Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2018 - 1 StR 605/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:100718B1STR605.16.0
bei uns veröffentlicht am10.07.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 605/16
vom
10. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:100718B1STR605.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 4. August 2016 wird mit der Maßgabe verworfen, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe ein Monat als vollstreckt gilt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts in zwei Fällen sowie wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf zahlreiche Verfahrensbeanstandungen sowie die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Näherer Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
2
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen in beiden verfahrensgegenständlichen Fällen die Voraussetzungen des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgrund der vom Angeklagten ausgegangenen Anweisung, ihm vertraglich zustehende Provisionszahlungen nicht mehr – wie bisher – auf unter seinem Namen geführte Konten, sondern auf ein näher bezeichnetes Konto seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau sowie auf eines einer GmbH zu zahlen. Das Verhalten des Angeklagten erweist sich als „Beiseiteschaffen“ von zur Insol- venzmasse gehörender Gegenstände nach Eintritt des Krisenmerkmals der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 InsO.
3
a) aa) Der Schuldner ist im Sinne der vorgenannten Vorschrift zahlungsunfähig , wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die prozessuale Feststellung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt sowohl für das Insolvenzverfahren (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 – IX ZR 50/15, NJW 2018, 396, 398) als auch im Insolvenzstraftaten betreffenden Strafverfahren in der Regel durch eine betriebswirtschaftliche Methode, die eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraussetzt (BGH, Beschlüsse vom 12. April 2018 – 5 StR 538/17, NStZ-RR 2018, 216 f. mwN sowie vom 16. Mai 2017 – 2 StR 169/15, wistra 2017, 495, 498). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich das Tatgericht im Strafprozess die Überzeugung (§ 261 StPO) vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 InsO auch auf der Grundlage wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen bilden, zu denen etwa das Ignorieren von Rechnungen oder Mahnungen sowie gescheiterte Vollstreckungsversuche gehören (BGH, Beschlüsse vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, 165; vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342 und vom 12. April 2018 – 5 StR 538/17, NStZ-RR 2018, 216 f. jeweils mwN). Die auf solche Weise feststellbare Zahlungsunfähigkeit ist allerdings von der bloßen, straftatbestandlich nicht genügenden Zahlungsstockung abzugrenzen (siehe nur BGH, Beschluss vom 12. April 2018 – 5 StR 538/17, NStZ-RR 2018, 216 f.; näher Radtke/Petermann in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Vor §§ 283 ff. Rn. 77 mwN). Dazu muss zusätzlich zur stichtagsbezogenen Gegenüberstellung eine Prognose erstellt werden, ob innerhalb einer Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder Veräußerung von Vermögensgegenständen (BGH, Beschlüsse vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, 165 und vom 12. April 2018 – 5 StR 538/17, NStZ-RR 2018, 216 f.).
4
bb) Von diesen Anforderungen ausgehend hat das Landgericht sich seine Überzeugung von der spätestens ab dem 1. Dezember 2011 bestehenden Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten beanstandungsfrei auf der Grundlage einer stichtagsbezogenen Betrachtung gebildet, in die es der Sache nach zusätzlich beweiswürdigend wirtschaftskriminalistische Anzeichen einbezogen hat. Bereits anhand der zeugenschaftlichen Angaben des Insolvenzverwalters und des mit einer Vielzahl von Vollstreckungsmaßnahmen betrauten Obergerichtsvollziehers K. konnte das Landgericht ohne Rechtsfehler die Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit zum genannten Zeitpunkt annehmen und zudem eine bloße Zahlungsstockung ausschließen. Aus den im angefochtenen Urteil mitgeteilten Auskünften des Insolvenzverwalters ergibt sich, dass sich an den zum Stichtag festgestellten Verhältnissen selbst bis zur tatgerichtlichen Hauptverhandlung knapp fünf Jahre später nichts geändert hat (UA S. 46).
5
cc) Die zahlreichen sachlich-rechtlichen Einwendungen der Revision gegen die Annahme der Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten i.S.v. § 17 Abs. 2 InsO greifen nicht durch.
6
Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung waren die nach den Urteilsfeststellungen rechtskräftig titulierten Schadensersatzforderungen von Gläubigern als fällige Forderungen in die Gegenüberstellung von Verbindlichkeiten einerseits und liquiden Mitteln andererseits einzustellen. Zwar setzt die Fälligkeit von Forderungen, zu deren vollständiger Erfüllung der Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt oder innerhalb angemessener Frist nicht mehr in der Lage ist, voraus, dass – über die Fälligkeit i.S.v. § 271 BGB hinaus – die geschuldete Leistung „ernsthaft eingefordert“ wird. Dies ist der Fall, wenn eine Handlung des Gläubigers gegeben ist, aus der sich der Wille ergibt, die Erfüllung möglicher Zahlungsansprüche zu verlangen (BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286, 293 und vom 16. Mai 2017 – 2 StR 169/15, wistra 2017, 495, 498). Dieses Einfordern, an das ohnehin keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 – 2 StR 169/15, wistra 2017, 495, 498), ergibt sich bereits aus dem Umstand des jeweils erfolgreichen Einklagens der Forderungen, das zu rechtskräftigen Entscheidungen darüber geführt hat. Wird eine geltend gemachte Forderung rechtskräftig zugesprochen, besteht diese von Anfang an und ist deshalb bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen (siehe nur Ch. Brand in Bittmann [Hrsg.], Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl., § 12 Rn. 46 mwN). Die materielle Berechtigung entsprechend titulierter Forderungen ist zwar grundsätzlich nicht im Insolvenzverfahren zu prüfen (siehe nur BGH, Beschluss vom 23. Juni 2016 – IX ZB 18/15, DB 2016, 1929, 1930 f. mwN), sondern außerhalb dessen geltend zu machen. Sind solche Forderungen , wie die hier fraglichen Schadensersatzansprüche, aber rechtskräftig zuerkannt und kann deshalb aus ihnen sogleich vollstreckt werden, müssen sie bei der Bewertung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigt werden. Auf die materielle Richtigkeit der zugrunde liegenden Urteile kommt es dann im Hinblick auf das Krisenmerkmal nicht an. Die von der Revision vertretene Auffassung, die Strafgerichte müssten selbst bei rechtskräftig zuerkannten Forderungen deren materielle Berechtigung eigenständig prüfen, geht sowohl an den insolvenzrechtlichen Anforderungen des § 17 Abs. 2 InsO als auch dem Schutzzweck des § 283 StGB vorbei.
7
Soweit die Revision geltend macht, Zahlungsunfähigkeit sei auch im Hinblick auf erhebliche Vermögenswerte des Angeklagten in Gestalt von u.a. einer Unternehmensbeteiligung und von Eigentum an Grundstücken ausgeschlossen, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Dem Vorhandensein von Vermögen kommt für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit als Geldilliquidität lediglich im Rahmen der Prognose über die kurzfristig mögliche Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit Bedeutung zu. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler in der zugrundeliegenden Beweiswürdigung gerade bezüglich der Unternehmensbeteiligung des Angeklagten ausgeschlossen, dass durch deren – ohnehin nicht gelungene – Veräußerung nicht innerhalb einer maximal dreiwöchigen Frist Liquidität zurückgewonnen werden konnte.
8
b) Die getroffenen Feststellungen tragen bei Anlegung der dafür geltenden rechtlichen Maßstäbe (siehe nur BGH, Urteil vom 17. März 1987 – 1 StR 693/86, BGHSt 34, 309, 310 f. und Beschluss vom 17. März 2016 – 1 StR 628/15, StV 2017, 79 ff.) auch das Beiseiteschaffen i.S.v. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch die Anweisung des Angeklagten, ihm zustehende Provisionszahlungen auf zwei nicht ihm zustehende Konten zu leiten. Da es sich bei den betroffenen Konten jeweils um solche handelte, die nicht auf seinen Namen geführt wurden und über die er nicht (unmittelbar) verfügen konnte, war der Zugriff seiner Gläubiger auf die entsprechenden, zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen erschwert.
9
2. Die erhobenen Verfahrensrügen dringen im Ergebnis aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen, die durch die nachfolgenden Schriftsätze der Verteidigung nicht in Frage gestellt werden, nicht durch. Ergänzend bemerkt der Senat insoweit lediglich Folgendes:
10
a) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, konnte der u.a. auf Verlesung eines Schreibens einer näher bezeichneten Steuerberatungsgesellschaft vom 12. März 2012 gerichtete Beweisantrag (Nr. 5) zwar nicht rechtsfehlerfrei auf den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) gestützt werden, weil mit der Urkunde lediglich deren Existenz und Inhalt bewiesen werden sollte (zum genannten Ablehnungsgrund näher BGH, Urteil vom 21. August 2014 – 1 StR 13/14, NStZRR 2014, 316, 317). Allerdings kann aus den in der Antragsschrift dargelegten Gründen das Beruhen des Urteils auf der fehlerhaft begründeten Ablehnung sicher ausgeschlossen werden.
11
b) Ebenso verhält es sich jedenfalls bei der Ablehnung des Beweisantrags (Nr. 9) auf Verlesung des in einem Rechtsstreit zwischen einer geschädigten Anlegerin und dem Angeklagten ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Bamberg vom 20. Februar 2010. Auch insoweit sollte unmittelbar der Inhalt des Urteils bewiesen werden. Bei darauf beschränkter Beweistatsache konnte der Antrag nicht wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels zurückgewiesen werden. Wie sich aber bereits aus dem Beweisantrag selbst ergibt („Die unter Beweis gestellte Begründung des ausgeurteilten Anspruchs durch das OLG Bamberg hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.“), zielte der Antrag letztendlich darauf ab, die Berücksichtigung des titulierten Anspruchs bei der Zahlungsunfähigkeit als fällige Forderung gegen den Angeklagten auszuschließen. Da es – wie zu 1.b) dargelegt – aber allein auf die rechtskräftige Zuerkennung der Forderung ankommt und die diesbezüglichen Beweisanträge der Verteidigung von einer rechtsirrigen Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit ausgingen , kann wiederum sicher ein Beruhen ausgeschlossen werden. Denn das Landgericht hat ungeachtet des fehlerhaften Ablehnungsgrundes erkannt, dass es auf den Inhalt des fraglichen Urteils unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommt.
12
3. Wegen der durch die Bearbeitung zahlreicher vorrangiger Haftsachen und des Umfang des Revisionsstoffs bedingten Dauer des Revisionsverfahrens erklärt der Senat einen Monat der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt.
Raum Jäger Cirener Radtke Hohoff

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2018 - 1 StR 605/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2018 - 1 StR 605/16

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Insolvenzordnung - InsO | § 17 Zahlungsunfähigkeit


(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner sei
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 271 Leistungszeit


(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken. (2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläu

Strafgesetzbuch - StGB | § 283 Bankrott


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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 50/15
Verkündet am:
12. Oktober 2017
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zeigt der Schuldner ein nach außen hervortretendes Verhalten, in dem sich typischerweise
ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten
zu erfüllen, liegt auch dann Zahlungseinstellung vor, wenn der Schuldner tatsächlich
nur zahlungsunwillig ist.
BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 50/15 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2017:121017UIXZR50.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2017 durch den Richter Grupp, die Richterinnen Lohmann, Möhring, die Richter Dr. Schoppmeyer und Meyberg

