Arbeitsrecht: Kein Kündigungsschutz für Schwangere bei Massenentlassungen

bei uns veröffentlicht am19.03.2018
Zusammenfassung des Autors

Schwangeren Arbeitnehmerinnen darf aufgrund einer Massenentlassung gekündigt werden, wenn der Arbeitgeber die rechtfertigenden Gründe und die sachlichen Kriterien mitteilt, nach denen die zu entlassenden Arbeitnehmer ausgewählt wurden - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin

 

Nach Auffassung des EuGH steht die Richtlinie 92/85 einer nationalen Regelung, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung zulässig ist, nicht entgegen. Mit der Richtlinie unvereinbar sei eine Kündigungsentscheidung, die wesentlich mit der Schwangerschaft der Betroffenen zusammenhängt. Erfolgt die Kündigung dagegen aus Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zu tun haben, stehe diese der Richtlinie 92/85 nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführe und die Kündigung der Betroffenen nach den betreffenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sei. Hieraus folge, dass die nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründe, die im Rahmen von Massenentlassungen i.S.d. Richtlinie 98/59 geltend gemacht werden könnten, unter die nicht mit dem Zustand der Arbeitnehmerinnen in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle im Sinne der Richtlinie 92/85 fielen.

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 22.02.2018 folgendes entschieden:

Tenor:

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 10 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz  und von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen. 

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Jessica Porras Guisado auf der einen und der Bankia SA, verschiedenen Betriebsgruppen von Gewerkschaften und dem Fondo de Garantía Salarial  auf der anderen Seite betreffend die Rechtmäßigkeit der Kündigung von Frau Porras Guisado, die im Rahmen einer Massenentlassung vorgenommen wurde, während sie schwanger war. 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 92/85

Die Erwägungsgründe 1, 7, 8 und 15 der Richtlinie 92/85 haben folgenden Wortlaut: 

„Artikel 118a des [EWG-]Vertrages sieht vor, dass der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften erlässt, um die Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zu fördern und so die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen.

… 

Gemäß Artikel 15 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit [] müssen besonders gefährdete Risikogruppen gegen die speziell sie bedrohenden Gefahren geschützt werden. 

Da schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen in vielerlei Hinsicht als eine Gruppe mit besonderen Risiken betrachtet werden müssen, sind Maßnahmen für ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu treffen. 

… 

Die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit ihrem Zustand in Verbindung stehen, kann sich schädlich auf die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auswirken; daher ist es erforderlich, ihre Kündigung zu verbieten“. 

Art. 1 der Richtlinie 92/85 sieht in seinem Abs. 1 vor: 

„Ziel dieser Richtlinie, die die zehnte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG darstellt, ist die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz.“ 

Art. 2 der Richtlinie 92/85 lautet: 

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als 

„schwangere Arbeitnehmerin“ jede schwangere Arbeitnehmerin, die den Arbeitgeber gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von ihrer Schwangerschaft unterrichtet; 

„Wöchnerin“ jede Arbeitnehmerin kurz nach einer Entbindung im Sinne der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten, die den Arbeitgeber gemäß diesen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von ihrer Entbindung unterrichtet; 

„stillende Arbeitnehmerin“ jede stillende Arbeitnehmerin im Sinne der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten, die den Arbeitgeber gemäß diesen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten darüber unterrichtet, dass sie stillt.“ 

Art. 10 der Richtlinie 92/85 bestimmt: 

„Um den Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 die Ausübung der in diesem Artikel anerkannten Rechte in Bezug auf ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu gewährleisten, wird Folgendes vorgesehen: 

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs nach Artikel 8 Absatz 1 zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muss. 

Wird einer Arbeitnehmerin im Sinne des Artikels 2 während der in Nummer 1 genannten Zeit gekündigt, so muss der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführen. 

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 vor den Folgen einer nach Nummer 1 widerrechtlichen Kündigung zu schützen.“ 

Richtlinie 98/59

Die Erwägungsgründe 2 bis 4 und 7 der Richtlinie 98/59 lauten: 

„Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft ist es wichtig, den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen zu verstärken. 

Trotz einer konvergierenden Entwicklung bestehen weiterhin Unterschiede zwischen den in den Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Voraussetzungen und des Verfahrens für Massenentlassungen sowie hinsichtlich der Maßnahmen, die die Folgen dieser Entlassungen für die Arbeitnehmer mildern könnten. 

Diese Unterschiede können sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes unmittelbar auswirken. 

… 

Daher muss auf diese Angleichung auf dem Wege des Fortschritts im Sinne des Artikels 117 EG-Vertrag hingewirkt werden“. 

Art. 1 der Richtlinie 98/59 bestimmt in seinem Abs. 1 Buchst. a: 

„Für die Durchführung dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: 

‚Massenentlassungen‘ sind Entlassungen, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, vornimmt und bei denen – nach Wahl der Mitgliedstaaten – die Zahl der Entlassungen 

entweder innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen 

  • mindestens 10 in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmern,
  • mindestens 10 v. H. der Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mindestens 100 und weniger als 300 Arbeitnehmern,
  • mindestens 30 in Betrieben mit in der Regel mindestens 300 Arbeitnehmern,

oder innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen mindestens 20, und zwar unabhängig davon, wie viele Arbeitnehmer in der Regel in dem betreffenden Betrieb beschäftigt sind, 

beträgt“. 

Art. 2 dieser Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 bis 3 vor: 

„Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Massenentlassungen vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. 

Diese Konsultationen erstrecken sich zumindest auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern. 

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Arbeitnehmervertreter gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken Sachverständige hinzuziehen können. 

