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| Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts für Personalmanagement der Bundeswehr vom 10.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.03.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. |
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| Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Entlassungsbescheids sind weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich. Der Kläger wurde vor seiner Entlassung gemäß § 55 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs. 2 SG angehört. Ebenso erfolgte eine Anhörung des Personalrats gem. § 24 Abs. 1 Nr. 6 SGB i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 SBG, nachdem der Kläger dessen Anhörung nicht abgelehnt hatte. |
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| Die Entlassung ist auch materiell rechtmäßig. |
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| Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. |
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| Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger, der noch keine vier Jahre Dienst geleistet hat, hat schuldhaft Dienstpflichten verletzt (dazu 1.). Sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis würde die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden (dazu 2.). Die danach eröffnete Ermessensausübung der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden (dazu 3.). |
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| 1. Der Kläger hat durch seine Beteiligung an den als „Taufe“ bezeichneten Aufnahmeritualen und an dem „Gefangenenspiel“ schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, wobei nach Auffassung der Kammer nahe liegt, dass es sich nicht nur bei den „Taufen“, sondern auch bei dem „Gefangenenspiel“ um ein Aufnahmeritual gehandelt hat. Hierfür spricht neben den Parallelen im Ablauf - in beiden Fällen werden Soldaten in den Duschraum verbracht und mit Wasser abgespritzt - auch, dass die sog. „Opfer“ des „Gefangenenspiels“ jedenfalls nach Aktenlage wohl zuvor noch keinem Aufnahmeritual in Form der „Taufe“ unterzogen worden waren. Außerdem gibt es Äußerungen von Beteiligten und Zeugen, die sämtliche Vorfälle als Aufnahmerituale bezeichneten. Dies kann jedoch letztlich offen bleiben, da sich an der Einordnung als Dienstpflichtverletzung und an der rechtlichen Bewertung im Übrigen - wie die folgenden Ausführungen zeigen - nichts ändert. |
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| Der Einwand des Klägers, er habe bei den Vorfällen selbst „nicht Hand angelegt“, sondern sei jeweils nur „indirekt beteiligt“ gewesen, stellt seine aktive Beteiligung an den Vorfällen nicht in Frage. Es steht fest, dass der Kläger bei zwei Vorfällen vor September/Oktober 2016 und beim Geschehen im Oktober/November 2016 dabei gewesen ist und sich - nach seinen eigenen Aussagen - zum Kreis der „Täter“ hinzurechnete und von allen Beteiligten eindeutig als „Täter“ benannt wurde. Er gehörte zum Kreis derer, die die Aufnahmerituale durchführten. Zudem spricht viel dafür, dass er die Aufnahmerituale in der Truppe propagiert haben dürfte, auch indem er Kameraden gezielt darauf angesprochen haben dürfte. So berichtete der Zeuge L. in seiner Vernehmung (vgl. Niederschrift über die Vernehmung eines Zeugen vom 13.01.2017, Beschwerdeakte, S. 13) dass er vom Kläger „gleich zum Beginn seiner Dienstzeit im Bereich Unterstützung“ erfahren habe, dass es für die neu zu versetzenden Soldaten ein Aufnahmeritual gebe. Dies sei ihm durch ein Video auf dem Smartphone des Klägers vorgeführt worden. Auch wenn der Kläger selbst die „Opfer“ nicht gefesselt oder sonst angefasst und mit Wasser überspritzt haben sollte, beteiligte er sich an der Verabredung und Planung der Vorkommnisse, unterstützte die übrigen „Täter“ während der Vorfälle jedenfalls psychisch durch seine Anwesenheit, wurde von den „Opfern“ und unbeteiligten Zeugen als ein aktiver Teil der „Täter“-Gruppe wahrgenommen und trug somit auch zu deren einschüchternder Wirkung bei. Jedenfalls die Inszenierung des „Gefangenenspiels“ im Oktober/November 2016 förderte er dadurch, dass er sich - wie er selbst in seiner Befragung angab -, mit einer ABC-Maske maskierte. Insbesondere dient als Anknüpfungspunkt für Dienstpflichtverletzungen des Klägers auch der Umstand, dass er zumindest den Vorfall im Oktober/November 2016 mit einem Handy filmte und hiervon Fotos machte, wodurch er einerseits das Geschehen weiter unterstützte, andererseits aber auch die erhebliche Gefahr begründete, dass andere Kameraden sowie die Öffentlichkeit Einblicke in die Geschehnisse erlangen könnten. |
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| a) Mit seiner Teilnahme an den „Taufen“ und dem „Gefangenenspiel“ hat der Kläger gegen seine Pflicht zur Kameradschaft gem. § 12 SG verstoßen. |
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| Nach § 12 SG beruht der Zusammenhalt der Bundeswehr wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen des Soldaten, das Bewusstsein, sich jederzeit, vor allem in Krisen- und Notzeiten, aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.02.2017 - 2 WD 14.16 -, Rn. 20, juris; Urteil vom 24.04.2007 - 2 WD 9.06 -, NVwZ 2008, 92, 94; Scherer/Alff/Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Aufl. 2013, § 12 Rn. 1). Aus der Verpflichtung, die Rechte des Kameraden zu achten, folgt, dass ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht nicht erst dann vorliegt, wenn ein Recht des Kameraden verletzt wird. Eine Gefährdung seiner Rechte reicht regelmäßig aus (vgl. Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 12 Rn. 8 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 31.10.1979 - 2 WD 108.78 -). |
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| Nach diesen Maßstäben ist es schon grundsätzlich kameradschaftswidrig, wenn Soldaten der Bundeswehr vom Dienstherrn nicht vorgesehene, selbst geschaffene Aufnahmerituale durchführen. Ein Aufnahmeritual zielt offenkundig darauf ab, einen geschlossenen Kreis zu bilden, der sich maßgeblich über das Aufnahmeritual definiert und der sich von den übrigen Kameraden, die es nicht durchlaufen haben, abgrenzt. Es wird bewusst eine Auswahl von Kameraden getroffen, die einer besonderen Gruppe angehören (dürfen). Daraus folgt zwangsläufig subjektiv eine Abwertung der Kameraden, die das Aufnahmeritual nicht über sich ergehen lassen (wollen) oder dafür erst gar nicht in Betracht gezogen werden. Eine derartige Abgrenzung und die daraus resultierenden Konsequenzen widersprechen der aus § 12 SG resultierenden Pflicht zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz gegenüber allen Kameraden. |
