Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Mai 2012 - 10 AZR 174/11

bei uns veröffentlicht am16.05.2012

Tenor

1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Januar 2011 - 2 Sa 97/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben zu je 1/5 die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine tarifliche Sonderzahlung.

2

Die Kläger sind langjährige Beschäftigte der Beklagten. Auf die Arbeitsverhältnisse findet kraft Tarifbindung ua. der Tarifvertrag über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (TV-Sonderzahlungen) Anwendung. Dieser lautet auszugsweise:

        

§ 2   

        

Sonderzahlungen

        

2.1     

Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehört haben, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen.

                 

Ausgenommen sind die Beschäftigten, die zu diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekündigt haben.

        

2.2     

Die Leistungen werden nach folgender Staffel gezahlt:

                 

…       

                 

nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit 60 %

                 

eines Monatsverdienstes.

        

…       

        
        

§ 3     

        

Zeitpunkt

        

3.1     

Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.

        

3.2     

Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne des § 2.1 der 1. Dezember.

                 

…       

        

§ 4     

        

Anrechenbare betriebliche Regelungen

        

Leistungen des Arbeitgebers wie Jahresabschlussvergütungen, Gratifikationen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen, Weihnachtsgeld u. ä. gelten als betriebliche Sonderzahlungen im Sinne des § 2 dieses Tarifvertrages und erfüllen den tariflichen Anspruch.

        

Hierfür vorhandene betriebliche Systeme bleiben unberührt.“

3

Die Beklagte zahlt jährlich erfolgsorientierte Prämien (EOP) an ihre Mitarbeiter. Die Betriebsvereinbarung bezüglich EOP für das Jahr 2008 vom 29. Februar 2008 (BV-EOP) regelt ua. Folgendes:

        

„2.     

Grundsatz

        

Die freiwillige erfolgsorientierte Prämie (folgend EOP) wird vorrangig in Abhängigkeit vom Geschäftserfolg gezahlt. Die EOP ist ein übertariflicher Anspruch.

                 
        

3.    

Kenngrößen

        

Für das Jahr 2008 gelten folgende Kenngrößen für die EOP:

        

3.1     

Liefertreue EcP und HorP …

        
        

3.2 a 

Triebwerke und Teilekits EcP …

        
        

3.2 b 

AK-Einheiten HorP …

        
        

3.3     

0-km-Qualität in ppm EcP und HorP …

        
        

3.4     

Steigerung Arbeitseffizienz gegenüber Vorjahr in % EcP und HorP …

        
                                   
        

4.    

Voraussetzungen

        
        

Mitarbeiter, die in den Geltungsbereich dieser Vereinbarung fallen, erhalten eine EOP, wenn

        
                 

4.1     

sie zum Stichtag 01.01.2009 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit dem Betrieb, wie im Geltungsbereich definiert, stehen und

                 

4.2     

das Arbeitsverhältnis bei R Inland (RI) mindestens 6 Monate bestanden hat.

        

Für Monate in denen das Arbeitsverhältnis geruht hat und/oder kein Entgelt- oder Entgeltfortzahlungsanspruch bestanden hat, entsteht kein Anspruch auf EOP.

        
        

…       

                 
                                   
        

6.    

Auszahlung

        
        

Die EOP wird nach Abschluss des Geschäftsjahres 2008 (voraussichtlich im Monat April des Folgejahres) ausgezahlt. Die Höhe des max. auszuschüttenden Gesamtvolumens (100 %) wird durch BR/GL festgelegt.

        
                          
        

7.    

Berechnungsgrundlage

        
        

Die EOP wird in Prozent vom Monatseinkommen berechnet. Berechnungsgrundlage für das Monatseinkommen sind die Regelungen zur Bemessung der tariflich abgesicherten betrieblichen Sonderzahlungen im Tarifgebiet (Bayerische Metall- und Elektroindustrie bzw. Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg, Südwestmetall Südwürttemberg-Hohenzollern).