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
H. (fortan: Schuldner) war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der W. GmbH (fortan: GmbH). Die GmbH führte von 1999 bis 2003 Umsatzsteuer in Höhe von 1.070.073,35 € und Lohnsteuer in Höhe von 507.360,54 € nicht ab. Es kam zu entsprechenden Steuernachforderungen des Finanzamts. Zudem forderte die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 6. Juli 2007 von der GmbH wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge rund 4,2 Mio. €. Am 10. Oktober 2007 stellte der Schuldner als Geschäftsführer der GmbH Insolvenzantrag für die GmbH; das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde am 1. Februar 2008 eröffnet.
2
Am 29. April 2008 erließ das Finanzamt O. (fortan: Finanzamt) gegen den Schuldner einen Haftungsbescheid über 597.852,15 € wegen rück- ständiger Umsatzsteuerschulden der GmbH (fällig ab 23. Mai 2008) und am 1. Oktober 2008 einen weiteren Haftungsbescheid über 805.991,43 € wegen rückständiger Lohnsteuerschulden der GmbH (fällig ab 7. November 2008). Die Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts führten zu einer Strafanzeige gegen den Schuldner wegen Steuerhinterziehung. Im Jahr 2008 wurde das Strafverfahren gegen den Schuldner vor dem Landgericht Darmstadt wegen der von ihm als Geschäftsführer zugunsten der GmbH hinterzogenen Umsatz - und Lohnsteuern durchgeführt; die Hauptverhandlung dauerte vom 19. September bis 22. Dezember 2008. Im Strafverfahren wurde die Absprache getroffen, dass die zu erwartende Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werde, wenn der Schuldner binnen einer von dem Gericht bestimmten Frist 416.000 € an das Finanzamt zahle. Daraufhin gewährte die Ehefrau des Schuldners diesem mit Vertrag vom 30. November 2008 ein unbefristetes Dar- lehen über 300.000 €. Sie überwies den Darlehensbetrag am 18. Dezember 2008 auf ein Konto des Schuldners; anschließend überwies der Schuldner 295.950 € auf ein Konto seines Strafverteidigers. Der Strafverteidiger leitete diesen Betrag am gleichen Tag zusammen mit zwei weiteren Beträgen von 69.000 € und 51.050 €, insgesamt 416.000 € mit dem Verwendungszweck "Haftungsbesch. 29.4.08, UST 1999-2003" an das Finanzamt weiter. Am 22. Dezember 2008 verurteilte das Landgericht Darmstadt den Schuldner zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.
3
Auf Antrag des Finanzamts vom 8. Mai 2009 und nachfolgenden Eigenantrag des Schuldners vom 8. Juni 2009 eröffnete das Insolvenzgericht am 3. September 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger hat die Zahlung vom 18. Dezember 2008 in Höhe von 295.950 € angefochten.
4
Die Zahlungsklage des Klägers hat beim Landgericht Erfolg gehabt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es liege eine anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners vor. Diese habe die Gläubiger benachteiligt. Jedoch könne nicht festgestellt werden, dass der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe. Es könne unterstellt werden, dass der Schuldner gewusst habe, dass er als Geschäftsführer auch für die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge persönlich hafte und dass er damit gerechnet habe, von der Krankenkasse persönlich in die Haftung genommen zu werden. Dies genüge jedoch nicht, um einen Benachteiligungsvorsatz feststellen zu können, weil der Schuldner zum Zeitpunkt der Rechtshandlung nicht zahlungsunfähig gewesen sei.
7
Zahlungsunfähigkeit sei nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt habe. Zahlungseinstellung erfordere jedoch nicht nur, dass der Schuldner nicht zahle, sondern auch, dass er hierzu nicht in der Lage und nicht nur zahlungsunwillig sei. Der Kläger lege nicht ausreichend dar, dass der Schuldner in diesem Sinn zahlungsunfähig gewesen sei. Das vom Schuldner erstellte Vermögensverzeichnis genüge nicht. Zudem seien der Verbleib der mit den Straftaten erzielten Einnahmen und der im Rahmen des Ermittlungsverfahrens festgestellte enorme Zuwachs des Privatvermögens ungeklärt.

II.


8
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
9
1. Für den in § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Benachteiligungsvorsatz des Schuldners genügt bedingter Vorsatz. Ein Benachteiligungsvorsatz ist deshalb nicht nur dann gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt hat, sondern auch dann, wenn er lediglich die Benachteiligung als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz, denn er weiß, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Dies gilt auch dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird (BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - IX ZR 280/13, WM 2014, 1868 Rn. 17 mwN).
10
Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Rahmen des Insolvenzanfechtungsrechts nach § 17 InsO (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2006 - IX ZB 238/05, WM 2006, 1631 Rn. 6). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden. Eine solche Liquiditätsbilanz ist im Anfechtungsprozess jedoch entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 10 mwN).
11
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) des Schuldners zum Zahlungszeitpunkt verneint, weil es die für die Zahlungseinstellung geltenden Maßstäbe verkannt hat.
12
a) Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 184 f). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, WM 2007, 1616 Rn. 28). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007, aaO Rn. 29; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 21 jeweils mwN). Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007, aaO Rn. 29; vom 11. Februar 2010 - IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 42). Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist (BGH, Urteil vom 20. November 2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 185).
13
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt - anders als das Berufungsgericht meint - auch dann Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) vor, wenn der Schuldner in Wirklichkeit nur zahlungsunwillig ist. Ausschlaggebend ist der nach außen hervortretende, objektive Eindruck. Zwar kann eine Zahlungseinstellung auch auf Zahlungsunwilligkeit beruhen. Eine insolvenzrechtlich erhebliche Zahlungsunwilligkeit liegt aber nur vor, wenn der Schuldner tatsächlich noch zahlungsfähig ist. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zahlungseinstellung erfüllt, wird jedoch gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, dass nicht lediglich Zahlungsunwilligkeit, sondern Zahlungsunfähigkeit vorlag (BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, WM 2012, 711 Rn. 18). Im Fall der Zahlungseinstellung setzt deshalb die Feststellung der anfechtungsrechtlich unerheblichen Zahlungsunwilligkeit die Feststellung der Zahlungsfähigkeit voraus. Sie muss der Anfechtungsgegner beweisen (BGH, aaO Rn. 19).
14
b) Nach diesen Maßstäben lag beim Schuldner Zahlungseinstellung vor. Er hat die seit 23. Mai 2008 fällige Forderung des Finanzamts über 597.852,15 € wegen rückständiger Umsatzsteuerschulden der GmbH ebensowenig beglichen wie die seit 7. November 2008 fällige Forderung über 805.991,43 € wegen rückständiger Lohnsteuerschulden der GmbH. Er hat keine Einwände gegen die Haftungsbescheide erhoben. Ebensowenig ist ersichtlich, dass sich der Schuldner in anderer Weise gegen die Forderungen verteidigt hat. Auch das gegen den Schuldner wegen der Steuerhinterziehungen geführte Strafverfahren hat ihn nicht veranlasst, die offenen Forderungen zu begleichen. Im Rahmen der Urteilsabsprache im Dezember 2008 erklärte sich der Schuldner nur zur Zahlung eines Teilbetrages von 416.000 € bereit. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung des Finanzamts wegen der Umsatzsteuerschulden bereits seit über sechs Monaten rückständig, die Forderung wegen der Lohnsteuerschulden seit über einem Monat. Schließlich hat der Schuldner die offenen Forderungen gegenüber dem Finanzamt auch bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht weiter zurückgeführt. Angesichts dieser Umstände und der Höhe der offenen Forderungen drängte sich für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck auf, dass der Schuldner außerstande war, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Es lag Zahlungseinstellung vor.
15
Beweis für eine gleichwohl bestehende Zahlungsfähigkeit des Schuldners hat der Beklagte nicht angetreten. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Verbleib an den Schuldner im Zusammenhang mit den Straftaten gezahlter 791.015,67 € sowie zur "enormen" Zunahme des Privatvermögens des Schuldners und seiner Ehefrau sind für die Feststellung der Zahlungsfähigkeit unerheblich. Da die im Falle einer Zahlungseinstellung vermutete Zahlungsunfähigkeit auf einem objektiven Mangel an auszugebenden Zahlungsmitteln beruht (Geldilliquidität), kommt es allenfalls insoweit auf ein vorhandenes Vermögen an, als der Schuldner in der Lage wäre, dieses kurzfristig zu liquidieren (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1998 - IX ZR 313/97, ZIP 1999, 76, 78; Schoppmeyer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 130 Rn. 85). Das Berufungsgericht trifft jedoch weder hierzu noch zu Art, Höhe und Zusammensetzung des Vermögens Feststellungen. Zudem soll der Schuldner die Zahlungen aus den Straftaten zwischen Januar 2001 und November 2003 erhalten haben und die Zunahme des Privatvermögens in den letzten fünf Jahren vor März 2005 erfolgt sein. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Vorgänge aus Zeiträumen, die lange vor den zur Zahlungseinstellung führenden Forderungen des Finanzamts lagen, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners im Dezember 2008 belegen könnten (vgl. auch BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, WM 2012, 711 Rn. 23).

III.


16
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für die weitere Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgende Punkte hin:
17
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Rechtshandlung des Schuldners und die objektive Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO durch die Weiterleitung des dem Schuldner von seiner Ehefrau zur Verfügung gestellten Darlehensbetrags über 295.950 € bejaht. Dem steht - anders als der Beklagte geltend macht - weder entgegen, dass die Forderung des Beklagten auf Steuerstraftaten des Schuldners zurückgeht noch dass die dem Schuldner von seiner Ehefrau zur Verfügung gestellten Darlehensmittel möglicherweise aus den vom Schuldner begangenen Straftaten stammen. Für die vom Beklagten geltend gemachte Einschränkung nach § 242 BGB ist kein Raum.
18
2. Das Berufungsgericht wird bei seiner neuen Entscheidung den Sachverhalt zur Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung umfassend zu würdigen haben.
19
a) Insbesondere wird - bezogen auf den Schuldner - zu prüfen sein, ob der Schluss von der Zahlungseinstellung auf die erkannte Zahlungsunfähigkeit und sodann von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auch dann möglich ist, wenn - wovon nach dem bisherigen Sachvortrag auszugehen ist - im Jahr 2008 allein die die Zahlungseinstellung begründenden Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Beklagten bestanden haben sollten (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 14) und der Schuldner selbst nicht gewerblich oder unternehmerisch tätig war. Insoweit wird das Berufungsgericht das unbefristete Darlehen der Ehefrau zu würdigen haben und gegebenenfalls zu klären haben, ob im Jahr 2008 weitere Gläubiger mit fälligen Ansprüchen vorhanden waren oder der Schuldner bereits im Jahr 2008 damit rechnete, Nachforderungsbescheide hinsichtlich der von der GmbH nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge zu erhalten. Auch insoweit genügt bedingter Vorsatz des Schuldners.
20
b) Der Benachteiligungswille wird - anders als das Berufungsgericht erwogen hat - im Allgemeinen nicht dadurch ausgeschlossen, dass es dem Schuldner allein darauf angekommen sein mag, mit Erfüllung der Auflage einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu entgehen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291 Rn. 19). So ist der Strafdruck als Motiv gläubigerbenachteiligender Rechtshandlungen bei der anfechtbaren Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen an die Einzugsstellen der Sozialversicherung geradezu die Regel (vgl. § 266a StGB), ohne dass dies dem bedingten Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung entgegensteht (BGH, aaO). Für die Fälle, in denen der Schuldner in der eröffneten Hauptverhandlung wegen Steuerhinterziehung einer Auflage nachkommt, den entstandenen Steuerschaden teilweise zu beseitigen, ergibt sich nichts anderes.
21
c) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - offen gelassen, ob der Beklagte den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte. Insoweit wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO erfüllt sind. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Beklagte über den genauen Hergang des Zahlungsflusses informiert war (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2013 - IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 Rn. 17 ff).
22
Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass der Beklagte spätestens zum Zeitpunkt der Zahlung auch die Zahlungseinstellung des Schuldners erkannt hat. Grundsätzlich kennt ein Gläubiger die Zahlungseinstellung bereits dann, wenn er selbst bei Leistungsempfang seine Ansprüche ernsthaft eingefordert hat, diese verhältnismäßig hoch sind und er weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, die Forderungen zu erfüllen (BGH, Urteil vom 30. April 2015 - IX ZR 149/14, ZInsO 2015, 1441 Rn. 9; vom 14. Juli 2016 - IX ZR 188/15, ZInsO 2016, 1749 Rn. 21). Da nach den bisherigen Feststellungen der Schuldner selbst nicht unternehmerisch oder gewerblich tätig war, ist für die von § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO weiter verlangte Kenntnis des Beklagten von der eintretenden Gläubigerbenachteiligung erforderlich, dass der Beklagte von weiteren Gläubigern des Schuldners oder davon wusste, dass beim Schuldner zukünftig andere Verbindlichkeiten entstehen werden, die der Schuldner nicht im selben Maße bedienen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 14; vom 4. Mai 2017 - IX ZR 285/16, WM 2017, 1221 Rn. 8; vom 22. Juni 2017 - IX ZR 111/14, WM 2017, 1424 Rn. 30). Insoweit wird es ebenfalls darauf ankommen, welche Vorstellungen und Kenntnisse der Beklagte hinsichtlich drohender Nachforderungsbescheide für die von der GmbH hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge hatte. Dabei wird zu berücksichtigen sein, ob dem Beklagten die Ermittlungsergeb- nisse aus den Steuerstrafverfahren und die sich daraus ergebende Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen - wofür vieles spricht - bekannt gewesen sein sollten.
Grupp Lohmann Möhring
Schoppmeyer Meyberg
Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.07.2013 - 2/4 O 485/12 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 12.02.2015 - 8 U 184/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 538/17
vom
12. April 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:120418B5STR538.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. Juni 2017
a) im Fall 6 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin abgeändert , dass der Angeklagte der Verletzung der Buchführungspflicht schuldig ist,
b) in den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in drei Fällen, wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung , wegen Betruges und wegen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Entgegen der Auffassung der Revision liegt dem Verfahren auch bezüglich der in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe abgeurteilten Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt eine wirksame Anklageschrift und – daran anknüpfend – ein wirksamer Eröffnungsbeschluss der Wirtschaftsstraf- kammer zugrunde.
3
Die ursprünglich dem Amtsgericht – Strafrichter – vorgelegte Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 7. August 2015 wird ihrer Umgrenzungsfunktion gerecht. Denn die Beschäftigung des in der Anklage nicht benannten Arbeitnehmers S. lag in dem von Anklagefall 3 erfassten Tatzeitraum (August 2013); auch diesbezüglich war die Barmer GEK zuständige Einzugsstelle. Bei gleichzeitigem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen für mehrere Arbeitnehmer gegenüber derselben Einzugsstelle liegt aber nur eine Tat vor (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2007 – 1 StR 639/06, StraFo 2007, 342; LK-Möhrenschlager, 12. Aufl. § 266a Rn. 108). Für diese Tat – wie auch für die in den Fällen 1 und 2 abgeurteilten Taten (Juni und Juli 2013) – teilt der Anklagesatz die Stellung des Angeklagten als Arbeitgeber, seinen Geschäftsort, die Einzugsstelle und die dieser gegenüber zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge – aufgeschlüsselt nach Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen – zu konkret bezeichneten Beschäftigungs- und Beitragsmonaten mit. Diese Angaben lassen eine Abgrenzung zu anderen Taten ohne weiteres zu. Für die Erfüllung der Umgrenzungsfunktion der Anklage bedurfte es deshalb weder näherer Angaben zu den Einkünften der einzelnen Arbeitnehmer und zu dem jeweiligen Berechnungssatz für die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge noch einer Differenzierung nach einzelnen Personen bei der Auflistung der Taten, die nach Beschäftigungsmonaten abgegrenzt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2018 – 1 StR 370/17, NJW 2018, 878, 880, und Beschluss vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, wistra 2018, 49, 50, jeweils in Abgrenzung zu OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2013 – 1 Ws 123/13, und OLG Hamm, wistra 2016, 86, 87). Insoweit bestehende Mängel in der Informationsfunktion der Anklageschrift lassen sich im weiteren Verfahren – wie es hier hinsichtlich der nicht gemeldeten Arbeitnehmer, die von der Schadensberechnung erfasst waren, nach dem Revisionsvorbringen auch geschehen ist – durch gerichtliche Hinweise zur Gewährung rechtlichen Gehörs beheben (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 156, und vom 24. Januar 2012 – 1 StR 412/11,BGHSt 57, 88, 91; Beschluss vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, aaO).