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| Ferner widersprechen derartige Aufnahmerituale auch dem Kameradschaftsbild des Soldatengesetzes im Ganzen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass der Soldat schon durch seinen Eid und sein Gelöbnis nach § 9 SG in die Gemeinschaft aufgenommen ist. Der Kläger hat daher seine Kameradschaftspflicht gegenüber den Kameraden verletzt, die in die Aufnahmerituale nicht einbezogen waren oder gar ausgeschlossen wurden. Dies gilt umso mehr, als die Aufnahmerituale - wie verschiedene Zeugenaussagen in den Ermittlungen der Beklagten nahelegen - in der Einheit des Klägers bekannt waren und neu hinzugekommene Kameraden gezielt darauf angesprochen wurden. Durch die Inszenierung der Aufnahmerituale, die sich abends und nachts in den Stuben- und Duschräumen abspielten, wurden diese auch von nicht beteiligten Kameraden wahrgenommen. Aus den Vernehmungsprotokollen in den Behördenakten geht hervor, dass die Aufnahmerituale in den Gesprächen der Soldaten ein Thema waren und auf einzelne Soldaten offenbar auch durchaus beängstigend wirkten. |
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| Überdies hat der Kläger - in der konkreten Ausgestaltung der (wie dargelegt: schon grundsätzlich zu missbilligenden) Rituale - die Würde und Ehre seiner Kameraden missachtet und zudem ihre körperliche Unversehrtheit und ihr körperliches Wohlbefinden gefährdet, indem er an den als „Taufe“ bezeichneten Aufnahmeritualen bzw. dem sog. „Gefangenenspiel“ teilgenommen hat, bei denen die betroffenen Kameraden Behandlungen unterzogen wurden, die an Folter und Missbrauch von Gefangenen erinnern. Wie der Kläger selbst einräumt, hat er sich an mehreren der als „Taufe“ bezeichneten Rituale und insbesondere an dem „Gefangenenspiel“ beteiligt, bei dem Kameraden - jedenfalls nach dem äußeren Erscheinungsbild - unter Anwendung von Zwang aus ihren Stuben geholt und gefesselt wurden, einen Stiefelsack über den Kopf gezogen bekamen und mit kaltem Wasser, teils auch in Kopfhöhe, abgespritzt wurden. Ob sich die betroffenen Soldaten durch das Verhalten des Klägers subjektiv verletzt gefühlt haben, ist dabei unerheblich. Das Gebot, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm beizustehen, ist nicht um des einzelnen Soldaten willen in das Soldatengesetz aufgenommen worden. Es soll vielmehr Handlungsweisen verhindern, die objektiv geeignet sind, den militärischen Zusammenhalt zu gefährden, den Dienstbetrieb zu stören und dadurch letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe zu gefährden (BVerwG, Urteil vom 01.07.1992 - 2 WD 14.92 -, Rn. 11, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 26.10.1999 - 2 K 1634/98 -, Rn. 22, juris; Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 12 Rn. 1). Die „Taufen“ und insbesondere das „Gefangenenspiel“ waren von ihrem Ablauf so gestaltet, dass sie äußerlich an Folterszenen erinnern, die darauf gerichtet sind, die Opfer nicht nur in ihrer Bewegungsfreiheit und körperlichen Unversehrtheit zu beeinträchtigen, sondern sie gerade auch in ihrer Ehre und Würde zu verletzen. Das Geschehen ist insoweit auch nicht - wie in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht - mit einem militärischen Training oder einem Theaterschauspiel vergleichbar, bei dem sich jemand unter professionellen Bedingungen mit dem Ziel des Erwerbs bestimmter Kompetenzen oder einer schauspielerischen Darstellung in der Rolle eines Opfers möglicherweise einer Belastungssituation aussetzt. Anders als bei solchen Inszenierungen liegt der Zweck und die „Herausforderung“ eines Aufnahmerituals typischerweise gerade darin, dass das „Opfer“ gezielt einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird und diese nach dem Willen der „Täter“ für eine ausreichende Zeit auch aushalten muss. |
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| Das Verhalten des Klägers war - dienstrechtlich betrachtet - auch nicht durch eine Einwilligung der betroffenen Kameraden gedeckt oder gerechtfertigt. |
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| Es ist bereits zweifelhaft, ob eine solche Einwilligung wirksam erfolgt sein kann. Zwar haben betroffene Kameraden in ihrer Vernehmung zum Teil angegeben, dass sie sich vor den Vorfällen mit ihrer Rolle als „Opfer“ und den Geschehensabläufen einverstanden erklärt und diese als „Spaß“ bzw. als „ein einmaliges Erlebnis“ in Erinnerung hätten. Unabhängig von der Bewertung dieser Einlassungen, deren Belastbarkeit durch die zwischenzeitlich zwischen „Tätern“ und „Opfern“ getroffenen Absprachen womöglich nicht unbeträchtlich relativiert ist, würde eine entsprechende „Einwilligung“ jedenfalls daran leiden, dass der exakte Verlauf derartiger Geschehnisse ohnehin überhaupt nicht vorhersehbar ist - und nach der Intention der Rituale auch gar nicht sein soll. Hinzu kommt gerade in der Truppe eine besondere Gruppendynamik, die es betroffenen Soldaten strukturell erschwert, sich einer Beteiligung an den Vorfällen in der Rolle als Opfer zu verweigern bzw. im Ablauf der Geschehnisse ggf. auf einen vorzeitigen Abbruch zu drängen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2000 - 2 WD 12.00 und 13.00 -, juris). Dass auch konkret auf einzelnen Kameraden ein ggf. nicht unbeträchtlicher Druck lastete, die Aufnahmerituale über sich ergehen zu lassen, um „dazu zu gehören“, wird beispielsweise an der Aussage des Klägers (vgl. Niederschrift über die Vernehmung eines Zeugen vom 16.01.2017, Behördenakte, S. 20) deutlich, der berichtete, dass der Kamerad A., um seiner „Taufe“ zu entgehen, angeboten habe, eine Fliege oder Motte zu essen, was er in der Folge auch getan haben soll. |
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| Unabhängig von alledem berühren die „Taufen“ und das sog. „Gefangenenspiel“ die Würde der betroffenen Kameraden. Eine etwaige Einwilligung in eine Verletzung der unverzichtbaren Menschenwürde wäre irrelevant (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2000 - 2 WD 12.00 und 13.00 -, Rn. 13, juris). Die Frage, inwieweit im Übrigen die Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung erfüllt gewesen sein mögen, kann daher letztlich dahinstehen. Selbst wenn die Betroffenen tatsächlich oder zum Schein den Willen gehabt und ausdrücklich oder konkludent erklärt haben sollten, sie würden ein solches Ritual dulden oder akzeptieren, stellt sich die jedenfalls objektiv ehrverletzende Behandlung durch den Kläger als Verstoß gegen die in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG normierte Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutze der unantastbaren Menschenwürde dar. Von dieser Verpflichtung kann der für den Staat handelnde Amtsträger oder Bedienstete auch nicht durch Einverständnis der Betroffenen als Individualgrundrechtsträger freigestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1998 - 2 WD 11.98 -, Rn. 13, juris). Dies gilt nicht nur im Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, sondern auch für den Kläger als einfachen Soldaten im Mannschaftsdienstgrad. Die Ereignisse spielten sich in den Mannschaftsunterkünften ab, die Beteiligten waren alle Soldaten und - jedenfalls bei dem „Gefangenenspiel“ - teils mit Uniformen und Gasmasken bekleidet; ferner zielten die Rituale gerade darauf ab, die Verhältnisse unter Mannschaftskameraden zu bestimmen. Nach dem Verständnis des Klägers und der weiteren „Täter“ sollte zur Truppe im engeren Sinne nur gehören, wer „getauft“ war und damit objektiv erniedrigende Maßnahmen über sich hat ergehen lassen. Die Rituale weisen damit einen starken Bezug zum Dienst auf, auch wenn sie sich erst nach Dienstschluss ereignet haben. |