        
        

Bezugszeitpunkt ist der 01.12.2008.“

        
4

Die Beklagte zahlte die sich errechnende EOP mit den Lohnabrechnungen für April 2009 an die Kläger. Auf der Grundlage einer tariflichen Öffnungsklausel führte sie mit den Betriebsräten ihrer Betriebe Verhandlungen darüber, die zum 1. Mai 2009 tariflich vereinbarte Entgelterhöhung von 2,1 % wegen der wirtschaftlichen Lage bis zum 1. Oktober 2009 zu verschieben. Der Betriebsrat des Beschäftigungsbetriebs der Kläger stimmte der Verschiebung nicht zu, hier wurden die Tarifentgelte zum 1. Mai 2009 erhöht. Nach Ankündigung durch Schreiben an die Belegschaft vom 2. Juni 2009 rechnete die Beklagte die gezahlte EOP mit den Entgeltabrechnungen für November 2009 auf die tarifliche Sonderzahlung an. Auf die Möglichkeit der Anrechnung hatte sie in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat hingewiesen.

5

Mit der Klage begehren die Kläger die volle tarifliche Sonderzahlung. Die EOP sei keine anrechnungsfähige Leistung iSv. § 4 TV-Sonderzahlungen, weil sie einen anderen Leistungszweck verfolge. Sie sei als „übertarifliche“ Leistung vereinbart und deshalb der Anrechnung entzogen. Schließlich verstoße die Anrechnung als Reaktion auf eine zulässige Rechtsausübung des Betriebsrats gegen § 612a BGB.

6

Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

        

1.    

an den Kläger zu 1. 684,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009,

        

2.    

an den Kläger zu 2. 533,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009,

        

3.    

an den Kläger zu 3. 802,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009,

        

4.    

an den Kläger zu 4. 724,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009,

        

5.    

an den Kläger zu 5. 517,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, mit Zahlung der EOP sei der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung in dem geltend gemachten Umfang erfüllt worden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Der Anspruch der Kläger auf die betriebliche Sonderzahlung nach § 2 TV-Sonderzahlungen für das Jahr 2009 ist nach § 4 TV-Sonderzahlungen im geltend gemachten Umfang durch Zahlung der EOP im April 2009 erfüllt worden(§ 362 Abs. 1 BGB).

10

I. Nach der Rechtsprechung des Senats zu wortgleichen Tarifnormen aus anderen Tarifgebieten der Metall- und Elektroindustrie erfüllen alle vom Arbeitgeber aufgrund eines betrieblichen Systems zusätzlich gewährten Leistungen den tariflichen Anspruch auf die betriebliche Sonderzahlung, sofern sie - ebenso wie die in § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen aufgeführten zusätzlichen Leistungen - auf das Kalenderjahr bezogen sind( BAG 22. Mai 1996 - 10 AZR 802/95 - zu II 2 a der Gründe, zu § 4 des Tarifvertrags über betriebliche Sonderzahlungen für das Tarifgebiet II Berlin-Ost und Brandenburg vom 10. März 1991; 7. Dezember 1994 - 10 AZR 532/94 - zu II 2 der Gründe, zu § 5 des Tarifvertrags über betriebliche Sonderzahlungen für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte für die Metallindustrie Hamburgs und Umgebung sowie Schleswig-Holstein). An diesem weiten Verständnis der Anrechnungsvorschrift hält der Senat fest. Wie schon die genaue Bezeichnung des TV-Sonderzahlungen zum Ausdruck bringt, sollen betriebliche Sonderzahlungen tariflich abgesichert werden. Ziel des Tarifvertrags ist danach nicht die Begründung eines Anspruchs auf tarifliche Sonderzahlungen zusätzlich zu betrieblichen Leistungen. Vielmehr werden bisher übertariflich erbrachte Sonderzahlungen faktisch in die unmittelbare und zwingende Wirkung des Tarifvertrags überführt. Nur soweit der Arbeitgeber sie noch nicht erbringt, ergibt sich ein zusätzlicher Anspruch bzw. tritt eine zusätzliche Belastung ein. Dies bestätigen die weiteren Regelungen des Tarifvertrags. Nach § 2 TV-Sonderzahlungen haben Beschäftigte einen Anspruch auf „betriebliche Sonderzahlungen“. Nach § 4 TV-Sonderzahlungen gelten als „betriebliche Sonderzahlungen“, die diesen Anspruch erfüllen, sowohl reine Gratifikationen wie auch im Synallagma zur erbrachten Arbeitsleistung stehende Vergütungen wie Jahresprämien, Jahresabschlussvergütungen und Ergebnisbeteiligungen. Dass alle jahresbezogenen betrieblichen Leistungen nach § 4 TV-Sonderzahlungen den Anspruch erfüllen sollen und deshalb ein weites Verständnis der Norm geboten ist, kommt schließlich darin zum Ausdruck, dass die anrechnungsfähigen betrieblichen Leistungen ausdrücklich nicht abschließend(„u. ä.“) benannt sind. Für den Eintritt der Erfüllungswirkung nach § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen wird damit auch nicht vorausgesetzt, dass der Zweck der betrieblichen Leistung mit dem der Sonderzahlung in § 2 TV-Sonderzahlungen identisch ist.

