürgerung) allein aus dem Umstand herleiten, dass er im Jahr 1988 eine deutsche Ehefrau habe heiraten dürfen und die Ehe fortbestehe. Dass aber etwa selbst das wiederholte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu keinen nennenswerten ausländerrechtlichen Konsequenzen geführt habe, übergehe der Kläger schlicht. Freilich schätzte das Gericht die Wiederholungsgefahr nicht mehr als besonders hoch ein. Die letzte Tat habe der Kläger vor neuneinhalb Jahren begangen; er gehe mittlerweile auf die sechzig zu. Die vollständige Verbüßung der langen Freiheitsstrafe habe den Kläger nach Einschätzung des Gerichts beeindruckt. Zudem sei nach Angaben der Bewährungshilfe der bisherige Verlauf der nunmehr auch schon rund zweieinhalb Jahre andauernden Führungsaufsicht positiv. Welche Länge die Frist ausgehend von den vorstehenden Erwägungen in dem ersten Schritt haben müsse, könne offenbleiben, denn unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts sei in jedem Fall die vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung geboten. Nach Auffassung des Gerichts verletze nämlich der mit der Setzung einer Frist verbundene faktische Zwang, das Bundesgebiet zu verlassen, den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichte Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhielten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene brauche es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit seien nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich seien. Das Gericht habe nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Ehefrau des Klägers auf dessen - von ihm tatsächlich erbrachte - Lebenshilfe angewiesen sei. Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, dass er nahezu sämtliche im Haushalt anfallenden Arbeiten erledige und auch seiner Ehefrau umfassend zur Seite stehe. Der Frage, ob die Lebenshilfe auch etwa durch die - nach Angaben des Klägers: drei - Kinder der Klägerin oder, wie während der Zeit seiner Inhaftierung, durch einen Sozialdienst erbracht werden könne, brauche das Gericht ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nachzugehen. Der Beistand könne auch nur in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
14 
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag des Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 04.09.2015 - dem Beklagten am 15.09.2015 zugestellt - die Berufung zugelassen.
15 
Am 14.10.2015 hat der Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags wie folgt begründet:
16 
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in der seit 01.08.2015 geltenden Fassung sei nunmehr über die Befristung der Ausweisungswirkungen und die Läge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Diese Ermessensentscheidung sei mittlerweile nachgeholt worden. Hiernach gehe vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus, wobei hier nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Ausmaß der drohenden Rechtsgutsverletzung sich relativierend auf das Maß der festzustellenden Eintrittswahrscheinlichkeit auswirke, weshalb im Fall des Klägers angesichts der begangenen Straftaten geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zu stellen seien. Zu berücksichtigen sei, dass beim Kläger bis 31.10.2017 Führungsaufsicht angeordnet worden sei, was aber nach § 68 Abs. 1 StGB vorausgesetzt habe, dass die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten gegeben sei. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht selbst davon ausgegangen, dass die Begehung weiterer Straftaten nicht ausgeschlossen werden könne. In einem ersten Schritt sei daher eine Frist auf sieben Jahre zugrunde gelegt worden. Vor Ablauf von sieben Jahren könne nicht davon ausgegangen werden, dass die spezial- und generalpräventiven Zwecke der Ausweisung erfüllt seien. Diese Frist sei dann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe auf drei Jahre reduziert worden. Da der Kläger mit Rücksicht auf die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen und deren gesundheitliche Situation (unter der Voraussetzung gleich bleibender Umstände) weiter geduldet werde, bestehe - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch kein faktischer Zwang zur Ausreise, um die Frist überhaupt in Lauf zu setzen. Sollte die Kriminalitätsprognose sich in der Zukunft zugunsten des Klägers verbessern, so bestehe die Möglichkeit einer weiteren Verkürzung der Frist bzw. der vollständigen Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots. Gegenwärtig bewirke die Fristsetzung, dass eine Aufenthaltsverfestigung verhindert werde. Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG solle das Verbot aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorlägen. Zwar lägen hier an sich die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vor. Allerdings liege in Anbetracht des massiven Fehlverhaltens des Klägers und seiner groben mehrfachen Missachtung der deutschen Rechtsordnung gegenwärtig noch eine Atypik vor, weshalb der Regelanspruch nicht bestehe und ein Titel nicht zu erteilen sei.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.05.2015 - 5 K 3589/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, das Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot auf den 31.10.2016 aufzuheben und höchst hilfsweise auf den 31.10.2016 nach vorheriger Ausreise zu befristen.
21 
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei ihm aufgrund europarechtlicher Erwägungen kein Ermessen eingeräumt und weiter eine rechtlich gebundene Entscheidung zu treffen. Es lägen aber keine spezialpräventiven Gründe mehr vor. Wenn auch nach Auffassung des Beklagten wegen des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG das Aufenthaltsverbot nicht durchsetzbar sei, so bestehe kein Raum für ein solches Verbot. Europarechtlich sei ein Zwischenstadium, wie das einer Duldung, gerade nicht vorgesehen. Die Nickeligkeiten des deutschen Fremdenrechts seien dem auf Einfachheit bedachten Unionsrecht fremd.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Ihm lagen die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (sofortige) Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot, er kann eine solche auch nicht auf den 31.10.2016 bzw. eine Befristung auf den 31.10.2016 (nach vorheriger Ausreise) beanspruchen.
24 
Nach der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen seit 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist über die Befristung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In einem sog. Altfall, wie er hier gegeben ist, kann dieses naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung nachzuholen.
25 
§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde über die Länge der Frist von dieser im Ermessenswege zu treffen ist. Davon ausgehend stellt sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall zwar als rechtmäßig dar (dazu unten 4.). Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass Entscheidungen nach § 11 AufenthG nF bei Ausweisungen aufgrund übergeordneter Gründe auch nach neuer Rechtslage als gebundene erfolgen müssen. Denn regelmäßig ist nur dadurch systemkonform die Verhältnismäßigkeit der zugrunde liegenden Ausweisung, die nunmehr stets als gebundene Entscheidung ergeht, sicherzustellen (dazu sogleich unter 1. bis 3.). Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 unverändert zu übertragen.