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| b) Durch seine Beteiligung an den „Taufen“ und dem „Gefangenenspiel“ hat der Kläger auch gegen seine Pflichten aus §§ 7, 8 SG verstoßen, die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten. |
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| Die Kernpflicht des Soldaten aus § 8 SG gebietet, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, der er dienen soll, zu identifizieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.11.2000 - 2 WD 18.00 -, Rn. 4, juris). Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlangt ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten wie auch dem Richter und Beamten auferlegt ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie, die von ihren Bürgern die Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet. Das Prinzip der streitbaren Demokratie gilt auch für die innere Ordnung der Bundeswehr. Dementsprechend verlangt die politische Treuepflicht von jedem Soldaten die Bereitschaft, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten. Daher gehört die Verletzung der politischen Treuepflicht zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.11.2003 - 2 WDB 2.03 -, juris, Rn. 29; Urteil vom 07.11.2000 - 2 WD 18.00 -, Rn. 4, juris jeweils zur Verwendung von nationalsozialistischem Bild- bzw. Propagandamaterial). Ein solcher Verstoß liegt nicht nur dann vor, wenn sich ein Soldat für Ziele einsetzt, die geeignet sind, die freiheitlich demokratische Grundordnung auszuhöhlen, sondern bereits dann, wenn er sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.11.2000 - 2 WD 18.00 -, Rn. 4, juris). Ein Soldat wird deshalb nur dann seinen Verpflichtungen aus § 8 SG (und zugleich § 17 Abs. 2 SG) gerecht, wenn er sämtliche Verhaltensweisen unterlässt, die objektiv geeignet sind, bei der Öffentlichkeit Zweifel an seiner Verfassungstreue zu erwecken (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 28.06.2017 - RN 1 K 16/1581 -, Rn. 52, juris; VG Bremen, Urteil vom 05.08.2013 - 6 V 745/13 -, Rn. 23, juris). |
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| Das Verhalten des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht. Die Bundeswehr und ihre Soldaten sind an die Werte des Grundgesetzes wie das Rechtsstaatsprinzip gebunden und zum Schutz der Grundrechte und der Menschenwürde verpflichtet. Hieraus ergibt sich, dass die entwürdigende Behandlung von Personen - unabhängig davon, ob sie der Bundeswehr angehören oder nicht - zu unterbleiben hat. Insbesondere ist die Folter oder Misshandlung von Gefangenen - auch als militärische Maßnahme und ebenso als „Spiel“ - kategorisch auszuschließen. Zwar sind keine expliziten Äußerungen des Klägers oder anderer Beteiligter darüber aktenkundig, dass sie Folter oder die Misshandlung von Gefangenen in ihrer Tätigkeit als Soldaten für notwendig oder zumindest für akzeptabel hielten. Jedoch sind die „Taufen“ und das „Gefangenenspiel“ objektiv dazu geeignet, Zweifel daran zu wecken, dass der Kläger und die übrigen Beteiligten die von einem Bundeswehrsoldaten einzufordernde ablehnende Einstellung und Haltung zu solchen Handlungen einnehmen und im Ernstfall auch vertreten werden. Es war dem Kläger als Bundeswehrsoldat abzuverlangen, jeden Anschein zu vermeiden, dass er derartige Maßnahmen (womöglich sogar im Einsatzfall) billigen oder jedenfalls mittragen würde, und sich von den durchgeführten „Taufen“ bzw. dem „Gefangenenspiel“ - auch wenn damit die erniedrigende Behandlung wehrloser Opfer nur „zum Spaß“ nachgestellt worden sein sollte - zu distanzieren und hiergegen vielmehr einzuschreiten. |
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| c) Der Kläger hat durch sein Verhalten auch die inner- und außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. |
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| Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG muss sein Verhalten dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Die Achtung und das Vertrauen in einen Soldaten beruhen wesentlich auf seiner moralischen Integrität (vgl. Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 17 Rn. 17, m.w.N.). Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.2017 - 2 WD 16.16 -, Rn. 65, juris). |
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| Durch seine Beteiligung an den Aufnahmeritualen bzw. an dem „Gefangenenspiel“ hat der Kläger die Achtung seiner Kameraden und das Vertrauen seiner Vorgesetzten erheblich beeinträchtigt. Zum einen hat er zu erkennen gegeben, dass er nicht davor zurückschreckt, Kameraden einer demütigenden Behandlung zu unterziehen, die mitunter die - gerade, als die Kameraden gefesselt waren und ihnen mit den Stiefelsäcken die Sicht genommen war - nicht vollends beherrschbare Gefahr von Körperverletzungen in sich barg, zumal der Kläger und andere Beteiligte alkoholisiert waren. Zum anderen begründet die Gestaltung der Aufnahmerituale und des „Gefangenenspiels“ erhebliche Zweifel an der moralischen Integrität des Klägers, der sich an der Inszenierung von Folterszenen zum Spaß beteiligt und somit den für einen Bundeswehrsoldaten notwendigen Respekt vor der Würde und Ehre nicht nur der unmittelbar betroffenen Kameraden, sondern auch vor den tatsächlichen Opfern von Folter und Gewalt missen lässt. |
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| Das - hier bereits im Rahmen einer Verletzung der Dienstpflichten nach § 17 SG in Bezug zu nehmende - Ansehen der Bundeswehr ist der gute Ruf der Bundeswehr oder einzelner ihrer Truppenteile bei außenstehenden Personen (vgl. Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 17 Rn. 16, m.w.N.). Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.2017 - 2 WD 16.16 -, Rn. 65, juris). Eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr muss zur Feststellung einer Pflichtverletzung nach § 17 Abs. 2 SG nicht eingetreten sein, sondern es genügt, wenn das Verhalten des Soldaten dazu geeignet war. Allein entscheidend ist, ob ein vernünftiger, objektiv wertender Dritter, wenn er von diesem Verhalten Kenntnis erhielte, darin eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Soldaten sehen würde (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.2017 - 2 WD 16.16 -, Rn. 65, juris; Urteil vom 07.11.2000 - 2 WD 18.00 -, juris; VG Regensburg, Urteil vom 28.06.2017 - RN 1 K 16/1581 -, Rn. 50, juris). |