Damit die Arbeitnehmervertreter konstruktive Vorschläge unterbreiten können, hat der Arbeitgeber ihnen rechtzeitig im Verlauf der Konsultationen 

die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und 

in jedem Fall schriftlich Folgendes mitzuteilen: 

die Gründe der geplanten Entlassung; 

die Zahl und die Kategorien der zu entlassenden Arbeitnehmer; 

die Zahl und die Kategorien der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer;

den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen; 

die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken dem Arbeitgeber die Zuständigkeit dafür zuerkennen; 

die vorgesehene Methode für die Berechnung etwaiger Abfindungen, soweit sie sich nicht aus den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken ergeben. 

Der Arbeitgeber hat der zuständigen Behörde eine Abschrift zumindest der in Unterabsatz 1 Buchstabe b) Ziffern i) bis v) genannten Bestandteile der schriftlichen Mitteilung zu übermitteln.“ 

Spanisches Recht

Art. 51 des Texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores, aprobado por el Real Decreto Legislativo 1/1995, vom 24. März 1995 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zeitlich anwendbaren Fassung regelt Massenentlassungen wie folgt: 

„Als Massenentlassung im Sinne [des Arbeitnehmerstatuts] gilt die Beendigung von Arbeitsverträgen aus wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen oder produktionsbedingten Gründen, wenn sich die Beendigung innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen mindestens auswirkt auf 

10 Arbeitnehmer in Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten, 

10 % der Arbeitnehmer in Unternehmen, die zwischen 100 und 300 Arbeitnehmer beschäftigen, 

30 Arbeitnehmer in Unternehmen, die mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigen. 

Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn das Unternehmensergebnis eine negative wirtschaftliche Lage widerspiegelt, etwa im Fall von bereits realisierten oder zu erwartenden Verlusten oder bei einem anhaltenden Rückgang der gewöhnlichen Einnahmen oder der Umsätze. Von einem anhaltenden Rückgang ist jedenfalls dann auszugehen, wenn während drei aufeinanderfolgender Quartale das Niveau der gewöhnlichen Einnahmen oder des Umsatzes eines jeden Quartals niedriger ausfällt als das im gleichen Quartal des Vorjahres verzeichnete Niveau. 

… 

Der Massenentlassung müssen Konsultationen der gesetzlichen Arbeitnehmervertreter für eine Dauer von nicht mehr als 30 Kalendertagen oder – bei Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern – 15 Kalendertagen vorausgehen. Die Konsultationen der gesetzlichen Arbeitnehmervertreter erstrecken sich zumindest auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen wie Verlagerungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung oder Umschulung zwecks Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit zu mildern. Die Konsultationen werden in einem einzigen Verhandlungsgremium durchgeführt, wobei sich dieses bei Bestehen mehrerer Betriebsstätten auf diejenigen beschränkt, die von dem Massenentlassungsverfahren betroffen sind. … 

…       

Die Mitteilung über die Eröffnung des Konsultationszeitraums erfolgt durch Schreiben des Arbeitgebers an die gesetzlichen Arbeitnehmervertreter, von dem eine Abschrift der Arbeitsbehörde zu übermitteln ist. Das Schreiben muss folgende Angaben enthalten: 

die genaue Angabe der Gründe der Massenentlassung nach Abs. 1; 

die Zahl der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer und die Berufsgruppen, denen sie angehören; 

die Zahl der während des letzten Jahres in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und die Berufsgruppen, denen sie angehören; 

den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen; 

die Kriterien, die bei der Auswahl der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer berücksichtigt wurden; 

eine Abschrift der von der Unternehmensleitung an die Arbeitnehmer oder ihre Vertreter gerichteten Mitteilung über die Absicht, ein Massenentlassungsverfahren einzuleiten; 

die Identität der Arbeitnehmervertreter, die dem Verhandlungsgremium angehören, oder gegebenenfalls den Hinweis darauf, dass das Gremium nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen gebildet worden ist; 

… 

Die gesetzlichen Vertreter der Arbeitnehmer sind in den in diesem Artikel geregelten Fällen vorrangig im Unternehmen weiterzubeschäftigen. Durch Tarifvertrag oder in einer während des Konsultationszeitraums getroffenen Vereinbarung kann ein Anspruch auf vorrangige Weiterbeschäftigung für andere Gruppen wie Arbeitnehmer mit familiären Belastungen, ältere Arbeitnehmer mit einem bestimmen Alter oder Behinderte vereinbart werden. 

…“

Art. 52 des Arbeitnehmerstatuts über die Beendigung des Vertrags aus sachlichen Gründen sieht vor: 

„Der Arbeitsvertrag kann beendet werden, 

… 

wenn einer der in Art. 51 Abs. 1 [des Arbeitnehmerstatuts] genannten Gründe vorliegt und die Beendigung eine geringere als die dort genannte Zahl von Arbeitnehmern betrifft.

…“ 

In Art. 53 des Arbeitnehmerstatuts über die Form und die Wirkungen der Beendigung des Arbeitsvertrags aus sachlichen Gründen heißt es: 

„1. Die Annahme der Beendigungsvereinbarung nach dem vorstehenden Artikel unterliegt folgenden Voraussetzungen: 

Dem Arbeitnehmer ist der Grund schriftlich mitzuteilen. 

Dem Arbeitnehmer ist gleichzeitig mit der Übergabe der schriftlichen Mitteilung eine Abfindung in Höhe von 20 Tagesentgelten je Dienstjahr zur Verfügung zu stellen, wobei Zeiten von weniger als einem Jahr anteilig auf Monatsbasis berechnet werden und die Obergrenze bei zwölf Monatsentgelten liegt. 

Beruht die auf Art. 52 Buchst. c [des Arbeitnehmerstatuts] gestützte Kündigungsentscheidung auf wirtschaftlichen Gründen und kann die im vorausgehenden Unterabsatz genannte Abfindung aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht ausgezahlt werden, kann der Arbeitgeber von ihrer Zahlung absehen und weist in der schriftlichen Mitteilung darauf hin, das ihm dies unmöglich ist; das Recht des Arbeitnehmers, die Zahlung der Abfindung bei Wirksamwerden der Kündigung zu verlangen, bleibt hiervon unberührt.

