Werbungskosten: „Umgekehrte Familienheimfahrten“ sind möglich



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Nach Ansicht des Finanzgerichts Münster waren die Fahrten zwar gemischt veranlasst, jedoch überwog die berufliche Veranlassung deutlich. Wäre der Steuerpflichtige an den Wochenenden zum Familienwohnsitz gefahren, hätte er die Kosten als Werbungskosten abziehen können. Da dies aber nicht möglich war, muss dasselbe für die Besuchsfahrten der Ehefrau gelten.
Hinweis: Ein Arbeitnehmer, der - wie der Steuerpflichtige - an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten seinen Beruf ausübt und am Ort einer derartigen auswärtigen Tätigkeitsstätte vorübergehend eine Unterkunft bezieht, begründet keine doppelte Haushaltsführung. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind jedoch nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff zu berücksichtigen. Da gegen das Urteil die Revision anhängig ist, sollten geeignete Fälle offen gehalten werden (FG Münster, 12 K 339/10 E, Rev. BFH VI R 22/14).




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Tenor
Unter Änderung des Einkommensteuer-Bescheides in der Fassung vom 10.06.2013 wird die Einkommensteuer 2007 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 468,00 € niedriger festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten noch über die Berücksichtigung von Fahrtkosten der Ehefrau im Rahmen der Werbungskosten des Klägers (Kl.) bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
3Der Kl. ist verheiratet und wird im Streitjahr mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt. Er erzielt als Monteur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dabei ist er weltweit auf wechselnden Baustellen eingesetzt, im Streitjahr u.a. in Australien und in den Niederlanden. Im Zusammenhang mit dem Einsatz auf der Baustelle in den Niederlanden (N, E, 27.08.-02.10.2007) machte der Kl. neben eigenen Familienheimfahrten (15./16.9., 29./30.9.2007) Kosten für 3 Fahrten seiner Ehefrau zur niederländischen Baustelle als umgekehrte Familienheimfahrt im Rahmen der Werbungskosten (09./10.9., 23./24.09., 6.7.10.2007) mit insgesamt 468,00 € (520 km x 0,30 € x 3 Fahrten) geltend. Zur Begründung trug er vor, er habe aus beruflichen Gründen die Familienheimfahrten nicht selbst durchführen können. Im Rahmen des Klageverfahrens legte er in diesem Zusammenhang eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin, der Fa. L GmbH vom 04.02.2013 vor (Bl. 150 FG-Akte). Dort heißt es:
4„Bescheinigung
5Hiermit bescheinigen wir Herrn A, dass seine Anwesenheit auf der Baustelle im Streitjahr 2007 an den Wochenenden aus produktionstechnischen Gründen erforderlich war.“
6Diese Aufwendungen berücksichtigte der Beklagte (Bekl.) im ESt-Bescheid 2007 vom 07.10.2008 nicht.
7Gegen den ESt-Bescheid 2007 erhob der Kl. mit Schreiben vom 27.10.2008 Einspruch und wandte sich u.a. gegen die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen für die umgekehrten Familienheimfahrten. Der Einspruch blieb insoweit erfolglos, führte aber wegen anderer Streitpunkte zu einer Änderung des ESt-Bescheides 2007 in der Einspruchsentscheidung vom 05.01.2010. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Kläger mit Schreiben vom 25.01.2010 Klage. Im Verlauf des Klageverfahrens erging zur Berücksichtigung nicht streitiger Arbeitszimmerkosten unter dem 13.09.2011 ein weiterer Änderungsbescheid. Geltend gemachte Telefonkosten, deren Anerkennung im Klageverfahren zunächst zwischen den Beteiligten streitig war, setzte der Bekl. schließlich im geänderten ESt-Bescheid 2007 vom 10.06.2013.
8Streitig geblieben ist die Berücksichtigung der Kosten für umgekehrte Familienheimfahrten der Ehefrau des Kl. in die Niederlande in Höhe von insgesamt 468,00 €. Der Kl. trägt vor, diese Kosten seien beruflich veranlasst, weil er von der Baustelle unabkömmlich gewesen sei und deshalb an der Familienheimfahrt gehindert gewesen sei. In diesem Zusammenhang verweist er auf die vorgelegte Bestätigung seiner Arbeitgeberin vom 4.2.2013.