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| Das Verhalten des Klägers war nach diesen Maßstäben geeignet, das Ansehen der Bundeswehr zu schädigen. Die durchgeführten Aufnahmerituale und das sog. „Gefangenenspiel“ rufen bei einem objektiven Beobachter Assoziationen mit Folterszenen und Misshandlungen von Gefangenen hervor. Ungeachtet dessen, dass einzelne betroffene Kameraden ihre Behandlung - im Nachhinein - als „feuchten Spaß“ oder als „unvergessliches Erlebnis“ beschreiben, ist das Bekanntwerden derartiger Vorkommnisse dazu angetan, negative Vorurteile darüber zu schaffen und zu bekräftigen, wie Bundeswehrsoldaten miteinander umgehen und welche Misshandlungen (Nachwuchs-)Soldaten womöglich seitens ihrer Kameraden über sich ergehen lassen müssen. Überdies wecken die Vorfälle Zweifel daran, ob die Bundeswehr bzw. ihre Soldaten ihrer Aufgabe gerecht werden, eine Verteidigungsarmee zu sein, die ihre Bindung an die Verfassung und insbesondere ihre Pflicht, die Menschenwürde zu schützen, ernst nimmt. Auch hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in einer Einheit verwendet wurde, die potentiell an Auslandseinsätzen teilnimmt und dort gerade in Konfliktsituationen kommen kann, bei denen ihm ein Handeln nach hohen moralischen Standards abverlangt wird. Derartige Einsätze und die dafür vorgesehenen Soldaten stehen in einem besonderen Fokus der Öffentlichkeit, die für die Probleme von Folter und Misshandlungen von Gefangenen nach Vorfällen wie in Abu Ghraib oder im Gefangenenlager Guantanamo besonders sensibilisiert ist. |
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| d) Die Dienstpflichtverletzungen beging der Kläger auch schuldhaft, da er diesbezüglich zumindest fahrlässig handelte. Er hätte wissen können und müssen, dass er durch sein Handeln die Rechte und Interessen seiner Kameraden, seine Achtung bei seinen Kameraden und Vorgesetzten, deren Vertrauen sowie das Ansehen der Bundeswehr beeinträchtigt. Bei gehöriger Anspannung seiner intellektuellen Fähigkeiten und seines Gewissens hätte er auch die Pflichtwidrigkeit seines Handelns erkennen können und müssen. Eine diesbezügliche vorhergehende Belehrung durch den Dienstherrn war nicht erforderlich. Dem Kläger mussten zumindest im Kern die Pflichten bekannt sein, die sich aus dem Soldatengesetz ergeben und die den Maßstab seines Handelns als Soldat bilden. Überdies war und ist dem Kläger als Staatsbürger abzuverlangen, Grundkenntnisse über die Wertordnung der Bundesrepublik Deutschland und ihres Grundgesetzes zu besitzen und danach sein Verhalten - gerade auch als Soldat - auszurichten. |
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| e) Der Annahme von Dienstpflichtverletzungen steht auch nicht entgegen, dass es derzeit an entsprechenden (bindenden) Feststellungen in einem Disziplinar- oder Strafverfahren fehlt. Die schuldhafte Dienstpflichtverletzung konnte vielmehr vom Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr festgestellt werden und unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle; sie muss nicht durch den Disziplinarvorgesetzten oder durch das Truppendienstgericht festgestellt werden. Zwar steht die schuldhafte Dienstpflichtverletzung dem Dienstvergehen in § 23 Abs. 1 SG begrifflich gleich (vgl. Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 55 Rn. 67; Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 55 Rn. 20). Die fristlose Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG ist aber - abgesehen von den positiven Bindungswirkungen des § 145 Abs. 2 WDO - nicht den Regeln der Wehrdienstordnung (WDO) unterworfen. Einfache Disziplinarmaßnahmen einerseits und die fristlose Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG andererseits sind rechtlich nebeneinander stehende Möglichkeiten einer Reaktion auf Dienstpflichtverletzungen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.01.1994 - 2 WDB 7.93 -, Rn. 8 f., juris). Die Disziplinarmaßnahme zielt vorrangig auf eine erzieherische Wirkung ab und es liegen ihr ggf. auch generalpräventive Erwägungen zugrunde. Die fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre, in denen seine Rechtsstellung noch nicht so gefestigt ist, dass er nur im Wege eines disziplinargerichtlichen Verfahrens aus dem Dienstverhältnis entfernt werden könnte, ist demgegenüber eine personalrechtliche Maßnahme, die allein dem Schutz der Streitkräfte vor künftigem Schaden dient. Diese unterschiedlichen gesetzgeberischen Intentionen finden auch in den jeweiligen Zuständigkeitsregelungen ihren Ausdruck. Für die Verhängung von einfachen Disziplinarmaßnahmen ist gemäß §§ 23, 25 Abs. 1 WDO grundsätzlich der nächste Disziplinarvorgesetzte, für die fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit gemäß § 55 Abs. 6 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 4 Abs. 2 SG die zur Ernennung berufene Stelle zuständig. Wenngleich regelmäßig die Dienstpflichtverletzung eines Soldaten Voraussetzung für eine Entscheidung des Dienstherrn über dessen fristlose Entlassung ist, ist allein die Zukunftsprognose für die Wahrung der militärischen Ordnung oder des Ansehens der Bundeswehr bei einem weiteren Verbleiben des Soldaten im Dienstverhältnis maßgeblich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.01.1994 - 2 WDB 7.93 -, Rn. 8 f., juris). Auf die Schuldform oder die Schwere der Dienstpflichtverletzung kommt es nicht an; insbesondere eine strafrechtliche Relevanz ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1992 - 2 C 17.91 -, Rn. 12, juris; Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, a.a.O., § 55 Rn. 67; Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 55 Rn. 20). Die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt sich erst beim Tatbestandsmerkmal der „ernstlichen Gefährdung“. Erst dort ist insbesondere zu prüfen, ob die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen ggf. als milderes Mittel ausreichend und angemessen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1992 - 2 C 17.91 -, Rn. 14, juris; Scherer/Alff/Poretschkin, a.a.O., § 55 Rn. 24). |
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| 2. Durch einen weiteren Verbleib des Klägers in seinem Dienstverhältnis wären die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. |