11

II. Die nach Ziff. 4 BV-EOP gezahlte EOP hat den Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung nach § 2 TV-Sonderzahlungen erfüllt.

12

1. Die EOP ist eine zumindest ähnliche Leistung iSv. § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen. Sie wird auf der Grundlage von Kenngrößen der Liefertreue, Quantität, Qualität und Steigerung der Arbeitseffizienz ermittelt, nach Ziff. 2 BV-EOP vorrangig in Abhängigkeit vom Geschäftserfolg und nach Ziff. 4 BV-EOP nur an die Mitarbeiter gezahlt, die zum Stichtag 1. Januar 2009 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen und deren Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate bestanden hat. Damit verbindet die EOP Elemente einer leistungsbezogenen Jahresprämie, einer Ergebnisbeteiligung sowie einer Gratifikation.

13

2. Unerheblich ist, dass die EOP für das abgelaufene Geschäftsjahr 2008 gezahlt wurde und damit einen anderen Leistungszeitraum betrifft als der Anspruch aus § 2 TV-Sonderzahlungen für das Jahr 2009. Anrechenbare Leistung nach § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen und Anspruch nach § 2 TV-Sonderzahlungen müssen nicht auf dasselbe Kalenderjahr bezogen sein. Dass die Tarifvertragsparteien in § 4 TV-Sonderzahlungen auch Leistungen erfassen wollten, die für einen zurückliegenden Bezugszeitraum gezahlt werden, zeigt die ausdrückliche Aufnahme der Jahresabschlussvergütungen und der Ergebnisbeteiligungen, die regelmäßig erst nach Ablauf des Bezugszeitraums gezahlt werden. Für die Erfüllungswirkung dieser Leistungen auf den tariflichen Anspruch ist es ohne Bedeutung, wenn sich die Leistungen auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum beziehen (BAG 8. März 1995 - 10 AZR 390/94 - zu II 1 b der Gründe).

14

III. Die Erfüllungswirkung nach § 4 TV-Sonderzahlungen ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die EOP nach Ziff. 2 Satz 2 BV-EOP ein „übertariflicher Anspruch“ ist. Es kann dahinstehen, inwieweit Betriebsparteien eine tariflich geregelte Erfüllungswirkung durch Betriebsvereinbarung ausschließen oder gestalten können. Die BV-EOP bestimmt keinen Anrechnungsausschluss; durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass die EOP grundsätzlich zusätzlich zur betrieblichen Sonderzahlung nach § 2 TV-Sonderzahlungen geleistet werden soll, bestehen nicht.

15

1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 15; 27. Juli 2010 - 1 AZR 67/09  - Rn. 9, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 31).