Es ist eine Kündigungsfrist von 15 Tagen, berechnet ab der Übergabe der persönlichen Mitteilung an den Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsvertrags, zu gewähren. Im Falle des Art. 52 Buchst. c erhalten die gesetzlichen Personalvertreter zu Informationszwecken eine Abschrift des Kündigungsschreibens. 

… 

Gegen die Kündigungsentscheidung kann im Klagewege wie gegen eine Kündigung aus disziplinarischen Gründen vorgegangen werden. 

Ist das Motiv der Kündigungsentscheidung des Arbeitgebers einer der in der Verfassung oder im Gesetz verbotenen Diskriminierungsgründe oder ist die Kündigung unter Verstoß gegen die Grundrechte und Grundfreiheiten des Arbeitnehmers erfolgt, ist die Kündigungsentscheidung unwirksam. Das Gericht stellt die Unwirksamkeit von Amts wegen fest. 

Außerdem ist eine Kündigungsentscheidung in folgenden Fällen unwirksam: 

wenn sie ergeht, während der Arbeitsvertrag wegen Mutterschaft, Gefährdung während der Schwangerschaft, Gefährdung während des natürlichen Stillens, einer durch die Schwangerschaft, die Geburt oder das natürliche Stillen verursachten Krankheit, einer Adoption, Aufnahme eines Pflegekindes oder Vaterschaft im Sinne von Art. 45 Abs. 1 Buchst. d ausgesetzt ist oder wenn sie zeitlich so zugestellt wird, dass die Kündigungsfrist während dieses Aussetzungszeitraums endet; 

wenn sie eine schwangere Arbeitnehmerin zwischen dem Beginn ihrer Schwangerschaft und dem Beginn des Aussetzungszeitraums im Sinne des Buchst. a betrifft oder wenn sie einen Arbeitnehmer, der eine Freistellung nach Art. 37 Abs. 4, 4a und 5 beantragt hat oder in Anspruch nimmt oder der eine Beurlaubung nach Art. 46 Abs. 3 dieses Gesetzes beantragt hat oder in Anspruch nimmt, betrifft; wenn sie eine Arbeitnehmerin, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt ist, wegen der Ausübung ihrer Rechte auf eine Verringerung oder Umorganisierung ihrer Arbeitszeit, auf geografische Mobilität, auf eine Änderung des Arbeitsorts oder auf eine Aussetzung des Arbeitsvertrags nach den vom [Arbeitnehmerstatut] anerkannten Bedingungen betrifft; 

wenn sie einen Arbeitnehmer nach Wiederaufnahme seiner Beschäftigung nach der Aussetzung des Arbeitsvertrags wegen Mutterschaft, Adoption, Aufnahme eines Pflegekindes oder Vaterschaft betrifft, sofern weniger als neun Monate seit der Geburt, der Adoption oder der Aufnahme als Pflegekind vergangen sind. 

Die Bestimmungen der vorstehenden Absätze finden Anwendung, sofern nicht in diesen Fällen festgestellt wird, dass die Kündigungsentscheidung aus Gründen rechtmäßig ist, die nicht mit der Schwangerschaft oder der Ausübung des Rechts auf die oben genannte Freistellung oder Beurlaubung in Verbindung stehen. 

Die Kündigungsentscheidung gilt als begründet, wenn der Grund, auf dem sie beruht, nachgewiesen wird und die Voraussetzungen nach Abs. 1 des vorliegenden Artikels erfüllt sind. Anderenfalls wird sie für unbegründet erklärt. 

Das Unterlassen einer Fristsetzung oder ein entschuldbarer Fehler bei der Berechnung der Abfindung führen allerdings nicht zur Unbegründetheit der Kündigung, unbeschadet der Pflicht des Arbeitgebers, die diesem Zeitraum entsprechenden Gehälter oder den korrekten Betrag der Abfindung zu zahlen, und zwar unabhängig von den anderen sich hieraus ergebenden Wirkungen. 

Die Entscheidung des Gerichts, mit der die Unwirksamkeit, die Begründetheit oder die fehlende Begründung der Kündigungsentscheidung festgestellt wird, zieht vorbehaltlich der folgenden Abweichungen dieselben Wirkungen nach sich wie diejenigen, die für Kündigungen aus disziplinarischen Gründen vorgesehen sind: 

wird die Kündigungsentscheidung für begründet erklärt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Abfindung nach Abs. 1 des vorliegenden Artikels, die bei ihm verbleibt, wenn er sie bereits erhalten hat, und gilt als arbeitslos aus ihm nicht zurechenbaren Gründen; 

wird die Kündigungsentscheidung für unbegründet erklärt und nimmt der Arbeitnehmer seine Beschäftigung beim Arbeitgeber wieder auf, ist der Arbeitnehmer zur Rückzahlung der erhaltenen Abfindung verpflichtet. Wird die Wiedereingliederung in den Betrieb durch eine wirtschaftliche Entschädigung ersetzt, wird diese um den Betrag der Abfindung verringert.“ 

Art. 55 des Arbeitnehmerstatuts über die Form und die Wirkungen der Kündigung aus disziplinarischen Gründen bestimmt in seinen Abs. 5 und 6: 

„Eine Kündigung, die auf einem der in der Verfassung oder im Gesetz verbotenen Diskriminierungsgründe beruht oder unter Verstoß gegen die Grundrechte und Grundfreiheiten des Arbeitnehmers erfolgt, ist unwirksam. 