26 
1. Das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (BGBl I S. 2258) hatte das Bundesverwaltungsgericht zum Anlass einer umfassenden Neubestimmung des Befristungsregimes genommen und - jedenfalls in Ermangelung eines ausdrücklichen entgegenstehenden Wortlauts - die Fristbestimmung als gebundene Entscheidung interpretiert und letztlich am Antragserfordernis nicht mehr festgehalten, obwohl der Wortlaut der Norm an sich keine andere Interpretation zuließ. Es hat sich dabei zum einen von den unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie leiten lassen, aber ausdrücklich offen gelassen, ob etwa die Ausweisungsverfügung eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie ist. Weiter hat es das nationale Verfassungsrecht, nämlich die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, fruchtbar gemacht und schließlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK herangezogen. Es führt in diesem Zusammenhang im Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255 (vgl. auch Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - InfAuslR 2012, 397; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141) aus, dass in der Gesamtschau der sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Unionsrecht ergebenden Argumente und der erstmals mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 im Grundsatz eingeführten Höchstfrist von fünf Jahren die schützenswerten privaten Interessen des Betroffenen an der Befristung nunmehr in einer Weise aufgewertet seien, dass vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr angenommen werden könne, der Verwaltung sei ein Spielraum zur Rechtskonkretisierung im Einzelfall eingeräumt, der nur auf die Einhaltung äußerer Grenzen gerichtlich überprüfbar sei. Die Regelung sei auch in ihrem europäischen Gesamtzusammenhang betrachtet nunmehr so zu verstehen, dass dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei, um sein Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung zu sichern.
27 
Wenn der Gesetzgeber sich nunmehr entschieden hat, in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Prinzip der Ermessensentscheidung festzuschreiben, so sah er sich offenbar durch die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht daran gehindert, den früheren Rechtszustand bzw. die frühere Sichtweise wieder herzustellen (vgl. den Hinweis auf das Urteil vom 14.02.2012 in BT-Drucks. 18/4097, S. 36). Zwar ist in diesem Zusammenhang einzuräumen, dass das Bundesverwaltungsgericht auf den ersten Blick eine solche Interpretation herausgefordert hat, wenn es auf einen „offenen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F.“ hingewiesen und in der Schwebe gelassen hatte, was im Falle eines nicht offenen Wortlauts zu gelten hätte. Wenn aber Geltungsgrund des Anspruchs auf Befristung und uneingeschränkte richterliche Kontrolle verfassungsrechtliche, unionsrechtliche und menschenrechtliche Vorgaben sein sollen, die das „Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung“ sichern sollen, so kann die verfassungs- und völkerrechtliche Zulässigkeit eines Ermessensspielraums nicht tragfähig begründet werden. Hinzu kommt ein weiteres: Es bestehen ungeachtet des Ansatzes des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr grundlegende strukturelle Einwände gegen die Zulässigkeit der Einräumung eines Ermessensspielraums. Denn nach der neuen Rechtslage ergeht die Ausweisungsentscheidung selbst ausnahmslos und nicht nur im Ausnahmefall ohne jeden behördlichen Ermessensspielraum als eine rechtlich gebundene und umfassend interessenabwägende Entscheidung, die (lediglich) die Rechtsgrenze der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat. Dann aber stellte es einen strukturellen Widerspruch bzw. eine gedankliche Ungereimtheit dar, wenn hier ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum bestünde und der Ausländerbehörde eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre. Denn die Dauer des Verbots ist gleichfalls für das Gewicht der Interessenbetroffenheit des Ausländers von essentieller Bedeutung und gestaltet, wenn auch nicht formal, so doch inhaltlich untrennbar die durch die Ausweisung ausgelösten Folgen. Aus den vorgenannten verfassungsrechtlichen wie auch strukturellen Erwägungen folgt, dass bei der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kein behördlicher Ermessensspielraum bestehen kann (vgl. GK-AufenthG § 11 Rn. 65 ff; a.A. aber etwa Zeitler, in: HTK-AuslR, § 11 AufenthG zu Abs. 3 Nr. 1, ohne aber überhaupt auf die Problematik einzugehen). Der Senat kann an dieser Stelle allerdings offen lassen, ob in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Zurückweisung bzw. Abschiebung und deren Befristung eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen ist, denn in diesen Fällen dürfte der argumentative Ansatz nicht identisch sein.
28 
2. Was die Fristbestimmung im Einzelnen betrifft, so nimmt vor dem unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (RFRL) § 11 Abs. 3 Satz 2 eine grundsätzliche Differenzierung vor. In der Regel darf die Frist zunächst die Dauer von fünf Jahren nicht überschreiten. Ausnahmsweise darf diese Frist aber überschritten werden, wenn der oder die Betreffende aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde oder wenn von ihm/ihr eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese Ausnahmefrist darf sodann in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre festgesetzt werden.
