Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2018 - 4 N 17.1197

bei uns veröffentlicht am31.01.2018

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen eine Bestimmung in einer Friedhofssatzung über die bei Urnenbestattungen einzuhaltende Ruhefrist.

Nach der vom Stadtrat am 23. Juni 2016 beschlossenen und am 24. Juni 2016 bekannt gemachten „Satzung über die Benutzung der städtischen Friedhöfe Olching (Friedhofssatzung – FS)“ dienen die Friedhöfe der Antragsgegnerin u. a. der Bestattung aller Personen, die bei ihrem Tode im Stadtgebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 FS). Bestattung im Sinne der Satzung ist die Erdbestattung von Leichen oder Leichenteilen sowie die Beisetzung von Aschenurnen unter oder über der Erde (§ 11 Satz 1 FS). Urnen können in Grüften, Doppel- oder Einzelgräbern bestattet werden, sonst nur an den in den Friedhofsplänen vorgesehenen Stellen in Form von Erdurnengräbern, Waldurnengräbern und Urnennischen (§ 17 Abs. 11 Satz 1 FS). Bei Aufgabe einer Urnennische oder eines Erdurnengrabes nach Ablauf der Ruhezeit sind die darin eingestellten Urnen in eine anonymes Erdurnengrab umzubetten (§ 17 Abs. 11 Satz 3 FS); die Nutzungsberechtigten tragen die Kosten der Umbettung sowie des Austauschs der Plattenbeschriftung an der Urnennische bzw. der Umbettung und der Auflassung des Erdurnengrabes (§ 17 Abs. 11 Satz 4 FS). In einem der Friedhöfe der Antragsgegnerin können unter bestimmten Voraussetzungen anonyme Urnen- und Erdbeisetzungen zugelassen werden (§ 17 Abs. 13 bis 15 FS). Die Ruhefrist der Leichen beträgt zwölf Jahre bei Erdbestattungen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 FS) und zwei Jahre bei Urnenbestattungen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 FS); auf Leichen und Aschen in Grüften finden diese Bestimmungen keine Anwendung (§ 18 Abs. 3 FS). Eine erneute Belegung ist erst nach Ablauf der Ruhefrist möglich (§ 18 Abs. 4 FS). Das aus dem Erwerb einer Grabstätte folgende Nutzungsrecht beginnt mit dem Tag der Beisetzung und endet nach zwölf Jahren (§ 19 Abs. 1 und 2 FS). Die Nutzungszeit kann auch mehrmals um ein Jahr oder mehrere Jahre verlängert werden (§ 20 Satz 1 FS), wobei der Verlängerungszeitraum zwölf Jahre nicht übersteigen soll (§ 20 Satz 2 FS). Nach Erlöschen des Nutzungsrechts und nach Ablauf der Ruhefrist verfügt die Antragsgegnerin über die Grabstätte (§ 20 Satz 4 FS).

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem am 23. Juni 2017 eingegangenen Normenkontrollantrag gegen die Festsetzung der Ruhefrist für Aschen auf zwei Jahre (§ 18 Abs. 1 Satz 2 FS). Sie sei als Gemeindebürgerin der Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt; ihre künftige Betroffenheit sei angesichts des in der Satzung festgelegten Benutzungsrechts der Gemeindeangehörigen hinreichend plausibel dargetan. Die angegriffene Regelung verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen höherrangiges Recht. Nach Art. 10 Abs. 1 BestG bestimme der Friedhofsträger Ruhezeiten für Leichen und Aschenreste Verstorbener (Satz 1), wobei für Leichen die Ruhezeit nach Anhörung des Gesundheitsamts unter Berücksichtigung der Verwesungsdauer festzusetzen sei (Satz 2); für die Ruhezeiten von Aschen gebe es keine speziellen gesetzlichen Vorschriften. Allgemein dürfe aber nach Art. 5 Satz 1 BestG mit Leichen und Aschenresten Verstorbener nur so verfahren werden, dass die Würde des Verstorbenen und das sittliche Empfinden der Allgemeinheit nicht verletzt würden. Zwar seien in Bayern mit Inkrafttreten des Bestattungsgesetzes am 1. Januar 1971 das Gesetz über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 (RGBl I S. 380) und die Verordnung zur Durchführung des Feuerbestattungsgesetzes vom 10. August 1938 (RGBl I S. 1000) außer Kraft getreten. Die immer noch anwendbaren Grundaussagen dieser – in vier Bundesländern als Landesrecht fortgeltenden – Vorschriften seien jedoch ergänzend heranzuziehen. In § 1 Halbs. 1 des Gesetzes vom 15. Mai 1934 sei die Feuerbestattung der Erdbestattung grundsätzlich gleichgestellt worden; § 10 Abs. 4 der Verordnung vom 10. August 1938 habe die Ruhefrist für Aschenreste auf 20 Jahre bestimmt, wenn am gleichen Ort für die Erdbestattung eine Ruhefrist von 20 Jahren oder mehr vorgesehen sei; in den übrigen Fällen sei die Frist mindestens auf den bei Erdbestattungen vorgesehenen Zeitraum zu bemessen. Die hiernach viel zu kurze Ruhezeit für Aschenreste auf den Friedhöfen der Antragsgegnerin verstoße auch gegen die in Art. 1 Abs. 1 GG begründete postmortale Menschenwürde. Ein Toter habe nach der Verfassung einen Anspruch auf würdige Totenruhe; nach dem „Mephisto“-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bestehe insoweit nach Art. 1 Abs. 1 GG eine staatliche Schutzpflicht. Bei der Ruhezeit im Bestattungsrecht gehe es demnach nicht um den Verwesungsprozess, sondern um den Schutz der Würde nach dem Tod. Die Aschenreste hätten den gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie erdbestattete Leichen. In der Literatur werde sogar die Meinung vertreten, dass die Ruhezeit für Aschenreste grundsätzlich auf den gleichen Zeitraum zu bemessen sei wie bei Erdbestattungen am gleichen Ort. Es dürfe nur eine einheitliche Mindestruhezeit geben, die nur für Leichen wegen der durch die örtlichen Gegebenheiten bedingten unterschiedlichen Verwesungsdauer nach oben abweichen dürfe. Die Festlegung einer Ruhezeit von zwei Jahren verstoße auch gegen § 168 Abs. 1 StGB. Der Bundesgerichtshof habe in einer Entscheidung vom 30. Juni 2015 verdeutlicht, dass auch in Bezug auf Aschenreste eine Störung der Totenruhe erfolgen könne und dass zur „Asche“ im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB sämtliche nach der Einäscherung verbleibenden Rückstände gehörten. Er sei bei der Auslegung des Aschebegriffs auf den Willen des historischen Gesetzgebers eingegangen und habe in diesem Zusammenhang die postmortale Menschenwürde der Aschenreste definiert; Schutzgüter des § 168 Abs. 1 StGB seien das Pietätsgefühl der Allgemeinheit und der postmortale Persönlichkeitsschutz des Toten. Bisher unberücksichtigt geblieben sei in Rechtsprechung und Literatur die kulturhistorische und kulturwissenschaftliche Bedeutung des Umgangs mit der Totenasche und der Festsetzung einer angemessenen Ruhezeit. Nach einer Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz komme es insoweit auf die inländischen Verhältnisse an; insoweit gebe es für einen erheblichen Anschauungswandel keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der Begründung des würdevollen Umgangs mit Aschenresten – und damit auch einer angemessenen Ruhezeit – gerade aus der kulturhistorischen Betrachtung entspringe die Vorschrift des § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) vom 1. Juli 1965, in der ein dauerndes Ruherecht festgelegt sei. Auch aus der Verantwortung für die Vergangenheit ergebe sich der Grundgedanke der postmortalen Menschenwürde des Art. 1 GG. Die von der Antragsgegnerin festgesetzte Ruhezeit stehe im Gegensatz zu den Regelungen in den anderen Bundesländern, bei denen eine Mindestruhezeit für Aschenreste von 15 Jahren oder mehr ausdrücklich festgesetzt oder insoweit eine Gleichstellung von Leichen und Aschenresten vorgesehen sei. Die für die Friedhöfe der Antragsgegnerin festgelegte Ruhezeit für Aschenreste habe ursprünglich sogar nur ein Jahr betragen; diese Frist sei laut Auskunft der Antragsgegnerin zwar von der Rechtsaufsicht nicht beanstandet worden, jedoch aufgrund von Bedenken des örtlichen Bestattungsdienstleisters wegen der Pietät gegenüber den Verstorbenen auf zwei Jahre verlängert worden.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

§ 18 Abs. 1 Satz 2 der Satzung über die Benutzung der städtischen Friedhöfe Olching (Friedhofssatzung – FS) vom 24. Juni 2016 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

Das Bestattungsgesetz sehe keine einheitliche Mindestruhezeit für Leichen und Aschenreste Verstorbener vor. Die Ruhezeiten für Aschen seien in Art. 10 BestG nicht explizit geregelt und könnten daher frei und unabhängig von einer bestimmten Verwesungszeit oder der Zustimmung des Gesundheitsamtes festgesetzt werden. Das Gesetz über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 und die zugehörige Verordnung vom 10. August 1938 seien mit Inkrafttreten des Bestattungsgesetzes außer Kraft getreten und daher jedenfalls in Bayern nicht anwendbar. Auch eine ergänzende Heranziehung sei nicht notwendig. Es bestehe keine widersprüchliche oder lückenhafte Regelung, da der bayerische Gesetzgeber die Gleichstellung der Erd- und der Feuerbestattung hinsichtlich der Ruhezeiten in Art. 10 BestG gezielt nicht übernommen habe. Grund dafür sei die unterschiedliche Beschaffenheit der Friedhofsböden und die damit zusammenhängenden Verwesungszeiten von Leichen und Aschenresten. Da Leichen und Aschenreste unterschiedlich schnell verwesten, seien auch unterschiedliche Ruhezeiten gerechtfertigt. Durch das Verbrennen des Leichnams und die Aufbewahrung der Asche in einer Urne sei ein Verwesungsprozess nicht oder nur verkürzt notwendig, so dass gemäß Art. 5 BestG keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere die Gesundheit, zu befürchten seien. Durch die Festlegung der Ruhezeit auf zwei Jahre bei einer Urnenbestattung werde weder die Würde des Verstorbenen noch das sittliche Empfinden der Allgemeinheit verletzt. Angehörige des Verstorbenen könnten das Grab aufgrund eines erworbenen Nutzungsrechts auch über einen längeren Zeitraum als zwei Jahre erhalten und bei mehrfachen Verlängerungen beliebig ausdehnen. Es obliege dem Nutzungsberechtigten und den Angehörigen, durch Aufgabe oder Verlängerung des Nutzungsrechts die Grabstelle über die Ruhezeit hinaus zu erhalten. Auch nach Auflösung der Grabstelle werde mit der Urne würde- und pietätvoll umgegangen; die Urne oder der Inhalt der Urne werde gemäß der Friedhofsatzung in einem anderen – anonymen – Urnengrab dauerhaft aufbewahrt. Die Ruhezeit von zwei Jahren verstoße auch nicht gegen die aus Art. 1 Abs. 1 GG folgende postmortale Menschenwürde bzw. das postmortale Persönlichkeitsrecht. Unterschiedliche Ruhezeiten für Feuer- und Erdbestattungen seien zulässig; sie hätten ihren Grund darin, dass die Ruhezeit nicht vor endgültiger Verwesung enden dürfe. In der Rechtsprechung anerkannt sei ein über das Leben hinauswirkender Würdeschutz, der allerdings mit Zeitablauf allmählich an Intensität verliere. Der Bundesgerichtshof und auch das Bundesverfassungsgericht gingen davon aus, dass das Schutzbedürfnis in dem Maße schwinde, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasse, und dass im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnehme. Danach werde hier der postmortale Persönlichkeitsschutz nicht verletzt, da zum einen für die Angehörigen die Möglichkeit des Erwerbs eines Nutzungsrechts an der Grabstelle für eine Dauer von zwölf Jahren oder länger bestehe und zum anderen auch nach Ablauf der Ruhezeit ein menschenwürdiger Umgang mit der Urne durch deren dauerhafte Aufbewahrung in einem anonymen Urnengrab gesichert sei. Letzteres widerspreche nicht dem postmortalen Menschenwürdeschutz, da anonyme Urnenbestattungen zulässigerweise auch ohne vorherige Bestattung in einem Reihen- oder Wahlgrab vorgenommen werden könnten. Mit der Festlegung der Ruhezeit auf zwei Jahre werde auch nicht gegen § 168 Abs. 1 StGB verstoßen. Aus dem Umstand, dass Aschenreste ein taugliches Tatobjekt im Sinne der Vorschrift seien, folge noch nicht, dass hinsichtlich der Ruhezeiten eine Gleichstellung von Leichen und Aschen erfolgen müsse. Zudem fehle es an einer Tathandlung, da auch nach Ablauf der Ruhezeit keine unbefugte Wegnahme erfolge. Auch ein Verstoß gegen § 168 Abs. 2 StGB liege nicht vor, wenn wie hier eine Satzung den Eingriff gestatte. Durch die Umbettung in ein anonymes Urnengrab solle der Verstorbene gerade vor einem pietätlosen Verhalten anderer Personen geschützt werden, so dass die Asche auch nicht Gegenstand beschimpfenden Unfugs werde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

I.

Der Antrag, § 18 Abs. 1 Satz 2 der Satzung über die Benutzung der städtischen Friedhöfe Olching (Friedhofssatzung – FS) vom 24. Juni 2016 für unwirksam zu erklären, ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Gegen die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

a) Bei der auf Art. 23 Satz 1 und Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GO gestützten Friedhofssatzung der Antragsgegnerin handelt es sich im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift. Der am 23. Juni 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangene Antrag hält auch die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein.

b) Die Antragstellerin ist für den Antrag auf Unwirksamerklärung des § 18 Abs. 1 Satz 2 FS antragsbefugt, da sie geltend machen kann, durch die Anwendung der Vorschrift zwar nicht schon gegenwärtig, aber möglicherweise in absehbarer Zeit in eigenen Rechten verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Sie ist im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin wohnhaft und gehört damit zu denjenigen Personen, die sich auf einem der von der Satzung erfassten Friedhöfe bestatten lassen können (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO; § 6 Abs. 1 FS). In der mündlichen Verhandlung hat sie auf Befragen des Gerichts erklärt, dass sie jedenfalls nicht ausschließen könne, von der angegriffenen Regelung künftig selbst betroffen zu sein. Die Antragstellerin hält es demnach für möglich, nach ihrem Tod – aufgrund eines zuvor geäußerten letzten Willens oder auf Veranlassung ihrer totenfürsorgeberechtigten Angehörigen – feuerbestattet und in einem Urnengrab oder einer Urnennische beigesetzt zu werden. Dieser zwar nicht sicher feststehende, aber nach allgemeiner Lebenserfahrung auch nicht völlig fernliegende künftige Geschehensablauf genügt hier zur Darlegung der eigenen rechtlichen Betroffenheit, da sich der Kreis der potentiellen Normadressaten angesichts der Ungewissheit über die zum jeweiligen Todeszeitpunkt bestehenden Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich der Form der Bestattung nicht genauer eingrenzen lässt.