Außerdem ist eine Kündigung in folgenden Fällen unwirksam: 

wenn sie erfolgt, während der Arbeitsvertrag wegen Mutterschaft, Gefährdung während der Schwangerschaft, Gefährdung während des natürlichen Stillens, einer durch die Schwangerschaft, die Geburt oder das natürliche Stillen verursachten Krankheit, einer Adoption, Aufnahme eines Pflegekindes oder Vaterschaft im Sinne von Art. 45 Abs. 1 Buchst. d [des Arbeitnehmerstatuts] ausgesetzt ist, oder wenn sie zeitlich so zugestellt wird, dass die Kündigungsfrist innerhalb dieses Aussetzungszeitraums endet; 

wenn sie schwangere Arbeitnehmerinnen zwischen dem Beginn der Schwangerschaft und dem Beginn des Aussetzungszeitraums im Sinne des vorstehenden Absatzes oder einen Arbeitnehmer, der eine Freistellung nach Art. 37 Abs. 4, 4a und 5 beantragt hat oder in Anspruch nimmt oder der eine Beurlaubung nach Art. 46 Abs. 3 beantragt hat oder in Anspruch nimmt, betrifft; wenn sie eine Arbeitnehmerin, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt ist, wegen der Ausübung ihrer Rechte auf eine Verringerung oder Umorganisierung ihrer Arbeitszeit, auf geografische Mobilität, auf eine Änderung des Arbeitsortes oder auf eine Aussetzung des Arbeitsvertrags nach den vom [Arbeitnehmerstatut] anerkannten Bedingungen betrifft; 

wenn sie einen Arbeitnehmer betrifft, der nach der Aussetzung des Arbeitsvertrags wegen Mutterschaft, Adoption, Aufnahme eines Pflegekindes oder Vaterschaft seine Beschäftigung wieder aufgenommen hat, sofern weniger als neun Monate seit der Geburt, der Adoption oder der Aufnahme als Pflegekind vergangen sind. 

Die Regelung der vorstehenden Absätze gilt, sofern nicht in diesen Fällen festgestellt wird, dass die Kündigung aus Gründen rechtmäßig ist, die nicht mit der Schwangerschaft oder der Ausübung des Rechts auf die oben genannte Freistellung oder Beurlaubung zusammenhängen. 

Eine für unwirksam erklärte Kündigung bewirkt die sofortige Wiederherstellung des Beschäftigungsverhältnisses und die Zahlung des nicht erhaltenen Arbeitsentgelts.“ 

Art. 13 des Real Decreto 1483/2012 por el que se aprueba el Reglamento de los procedimientos de despido colectivo y de suspensión de contratos y reducción de jornada vom 29. Oktober 2012 bestimmt: 

„Gemäß den Regelungen von Art. 51 Abs. 5 und Art. 68 Buchst. b des [Arbeitnehmerstatuts] sowie Art. 10 Abs. 3 der Ley Orgánica 11/1985 de Libertad Sindical [] vom 2. August 1985 sind die gesetzlichen Arbeitnehmervertreter im Verhältnis zu den anderen vom Massenentlassungsverfahren betroffenen Arbeitnehmer vorrangig weiterzubeschäftigen. 

Zu anderen Gruppen gehörende Arbeitnehmer werden ebenfalls vorrangig weiterbeschäftigt, wenn dies in einem Tarifvertrag oder in der während des Konsultationszeitraums geschlossenen Vereinbarung vereinbart wird, wie etwa Arbeitnehmer mit familiären Belastungen, Arbeitnehmer mit einem bestimmten Alter oder Behinderte. 

Das Unternehmen muss in der endgültigen Entscheidung über die Massenentlassung im Sinne von Artikel 12 die Kündigung von Arbeitnehmern, die Anspruch auf vorrangige Weiterbeschäftigung im Unternehmen haben, rechtfertigen.“ 

Art. 122 Abs. 2 der Ley 36/2011, reguladora de la jurisdicción social, vom 10. Oktober 2011 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung sieht vor: 

„Die Kündigungsentscheidung ist unwirksam: 

… 

wenn sie rechtsmissbräuchlich durch Umgehung der für Massenentlassungen geltenden Bestimmungen in den Fällen des Art. 51 Abs. 1 letzter Unterabsatz [des Arbeitnehmerstatuts] getroffen wurde; 

wenn sie ergeht, während der Arbeitsvertrag wegen Mutterschaft, Gefährdung während der Schwangerschaft, Gefährdung während des natürlichen Stillens, einer durch die Schwangerschaft, die Geburt oder das natürliche Stillen verursachten Krankheit, einer Adoption, Aufnahme eines Pflegekindes oder Vaterschaft im Sinne von Art. 45 Abs. 1 Buchst. d [des Arbeitnehmerstatuts] ausgesetzt ist, oder zeitlich so zugestellt wird, dass die Kündigungsfrist innerhalb dieses Aussetzungszeitraums endet; 

wenn sie schwangere Arbeitnehmerinnen zwischen dem Beginn der Schwangerschaft und dem Beginn des Aussetzungszeitraums im Sinne von Buchst. c oder einen Arbeitnehmer, der eine Freistellung nach Art. 37 Abs. 4, 4a und 5 [des Arbeitnehmerstatuts] beantragt hat oder in Anspruch nimmt oder der eine Beurlaubung nach Art. 46 Abs. 3 dieses Statuts beantragt hat oder in Anspruch nimmt, betrifft; wenn sie eine Arbeitnehmerin, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt ist, wegen der Ausübung ihrer Rechte auf eine Verringerung oder Umorganisierung ihrer Arbeitszeit, auf geografische Mobilität, auf eine Änderung des Arbeitsorts oder auf eine Aussetzung des Arbeitsvertrags gemäß den vom [Arbeitnehmerstatut] anerkannten Bedingungen, betrifft; 

wenn sie einen Arbeitnehmer betrifft, der nach der Aussetzung des Arbeitsvertrags wegen Mutterschaft, Adoption, Aufnahme eines Pflegekindes oder Vaterschaft seine Beschäftigung wieder aufgenommen hat, sofern weniger als neun Monate seit der Geburt, der Adoption oder der Aufnahme als Pflegekind vergangen sind.