29 
Aus dieser Differenzierung folgt zunächst im Ausgangspunkt, dass oberhalb der Grenze von fünf Jahren allein spezialpräventive Gründe für die Bestimmung der Fristlänge herangezogen werden dürfen, während unterhalb dieser Grenze grundsätzlich auch generalpräventive Überlegungen maßgeblich sein können (vgl. allerdings den missverständlichen Leitsatz Nr. 1, der davon spricht, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 a.F. allein spezialpräventiven Zwecken diene, der aber keine Entsprechung in den Entscheidungsgründen findet BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334; vgl. demgegenüber aber wieder Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - InfAuslR 2013, 418). Dieses gilt jedenfalls für die Fallgruppe der schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 Alt. 2. Für Alt. 1 - den Fall der strafgerichtlichen Verurteilung - gilt formal betrachtet keine Beschränkung auf spezialpräventive Gründe, wörtlich genommen müssen an sich überhaupt keine Gründe vorliegen (zur Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie GK-AufenthG § 11 Rn. 115). Gleichwohl ist auch hier das Befristungsregime in untrennbarem Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung zu sehen, die aus spezial- und ggf. generalpräventiver Erwägung den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleisten soll. Deshalb könnte eine Befristungsentscheidung, die nicht mehr der Absicherung und Gewährleistung der mit der Ausweisung selbst verfolgten Zwecke dient, keine Rechtfertigung finden, sie wäre nicht mehr erforderlich und letztlich unverhältnismäßig, weshalb allein der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung, ohne dass weitere die konkrete Befristung tragende und rechtfertigende Aspekte hinzutreten, eine Verlängerung von vornherein nicht zu rechtfertigen vermag.
30 
Die nunmehr gesetzlich in § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bestimmte Regelobergrenze von zehn Jahren ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet, wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellen soll, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden könne und sich die Persönlichkeitsentwicklung weiter in die Zukunft kaum abschätzen lasse, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - InfAuslR 2013, 169; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141; vom 14.5.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334). Ob diese Annahme ausreichend valide und daher sachgerecht ist bzw. ob es Aufgabe der Verwaltungsgerichte sein kann, ohne nähere Belege eine solche Grenze festzulegen, bedarf hier keiner Entscheidung (mehr). Denn die gesetzliche Festlegung einer solchen Regelfrist von 10 Jahren liegt in der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und überschreitet den hierdurch gesteckten Rahmen nicht, da sie nicht offenkundig sachfremd bzw. unzutreffend ist.
31 
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach der aktuellen Rechtslage die Frist von 10 Jahren überschritten werden darf, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung.
32 
Für den Regelfall, dass die Befristung zusammen mit der Ausweisung erfolgt, sieht mit § 11 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AufenthG das geltende Recht nunmehr vor, dass das Verbot auch aufgehoben werden kann. Aus diesem Grund ist formal betrachtet kein Raum mehr für eine bislang übliche Tenorierung, wonach die Befristung auf sofort (ohne vorherige Ausreise) erfolgt.
33 
Nach dem mittlerweile in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansatz (vgl. Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - InfAuslR 2014, 223 m.w.N.) ist die maßgebliche festzusetzende Frist (und für die Beantwortung der Frage, ob ein Verbot aufzuheben ist, gilt nichts anderes) in zwei deutlich voneinander zu trennenden Schritten zu ermitteln: Im ersten Schritt ist allein der Frage nachzugehen, ob die konkret mit der Ausweisung (besser: dem Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot) verfolgten Zwecke nach Ablauf der Frist aller Voraussicht erreicht sein werden, ob - mit anderen Worten - die spezial- und/oder ggf. generalpräventiven Zwecke eine Aufrechterhaltung des Verbots nach einer an dieser Stelle zu bestimmenden Höchstfrist nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. In einem zweiten Schritt sind sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdigen Interessen des Ausländers oder der Ausländerin in den Blick zu nehmen. Nur wenn und soweit die im ersten Schritt ermittelte Frist auch mit Verfassungs-, Unionsrecht und völkerrechtlichen Grundsätzen kompatibel ist, kann diese Bestand haben; erforderlichenfalls ist diese in dem gebotenen Maße zu verkürzen oder ggf. vollständig aufzuheben. Dabei haben Verwaltung und Rechtsprechung zwischen den oftmals erheblichen und gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Aufrechterhaltung des Verbots einerseits und den geschützten Interessen der Betroffenen einen praktisch verträglichen und verhältnismäßigen Ausgleich herzustellen. An dieser Entscheidungsstruktur ist auch nach der neuen Rechtslage festzuhalten. Sie findet ihren (andeutungsweisen) Niederschlag in § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wenn dort die Fallkonstellationen der Zweckerreichung und sodann die der noch nicht erfolgten Zweckerreichung bei gleichzeitig bestehenden (überwiegenden) schutzwürdigen Belangen angesprochen werden. Selbst wenn man im vorliegenden Zusammenhang von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, ist diese durch die Kriterien der zweistufigen Prüfung in der Regel in erheblichem Umfang gebunden.
34 
Strukturell sieht das Gesetz - verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich - vor, dass die jeweils gesetzte Frist erst mit der erfolgten Ausreise in Lauf gesetzt wird (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Nur im Fall der gänzlichen Aufhebung des Verbots wegen dessen Zweckerreichung oder aus Gründen der Wahrung überwiegender schutzwürdiger Belange des Ausländers oder der Ausländerin wird in diesem Fall eine vorherige Ausreise nicht vorausgesetzt; ein solches Erfordernis wäre nicht nur sinnlos, sondern auch in jeder Hinsicht unverhältnismäßig. Daher kann bereits aus Rechtsgründen auch das vom Kläger hilfsweise unterbreitete Begehren einer Aufhebung zu einem späteren Zeitpunkt (ohne vorherige Ausreise) von vornherein keinen Erfolg haben.