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| Die fristlose Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Sie stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden (BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 - 2 B 114.11 -, Rn. 8, juris). Der Begriff der Gefährdung setzt - anders als die Störung - keinen Eintritt eines konkreten Schadens voraus; vielmehr reicht es aus, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden in absehbarer Zeit eintreten wird (vgl. allgemein zum Gefahrenbegriff BVerwG, Urteil vom 03.07.2002 - 6 CN 8.01 -, Rn. 34 f., juris.). Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass die Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, haben die Verwaltungsgerichte im Rahmen einer „objektiv nachträglichen Prognose“ nachzuvollziehen (BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 - 2 B 114.11 -, Rn. 8; Urteil vom 20.06.1983 - 6 C 2.81 -, Rn. 19, jeweils juris). |
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| Unter militärischer Ordnung ist dabei der Inbegriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten (BVerwG, Urteil vom 20.06.1983 - 6 C 2.81 -, Rn. 19, juris). Schutzgut der militärischen Ordnung ist die innerbetriebliche Funktionsfähigkeit der Streitkräfte in dem Umfang, wie dies zur Aufrechterhaltung der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich ist (VG Regensburg, Urteil vom 28.06.2017 - RN 1 K 16/1581 -, Rn. 61, juris; VG Schleswig, Beschluss vom 18.08.2014 - 12 B 14/14 -, Rn. 36, juris). Dabei hängt die personelle Funktionsfähigkeit von der individuellen Einsatzbereitschaft des einzelnen Soldaten und einem intakten inneren Ordnungsgefüge ab (vgl. Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, a.a.O., § 55 Rn. 71, m.w.N.). |
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| Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung „ernstlich“ sein muss, hat das Gesetz selbst die Frage nach der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck beantwortet. Der Begriff der „ernstlichen Gefährdung“ konkretisiert den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem das Gesetz darüber hinaus durch die Begrenzung der Entlassungsmöglichkeit nach § 55 Abs. 5 SG auf die ersten vier Dienstjahre Rechnung trägt (BVerwG, Urteil vom 20.06.1983 - 6 C 2.81 -, Rn. 19, juris). Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann (BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 - 2 B 114.11 -, Rn. 9, juris). |
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| Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist. Bei Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen, ist eine Gefährdung der militärischen Ordnung regelmäßig anzunehmen. In den militärischen Kernbereich fallen allerdings nur (schwere) innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen bzw. ein außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 - 2 B 114.11 -, Rn. 10 und 12, juris); dafür kann ein Verhalten eines Soldaten ausreichend sein, das geeignet ist, so nachhaltige Zweifel an seiner dienstlichen Zuverlässigkeit zu begründen, dass das Vertrauen in seine soldatische Integrität unheilbar zerstört wird (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 28.06.2017 - RN 1 K 16/1581 -, Rn. 63). Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb des militärischen Kernbereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr); jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (BVerwG, Beschluss vom 28.01.2013 - 2 B 114.11 -, Rn. 10, juris, m.w.N.). |
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| a) Nach diesen Grundsätzen liegt eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung durch die schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Klägers und seinen Verbleib im Dienst vor. |
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| aa) Die Kammer hält bereits den Kernbereich der militärischen Ordnung für betroffen und die personelle Einsatzbereitschaft der Truppe für berührt. |
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| Für den Bereich des Disziplinarrechts hat der Wehrdisziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts festgehalten, dass er die Durchführung und Duldung von Aufnahmeritualen (dort: eine Unteroffiziersprüfung) und vergleichbaren Vorfällen als sehr schwerwiegendes Dienstvergehen einstufe und dementsprechend zu ahnden habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2000 - 2 WD 12.00 und 13.00 -, juris). Unabhängig davon, ob und inwieweit den Soldaten bekannt sei, dass die Führung der Bundeswehr und der/die zum Schutz der Grundrechte beauftragte Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages in regelmäßigen Abständen „Einstandsrituale” oder ähnliche entwürdigende oder die Gesundheit schädigende Auswüchse zu Lasten meist junger Soldaten schärfstens missbilligten und sich ständig darum bemühten, „solchem Unfug Einhalt zu gebieten“, seien derartige Aufnahmerituale als nicht zeitgemäße bundeswehrinterne Veranstaltungen generell geeignet, ihren Missbrauch in der Weise zu Lasten Einzelner zu eröffnen, dass diese einem Gruppenzwang unterworfen und durch Misshandlung, Demütigung oder entwürdigende Behandlung ihre Grundrechte verletzt würden. lm dienstlichen Bereich der Bundeswehr, in dem „Gruppenzwang“ von Kameraden erfahrungsgemäß erheblichen Einfluss gewinnen könne, seien die rechtlichen Grenzen der Einwirkung auf die Rechtssphäre des Betroffenen generell einzuhalten. Ein Einverständnis des Betroffenen als Rechtfertigungsgrund sei angesichts der unverzichtbaren menschlichen Würde und der sonstigen geschützten Grundrechte irrelevant. Überdies sei es unerheblich, ob ein Soldat gegenüber den Betroffenen die Absicht gehabt habe, ihn durch sein Verhalten zu demütigen oder in gesundheitlicher Hinsicht zu beeinträchtigen. Denn das Gebot, die Würde, die Ehre und die Rechte von Kameraden zu achten, sei nicht um des einzelnen Soldaten willen in das Soldatengesetz aufgenommen worden, sondern solle Handlungsweisen verhindern, die objektiv geeignet seien, den militärischen Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen sowie die Bereitschaft zum gegenseitigen Einstehen zu gefährden. |