II.


4
Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat, dass die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO jedenfalls unbegründet ist. Soweit die Äußerungen der abgelehnten Rich- ter überhaupt dazu geeignet sein sollten, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, ist diese jedenfalls durch die dienstlichen Erklärungen ausgeräumt worden.

III.


5
Die Sachrüge erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
6
1. Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall 6 zu Unrecht wegen Bankrotts verurteilt, da eine der in § 283 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 StGB aufgeführten Tathandlungen nicht festgestellt ist. Insoweit ist dem Landgericht ein Tenorierungsversehen unterlaufen, wie es einleitend in den Entscheidungsgründen (UA S. 6) klargestellt hat. Demgemäß hat es seiner rechtlichen Bewertung der zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Straftatbestand der Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3 b StGB zugrunde gelegt (UA S. 80). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt. Der Einzelstrafausspruch ist von dem Tenorierungsversehen nicht betroffen.
7
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung (Fall 4) und wegen Betruges (Fall 5) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
a) Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
9
aa) Die wirtschaftliche Situation der F. D. U. (haftungsbeschränkt), die durch den Angeklagten als faktischen Ge- schäftsführer geleitet wurde, verschlechterte sich Ende des Jahres 2013, weil mehrere ihrer Ausgangsrechnungen von Auftraggebern wegen geltend gemachter Werkmängel nicht gezahlt wurden. Im späteren Insolvenzverfahren über das Vermögen der Unternehmergesellschaft (UG) wurden Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 20.000 Euro zur Tabelle angemeldet, die bereits Ende Januar 2014 fällig gewesen waren. Obwohl die Gesellschaft aus dem Verkauf einer ihren wesentlichen Vermögenswert darstellenden Immobilie den Kaufpreis von insgesamt 48.000 Euro bis Anfang Februar 2014 in drei Teilzahlungen erhalten hatte, konnte sie ihre Verbindlichkeiten bis zur Insolvenzantragstellung im März 2014 mangels liquider Mittel nicht mehr begleichen. Auch die Löhne für die offiziell gemeldeten Arbeitnehmer wurden nicht mehr bezahlt, sodass für Januar 2014 die Agentur für Arbeit an Insolvenzgeld 6.130 Euro leistete.
10
Der Angeklagte kannte die finanzielle Situation der UG und ihm war bewusst , dass sie Ende Januar 2014 keine ausreichenden liquiden Mittel mehr hatte, um zumindest einen wesentlichen Teil ihrer fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können. Ende Januar 2014 war auch nicht wahrscheinlich, dass der Mangel an liquiden Mitteln kurzfristig behoben werden könnte. Obwohl danach spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Zahlungsunfähigkeit bestanden hatte , unterließ es der Angeklagte, für die Gesellschaft einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Antragstellung erfolgte absichtlich verzögert, um den Sitz bei der erwarteten Insolvenz zunächst von Bad Lauterberg nach München zu verlegen. Der Angeklagte erhoffte sich hierdurch eine „geräuschlosere“ Insolvenz der Gesellschaft. Die als formelle Geschäftsführerin tätige Ehefrau des Angeklagten reichte erst am 12. März 2014 für die UG einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München ein (Tat 4).
11
Trotz ihrer finanziellen Situation beauftragte der Angeklagte für die UG am 7. Februar 2014 die K. GmbH mit der Montage sanitärer Einrichtungen in einer Wohnung in München. Dabei war ihm das hohe Risiko bewusst, dass die in Auftrag gegebenen Leistungen nicht würden bezahlt werden können. Tatsächlich wurde die Rechnung des Sanitärunternehmens vom 24. Februar 2014 über 2.141 Euro von der UG nicht mehr beglichen. Erst im August 2016 zahlte der Angeklagte persönlich 2.200 Euro an die K. GmbH (Tat 5).
12
bb) Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der UG bei Fall 4 hat das Landgericht auf folgende Überlegungen gestützt:
13
Nach Aussage des Insolvenzverwalters habe auf die sich zunächst nach den betriebswirtschaftlichen Auswertungen ergebenden Forderungen in Höhe von rund 52.000 Euro bei seinen Realisierungsversuchen kein einziger der vorgeblichen Schuldner gezahlt. Später habe er lediglich Forderungen in Höhe von 19.700 Euro als noch offen feststellen können. Insoweit seien aber Mängeleinreden erhoben worden oder es habe sonst an der Durchsetzbarkeit gefehlt. Den Forderungen der Gesellschaft hätten zur Tabelle im Insolvenzverfahren angemeldete Forderungen von Gläubigern der Gesellschaft in Höhe von 20.000 Euro gegenüber gestanden, die bis Ende Januar 2014 fällig gewesen seien. Die Verbindlichkeiten seien trotz der Zahlungseingänge aus dem Immobilienverkauf bis zur Insolvenzantragsstellung Mitte März 2014 nicht beglichen worden. Auch die unterbliebenen Gehaltszahlungen in dieser Zeit unterstrichen die desolate Finanzlage der Gesellschaft. Für die Zahlung der für Januar 2014 geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge, die nicht ausschließbar zunächst gestundet gewesen seien, habe ebenfalls kein Geld zur Verfügung gestanden.
Trotz des Zugangs an Liquidität durch den Immobilienverkauf seien auch sie – der Insolvenztabelle zufolge – bis zur Insolvenzeröffnung nicht gezahlt worden.
14
Auch die Strafbarkeit wegen Betruges (Fall 5) hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte um die zu Beginn des Jahres 2014 desolate Finanzlage der UG gewusst habe.
15
b) Die Verurteilung im Fall 4 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 InsO ist nicht tragfähig begründet. Denn das Landgericht hat bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die Pflicht nach § 15a Abs. 1 InsO, einen Insolvenzantrag zu stellen, einen falschen Maßstab angelegt.
16
aa) Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt in der Regel durch die betriebswirtschaftliche Methode. Sie setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus. Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen (BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, 165 mwN). Daneben kann eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO auch durch wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 156; Beschlüsse vom 21. August 2013 – 1StR 665/12, aaO, und vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342). Als solche Warnzeichen kommen beispielsweise in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche sowie die Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten.
17
bb) Hieran gemessen hat die Wirtschaftsstrafkammer bei ihrer rückblickenden Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Anschluss an die Aussage des Insolvenzverwalters unzutreffend darauf abgestellt, dass im fraglichen Zeitraum fällige Verbindlichkeiten der UG bestanden hätten, die bis zu dem – nicht mitgeteilten – Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen worden seien. Damit hat sie den bei der Frage einer Insolvenzantragspflicht geltenden Maßstab verfehlt, nach dem entscheidend ist, ob ein Liquiditätsmangel besteht, mit dessen Beseitigung innerhalb von maximal drei Wochen nicht sicher zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, aaO; siehe auch Urteil vom 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2224 f., abgrenzend zur vereinfachten Feststellung endgültiger Zahlungsunfähigkeit bei der Insolvenzanfechtung).
18
cc) Hierauf beruht auch der Schuldspruch. Denn aus den beweiswürdigenden Ausführungen der Wirtschaftsstrafkammer erschließt sich nicht, weshalb nicht einmal bei den im späteren Verfahren vom Insolvenzverwalter als „noch offen“ festgestellten Forderungen der UG in Höhe von 19.700 Euro eine zumindest teilweise Durchsetzbarkeit bestanden haben sollte und weshalb dies für den Angeklagten bereits im Januar 2014 erkennbar gewesen sein sollte.
19
Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Wirtschaftsstrafkammer dem von ihr als „Notverkauf des ‚Tafelsilbers‘ der Gesellschaft“ gewerteten Im- mobilienverkauf (UA S. 72) indiziellen Beweiswert für und nicht etwa gegen eine schon Ende Januar 2014 bestehende Zahlungsunfähigkeit beigemessen hat. Denn nach den Feststellungen flossen dadurch der Gesellschaft zum Monatswechsel Januar/Februar 2014 in zwei Teilbeträgen insgesamt 43.000 Euro zu. Dieser Liquiditätszuwachs überstieg die Ende Januar 2014 fälligen Verbindlichkeiten in der festgestellten Höhe von rund 20.000 Euro bei weitem, so dass sie bei damit naheliegender Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hätten erfüllt werden können. Der insoweit vom Landgericht in den Blick genommene Umstand, dass der Angeklagte die Verkaufserlöse in der Folgezeit nicht zum Ausgleich dieser Verbindlichkeiten eingesetzt hat, verfehlt erneut den anzulegenden Maßstab und stellt kein taugliches Indiz für einen zeitlich vorgelagerten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dar.
20
c) Da die Zahlungsunfähigkeit der UG mithin nicht ausreichend belegt ist, aber hieran unmittelbar auch die Feststellungen im Fall 5 zu dem am 7. Februar 2014 dem Sanitärunternehmen K. GmbH erteilten Auftrag anknüpfen, war die Verurteilung wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB ebenfalls aufzuheben.
21
d) Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 4 und 5 entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Infolgedessen kam es nicht mehr auf die (mit einem Jahr und sechs Monaten) unzutreffende Angabe der Gesamtstrafenhöhe im Rahmen der Begründung dieser Strafzumessungsentscheidung und die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage an, ob sich dieser Fehler auf die Entscheidung der Wirtschaftsstrafkammer über eine Strafaussetzung zur Bewährung ausgewirkt haben könnte.
Mutzbauer Schneider König
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 169/15
vom
16. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:160517B2STR169.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges und vorsätzlicher
1
Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