Die Regelung in den Buchst. c, d und e gilt, sofern nicht in diesen Fällen festgestellt wird, dass die Kündigung auf Gründen beruht, die nicht mit der Schwangerschaft oder der Ausübung des Rechts auf die oben genannte Freistellung oder Beurlaubung zusammenhängen. 

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Frau Porras Guisado wurde am 18. April 2006 von Bankia eingestellt. 

Am 9. Januar 2013 begannen wegen einer geplanten Massenentlassung Konsultationen zwischen Bankia und den Arbeitnehmervertretern, nämlich den Betriebsgruppen der Gewerkschaften CCOO, UGT, ACCAM, SATE und der CSICA. 

Am 8. Februar 2013 erzielte das Verhandlungsgremium im Sinne von Art. 51 Abs. 2 des Arbeitnehmerstatuts eine Vereinbarung, die u. a. die vorzunehmende Massenentlassung, die Änderung der Arbeitsbedingungen und die funktionale und geografische Mobilität regelte. 

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass nach dem Protokoll zu dieser Vereinbarung bei der Auswahl der Personen, die von der unmittelbar vom Unternehmen getroffenen Kündigungsentscheidung betroffen sind, folgende Kriterien berücksichtigt werden: 

„Anwendungsbereich ist die Provinz oder die funktionalen Gruppen oder Einheiten der zentralen Dienste, in denen die Arbeitnehmer beschäftigt sind. 

In diesem Sinne trifft das Unternehmen nach Abzug der Arbeitsplätze, die das Unternehmen mittels des Verfahrens der Teilnahme [des Programms der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung] abbaut, und derjenigen Personen, die von geografischer Mobilität und Arbeitsplatzwechseln zur Deckung des Bedarfs, der aus der von den Beschäftigten … beantragten Teilnahme an dem Programm entsteht, betroffen sind, die Auswahl der im jeweiligen Anwendungsbereich von der Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer und berücksichtigt dabei das Ergebnis der vom Unternehmen durchgeführten Verfahren zur Bewertung des Kompetenzprofils und der Indikatoren für das Potential.“ 

In diesem Protokoll sind auch die Kriterien für einen Anspruch auf vorrangige Weiterbeschäftigung niedergelegt, nämlich: 

„Bei Ehegatten oder Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft darf nur einer der Partner nach deren Wahl im Einklang mit dem funktionalen Bedarf und der geforderten Profile betroffen sein, wobei zur Erfüllung dieser Voraussetzung eine örtliche Versetzung erforderlich sein kann. 

Bei Streichung der Arbeitsplätze von Arbeitnehmern mit einem Behinderungsgrad von mehr als 33 %, der von den zuständigen Behörden jeder Autonomen Gemeinschaft anerkannt und bescheinigt ist, wird das Unternehmen, sofern der neue Arbeitsplatz deren Profil entspricht, ihre Weiterverwendung an einem anderen Arbeitsplatz in Betracht ziehen.“ 

Am 13. November 2013 stellte Bankia Frau Porras Guisado ihr Kündigungsschreiben zu. In diesem hieß es: 

„Im konkreten Fall der Provinz Barcelona [], in der Sie beschäftigt sind, ist es nach Durchführung des Verfahrens zur Teilnahme am Programm der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung und nach Abzug der von Fällen der geografischen Mobilität und Arbeitsplatzwechseln betroffenen Personen erforderlich geworden, weitere Personalanpassungen vorzunehmen und nach Maßgabe der [Vereinbarung vom 8. Februar 2013] Arbeitsverhältnisse im Wege der unmittelbaren Auswahl durch das Unternehmen zu beendigen. 

In diesem Sinne beträgt Ihr Bewertungsergebnis in dem vom Unternehmen durchgeführten Bewertungsverfahren, das in der Konsultationsphase ausgehandelt wurde und einen maßgeblichen Bestandteil für den Abschluss der Vereinbarung vom 8. Februar 2013 bildete, 6 Punkte und gehört zu den Bewertungen mit der niedrigsten Punktzahl in der Provinz Barcelona, in der Sie beschäftigt sind.

Daher müssen wir Ihnen mitteilen, dass nach Anwendung der dargelegten Bewertungskriterien und aus den genannten Gründen entschieden wurde, Ihren Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 10. Dezember 2013 zu kündigen.“ 

Am selben Tag wie dem der Zustellung ihrer Kündigung erhielt Frau Porras Guisado von Bankia einen Geldbetrag als Abfindung. 

Frau Porras Guisado war zum Kündigungszeitpunkt schwanger. 

Am 9. Januar 2014 beantragte sie eine Güteverhandlung, die erfolglos verlief. 

Am 3. Februar 2014 reichte Frau Porras Guisado gegen ihre Kündigung beim Juzgado Social No 1 de Mataró eine Klage ein. Mit Urteil vom 25. Februar 2015 wies das Gericht ihre Klage ab. 

Hiergegen legte Frau Porras Guisado ein Rechtsmittel zum vorlegenden Gericht, dem Tribunal Superior de Justicia de Cataluña, ein. 

Dieses Gericht betont, dass sein Vorabentscheidungsersuchen nicht den Schutz vor Diskriminierungen nach der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen betrifft. Vielmehr gehe es darin um die Frage, ob durch die spanische Regelung Art. 10 der Richtlinie 92/85 korrekt umgesetzt wurde, der es außer in Ausnahmefällen verbiete, schwangeren Arbeitnehmerinnen zu kündigen. 