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| Die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts macht sich die Kammer im Kern zu eigen, auch wenn sie unmittelbar (nur) das Disziplinarrecht betreffen und ein Fehlverhalten von Vorgesetzten abhandeln. Von maßgeblicher Bedeutung ist - und insoweit unterscheiden sich die Fallgestaltungen nicht -, dass Aufnahmerituale und ähnliche Vorfälle eine besondere Gruppendynamik aufweisen und gerade die als „Opfer“ betroffenen Soldaten einem besonderen Gruppenzwang unterliegen. Dies ist auch zwischen - hier: dienstälteren und dienstjüngeren - Kameraden der Fall, die sich nicht im Verhältnis von Vorgesetzten und Untergebenen gegenüberstehen. Derartige Vorfälle bergen stets die erhebliche Gefahr in sich, dass Einzelne in ihrer Würde und Ehre und möglicherweise in ihrem körperlichen Wohlbefinden und ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt werden, ohne sich hiergegen wirksam schützen zu können. Mit dem Bundesverwaltungsgericht ist daher präventiv und absolut zu fordern, dass die rechtlichen Grenzen der Einwirkung auf die Rechtssphäre des Betroffenen eingehalten werden, um die Gefahr von Misshandlungen und Demütigungen von vornherein auszuschließen. Der Kläger und die übrigen Beteiligten haben diese absolute Grenze überschritten, als sie die als „Taufe“ bezeichneten Aufnahmerituale und das sog. „Gefangenenspiel“ an Kameraden durchführten und sich dabei Szenen von Folter und Missbrauch Gefangener zum Vorbild nahmen. Die sog. „Opfer“ wurden dabei äußerlich zum Objekt demütigender Handlungen gemacht, selbst wenn sie mit der Behandlung einverstanden gewesen sein sollten. Die Vorfälle können auch vor dem Hintergrund des herrschenden Gruppenzwangs nicht als „scherzhaft gemeintes Schauspiel“ oder als „Mutprobe“ unter jungen Männern abgetan werden, wie sie möglicherweise im gesellschaftlichen oder privaten Bereich vorkommen und als hinnehmbar angesehen werden können, wenn sich die Betroffenen darauf eingelassen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2000 - 2 WD 12.00 und 13.00 -, Rn. 13, juris). |
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| Die vom Kläger und den anderen Beteiligten - wie vorstehend beschrieben - organisierten Aufnahmerituale sind damit dazu angetan, Spannungen in den inneren Dienstbetrieb der Bundeswehr hineinzutragen, welche sich negativ auf den Zusammenhalt innerhalb der Truppe, auf ein reibungsloses Zusammenspiel der Einsatzkräfte im Rahmen des Prinzips von Befehl und Gehorsam und damit letztlich auf die Einsatzfähigkeit im Ganzen und die militärische Ordnung auswirken (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.03.2006 - 1 B 1843/05 -, Rn. 23, juris). |
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| Derartige Spannungen innerhalb der Truppe ergeben sich potentiell zum einen bereits daraus, dass die Aufnahmerituale ihrer Natur nach darauf gerichtet sind, einzelne Kameraden bewusst und erkennbar aus dem Kreis derer hervorzuheben, die nicht „dazu gehören“, und sich von diesen abzugrenzen. Die Gefahr einer solchen Abgrenzung liegt zum einen darin, dass - schlimmstenfalls im Einsatz - der Zusammenhalt mit und die Unterstützung für Kameraden, die nicht „getauft“ wurden, herabgesetzt sein kann oder dass diese Kameraden sich hierauf nicht vorbehaltlos verlassen können. Zum anderen ist die Gefahr gegeben, dass allein die Existenz derartiger Aufnahmerituale bzw. entsprechender Gerüchte zu Konflikten und Ängsten bei den Kameraden führen, die einer „Taufe“ noch nicht unterzogen wurden oder für eine solche erst gar nicht in Betracht gezogen werden. Dies wird unter anderem beispielhaft deutlich an der Aussage des Soldaten L., der in seiner Zeugenvernehmung angab, wegen eines ihm vermeintlich bevorstehenden Rituals „ein ungutes Gefühl“ gehabt und sich deswegen nicht auf seine eigene Stube zurückgetraut bzw. vorsichtshalber in die Stube eines anderen Kameraden begeben zu haben (vgl. Niederschrift über die Vernehmung eines Zeugen vom 13.01.2017, Behördenakte S. 13). Durch die Schaffung derartiger Situationen besteht die ernstliche Gefahr, dass die Einsatzbereitschaft der direkt oder indirekt betroffenen Kameraden beeinträchtigt wird. |
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| Den Kernbereich der militärischen Ordnung betreffen die vom Kläger durchgeführten „Taufen“ und das „Gefangenenspiel“ zum anderen deshalb, weil sie bei den Soldaten Zweifel und Konflikte darüber auslösen können, inwieweit die Bundeswehr ihrem Auftrag und ihrem Anspruch gerecht werden kann bzw. gerecht werden will, eine Armee zu sein, die sich den Werten des Grundgesetzes verpflichtet fühlt und insbesondere die Menschenwürde als unverletzlich ansieht. Schon die äußere Gestaltung der „Taufen“ und des sog. „Gefangenenspiels“ begründen durchgreifende Zweifel an der Zuverlässigkeit der betroffenen Soldaten, dem Einsatzauftrag der Bundeswehr im Rahmen der bestehenden Verfassung Rechnung zu tragen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.03.2006 - 1 B 1843/05 -, Rn. 23, juris). Die „Täter“ haben mit ihrem Verhalten Foltermethoden und Misshandlungen von Gefangenen angedeutet, wie man sie mit Bildern aus dem Gefängnis von Abu Ghraib oder Guantanamo in Verbindung bringen kann und der Kläger hat dieses Geschehen durch sein Verhalten jedenfalls unterstützt und gefördert. Dabei trugen (ausgerechnet) einige der „Täter“ - wie jedenfalls auf dem Video über das „Gefangenenspiel“ zu sehen ist - Uniformen mit deutschen Abzeichen; deutlich zu hören ist dabei auch die an sich neutrale, aber durch ihre mediale Präsenz mittlerweile mit islamistischem Terrorismus konnotierte muslimische Gottespreisung „Allahu akbar“. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Maßnahmen bei den betroffenen Kameraden auch nur annähernd die physische und psychische Wirkung hatte, die bei tatsächlichen Folteropfern auftreten. Unabhängig davon, wie unterhaltsam die Beteiligten - „Täter“ wie „Opfer“ - diese Vorfälle erlebt haben mögen, vermitteln sie jedenfalls nach außen den Eindruck, dass sie gerade auch als Bundeswehrsoldaten bereit dazu sind und es für vertretbar halten, die Würde anderer zu missachten und diese - und sei es „im Spiel“ - demütigenden und gewaltsamen Handlungen auszusetzen. Es ist überdies auch nicht gänzlich auszuschließen, dass durch die „Taufen“ und das „Gefangenenspiel“ für die Beteiligten wie auch für die „Zuschauer“ die Hemmschwelle bezüglich einer menschenrechtswidrigen Behandlung etwaiger Gefangener im Auslandseinsatz womöglich herabgesetzt werden könnte. |
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| bb) Das Verhalten des Klägers stellt nach dem Vorstehenden jedenfalls ohne Weiteres ein Fehlverhalten dar, das die erhebliche Gefahr der Nachahmung in sich birgt. Es handelt sich um eine Disziplinlosigkeit, die andere Soldaten zu einem entsprechenden Verhalten veranlassen könnte. Durch den Verbleib des Klägers in seinem Dienstverhältnis trotz der von ihm mitdurchgeführten Aufnahmerituale und des „Gefangenenspiels“ und trotz der damit verbundenen Dienstpflichtverletzungen würde einer allgemeinen Disziplinlosigkeit und einer damit einhergehenden Gefährdung der militärischen Ordnung Vorschub geleistet. |
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| b) Durch ein Verbleiben des Klägers im Soldatenverhältnis würde auch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet, § 55 Abs. 5 SG. |