Die Antragstellerin hat auch ein ihr zustehendes Recht geltend gemacht, das durch die angegriffene Vorschrift möglicherweise verletzt wird. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob sich bereits aus der in Art. 5 Satz 1 BestG normierten gesetzlichen Verpflichtung der Friedhofsträger, mit Aschenresten Verstorbener so zu verfahren, dass deren Würde nicht verletzt wird, subjektive Rechte Einzelner ergeben können. Die Antragstellerin kann sich jedenfalls auf den ihr auch nach dem Tod zustehenden Achtungsanspruch berufen, der in der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) wurzelt. Dieses sog. postmortale Persönlichkeitsrecht, das nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht identisch ist mit den Schutzwirkungen des aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BVerfG, B.v. 5.4.2001 – 1 BvR 932/94 – NJW 2001, 2957/2959; krit. u. a. Dreier in ders., GG, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Rn. 76 f.), bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden; es schützt außerdem den durch die eigene Lebensleistung erworbenen sittlichen, personalen und sozialen Geltungswert (BVerfG, a.a.O; B.v. 9.5.2016 – 1 BvR 2202/13 – NVwZ 2016, 1804 Rn. 56 m.w.N.; BayVerfGH, E.v. 25.9.2012 – Vf. 17-VI-11 – NVwZ-RR 2013, 1; BGH, B.v. 29.10.2014 – XII ZB 20/14 – NJW 2014, 3786 Rn. 31; BVerwG, U.v. 29.6.2017 – 7 C 24.15 – NVwZ 2017, 1862 Rn. 53). Ob und inwieweit die daraus sich ergebenden Individualrechtspositionen in der Zeit nach dem Tod von den nächsten Angehörigen des Verstorbenen gleichsam treuhänderisch wahrgenommen werden können (so BGH, U.v. 4.6.1974 – VI ZR 68/73 – NJW 1974, 1371; BayVerfGH, a.a.O.; Stern, StaatsR III/1, 1988, 1053; ders., StaatsR III/2, 1994, 1308; krit. Enders in Stern/Enders, Grundrechte-Kommentar, 2. Aufl. 2016, Art. 1 Rn. 91), kann hier offenbleiben. Jedenfalls dem Betroffenen muss es zu Lebzeiten möglich sein, sich gegen bereits absehbare Verletzungen seines Persönlichkeitsrechts vorbeugend zur Wehr zu setzen, auch wenn der Verletzungserfolg erst nach seinem Ableben eintritt (vgl. BVerfG, B.v. 28.2.1979 – 1 BvR 317/74 – BVerfGE 50, 256/262; Klinge, Todesbegriff, Totenschutz und Verfassung, 1996, 226). In solchen Fällen kann das aus der Menschenwürde folgende postmortale Persönlichkeitsrecht also bereits „prämortal“, d. h. vor dem Tod des Rechtsinhabers, von diesem geltend gemacht werden.

Dass die Antragstellerin im Falle einer künftigen Urnenbestattung durch die Anwendung der angegriffenen Satzungsbestimmung in ihrem nach dem Tod fortwirkenden personalen Achtungsanspruch verletzt werden könnte, erscheint nach ihrem Sachvortrag möglich. Zwar wird die in § 18 Abs. 1 Satz 2 FS normierte zweijährige Ruhefrist für Urnen in Grabstätten häufig überlagert durch die Vorschrift des § 19 Abs. 2 FS, wonach die Nutzungszeit bei Gräbern mit dem Tag der Beisetzung beginnt und nach zwölf Jahren endet. Hiernach kann bei erstmaliger Belegung einer Grabstätte die von der Antragstellerin als Verstoß gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht angesehene Möglichkeit, eine Urne schon nach Ablauf der zweijährigen Ruhefrist aus der Grabstelle zu entfernen, nicht zum Tragen kommen. Die Friedhofssatzung der Antragsgegnerin erlaubt jedoch auch die Bestattung in einem bereits seit längerem bestehenden Familiengrab (§ 17 Abs. 5 FS). Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so kann sich für die nachträglich aufgenommene Urne eine deutlich kürzere Belegungsdauer als zwölf Jahre ergeben, wenn zu dem betreffenden Zeitpunkt die Nutzungszeit für die Grabstätte bereits weitgehend abgelaufen ist und die nutzungsberechtigten Angehörigen von der Verlängerungsoption des § 20 FS keinen Gebrauch machen. Falls diese zusätzlichen Voraussetzungen bei einer künftigen Urnenbestattung der Antragstellerin vorliegen, kann es somit auch bei ihr schon nach einer Ruhezeit von zwei (oder wenig mehr) Jahren zu einer Umbettung der Urne aus der bisherigen Grabstätte in ein anonymes Erdurnengrab kommen (§ 17 Abs. 11 Satz 3 FS).

c) Für den Normenkontrollantrag fehlt es nicht am Rechtsschutzinteresse. Würde die angegriffene Vorschrift für unwirksam erklärt, hätte dies nicht eine – aus Sicht der Antragstellerin – noch ungünstigere Rechtslage zur Folge. Da die aktuelle Friedhofssatzung der Antragsgegnerin unter Aufhebung der früheren Satzung (§ 36 Satz 2 FS) insgesamt neu erlassen wurde, würde die vorhergehende Bestimmung über eine nur einjährige Ruhefrist für Urnen selbst dann nicht wiederaufleben, wenn die heutige Regelung als von Anfang an ungültig anzusehen wäre. Wenn der gegen § 18 Abs. 1 Satz 2 FS gerichtete Normenkontrollantrag aus den von der Antragstellerin vorgetragenen Gründen Erfolg hätte, könnte dies auch nicht dazu führen, dass für Urnenbestattungen auf Dauer gar keine Ruhefrist mehr vorgeschrieben wäre. Die Antragsgegnerin wäre dann vielmehr nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BestG verpflichtet, für die Aschenreste Verstorbener eine neue (längere) Ruhezeit zu bestimmen.

2. Der Normenkontrollantrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die angegriffene Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 2 FS nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Die Festlegung einer Ruhefrist von zwei Jahren bei Urnenbestattungen ist mit der Menschenwürde (a) ebenso vereinbar wie mit sonstigen Grundrechten und verfassungsrechtlichen Vorgaben (b). Einfachgesetzliche Bestimmungen des Bestattungsrechts und des Strafrechts stehen der Regelung ebenfalls nicht entgegen (c).

a) Die in § 18 Abs. 1 Satz 2 FS geregelte zweijährige Ruhezeit, nach deren Ablauf die Grabstätte neu belegt werden kann (§ 18 Abs. 4 FS), hat unter den oben genannten Voraussetzungen (Ablauf bzw. Nichtverlängerung der Nutzungszeit) zur Folge, dass die in Urnennischen oder Erdurnengräbern eingestellten Urnen mit den darin enthaltenen Aschenresten Verstorbener schon wenige Jahre nach der Bestattung – im Extremfall nach nur zwei Jahren – von der Friedhofsverwaltung in ein anonymes Erdurnengrab umgebettet werden (§ 17 Abs. 11 Satz 3 FS). Darin liegt weder unter dem Gesichtspunkt des postmortalen Persönlichkeitsschutzes (aa) noch im Hinblick auf die Wahrung der Totenruhe (bb) ein Verstoß gegen die Menschenwürde.

aa) Der aus der Würde des Menschen als elementarem Menschenrecht (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 100 BV) folgende postmortale Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, soll ihn über den Tod hinaus vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung oder Ächtung bewahren und davor schützen, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise ausgegrenzt, verächtlich gemacht, verspottet oder in anderer Weise herabgewürdigt zu werden (BVerfG, B.v. 9.5.2016, a.a.O., Rn. 56 m.w.N.; BayVerfGH, E.v. 4.7.1996 – Vf. 16-VII-94 – VerfGH 49, 79/92 = NVwZ 1997, 481). Dieser unantastbare Persönlichkeitsschutz ist durch die Begrenzung der Ruhefrist auf zwei Jahre und die damit eröffnete Möglichkeit der Umbettung in ein anonymes Erdurnengrab nicht tangiert. In der Herausnahme einer Urne aus einer – von den Angehörigen nicht weitergeführten – individuellen Grabstelle bzw. Urnennische zum Zweck der Einbringung in ein vom Friedhofsträger bereitgehaltenes Sammelgrab liegt, wenn dies in der nach Art. 5 Satz 2 BestG gebotenen pietätvollen Weise geschieht, kein entwürdigender Umgang mit den Aschenresten des Verstorbenen. Die nach Ablauf der Ruhe- und Nutzungszeit erfolgende Umbettung stellt vielmehr eine notwendige Voraussetzung für den dauerhaften Verbleib der Urne in der öffentlichen Bestattungseinrichtung dar und sichert damit eine würdevolle Aufbewahrung der sterblichen Überreste für die Zeit nach Beendigung der privaten Grabpflege (vgl. Barthel, WiVerw 2017, 28/33).

An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn der Vorgang der Umbettung bereits zwei Jahre nach der Urnenbestattung stattfindet. Zwar gibt es danach für jene Verstorbenen, deren Urnen in bereits bestehenden, wenig später aufgegebenen Grabstätten beigesetzt wurden, schon nach kurzer Zeit keinen mit ihrem Namen versehenen, eindeutig lokalisierbaren Begräbnis- und Erinnerungsort mehr. Dies kann aber weder als Ausdruck einer Missachtung der Person verstanden werden, noch wird damit der fortbestehende Anspruch des Verstorbenen auf ein würdevolles Gedenken in Abrede gestellt. Anderenfalls dürfte es angesichts der Unverzichtbarkeit der Menschenwürde auch keine freiwilligen anonymen Bestattungen etwa in Form von Seebestattungen (Art. 12 Abs. 1 Satz 3 BestG) oder Bestattungen auf Grabfeldern geben.

bb) Einer Begrenzung der Ruhefrist für Urnen auf zwei Jahre steht auch die – im Kern ebenfalls über Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 100 BV geschützte (BVerfG, B.v. 9.5.2016, a.a.O., Rn. 60; BVerwG, U.v. 26.6.1974 – VII C 36.72 – BVerwGE 45, 224/230) – Totenruhe nicht entgegen.

Das Gebot der Totenruhe besagt, dass in den Leichnam oder in die Asche von Verstorbenen nicht unnötig eingegriffen werden darf und dass die sterblichen Überreste möglichst für einen längeren Zeitraum am Ort der Bestattung verbleiben sollen. Diesem Schutzzweck dienen neben der strafrechtlichen Verbotsnorm des § 168 StGB auch die bestattungsrechtlichen Vorschriften über (Mindest-)Ruhezeiten für Leichen und Urnen, die bei Erdwie bei Feuerbestattungen eine angemessene Totenehrung ermöglichen und darüber hinaus bei Erdbestattungen eine ausreichende Verwesung gewährleisten sollen (NdsOVG, B.v. 6.7.2012 – 8 LA 111/11 – juris Rn. 9; Gaedke, Hdb. d. Friedhofs- und Bestattungsrechts, 11. Aufl. 2016, 254, 256 f.; vgl. auch Spranger, NVwZ 1999, 856/857). Die Totenruhe begründet allerdings ungeachtet ihres Menschenwürdebezugs kein absolutes, unabänderliches Verbot jeglicher Störung; sie muss sowohl mit dem Willen des Verstorbenen in Einklang gebracht (vgl. BVerfG, B.v. 9.5.2016, a.a.O., Rn. 60; Spranger in ders./Pasic/Kriebel, Hdb. des Feuerbestattungswesens, 2014, 243) als auch mit eventuell gegenläufigen Rechtsgütern oder rechtlich schützenswerten Belangen abgewogen werden und kann daher im Einzelfall auch hinter diesen zurücktreten (vgl. zur Sektion BVerfG, B.v. 18.1.1994 – 2 BvR 1912/93 – NJW 1994, 783; zur Umbettung BayVGH, B.v. 27.7.2005 – 4 ZB 04.2986 – juris Rn. 8; OVG NW, U.v. 29.4.2008 – 19 A 2896/07 – juris Rn. 21 ff.; NdsOVG, a.a.O., Rn. 10; zur Plastination BayVGH, B.v. 21.2.2003 – 4 CS 03.462 – NJW 2003, 1618).

Hieran gemessen kann die nach nur zweijähriger Ruhezeit mögliche Verlegung von Urnen aus einem Erdurnengrab oder einer Urnennische in ein anonymes Gräberfeld auf einem öffentlichen Friedhof nicht als eine Verletzung der verfassungsrechtlich geforderten Totenruhe angesehen werden. Bei einer Feuerbestattung findet nach der Beisetzung kein natürlicher Verwesungsprozess mehr statt, der durch eine Umbettung gestört werden könnte. Da sich die Asche des Verstorbenen in einer fest verschlossenen, mit den Angaben zur Person versehenen Urne (§ 27 BestV) befindet, wird bei der Umsetzung des Totengefäßes in eine andere Grabstelle nicht unmittelbar physisch in die sterblichen Überreste eingegriffen. Die Überführung einer Urne aus einem Erdurnengrab oder einer Urnennische in ein Sammelgrab stellt daher schon äußerlich eine deutlich geringere Beeinträchtigung der Totenruhe dar als die Exhumierung und Umbettung der noch nicht (vollständig) verwesten Teile eines erdbestatteten Leichnams.