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 

Ist Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen, dass der Tatbestand der „nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind“ als Ausnahme vom Verbot der Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen nicht mit dem Tatbestand „aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 vergleichbar ist, sondern einen engeren Tatbestand darstellt?

Ist es bei einer Massenentlassung für die Beurteilung der Frage, ob Ausnahmefälle vorliegen, die die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen im Sinne von Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 rechtfertigen, erforderlich, dass die betroffene Arbeitnehmerin nicht auf einer anderen Stelle weiterbeschäftigt werden kann, oder genügt der Nachweis wirtschaftlicher, technischer und produktionsbedingter Gründe, die ihren Arbeitsplatz betreffen?

Steht mit Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85, der die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen verbietet, eine Regelung wie die spanische in Einklang, die dieses Verbot umsetzt, indem sie gewährleistet, dass bei unterbliebenem Nachweis der Gründe, die ihre Kündigung rechtfertigen, deren Unwirksamkeit festgestellt wird, die aber kein Kündigungsverbot vorsieht ?

Steht mit Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 eine Regelung wie die spanische in Einklang, die für schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen bei einer Massenentlassung keinen Anspruch auf vorrangige Weiterbeschäftigung im Unternehmen vorsieht?

Steht mit Art. 10 Nr. 2 der Richtlinie 92/85 eine nationale Regelung in Einklang, nach der ein Kündigungsschreiben wie das im vorliegenden Fall fragliche, das neben den Gründen für die Massenentlassung keinerlei Bezugnahme auf das Vorliegen eines Ausnahmefalls enthält, ausreichend ist, um die Entscheidung über eine Massenentlassung auf die schwangere Arbeitnehmerin zu erstrecken? 

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens 

Zur Einhaltung der nationalen Verfahrensvorschriften 

Nach Auffassung von Bankia ist das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig, weil das vorlegende Gericht die nationalen Verfahrensvorschriften nicht eingehalten habe. Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits habe nämlich Frau Porras Guisado den Verstoß gegen die Richtlinie 92/85 nur im Rechtsmittel gerügt. Nach den nationalen Verfahrensvorschriften könne jedoch ein neuer, anderer Klagegrund als diejenigen Klagegründe, die in der Klageschrift geltend gemacht wurden, nicht zugelassen werden. 

In jedem Fall fehle Frau Porras Guisado nach der Rechtsprechung der spanischen Gerichte die Befugnis, die zwischen Bankia und den Arbeitnehmervertretern in der Vereinbarung vom 8. Februar 2013 niedergelegten Kriterien für einen Anspruch auf vorrangige Weiterbeschäftigung im Rahmen ihrer individuellen Kündigungsschutzklage zu beanstanden. 

Insoweit ist zum einen daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV weder zur Auslegung innerstaatlicher Rechts‑ oder Verwaltungsvorschriften noch zu Äußerungen über deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht befugt ist, und zum anderen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, nachzuprüfen, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das Gerichtsverfahren entspricht. 

Folglich kann das Vorbringen, dass die nationalen Verfahrensvorschriften nicht beachtet worden seien, im vorliegenden Fall nicht dazu führen, dass das Vorabentscheidungsersuchen als unzulässig zurückzuweisen ist. 

Zum hypothetischen Charakter der Vorlagefragen 

Bankia macht geltend, dass Frau Porras Guisado sie zum Zeitpunkt der Kündigung nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet habe. Unter diesen Umständen sei die Richtlinie 92/85 angesichts der Definition des Begriffs „schwangere Arbeitnehmerin“ in ihrem Art. 2 Buchst. a im Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar. Daher seien die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen hypothetischer Natur. 

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Instruments der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, das das in Art. 267 AEUV geschaffene Verfahren darstellt, eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht spricht. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über eine von einem nationalen Gericht gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nur dann ablehnen, wenn etwa die in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs aufgeführten Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens nicht erfüllt sind oder offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Unionsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist. 

Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht, wie oben in Rn. 27 dieses Urteils ausgeführt worden ist, klargestellt, dass es in dem Vorabentscheidungsersuchen um die Frage gehe, ob durch die spanische Regelung Art. 10 der Richtlinie 92/85 korrekt umgesetzt wurde, der es außer in Ausnahmefällen verbiete, schwangeren Arbeitnehmerinnen zu kündigen. 

Es steht fest, dass Frau Porras Guisado zum Zeitpunkt ihrer Kündigung schwanger war. Darüber hinaus ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass sie im Rahmen des nationalen Verfahrens geltend gemacht hat, damals ihre Kollegen und Vorgesetzten von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt zu haben. 

Unter diesen Umständen und mangels jeder gegenteiligen Angabe des vorlegenden Gerichts ist festzustellen, dass dieses von der Anwendbarkeit des Art. 10 der Richtlinie 92/85 auf Frau Porras Guisado ausgeht. 

Daher ist es nicht offensichtlich, dass die Vorlagefragen hypothetischer Natur sind oder in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen. 

Vor diesem Hintergrund ist das Vorabentscheidungsersuchen für zulässig zu erklären. 

Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass der Tatbestand der „nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind“, als Ausnahme vom Verbot der Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen nicht mit dem Tatbestand „aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen“, im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 vergleichbar ist, sondern einen engeren Tatbestand darstellt. 

Nach Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muss. 

Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 sind unter dem Begriff der Massenentlassung solche Entlassungen zu verstehen, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, vornimmt, sofern bestimmte quantitative und zeitliche Voraussetzungen erfüllt sind. 

Wenn einer schwangeren Arbeitnehmerin, stillenden Arbeitnehmerin oder Wöchnerin im Rahmen eines Massenentlassungsverfahrens gekündigt wird, gehört sie gleichzeitig zu der von der Richtlinie 92/85 und zu der von der Richtlinie 98/59 geschützten Gruppe von Arbeitnehmern. Daher müssen ihr die in beiden Richtlinien vorgesehenen Rechte zugutekommen, die sich, wie die Generalanwältin in Nr. 53 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ergänzen. 