35 
3. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers eine Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze (sowohl unter dem Aspekt der strafgerichtlichen Verurteilung wie auch dem der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) zulässig und auch erforderlich ist. In Anbetracht der erheblichen vor der letzten Verurteilung begangenen Drogendelikte und der letzten Verurteilung wegen versuchten Mordes ist auch in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile drei Jahre wieder in Freiheit ist, unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der inmitten stehenden Rechtsgüter und demgemäß des möglicherweise drohenden großen Schadens noch von einem nicht zu vernachlässigenden Risiko der Begehung erheblicher Straftaten auszugehen. Die bereits vom Verwaltungsgericht bewerteten Stellungnahmen des Klägers zu der letzten Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Taten, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in bemerkenswerter Offenheit und Eindeutigkeit wiederholt hat, machen deutlich, dass von einer erfolgreichen Überwindung der strafrechtlichen Vergangenheit nicht ausgegangen werden kann. Dieses wird auch nicht zuletzt eindrucksvoll durch die Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz an die Strafvollstreckungskammer vom 04.09.2014 bestätigt, die eine Einstellung der Therapie befürwortet, weil sie trotz ihrer langen Dauer zu keiner Aufarbeitung der begangenen Straftat(en) geführt habe. Der Kläger hat dort und sodann gegenüber dem Verwaltungsgericht sowie dem Senat strikt in Abrede gestellt, das Opfer der der landgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tat mit Tötungsvorsatz rechtswidrig angegriffen zu haben, sondern sich auf Notwehr berufen. Das Urteil des Landgerichts enthält eine ausführliche und in sich stimmige Beweiswürdigung und liefert keinen Anhalt dafür, die Einlassung des Klägers auch nur ansatzweise für plausibel halten zu können. Die Risikoprognose wird auch nicht durch den Umstand infrage gestellt, dass sich der Kläger unter der angeordneten Führungsaufsicht in nicht zu beanstandender Weise verhalten hat. Auch wenn von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht keine Bindungswirkung für das Aufenthaltsrecht ausgeht, kann der Senat nicht außer Acht lassen, dass die Anordnung nach § 68 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass trotz Verbüßung der Freiheitsstrafe nach wie vor die konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im Falle des Klägers zunächst die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahre vollständig ausgeschöpft worden war und bislang eine Verkürzung nicht verfügt wurde (vgl. § 68c Abs. 1 StGB). Zwar hat der Bewährungshelfer mittlerweile bei der Strafvollstreckungskammer angeregt, die Dauer der Führungsaufsicht zu verkürzen. Dieses ist aber unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft sowie der Führungsaufsichtsstelle, insbesondere aber der Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz vom 04.09.2014 nicht zu erwarten, abgesehen davon, dass, wie bereits dargelegt, eine Bindung des Senats hiervon nicht ausginge. Auch muss angemessen in Rechnung gestellt werden, dass im Jahre 2011 (Beschluss vom 02.02.2011) der Antrag auf Aussetzung des Strafrestes mit nachvollziehbaren und anschaulich die Wiederholungsgefahr herausarbeitenden Argumenten von der Strafvollstreckungskammer abgelehnt worden war. Deren ausführliche Begründung steht der Annahme entgegen, die spezialpräventiven Gründe könnten mittlerweile vollständig entfallen oder so unbedeutend geworden sein, dass sie unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht mehr relevant sind.
36 
Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass - bei gleichbleibenden Verhältnissen - eine vollständige Ausschöpfung der Regelobergrenze von 10 Jahren nicht erforderlich ist. Der Senat lässt sich dabei maßgeblich von der Überlegung leiten, dass der Kläger mittlerweile über drei Jahre beanstandungsfrei in Freiheit lebt, weshalb von einem geringeren Risiko der Begehung weiterer erheblicher Straftaten auszugehen ist, als dieses noch zum Zeitpunkt der Freilassung aus der Strafhaft der Fall war. Der Senat sieht keine zwingende rechtliche Notwendigkeit, im ersten Beurteilungsschritt eine exakte Frist festzulegen, wenn ohnehin - wie hier - im zweiten Schritt eine erhebliche Reduzierung erfolgen muss. Allerdings muss etwa die Größenordnung bestimmt werden, um einerseits für die Bestimmung der Frist und die hierfür erforderliche Abwägung im zweiten Schritt einen ausreichend sicheren Ausgangs- und Anhaltspunkt festlegen zu können und andererseits für die Zukunft eine ausreichende Basis für eine etwa erforderlich werdende Verlängerungs- oder Verkürzungsentscheidung festzulegen. Hiernach erachtet der Senat eine moderate Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze und eine Einordnung im Bereich von etwa sieben Jahren für erforderlich, aber auch ausreichend, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist.
37 
Der Senat ist weiter der Auffassung, dass - auch heute und von heute an gerechnet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - 1 B 11.13 - juris) - eine Befristung von drei Jahren vor dem Hintergrund der konkreten Situation des Klägers, insbesondere seines Alters und der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, des Gesundheitszustands seiner deutschen Ehefrau und deren Betreuungsbedürftigkeit, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Unterstellt der Kläger würde heute ausreisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - a.a.O.), endeten die Wirkungen des Verbots etwas über ein Jahr nach Ablauf der angeordneten Führungsaufsicht. Wird der Kläger sich in diesem letzten Zeitraum - gerade ohne die Führungsaufsicht und ohne die Kontrolle durch einen Bewährungshelfer - weiter beanstandungsfrei verhalten, so wäre der Gesichtspunkt der Zweckverfolgung nicht mehr kompatibel mit schützenswerten Belangen des Klägers. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte allerdings im Ausgangspunkt zu Recht auf den vom Verwaltungsgericht übersehenen bzw. nicht ausreichend gewürdigten Umstand hin, dass den ehelichen und familiären Belangen gegenwärtig in ausreichendem Maße durch die Erteilung einer Duldung (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) Rechnung getragen werden kann und auch tatsächlich wird, gleichwohl besteht ein beachtliches Interesse des Klägers und seiner Ehefrau, dass sie in überschaubarer Zeit wieder eine Legalisierung des Aufenthalts erreichen können. Nach erfolgreichem Durchlaufen einer angemessenen und überschaubaren „Bewährungszeit“ nach Ablauf der Führungsaufsicht ist es aber, wie der Beklagte zutreffend erkannt hat, nicht mehr gerechtfertigt, dem Kläger eine weitere Legalisierungsperspektive zu verweigern. Sollten bis dahin negative Entwicklungen des Klägers zu Tage treten, so besteht nunmehr nach § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Möglichkeit, die Frist wieder nachträglich zu verlängern, wie es auch der Kläger in der Hand hat, im Falle wesentlicher positiver Veränderungen in seiner Person bzw. sonstiger Veränderungen seiner schützenswerten Belange, eine weitere Verkürzung zu beantragen.