9Der Kl. beantragt,
10die ESt 2007 unter Änderung des ESt-Bescheides in der Fassung vom 10.06.2013 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 468,00 € niedriger festzusetzen.
11Der Bekl. beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Fahrtkosten seien als privat veranlasste Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig.
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
15Der Berichterstatter des Senats hat am 31.5.2011 einen Erörterungstermin durchgeführt. Der Senat hat am 28.8.2013 mündlich verhandelt. Auf die Protokolle wird Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist begründet.
18Der Bekl. hat es zu Unrecht abgelehnt, die geltend gemachten Fahrtkosten der Ehefrau zum Beschäftigungsort des Kl. als Werbungskosten bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen.
19Ein Arbeitnehmer, der – wie der Kl. - an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten seinen Beruf ausübt und am Ort einer derartigen auswärtigen Tätigkeitsstätte vorübergehend eine Unterkunft bezieht, begründet keine doppelte Haushaltsführung (BFH, Urteile vom 11.05.2005 VI R 7/02, BStBl II 2005, 782 und VI R 34/04, BStBl II 2005, 793). Die Frage des Ansatzes von Kosten für Familienheimfahrten oder umgekehrte Familienheimfahrten als Teil des Aufwandes einer doppelten Haushaltsführung stellt sich nicht mehr.
20Die geltend gemachten Fahrtkosten sind jedoch nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff zu berücksichtigen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten. Dazu gehören sämtliche Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (BFH, Beschluss vom 02.02.2011 VI R 15/10, BFH/NV 2011, 903 m.w.N.).
21Ob Aufwendungen der beruflichen Sphäre oder der Lebensführung i.S. von § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zuzurechnen sind, entscheidet sich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Aufwendungen z.B. für Wohnung, Verpflegung und Bekleidung sind typische unter § 12 Nr. 1 EStG zu subsumierende Lebensführungskosten. Kosten, die untrennbar sowohl privat als auch beruflich veranlasst sind, werden der steuerrechtlich erheblichen Berufssphäre zugeordnet, wenn die Aufwendungen so stark durch die berufliche/betriebliche Situation geprägt sind, dass der private Veranlassungsbeitrag bei wertender Betrachtung unbedeutend ist. Bei Vorliegen einer Auswärtstätigkeit werden z.B. Mehraufwendungen für Verpflegung in bestimmtem Umfang zum Werbungskostenabzug zugelassen (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Auch Mobilitätskosten im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung werden als Werbungskosten anerkannt (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG).
22Entsprechend dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung lässt die Rechtsprechung privat veranlasste Aufwendungen wegen der Überlagerung durch berufliche Gründe zum Werbungskostenabzug zu (Beispiele s. BFH, Urteil vom 05.07.2012 VI R 50/10, BStBl II 2013, 282 unter Rz. 14). Nach diesen Grundsätzen hat der Bundesfinanzhof auch Aufwendungen für Telefonate privaten Inhalts, die nach einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit entstehen, als beruflich veranlassten Mehraufwand der Erwerbssphäre zugeordnet, weil er ihn als ganz überwiegend durch den beruflichen Veranlassungszusammenhang geprägt und nur in ganz untergeordnetem Umfang von Momenten der privaten Lebensführung beeinflusst ansah (BFH, ebenda).