A.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
2
3
I. Der Angeklagte war zunächst Geschäftsführer der Kreisverbände D. und R. der „V. “. Die „V. “ war in der ehemaligen DDR eine große soziale Organisation, die sich der Betreuung älterer Menschen gewidmet hatte. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden ihre Kreisverbände in eingetragene Vereine umorganisiert. Die Kreisverbände D. und R. der „V. “ gründeten im Jahr 1996 die V. Sozial-Immobilien GmbH (im Folgenden: VSI GmbH) und im Jahr 1998 die V. Sozial-Immobilienfonds GmbH & Co. KG (im Folgenden: VSI KG). Der Angeklagte wurde Geschäftsführer dieser Gesellschaften. Der frühere Mitangeklagte Vi. war faktischer Geschäftsführer. Komplementärin der Kommanditgesellschaft war die VSI GmbH, während die im Jahre 1998 zur V. Kreisverband D. /R. - e.V. fusionierten Kreisverbände der V. sowie die als Treuhänderin für die Anleger fungierende und ebenfalls neu gegründete V. - Service- und Verwaltung GmbH (im Folgenden: VSSV GmbH) die Stellung von Kommanditisten hatten. Nachdem zunächst die VSI GmbH einen Fonds betrieben und eine Viel4 zahl von Anlegern geworben hatte, die sich nach den Urteilsfeststellungen „je- weils mit Darlehen als stille Gesellschafter an dieser Gesellschaft beteiligten“, dafür eine jährliche Ausschüttung erhielten und bezüglich ihrer Einlage durch Grundpfandrechte oder Bankbürgschaften abgesichert waren, legte die VSI KG ihrerseits einen Fonds auf. Vi. war „mutmaßlich“ der Initiator des Anlagemodells. Anders als bei dem vorher betriebenen Fonds der VSI GmbH, fand bei dem Fonds der VSI KG aus Kostengründen keine aufwändige Besicherung der Kapitalanlagen mehr statt. Als Geschäftszweck vorgesehen war der Betrieb von Wohnanlagen, Kindergärten und Seniorenwohnheimen, die an die Kreisverbände der V. vermietet werden sollten, um dadurch Einnahmen zu erwirtschaften. Nach einer Laufzeit von achtzehn bis fünfundzwanzig Jahren sollten die Sozialimmobilien durch die Kreisverbände käuflich erworben werden. Die stets über die VSSV GmbH als Treuhänderin zu zeichnenden Anteile an dem Fonds konnten mit einer Mindestanlage von 1.500 Euro und einer Mindestlaufzeit von sechs Jahren erworben werden. In Werbeflyern wurde eine Rendite von jährlich mindestens 4,5 % in der
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Investitionsphase sowie von 5 % in der Bewirtschaftungsphase in Aussicht gestellt. Außerdem wurde erklärt, dass der jeweilige Anleger mit seiner Einlage einen „bevorzugten Mietanspruch“ in einer der Seniorenresidenzen erwerbe. Die Geldanlage wurde als sicher dargestellt, weil das Geld in Immobilien „stecke“. Außerdem wurde darauf verwiesen, dass neben dem Kapital der Anleger auch „Geld von Banken zum Einsatz“ komme. Der Fonds könne auf die lang- jährige Erfahrung kompetenter Mitarbeiter der Banken zurückgreifen. Gewor- ben wurde ferner mit Hinweis darauf, dass die Fondsgesellschaft auf dem „wirtschaftlich starken Fundament ihrer mitgliederstarken Kreisverbände“ ruhe. Au- ßerdem wurde behauptet, die Gesellschaft erwerbe Immobilien nach einem langfristig angelegten und gründlich geprüften Investitionsplan. Die VSI KG gab auch einen Prospekt heraus, der im Wesentlichen die6 selben Kriterien nannte wie der Flyer. Er betonte aber zusätzlich, wegen der sozialen Bindung sei eine Beteiligung an Spekulationsobjekten ausgeschlossen. Zudem wurde behauptet, von dem ursprünglichen Investitionsplan seien fünf Objekte fertiggestellt, während die VSI KG tatsächlich nur drei Objekte betrieb. Eine darüber hinaus erwähnte Seniorenwohnanlage in K. gab es noch nicht. Das weiterhin erwähnte Seniorenhotel in G. existiertezwar, gehörte aber nicht der VSI KG und wurde nicht von dieser betrieben. Risiken für die Kapitalanleger wurden in dem Prospekt nur versteckt angedeutet. Die Angaben im Flyer und im Prospekt waren in weiteren Punkten falsch. Einen direkten Anspruch auf einen Heimplatz erwarben die Anleger mit der Zeichnung von Anteilscheinen nicht. Banken standen allenfalls als Kreditgeber, aber entgegen dem erweckten Anschein nicht als Investoren und Berater zur Verfügung. Versprechungen über garantierte Renditen waren unzutreffend, weil das Geld der Anleger in ein unkontrolliertes cash-pooling der zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften abfloss. Die Kreisverbände der „V. “ waren entgegen dem Anschein nicht zur Mithaftung verpflichtet. Einen Investitionsplan gab es nicht. Stattdessen war nur ein Konglomerat von Programmideen vorhanden. Der Vertrieb der Fondsbeteiligungen erfolgte über die Geschäftsstellen
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der Kreisverbände der „V. “. Deren Mitarbeiterinnen übergaben Interessenten den Zeichnungsschein und den Prospekt. Sie nahmen gegebe- nenfalls unterschriebene Zeichnungsscheine entgegen, die als ein „Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages gegenüber der VSSV GmbH als Treuhandkommanditistin“ formuliert waren, und leiteten diese an die Geschäfts- führung weiter. Die Mitarbeiterinnen beantworteten zum Teil auch Fragen, die allerdings selten gestellt wurden. Soweit überhaupt welche gestellt wurden, be- trafen sie zumeist den angeblichen „Mietanspruch“ der Anleger für Seniorenein- richtungen. Auf Veranlassung des Angeklagten wurde dazu mitgeteilt, dass ihnen im Bedarfsfall ein solcher Platz garantiert sei. Genaue Kenntnisse von den Einzelheiten des Anlagemodells hatten die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstellen nicht. Sie waren nur kurz eingewiesen worden. In dem vom Landgericht zu Grunde gelegten Tatzeitraum vom 12. Juli
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2004 bis zum 21. Oktober 2005 schlossen Anleger insgesamt 143 Verträge über eine Beteiligung an dem Fonds und zahlten die vereinbarte Anlagesum- me. Es handelte sich um Beträge zwischen 1.500 Euro und 75.000 Euro, teilweise zuzüglich eines Agios in Höhe von 25 Euro. Die Gesamtsumme aller Anlagen belief sich auf 1.111.960 Euro an Kapital und 2.375 Euro Agio. Im genannten Tatzeitraum erzielte die Kommanditgesellschaft durch Vermietungen Einnahmen in Höhe von 126.876,41 Euro und hatte im gleichen Zeitraum Verwaltungskosten in Höhe von 226.000 Euro. Die Anleger verloren ihr Kapital, wobei einzelne mehr als 50.000 Euro
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einbüßten. Ausschüttungen erfolgten nur, wenn Anleger diese ausdrücklich einforderten. Sie wurden durch Verwendung des Kapitals anderer Anleger finanziert. Dies hat das Landgericht als eine einheitliche Tat des Betruges durch
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den Angeklagten als mittelbaren Täter gewertet. II. Die VSI GmbH war spätestens seit dem 24. März 2003 überschuldet
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und zahlungsunfähig. In einem Brief vom 8. Juli 2001 an Vi. hatte der Angeklagte erklärt,
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dass er sich große Sorgen mache; dem „Fonds“ – gemeint war die VSI KG – gehe es finanziell schlecht, der VSI GmbH noch schlechter. Neu ankommendes Geld sei bereits „mehrfach verteilt“. Ein durch die T. Treuhandgesellschaft H. mbH zum Stichtag 31. Dezember 2001 erstellter und Ende 2002 bekannt gewordener Jahresabschluss ergab für die VSI GmbH einen Verlust von 424.476,88 DM sowie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 180.542,60 DM (92.309,97 Euro).

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Dieser bilanziellen Überschuldung standen keine stillen Reserven gegenüber. Der Angeklagte gab zwar in einem Schreiben vom 4. Dezember 2002 an: „Unter Berücksichtigung der erheblichen stillen Reserven aus der Beteili- gung an der V. Bauträger GmbH und in den Anlagen im Bau, die für Ferienwohnungen und ein Parkdeck in K. aufgewendet wurden, ist die Überschuldung abgewendet.“ Zum Zeitpunkt dieser Erklärung hatte der Angeklagte die für den Anlagenbau erforderlichen Erbbaurechte sowie eine Kommanditbeteiligung an der V. Strandkrone GmbH & Co. KG und deren Komplementär-GmbH aber gerade gegen Erstattung von angeblichen Planungskosten in Höhe von 210.000 Euro veräußert. Diese Verträge wurden zwar zu einem späteren Zeitpunkt rückabgewickelt; Einzelheiten dazu und zur Verwendung der Gelder hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Mit dem Bau von Ferienwohnungen in K. wurde erst nach dem Ausscheiden des Angeklagten als Geschäftsführer begonnen. Die V. Bauträger GmbH, an welcher die VSI GmbH zu 30 % beteiligt war, wies nach ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2001 einen Überschuss von 240.650,02 DM aus. Ende 2002 wurde ihre Tätigkeit jedoch als unwirtschaftlich angesehen. Später wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Die Mitteilung des Angeklagten über stille Reserven im Anhang zum Jah14 resabschluss für 2001 war daher falsch. Ein im Strafverfahren aus der Handelsbilanz zum 31. Dezember 2001 erstellter Überschuldungsstatus der VSI GmbH ergab, bezogen auf den Zerschlagungswert, einen Negativsaldo von 972.063,09 DM (497.007,97 Euro).
Der Angeklagte unternahm zur Tatzeit nichts, um sich ein zutreffendes
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Lagebild zu erstellen. Eine Buchführung der VSI GmbH war praktisch nicht existent. Quartalsabschlüsse wurden nicht erstellt. Der Geschäftsbetrieb lief gleichwohl unverändert weiter. Die Überschuldung wurde auch in der Folgezeit nicht beseitigt. Unter dem 24. März 2003 äußerte der Angeklagte in einem Schreiben an
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Vi. und die Mitglieder des Beirats, einzige Einnahmequelle seien neue Einzahlungen durch Kapitalanleger. Daran änderte sich in den folgenden Wochen nichts. Einen Insolvenzantrag stellte der Angeklagte dennoch nicht.Dieser wurde erst am 2. Juli 2009 durch einen späteren Geschäftsführer gestellt. Das Landgericht hat eine Insolvenzverschleppung durch den Angeklag17 ten bezüglich der VSI GmbH abgeurteilt. Das Verfahren wegen Insolvenzverschleppung hinsichtlich der VSI KG wurde gemäß § 154 StPO vorläufig eingestellt.

B.

Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge begründet, so dass
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es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt. I. Die Verurteilung wegen Betruges ist rechtsfehlerhaft.
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1. Das Landgericht hat Einzelakte des Betruges zum Nachteil der ver20 schiedenen Anleger nicht festgestellt. Es hat zwar den Tatzeitraum angegeben, die Zahl der Vertragsabschlüsse innerhalb dieses Zeitraums aufgeführt, mögli- che Täuschungshandlungen benannt und den entstandenen Gesamtschaden beziffert. Im Übrigen aber hat es den Zeitpunkt, die Durchführung und den Umfang der einzelnen Kapitalanlagen nicht konkretisiert. Unbeschadet der Tatsa- che, dass dem Angeklagten nur eine einzige Tat als „uneigentliches Organisationsdelikt“ vorgeworfen wird, genügen diese Feststellungen deshalb nicht den rechtlichen Anforderungen. Für die Tatfeststellung und Darstellung im Urteil gelten bei einer aus vie21 len Einzelakten bestehenden Tat im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653 f.) keine anderen Anforderungen als bei einer Mehrzahl gleichartiger, rechtlich selbständiger Straftaten. Die Urteilsgründe müssen auch hier die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Rechtliche Konkurrenz- fragen haben darauf keinen Einfluss (vgl. für das Verhältnis einer „fortgesetzten Handlung“ zu Tatmehrheit BGH, Beschluss vom 3. Mai1994 – GSSt 2/93 und 3/93, BGHSt 40, 138, 159). Dies schließt zwar eine zusammenfassende, insbesondere tabellarische Darstellung der Einzelfälle und eine Wiedergabe von Gemeinsamkeiten der Tatbegehung nicht aus. Jedoch macht dies grundsätzlich Feststellungen zu den Einzelakten des Betruges zum Nachteil verschiedener Geschädigter im Urteil nicht entbehrlich. 2. Ungenügend sind die Urteilsgründe vor allem, weil das Landgericht
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auf jede Feststellung zur Frage des jeweiligen Irrtums der Geschädigten verzichtet.
Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung
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durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig ergeben, wer die durch Täuschung verursachte Vermögensverfügung getroffen hat und welche irrtümlichen Vorstellungen dieser Geschädigte dabei hatte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133; Senat, Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 StR 573/15, Rn. 30 mwN). Die Überzeugung des Gerichts setzt dazu in der Regel die Vernehmung der Geschädigten voraus (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645). Diese hat das Landgericht nicht vorgenommen und deshalb keine auf die einzelnen Geschädigten bezogenen Feststellungen zu deren Vorstellungsbild getroffen. Allerdings stößt die Feststellung des Irrtums bisweilen auf Schwierigkei24 ten, die dazu führen können, dass ein Tatgericht im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, seine Überzeugung von täuschungsbedingten Fehlvorstellungen auf der Grundlage eines sachgedanklichen Mitbewusstseins auf Indizien stützen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98, 100; krit. Beulke/Berghäuser in Festschrift für Breitling, 2017, S. 13, 27; Ceffinato, ZStW 128 [2016], 804, 810 ff.; Krehl, NStZ 2015, 101 f.; Kudlich, ZWH 2015, 105 f.; Kuhli, StV 2016, 40, 44 ff.; Trüg, HRRS 2015, 106, 115 ff.). In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes kann es deshalb nach der Rechtsprechung ausreichen, einzelne Zeugen zu vernehmen und aus einem regelhaften Vorstellungsbild auf einen Irrtum auch bei weiteren Geschädigten zu schließen oder der Verurteilung wegen eines Organisationsdelikts zur Bemessung des Schuldumfangs eine bestimmte Irrtumsquote zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133; krit. Ceffinato, ZStW 128 [2016], 804, 818 ff.). Prozessuale Vereinfachungen der Tatsachenfeststellung können sich im Einzelfall dadurch erreichen lassen, dass Geschädigte schriftlich befragt werden, worauf das Ergebnis unter den Voraussetzungen gemäß § 251 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (Senat, Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 StR 573/15; krit. Beulke/Berghäuser, aaO S. 13, 26 f.). Handelt es sich um Tatserien , bei denen nicht erst durch die Vielzahl von Einzeltaten mit jeweils kleinen Schadensbeträgen der Unrechts- und Schuldgehalt des Gesamtgeschehens gekennzeichnet wird, können prozessökonomische Ergebnisse durch sachgemäße Anwendung der §§ 154, 154a StPO erzielt werden (krit. zur Beschränkung auf eine Verurteilung nur wegen versuchten Betruges Beulke/Berghäuser in Festschrift für Breitling, 2017, S. 13, 16 ff.; Kuhli, StV 2016, 40, 42 f.). Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob in bestimmten Massenbe25 trugsfällen auf jede Befragung von Geschädigten ganz verzichtet und deren Irrtum insgesamt nur aus Beweisschlüssen aufgrund von äußeren Umständen festgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98, 100 mit Anm. Krehl). Ein Fall mit Betrugshandlungen zum Nachteil von tausenden Geschädigten, deren Befragung zum Zweck der Feststellung des individuellen Irrtums aufgrund von Täuschungshandlungen praktisch unmöglich wäre, liegt nicht vor. Auch versteht es sich nicht bereits aufgrund der Art der Vortäuschung von Tatsachen von selbst, dass sich die Anleger bei dem Fonds der VSI KG selbstverständlich über bestimmte Punkte geirrt haben müssen. Wie die einzelnen Anleger von dem Fondsmodell erfahren haben, auf welche Weise sie von den unrichtige Angaben enthaltenden Flyern oder dem Werbeprospekt Kenntnis hatten und ob etwa täuschende Angaben der von den Angeklagten angewiesenen Mitarbeiterinnen der Geschäftsstellen Einfluss auf die jeweilige Anlageentscheidung gehabt haben, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Da insoweit individuelle Vorstel- lungsbilder zu verschiedenen Aspekten des Anlagemodells denkbar sind, bleibt letztlich offen, ob und inwieweit die Geschädigten sich bei der Zeichnung der Anlagen aufgrund einer dem Angeklagten zuzurechnenden Täuschung geirrt haben.
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Allein aus der durch Angaben der Mitarbeiterinnern der Geschäftsstellen der Kreisverbände getroffenen Feststellung des Landgerichts, Rückfragen durch Interessenten seien selten gewesen und hätten sich gegebenenfalls zumeist auf die Frage des Mietanspruchs für einen Platz in einem Seniorenheim bezogen, konnte auch nicht tragfähig darauf geschlossen werden, die Anleger hätten „regelhaft“ ihre Kapitalanlagen aufgrund einesIrrtums über das tatsächliche Bestehen eines durchsetzbaren Mietanspruchs getätigt. II. Die Verurteilung wegen Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2,
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§ 64 Abs. 1 Satz 1 und 2 GmbHG aF) beziehungsweise Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 1 und Abs. 4, § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO; zum maßgeblichen Recht bei Altfällen Püschel in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 471, 480) ist ebenfalls rechtlich zu beanstanden. Hinsichtlich der Annahme einer Überschuldung der Gesellschaft zum
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24. März 2003 ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die bilanzielle Überschuldung der VSI GmbH, wie sie sich im Dezember 2002 aus dem Jahresabschluss für 2001 ergeben hatte, nicht durch stille Reserven ausgeglichen worden sei. Dazu hat es darauf verwiesen, dass die vom Angeklagten in seiner ergänzenden Erklärung als stille Reserven genannten Erbbaurechte und Beteiligungen an der V. Strandkrone GmbH & Co. KG sowie deren Komplementär-GmbH durch Verträge vom 3. Dezember 2002 veräußert worden seien. Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Veräußerungsakts ist aber ebenso wenig wie die anschließende Rückabwicklung der Veräußerungsverträge im Urteil nachvollziehbar erläutert worden, erst recht nicht mit Blick auf den Stichtag am 24. März 2003. Daher kann der Senat die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass die Erklärung des Angeklagten zum Jahresabschluss für 2001 falsch gewesen sei und wegen fehlender Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage der VSI GmbH bis zum Stichtag eine entsprechende bilanzielle Überschuldung vorgelegen habe, nicht nachvollziehen. 2. Auch hinsichtlich der Annahme von Zahlungsunfähigkeit der VSI
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GmbH tragen die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch nicht.
a) Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene
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Gegenüberstellung der zu diesem Zeitpunkt fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits festzustellen. Eine solche im Einzelnen nachvollziehbare Gegenüberstellung hat das Landgericht nicht erstellt. Es hat die Zahlungsunfähigkeit vielmehr aus einem Schreiben des Angeklagten an den faktischen Geschäftsführer Vi. und die Mitglieder des Beirats vom 24. März 2003 abgeleitet , in dem dieser mitgeteilt hatte, dass die Fondsanlagen der VSI KG die einzige Einnahmequelle seien, die zur Bezahlung von Rechnungen oder Auszahlung von Zinsen und Einlagen früherer Anleger (der VSI GmbH) verwendet werden könnten, und auch diese Einnahmen nicht zur Bedienung aller Ansprüche aus den Anlagen des Fonds der VSI GmbH ausreichen würden. Weiter gestützt auf eine summarische Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben der VSI GmbH vom 2. August 2004 bis zum 31. Oktober 2005, die ein rechnerisches Plus von etwa 8.000 Euro ergeben habe, ist es für den Tatzeitraum von Zahlungsunfähigkeit ausgegangen, weil unter den Einzahlungen siebenundzwanzig Zahlungen der VSI KG in Höhe von zusammen 395.000 Euro gewesen seien, die als Darlehenszahlungen verschleiert worden seien und faktische Entnahmen aus dem Vermögen der VSI KG darstellten. Diese Zahlungen seien zur Herstellung von Liquidität nicht geeignet, da sie betrügerisch erlangt und treuwidrig weitergereicht worden seien.
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b) Diese auf wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen gestützte Annahme der Zahlungsunfähigkeit der VSI GmbH hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. aa) Zum einen hätte das Landgericht bedenken müssen, dass Zah32 lungsansprüche in eine Gegenüberstellung von Forderungen und verfügbaren Mitteln nur einzustellen sind, soweit sie im insolvenzrechtlichen Sinne fällig sind (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung nicht aufgegeben wurde (vgl. Püschel in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 471, 483 ff. mwN), setzt Fälligkeit von Forderungen, zu deren vollständiger Erfüllung der Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt oder innerhalb angemessener Zeit nicht mehr in der Lage ist, im insolvenzrechtlichen Sinn voraus, dass – über die Fälligkeit im Sinne von § 271 BGB hinaus – die geschuldete Leistung „ernsthaft eingefordert“ wird. Dies ist der Fall, wenn eine Handlung des Gläubi- gers gegeben ist, aus der sich der Wille ergibt, Erfüllung möglicher Zahlungsansprüche zu verlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286, 293 mit Anm. Erdmann, NZI 2007, 695 ff.; s.a. BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – 4 StR 421/00, NJW 2001, 1874, 1875). An ein solches Einfordern sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Das Landgericht hat aber im Urteil für keinen Gläubiger der VSI GmbH eine solche Handlung festgestellt und hätte dies auch im Rahmen der Bewertung des Schreibens des Angeklagten, der dies womöglich nicht bedacht hat, berücksichtigen müssen.
bb) Zum anderen fehlt es für die Außerachtlassung von der VSI GmbH
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durch die VSI KG überlassenen Geldern bei der Feststellung ihrer Zahlungsunfähigkeit an einer tragfähigen Grundlage.
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Nach den Feststellungen hatte die VSI KG 395.000 Euro an die VSI GmbH geleistet, die als Darlehen bezeichnet wurden, wobei es sich aber tatsächlich um Anlegergelder im Vermögen der VSI KG gehandelt hatte. Das Landgericht ist wegen der treuwidrigen Verwendung der Mittel durch Weitergabe an die VSI GmbH davon ausgegangen, dass diese Mittel nicht zur Herbeiführung von Liquidität bei der VSI GmbH geeignet waren. Grundsätzlich ist es für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinn jedoch ohne Bedeutung, aus welchen Quellen tatsächlich vorhandene Mittel des Schuldners stammen (vgl. Kadenbach in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl. § 17 Rn. 17). Es kommt nicht darauf an, ob sich der Schuldner die Zahlungsmittel auf redliche oder unredliche Weise beschafft hat. Insolvenzrechtlich sind selbst aus Straftaten herrührende illegale Einkünfte als liquide Mittel anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132, 139). Eine mögliche zweck- und treuwidrige Verschiebung von Vermögen der VSI KG an die VSI GmbH war deshalb nicht von vornherein ungeeignet, die Zahlungsunfähigkeit der VSI GmbH aufzuheben. Ob etwas anderes gilt, weil die strafgerichtliche Rechtsprechung an35 nimmt, hinsichtlich Kapitalzuflüssen aus Betrugshandlungen bestünden bereits mit der Zahlung fällige Rückzahlungsansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB in entsprechender Höhe (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342 mit Anm. Floeth, EWiR 2016, 103, 104), die als fällige Gegenforderung einzustellen seien, kann hier dahinstehen. Die Erfüllung des Betrugstatbestands steht bisher aus den oben genannten Gründen nicht fest. Zudem richtete sich ein Rückzahlungsanspruch der Kapitalanleger vornehmlich gegen die VSI KG.

C.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Fol36 gendes hin: I. Das „uneigentliche Organisationsdelikt“ des Betruges umfasst alle Ein-
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zelakte, die infolge des dem mittelbaren Täter zurechenbaren Organisationsakts verursacht wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341 f.). Der Beginn einer Verjährung der Strafverfolgung wegen Betruges be38 stimmt sich nach dem Zeitpunkt der Erlangung des Vermögensvorteils (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2015 – 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42). Bei einer tatbestandlichen Handlungseinheit beginnt die Verjährungsfrist nach deren Beendigung; es bestehen keine gesonderten Fristen für die Verjährung von unselbständigen Einzelakten (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 78a Rn. 6; Schönke/Schröder/Bosch/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 78a Rn. 9/10; NK/Saliger, StGB, 4. Aufl., § 78a Rn. 32 f.; LK/Schmid, StGB, 12. Aufl., § 78a Rn. 13; a.A. SK-StGB/Wolter, StGB, 9. Aufl., § 78a Rn. 11). II. Die Verjährungsfrist für die Insolvenzverschleppung beträgt fünf Jahre
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(§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB); absolute Verjährung (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) tritt nach zehn Jahren ein. Die Frist für die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78a Satz 1 StGB). Dieser Zeitpunkt ist den Urteilsgründen nicht ge- nau zu entnehmen. Die Verjährung beginnt beim Unterlassen einer Insolvenzanmeldung erst dann, wenn die Pflicht erlischt, die Eröffnung des Verfahrens zu beantragen (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 380). Das ist, wenn die Handlungspflicht innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen ist, nicht stets schon bei deren Ablauf der Fall. Jedoch entfällt die Pflicht, wenn die Überschuldung überwunden wird. Ob und gegebenenfalls wann dies der Fall gewesen ist, bleibt in den Urteilsgründen unklar. Krehl Eschelbach RiBGH Zeng und Ri'nBGH Dr. Bartel sind an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Wimmer