38 
Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass unions- und europarechtlich der vorläufige Verweis auf eine Duldung zur Sicherung eines Mindestmaßes an Ehe- und Familienschutz nicht zulässig ist. Der Senat vermag insoweit keine bindenden Vorgaben zu erkennen. „Einfachheit“ ist kein unions- oder europarechtlich bindender Maßstab für die nationale Norminterpretation oder Normanwendung. Dem Beklagten ist darin zu folgen, dass die vorübergehende Aufrechterhaltung des Verbots ihre verhältnismäßige Rechtfertigung darin findet, dass jedenfalls eine Aufenthaltsverfestigung vermieden wird, um in dieser Zeit eine Konsolidierung und Stabilisierung des Klägers abwarten zu können. Sollten sich wesentliche Veränderungen zugunsten des Klägers ergeben, steht ihm, wie gesagt, ein weiterer Verkürzungsantrag offen.
39 
Eine Verpflichtung zur vollständigen Aufhebung des Verbots besteht hiernach nicht und folgt auch nicht aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit Rücksicht auf die nicht ausgeräumte Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Straftaten eine Atypik im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliegt. Deshalb kann auch offen bleiben, ob nicht auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung des Inhalts getroffen werden könnte, nicht vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen und damit die Erteilung des Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG abzulehnen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ebenfalls nicht vorlägen (vgl. auch GK-AufenthG § 11 Rn. 136).
40 
4. Aber selbst wenn man dem auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gestützten Ansatz des Beklagten folgt und von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, so ist die von ihm später nachgeholte Entscheidung und deren Begründung (vgl. deren Schriftsatz vom 13.10.2015 an den Senat) nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergibt, alle wesentlichen einzustellenden Abwägungsgesichtspunkte erkannt, nicht fehlerhaft gewichtet und angemessen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend abgewogen. Insbesondere ist er unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und in Ansehung der erheblichen Kriminalitätsbelastung des Klägers vor der letzten Verurteilung von einer noch relevanten und auch in Ansehung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht zu vernachlässigenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
43 
Beschluss vom 9. Dezember 2015
44 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf5.000,- EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (sofortige) Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot, er kann eine solche auch nicht auf den 31.10.2016 bzw. eine Befristung auf den 31.10.2016 (nach vorheriger Ausreise) beanspruchen.
24 
Nach der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen seit 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist über die Befristung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In einem sog. Altfall, wie er hier gegeben ist, kann dieses naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung nachzuholen.
25 
§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde über die Länge der Frist von dieser im Ermessenswege zu treffen ist. Davon ausgehend stellt sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall zwar als rechtmäßig dar (dazu unten 4.). Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass Entscheidungen nach § 11 AufenthG nF bei Ausweisungen aufgrund übergeordneter Gründe auch nach neuer Rechtslage als gebundene erfolgen müssen. Denn regelmäßig ist nur dadurch systemkonform die Verhältnismäßigkeit der zugrunde liegenden Ausweisung, die nunmehr stets als gebundene Entscheidung ergeht, sicherzustellen (dazu sogleich unter 1. bis 3.). Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 unverändert zu übertragen.
26 
1. Das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (BGBl I S. 2258) hatte das Bundesverwaltungsgericht zum Anlass einer umfassenden Neubestimmung des Befristungsregimes genommen und - jedenfalls in Ermangelung eines ausdrücklichen entgegenstehenden Wortlauts - die Fristbestimmung als gebundene Entscheidung interpretiert und letztlich am Antragserfordernis nicht mehr festgehalten, obwohl der Wortlaut der Norm an sich keine andere Interpretation zuließ. Es hat sich dabei zum einen von den unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie leiten lassen, aber ausdrücklich offen gelassen, ob etwa die Ausweisungsverfügung eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie ist. Weiter hat es das nationale Verfassungsrecht, nämlich die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, fruchtbar gemacht und schließlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK herangezogen. Es führt in diesem Zusammenhang im Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255 (vgl. auch Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - InfAuslR 2012, 397; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141) aus, dass in der Gesamtschau der sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Unionsrecht ergebenden Argumente und der erstmals mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 im Grundsatz eingeführten Höchstfrist von fünf Jahren die schützenswerten privaten Interessen des Betroffenen an der Befristung nunmehr in einer Weise aufgewertet seien, dass vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr angenommen werden könne, der Verwaltung sei ein Spielraum zur Rechtskonkretisierung im Einzelfall eingeräumt, der nur auf die Einhaltung äußerer Grenzen gerichtlich überprüfbar sei. Die Regelung sei auch in ihrem europäischen Gesamtzusammenhang betrachtet nunmehr so zu verstehen, dass dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei, um sein Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung zu sichern.