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| Das Ansehen der Bundeswehr meint - wie bereits in anderem Kontext dargelegt - den guten Ruf der Bundeswehr oder einzelner Truppenteile bei außenstehenden Personen oder allgemein in der Öffentlichkeit. Dabei ist darauf abzustellen, wie ein vernünftiger Betrachter das Verbleiben des Soldaten im Dienstverhältnis bewerten würde. Eine verzerrende oder verfälschende Presseberichterstattung über ein Dienstvergehen ist zwar geeignet, das Ansehen der Bundeswehr zu beeinträchtigen, kann aber dem Soldaten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zugerechnet werden und steht nicht unbedingt in einem rechtlich relevanten Zusammenhang mit der Dienstpflichtverletzung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.1983 - 6 C 2.81 -, NJW 1984, 938, 939; Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, a.a.O., § 55 Rn. 71). |
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| Eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr ist anzunehmen, wenn das Verhalten des Soldaten mit den berechtigten Erwartungen der Bevölkerung an die Integrität der Bundeswehr unvereinbar, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsstaatlichkeit der Streitkräfte bei Bekanntwerden erschüttert wäre. Das Ansehen der Bundeswehr wird ganz wesentlich getragen von ihrer Teilhabe an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Vertrauen darauf, dass sie sich dem Wertekanon des Grundgesetzes verpflichtet weiß. Es ist in besonderem Maße störanfällig gegenüber dem Auftreten eines Soldaten, das Zweifel am unbedingten Respekt vor dem sittlichen Wert der Menschenwürde nährt. Ob ein bestimmtes Verhalten derartige Zweifel erregt, hängt nicht davon ab, ob der betreffende Soldat innerlich hinter ihm steht oder ob er sich geistig von ihm distanziert; es kommt vielmehr ausschließlich auf die nach außen erkennbar zum Ausdruck gebrachte Einstellung an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.08.1995 - 10 A 12774/94 -, NVwZ-RR 1996, 401; VG Regensburg, Urteil vom 28.06.2017 - RN 1 K 16/1581 -, Rn. 68, juris). |
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| Nach diesen Maßstäben sind die vom Kläger und den anderen Beteiligten inszenierten „Taufen“ und das „Gefangenenspiel“ dazu geeignet, das Ansehen der Bundeswehr ernstlich zu gefährden. Ungeachtet ihrer jeweiligen subjektiven Einordnung rufen die Vorfälle Zweifel daran hervor, dass die Bundeswehr bzw. ihre Soldaten ihre Aufgabe ernst nehmen, eine Verteidigungsarmee zu sein, die ihrer Bindung an die Grundrechte und insbesondere ihrer Pflicht, die Menschenwürde zu schützen, gerecht wird. Es besteht die erhebliche Gefahr, dass der Eindruck entsteht, dass die Bundeswehr sich nicht in der erforderlichen Weise von Folter distanziert bzw. nicht in ausreichender Weise dafür Sorge trägt, dass ihre Soldaten derartige Verhaltensweisen kategorisch für sich ausschließen. Jedenfalls wirft der Umstand, dass Folterszenen zum Spaß nachgestellt werden, die Frage auf, ob Bundeswehrsoldaten, die im Einsatz mit derartigen Situationen durchaus konfrontiert werden können, über die erforderliche Ernsthaftigkeit und moralische Integrität im Umgang mit diesem Thema verfügen. |
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| Schließlich bedarf die Bundeswehr auch zur Erhaltung ihrer Einsatzbereitschaft des Ansehens in der Bevölkerung; nur als geachtete Institution hat sie die Anziehungskraft, die für die Heranziehung eines fähigen Nachwuchses unerlässlich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.1970 - I WD 4.70 -, NJW 1971, 908). Das Verhalten des Klägers und seiner Kameraden vermittelt ein negatives Bild darüber, wie Soldaten miteinander umgehen und welche Schikanen - gerade auch junge - Soldaten u.U. über sich ergehen lassen müssen. |
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| Dabei kommt es nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht darauf an, dass die Vorfälle in die Medien gelangt sind und wie sie dort wiedergegeben und diskutiert werden. Es genügt, dass die Möglichkeit bestand, dass Dritte von den Ereignissen Kenntnis erlangen konnten und das Ansehen der Bundeswehr hierdurch ernstlich beschädigt werden konnte. Eine Öffentlichkeit ergab sich bereits daraus, dass unbeteiligte Kameraden die Aufnahmerituale und das „Gefangenenspiel“ beobachten konnten und der Kläger und andere „Täter“ mit unbeteiligten Kameraden hierüber sprachen bzw. sie gezielt hierauf ansprachen. Die Gefahr, dass unbeteiligte Dritte von den Vorfällen Kenntnis erlangen könnten, hat der Kläger außerdem gerade dadurch erheblich erhöht, dass er jedenfalls von dem „Gefangenenspiel“ Videoaufnahmen und ein Foto mit dem Handy anfertigte und diese an wenigstens eine unbeteiligte Person außerhalb der Bundeswehr - seine Freundin - weitergab. |
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| c) Die drohende Gefährdung der militärischen Ordnung und des Ansehens der Bundeswehr durch den Verbleib des Klägers in seinem Dienstverhältnis war so schwerwiegend, dass die Beklagte mit einer Entlassung des Klägers gem. § 55 Abs. 5 SG reagieren durfte. Durch die „Taufen“ und das „Gefangenenspiel“ wurde der Kernbereich der militärischen Ordnung betroffen, es bestand eine erhebliche Nachahmungsgefahr und das Ansehen der Bundeswehr drohte durch das Bekanntwerden der Vorfälle schwerwiegenden Schaden zu nehmen. Wie sich bereits aus den oben dargelegten Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 17.10.2000 - 2 WD 12.00 und 13.00 -, juris) ergibt, stellen Aufnahmerituale für die Bundeswehr ein Problem dar, das aufgrund der besonderen Gruppendynamik innerhalb des Bundeswehr immer wieder aufzutreten droht und mit besonderen Missbrauchsgefahren verbunden ist. Ein einfacheres, den Kläger weniger belastendes Mittel, insbesondere eine Disziplinarmaßnahme kam daher nicht in Betracht. Jede andere, möglicherweise mildere Maßnahme wäre nicht in der erforderlichen Weise geeignet und ausreichend gewesen, um die durch die „Taufen“ und das „Gefangenenspiel“ in der Truppe ausgelösten und bei Verbleib des Klägers in seinem Dienstverhältnis weiterhin drohenden Spannungen und die daraus wahrscheinlich resultierenden Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit und des Ansehens der Streitkräfte vollständig und dauerhaft zu beseitigen. Wenn den Vorfällen lediglich mit einer Disziplinarmaßnahme begegnet würde, könnte dies in der Truppe überdies zu der Auffassung führen, ein gleichartiges Verhalten werde ohne spürbare Konsequenzen hingenommen (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 18.08.2014 - 12 B 14/14 -, Rn. 38, juris). Um eine drohende Festsetzung des Problems in den Streitkräften zu verhindern, muss es der Bundeswehr möglich sein, derartige Vorfälle schon im Anfangsstadium mit der gebotenen Konsequenz und Härte zu bekämpfen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.03.2006 - 1 B 1843/05 -, Rn. 23, juris). |