Im Hinblick auf die kombinierte Anwendung der genannten Richtlinien möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 98/59 zulässig ist. 

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Kündigungsverbot in Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 ausweislich ihres 15. Erwägungsgrundes verhindern soll, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit ihrem Zustand in Verbindung stehen, schädlich auf die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auswirkt. 

Gerade in Anbetracht der Gefahr, die eine mögliche Entlassung für die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen darstellt, einschließlich des besonders schwerwiegenden Risikos, dass eine schwangere Arbeitnehmerin zum freiwilligen Abbruch ihrer Schwangerschaft veranlasst wird, hat der Unionsgesetzgeber in Art. 10 der Richtlinie 92/85 einen besonderen Schutz für die Frau vorgesehen, indem er das Verbot der Kündigung während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs verfügt hat, außer in nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefällen und unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung schriftlich angibt. 

Wenn also die Kündigungsentscheidung aus Gründen erging, die wesentlich mit der Schwangerschaft der Betroffenen zusammenhängen, ist sie mit dem Kündigungsverbot nach Art. 10 der Richtlinie 92/85 unvereinbar. 

Dagegen verstieße eine Kündigungsentscheidung in der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs aus Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zu tun haben, nicht gegen Art. 10 der Richtlinie 92/85, vorausgesetzt allerdings, der Arbeitgeber führt schriftlich berechtigte Kündigungsgründe an und die Kündigung der Betroffenen ist nach den betreffenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig, wie es in Art. 10 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 92/85 geregelt ist. 

Hieraus folgt, dass der oder die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegenden Gründe, aus denen Massenentlassungen im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 98/59 vorgenommen werden, unter die nicht mit dem Zustand der Arbeitnehmerinnen in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle im Sinne von Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 fallen. 

Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung im Sinne von Art. 1 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 zulässig ist.

Zur fünften Frage

Mit seiner fünften Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Nr. 2 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Arbeitgeber einer schwangeren Arbeitnehmerin im Rahmen einer Massenentlassung kündigen kann, ohne ihr weitere Gründe zu nennen als diejenigen, die die Massenentlassung rechtfertigen, und ohne auf das Vorliegen eines Ausnahmefalls Bezug zu nehmen. 

Nach dem Wortlaut von Art. 10 Nr. 2 der Richtlinie 92/85 muss der Arbeitgeber dann, wenn einer Arbeitnehmerin während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs gekündigt wird, schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführen. 

Somit muss der Arbeitgeber einer schwangeren Arbeitnehmerin, der zu kündigen er im Begriff ist oder der er bereits gekündigt hat, die nicht in ihrer Person liegenden Gründe schriftlich darlegen, aus denen er eine Massenentlassung im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 vornimmt. Solche Gründe können u. a. wirtschaftliche oder technische Gründe sein oder Gründe, die sich auf Organisation oder Produktion des Unternehmens beziehen. 

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber der schwangeren Arbeitnehmerin die sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer nennen. 

Unter diesen Umständen ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 10 Nr. 2 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Arbeitgeber einer schwangeren Arbeitnehmerin im Rahmen einer Massenentlassung kündigen kann, ohne ihr weitere Gründe zu nennen als diejenigen, die die Massenentlassung rechtfertigen, solange die sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer angegeben werden. 

Zur dritten Frage

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen nicht grundsätzlich präventiv verboten ist und bei einer widerrechtlichen Kündigung lediglich deren Unwirksamkeit als Wiedergutmachung vorgesehen ist. 

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 288 AEUV verpflichtet sind, bei der Umsetzung einer Richtlinie deren vollständige Wirksamkeit zu gewährleisten, wobei sie aber über einen weiten Wertungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel und Wege zu ihrer Durchführung verfügen. Diese Freiheit lässt die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten. 

Nach dem Wortlaut von Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 treffen die Mitgliedstaaten zum einen die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der genannten Arbeitnehmerinnen grundsätzlich zu verbieten. Zum anderen treffen die Mitgliedstaaten ausweislich von Art. 10 Nr. 3 dieser Richtlinie die erforderlichen Maßnahmen, um die Arbeitnehmerinnen vor den Folgen einer nach Art. 10 Nr. 1 widerrechtlichen Kündigung zu schützen. 

Art. 10 der Richtlinie 92/85 unterscheidet also ausdrücklich zwischen dem präventiven Schutz vor der Kündigung selbst und dem Schutz vor den Folgen der Kündigung als Wiedergutmachung. Daher ist zur ordnungsmäßigen Umsetzung dieses Artikels erforderlich, dass die Mitgliedstaaten diesen doppelten Schutz gewährleisten. 

Dem präventiven Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillender Arbeitnehmerinnen vor einer Kündigung kommt im Rahmen der Richtlinie 92/85 besondere Bedeutung zu. 

Nach dem 15. Erwägungsgrund dieser Richtlinie kann sich nämlich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit ihrem Zustand in Verbindung stehen, schädlich auf die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auswirken; daher ist es erforderlich, ihre Kündigung zu verbieten. 

In Anbetracht der Gefahr, die eine mögliche Entlassung für die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen darstellt, einschließlich des besonders schwerwiegenden Risikos, dass eine schwangere Arbeitnehmerin zum freiwilligen Abbruch ihrer Schwangerschaft veranlasst wird, hat der Unionsgesetzgeber in Art. 10 der Richtlinie 92/85 einen besonderen Schutz für die Frau vorgesehen, indem er das Verbot der Kündigung während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs verfügt hat. 