27 
Wenn der Gesetzgeber sich nunmehr entschieden hat, in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Prinzip der Ermessensentscheidung festzuschreiben, so sah er sich offenbar durch die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht daran gehindert, den früheren Rechtszustand bzw. die frühere Sichtweise wieder herzustellen (vgl. den Hinweis auf das Urteil vom 14.02.2012 in BT-Drucks. 18/4097, S. 36). Zwar ist in diesem Zusammenhang einzuräumen, dass das Bundesverwaltungsgericht auf den ersten Blick eine solche Interpretation herausgefordert hat, wenn es auf einen „offenen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F.“ hingewiesen und in der Schwebe gelassen hatte, was im Falle eines nicht offenen Wortlauts zu gelten hätte. Wenn aber Geltungsgrund des Anspruchs auf Befristung und uneingeschränkte richterliche Kontrolle verfassungsrechtliche, unionsrechtliche und menschenrechtliche Vorgaben sein sollen, die das „Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung“ sichern sollen, so kann die verfassungs- und völkerrechtliche Zulässigkeit eines Ermessensspielraums nicht tragfähig begründet werden. Hinzu kommt ein weiteres: Es bestehen ungeachtet des Ansatzes des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr grundlegende strukturelle Einwände gegen die Zulässigkeit der Einräumung eines Ermessensspielraums. Denn nach der neuen Rechtslage ergeht die Ausweisungsentscheidung selbst ausnahmslos und nicht nur im Ausnahmefall ohne jeden behördlichen Ermessensspielraum als eine rechtlich gebundene und umfassend interessenabwägende Entscheidung, die (lediglich) die Rechtsgrenze der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat. Dann aber stellte es einen strukturellen Widerspruch bzw. eine gedankliche Ungereimtheit dar, wenn hier ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum bestünde und der Ausländerbehörde eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre. Denn die Dauer des Verbots ist gleichfalls für das Gewicht der Interessenbetroffenheit des Ausländers von essentieller Bedeutung und gestaltet, wenn auch nicht formal, so doch inhaltlich untrennbar die durch die Ausweisung ausgelösten Folgen. Aus den vorgenannten verfassungsrechtlichen wie auch strukturellen Erwägungen folgt, dass bei der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kein behördlicher Ermessensspielraum bestehen kann (vgl. GK-AufenthG § 11 Rn. 65 ff; a.A. aber etwa Zeitler, in: HTK-AuslR, § 11 AufenthG zu Abs. 3 Nr. 1, ohne aber überhaupt auf die Problematik einzugehen). Der Senat kann an dieser Stelle allerdings offen lassen, ob in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Zurückweisung bzw. Abschiebung und deren Befristung eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen ist, denn in diesen Fällen dürfte der argumentative Ansatz nicht identisch sein.
28 
2. Was die Fristbestimmung im Einzelnen betrifft, so nimmt vor dem unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (RFRL) § 11 Abs. 3 Satz 2 eine grundsätzliche Differenzierung vor. In der Regel darf die Frist zunächst die Dauer von fünf Jahren nicht überschreiten. Ausnahmsweise darf diese Frist aber überschritten werden, wenn der oder die Betreffende aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde oder wenn von ihm/ihr eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese Ausnahmefrist darf sodann in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre festgesetzt werden.
29 
Aus dieser Differenzierung folgt zunächst im Ausgangspunkt, dass oberhalb der Grenze von fünf Jahren allein spezialpräventive Gründe für die Bestimmung der Fristlänge herangezogen werden dürfen, während unterhalb dieser Grenze grundsätzlich auch generalpräventive Überlegungen maßgeblich sein können (vgl. allerdings den missverständlichen Leitsatz Nr. 1, der davon spricht, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 a.F. allein spezialpräventiven Zwecken diene, der aber keine Entsprechung in den Entscheidungsgründen findet BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334; vgl. demgegenüber aber wieder Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - InfAuslR 2013, 418). Dieses gilt jedenfalls für die Fallgruppe der schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 Alt. 2. Für Alt. 1 - den Fall der strafgerichtlichen Verurteilung - gilt formal betrachtet keine Beschränkung auf spezialpräventive Gründe, wörtlich genommen müssen an sich überhaupt keine Gründe vorliegen (zur Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie GK-AufenthG § 11 Rn. 115). Gleichwohl ist auch hier das Befristungsregime in untrennbarem Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung zu sehen, die aus spezial- und ggf. generalpräventiver Erwägung den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleisten soll. Deshalb könnte eine Befristungsentscheidung, die nicht mehr der Absicherung und Gewährleistung der mit der Ausweisung selbst verfolgten Zwecke dient, keine Rechtfertigung finden, sie wäre nicht mehr erforderlich und letztlich unverhältnismäßig, weshalb allein der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung, ohne dass weitere die konkrete Befristung tragende und rechtfertigende Aspekte hinzutreten, eine Verlängerung von vornherein nicht zu rechtfertigen vermag.
30 
Die nunmehr gesetzlich in § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bestimmte Regelobergrenze von zehn Jahren ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet, wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellen soll, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden könne und sich die Persönlichkeitsentwicklung weiter in die Zukunft kaum abschätzen lasse, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - InfAuslR 2013, 169; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141; vom 14.5.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334). Ob diese Annahme ausreichend valide und daher sachgerecht ist bzw. ob es Aufgabe der Verwaltungsgerichte sein kann, ohne nähere Belege eine solche Grenze festzulegen, bedarf hier keiner Entscheidung (mehr). Denn die gesetzliche Festlegung einer solchen Regelfrist von 10 Jahren liegt in der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und überschreitet den hierdurch gesteckten Rahmen nicht, da sie nicht offenkundig sachfremd bzw. unzutreffend ist.
31 
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach der aktuellen Rechtslage die Frist von 10 Jahren überschritten werden darf, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung.
32 
Für den Regelfall, dass die Befristung zusammen mit der Ausweisung erfolgt, sieht mit § 11 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AufenthG das geltende Recht nunmehr vor, dass das Verbot auch aufgehoben werden kann. Aus diesem Grund ist formal betrachtet kein Raum mehr für eine bislang übliche Tenorierung, wonach die Befristung auf sofort (ohne vorherige Ausreise) erfolgt.