Dass die Antragsgegnerin in Anbetracht dieser Unterschiede für Urnenbestattungen eine erheblich kürzere Ruhezeit bestimmt hat als für Erdbestattungen, lässt sich mit der Überlegung rechtfertigen, dass diese Mindestfrist nur dann Auswirkungen hat, wenn es keine totenfürsorgeberechtigten Angehörigen gibt oder diese nicht mehr an der Grabstelle interessiert sind. Wird bei einem schon länger bestehenden Familiengrab, in das die Urne wenige Jahre vor Ablauf der Nutzungszeit eingebracht worden ist, auf die mögliche Verlängerung verzichtet, so besteht erkennbar kein Bedürfnis mehr für einen individuellen Ort der Totenehrung und der Trauerbewältigung. In dieser Lage kann weder von den bisherigen Inhabern eine weitere Aufrechterhaltung der Grabstelle verlangt werden, noch muss die Antragsgegnerin als Friedhofsträger von einer Neubelegung bis auf weiteres absehen. Die verschlossene Urne kann dann vielmehr – gleichsam vorzeitig – dorthin umgebettet werden, wo sie auch bei Ausschöpfung der vollen (mindestens zwölfjährigen) Grabnutzungszeit ihren endgültigen Standort auf dem Friedhof finden würde, nämlich in ein anonymes Erdurnengrab (§ 17 Abs. 11 Satz 3 FS). Auch wenn es sich dabei um ein gemeinsames Urnengrabfeld für alle Friedhöfe desselben Trägers handelt, wie es bei der Antragsgegnerin laut deren Auskunft in der mündlichen Verhandlung der Fall ist, verbleibt die umzubettende Urne doch stets im öffentlich-rechtlichen Gewahrsam und ist damit vor möglichen Störungen der Totenruhe geschützt.

b) Der angegriffenen Regelung stehen auch keine sonstigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen entgegen.

aa) Das aus der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV) abzuleitende Selbstbestimmungsrecht über postmortale Angelegenheiten (dazu Klinge, a.a.O., 203 ff. m.w.N.), umfasst zwar die Befugnis, für die eigene Person den Ort und die Art der Beisetzung zu bestimmen (vgl. BVerfG, U.v. 28.2.1979 – 1 BvR 317/74 – BVerfGE 50, 256/262; BVerwG, U.v. 26.6.1974 – VII C 36.72 – BVerwGE 45, 224/227; Gaedke, a.a.O., 181 m.w.N.). Es vermittelt aber keinen einklagbaren Anspruch auf Erlass einer bestimmten Satzungsregelung in Bezug auf die Mindestruhezeit. Selbst wenn eine vom Friedhofsträger festgelegte Ruhefrist wie hier einem (möglicherweise) künftig Betroffenen als zu kurz erscheint, wird er dadurch rechtlich nicht gehindert anzuordnen, was nach seinem Tod mit dem Leichnam geschehen soll.

Die Norm des § 18 Abs. 1 Satz 2 FS führt auch nicht zu faktischen bzw. mittelbaren Eingriffen in das Recht auf Selbstbestimmung über postmortale Angelegenheiten, da die Regelung sich nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen nicht als funktionales Äquivalent für einen unmittelbaren Eingriff darstellt (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279/303). Die Beschränkung der Ruhezeit auf lediglich zwei Jahre verfolgt ersichtlich keinen verhaltenssteuernden Zweck. Sie hat, wie oben dargelegt, auch nicht regelmäßig und typischerweise, sondern nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen zur Folge, dass bereits nach wenigen Jahren eine Umbettung in ein anonymes Erdurnengrab erfolgen kann. Wer sich zu Lebzeiten für eine Feuerbestattung auf einem der Friedhöfe der Antragsgegnerin entscheidet und dabei sicherstellen will, dass die Urne mit seinen sterblichen Überresten dort längere Zeit verbleibt, kann verfügen, in einem Einzelgrab bestattet zu werden; die Urne kann dann frühestens nach Ablauf der vorgeschriebenen Mindestnutzungszeit von zwölf Jahren (§ 19 Abs. 2 FS) aus der Grabstätte entfernt werden.

bb) Mit der unterschiedlichen Länge der Ruhezeiten für Leichen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 FS) und für Urnen (§ 18 Abs. 1 Satz 2 FS) wird nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) verstoßen. Im Grundsatz genießen zwar Aschenreste den gleichen Anspruch auf pietätvolle Behandlung und auf Wahrung der Totenruhe wie erdbestattete Leichen (vgl. Gaedke, a.a.O., 373; OVG RhPf, B.v. 4.2.2001 – 7 A 11390/09 – juris Rn. 7; so auch RG, U.v. 5.4.1937 – IV 18/37 – RGZ 154, 269/274; BGH, U.v. 30.6.2015 – 5 StR 71/15 – NJW 2015, 2901 Rn. 12 jeweils mit Blick auf die einfachgesetzliche Rechtslage). Dies zwingt jedoch bei der Bemessung der Mindestruhezeiten nicht zu einer schematischen Gleichbehandlung von Urnen- und Erdbestattungen, da nur für letztere das zusätzliche Erfordernis besteht, eine ausreichende Verwesung zu ermöglichen (Gaedke, a.a.O., 254; vgl. auch Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BestG). In den Bestattungsgesetzen einiger Bundesländer sind daher verschieden lange Mindestruhezeiten für Leichen und Aschenreste ausdrücklich vorgesehen (§ 32 Abs. 1 BrbBestG; § 5 Abs. 1 Satz 1 BrFriedhG; § 31 Abs. 1 Satz 1 ThürBestG). Steht die entsprechende Regelungsbefugnis wie in Bayern dem jeweiligen Friedhofsträger zu, darf dieser ebenfalls zwischen den Bestattungsformen unterscheiden und für Urnenbestattungen eine kürzere Ruhezeit festlegen. In der gesetzlichen Ermächtigungsnorm des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 BestG ist die Möglichkeit einer Ungleichbehandlung bereits angelegt.

cc) Eine zwingende Verpflichtung zur Festlegung einer längeren Ruhezeit bei Urnenbestattungen folgt auch nicht aus dem in der Bayerischen Verfassung verankerten Kulturstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BV). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat dieser Staatszielbestimmung, deren Verletzung in einem Verfahren bezüglich der Zulassung privater Feuerbestattungsanlagen gerügt worden war (Gröschner, Menschenwürde und Sepulkralkultur in der grundgesetzlichen Ordnung, 1995, 50 ff.), keinen eigenständigen Bedeutungsgehalt neben der Menschenwürde (Art. 100 BV) und dem Gebot einer schicklichen Beerdigung (Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV) beigemessen (BayVerfGH, E.v. 4.7.1996 – Vf. 16-VII-94 u.a. – VerfGH 49, 79/92).

Aufgrund der Schutzpflicht aus Art. 100 BV muss allerdings der Gesetzgeber über den individuellen postmortalen Persönlichkeitsschutz hinaus auch allgemein eine den jeweiligen Pietätsvorstellungen der Gesellschaft und der herrschenden Kultur angemessene Bestattung gewährleisten (BayVerfGH, a.a.O.), während die Gemeinden nach der speziellen Norm des Art. 149 Abs. 1 Satz 1 BV für einen angemessenen und würdigen Umgang mit den sterblichen Überresten zu sorgen haben (vgl. Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Bayerische Verfassung, 2. Aufl. 2017, Art. 149 Rn. 7 m.w.N.; Gaedke, a.a.O., 240 f.). Das in Art. 5 BestG formulierte Gebot, beim Umgang mit Leichen und Aschenresten das „sittliche Empfinden der Allgemeinheit“ nicht zu verletzen, lässt sich hiernach auf die genannten Bestimmungen der Bayerischen Verfassung zurückführen, wohingegen dem Grundgesetz keine verfassungsrechtliche Abstützung des allgemeinen Pietätsgefühls entnommen werden kann (so BVerfG; B.v. 9.5.2016, a.a.O., Rn. 62).

Dass die nach § 18 Abs. 1 Satz 2 FS unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Umbettung von Urnen nach nur zwei Jahren aus einem nicht mehr weitergeführten Familiengrab in ein anonymes Erdurnenfeld mit den in der heutigen Gesellschaft vorherrschenden Pietätsvorstellungen oder mit dem allgemeinen Verständnis über einen würdigen Umgang mit der Asche Verstorbener unvereinbar wäre, vermag der Senat nicht festzustellen. Die aufgrund der Länderkompetenz für das Friedhofs- und Bestattungswesen schon von jeher bestehende Regelungsvielfalt in Bezug auf Urnenbestattungen hat sich durch eine Reihe neuerer Bestattungsformen (Friedwälder, Aschenverstreuung oder Urnenbeisetzung auf Privatgrundstücken) nochmals erhöht. Auch die subjektiven Vorstellungen darüber, was (noch) als pietätvoller Umgang mit der durch die Kremation entstandenen Asche anzusehen ist, entwickeln sich dadurch immer stärker auseinander. Angesichts der Tatsache, dass es einen Friedhofs- und Bestattungszwang für die Aschenreste Verstorbener europaweit fast nur noch in Deutschland gibt, wird die Notwendigkeit eines allgemein zugänglichen öffentlichen Orts der Totenruhe auch hierzulande zunehmend in Frage gestellt (vgl. nur Thimet/Hannemann-Heiter in Spranger/Pasic/Kriebel, a.a.O., 232). Ein aus gemeinsamen Grundwerten gespeister, weitgehend unangefochtener Konsens dahingehend, dass eine Urne nach der Bestattung auch dann, wenn zur Grabpflege bereite Angehörige nicht (mehr) vorhanden sind, noch bis zum Ende eines längeren Ruhezeitraums am ursprünglichen Begräbnisort verbleiben müsste, besteht danach erst recht nicht. Weder die aus der Verfassung abzuleitende Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die in der Gesellschaft bestehenden Pietätsvorstellungen noch das damit zusammenhängende Verbot einer Verletzung des sittlichen Empfindens der Allgemeinheit (Art. 5 BestG) stehen somit aus heutiger Sicht der angegriffenen Regelung entgegen.

c) Es sind auch sonst keine einfachgesetzlichen Normen ersichtlich, aufgrund derer eine längere Ruhefrist als zwei Jahre geboten sein könnte.

Die Vorschrift des § 1 Halbs. 1 des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 (RGBl I S. 380), wonach die Feuerbestattung der Erdbestattung grundsätzlich gleichgestellt war, und die dazu ergangene Ausführungsbestimmung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Feuerbestattungsgesetzes vom 10. August 1938 (RGBl I S. 1000), wonach die Ruhefrist für Aschenreste mindestens auf den als Ruhefrist bei Erdbestattungen am gleichen Ort vorgesehenen Zeitraum zu bemessen war, sind in Bayern mit Inkrafttreten des Bestattungsgesetzes vom 24. September 1970 (GVBl S. 417) am 1. Januar 1971 außer Kraft getreten (Art. 21 BestG). Da der seither geltende Art. 10 Abs. 1 BestG zur Frage der Ruhefristen eine abschließende landesgesetzliche Regelung trifft, besteht entgegen der Auffassung der Antragstellerin kein Grund, die früheren (reichs-)gesetzlichen Bestimmungen ergänzend heranzuziehen.

Ein rechtliches Hindernis für die mit der angegriffenen Satzungsbestimmung ermöglichte frühzeitige Umbettung von Urnen folgt schließlich auch nicht aus den in § 168 StGB normierten strafrechtlichen Verboten, die Asche eines verstorbenen Menschen unbefugt wegzunehmen (Abs. 1) oder eine Beisetzungsstätte zu zerstören bzw. zu beschädigen (Abs. 2). Die Versetzung einer Urne in ein anderes Grab stellt, wenn sie in einer Satzung des Friedhofsträgers vorgesehen ist, weder ein unbefugtes Handeln dar, noch kann in der Herausnahme der Urne eine Zerstörung oder Beschädigung der – von den Nutzungsberechtigten bereits aufgegebenen – Grabstelle gesehen werden (vgl. Spranger in ders./Pasic/Griebel, a.a.O., 321).

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärte Frage der Reichweite des postmortalen Würdeschutzes im Bestattungsrecht grundsätzliche Bedeutung hat.

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2018 - 4 N 17.1197

Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2018 - 4 N 17.1197

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2018 - 4 N 17.1197 zitiert 11 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 47


(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

Strafgesetzbuch - StGB | § 168 Störung der Totenruhe


(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug ver

Gräbergesetz - GräbG | § 2 Ruherecht


(1) Gräber nach § 1 bleiben dauernd bestehen. (2) Der jeweilige Eigentümer eines mit einem Ruherecht nach Absatz 1 belasteten Grundstücks hat das Grab bestehen zu lassen, den Zugang zu ihm sowie Maßnahmen und Einwirkungen zu seiner Erhaltung zu duld

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(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Gräber nach § 1 bleiben dauernd bestehen.

(2) Der jeweilige Eigentümer eines mit einem Ruherecht nach Absatz 1 belasteten Grundstücks hat das Grab bestehen zu lassen, den Zugang zu ihm sowie Maßnahmen und Einwirkungen zu seiner Erhaltung zu dulden; insoweit besteht zugunsten des Landes, in dem das Grundstück liegt, eine öffentliche Last.

(3) Die öffentliche Last nach Absatz 2 geht den öffentlichen und privaten Rechten an dem Grundstück im Rang vor.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juli 2011 - 3 S 465/11 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2013 - BVerwG 4 B 43.11 - wird damit gegenstandslos. Die Sache wird an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen.

2. Das Land Baden-Württemberg hat die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts. Mit ihr wendet sich die Beschwerdeführerin, eine vereinsrechtlich organisierte Glaubensgemeinschaft, gegen die Versagung der Genehmigung zur Errichtung einer Begräbnisstätte für Gemeindepriester im Untergeschoss ihrer Kirche (Krypta).

2

1. Die Beschwerdeführerin hat als Glaubensgemeinschaft über 500 Mitglieder. Sie gehört der Erzdiözese der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien in Deutschland an. Diese besteht aus 51 Gemeinden, die insgesamt circa 80.000 Gläubige zählen.

3

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in einem Industriegebiet, auf dem ein im Jahr 1994 baurechtlich genehmigtes und intensiv genutztes Kirchengebäude errichtet ist. Das Gebäude umfasst im Kirchenschiff circa 260 Sitzplätze, eine Sakristei, eine Priesterwohnung mit Büro und Sitzungssaal, eine Hausmeisterwohnung sowie Lager- und Abstellräume im Untergeschoss. Auf den umliegenden Flurstücken befinden sich ein Produktionsbetrieb für Holzverpackungen und Holzkisten, dessen 85 Mitarbeiter im Schichtbetrieb arbeiten, ein metallverarbeitender Betrieb mit Gießerei, in dem rund 250 Mitarbeiter beschäftigt sind, sowie ein Betonwerk. In unmittelbarer Umgebung befindet sich außerdem ein Großbetrieb für Dichtungstechnik mit etwa 150 Mitarbeitern. Der geltende Bebauungsplan lässt in dem Industriegebiet unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 3 Nr. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) Anlagen für kirchliche Zwecke als Ausnahme zu.