23Von einer derartigen Überlagerung privat veranlasster Aufwendungen durch berufliche Gründe geht der erkennende Senat auch im Streitfall aus. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind beruflich veranlasst. Der Kl. selbst konnte die Fahrt zum Familienwohnsitz, die beruflich veranlasst wäre und zu abzugsfähigen Werbungskosten geführt hätte, nicht durchführen. Dienstliche Notwendigkeiten erforderten seine Anwesenheit an dem Ort, wo er die Errichtung eines Ziegelwerkes durch seine Arbeitgeberin begleitete. Die Arbeitgeberin hat seine Unabkömmlichkeit in der Bescheinigung vom 04.02.2013 bestätigt. Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung geht der Gesetzgeber von der beruflichen Veranlassung einer Familienheimfahrt pro Woche aus. Die Rechtsprechung lässt den Aufwand für entsprechende umgekehrte Familienheimfahrten durch den Ehegatten zum Werbungskostenabzug zu, wenn der Steuerpflichtige die Familienheimfahrt aus beruflichen Gründen nicht selbst durchführen kann. Im Streitfall kann die Wertung nicht anders ausfallen, als sie der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung im Fall der Familienheimfahrten bei doppelter Haushaltsführung vorgenommen hat. Muss der Steuerpflichtige also im Rahmen einer Beschäftigung an ständig wechselnden Arbeitsstätten im Ausland aus betrieblicher Notwendigkeit vor Ort bleiben und kann er nicht selbst an den Familienwohnort reisen, sind die Fahrtkosten Werbungskosten, die durch die Fahrt des Ehegatten an den Einsatzort des Ehemannes entstehen. Über den Rahmen einer Familienheimfahrt pro Woche, wie sie im Bereich der doppelten Haushaltsführung werbungskostenwirksam möglich ist, geht der vom Kl. geltend gemachte Fahrtaufwand für seine Ehefrau nicht hinaus.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
25Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen nicht vorliegen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO). Der Senat folgt der Rechtssprechung des Bundesfinanzhofes und seiner Wertung.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 28. August 2013 12 K 339/10 E aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für das Streitjahr (2007) zusammen mit seiner Ehefrau (E) zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte als Monteur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. E erzielte als Hausfrau keine Einkünfte.
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Im Streitjahr war der Kläger auf verschiedenen Baustellen im Ausland eingesetzt. In der Zeit vom 27. August 2007 bis zum 12. Oktober 2007 war er auf einer Baustelle in den Niederlanden tätig.
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Der Kläger führte am 15./16. September 2007 und am 29./30. September 2007 Fahrten von seiner Tätigkeitsstätte in den Niederlanden zu der gemeinsam mit E genutzten Wohnung in A und zurück durch. E besuchte den Kläger am 9./10. September 2007, am 23./24. September 2007 und am 6./7. Oktober 2007 in den Niederlanden. Die Aufwendungen für diese Fahrten der E (520 km x 0,30 € x 3 Fahrten = 468 €) machte der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Zur Begründung trug er vor, er habe aus beruflichen Gründen die Fahrten nicht selbst durchführen können. Die Arbeitgeberin des Klägers bescheinigte in einem Schreiben vom 4. Februar 2013, dass die Anwesenheit des Klägers auf der Baustelle im Jahr 2007 an den Wochenenden aus produktionstechnischen Gründen erforderlich gewesen sei.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen für die vorgenannten Fahrten der E auch im Einspruchsverfahren nicht.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1289 veröffentlichten Gründen statt. Die Fahrtkosten seien beruflich veranlasst. Der Kläger habe die Fahrten zum Familienwohnsitz selbst nicht durchführen können, da dienstliche Gründe seine Anwesenheit auf der Baustelle in den Niederlanden auch an den Wochenenden erfordert hätten. Im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung lasse die Rechtsprechung den Aufwand für eine sogenannte umgekehrte Familienheimfahrt durch den Ehegatten zum Werbungskostenabzug zu, wenn der Steuerpflichtige die Familienheimfahrt aus beruflichen Gründen nicht selbst durchführen könne. Im Streitfall könne diese Wertung nicht anders ausfallen. Müsse ein Steuerpflichtiger bei einer Beschäftigung an ständig wechselnden Arbeitsstätten aus betrieblichen Gründen vor Ort bleiben, seien auch die Kosten, die durch die Fahrt des Ehegatten an den Einsatzort des auswärts tätigen Steuerpflichtigen entstünden, Werbungskosten.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Besuchsfahrten der E zu Unrecht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.B. Senatsurteil vom 23. März 2001 VI R 175/99, BFHE 195, 225, BStBl II 2001, 585, m.w.N., und Senatsbeschluss vom 2. Februar 2011 VI R 15/10, BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456; Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, unter C.III.1.a). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (z.B. Senatsurteil vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 30. Juni 2010 VI R 45/09, BFHE 230, 348, BStBl II 2011, 45, und in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672, unter C.III.1.a).