33 
Nach dem mittlerweile in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansatz (vgl. Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - InfAuslR 2014, 223 m.w.N.) ist die maßgebliche festzusetzende Frist (und für die Beantwortung der Frage, ob ein Verbot aufzuheben ist, gilt nichts anderes) in zwei deutlich voneinander zu trennenden Schritten zu ermitteln: Im ersten Schritt ist allein der Frage nachzugehen, ob die konkret mit der Ausweisung (besser: dem Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot) verfolgten Zwecke nach Ablauf der Frist aller Voraussicht erreicht sein werden, ob - mit anderen Worten - die spezial- und/oder ggf. generalpräventiven Zwecke eine Aufrechterhaltung des Verbots nach einer an dieser Stelle zu bestimmenden Höchstfrist nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. In einem zweiten Schritt sind sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdigen Interessen des Ausländers oder der Ausländerin in den Blick zu nehmen. Nur wenn und soweit die im ersten Schritt ermittelte Frist auch mit Verfassungs-, Unionsrecht und völkerrechtlichen Grundsätzen kompatibel ist, kann diese Bestand haben; erforderlichenfalls ist diese in dem gebotenen Maße zu verkürzen oder ggf. vollständig aufzuheben. Dabei haben Verwaltung und Rechtsprechung zwischen den oftmals erheblichen und gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Aufrechterhaltung des Verbots einerseits und den geschützten Interessen der Betroffenen einen praktisch verträglichen und verhältnismäßigen Ausgleich herzustellen. An dieser Entscheidungsstruktur ist auch nach der neuen Rechtslage festzuhalten. Sie findet ihren (andeutungsweisen) Niederschlag in § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wenn dort die Fallkonstellationen der Zweckerreichung und sodann die der noch nicht erfolgten Zweckerreichung bei gleichzeitig bestehenden (überwiegenden) schutzwürdigen Belangen angesprochen werden. Selbst wenn man im vorliegenden Zusammenhang von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, ist diese durch die Kriterien der zweistufigen Prüfung in der Regel in erheblichem Umfang gebunden.
34 
Strukturell sieht das Gesetz - verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich - vor, dass die jeweils gesetzte Frist erst mit der erfolgten Ausreise in Lauf gesetzt wird (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Nur im Fall der gänzlichen Aufhebung des Verbots wegen dessen Zweckerreichung oder aus Gründen der Wahrung überwiegender schutzwürdiger Belange des Ausländers oder der Ausländerin wird in diesem Fall eine vorherige Ausreise nicht vorausgesetzt; ein solches Erfordernis wäre nicht nur sinnlos, sondern auch in jeder Hinsicht unverhältnismäßig. Daher kann bereits aus Rechtsgründen auch das vom Kläger hilfsweise unterbreitete Begehren einer Aufhebung zu einem späteren Zeitpunkt (ohne vorherige Ausreise) von vornherein keinen Erfolg haben.
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3. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers eine Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze (sowohl unter dem Aspekt der strafgerichtlichen Verurteilung wie auch dem der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) zulässig und auch erforderlich ist. In Anbetracht der erheblichen vor der letzten Verurteilung begangenen Drogendelikte und der letzten Verurteilung wegen versuchten Mordes ist auch in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile drei Jahre wieder in Freiheit ist, unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der inmitten stehenden Rechtsgüter und demgemäß des möglicherweise drohenden großen Schadens noch von einem nicht zu vernachlässigenden Risiko der Begehung erheblicher Straftaten auszugehen. Die bereits vom Verwaltungsgericht bewerteten Stellungnahmen des Klägers zu der letzten Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Taten, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in bemerkenswerter Offenheit und Eindeutigkeit wiederholt hat, machen deutlich, dass von einer erfolgreichen Überwindung der strafrechtlichen Vergangenheit nicht ausgegangen werden kann. Dieses wird auch nicht zuletzt eindrucksvoll durch die Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz an die Strafvollstreckungskammer vom 04.09.2014 bestätigt, die eine Einstellung der Therapie befürwortet, weil sie trotz ihrer langen Dauer zu keiner Aufarbeitung der begangenen Straftat(en) geführt habe. Der Kläger hat dort und sodann gegenüber dem Verwaltungsgericht sowie dem Senat strikt in Abrede gestellt, das Opfer der der landgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tat mit Tötungsvorsatz rechtswidrig angegriffen zu haben, sondern sich auf Notwehr berufen. Das Urteil des Landgerichts enthält eine ausführliche und in sich stimmige Beweiswürdigung und liefert keinen Anhalt dafür, die Einlassung des Klägers auch nur ansatzweise für plausibel halten zu können. Die Risikoprognose wird auch nicht durch den Umstand infrage gestellt, dass sich der Kläger unter der angeordneten Führungsaufsicht in nicht zu beanstandender Weise verhalten hat. Auch wenn von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht keine Bindungswirkung für das Aufenthaltsrecht ausgeht, kann der Senat nicht außer Acht lassen, dass die Anordnung nach § 68 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass trotz Verbüßung der Freiheitsstrafe nach wie vor die konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im Falle des Klägers zunächst die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahre vollständig ausgeschöpft worden war und bislang eine Verkürzung nicht verfügt wurde (vgl. § 68c Abs. 1 StGB). Zwar hat der Bewährungshelfer mittlerweile bei der Strafvollstreckungskammer angeregt, die Dauer der Führungsaufsicht zu verkürzen. Dieses ist aber unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft sowie der Führungsaufsichtsstelle, insbesondere aber der Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz vom 04.09.2014 nicht zu erwarten, abgesehen davon, dass, wie bereits dargelegt, eine Bindung des Senats hiervon nicht ausginge. Auch muss angemessen in Rechnung gestellt werden, dass im Jahre 2011 (Beschluss vom 02.02.2011) der Antrag auf Aussetzung des Strafrestes mit nachvollziehbaren und anschaulich die Wiederholungsgefahr herausarbeitenden Argumenten von der Strafvollstreckungskammer abgelehnt worden war. Deren ausführliche Begründung steht der Annahme entgegen, die spezialpräventiven Gründe könnten mittlerweile vollständig entfallen oder so unbedeutend geworden sein, dass sie unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht mehr relevant sind.
