Hochschulrecht: Numerus clausus für Bachelor-Studiengang Psychologie in Berlin ohne ausreichende Rechtsgrundlage
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat am 20. Dezember 2011 den Verfassungsbeschwerden von zwei Bewerberinnen um einen Studienplatz für den Bachelor-Studiengang Psychologie an der Humboldt-Universität zu Berlin stattgegeben.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden wandten sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Ablehnung ihrer vorläufigen Hochschulzulassung außerhalb der von der Universität festgesetzten Zulassungszahl zum Wintersemester 2009/2010 für den damals neu eingeführten (und nicht in das bundesweite zentrale Vergabeverfahren einbezogenen) Studiengang „Bachelor of Science Psychologie“. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies ihre Eilanträge mit zwei gleichlautenden Beschlüssen vom 12. Januar 2011 in zweiter und letzter Instanz zurück. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Entscheidungen aufgehoben und die Verfahren zu einer möglichst umgehenden erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt:
Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den verfassungsrechtlich geschützten Hochschulzulassungsanspruch der Beschwerdeführerinnen und ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz. Nach dem Gesetz über die Zulassung zu den Hochschulen des Landes Berlin in zulassungsbeschränkten Studiengängen durfte eine Beschränkung der Zulassung zum Hochschulstudium (numerus clausus) nur ausnahmsweise für einzelne Studiengänge erfolgen. Hierfür mussten alle gesetzlich bestimmten Voraussetzungen vorliegen und Zulassungszahlen für die höchstens aufzunehmenden Studienbewerber förmlich festgesetzt werden. Zur Ermittlung der zulässigen Höchstzahl (Kapazitätser-mittlung) verwies das Berliner Hochschulzulassungsgesetz auf die Regelungen des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006, die seit 1. Mai 2010 inhaltlich unverändert nach dem neuen Staatsvertrag der Länder über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008 fortgel-ten. Danach wurde und wird die jährliche Aufnahmekapazität auf der Grundlage des Lehrangebots, des Ausbildungsaufwands und weiterer kapazitätsbestimmender Kriterien ermittelt. Der Ausbildungsaufwand ist durch studiengangspezifische Normwerte (sog. Curricularnormwerte) festzusetzen, die den Aufwand festlegen, der für die ordnungsgemäße Ausbildung der erforderlich ist. Die Normwerte haben eine gleichmäßige und erschöpfende Auslastung der Hochschulen zu gewährleisten und werden durch Rechtsverordnung der Senatsverwaltung festgesetzt.
Diese landesrechtlichen Vorgaben wurden im Ausgangsverfahren nicht beachtet, obwohl das Verwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 1. April 2010 ausdrücklich festgestellt hatte, dass es an einem durch Rechtsverordnung festgesetzten Curricularnormwert für den Bachelorstudiengang Psychologie fehlte. Dies verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem durch die Verfassung von Berlin geschützten Recht auf effektiven Rechtsschutz, denn die Verwaltungsgerichte sind in Numerus-clausus-Eilverfahren nicht befugt, einen entgegen Landesrecht nicht durch Rechtsverordnung festgesetzten Curricularnormwert (hier: für den Bachelorstudiengang Psychologie) durch eigene Berechnungen des Lehraufwandes zu ersetzen. Ob unter außergewöhnlichen Umständen im Rahmen einer verfassungsrechtlich hinnehmbaren Notkompetenz zur Abwendung konkreter, besonders schwer wiegender Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Hochschule und die Grundrechte bereits zugelassener Studenten etwas anderes gelten kann, hat der Verfassungsgerichtshof offen gelassen. Für eine derartige Ausnahmesi-tuation ist nichts ersichtlich.
Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VerfGH 28/11
Pressemitteilung des VerfGH Berlin vom 23.12.11
Mit ihren Verfassungsbeschwerden wandten sich die Beschwerdeführerinnen gegen die Ablehnung ihrer vorläufigen Hochschulzulassung außerhalb der von der Universität festgesetzten Zulassungszahl zum Wintersemester 2009/2010 für den damals neu eingeführten (und nicht in das bundesweite zentrale Vergabeverfahren einbezogenen) Studiengang „Bachelor of Science Psychologie“. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wies ihre Eilanträge mit zwei gleichlautenden Beschlüssen vom 12. Januar 2011 in zweiter und letzter Instanz zurück. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Entscheidungen aufgehoben und die Verfahren zu einer möglichst umgehenden erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt:
Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den verfassungsrechtlich geschützten Hochschulzulassungsanspruch der Beschwerdeführerinnen und ihr Recht auf effektiven Rechtsschutz. Nach dem Gesetz über die Zulassung zu den Hochschulen des Landes Berlin in zulassungsbeschränkten Studiengängen durfte eine Beschränkung der Zulassung zum Hochschulstudium (numerus clausus) nur ausnahmsweise für einzelne Studiengänge erfolgen. Hierfür mussten alle gesetzlich bestimmten Voraussetzungen vorliegen und Zulassungszahlen für die höchstens aufzunehmenden Studienbewerber förmlich festgesetzt werden. Zur Ermittlung der zulässigen Höchstzahl (Kapazitätser-mittlung) verwies das Berliner Hochschulzulassungsgesetz auf die Regelungen des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006, die seit 1. Mai 2010 inhaltlich unverändert nach dem neuen Staatsvertrag der Länder über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008 fortgel-ten. Danach wurde und wird die jährliche Aufnahmekapazität auf der Grundlage des Lehrangebots, des Ausbildungsaufwands und weiterer kapazitätsbestimmender Kriterien ermittelt. Der Ausbildungsaufwand ist durch studiengangspezifische Normwerte (sog. Curricularnormwerte) festzusetzen, die den Aufwand festlegen, der für die ordnungsgemäße Ausbildung der erforderlich ist. Die Normwerte haben eine gleichmäßige und erschöpfende Auslastung der Hochschulen zu gewährleisten und werden durch Rechtsverordnung der Senatsverwaltung festgesetzt.
Diese landesrechtlichen Vorgaben wurden im Ausgangsverfahren nicht beachtet, obwohl das Verwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 1. April 2010 ausdrücklich festgestellt hatte, dass es an einem durch Rechtsverordnung festgesetzten Curricularnormwert für den Bachelorstudiengang Psychologie fehlte. Dies verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem durch die Verfassung von Berlin geschützten Recht auf effektiven Rechtsschutz, denn die Verwaltungsgerichte sind in Numerus-clausus-Eilverfahren nicht befugt, einen entgegen Landesrecht nicht durch Rechtsverordnung festgesetzten Curricularnormwert (hier: für den Bachelorstudiengang Psychologie) durch eigene Berechnungen des Lehraufwandes zu ersetzen. Ob unter außergewöhnlichen Umständen im Rahmen einer verfassungsrechtlich hinnehmbaren Notkompetenz zur Abwendung konkreter, besonders schwer wiegender Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Hochschule und die Grundrechte bereits zugelassener Studenten etwas anderes gelten kann, hat der Verfassungsgerichtshof offen gelassen. Für eine derartige Ausnahmesi-tuation ist nichts ersichtlich.
Beschluss vom 20. Dezember 2011 - VerfGH 28/11
Pressemitteilung des VerfGH Berlin vom 23.12.11
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