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 665/12
vom
21. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 18. September 2012 mit den zugrundeliegenden
Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer
tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen und formellen Rechts gestützten Revision. Im Hinblick auf die Rüge der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Da bereits die Sachrüge zum vollen Erfolg des Rechtsmittels führt, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen nicht mehr.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war Vorstand der T. . Bei der T. handelte es sich um die Muttergesellschaft eines Konzerns, unter deren Kontrolle mehrere Tochtergesellschaften standen. Hauptaktionär der T. war die A. AG (im Folgenden: A. ), deren Geschäftszweck in der Sanierung und dem anschließenden Verkauf von Gesellschaften bestand. Anfang 2007 hatte die T. 90 Prozent der Gesellschaftsanteile an der C. GmbH (im Folgenden: C. ) erworben.
4
Die wirtschaftliche Lage des T. -Konzerns war schlecht. Die Mutter- gesellschaft und „ihre Töchter hätten in 2009 Insolvenzantrag stellen müssen, sofern die A. AG nicht bereit gewesen wäre, Geld einzuschie- ßen“. Dies wolltedie liquide A. aber nicht im erforderlichen Umfang, sie wollte vielmehr nur eine „bilanzielle Überschuldung verhindern“, um den gesamten T. -Konzern bis zum Verkauf an einen Investor am Leben zu erhalten. Ein Investor wurde schließlich im Sommer 2009 gefunden; am 17. Juli 2009 erfolgte die Veräußerung der von der A. gehaltenen Geschäftsanteile an der T. an russische Privatpersonen. Mit diesem Tag trat der Angeklagte von allen Ämtern bei der T. und der C. zurück.
5
Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der C. am 18. Februar 2009 war in Anwesenheit des Angeklagten seine Bestellung zum Geschäftsführer - er war bereits Geschäftsführer der weiteren T. -Tochter CO. - beschlossen worden. Die Bestellung sollte mit der förmlichen Annahme vollzogen werden. Hierzu kam es aber in Folge nicht. Bis zur Annahme war dem Angeklagten eine uneingeschränkte Generalvollmacht nach § 54 HGB erteilt worden. Das Vorgehen sollte der engmaschigen Kontrolle des Geschäftsführers S. durch die T. dienen. Nachdem am 17. April 2009 S.
verstorben war, agierte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der C. .
6
Sämtliche Einkäufe und Zahlungen durch die C. wurden durch ihn genehmigt. Obwohl er wusste, dass die Mittel der C. nicht reichten, um sämtliche von ihr getätigten Bestellungen zu bezahlen, genehmigte er Bestellungen bei dem Lieferanten Al. am 5., 6., 7., 12., 15., 19., 26., 28. und 29. Mai sowie am 2., 3., 4., 5., 9., 10., 12. und 16. Juni 2009 in Höhe von insge- samt 76.998,17 € und am 13. Mai 2009 bei dem Lieferanten AO. in Höhe von 60.509 €. Am 7. Juli 2009 unterbreitete der Angeklagte der Al. einen Ra- tenzahlungsvorschlag, Zahlungen erfolgten jedoch nicht.
7
Die finanziellen Verhältnisse der C. waren angespannt, die vorhan- denen Mittel „reichten nicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen“. Spätes- tens ab Ende April 2009 war die C. „zahlungsunfähig“, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Er stellte dennoch zunächst keinen Insolvenzantrag. Er konnte darauf hoffen, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe finanzielle Un- terstützung der Hauptgesellschafterin A. zu erlangen“. Eine Gewähr hierfür hatte er nicht. Insolvenzantrag stellte er erst am 4. August 2009, nachdem die russischen Investoren nicht bereit waren, Geld für den T. -Konzern zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren wurde am 1. Oktober 2009 eröffnet.
8
2. a) Das Landgericht hat den Straftatbestand des § 15a Abs. 4 InsO zugrunde gelegt und die Verpflichtung des Angeklagten zur Stellung des Insolvenzantrags aus § 15a Abs. 1 und Abs. 3 InsO abgeleitet. Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der C. hat es auf folgende Überlegungen gestützt:
9
Eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen Mittel im Rahmen eines Finanzplanschemas sei nicht möglich, da die Zahlen aus der Buchhaltung nicht richtig sein könnten. Die in der Summen- und Saldenliste ausgewiesenen Forderungen gegen Dritte könnten nicht richtig sein, da sie mit den zweifellos gegebenen Zahlungsschwierigkeiten der C. nicht in Einklang zu bringen seien. Vielmehr spreche das umgehende Eintreiben von Außenständen gegen das Bestehen von werthaltigen Forderungen gegenüber Dritten in Höhe von mehr als 1 Mio. €.
10
Daher sei auf die „sogenannte wirtschaftskriminalistische Methode“ abzustellen. Schon da im April 2009 „offene Verbindlichkeiten“ bestanden hätten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien, sei „im Hinblick auf BGH, Az.: IXZR 228/03 vom 12.10.2006, von Zahlungsunfähigkeit der C. auszugehen“. Maßgeblich sei zudem, dass das Geld nicht ausgereicht habe, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, was die Zahlungspläne der C. belegten. Freie Kreditlinien hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine schriftliche Anfrage durch den von der Strafkammer hinzugezogenen Sachverständigen an die Gläubiger der C. habe ergeben, dass sich der Schuldenstand von 99.658,06 € im Januar 2009 auf 370.835,68 € im April 2009, auf 590.186,83 € im Mai 2009, auf 630.485,59 € im Juni 2009 und auf 698.165,50 € im Juli 2009 erhöht hätte.
11
b) Die Strafbarkeit wegen Betruges hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte spätestens ab April 2009 um die Insolvenzlage der C. gewusst bzw. damit ernsthaft gerechnet habe. Dennoch habe er die Einkäufe jeweils genehmigt. Dies sei „strafbar im Rahmen eines sogenannten Organisationsdelikts“.

II.


12
Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die strafbewehrte Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht legt insoweit einen falschen Maßstab zugrunde; davon ausgehend sind seine Feststellungen auch lückenhaft bzw. nicht nachvollziehbar.
13
1. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2007 - 1 StR 88/07, BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsfähigkeit 2 mwN).
14
Die Feststellung derselben erfolgt in der Regel durch die sogenannte betriebswirtschaftliche Methode. Dies setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus (BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546). Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung , aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben (vgl. hierzu im Einzelnen Graf/Jäger/Wittig-Otte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2011, § 15a InsO Rn. 65 f. mwN).
15
Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO kann aber auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154). Als wirtschaftskriminalistische Warnzeichen kommen u.a. in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche , Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. zu den Krisensignalen im Einzelnen auch Achenbach/Ransiek-Wegner, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 7. Teil 1. Kap. Rn. 93; Otte, aaO Rn. 68 mwN).
16
2. Hieran gemessen tragen die Urteilsausführungen die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht.
17
a) Soweit die Strafkammer als ausschlaggebendes wirtschaftskriminalistisches Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit wertet, dass im fraglichen Zeitraum Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, liegt dem ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Denn es handelt sich insoweit um die Grundsätze zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Tatrichter bei Insolvenzanfechtung. Denn dies stellt ein Ver- fahren dar, welches auf eine rückblickende Betrachtung unter Berücksichtigung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - etwa im Hinblick auf die Verbindlichkeiten - zurückgreifen kann, mithin auf eine prognostische Beurteilung gerade nicht angewiesen ist. Anders verhält es sich aber bei der Frage, ob eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO besteht, da nach den oben dargelegten Maßstäben insoweit eine prognostische Beurteilung erforderlich ist. Auf diesen Unterschied weist der Bundesgerichtshof in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung ausdrücklich hin (BGH, Urteil vom 12. Oktober2006 - IX ZR 228/03 Rn. 28).
18
Dass im Tatzeitraum „offene Verbindlichkeiten“ bestanden, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2009 noch nicht beglichen worden waren, ist daher kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Annahme des zeitlich vorgelagerten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.
19
Auch im Weiteren sind keine ausreichend tragfähigen Beweisanzeichen für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit dargelegt. Zwar kann es sich bei Kredit - und Darlehenskündigungen von Banken um ein Krisensignal handeln, die Kündigung des Darlehens in Höhe von 172.129,21 € durch die D. Bank mit Schreiben vom 10. Juni 2009 ist jedoch für sich genommen nicht hinlänglich aussagekräftig, zumal offen bleibt, ob die Forderung beglichen worden ist. Auch ist es nicht ausreichend, dass das Landgericht darlegt, die wirtschaftliche Lage sei „angespannt“ gewesen, Außenstände seien sofort eingetrieben wordenund „das Geld“ hättejedenfalls seit April 2009 nicht ausgereicht, „sämtliche Gläubiger der C. zu befriedigen“.
20
b) Soweit das Landgericht Ausführungen zu Verbindlichkeiten derC. und ihren Möglichkeiten zur Begleichung derselben macht - was jedoch der Sache nach unter die betriebswirtschaftliche Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit fällt - boten die Feststellungen aber ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit.
21
aa) Dies gilt schon deswegen, weil die Strafkammer bei der Darstellung der Verbindlichkeiten nicht deutlich danach unterscheidet, ob es sich um nur bestehende oder auch um fällige Forderungen handelt.
22
So ist nicht festgestellt, welche konkreten fälligen Forderungen bestanden , die nicht beglichen werden konnten. Die Feststellung, dass nicht „sämtliche Gläubiger“ hätten befriedigt werden können, ersetzt das Erfordernis einer Liquiditätsbilanz nicht. So belegt der von der Strafkammer ihrer Annahme der Zahlungsunfähigkeit zugrunde gelegte Zahlungsplan vom 8. Juni 2009 gerade nicht ausreichend, dass fällige Forderungen nicht beglichen werden konnten. Danach standen der C. an diesem Tag aus dem Eingang von Zahlungen 130.000 € zur Verfügung. Diese wurden aufgewandt, um mehrere fällige Ver- bindlichkeiten in Höhe von insgesamt 111.000 € zu begleichen. Zu einer dieser Teilforderungen in Höhe von 10.000 € ist vermerkt: „Gesamt OP ca. 90.000 €“. Hieraus folgert das Landgericht als Beleg für die Zahlungsunfähigkeit, dass zu- sätzlich zu den 111.000 € weitere 90.000 € nicht beglichen werden konnten. Dass es sich bei diesen 90.000 € um schon fällige und noch nicht - wiez.B. durch die Teilzahlung von 10.000 € - zumindest teilweise beglichene Forderungen handelte, ist dadurch jedoch nicht belegt. Dies - insbesondere im Zusammenhang mit der Zugrundelegung des falschen Maßstabs (vgl. oben a) - vertieft die Besorgnis, dass das Landgericht den Aspekt der Fälligkeit im Tatzeitraum nicht ausreichend in den Blick genommen und bestehende Forderungen mit fälligen Forderungen gleich gesetzt hat.
23
Vor diesem Hintergrund vermag auch die vereinzelte Feststellung, es habe sich bei der dargestellten Entwicklung der Schulden um „fällige Schulden“ gehandelt, die Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend sicher zu belegen. Diesen Feststellungen mangelt es zum einen an einer nachvollziehbaren Grundlage. Hierzu wird nur mitgeteilt, dass die Zahlen aus einer schriftlichen Anfrage an die Gläubiger der C. durch den Sachverständigen resultierten. Unklar bleibt jedoch, was genau Inhalt dieser Anfrage war und ob die von den Gläubigern angegebenen Forderungen tatsächlich den Schluss auf die Fälligkeit derselben im Tatzeitraum und nicht lediglich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulassen. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob eine Stundung (vgl. hierzu Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 76 Rn. 57 mwN) erfolgte, was angesichts der Feststellungen zumindest teilweise - z.B. hinsichtlich der Gläubiger CO. und Al. - durchaus nahe liegt, jedoch vom unzutreffenden Rechtsmaßstab der Strafkammer aus keine weitere Erörterung erfuhr. Bei gestundeten Forderungen handelt es sich aber nicht um fällige Forderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO.
24
Einen Vergleich der dergestalt „angemeldeten“ Forderungen,die nur in ihrer jeweiligen monatlichen Gesamthöhe mitgeteilt werden und eine weitere Spezifizierung vermissen lassen, mit den Erkenntnissen aus den Insolvenzunterlagen oder den Zahlen aus der Buchhaltung hat das Landgericht nicht angestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, zumal die vom Landgericht dargelegten Erkenntnisschwächen der Buchhaltungsunterlagen nicht auf Verbindlichkeiten der C. selbst bezogen sind.
25
bb) Zudem sind die Feststellungen zu den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln nicht ausreichend. Als solche kommen nämlich gemäß den oben dargelegten Grundsätzen nicht nur „freie Kreditlinien“ in Betracht, sondern auch anderweitige kurzfristig herbeizuschaffende Finanzmittel.
26
Deswegen hätte in diesem Zusammenhang erörtert werden müssen, dass ausweislich der Feststellungen zwei Bankkonten im gesamten Tatzeitraum noch relevantes Guthaben aufwiesen, so das Konto bei der Sp. und das bei der H. , welche zusammengenommen ein Guthaben von über 180.000 € im Mai 2009 und von über 160.000 €im Juni 2009 aufwiesen. Zudem wäre in die Betrachtung einzubeziehen gewesen, mit welchen Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der C. hinreichend sicher stichtagsbezogen zu rechnen war. Denn das Landgericht stellt schließlich fest, dass werthaltige Forderungen gegen Kunden der C. in einer Höhe von bis zu 1 Mio. € nicht auszuschließen seien. Auch die Umstände, unter denen die A. bereit gewesen wäre, Finanzmittel für die C. zur Verfügung zu stellen („zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung“, „im ‚Notfall‘“, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe“)wären näher aufzuklären und die gegebenenfalls so ermittelten Beträge in die Gegenüberstellung einzubeziehen gewesen.

III.


27
Da die Zahlungsunfähigkeit der C. nicht ausreichend belegt ist, die Feststellungen zum Betrug aber hieran anknüpfen, war die Verurteilung auch insoweit mit den Feststellungen aufzuheben. Sollte das neue Tatgericht sich abermals davon überzeugen, dass die Bestellungen durch den Angeklagten in der festgestellten Weise, mithin durch die jeweilige Genehmigung der Bestellungen betrügerisch erfolgten, so handelt es sich nicht um die Begehung eines einheitlichen Delikts, sondern um mehrere selbständige Betrugstaten.

IV.