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Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass - bei gleichbleibenden Verhältnissen - eine vollständige Ausschöpfung der Regelobergrenze von 10 Jahren nicht erforderlich ist. Der Senat lässt sich dabei maßgeblich von der Überlegung leiten, dass der Kläger mittlerweile über drei Jahre beanstandungsfrei in Freiheit lebt, weshalb von einem geringeren Risiko der Begehung weiterer erheblicher Straftaten auszugehen ist, als dieses noch zum Zeitpunkt der Freilassung aus der Strafhaft der Fall war. Der Senat sieht keine zwingende rechtliche Notwendigkeit, im ersten Beurteilungsschritt eine exakte Frist festzulegen, wenn ohnehin - wie hier - im zweiten Schritt eine erhebliche Reduzierung erfolgen muss. Allerdings muss etwa die Größenordnung bestimmt werden, um einerseits für die Bestimmung der Frist und die hierfür erforderliche Abwägung im zweiten Schritt einen ausreichend sicheren Ausgangs- und Anhaltspunkt festlegen zu können und andererseits für die Zukunft eine ausreichende Basis für eine etwa erforderlich werdende Verlängerungs- oder Verkürzungsentscheidung festzulegen. Hiernach erachtet der Senat eine moderate Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze und eine Einordnung im Bereich von etwa sieben Jahren für erforderlich, aber auch ausreichend, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist.
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Der Senat ist weiter der Auffassung, dass - auch heute und von heute an gerechnet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - 1 B 11.13 - juris) - eine Befristung von drei Jahren vor dem Hintergrund der konkreten Situation des Klägers, insbesondere seines Alters und der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, des Gesundheitszustands seiner deutschen Ehefrau und deren Betreuungsbedürftigkeit, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Unterstellt der Kläger würde heute ausreisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - a.a.O.), endeten die Wirkungen des Verbots etwas über ein Jahr nach Ablauf der angeordneten Führungsaufsicht. Wird der Kläger sich in diesem letzten Zeitraum - gerade ohne die Führungsaufsicht und ohne die Kontrolle durch einen Bewährungshelfer - weiter beanstandungsfrei verhalten, so wäre der Gesichtspunkt der Zweckverfolgung nicht mehr kompatibel mit schützenswerten Belangen des Klägers. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte allerdings im Ausgangspunkt zu Recht auf den vom Verwaltungsgericht übersehenen bzw. nicht ausreichend gewürdigten Umstand hin, dass den ehelichen und familiären Belangen gegenwärtig in ausreichendem Maße durch die Erteilung einer Duldung (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) Rechnung getragen werden kann und auch tatsächlich wird, gleichwohl besteht ein beachtliches Interesse des Klägers und seiner Ehefrau, dass sie in überschaubarer Zeit wieder eine Legalisierung des Aufenthalts erreichen können. Nach erfolgreichem Durchlaufen einer angemessenen und überschaubaren „Bewährungszeit“ nach Ablauf der Führungsaufsicht ist es aber, wie der Beklagte zutreffend erkannt hat, nicht mehr gerechtfertigt, dem Kläger eine weitere Legalisierungsperspektive zu verweigern. Sollten bis dahin negative Entwicklungen des Klägers zu Tage treten, so besteht nunmehr nach § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Möglichkeit, die Frist wieder nachträglich zu verlängern, wie es auch der Kläger in der Hand hat, im Falle wesentlicher positiver Veränderungen in seiner Person bzw. sonstiger Veränderungen seiner schützenswerten Belange, eine weitere Verkürzung zu beantragen.
38 
Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass unions- und europarechtlich der vorläufige Verweis auf eine Duldung zur Sicherung eines Mindestmaßes an Ehe- und Familienschutz nicht zulässig ist. Der Senat vermag insoweit keine bindenden Vorgaben zu erkennen. „Einfachheit“ ist kein unions- oder europarechtlich bindender Maßstab für die nationale Norminterpretation oder Normanwendung. Dem Beklagten ist darin zu folgen, dass die vorübergehende Aufrechterhaltung des Verbots ihre verhältnismäßige Rechtfertigung darin findet, dass jedenfalls eine Aufenthaltsverfestigung vermieden wird, um in dieser Zeit eine Konsolidierung und Stabilisierung des Klägers abwarten zu können. Sollten sich wesentliche Veränderungen zugunsten des Klägers ergeben, steht ihm, wie gesagt, ein weiterer Verkürzungsantrag offen.
39 
Eine Verpflichtung zur vollständigen Aufhebung des Verbots besteht hiernach nicht und folgt auch nicht aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit Rücksicht auf die nicht ausgeräumte Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Straftaten eine Atypik im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliegt. Deshalb kann auch offen bleiben, ob nicht auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung des Inhalts getroffen werden könnte, nicht vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen und damit die Erteilung des Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG abzulehnen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ebenfalls nicht vorlägen (vgl. auch GK-AufenthG § 11 Rn. 136).
40 
4. Aber selbst wenn man dem auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gestützten Ansatz des Beklagten folgt und von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, so ist die von ihm später nachgeholte Entscheidung und deren Begründung (vgl. deren Schriftsatz vom 13.10.2015 an den Senat) nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergibt, alle wesentlichen einzustellenden Abwägungsgesichtspunkte erkannt, nicht fehlerhaft gewichtet und angemessen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend abgewogen. Insbesondere ist er unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und in Ansehung der erheblichen Kriminalitätsbelastung des Klägers vor der letzten Verurteilung von einer noch relevanten und auch in Ansehung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht zu vernachlässigenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
43 
Beschluss vom 9. Dezember 2015
44 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf5.000,- EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Streitwert beträgt höchstens 30 Millionen Euro, soweit kein niedrigerer Höchstwert bestimmt ist.