4

2. a) Nachdem die Beschwerdeführerin ihr Ziel, dort auch eine Begräbnisstätte für Priester vorzusehen, im Zusammenhang mit der Errichtung der Kirche zunächst zurückgestellt hatte, beantragte sie im Jahr 2005 die Genehmigung zur Umnutzung eines Lagerraums im Untergeschoss des Kirchengebäudes in eine Krypta mit zehn Begräbnisplätzen. Diese sollen ausschließlich verstorbenen Geistlichen ihrer Gemeinde vorbehalten sein. Dem Antrag zufolge sollen die als Sarkophag-Nischen gestalteten Gruftzellen jeweils luftdicht zur Raumseite hin verschlossen werden. Im Freiraum vor den Sarkophagen sollen zu bestimmten Zeiten Gebete zum ehrenden Gedenken an die Verstorbenen gesprochen werden. Die Be- und Entlüftung der Krypta soll durch drei bereits vorhandene Drehkippfenster sowie über das Dach erfolgen.

5

Zum Beleg der aus zwingenden Glaubenssätzen abgeleiteten Notwendigkeit einer solchen Begräbnisstätte legte die Beschwerdeführerin Stellungnahmen eines Theologen, eines Kunsthistorikers sowie eines Kirchenrechtlers vor. Danach entspricht es heiliger kirchlicher Tradition der syrisch-orthodoxen Kirche, dass allein Priester in der Kirche in einem besonderen Raum ihre letzte Ruhestätte finden. Die Bestimmung, dass die verehrungswürdigen Priester ihr Grab in einem Bestattungsraum innerhalb der Kirche finden sollen, enthalte auch das gültige Kirchenrecht, der Nomokanon des Bar Hebraeus. Eine dementsprechende Krypta für Diener des Altars, in Hörweite zu jenem Altar, an dem sie gedient haben, sei demnach integraler Bestandteil eines Kirchengebäudes, das der authentischen syro-antiochenischen Überlieferung treu sein wolle.

6

b) Die im Verwaltungsverfahren beteiligten Fachbehörden stimmten dem Vorhaben zu, teils allerdings unter Auflagen. Das Gesundheitsamt regte an, den Einbau einer Klimaanlage und eines Vorraums in Betracht zu ziehen sowie eine schon vorgeplante Entlüftungsanlage zu installieren. Die benachrichtigten Grenznachbarn erhoben keine Einwendungen. Die Gemeinde verweigerte indes ihr Einvernehmen.

7

c) Unter Hinweis auf die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens lehnte die Baubehörde den Bauantrag ab. Gleichzeitig wurde auch der von der Beschwerdeführerin parallel gestellte Antrag auf Genehmigung eines privaten Bestattungsplatzes nach Maßgabe der bestattungsrechtlichen Vorschriften abgelehnt. Im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren bestätigte das Regierungspräsidium die Ablehnung.

8

3. a) Das Verwaltungsgericht verpflichtete auf die von der Beschwerdeführerin erhobene Klage hin die Baubehörde zur Neubescheidung des Umnutzungsantrags. Obwohl Vieles dafür spreche, dass schon die Errichtung der Kirche im Industriegebiet gebietsunverträglich gewesen sei, präge diese das Industriegebiet nach bestandskräftiger Genehmigung mit. Die geplante Nutzungsänderung im Kircheninneren rufe keine über den bisherigen Bestand hinausgehende Gebietsunverträglichkeit hervor, so dass die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) in Verbindung mit § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht von vornherein ausscheide. Die Beschwerdeführerin habe daher einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege jedoch angesichts widerstreitender Nachbarinteressen nicht vor.

9

b) Auf die von ihm zugelassene Berufung hin änderte der Verwaltungsgerichtshof das verwaltungsgerichtliche Urteil und wies die Klage ab. Die genehmigungspflichtige Nutzungsänderung widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans und sei deshalb nicht genehmigungsfähig. Die Krypta sei zwar als kirchliche Anlage im Sinne von § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO einzustufen. Sie sei jedoch wegen Unverträglichkeit mit dem typischen Gebietscharakter des Industriegebiets unzulässig und widerspreche wohl auch der Gebietseigenart nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Aufgrund der industriegebietsspezifischen Unruhe sei das nach herkömmlicher Anschauung erforderliche kontemplative Umfeld für eine pietätvolle Totenbestattung nicht gegeben. Das Ermessen für eine ausnahmsweise Zulassung nach § 31 Abs. 1 BauGB sei deswegen nicht eröffnet.

10

Auch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme nicht in Betracht. Glaubensbezogene Handlungen im engeren Sinne seien durch die Versagung der Einrichtung der Krypta nicht berührt. Beten, Trauern und Totengedenken seien ohne Weiteres auch in der Kirche möglich. Ein Bedürfnis der Beschwerdeführerin, über eine Krypta in der eigenen Kirche zu verfügen, sei zwar vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV erfasst, nicht jedoch als aktuell zwingender Bestandteil der Religionsausübung im engeren Sinne zu sehen. Zwingenden Charakters sei nach den vorgelegten Sachverständigenstellungnahmen lediglich das Friedhofsbestattungsverbot, das es untersage, syrisch-orthodoxe Priester zusammen mit den Gemeindeangehörigen auf normalen Friedhöfen zu bestatten. Dieses Verbot sei aber nicht berührt, weil es der Beschwerdeführerin unbenommen bleibe, ihre Priester in einem niederländischen Kloster zu bestatten. Dass die Beisetzung in der "Hauskirche" demselben Verpflichtungsimperativ unterliege wie das Friedhofsbestattungsverbot, sei von den Sachverständigen nicht eindeutig bestätigt worden. Wäre dem so, hätte die Beschwerdeführerin sich wohl von vornherein nach einem anderen Bauplatz für ihre Kirche umgesehen. Die Errichtung der Krypta zusammen mit der Kirche sei keinesfalls nur am vorgesehenen Ort, sondern auch an anderer Stelle möglich. Das Planungsrecht biete zahlreiche Möglichkeiten, städtebaulich die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Der danach gleichwohl zu beobachtende, in seinem Gewicht jedoch reduzierte Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sei durch den Achtungsanspruch der Toten sowie das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken gerechtfertigt.

11

Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sei ebenso wenig erkennbar. Soweit hohe Würdenträger früher in ihren Kirchen beigesetzt worden seien und diese Bestattungsart traditionell nachwirkend auch heute noch gelegentlich praktiziert werde, könne dies mit dem hier in Rede stehenden Sachverhalt weder personell (Bestattung "einfacher" Geistlicher) noch räumlich (Lage der Kirche im Industriegebiet) verglichen werden.

12

c) Auf die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision der Beschwerdeführerin hob das Bundesverwaltungsgericht das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Der Verwaltungsgerichtshof sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht komme. Allerdings sei die Begründung für die Ablehnung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB rechtsfehlerhaft.

13

Kirche und Krypta müssten mangels Abtrennbarkeit baurechtlich als Gesamtvorhaben beurteilt werden. Die Gründe des Wohls der Allgemeinheit, die gemäß § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung gebieten könnten, erschöpften sich nicht in spezifisch bodenrechtlichen Belangen, sondern erfassten alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder Interessen zu verstehen sei, wie sie beispielhaft in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet seien. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften seien daher ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen. Das gelte jedenfalls dann, wenn die betreffende Kirchengemeinde eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern habe.

14

Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten einen Dispens nicht erst, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könne, sondern bereits dann, wenn ein solcher zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses vernünftigerweise geboten sei. Hierfür könne schon ausreichen, dass alternative Bestattungsmöglichkeiten nicht zumutbar seien. Eine Bestattung in einem niederländischen Kloster sei wegen der Entfernung von fast 500 km jedenfalls nicht zumutbar. Auch die Feststellung, die Beisetzung des Gemeindepriesters in der Hauskirche sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung, stehe der Erteilung einer Befreiung nicht entgegen. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten die Zulassung der Krypta auch, wenn alternative Beisetzungsorte an sich in Betracht kämen, der Beschwerdeführerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden könnten. Eine Befreiung könne daher nicht mit dem Argument verweigert werden, es sei planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit sei vielmehr, ob der Beschwerdeführerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück zur Verfügung gestanden habe oder, wenn dies nicht der Fall gewesen sei, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen habe.

15

Eine Befreiung scheide auch nicht schon deshalb aus, weil die Krypta bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Vielmehr eröffne erst das den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB. Bei dessen Prüfung dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Gemeinde durch ihr Einvernehmen zum Kirchenbau selbst den Keim für eine vernünftigerweise gebotene Nutzungserweiterung gelegt habe. Ob die sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen an eine Begräbnisstätte der Befreiung entgegenstünden, sei keine Frage des Befreiungsgrundes, sondern der weiteren Voraussetzung, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein müsse.

16

Schließlich sei anstelle der abstrakten Gegenüberstellung der Religionsfreiheit einerseits sowie des Achtungsanspruchs der Toten und des Rechts der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Andenken andererseits die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Insoweit bedürfe es der Feststellung, inwieweit der Achtungsanspruch der Toten und das Recht auf ein würdevolles Andenken durch die Geschäftigkeit und Betriebsamkeit der industriellen Umgebung konkret beeinträchtigt werden könne, obwohl die Krypta in dem gegenüber der Außenwelt abgeschirmten Kircheninneren gelegen sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beisetzung in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der syrisch-orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung sei.

17

d) Nach Fortführung des Berufungsverfahrens wies der Verwaltungsgerichtshof die Klage erneut unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts ab. Die Beschwerdeführerin habe keinen Anspruch auf Genehmigungserteilung, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorlägen. Die zur Genehmigung gestellte Nutzungsänderung berühre die Grundzüge der Planung. Eine Befreiung sei außerdem weder durch Belange des Wohls der Allgemeinheit gefordert noch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar.

18

Es sei trotz des Umstandes, dass der Bebauungsplan Ausnahmen ausdrücklich zulasse, erklärtes Planungsziel gewesen, ein klassisches, dem gesetzlichen Leitbild entsprechendes Industriegebiet zu schaffen, in dem die gesamte Nutzungsbreite störintensivster Gewerbe untergebracht werden könne. Dies werde durch zwischenzeitliche Maßnahmen der Bauleitplanung unterstrichen. Diese Planungsgrundzüge würden durch das Vorhaben "Kirche mit Krypta" berührt. Bereits die Kirche sei hier, wenn auch noch nicht gebietsunverträglich, so doch eher untypisch. Der Plangeber sei bezüglich der Krypta von Anfang an skeptisch gewesen. Durch deren Hinzutreten würde das Plankonzept in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt und würden vorhandene bodenrechtliche Spannungen nochmals deutlich erhöht. Die Existenz bestatteter Toter löse nach derzeit noch herrschendem kulturellem Verständnis regelmäßig ein höheres Maß an pietätsbedingter Zurückhaltung mit "unpassenden", insbesondere lärmintensiven Lebensäußerungen aus, als dies gegenüber einer bloßen Kirche oder einer Moschee der Fall sei. Dies finde seinen Niederschlag auch in den Regelungen des Bestattungsrechts über Lage und Standort von Bestattungsplätzen, die als Konkretisierung des Gebots der Konfliktvermeidung auch auf das Bodenrecht durchschlügen. Anders als das zum Gottesdienst genutzte Kircheninnere seien die für die Krypta vorgesehenen Räumlichkeiten zudem weder räumlich noch akustisch "eingehaust". Eine vorgesehene, von der Gemeinde planerisch aktiv unterstützte Betriebserweiterung des benachbarten Unternehmens würde zudem zu einer industriellen "Einkreisung" der Krypta und möglicherweise noch größeren Lärmbelästigungen führen. Bei Zulassung der Krypta stehe zu befürchten, dass betroffene Anlieger auf bestimmte, an sich baugebietstypische, im Hinblick auf die Totenruhe aber als unangemessen angesehene Nutzungen verzichten müssten, um Abwehransprüche oder Auflagen zu vermeiden. Das Plankonzept einer Beibehaltung und Vergrößerung des Industriegebiets sähe sich im Hinblick auf das Trennungsgebot und das Gebot der Konfliktbewältigung damit zumindest einer Gefährdung ausgesetzt.

19

Gemeinwohlbelange erforderten auch keine Befreiung, da der Ritus der Hauskirchenbestattung zwar als verfassungsrechtlich geschützt anzusehen sei, aber keinen zwingenden oder unabdingbaren Bestandteil der Religionsausübung im engeren Sinn darstelle. Dies werde dadurch bestätigt, dass bislang keine andere syrisch-orthodoxe Kirchengemeinde in Deutschland - auch keine Gemeinde aus der Gemeinschaft der Kirche von Antiochien - über eine kircheneigene Krypta verfüge. Auch die beiden anderen ortsansässigen syrisch-orthodoxen Gemeinden hätten sich nicht um einen nahegelegenen Bestattungsplatz bemüht, so dass der Schluss naheliege, dass sie dem Hausbestattungsgebot nicht dasselbe Gewicht beimäßen wie die Beschwerdeführerin und jedenfalls die verfügbaren auswärtigen Bestattungsmöglichkeiten für ausreichend erachteten. Die Beschwerdeführerin habe sich außerdem bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen. Dies zeige sich schon daran, dass sie von ihrem ursprünglichen Bauvorhaben einer Kirche mit Krypta nach Ablehnung durch die Gemeinde zunächst abgerückt und bis zu dem Antrag auf Genehmigung der für sie religiös so bedeutsamen Umnutzung zehn Jahre untätig geblieben sei.