16

2. Dass die EOP nach dem Wortlaut der Norm ein „übertariflicher Anspruch“ ist, bedeutet für sich genommen nur, dass sie nicht bereits aus anderem - tariflichen - Rechtsgrund geschuldet wird; daraus ergibt sich nicht, dass eine Anrechnung auf die betriebliche Sonderzahlung nach § 2 TV-Sonderzahlungen ausgeschlossen ist. Vielmehr nimmt der Tarifvertrag gerade auf die übertariflichen jährlichen Sonderzahlungen der Betriebe Rücksicht. Dies bestätigt die Regelungssystematik der BV-EOP. Sie verweist in Ziff. 7 (Berechnungsgrundlage) ausdrücklich auf die Regelungen zur Bemessung der tariflich abgesicherten betrieblichen Sonderzahlungen im Tarifgebiet. Legt die BV-EOP Bestimmungen des TV-Sonderzahlungen zugrunde, hätte eindeutig bestimmt werden müssen, wenn andere Regelungen des Tarifvertrags, wie vorliegend die ausdrücklich vorgesehene Erfüllungswirkung, ausgeschlossen sein sollen. Daran fehlt es. Die EOP macht als übertariflicher Anspruch auch dann einen Sinn, wenn sie von vornherein anrechenbar iSv. § 4 TV-Sonderzahlungen ist; denn ihre Anspruchsvoraussetzungen sind jedenfalls teilweise für die Arbeitnehmer günstiger als die der tariflichen Leistung.

17

IV. Die Berufung der Beklagten auf die tariflich bestimmte Erfüllungswirkung des § 4 TV-Sonderzahlungen verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.

18

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Über den unmittelbaren Anwendungsbereichs der Vorschrift hinaus kann als Rechtsausübung auch ihre kollektive Ausübung durch den Betriebsrat in Betracht kommen (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 639/06 - Rn. 29, BAGE 124, 71). Eine Benachteiligung liegt nicht nur vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber Arbeitnehmern gewährt, falls diese ihre Rechte nicht ausüben. Das Maßregelungsverbot setzt voraus, dass zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bildet (st. Rspr., BAG 14. Dezember 2011 - 5 AZR 675/10 - Rn. 23; 21. September 2011 - 5 AZR 520/10 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 26).

19

2. Der Betriebsrat hat zwar, indem er der Verschiebung der Tariflohnerhöhung nicht zugestimmt hat, ein Recht iSv. § 612a BGB ausgeübt. Das Berufen der Beklagten auf die tarifliche Erfüllungswirkung des § 4 Satz 1 TV-Sonderzahlungen ist auch eine benachteiligende Maßnahme des Arbeitgebers; denn die Beklagte hatte, wie auch schon in früheren Jahren und entsprechend der Formulierung im Schreiben vom 2. Juni 2009, ohne Weiteres die Möglichkeit, von ihrem tariflichen Recht keinen „Gebrauch zu machen“. Die zulässige Rechtsausübung des Betriebsrats war aber nicht wesentliches Motiv für die Maßnahme. Die Beklagte wollte die wirtschaftlichen Vorteile, die in der möglichen Verschiebung der Tariflohnerhöhung liegen, realisieren. Entsprechende Vorteile konnte sie nach Ablehnung der Verschiebung der Tariflohnerhöhung durch den Betriebsrat nur über die - bereits in den Verhandlungen mit dem Betriebsrat angekündigte - tariflich geregelte Kürzung der Sonderzahlung erreichen. Tragendes Motiv war somit nicht die Sanktion einer bestimmten Ausübung des Mitbestimmungsrechts, sondern die Realisierung einer im Tarifvertrag angelegten wirtschaftlichen Vergünstigung.

20

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Zielke    

        

    Rudolph    

                 

Urteilsbesprechung zu Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Mai 2012 - 10 AZR 174/11

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Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.

(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.

(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.

(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.

(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.