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a) Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 10. Juli 2008 VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818, und vom 20. März 2014 VI R 74/13, BFHE 245, 56, BStBl II 2014, 854).
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Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
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b) Nach diesen Maßstäben ist das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass dem Kläger durch die Besuchsreisen der E vom gemeinsamen Familienwohnsitz in A zu seinem Beschäftigungsort in den Niederlanden Werbungskosten entstanden sind.
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aa) Die betreffenden Reisen der E sind keine Familienheimfahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. Der Kläger unterhielt an seinem Beschäftigungsort in den Niederlanden weder eine doppelte Haushaltsführung (1) noch nahm er die fraglichen Fahrten selbst vor (2), wie es Familienheimfahrten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG erfordern.
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(1) Eine doppelte Haushaltsführung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG gegeben, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist nur der Ort der langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte (Senatsurteil vom 11. Mai 2005 VI R 34/04, BFHE 209, 527, BStBl II 2005, 793). Der Kläger unterhielt in den Niederlanden indes keine dauerhaft angelegte Arbeitsstätte; vielmehr war er dort auswärts tätig.
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Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war der Kläger in der Zeit vom 27. August 2007 bis zum 12. Oktober 2007 auf einer Baustelle in den Niederlanden beschäftigt. Hierbei handelte es sich um eine Auswärtstätigkeit, wie zwischen den Beteiligten --zu Recht-- nicht streitig ist. Denn Bauausführungen oder Montagen (§ 12 Satz 2 der Abgabenordnung) sind keine regelmäßigen Arbeitsstätten (Senatsurteile in BFHE 245, 56, BStBl II 2014, 854, und vom 11. Juli 2013 VI R 62/12, BFH/NV 2014, 147, m.w.N.). Der Bezug einer Unterkunft an typischerweise ständig wechselnden beruflichen Tätigkeitsstätten begründet damit keine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG (Senatsurteil in BFHE 209, 527, BStBl II 2005, 793).
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(2) Die Reisen der E sind zudem keine Familienheimfahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. Die Norm erfasst nicht die im Streitfall vorliegenden Besuchsreisen des Ehepartners vom Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort des Arbeitnehmers, sondern den umgekehrten Fall, dass der steuerpflichtige Arbeitnehmer (Kläger) die Fahrt vom Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort selbst vornimmt (Senatsbeschluss in BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456).
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bb) Die Aufwendungen für die Besuchsfahrten der E zum Beschäftigungsort des Klägers in den Niederlanden sind entgegen der Ansicht des FG auch nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abzugsfähig. Denn sie sind nicht beruflich veranlasst.
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(1) Beruflich veranlasst sind grundsätzlich nur die Mobilitätskosten des steuerpflichtigen Arbeitnehmers selbst für seine eigenen beruflichen Fahrten. Die Aufwendungen für derartige Fahrten sind nach ständiger Rechtsprechung beruflich veranlasst und als Werbungskosten abziehbar, weil der Steuerpflichtige sich aus beruflichem Anlass zu seiner Tätigkeitsstätte begeben hatte, um dort seine Berufstätigkeit auszuüben. Der Weg zur Tätigkeitsstätte und zurück ist notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften. Da der Arbeitnehmer typischerweise nicht am Ort seiner beruflichen (Auswärts-)Tätigkeit wohnt und auch nicht wohnen kann, kann er nur tätig werden, wenn er sich zu seiner Tätigkeitsstätte begibt (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234, unter B.VI.1.c bb, m.w.N.).
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(2) Anders verhält es sich jedoch bei den im Streitfall zu beurteilenden Aufwendungen für die Fahrten der Ehefrau des steuerpflichtigen Arbeitnehmers zu dessen (auswärtiger) Tätigkeitsstätte. Diese Fahrten dienen grundsätzlich nicht der Förderung des Berufs und sind daher keine Werbungskosten.