28
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubeurteilung zu ermöglichen , hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf, auch wenn diejenigen zur faktischen Geschäftsführerschaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 1 StR 459/12, wistra 2013, 272) für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen sind.
29
Das neue Tatgericht wird insbesondere aufzuklären haben, inwieweit die T. zur Nachschießung von finanziellen Mitteln an die C. verpflichtet und hierzu unter Berücksichtigung der 1 Mio. €, die im April bzw. Mai 2009 von der A. an die T. geflossen ist, in der Lage war. Aufzuklären sein wird auch, ob und unter welchen Bedingungen die liquide A. zu Zahlungen bereit bzw. verpflichtet war. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 InsO auf den Antrag des Generalbundesanwalts hin.
Wahl Graf Jäger
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 1 8 / 1 4
vom
23. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Bankrottes u.a.
zu 2.: Betruges u.a.
zu 3.: Betruges u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten Am. und M.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 23. Juli
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog, § 357 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten M. und Am. wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 16. Juni 2014,
a) soweit es den Angeklagten M. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte schuldig ist des Betruges in drei Fällen, der Insolvenzverschleppung, des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in vier Fällen sowie des Bankrotts, bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen III. 2. b) cc) (1)-(2), III. 2. b) dd) (1)-(2), III. 3. b)-c) und III. 4. a)-b) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe;
b) soweit es die Angeklagte Am. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass die Angeklagte schuldig ist der Beihilfe zum Betrug, der Insolvenzverschleppung, des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in drei Fällen sowie des Bankrotts, bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen III. 3. a)-c) und III. 4. a)-b) der Urteilsgründe, über die Gesamtstrafe sowie über die Kompensation wegen Verfahrensverzögerung ;
c) soweit es den Mitangeklagten G. betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Mitangeklagte schuldig ist des Betruges, der Beihilfe zum Betrug, der Insolvenzverschleppung, des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in drei Fällen sowie des Bankrotts , bb) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen III. 3. a)-c) der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freispruch im Übrigen wegen Betruges in fünf Fällen, vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie vorsätzlichen Bankrotts in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Untreue , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und bestimmt, dass drei Monate der Strafe als bereits vollstreckt gelten. Die Angeklagte Am. hat es der Beihilfe zum Betrug, der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung sowie des vorsätzlichen Bankrotts in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Untreue schuldig gesprochen und gegen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und dahin erkannt, dass zwei Monate als bereits vollstreckt gelten. Den nicht revidierenden Mitangeklagten G. hat die Strafkammer wegen Betruges, Beihilfe zum Betrug, Insolvenzverschleppung sowie vorsätzlichen Bankrotts in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Untreue, zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt und ebenfalls eine Kompensationsentscheidung getroffen. Die Revisionsführer wenden sich gegen ihre Verurteilungen mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Revision des Angeklagten M.
3
1. Der Schuldspruch weist mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. auf, soweit dieser wegen Betruges in fünf Fällen sowie wegen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue in fünf Fällen verurteilt worden ist. Im Einzelnen:
4
a) In den Fällen III. 2. b) cc) [S. GmbH] und dd) [h. GmbH & Co. KG] der Urteilsgründe täuschte der Angeklagte zu verschiedenen Zeitpunkten die jeweiligen Vertreter der geschädigten Gesellschaften vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht handelnd über die Leistungsfähigkeit der A. GmbH (im Folgenden: A. ) als Verkäuferin von Solarmodulen und erwirkte hierdurch jeweils den Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages. Die S. GmbH zahlte als Käuferin auf eine erstellte Ab- schlagsrechnung zunächst 26.850,51 € und - nach weiteren bewussten Falsch- angaben des Angeklagten - auf eine zweite Abschlagsrechnung weitere 61.830,08 €. Im Fall h. GmbH& Co. KG leistete die getäuschte Käuferin auf eine erstellte Abschlagsrechnung zunächst eine Anzahlung in Höhe von 58.152,91 € und- ebenfalls nach einer weiteren Täuschung durch den Angeklagten - später auch den Restkaufpreis in Höhe von 135.690,12 €. Beide Verträge erfüllte die A. in der Folgezeit nicht.
5
Hiernach hat sich der Angeklagte nicht wegen vier, sondern nur wegen zwei tatmehrheitlich zueinander stehender Taten des Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Mehrere Handlungen während eines Gesamtablaufs, die ebenso wie die erste Täuschung nur auf die Herbeiführung des vom Täter von vornherein ins Auge gefassten endgültigen Erfüllungsschadens gerichtet sind, haben rechtlich keine selbständige Bedeutung, mag sich der Erfüllungsschaden auch nur in Etappen realisieren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 1998 - 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999, 110; vom 21. November 2001 - 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 168). So liegt der Fall hier. Das Vermögen der Geschädigten war bereits durch den jeweiligen Vertragsabschluss geschädigt worden. Mit der Erbringung der versprochenen Leistung in jeweils zwei Raten (Erfüllungsschaden) materialisierte sich der zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertragli- chen Ansprüche zu bestimmende Schaden und bemaß sich - wie vom Landgericht zutreffend angenommen - nach deren vollen wirtschaftlichen Wert, da die Gegenleistung völlig ausblieb (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, StraFo 2011, 238, 239; vom 14. April 2011 - 2 StR 616/10, NStZ 2011, 638, 639; Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, NStZ 2015, 89, 91).
6
b) Auch in den Fällen III. 3. a)-c) der Urteilsgründe (Zahlungen zum Vorteil der P. GmbH) hält die konkurrenzrechtliche Beurteilung durch das Landgericht, das drei selbständige Taten des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue angenommen hat, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Bei einer Deliktsserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Beteiligter selbst nicht unmittelbar mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten "Geschäftsbetriebes", sind diese Tathandlungen als uneigentliches Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen. Als rechtlich selbständige Taten können dem Mittäter - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - nur solche Einzeltaten der Serie zugerechnet werden, für die er einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag leistet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2014 - 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334; vom 17. September 2013 - 3 StR 259/13, juris Rn. 3).
7
Nach diesen Maßstäben liegen in den Fällen III. 3. a)-c) der Urteilsgründe nur zwei Taten des Angeklagten vor: Die Strafkammer hat lediglich mit der von dem Angeklagten M. durchgeführten Überweisung vom 19. Mai 2008 einen individualisierten, nur diese Einzeltat [Fall III. 3. a) der Urteilsgründe] för- dernden Tatbeitrag dieses Angeklagten festgestellt. Im Übrigen hat sie keine Feststellungen dahin getroffen, welcher der Angeklagten den gemeinsam gefassten Tatentschluss hinsichtlich der im Einzelnen dargestellten Zahlungen zum Vorteil der P. GmbH jeweils umsetzte. Der Beitrag desAngeklagten erschöpfte sich insoweit neben seiner Mitwirkung an der Tatabrede darin, dass er sich weiter um die Kundenakquise kümmerte und hierdurch half, den Geschäftsbetrieb der A. , aus dem heraus die Zahlungen zu Gunsten der P. GmbH getätigt wurden, aufrecht zu erhalten. Zu dem durch die Überweisung vom 19. Mai 2008 verwirklichten Delikt des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue tritt somit lediglich eine weitere Tat des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue als uneigentliches Organisationdelikt hinzu.
8
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO (KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 354 Rn. 15 mwN) ab. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die eine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung tragen. Zusammen mit Fall III. 2. b) "cc)" (richtig "ee"), Fall 17 der Anklage) der Urteilsgründe ergeben sich insgesamt drei selbständige Delikte des Betruges und mit den Fällen III. 4. a)-b) vier Fälle des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue. § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Bei der Neufassung des Schuldspruchs hatte die Bezeichnung des Bankrotts und der Insolvenzverschleppung als "vorsätzlich" zu entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 1992 - 3 StR 61/92, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung

7).


9
2. Zum Strafausspruch gilt:
10
a) Die Änderung der Konkurrenzverhältnisse führt zum Wegfall der für die Fälle III. 2. b) cc) (1)-(2) und dd) (1)-(2) sowie für die Fälle III. 3. b) und c) der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen. Die im Fall II. 3. a) festgesetzte Einzelstrafe kann bestehen bleiben, weil sie angesichts des von der Kammer festgestellten individualisierten Tatbeitrages des Angeklagten von dem Rechtsfehler nicht betroffen ist.
11
b) Keinen Bestand haben auch die Einzelstrafen für die Fälle III. 4. a) und b) der Urteilsgründe (Darlehensgewährung an die AngeklagtenM. und G. ). Die Strafkammer hat insoweit das Vorliegen besonders schwerer Fälle gemäß § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB mit der Erwägung bejaht, dass der Angeklagte bei beiden Taten gewerbsmäßig gehandelt habe. Diese Annahme tragen die Urteilsgründe nicht. Gewerbsmäßig handelt, wer sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen will (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282). Zu der hiernach erforderlichen Wiederholungsabsicht verhalten sich die Urteilsgründe - auch im Gesamtzusammenhang des Urteils - nicht.
12
c) Die Aufhebung der vorstehend genannten Einzelstrafen entzieht auch dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
13
3. Im Übrigen hat die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. ergeben. Der näheren Erörterung bedarf nur Folgendes:
14
a) Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte wegen Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO strafbar gemacht hat.
15
aa) Nach den diesbezüglichen Feststellungen waren die Angeklagten und der nicht revidierende Mitangeklagte G. Geschäftsführer und Gesellschafter der A. . Ab Dezember 2007 kam es mangels Deckung der auf Guthabenbasis geführten Geschäftskonten zu näher dargestellten Rückbuchungen in Höhe von insgesamt 12.716,77 €. Am 31. Dezember 2007 betrug "das Ver- mögen derA. … 177.753,42 €", während sich "die Schulden auf 275.279,57 €" beliefen, "so dass sich ein negatives Reinvermögen und damit eine rechnerische Überschuldung in Höhe von 97.526,15 € ergaben. Zu diesem Zeitpunkt wussten die Angeklagten zumindest, dass die A. ihre fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen konnte." In der Folgezeit besserte sich die Situation nicht. Mit Versäumnisurteil vom 2. Januar 2008 titulierte das Landgericht Traunstein gegen die A. einen Zahlungsanspruch in Höhe von 63.592,89 €, es folgten weitere - in den Urteilsgründen näher dargelegte - Rückbuchungen, eine Kontenpfändung seitens des Finanzamtes, die Anmahnung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für die Monate August bis Oktober 2007 sowie am 18. April 2008 eine erneute Pfändungsandrohung durch das Finanzamt. In der Gesellschafterversammlung vom 27. April 2008 beschlossen die Angeklagten mit dem Mitangeklagten G. , dass die vollen Geschäftsführer-Gehälter zunächst nur noch anteilsmäßig gezahlt würden, wenn Geld auf dem Firmenkonto vorhanden sei. Einen Insolvenzantrag stellten die Angeklagten nicht; erst am 13. Januar 2009 wurde das Insolvenzverfahren aufgrund des Insolvenzantrags einer Gläubigerin eingeleitet.
16
bb) Diese Feststellungen belegen entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht, dass die A. bereits zum 31. Dezember 2007 zahlungsunfähig oder überschuldet im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO war.
17
Zahlungsunfähigkeit liegt gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Sie ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits festzustellen (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 547, sog. betriebswirtschaftliche Methode). Eine derartige Gegenüberstellung enthält das Urteil nicht. Soweit dort die am 31. Dezember 2007 bestehenden "Schulden" dem "Vermögen" der A. gegenübergestellt werden, lässt sich - auch im Gesamtzusammenhang des Urteils - nicht erkennen, dass hiermit ausschließlich fällige Verbindlichkeiten gemeint waren.
18
Die Zahlungsunfähigkeit kann zwar auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (sog. wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 156). Als solche kommen unter anderem in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen , gescheiterte Vollstreckungsversuche, Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12, BGHR InsO § 15a Abs. 4 Zahlungsunfähigkeit 1; G/J/W/Otte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 15a InsO Rn. 68 mwN). Auch aufgrund derartiger Indizien lässt sich anhand der Urteilsgründe aber nicht nachvollziehen, dass die A. zum 31. Dezember 2007 zahlungsunfähig war. Festgestellt sind bis zu diesem Tag nur Rückbu- chungen in Höhe von insgesamt 12.716,77 € und eine- durch ein zwei Tage später ergangenes Versäumnisurteil titulierte - Verbindlichkeit in Höhe von 63.592,84 €. Diesen Schulden stand jedoch ein Vermögen in Höhe von 177.753,42 € gegenüber. Angesichts dessen versteht es sich nicht von selbst, dass keine Finanzmittel zur Tilgung der fälligen Verbindlichkeiten bereitstanden , was daher der näheren Begründung bedurft hätte.
19
Auch eine Überschuldung der A. zum 31. Dezember 2007 lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Diese liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt. Um sie zu ermitteln , bedarf es eines Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546, 547). Eine solche bilanzielle Darstellung des Überschuldungsstatus enthalten die Urteilsgründe nicht. Darüber hinaus ist hinsichtlich der Tatbestandsalternative der Überschuldung auch ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten nicht festgestellt.
20
cc) Die Urteilsgründe belegen aber eine Zahlungsunfähigkeit der A. jedenfalls zum 27. April 2008. Neben den bereits dargestellten Krisensignalen sind insoweit weitere Rückbuchungen in Höhe von mindestens 15.945,45 €, eine Kontenpfändung in Höhe von 7.695,58 € und eine weitere Pfändungsan- drohung seitens des Finanzamtes in die Bewertung einzustellen, die schließlich in dem Gesellschafterbeschluss vom 27. April 2008 mündeten, wonach die Gehälter für die Geschäftsführung nur noch dann anteilsmäßig ausgezahlt werden sollten, soweit die - auf Guthabenbasis geführten - Gesellschaftskonten entsprechende Guthaben auswiesen. In einer Gesamtschau belegen diese Beweisanzeichen sicher, dass die A. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage war, ihre fälligen Verbindlichkeiten kurzfristig zu erfüllen. Soweit die Urteilsgründe an anderer Stelle Zahlungseingänge vom 25. April 2008 (UA S. 19) und vom 30. April 2008 (UA S. 13) in fünf- und sechsstelliger Höhe ausweisen, sind diese nicht geeignet, die Indizwirkung der aufgeführten Beweisanzeichen zu entkräften. Da es sich hierbei um - rechtsfehlerfrei festgestellte - betrügerisch erwirkte Vorauszahlungen der Kunden der A. handelte, bestanden insoweit bereits mit der Zahlung fällige Rückzahlungsansprüche (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB) in entsprechender Höhe.
21
dd) Soweit entgegen der Auffassung des Landgerichts für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nicht bereits auf den 31. Dezember 2007, sondern auf den 27. April 2008 abgestellt wird, steht § 265 StPO dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den so gefassten Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können; insbesondere hat die Strafkammer eine vom 31. Dezember 2007 an durchgängig bestehende Zahlungsunfähigkeit angenommen und sich insoweit auch mit Angaben des Angeklagten zu wirtschaftlichen Vorgängen auseinandergesetzt, die zeitlich nach dem 27. April 2008 lagen ("5-Megawatt-Deal").
22
ee) Auch der Strafausspruch bleibt unberührt. Soweit die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Insolvenzantrag "über einen langen Zeitraum" nicht gestellt worden ist, trägt diese Erwägung auch hinsichtlich des 27. Aprils 2008 als maßgeblichem Stichtag für die Zahlungsunfähigkeit.
23