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| Vor diesem Hintergrund ist die Maßnahme auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil - wie in der mündlichen Verhandlung vorgebracht - der Kläger und die übrigen Beteiligten noch jung sind und sich dienstrechtlich bisher nichts zuschulden kommen haben lassen oder weil die Dienstpflichtverletzungen nur fahrlässig und teils unter der Annahme einer vermeintlich rechtfertigenden Einwilligung der „Opfer“ begangenen worden sein sollen. Zum einen durfte und musste die Bundeswehr durch die Entlassung des Klägers sowohl gegenüber ihren eigenen Soldaten als auch gegenüber der Öffentlichkeit klarstellen, dass sie die Würde und die Rechte ihrer eigenen Soldaten ernst nimmt und vor derartigen Übergriffen umfassend und vorbehaltlos schützt. Zum anderen durfte sie weder gegenüber ihren Soldaten noch gegenüber der Öffentlichkeit Zweifel dahingehend aufkommen lassen, dass sie ihre Bindung an die Menschenwürde und an das Grundgesetz möglicherweise nicht ernst nimmt und Folter und Misshandlung von Gefangenen auch nur ansatzweise - und sei es nur „im Spiel“ - hinnimmt oder gar billigt. Auch der Umstand, dass der Kläger lediglich einen Mannschaftsgrad inne hatte und kein Vorgesetzter war, ändert an dieser Beurteilung nichts. Zum einen geht aus § 55 Abs. 5 SG deutlich hervor, dass der Gesetzgeber das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in den ersten vier Jahren für weniger schutzwürdig hält und gerade die Möglichkeit schaffen wollte, auf ein entsprechendes Fehlverhalten mit der sofortigen Entlassung reagieren zu können. Zum anderen hatte das Verhalten des Klägers und der übrigen Beteiligten unabhängig von ihrem Dienstgrad potentiell negative Vorbildwirkung in der Truppe. Die Aufnahmerituale und das sog. „Gefangenenspiel“ wurden in und vor den Aufenthaltsräumen der Soldaten durchgeführt und - wie sich aus den Vernehmungsprotokollen in den Behördenakten ergibt - von unbeteiligten Soldaten beobachtet. Aus den Zeugenbefragungen ergibt sich, dass den Kameraden in der Einheit das Bestehen der Aufnahmerituale bekannt war und diese mitunter durch die gezielte Ansprache von Kameraden und das Zeigen von Videoaufnahmen propagiert wurden. Das Fehlverhalten des Klägers lässt sich auch nicht durch ein etwaiges Führungsversagen von Vorgesetzten relativieren. Zum einen wird jedem Bundeswehrsoldaten abverlangt, für sein eigenes Verhalten im und außerhalb des Dienstes Verantwortung zu übernehmen und die von ihm geforderte moralische Integrität zu wahren. Diese Anforderungen hat jeder Soldat unabhängig von einer (fortwährenden) Überwachung durch seinen Vorgesetzten zu erfüllen. Zum anderen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Vorgesetzte des Klägers von den Vorfällen Kenntnis hatten und diese zugleich geduldet oder gar gebilligt hätten. Selbst wenn dem so sein sollte, würde dies in erster Linie zunächst die Frage der Ahndung des Fehlverhaltens der Vorgesetzten aufwerfen. |
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| § 55 Abs. 5 SG räumt der Behörde kein „umfassendes“ Ermessen dergestalt ein, dass die Entlassungsbehörde gewissermaßen - ähnlich wie in einem Disziplinarverfahren - alle für und gegen den Verbleib des Zeitsoldaten im Dienst sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtwürdigung zusammentragen, gewichten und gegeneinander abwägen müsste (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.03.2006 - 1 B 1843/05 -, Rn. 29, juris). Auch im Übrigen ist im Rahmen von § 55 Abs. 5 SG kein Raum für Erwägungen darüber, ob die Sanktion der dienstlichen Verfehlung angemessen ist und ob der Soldat im Hinblick auf die Art und Schwere der Dienstpflichtverletzung noch tragbar oder untragbar ist. Die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck ist in einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber im Wesentlichen bereits durch die Vorschrift selbst auf der Tatbestandsebene konkretisiert worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.01.1980 - 2 C 16.78 -, BVerwGE 59, 351). Dies zugrunde gelegt ist das Ermessen der zuständigen Behörde trotz des Wortlauts „kann“ (und nicht „soll“) im Sinne einer sog. „intendierten Entscheidung“ auf Ausnahmefälle zu beschränken, die der Gesetzgeber in seine vorweggenommene Verhältnismäßigkeitsabwägung nicht schon einbezogen hat bzw. einbeziehen konnte, weil sie den jeweils in Rede stehenden Fall völlig „atypisch“ prägen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.01.2005 - 1 B 2009/04 -, NVwZ-RR 2005, 638 m.w.N.; VG München, Beschluss vom 16.03.2017 - M 21 S 16/2714 -, juris). |
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| Diesen Anforderungen wurde die Beklagte gerecht. Sie war sich des ihr in besonderen Fällen gesetzlich eingeräumten Ermessens bewusst und hat das Vorliegen atypischer Umstände geprüft und - zutreffend - verneint. Die Beklagte hat dabei ihrer Ermessensausübung - anders als der Kläger meint - auch keinen fehlerhaften Sachverhalt zugrunde gelegt. Sie ging nicht davon aus, dass der Kläger oder die anderen Beteiligten Straftatbestände verwirklicht hätten, sondern sprach sowohl im Ausgangs- als auch im Beschwerdebescheid davon, dass der Kläger „zudem in Verdacht“ stehe, mehrere Straftaten begangen zu haben. Diesbezüglich bestätigte auch der Prozessvertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich, dass es bei der Entscheidung über die Entlassungen nicht auf eine strafrechtliche Verfehlung angekommen sei. Auch mit dem Einwand des Klägers, er habe selbst „nicht Hand“ angelegt, hat sich die Beklagte spätestens in ihrem Beschwerdebescheid in ausreichender Weise auseinandergesetzt. Sie äußerte einerseits, dass sie den Vortrag als „Schutzbehauptung“ werte. Andererseits erklärte sie aber auch, dass sie bei ihrer Beurteilung der Vorfälle berücksichtigt habe, dass der Kläger „ungeachtet dessen“ jedenfalls maskiert als „Täter“ aufgetreten sei, die anderen „Täter“ unterstützt habe und das aufgenommene Videomaterial über die Erniedrigung der „Opfer“ anderen Kameraden sowie seiner Freundin gezeigt habe. Aus den Bescheiden der Beklagten geht auch hervor, dass sie sich mit dem Einwand des Klägers und der übrigen „Täter“ auseinandergesetzt hat, dass die „Opfer“ über das Geschehen zuvor unterrichtet worden seien und ihr Einverständnis hiermit erklärt hätten. Auch insoweit ist nicht erkennbar, dass die Beklagte bei ihrer Ermessensausübung in zu beanstandender Weise Teile des Sachverhalts außer Acht gelassen oder fehlerhaft bewertet haben könnte. |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht keine Veranlassung, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, § 167 Abs. 2 VwGO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, §§ 124, 124a VwGO. |
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