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Die berufliche Veranlassung solcher Fahrten des Ehepartners ist in der Regel auch dann nicht gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine für ihn beruflich veranlasste Fahrt zwischen seiner auswärtigen Tätigkeitsstätte und der Wohnung nicht selbst durchführen kann, weil seine Anwesenheit am auswärtigen Tätigkeitsort z.B. aufgrund einer Weisung oder Empfehlung des Arbeitgebers oder aus anderen dienstlichen Gründen erforderlich ist. Der Ersatzcharakter der Fahrt als solcher vermag die berufliche Veranlassung der an sich privaten Fahrt des Ehepartners nicht zu begründen.
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(3) Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Notwendigkeit, private Dinge durch einen Besuch des Ehepartners bei dem Steuerpflichtigen zu regeln, durch den dienstlichen Einsatz des Steuerpflichtigen an dessen auswärtiger Tätigkeitsstätte in einem solchen Maße beruflich veranlasst sein kann, dass private Veranlassungsbeiträge dahinter zurücktreten und die Fahrt des Ehepartners zum Steuerpflichtigen deshalb nicht als private Besuchsfahrt, sondern ausnahmsweise als beruflich veranlasst anzusehen ist. Denn ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.
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Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), nahm der Kläger während seiner vom 27. August 2007 bis zum 12. Oktober 2007 dauernden Auswärtstätigkeit am 15./16. September 2007 und am 29./30. September 2007 selbst Fahrten zu dem gemeinsam mit E genutzten Familienwohnsitz vor, während E den Kläger am 9./10. September 2007, am 23./24. September 2007 und am 6./7. Oktober 2007 in den Niederlanden besuchte. Die Ehepartner haben sich mithin während einer nur relativ kurzfristigen Auswärtstätigkeit von wenigen Wochen an den Wochenenden regelmäßig gegenseitig besucht. Unter den im Streitfall gegebenen Umständen stellen die Fahrten der E daher noch typische private Wochenendreisen dar, für die ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht kommt.
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(4) Der Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Art. 6 Abs. 1 GG schützt jede Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, m.w.N.). Art. 6 Abs. 1 GG gebietet es jedoch nicht, Aufwendungen für die private Reise des einen Ehegatten an den Beschäftigungsort des anderen Ehegatten zum Werbungskostenabzug zuzulassen (Senatsbeschluss in BFHE 232, 494, BStBl II 2011, 456).
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2. Da der Kläger --wie oben dargelegt wurde-- in den Niederlanden keine doppelte Haushaltsführung unterhielt, kann der Senat dahinstehen lassen, ob er an seiner Rechtsprechung, nach der sog. umgekehrte Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sein können (Senatsurteile vom 29. Januar 1965 VI 209/64, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 373, und vom 3. November 1965 VI 14/65 U, BFHE 84, 207, BStBl III 1966, 75; ebenso Senatsurteile vom 2. Juli 1971 VI R 35/68, BFHE 103, 333, BStBl II 1972, 67; vom 21. August 1974 VI R 201/72, BFHE 113, 444, BStBl II 1975, 64, und vom 28. Januar 1983 VI R 136/79, BFHE 137, 496, BStBl II 1983, 313), weiter festhält.
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Der Streitfall ist auch nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, über den der Senat in seinem Urteil vom 5. Juli 2012 VI R 50/10 (BFHE 238, 405, BStBl II 2013, 282) zu entscheiden hatte. Der Senat hat in jenem Urteil eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen für von ihm geführte Telefonate während einer mindestens einwöchigen Auswärtstätigkeit als Werbungskosten anerkannt. Die beruflich veranlassten Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Telekommunikation, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, bei einer Auswärtstätigkeit private Dinge mittels Telekommunikation aus der Ferne regeln zu müssen, sind nicht vergleichbar mit den hier zu beurteilenden Aufwendungen für Besuchsfahrten der Ehegattin zum auswärtigen Tätigkeitsort des steuerpflichtigen Arbeitnehmers.
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3. Da die Revision des FA mit der Sachrüge Erfolg hat, kommt es nicht mehr darauf an, ob dem FG der vom FA gerügte Verfahrensfehler unterlaufen ist.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.