20

Die Krypta sei schließlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Würdigung insbesondere nachbarlicher Interessen auch nicht mit öffentlichen Belangen vereinbar. Als öffentliche Belange seien das Gebot des Schutzes der Totenruhe und der Pietät von Begräbnisstätten betroffen. Diese hätten als Ausprägung kultureller Wertvorstellungen eines Großteils der Bevölkerung städtebauliches Gewicht und schützten sowohl die Trauernden als auch die im nahen Umfeld arbeitenden Personen. Unter Berücksichtigung des bestattungsrechtlichen Abstandsgebots sei eine Krypta im unmittelbaren Nahbereich der seit Langem vorhandenen industriellen Nutzung damit nicht vereinbar. Die enge räumliche Verbindung und die konkreten Gegebenheiten vor Ort führten dazu, dass die Betriebsgeräusche der Nachbarbetriebe einschließlich des Zu- und Abfahrtsverkehrs unter anderem mit schweren LKW auch auf der Grenzfläche nahezu ungefiltert auf das Baugrundstück der Beschwerdeführerin gelangten. Bei der geplanten Krypta bildeten insbesondere die drei oberirdischen Außenkippfenster eine Immissionsbrücke, da sie zu Belüftungszwecken auch über längere Zeiträume offenstehen müssten. Hieraus könne ein erhebliches, mit herkömmlichen Pietätsvorstellungen nicht zu vereinbarendes Störpotential für die Totenruhe und eine pietätvolle Trauer erwachsen. Vor diesem Hintergrund bestehe jedenfalls die reale Möglichkeit, dass benachbarte Betriebe mit Einschränkungen durch Verbote oder Auflagen zum Schutz einer herkömmlichem Verständnis entsprechenden Totenruhe rechnen müssten. Für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit solcher Auflagen sei zu berücksichtigen, dass die Krypta nach Größe und Zweck voraussichtlich ungewöhnlich lange genutzt werde und während des Nutzungszeitraums im Hinblick auf die bestattungsrechtlichen Ruhezeiten auch nicht angetastet werden dürfe. Innerhalb dieses Zeitfensters könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch spätere Vertreter der Beschwerdeführerin um den Schutz der Totenruhe bemühten. Bei der Gesamtbetrachtung dürfe schließlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein benachbartes Unternehmen seit Längerem eine Erweiterung seiner Betriebsanlagen auch südlich des Baugrundstücks plane und auch insoweit Rücksicht auf die Totenruhe nehmen müsste.

21

e) Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde der Beschwerdeführerin wies das Bundesverwaltungsgericht zurück.

22

Die Sache weise keine Grundsatzbedeutung auf. Die Beschwerdeführerin habe hinsichtlich der drei selbständig tragenden Gründe, aus denen der Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzungen für eine Dispenserteilung verneint habe, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Auch andere Revisionszulassungsgründe lägen nicht vor. Das angegriffene Urteil weiche weder von dem vorangegangenen Revisionsurteil ab, noch sei eine unzutreffende Beweiswürdigung zu erkennen.

II.

23

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG durch die angegriffenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen.

24

1. Die Bedeutung des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art. 4 GG werde in den angegriffenen Entscheidungen verkannt.

25

a) Die Totensorge für geistliche Würdenträger, insbesondere das "Wo" und "Wie" der Bestattung, sei Bestandteil des Schutzbereichs der Religionsausübungsfreiheit, da diese die nach außen wirkende Betätigung von Glaubensüberzeugungen umfasse. Einen weniger schutzwürdigen oder gar einen nicht zwingenden Bestandteil der Religionsausübung gebe es nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimme sich vielmehr wesentlich nach der Eigendefinition der jeweiligen Religionsgemeinschaft, welche Handlungen im Einzelnen als religiöse Betätigung durch den Grundrechtsschutz erfasst seien. Teil der grundrechtlich gewährleisteten Glaubensfreiheit sei auch und gerade, dass eine staatliche Bestimmung genuin religiöser Fragen unterbleibe. Dies folge schon aus der Selbstbestimmungsbefugnis der Religionsgesellschaften über den Gegenstand der Religionsausübung, der sich aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV ergebe. Diese garantiere unter anderem eine innere Normsetzungsautonomie, die Glaubensgemeinschaften unabhängig vom Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts offenstehe. Das Bedürfnis einer Krypta entspringe eben solchen bindenden Regeln, die sich aus dem Nomokanon des Bar Hebraeus, Kapitel 6, Teil 1, Kanon 8, ergäben. Darin heiße es:

"Wenn er [der Verstorbene] Bischof, Priester, Diakon oder Mönch ist, soll man ihn mit Gesängen und Lichtern zur Kirche tragen und drei Offizien der Gesänge für ihn halten. (…) Danach soll man ihn zum Altarraum führen und dreimal hochtragen, in dem man spricht: bleibe in Frieden der heilige Altar, bleibe in Frieden Kirche und Kleriker. In der Kirche, in der ich gedient habe, möge der Friede herrschen. (…) Man legt ihm das [priesterliche] Obergewand an und lässt ihn in das Grab herunter mit dem Gesicht gen Osten."

26

Daraus folge, dass der Gemeindepriester unter dem Altar, an dem er gedient habe, zu bestatten sei. Dies finde auch in Bestätigungsschreiben der syrisch-orthodoxen Kirchengemeinden S. in Schweden, A. in der Schweiz sowie L. in den Niederlanden seine Stütze. Dort seien aufgrund des zwingenden Glaubenssatzes bereits Gemeindepriester jeweils unter den Kirchengebäuden bestattet worden.

27

Als rechts- und damit zugleich grundrechtsfähiger Verein, der der Religionsausübung diene, könne sie kollektiv die Religionsfreiheit ihrer Mitglieder aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geltend machen und stehe auch selbst unter dem Schutz des Grundrechts der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit.

28

b) Der mit der Versagung der Nutzungsänderung einhergehende Grundrechtseingriff sei nicht gerechtfertigt. Weder der Schutz der Trauernden oder der Verstorbenen noch der allgemeine Belang der Totenruhe oder das Interesse umliegender Unternehmen an bestehender Auflagenfreiheit überwögen das Interesse der Beschwerdeführerin an der Ausübung ihrer Religionsfreiheit. Insoweit hätten die Behörden und Gerichte verkannt, dass die Krypta nur zu sehr begrenzten Zeiten durch Lebende genutzt werde und Lärmimmissionen währenddessen noch effektiver als auf einem Freiluftfriedhof durch einfache Maßnahmen wie Fensterschließen unterbunden werden könnten. Den Verstorbenen selbst dürfe überdies kein postmortaler Persönlichkeitsschutz aufgedrängt werden, der gar nicht in ihrem Sinne sei. Gerade hier sei zu berücksichtigen, dass sie selbst Gemeindepriester gewesen seien und sich deshalb die Bestattungsriten in besonderem Maße zu Eigen gemacht hätten. Auch der allgemeine Schutz der Totenruhe gebiete nichts anderes. Zum einen seien störende Immissionen nur bei offenem Fenster zu besorgen. Zum anderen sei die verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsbefugnis für die Bestattung und Totensorge jedenfalls ihrer geistlichen Würdenträger vorrangig. Das zeige sich auch daran, dass teilweise außer Gebrauch gestellte Kirchen mitten in lauten und geschäftigen Innenstädten zu einer Art Grabkirchen umgewidmet würden.

29

Der Eingriff in ihre Religionsfreiheit könne auch nicht durch den Schutz des unbeschränkten Betriebs benachbarter industrieller Betriebe gerechtfertigt werden. Befürchteten Abwehransprüchen könne wegen der Ausweisung des Baugebiets als Industriegebiet neben dem Prioritätsgrundsatz immer sowohl der Gebietscharakter entgegen gehalten werden als auch der Umstand, dass Eigenschutz mit einfachsten Mitteln, etwa dem Schließen der Fenster, erreichbar sei.

30

c) Schließlich könne nicht von einem Grundrechtsverzicht durch sie, die Beschwerdeführerin, deshalb ausgegangen werden, weil sie von einer Priesterbestattung unter dem Kirchengebäude bisher abgesehen habe. Sie habe zu keinem Zeitpunkt einen eindeutigen Verzichtswillen zum Ausdruck gebracht.

31

2. Daneben sei auch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Sie, die Beschwerdeführerin, sei eine Glaubensgemeinschaft, bei der gegenüber den großen Amtskirchen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigten. Gemeindepriester hätten in der syrisch-orthodoxen Kirche aufgrund ihrer herausragenden Stellung als echte geistliche Väter einen höheren Stellenwert als Pfarrer in der katholischen Kirche und seien daher mit hohen katholischen Würdenträgern durchaus vergleichbar. Jeden Samstagabend begebe sich der Pfarrer im Rahmen eines notwendigen Rituals zu seinem unter dem Altar bestatteten Amtsvorgänger, um sich in stiller Zwiesprache mit diesem auf den sonntäglichen Gottesdienst für die Gemeinde vorzubereiten.

32

In räumlicher Hinsicht habe es die Gemeinde in der Hand gehabt, ihr ein zentraleres Baugrundstück zu verschaffen, anstatt sie ins Industriegebiet abzudrängen. Außerdem lägen die großen katholischen Kirchen regelmäßig in sehr geschäftigen Kerngebieten mit Marktgeschehen und Tourismusbetrieb. Gerade dort seien ein ehrendes Totengedenken und eine würdevolle Ausübung des Gottesdienstes aber nicht minder schwierig vorstellbar. Dass dem im Ergebnis dennoch keine durchgreifenden Bedenken begegneten, sei bei den katholischen Kirchen wie bei ihr darauf zurückzuführen, dass die Religionsausübung eben in den Innenräumen der Kirchengebäude stattfinde. Dort sei aufgrund ihrer baulichen Besonderheiten eine spirituelle Atmosphäre gewährleistet.

III.

33

Zu der Verfassungsbeschwerde haben die am Ausgangsverfahren beteiligten Kommunen Bad Rappenau und K., das Bundesverwaltungsgericht sowie die Erzdiözese der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien in Deutschland, die Deutsche Bischofskonferenz und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

34

1. Die Stadt Bad Rappenau und die Gemeinde K. verteidigen die angegriffenen Entscheidungen.

35

2. Das Bundesverwaltungsgericht weist auf seine Rechtsprechung hin, der zufolge die Störempfindlichkeit einer Nutzung, die Konflikte hervorzurufen geeignet sei, welche nur im Wege der Abwägung im Bebauungsplanverfahren gelöst werden könnten, der Erteilung einer Befreiung entgegenstehe (BVerwGE 142, 1 - Krematorium mit Abschiedsraum im Gewerbegebiet). Im Ausgangsverfahren sei das Nichtvorliegen eines die konkrete Standortwahl für die Bestattungsstätte zwingend gebietenden Glaubenssatzes bindend festgestellt gewesen. Den Tatsachenfeststellungen entspreche es demgegenüber nicht, dass industrielle Geräusche mit einfachsten Mitteln vermieden und dem Schutz der Trauernden sowie der Totenruhe allein damit Rechnung getragen werden könne.

36

3. Die Erzdiözese der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien in Deutschland bekräftigt, es entspreche der syrisch-orthodoxen Kirchenlehre, Pfarrer in den Gemeinden, in denen sie bis zu ihrem Lebensende tätig gewesen seien, und in der Nähe des Altars, an dem sie ihr priesterliches Amt wahrgenommen hätten, zur letzten Ruhe zu betten.

37

4. Die Deutsche Bischofskonferenz sieht die Reichweite der Religionsfreiheit durch die angegriffenen Entscheidungen in bedenklicher Weise eingeschränkt.

38

Mit der Bewertung, bei dem Gebot der Hauskirchenbestattung handle es sich zwar um einen religiösen Ritus der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft, nicht jedoch um einen zwingenden und unabdingbaren Bestandteil der Religionsausübung im engeren Sinn, werde die Grenze der neutralitätsgeforderten Zurückhaltung bei der Kategorisierung und Bewertung religiöser Interessen und Belange überschritten. Eine Beurteilung der Wertigkeit und der Stellung eines religiösen Gebotes stehe dem weltanschaulich neutralen Staat, dem für derartige Graduierungen Maß und Richtschnur fehlten, nicht zu. Er sei vielmehr auf das Selbstverständnis oder den sachkundigen Nachweis des religiös Geforderten angewiesen. Eine Einstufung des Grabgeleges in die Skalierung "freiwillig - geboten - zwingend" leuchte auch grundrechtsdogmatisch nicht ein. Sie relativiere die in der Rechtsprechung entwickelte weite Auslegung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit, da sie trotz ihrer Einordnung auf der Abwägungsstufe die gleiche Wirkung wie eine Schutzbereichsbeschränkung habe.

39

Der Verweis auf eine entgegenstehende Praxis anderer syrisch-orthodoxer Kirchengemeinden mit dem Ziel der Erschütterung der Plausibilität des Vorbringens der Beschwerdeführerin stelle eine bedenkliche Einschränkung der Reichweite des Art. 4 GG dar. Es sei den staatlichen Gerichten verwehrt, homogenisierende Konsistenzanforderungen an das religiöse Selbstverständnis einer einzelnen Gemeinde innerhalb ihres Konfessionszusammenhangs zu stellen. Ein Zwang zur Homogenisierung innerhalb einer Glaubensrichtung existiere nicht. Es bedürfe vielmehr der Ermittlung, ob und inwieweit die betreffende Religionsgemeinschaft ihren Untergliederungen Handlungs- und Gestaltungsspielräume zumesse oder gar ganz auf Vorgaben zu bestimmten Fragen verzichte. Innerhalb einer Religion könne es so durchaus zu Unterschieden kommen, ohne dass dies zu einer religiösen Systemfrage werde oder Glaubensgrundsätze erschüttere.

40

Dem Verständnis der Totenruhe müsse ihre religiöse Ausprägung im konkreten Einzelfall zugrunde gelegt werden. Es verbiete sich daher, die Totenruhe der Bestatteten gegen ihre religiöse Überzeugung in Stellung zu bringen. Es sei nicht a priori ausgeschlossen, auch bei objektiver Achtung des Erfordernisses der Totenruhe einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Interessen der benachbarten Betriebe und dem Standort des Kirchengebäudes herbeizuführen.

41

Soweit die Beschwerdeführerin vergleichend auf Bestattungen in katholischen Kirchen hinweise, sei eine solche nach kirchlichem Recht grundsätzlich untersagt. Ausnahmen bestünden heute nur noch für die Bestattung von Bischöfen (in ihrer Kathedralkirche) sowie von Kardinälen und Päpsten. Herkömmliche Geistliche würden nicht in Kirchengebäuden bestattet. Diese katholische Vorgabe lasse sich jedoch nicht auf andere Religionen übertragen.

42

5. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag gibt zu bedenken, dass - nachdem die Erweiterung der Industrieflächen gerade auf eine Forderung der gewerblichen Wirtschaft zurückgehe - hinsichtlich der beantragten Nutzungsänderung nicht nur Art. 4 GG zu prüfen, sondern eine Gesamtwürdigung auch unter Berücksichtigung der Interessen der vorhandenen Industrie- und Gewerbebetriebe vorzunehmen sei.