Angesichts der mit der Richtlinie 92/85 und insbesondere mit ihrem Art. 10 verfolgten Ziele schließt der Schutz, der schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen durch diese Bestimmung gewährt wird, sowohl aus, dass eine Kündigungsentscheidung getroffen wird, als auch, dass Vorbereitungen für eine Kündigung getroffen werden wie etwa die Suche und Planung eines endgültigen Ersatzes für die betroffene Angestellte aufgrund der Schwangerschaft und/oder der Geburt eines Kindes. 

Unter Berücksichtigung der Gefahr, die eine mögliche Entlassung für die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen darstellt, vermag ein Schutz im Wege der Wiedergutmachung selbst dann, wenn er zur Wiedereingliederung der entlassenen Arbeitnehmerin und zur Zahlung der wegen der Entlassung nicht erhaltenen Gehälter führt, den präventiven Schutz nicht zu ersetzen. 

Um eine getreue Umsetzung von Art. 10 der Richtlinie 92/85 sowie den Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillender Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten, dürfen sich die Mitgliedstaaten folglich nicht darauf beschränken, bei einer ungerechtfertigten Kündigung lediglich deren Unwirksamkeit als Wiedergutmachung vorzusehen. 

Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen nicht grundsätzlich präventiv verboten ist und im Fall einer widerrechtlichen Kündigung nur deren Unwirksamkeit als Wiedergutmachung vorgesehen ist. 

Zur zweiten und zur vierten Frage 

Mit seiner zweiten und seiner vierten Frage, die als Letztes zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die im Rahmen einer Massenentlassung im Sinne der Richtlinie 98/59 für schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillende Arbeitnehmerinnen weder einen Vorrang der Weiterbeschäftigung noch einen Vorrang der anderweitigen Verwendung vor dieser Entlassung vorsieht. 

Nach Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 „treffen [die Mitgliedstaaten] die erforderlichen Maßnahmen“, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs grundsätzlich zu verbieten. 

Zum Bestehen eines Anspruchs auf vorrangige Weiterbeschäftigung einer schwangeren Arbeitnehmerin, Wöchnerin oder stillenden Arbeitnehmerin führt das vorlegende Gericht in seiner Entscheidung aus, dass nach den spanischen Vorschriften die Arbeitnehmervertreter im Verhältnis zu den anderen vom Massenentlassungsverfahren betroffenen Arbeitnehmer vorrangig weiter beschäftigt würden und dass Arbeitnehmer, die zu anderen Gruppen gehörten, auch einen Anspruch auf vorrangige Weiterbeschäftigung hätten, wenn dies im Verhandlungswege vereinbart worden sei, wie etwa Arbeitnehmer mit familiären Belastungen, ältere Arbeitnehmer mit einem bestimmten Alter oder Behinderte. 

Aus dieser Regelung leitet das vorlegende Gericht ab, dass schwangere Arbeitnehmerinnen nur dann einen Anspruch auf vorrangige Weiterbeschäftigung im Unternehmen haben, wenn dies tarifvertraglich vereinbart worden ist. Im Übrigen könnten auch vorrangig weiterzubeschäftigende Arbeitnehmer entlassen werden, allerdings müsse der Arbeitgeber in diesem Fall außerordentliche Gründe angeben, die sich von den Gründen, auf denen die Massenentlassung beruht, unterscheiden. 

Im vorliegenden Fall ist nach der Antwort auf die erste Vorlagefrage Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen, dass er nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung im Sinne von Art. 1 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59 zulässig ist.

Insoweit trifft es zu, dass, wie die Europäische Kommission ausgeführt hat, die Richtlinie 92/85, insbesondere ihr Art. 10 Nr. 1, die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, für schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillende Arbeitnehmerinnen einen vor der Massenentlassung anwendbaren Anspruch auf vorrangige Weiter- oder anderweitige Beschäftigung vorzusehen. 

Diese Richtlinie, die lediglich Mindestvorschriften enthält, schließt jedoch keineswegs die für Mitgliedstaaten bestehende Möglichkeit aus, schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen einen weiter gehenden Schutz zu gewähren. 

Daher ist auf die zweite und die vierte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, die im Rahmen einer Massenentlassung im Sinne der Richtlinie 98/59 für schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillende Arbeitnehmerinnen weder einen Vorrang der Weiterbeschäftigung noch einen Vorrang der anderweitigen Verwendung vor dieser Entlassung vorsieht. Dies schließt jedoch nicht die für Mitgliedstaaten bestehende Möglichkeit aus, schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen einen weiter gehenden Schutz zu gewähren. 

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof für Recht erkannt:

1. Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz ist dahin auszulegen, dass er nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung im Sinne von Art. 1 Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen zulässig ist.

2. Art. 10 Nr. 2 der Richtlinie 92/85 ist dahin auszulegen, dass er nicht einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Arbeitgeber einer schwangeren Arbeitnehmerin im Rahmen einer Massenentlassung kündigen kann, ohne ihr weitere Gründe zu nennen als diejenigen, die die Massenentlassung rechtfertigen, solange die sachlichen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer angegeben werden.

3. Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kündigung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen nicht grundsätzlich präventiv verboten ist und im Fall einer widerrechtlichen Kündigung nur deren Unwirksamkeit als Wiedergutmachung vorgesehen ist.

4. Art. 10 Nr. 1 der Richtlinie 92/85 ist dahin auszulegen, dass er nicht einer nationalen Regelung entgegensteht,die im Rahmen einer Massenentlassung im Sinne der Richtlinie 98/59 für schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillende Arbeitnehmerinnen weder einen Vorrang der Weiterbeschäftigung noch einen Vorrang der anderweitigen Verwendung vor dieser Entlassung vorsieht. Dies schließt jedoch nicht die für Mitgliedstaaten bestehende Möglichkeit aus, schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen einen weiter gehenden Schutz zu gewähren.

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