43

Die Planunterlagen verdeutlichten, dass sich in unmittelbarer Nähe der Kirche mehrere störintensive Großbetriebe befänden. Jene seien in den letzten Jahren zum Teil ausgebaut worden und es seien in dem wachsenden Industriegebiet weitere Betriebe dazugekommen. All diese genössen im Rahmen ihrer bestehenden Baugenehmigungen Bestandsschutz und hätten auch Anspruch auf Erhalt des Gebietscharakters, um sich fortentwickeln zu können. Es gelte daher zu prüfen, ob eine Umnutzung des bestehenden Lagerraums zu Beisetzungszwecken tatsächlich mit den vorhandenen industriellen Nutzungen vereinbar sei. Aus Sicht der gewerblichen Wirtschaft müsse verhindert werden, dass die Industriebetriebe in ihrer Tätigkeit und Entwicklungsfähigkeit durch atypische Nutzungen im Industriegebiet beeinträchtigt werden könnten.

IV.

44

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

45

2. a) Entscheidungen der zuständigen Fachgerichte sind nicht schlechthin einer verfassungsgerichtlichen Prüfung zugänglich. Feststellung und Würdigung des Sachverhalts sowie Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind Sache dieser Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Es ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts, den Fachgerichten vorzugeben, wie sie den Streitfall im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. BVerfGE 94, 1 <9 f.>). Es kontrolliert vielmehr nur, ob bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts der Einfluss und die Bedeutung der zu berücksichtigenden Grundrechte grundlegend verkannt worden sind (vgl. BVerfGE 1, 418 <420>; 18, 85 <92 f.>; 89, 276 <285>).

46

Ein Grundrechtsverstoß liegt danach vor, wenn übersehen worden ist, dass bei der Auslegung und Anwendung der verfassungsmäßigen Vorschriften des einfachen Rechts Grundrechte zu beachten waren, wenn der Schutzbereich der zu beachtenden Grundrechte unrichtig und unvollkommen bestimmt oder ihr Gewicht unrichtig eingeschätzt worden ist, so dass darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der einfachgesetzlichen Regelung leidet und die Entscheidung auf diesem Fehler beruht (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).

47

b) Gemessen an diesem Maßstab ist die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzt. Im Ausgangsverfahren wurden die Schutzbereiche der widerstreitenden Grundrechte teilweise unrichtig bestimmt und ihrem Gewicht nach im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend in Einklang gebracht. Diese beeinflusst die vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführte Prüfung der Voraussetzungen einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Maß, dass sie einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung nicht standhält.

48

aa) Die Beschwerdeführerin kann sich als inländische juristische Person des Privatrechts, deren Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen Bekenntnisses und die Verkündigung des Glaubens ihrer Mitglieder ist, auf den grundrechtlichen Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit berufen (vgl. BVerfGE 19, 129 <132>; 42, 312 <323>; 99, 100 <118>; 105, 279 <292 f.>; 125, 39 <79>; stRspr). Die Versagung der Genehmigung zur Nutzungsänderung greift auch in den Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein.

49

(1) Der einer Religionsgemeinschaft zukommende Grundrechtsschutz umfasst das Recht zu eigener weltanschaulicher oder religiöser Betätigung, zur Verkündigung des Glaubens sowie zur Pflege und Förderung des Bekenntnisses. Hierzu gehören nicht nur kultische Handlungen, die Beachtung und Ausübung religiöser Gebote und Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozessionen, Zeigen von Kirchenfahnen und Glockengeläut, sondern auch religiöse Erziehung, Feiern und andere Äußerungen des religiösen und weltanschaulichen Lebens sowie allgemein die Pflege und Förderung des jeweiligen Bekenntnisses (vgl. BVerfGE 19, 129 <132>; 24, 236 <246 f.>; 53, 366 <387>; 105, 279 <293 f.>).

50

Fällt ein Verhalten danach in den Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, kommt es insoweit nicht mehr darauf an, welche konkrete Bedeutung ihm nach den Glaubenslehren zukommt. Denn das Recht, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, betrifft nicht nur imperative Glaubenssätze, sondern auch solche religiösen Überzeugungen, die ein Verhalten als das zur Bewältigung einer Lebenslage richtige bestimmen. Dies gilt zum einen für Verhaltensweisen, die nicht über den Bereich der innergemeinschaftlichen Pflege und Betätigung des von der Beschwerdeführerin vertretenen Glaubens hinausreichen, ebenso zum anderen - ungeachtet ihres spezifisch-religiös abgeleiteten Verpflichtungsgrades - auch für Betätigungen, die über den Kreis der Gemeinschaftsmitglieder in die Gesellschaft hineinwirken (vgl. BVerfGE 32, 98 <106 f.>; 33, 23 <28>; 41, 29 <49>; 108, 282 <297>; 137, 273 <305 Rn. 88>; 138, 296 <329 Rn. 85>).

51

(2) Ausgehend hiervon zählen auch die Bestattung kirchlicher Würdenträger nach bestimmten glaubensgeleiteten Riten und die dementsprechende Totensorge zu den geschützten Betätigungen. Entscheidend dafür ist, dass im syrisch-orthodoxen Glauben in der kultischen Handlung der Hauskirchenbestattung von Priestern, hier in der zur Genehmigung gestellten Krypta, der Glaube seinen Ausdruck findet (vgl. BVerfGE 93, 1 <15 f.>). Der Nomokanon des Bar Hebraeus legt mit der Bezugnahme auf die Kirche, in welcher der verstorbene Geistliche zuletzt gedient hat, nahe, dass eine Bestattung des Würdenträgers in der Hauskirche aus der Glaubenslehre ableitbar ist. Dies bestätigen die von der Beschwerdeführerin vorgelegten sachkundigen Stellungnahmen. Danach entspricht es alter syrisch-orthodoxer Kirchenlehre, dass die Pfarrer der Gemeinde, in der sie bis zum Lebensende tätig waren, auch in Nähe des Altars, an dem sie ihr priesterliches Amt wahrgenommen haben, zur letzten Ruhe gebettet werden. Das findet seinen Grund darin, dass der Pfarrer mit seiner ganzen Persönlichkeit auch über den Tod hinaus an seine Gemeinde gebunden sein soll. Die Bestattung in der Kirche soll zum Ausdruck bringen, dass die Kontinuität und Sukzession im Pfarramt über den Tod hinaus wirkt. Nur die Hauskirchenbestattung soll die wöchentliche Zwiesprache des Geistlichen mit seinen Amtsvorgängern zur Vorbereitung auf die sonntägliche Messe erlauben. Demgemäß soll die kircheneigene Krypta für Diener des Altars in Hörweite zu jenem Altar, an dem sie gedient haben, integraler Bestandteil eines Kirchengebäudes sein, das der authentischen syro-antiochenischen Überlieferung treu sein will.

52

bb) Der in der Versagung der Einrichtung einer Krypta liegende Eingriff erweist sich verfassungsrechtlich als nicht gerechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Bedeutung der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit bei der Anwendung der einfachrechtlichen Ausnahme- und Befreiungsvorschrift des § 31 BauGB und der Auslegung der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe nicht hinreichend Rechnung getragen.

53

(1) Die Glaubensfreiheit ist zwar nicht schrankenlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich jedoch aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 28, 243 <260 f.>; 41, 29 <50 f.>; 41, 88 <107>; 44, 37 <49 f., 53>; 52, 223 <247>; 93, 1 <21>; 108, 282 <297>; 138, 296 <333 Rn. 98>). Eine solche Einschränkung der nach dem Wortlaut vorbehaltlos gewährleisteten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit über verfassungsimmanente Schranken bedarf indessen einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 108, 282 <297>). Zu den immanenten Schranken der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gehören für die Errichtung von Kultusstätten anerkanntermaßen die Beschränkungen, die im Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ihren Ausdruck finden (vgl. Morlok, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 4 Rn. 133; Merten, in: Merten/Papier, HGR Bd. III, 2009, § 60 Rn. 64). Dabei gilt das Gleichbehandlungsgebot (vgl. näher Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 4 Rn. 54 ff.). Die Ausnahmeregelung des § 31 Abs. 1 BauGB (hier in Verbindung mit § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, der die Zulassung von Anlagen für kirchliche Zwecke ausnahmsweise auch in einem Industriegebiet erlaubt) und die Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB tragen dem im Grundsatz Rechnung. Diese Vorschriften sind im Einzelfall unter besonderer Berücksichtigung von Wirkkraft und Tragweite der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit auszulegen und anzuwenden. Dabei können auch gegenläufige verfassungsrechtlich verankerte Schutzgüter in die Bewertung einzubeziehen sein. Bei auftretenden Spannungsverhältnissen muss unter Berücksichtigung des Toleranzgebots im Wege praktischer Konkordanz ein Ausgleich gefunden werden (vgl. BVerfGE 52, 223 <246 f.>). Hierfür sind die betroffenen Verfassungsgüter zusammen zu sehen und sind ihre Interpretation sowie ihr Wirkungsbereich aufeinander abzustimmen (vgl. BVerfGE 108, 282 <302 f.>; 138, 296 <333 Rn. 98>).

54

(2) Diesen Anforderungen wird die Versagung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB mit der gegebenen Begründung nicht gerecht. Sie beruht auf einer teils unrichtigen Bestimmung der verfassungsimmanenten Schranken und trägt der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerin in der Abwägung mit den verbleibenden entgegenstehenden Gütern von Verfassungsrang nicht hinreichend Rechnung.

55

Der postmortale Persönlichkeitsschutz, die Totenruhe sowie das Pietätsgefühl der Hinterbliebenen und der Allgemeinheit stehen der Grundrechtsausübung nicht entgegen. Möglichkeiten zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) sowie der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) benachbarter Grundstückseigentümer und Gewerbetreibender einerseits und der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerin andererseits zieht der Verwaltungsgerichtshof nicht hinreichend in Betracht.

56

(a) Der postmortale Achtungsanspruch scheidet als verfassungsimmanente Schranke der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerin aus. Er ist durch die Hauskirchenbestattung von Gemeindepriestern im Industriegebiet bei Berücksichtigung der konkreten Umstände nicht in eingriffsrelevanter Dimension berührt. Zwar endet die in Art. 1 Abs. 1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tode (vgl. BVerfGE 30, 173 <194>). Postmortalen Schutz genießen vielmehr der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat (vgl. BVerfGK 9, 93 <96>). Dies soll den Menschen über seinen Tod hinaus vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung oder Ächtung bewahren. Es schützt ihn davor, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise ausgegrenzt, verächtlich gemacht, verspottet oder in anderer Weise herabgewürdigt zu werden (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>).

57

Dergleichen ist hier jedoch nicht zu besorgen. Denn unabhängig von den Fragen, ob verstorbene Geistliche der Beschwerdeführerin auf den der Hauskirchenbestattung gegebenenfalls entgegenstehenden Schutz aus Art. 1 Abs. 1 GG wirksam verzichten und - dieser Frage vorgelagert - ob ein Grundrechtsausübungsverzicht im Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 1 GG überhaupt möglich ist (dagegen BVerwGE 64, 274<279 f.>; Dreier, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Bd. I, Vorb. Rn. 133; Art. 1 I Rn. 43, 46, 133 f.), ist bereits der Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG nicht in eingriffserheblicher Weise tangiert. Ob die bloße Gewerbetätigkeit auf den Nachbargrundstücken und die daraus resultierenden Immissionen die vor diesem Hintergrund zu beachtende Erheblichkeitsschwelle für eine Qualifikation als Eingriff erreichen, mithin die dort bestatteten Verstorbenen herabwürdigen würden, erscheint bereits zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung. Denn bei der Beantwortung der Frage, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, ist dem - gegebenenfalls auch nur mutmaßlichen - Willen des vermeintlich Betroffenen hinlängliches Gewicht beizumessen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Schutzbereichsperipherie betroffen ist, nicht aber der Kerngehalt. Überdies lässt sich der Würdeschutz gegen das freiwillige und eigenverantwortliche Handeln der Person - trotz der auch objektivrechtlichen Geltungsdimension der Menschenwürde - auch deshalb nicht begründen, weil andernfalls die als Freiheits- und Gleichheitsversprechen zugunsten aller Menschen konzipierte Menschenwürdegarantie zu einer staatlichen Eingriffsermächtigung verkehrt würde. Der Schutz der Menschenwürde würde gegen ihren personalen Träger gewendet mit der Konsequenz, diesem gerade diejenige individuelle Autonomie abzusprechen, die ihm Art. 1 Abs. 1 GG garantieren will (vgl. Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfassungsbegriff, 1990, S. 91 f.; Dreier, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Bd. I, Art. 1 I Rn. 149 f. m.w.N.). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Betroffene davor bewahrt werden soll, seiner Selbstbestimmungsfähigkeit als solcher für immer zu entsagen (vgl. Dreier, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Bd. I, Art. 1 I Rn. 149 m.w.N.).

58

Mit derart kernbereichsrelevanten Verhaltensweisen sind die umgebungsgeschuldete gewerbliche Betriebsamkeit und die damit einhergehende Lärmbelastung nicht vergleichbar. Selbst wenn - jedenfalls vorbehaltlich einer etwa mit in Betracht zu ziehenden alternativen baulichen Gestaltung - Immissionen infolge des Maschinenbetriebs auf benachbarten Grundstücken im Kryptainneren nicht auszuschließen sind, liegt darin nicht ohne Weiteres eine den allgemeinen Achtungsanspruch herabwürdigende oder erniedrigende Behandlung. Ist wie hier davon auszugehen, dass sich verstorbene Priester als Diener ihrer Kirche deren Glaubenssätzen und Kultushandlungen zu Lebzeiten verpflichtet fühlten, scheidet eine Beeinträchtigung des postmortalen Achtungsanspruchs der zu bestattenden Geistlichen aus. Das gilt jedenfalls insoweit, wie Art. 1 Abs. 1 GG den dargelegten Grundsätzen entsprechend Raum für eine Selbstdefinition des Betroffenen dahin lässt, was seiner Würde entspricht. Aufgrund der konkreten Umstände wird hier mangels entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen sein, dass Geistliche im Dienste der Beschwerdeführerin ihre personale Würde gerade im untrennbaren Zusammenhang mit ihrer Berufung und den ihrem Glauben zugrunde liegenden Regeln sehen.

59

Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs reichen jedenfalls nicht so weit, als dass bei der Frage einer etwaigen Menschenwürdeverletzung eine Berücksichtigung subjektiver Definitionsmacht wegen schlechthin unerträglicher Immissionen von vornherein ausscheiden müsste. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt sich auf Ausführungen, wonach im Kirchenschiff im Augenscheinstermin Stille geherrscht habe und Lärm von außen nicht zu vernehmen gewesen sei, Lärmbelästigungen im Inneren im Bereich der geplanten Krypta aber je nach Intensität der Betriebsvorgänge wahrnehmbar seien. Es verhält sich demgegenüber nicht zur Frequenz, Dauer und Intensität der Immissionen, deren Kenntnis aber Voraussetzung ist, um die Qualität des Störpotenzials tragfähig beurteilen zu können. Ohne solche Feststellungen kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass aufgrund des ausgeübten Priesteramtes zu vermutende subjektive Würdevorstellungen des Verstorbenen gänzlich irrelevant seien. Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung verdient neben diesem mutmaßlichen, an den Regeln seines Glaubens orientierten Selbstverständnis des Verstorbenen weiterhin Berücksichtigung, dass - wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem voraufgegangenen Revisionsurteil zu Recht angemerkt hat - die glaubenssatzgetreue Beisetzung unter dem Altar in der beantragten Weise eine besonders würdevolle Form der Bestattung darstellt, die unter Umständen wahrnehmbare Immissionen bei der Entscheidung zu verdrängen vermag.

60

(b) Auch die über Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Totenruhe kommt als verfassungsimmanente Schranke hier nicht in Betracht. Denn sie ist subjektiven Bestimmungskategorien gegenüber gleichermaßen offen wie der postmortale Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 50, 256 <263>). Folglich können Maßnahmen die Totenruhe dann nicht verletzen, wenn mit ihnen die Würde des Verstorbenen gewahrt und seinem mutmaßlichen Willen besser Rechnung getragen wird (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. April 1988 - 9 U 50/87 -, juris, Rn. 28 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. November 1991 - 19 A 1925/90 -, juris, Rn. 23 ff.; Hess. VGH, Urteil vom 7. September 1993 - 11 UE 1118/92 -, NVwZ-RR 1994, S. 335 <339>; VG Münster, Urteil vom 23. März 2009 - 1 K 478/08 -, juris, Rn. 32; Klinge, Todesbegriff, Totenschutz und Verfassung, 1996, S. 85).

61

(c) Ebenso wenig steht der Verwirklichung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerin das Pietätsempfinden der Hinterbliebenen oder der Allgemeinheit im Wege. Soweit infolge industriegebietstypischer Immissionen ein würdiges Totengedenken der Hinterbliebenen, das nach Art. 2 Abs. 1 GG (gegebenenfalls verstärkt durch Art. 4 GG) Schutz findet, vereitelt zu werden droht, muss bei einem freiheitlich orientierten Verständnis Raum für eine individuelle Definition würdigen Totengedenkens bleiben. Der Staat hat sich demzufolge jedenfalls in Grenzfällen bei der Frage Zurückhaltung aufzuerlegen, welche Form von Totengedenken noch pietätvoll ist und welche nicht mehr. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen auch die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit berührt ist. Erst bei einer Berührung des Kernbereichs, die bei einer nur drohenden Lärmbelästigung indessen eher fernliegt, mag das anders zu beurteilen sein. Davon unabhängig verbleibt den Hinterbliebenen insoweit die aus ihrem religiösen Selbstbestimmungsrecht folgende Möglichkeit der Eingriffseinwilligung beziehungsweise des Grundrechtsausübungsverzichts. Deswegen steht das Pietätsempfinden jedenfalls der Hinterbliebenen der Glaubensfreiheit der Beschwerdeführerin nicht entgegen.

62

Das gilt zwar mangels Dispositionsbefugnis nicht, soweit das Pietätsempfinden der Allgemeinheit berührt sein mag. Allerdings dürfen - wie bereits ausgeführt - die Grenzen der Glaubensfreiheit nur von der Verfassung selbst her bestimmt werden (vgl. BVerfGE 32, 98 <107 f.>; 33, 23 <29>; 41, 29 <50 f.>; 44, 37 <49 f., 53>; 44, 59 <67>; 52, 223 <246 f.>; stRspr). Hierzu zählen lediglich Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (vgl. BVerfGE 28, 243 <260 f.>; 41, 29 <50 f.>; 41, 88 <107>; 44, 37 <49 f., 53>; 52, 223 <247>; 93, 1 <21>; 108, 282 <297>; 138, 296 <333 Rn. 98>). Einen solchen Gemeinschaftswert stellt das Pietätsempfinden der Allgemeinheit mangels hinreichender verfassungsrechtlicher Abstützung jedoch nicht dar. Schon aus diesem Grund kann der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit auch nicht das Pietätsempfinden der Grundstücksnachbarn entgegengehalten werden.

63

(d) Grundsätzlich kollisionsfähig mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerin ist demgegenüber das Eigentumsgrundrecht ebenso wie die Berufsfreiheit der Grundstücksnachbarn, die ihrerseits verfassungsrechtlich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG geschützt sind.

64

(aa) Das Eigentumsgrundrecht schützt das Recht des Eigentümers, über die Art der Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden, und belässt ihm damit die Freiheit, sein Leben im vermögensrechtlichen Bereich nach eigenen Vorstellungen zu gestalten (vgl. BVerfGE 88, 366 <377>). Gewährleistet ist, das Eigentum selbst zu nutzen (vgl. BVerfGE 52, 1 <30 f.>; 97, 350 <370>; 105, 17 <30>). Insoweit untersteht nicht nur das Recht der Anlieger, ihre eigenen Grundstücke im Rahmen der Gesetze frei zu bebauen (vgl. BVerfGE 35, 263 <276>), dem Schutz der Eigentumsfreiheit. Hierunter fällt vielmehr auch deren Recht, die in ihrem Eigentum stehenden Produktionsanlagen umfassend zu nutzen. Auf den Fortbestand dieses Freiraums eigenverantwortlicher Lebensgestaltung im privaten und wirtschaftlichen Bereich können sie auch vertrauen (vgl. BVerfGE 36, 281 <293>; 42, 263 <300 f.>; 45, 142 <167 f.>; 53, 257 <294, 309>; 58, 81 <120 f.>; 64, 87 <104>; 70, 101 <114>; 71, 1 <11 f.>; 75, 78 <104 f.>; 76, 220 <244>; 122, 151 <187>; stRspr). Sie dürfen sich darauf verlassen, dass ein dem jeweils geltenden Recht entsprechendes Verhalten auch fernerhin von der Rechtsordnung als rechtens anerkannt bleibt (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 31, 275 <293>; 36, 281 <293>; 45, 142 <168>). Unvereinbar mit dem Gehalt des Grundrechts wäre es, dem Staat die Befugnis zuzubilligen, die Fortsetzung von Grundstücksnutzungen, zu deren Aufnahme umfangreiche Investitionen erforderlich waren, abrupt und ohne Überleitung zu unterbinden und Arbeit sowie Kapitaleinsatz damit von heute auf morgen zu entwerten (vgl. BVerfGE 58, 300 <349>).

65

Das mit dem Eigentumsgrundrecht der Inhaber benachbarter Betriebe geschützte Vertrauen kann berührt werden, wenn diesen künftig etwa durch die Beschwerdeführerin initiierte oder eingeforderte Auflagen drohen, die ihnen abverlangen könnten, ihre Betriebsstätten nur unter bestimmten Maßgaben zu nutzen oder zu gewissen Zeiten gar nicht zu betreiben. Eine damit verbundene Begrenzung der Nutzung des Grundeigentums wäre als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das Eigentum zu qualifizieren. Demgegenüber folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG jedoch kein Schutz ökonomisch sinnvoller und rentabler Eigentumsnutzungen und hierfür bedeutsamer unternehmerischer Dispositionsbefugnisse (vgl. BVerfGE 45, 272 <296>; 68, 193 <222>; 77, 84 <118>). Etwaige künftige Betriebserweiterungen erfahren Schutz daher nur unter dem Gesichtspunkt des Gebietserhaltungsanspruchs. Dieser wird nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung als Abwehranspruch durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwGE 94, 151 <161>; 101, 364 <374 f.>). Gegen etwaige ordnungsrechtlich begründete Einschränkungen der konkreten Ausgestaltung künftiger industrieller Nutzungen wie etwaige Lärmschutzauflagen ergibt sich hieraus allerdings keine Abwehrposition. Da die immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten während der gesamten Betriebsphase zu erfüllen sind, kann diesen nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung selbst der baurechtliche Bestandsschutz von Altanlagen nicht entgegen gehalten werden (vgl. BVerwGE 109, 314 <325>). Was die Gebietsverträglichkeit des Vorhabens angeht, haben die Fachgerichte diese - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden - aufgrund der Störempfindlichkeit, die einer Kirche bei typisierender Betrachtung zukommt, verneint, gleichviel ob sie mit einer Krypta ausgestattet ist oder nicht. Dies führte indes erst zur Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB, in dessen Rahmen es für die Frage des Nachbarschutzes - wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem voraufgegangenen Revisionsurteil ausgeführt hat - einzelfallbezogen darauf ankommt, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich durch eine Zulassung des Vorhabens erheblich störend eingegriffen wird. Ein solcher Eingriff erscheint im Hinblick auf etwaige künftige Lärmschutzauflagen zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen.

66

(bb) Als Betätigungsgrenzen würden etwa zu besorgende Auflagen, die den Betriebsinhabern aufgeben, ihre Maschinen nur unter bestimmten Lärmschutzvorkehrungen oder gar nur zu bestimmten Zeiten zu betreiben, auch unmittelbar in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit eingreifen (vgl. BVerfGE 87, 363 <382>; 111, 10 <28>). Sie würden nicht nur gelegentliche Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit zeitigen (vgl. BVerfGE 105, 252 <265 ff.>; 106, 275 <298 f.>), sondern veränderten die Rahmenbedingungen der Berufsausübung konkret und stünden infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz aufwiesen (vgl. BVerfGE 111, 191 <213>).

67

(e) Der danach verbleibende Grundrechtskonflikt zwischen der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerin einerseits und dem Grundrecht auf Eigentum sowie der Berufsausübungsfreiheit der angrenzenden Betriebsinhaber andererseits ist unter Abwägung aller Umstände nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz aufzulösen. Das erfordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (vgl. BVerfGE 81, 278 <292 f.>; 93, 1 <21>). Die benannten kollidierenden verfassungsrechtlichen Positionen sind in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfGE 97, 169 <176>). Ist ein solcher Ausgleich nicht erreichbar, ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat (vgl. BVerfGE 35, 202 <225>).

68

Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht gerecht. Dieser hat der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beschwerdeführerin bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB und der Auslegung der darin als Voraussetzung für eine Befreiung normierten unbestimmten Rechtsbegriffe - auch unter Berücksichtigung der der Glaubensbetätigung entgegenstehenden Grundrechtspositionen - nicht hinreichend Rechnung getragen.

69

(aa) In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wird nicht deutlich, inwieweit allein die Einrichtung der auf zehn Begräbnisplätze für Gemeindepfarrer beschränkten Krypta im Untergeschoss über die derzeitige Nutzung der Kirche hinaus mit Blick auf den Eigentumsschutz und die Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe konkrete weitere und zudem nennenswerte Auswirkungen auf den mit der ursprünglichen planerischen Grundkonzeption verfolgten Interessenausgleich hat.

70

Es fehlt an Feststellungen dazu, wie die bestehende Kirche gegenwärtig im Einzelnen genutzt wird, an welchen Tagen in den umliegenden Industriebetrieben gearbeitet wird und wie sich im Hinblick darauf gerade durch die Zulassung der Krypta im Einzelnen eine zusätzliche Belastung ergeben könnte. Bei der Betrachtung des zusätzlichen Störeffekts muss hierbei in Rechnung gestellt werden, dass es sich nicht um einen Friedhof, sondern ausschließlich um eine Begräbnisstätte für die Priester der Kirchengemeinde handelt. Den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich nicht ausreichend entnehmen, inwieweit der gewöhnliche Betrieb der geplanten Krypta - wenn überhaupt - über den reinen Gottesdienstbetrieb hinaus einen Nutzungskonflikt nennenswerten Ausmaßes begründen könnte. Ein solcher weitergehender Nutzungskonflikt, der anders als der durch die Genehmigung der reinen Kirchennutzung ausgelöste nicht im Wege der praktischen Konkordanz bewältigt werden könnte und das bauliche Nutzungskonzept der Gemeinde von vornherein vereiteln würde, ist im Verhältnis zu den danach vorrangigen industriellen Nutzungen gegenwärtig nicht ersichtlich. Die Herstellung praktischer Konkordanz wird insoweit insbesondere auch nicht durch die bestattungsrechtlichen Vorgaben gehindert, da das baden-württembergische Bestattungsrecht insoweit ebenfalls auslegungs- und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe enthält (vgl. etwa §§ 9, 2 ff. BestattG BW).

71

(bb) Der Verwaltungsgerichtshof wird dem Gewährleistungsgehalt des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG nicht gerecht, soweit er annimmt, die Glaubensregeln der Beschwerdeführerin stellten zwar einen anerkennungsfähigen Belang des Wohls der Allgemeinheit dar, geböten aber nicht vernünftigerweise die Genehmigung der Einrichtung der Krypta.

72

Er überschreitet die Grenzen der - verfassungsrechtlich zulässigen - gerichtlichen Plausibilitätsprüfung, wenn er der Beschwerdeführerin einen - für sie - zwingenden Charakter des Gebots einer Hauskirchenbestattung für Priester abspricht. Schon im fachgerichtlichen Verfahren stand außer Frage, dass die religiösen Bestimmungen, nach denen sich die Beschwerdeführerin richtet, namentlich der Nomokanon des Bar Hebraeus, das Gebot einer Hauskirchenbestattung für Priester enthält. Bei der Frage, welchen Grad an Bedeutung eine Glaubensgemeinschaft einer Glaubensregel zumisst, das heißt, ob sie diese für sich als unbedingt verpflichtend oder ihre Einhaltung etwa nur als wünschenswert ansieht, handelt es sich um eine genuin religiöse, die als solche der selbständigen Beurteilung durch die staatlichen Gerichte entzogen ist (vgl. BVerfGE 12, 1 <4>; 18, 385 <386 f.>; 24, 236 <247 f.>; 41, 65 <84>; 42, 312 <332>; 53, 366 <392 f., 401>; 72, 278 <294>; 74, 244 <255>; 102, 370 <394>; BVerfGK 9, 371 <377 f.>; stRspr). Die Fachgerichte müssen zwar feststellen, ob eine Glaubensvorschrift existiert, welche als Allgemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB die Erteilung einer Befreiung erfordert. Dies geht jedoch nicht so weit, dass sie befugt wären, das Gewicht religiöser Verhaltensvorgaben ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe aus der laienhaften Bewertung bestimmter Umstände oder Indizien entgegen dem eigenen, hier ergänzend durch sachkundige Stellungnahmen abgestützten und begründeten Selbstverständnis der betroffenen Glaubensgemeinschaft selbst zu bestimmen. Selbst bei der Qualifizierung einer Glaubensregel als nicht zwingend erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, im Blick auf die Bedeutung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit einen die Erteilung einer Befreiung erfordernden Allgemeinwohlgrund anzunehmen.

73

Zum Beleg der Existenz einer zwingenden Glaubensregel genügt jedenfalls die substantiierte und nachvollziehbare Darlegung, dass die in Rede stehende Verhaltensweise nach gemeinsamer Glaubensüberzeugung als verpflichtend empfunden wird (vgl. BVerfGE 104, 337 <354 f.>; siehe auch BVerwGE 94, 82 <87 f.>). Dabei ist Bezugspunkt nicht notwendigerweise die jeweilige Religion im Ganzen. Abzustellen ist auf die konkrete, gegebenenfalls auch innerhalb einer Glaubensrichtung bestehende Religionsgemeinschaft (vgl. BVerfGE 104, 337 <354>; siehe auch BVerwGE 112, 227 <236>). Ist für die betreffende Glaubensgruppe aber das Bestehen verpflichtender Vorgaben dargelegt, hat sich der Staat, der ein solches religiöses Selbstverständnis nicht unberücksichtigt lassen darf, einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>; 33, 23 <30>; 104, 337 <355>). Im Rahmen der in Fragen des religiösen Selbstverständnisses nur zulässigen Plausibilitätskontrolle (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>; 33, 23 <29 f.>; 104, 337 <355>; 138, 296 <329 Rn. 86>) müssen die einschlägigen Maßstäbe in Zweifelsfällen vielmehr durch Rückfragen sowie - bei danach verbleibendem Klärungsbedarf - gegebenenfalls durch Hinzuziehung theologischen Sachverstandes aufgeklärt werden (vgl. BVerfGE 137, 273 <315 f. Rn. 116>).

74

Nach diesen Maßstäben ist es nicht zulässig, der Beschwerdeführerin den zwingenden Charakter der von ihr aus dem Nomokanon des Bar Hebraeus abgeleiteten Glaubensregel der Hauskirchenbestattung für Priester unter Hinweis auf die Praxis anderer syrisch-orthodoxer Gemeinden in Deutschland sowie auf ihr eigenes Verhalten im Zusammenhang mit der Errichtung des Kirchengebäudes abzusprechen. Allein der Umstand, dass - bislang - keine Gemeinde der syrisch-orthodoxen Kirche in Deutschland über eine Krypta verfügt, trägt nicht den Schluss, dass die Hauskirchenbestattung für Priester nicht zum Wesenskern des syrisch-orthodoxen Bekenntnisses zählt und die Beschwerdeführerin diese nicht legitimerweise für sich und ihre Mitglieder als religiös maßgebend ansehen und für verpflichtend erachten darf. Denn dies kann mannigfaltige Ursachen haben und schließt den zwingenden Charakter der Glaubensvorschrift nicht aus. Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen dargelegt, dass die der syrisch-orthodoxen Kirchenlehre entsprechende Bestattung des Gemeindepriesters in räumlicher Nähe zu seiner letzten priesterlichen Wirkungsstätte ihren Grund darin hat, der Verbundenheit mit der Gemeinde auch über den Tod hinaus Rechnung zu tragen. Es liegt danach nahe, dass die mit der Hauskirchenbestattung bezweckte Gewährleistung der Kontinuität im Priesteramt angesichts der räumlichen Entfernung zum gegenwärtig verfügbaren, weit entfernten Bestattungsort in den Niederlanden nicht in gleicher Weise gewährleistet ist, zumal Alternativen aufgrund des - nicht in Frage gestellten - religiösen Friedhofsbestattungsverbots für Priester derzeit nicht gegeben sind. Dem religiösen Selbstverständnis der Beschwerdeführerin hat der Verwaltungsgerichtshof insoweit nur seine eigenen Schlussfolgerungen entgegengesetzt und diese darauf gestützt, dass auch andernorts im Bundesgebiet derzeit keine vergleichbaren Krypten syrisch-orthodoxer Kirchen existierten. Er hat die Plausibilität dieser Erwägung auch nicht - was erforderlich gewesen wäre - durch weitere Rückfragen sowie gegebenenfalls Sachverständigenbeweis weiter aufgeklärt.

75

Zur Widerlegung der Existenz eines religiösen Hauskirchenbestattungsgebots für Priester kann ebenso wenig durchgreifend angeführt werden, dass die Beschwerdeführerin sich in der Zeit nach der Genehmigung der Kirche nicht weiter um eine Krypta bemüht hätte und sie inzwischen schon seit vielen Jahren ohne eine eigene Krypta ausgekommen sei. Denn einerseits ist nicht ersichtlich, dass das Anliegen der Einrichtung einer Krypta seinerzeit rein tatsächlich bereits so dringend gewesen wäre, wie es sich nach dem Ableben des Gemeindepriesters darstellte. Zum anderen kann ihr ihre Rechtstreue dahin, sich an die seinerzeitige Versagung der Errichtung einer Kirche mit Krypta gehalten zu haben, nicht zum Nachteil gereichen.

76

cc) Schließlich misst der Verwaltungsgerichtshof den nachbarlichen Interessen ein überwiegendes Gewicht bei, ohne sich mit den in Betracht kommenden Möglichkeiten zur Herstellung praktischer Konkordanz zureichend auseinander zu setzen.

77

Mit Blick auf den als verfassungsimmanente Schranke allein berücksichtigungsfähigen Schutz des Eigentums und der Berufsausübungsfreiheit der Nachbarbetriebe greifen bereits die Erwägungen zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Erlasses betriebseinschränkender Auflagen zu kurz. So ist nicht erkennbar, dass der Verwaltungsgerichtshof die industrielle Vorbelastung des Baugebiets (vgl. zur Erhöhung der Duldungspflichten durch faktische Vorbelastungen BVerwGE 88, 210 <214>; 98, 235 <244>; 109, 314 <322>) aus Sicht der Beschwerdeführerin bei der Wahrscheinlichkeitsprognose hinreichend beachtet hätte. Nicht ersichtlich ist weiter, worin konkret - bei Ausklammerung der hier nicht berücksichtigungsfähigen Belange des Ruheschutzes von Begräbnisstätten - der graduelle Unterschied im Ausmaß der nachbarlichen Rücksichtnahmepflichten zwischen einer Kirche mit und einer solchen ohne Krypta liegen soll. Soweit er nur geplante künftige Betriebserweiterungen anführt, dürfte es darüber hinaus schon an der hinreichend konkreten Verfestigung einer eigentumsrechtlichen Position fehlen.

78

Des Weiteren bezieht der Verwaltungsgerichtshof eigene Abhilfemöglichkeiten der Beschwerdeführerin durch - auch bauliche - Maßnahmen nicht in die Betrachtung mit ein, die dem Erlass von Lärmschutzauflagen für nachbarliche Betriebe entgegengehalten werden könnten und von deren Ergreifen nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen oder Störungen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO) die Erteilung einer Baugenehmigung abhängig gemacht werden kann (vgl. BVerwGE 109, 314 <323, 324 f.>). Er setzt sich ferner nicht mit der Frage auseinander, ob der Beschwerdeführerin im Wege einer Auflage zur Baugenehmigung eine Duldungsbaulast abverlangt werden oder sie aus freien Stücken auf den immissionsrechtlichen Schutz verzichten könnte. Dinglich gesicherte Verzichtserklärungen können nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung aus bauplanungsrechtlicher Sicht zwar in Bezug auf nachbarliche Abwehrrechte für sich genommen keine Konfliktlösung bewirken (vgl. BVerwGE 109, 314 <324>; BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 - BVerwG 4 C 53.76 -, VerwRspr 1979, S. 325 <327 f.>; Beschluss vom 23. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 3.02 -, NVwZ-RR 2002, S. 329). Die Zustimmung des Nachbarn zu einem immissionsträchtigen Vorhaben kann danach aber dann weiterführen, wenn gesichert ist, dass sie aus tatsächlichen Gründen - auch durch Vereinbarung entsprechender flankierender Maßnahmen - alle andernfalls beachtlichen Interessenkonflikte auch für die Zukunft verlässlich ausschließt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 - BVerwG 4 C 53.76 -, VerwRspr 1979, S. 325 <328>; Beschluss vom 23. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 3.02 -, NVwZ-RR 2002, S. 329; OVG Saarland, Urteil vom 18. Juni 2002 - 2 R 2/01 -, NJW 2003, S. 768 <770>). Die - unabhängig von der Frage der Herstellung der Genehmigungsfähigkeit zu beurteilende - Bindungswirkung setzt nach Ansicht der Fachgerichte lediglich voraus, dass der Verzichtswille eindeutig zum Ausdruck kommt und sich auf ein bestimmtes Vorhaben bezieht (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 1994 - 4 TH 3032/94 -, NVwZ-RR 1995, S. 495; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28. März 2006 - 9 KN 34/03 -, juris, Rn. 27), soweit - was hier offensichtlich nicht zu besorgen steht - die Grenzen gesetzlicher Verbote oder der guten Sitten nicht überschritten werden (vgl. BGHZ 79, 131 <135 ff., 137 ff., 141 f.>; OVG Saarland, Urteil vom 18. Juni 2002 - 2 R 2/01 -, NJW 2003, S. 768 <771>).

79

c) Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften ist indessen nicht ersichtlich. Dabei kann auf sich beruhen, ob es bereits an der personalen Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt, soweit die Beschwerdeführerin auf vorhandene Gruften der katholischen Kirche verweist. Jedenfalls sind die Sachverhalte insoweit nicht vergleichbar, als sie räumlich verschiedene Baugebiete betreffen. Die Beschwerdeführerin misst den jeweiligen Belegenheitsorten der von ihr in Bezug genommenen Gruften katholischer Kirchengemeinden nicht ausreichend Bedeutung bei. Grabstätten in Industriegebieten weichen bezogen auf die maßgeblichen bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkte in tatsächlicher Sicht von solchen in anderen Baugebieten, insbesondere in Kerngebieten, so erheblich ab, dass von einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte in den wesentlichen Punkten (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 70, 230 <239>; 71, 146 <154 f.>; 74, 9 <24>; 75, 108 <157>; 81, 156 <205>; 82, 60 <86>; 83, 395 <401>; stRspr) nicht mehr gesprochen werden kann. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargetan, dass sie insoweit einer anderen Behandlung unterliegt als etwa die katholische Kirche, wollte diese eine Kirchengruft in einem Industriegebiet anlegen.

V.

80

1. Das in der Berufungsinstanz ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, das die vorangegangenen angegriffenen Entscheidungen prozessual überholt hat, beruht auf dem Verfassungsverstoß. Es ist daher aufzuheben und die Sache ist an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG). Mit der Aufhebung wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts über die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der erneuten Revision der Beschwerdeführerin gegenstandslos. Dieser beschränkt sich auf die Anwendung des Prozessrechts. Die Beschwerdeführerin hat insoweit eigenständige Verfassungsverletzungen nicht konkret gerügt.

81

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

31
(b) Demgegenüber ist das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen in den Blick zu nehmen. Es folgt aus dem Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG. Hingegen besteht kein Schutz des Verstorbenen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende Person ist. Der aus Art. 1 Abs. 1 GG resultierende Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts ist demgemäß nicht identisch mit den Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BVerfG NJW 2001, 2957, 2958 f. mwN). Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Schutz genießt aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert , den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. Steht fest, dass eine Maßnahme in den Schutzbereich des postmortalen Persönlichkeitsrechts eingreift, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt. Der Schutz kann nicht etwa im Zuge einer Güterabwägung relativiert werden. Beeinträchtigungen können dementsprechend nicht durch die grundrechtliche Gewährleistung kollidierender Freiheitsrechte gerechtfertigt werden. Da aber nicht nur einzelne, sondern sämtliche Grundrechte Konkretisierungen des Prinzips der Menschenwürde sind, hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es stets einer sorgfältigen Begründung bedarf, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt. Dafür genügt ein Berühren der Menschenwürde nicht. Vorausgesetzt ist eine sie treffende Verletzung. Bei Angriffen auf den durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruch genügt beispielsweise nicht dessen Infragestellung, wohl aber deren grobe Entstellung (BVerfG NJW 2001, 2957, 2959).

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 71/15
vom
18. August 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Störung der Totenruhe u.a.
hier: Anhörungsrüge und Gegenvorstellung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2015 beschlossen
:
Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung des Verurteilten
gegen den Senatsbeschluss vom 30. Juni 2015 werden auf seine
Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Mit Beschluss vom 30. Juni 2015 hat der Senat betreffend den Angeklagten L. das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Juni 2014 hinsichtlich der nach § 111i Abs. 2 StPO getroffenen Entscheidung abgeändert, zwei Einzelstraffestsetzungen nachgeholt und im Übrigen die Revision des Angeklagten als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
2
Die nunmehr erhobene Anhörungsrüge (§ 356a StPO) ist unzulässig, weil der Verurteilte es unterlassen hat, den Zeitpunkt der nach § 356a Satz 2 StPO maßgeblichen Kenntnisnahme glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2014 – 5 StR 169/14). Sie wäre zudem unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen. Dass der auf den begründeten Antrag des Generalbundesanwalts vom 5. März 2015 hin ergangene Verwerfungsbeschluss nicht auf sämtliches Revisionsvorbringen des Verurteilten eingeht, liegt in der Natur des Verfahrens nach § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die erhobene Gegenvorstellung ist nicht statthaft (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. März 2014 – 5 StR 44/14, und vom 7. Mai 2014 – 5 StR 26/14).
Sander Schneider Dölp
Berger Bellay

(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.