b) Die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Schuld- und Strafausspruches nicht erfasst (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, NStZ 2010, 531, 532).
24
Sie ist auch nicht deshalb aufzuheben, weil sich das Landgericht bei der Bemessung der Kompensation rechtsfehlerhaft an der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe orientiert hat. Die im Wege des sog. Vollstreckungsmodells vorzunehmende Kompensation koppelt den Ausgleich für das erlittene Verfahrensunrecht von Fragen des Tatunrechts, der Schuld und der Strafhöhe ab. Der Ausgleich für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt eine rein am Entschädigungsgedanken orientierte eigene Rechtsfolge neben der Strafzumessung dar. Sie richtet sich nicht nach der Höhe der Strafe. Auch das Gewicht der Tat und das Maß der Schuld spielen weder für die Frage, ob das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, noch für Art und Umfang der zu gewährenden Kompensation eine Rolle (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316, 317 mwN; vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 138). Der Senat kann aber ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des richtigen Maßstabs auf eine noch höhere Kompensation als drei Monate entschieden hätte.
25
II. Revision der Angeklagten Am.
26
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle III. 3. a)-c) der Urteilsgründe (Taten zum Vorteil der P. GmbH) durch das Landgericht als drei selbständige Delikte des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue erweist sich auch hinsichtlich der Angeklagten Am. aus den zur Revision des Angeklagten M. dargestellten Gründen als rechtsfehlerhaft. Da die Strafkammer keine nur jeweils eine Einzeltat fördernden Tatbeiträge der Angeklagten Am. festge- stellt hat, ist die - im Übrigen rechtsfehlerfrei festgestellte - mittäterschaftliche Mitwirkung der Angeklagten Am. hinsichtlich der Zahlungen zu Gunsten der P. GmbH nach den im Rahmen der Revision des Angeklagten M. dargestellten Maßstäben zum uneigentlichen Organisationsdelikt als eine Tat zu werten.
27
Der Schuldspruch war entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern. Der Senat kann ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen zu individualisierten Tatbeiträgen der Angeklagten Am. möglich wären. Zusammen mit den Fällen III. 4. a) und b) der Urteilsgründe ergeben sich insgesamt drei Fälle des Bankrotts in Tateinheit mit Untreue. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da sich die Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
28
2. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses führt zum Wegfall der in den Fällen III. 3. a) bis c) festgesetzten Einzelstrafen.
29
Aufzuheben sind darüber hinaus die in den Fällen III. 4. a) und b) der Urteilsgründe (Darlehensgewährung an die Angeklagten M. und G. ) verhängten Einzelstrafen. Die Strafkammer ist bei der Strafrahmenwahl vom Vorliegen besonders schwerer Fälle gemäß § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen. Wie bereits dargelegt, handelt gewerbsmäßig, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will. Die Gewerbsmäßigkeit setzt dabei stets eigennütziges Handeln und damit einen vom Täter erstrebten Zufluss von Vermögensvorteilen an sich selbst voraus; es genügt daher nicht, wenn eine Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll (BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215; vom 19. De- zember 2007 - 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282). Dass die AngeklagteAm. aus den Darlehensgewährungen der A. an den Angeklagten M. und den Mitangeklagten G. eigene finanzielle Vorteile gezogen hat oder ziehen wollte, ist nicht festgestellt. Daneben belegen die Urteilsgründe auch nicht, dass die Angeklagte Am. mit der erforderlichen Wiederholungsabsicht handelte.
30
Auch wenn das Landgericht im Rahmen der konkreten Strafzumessung mildernd zu Gunsten der Angeklagten Am. bedacht hat, dass diese von den Darlehen nicht selbst profitierte, kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des Regelstrafrahmens auf eine mildere Rechtsfolge erkannt hätte.
31
Der Wegfall der genannten Einzelstrafen entzieht auch dem Ausspruch über die Gesamtstrafe die Grundlage.
32
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Gewerbsmäßigkeit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist. Der Beteiligte, bei dem sie fehlt, kann daher nicht allein deshalb nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB bestraft werden, weil andere Mittäter gewerbsmäßig gehandelt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - 4 StR 584/13, StraFo 2014, 215).
33
3. Die Kompensationsentscheidung des Landgerichts kann keinen Bestand haben. Die Strafkammer hat den Ausgleich für die festgestellten Verfahrensverzögerungen auch bei der Angeklagten Am. unter Berücksichtigung der konkreten Höhe der verhängten Freiheitsstrafen bestimmt. Dies ist aus den zur Revision des Angeklagten M. dargelegten Gründen rechtsfehlerhaft. Es ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung der zutreffenden Maßstäbe zu einer der Angeklagten Am. günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
34
4. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg. Insbesondere hält auch der Schuldspruch wegen Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat nimmt insoweit auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Revision des Angeklagten M. Bezug.
35
III. Nach § 357 StPO ist die Entscheidung im Hinblick auf die fehlerhafte konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle III. 3. a)-c) der Urteilsgründe auf den Mitangeklagten G. zu erstrecken, da insoweit Schuld- und Strafausspruch auf demselben sachlich-rechlichen Mangel (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04, NJW 2005, 374, 376) beruhen.
36
Im Übrigen scheidet eine Erstreckung aus: Hinsichtlich der rechtsfehlerhaften Annahme eines gewerbsmäßigen Handelns im Rahmen der Fälle III. 4. a)-b) der Urteilsgründe handelt es sich um einen Darstellungsmangel der Strafzumessung , der bei dem Mitangeklagten G. aufgrund derErleichterungen des § 267 Abs. 4 StPO (vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 137) nicht gegeben ist. Bei der fehlerhaften Bestimmung der Kompensation kommt eine direkte oder analoge Anwendung von § 357 StPO schließlich ebenfalls nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 4 StR 364/08, NJW 2009, 307, 308 mwN). Becker Hubert Schäfer RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Mayer Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 538/17
vom
12. April 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:120418B5STR538.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. Juni 2017
a) im Fall 6 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin abgeändert , dass der Angeklagte der Verletzung der Buchführungspflicht schuldig ist,
b) in den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in drei Fällen, wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung , wegen Betruges und wegen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Entgegen der Auffassung der Revision liegt dem Verfahren auch bezüglich der in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe abgeurteilten Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt eine wirksame Anklageschrift und – daran anknüpfend – ein wirksamer Eröffnungsbeschluss der Wirtschaftsstraf- kammer zugrunde.
3
Die ursprünglich dem Amtsgericht – Strafrichter – vorgelegte Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 7. August 2015 wird ihrer Umgrenzungsfunktion gerecht. Denn die Beschäftigung des in der Anklage nicht benannten Arbeitnehmers S. lag in dem von Anklagefall 3 erfassten Tatzeitraum (August 2013); auch diesbezüglich war die Barmer GEK zuständige Einzugsstelle. Bei gleichzeitigem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen für mehrere Arbeitnehmer gegenüber derselben Einzugsstelle liegt aber nur eine Tat vor (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2007 – 1 StR 639/06, StraFo 2007, 342; LK-Möhrenschlager, 12. Aufl. § 266a Rn. 108). Für diese Tat – wie auch für die in den Fällen 1 und 2 abgeurteilten Taten (Juni und Juli 2013) – teilt der Anklagesatz die Stellung des Angeklagten als Arbeitgeber, seinen Geschäftsort, die Einzugsstelle und die dieser gegenüber zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge – aufgeschlüsselt nach Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen – zu konkret bezeichneten Beschäftigungs- und Beitragsmonaten mit. Diese Angaben lassen eine Abgrenzung zu anderen Taten ohne weiteres zu. Für die Erfüllung der Umgrenzungsfunktion der Anklage bedurfte es deshalb weder näherer Angaben zu den Einkünften der einzelnen Arbeitnehmer und zu dem jeweiligen Berechnungssatz für die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge noch einer Differenzierung nach einzelnen Personen bei der Auflistung der Taten, die nach Beschäftigungsmonaten abgegrenzt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2018 – 1 StR 370/17, NJW 2018, 878, 880, und Beschluss vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, wistra 2018, 49, 50, jeweils in Abgrenzung zu OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2013 – 1 Ws 123/13, und OLG Hamm, wistra 2016, 86, 87). Insoweit bestehende Mängel in der Informationsfunktion der Anklageschrift lassen sich im weiteren Verfahren – wie es hier hinsichtlich der nicht gemeldeten Arbeitnehmer, die von der Schadensberechnung erfasst waren, nach dem Revisionsvorbringen auch geschehen ist – durch gerichtliche Hinweise zur Gewährung rechtlichen Gehörs beheben (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 156, und vom 24. Januar 2012 – 1 StR 412/11,BGHSt 57, 88, 91; Beschluss vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, aaO).

II.


4
Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat, dass die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO jedenfalls unbegründet ist. Soweit die Äußerungen der abgelehnten Rich- ter überhaupt dazu geeignet sein sollten, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, ist diese jedenfalls durch die dienstlichen Erklärungen ausgeräumt worden.

III.


5
Die Sachrüge erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
6
1. Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall 6 zu Unrecht wegen Bankrotts verurteilt, da eine der in § 283 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 StGB aufgeführten Tathandlungen nicht festgestellt ist. Insoweit ist dem Landgericht ein Tenorierungsversehen unterlaufen, wie es einleitend in den Entscheidungsgründen (UA S. 6) klargestellt hat. Demgemäß hat es seiner rechtlichen Bewertung der zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Straftatbestand der Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3 b StGB zugrunde gelegt (UA S. 80). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt. Der Einzelstrafausspruch ist von dem Tenorierungsversehen nicht betroffen.
7
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung (Fall 4) und wegen Betruges (Fall 5) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
a) Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
9
aa) Die wirtschaftliche Situation der F. D. U. (haftungsbeschränkt), die durch den Angeklagten als faktischen Ge- schäftsführer geleitet wurde, verschlechterte sich Ende des Jahres 2013, weil mehrere ihrer Ausgangsrechnungen von Auftraggebern wegen geltend gemachter Werkmängel nicht gezahlt wurden. Im späteren Insolvenzverfahren über das Vermögen der Unternehmergesellschaft (UG) wurden Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 20.000 Euro zur Tabelle angemeldet, die bereits Ende Januar 2014 fällig gewesen waren. Obwohl die Gesellschaft aus dem Verkauf einer ihren wesentlichen Vermögenswert darstellenden Immobilie den Kaufpreis von insgesamt 48.000 Euro bis Anfang Februar 2014 in drei Teilzahlungen erhalten hatte, konnte sie ihre Verbindlichkeiten bis zur Insolvenzantragstellung im März 2014 mangels liquider Mittel nicht mehr begleichen. Auch die Löhne für die offiziell gemeldeten Arbeitnehmer wurden nicht mehr bezahlt, sodass für Januar 2014 die Agentur für Arbeit an Insolvenzgeld 6.130 Euro leistete.
10
Der Angeklagte kannte die finanzielle Situation der UG und ihm war bewusst , dass sie Ende Januar 2014 keine ausreichenden liquiden Mittel mehr hatte, um zumindest einen wesentlichen Teil ihrer fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können. Ende Januar 2014 war auch nicht wahrscheinlich, dass der Mangel an liquiden Mitteln kurzfristig behoben werden könnte. Obwohl danach spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Zahlungsunfähigkeit bestanden hatte , unterließ es der Angeklagte, für die Gesellschaft einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Antragstellung erfolgte absichtlich verzögert, um den Sitz bei der erwarteten Insolvenz zunächst von Bad Lauterberg nach München zu verlegen. Der Angeklagte erhoffte sich hierdurch eine „geräuschlosere“ Insolvenz der Gesellschaft. Die als formelle Geschäftsführerin tätige Ehefrau des Angeklagten reichte erst am 12. März 2014 für die UG einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München ein (Tat 4).
11
Trotz ihrer finanziellen Situation beauftragte der Angeklagte für die UG am 7. Februar 2014 die K. GmbH mit der Montage sanitärer Einrichtungen in einer Wohnung in München. Dabei war ihm das hohe Risiko bewusst, dass die in Auftrag gegebenen Leistungen nicht würden bezahlt werden können. Tatsächlich wurde die Rechnung des Sanitärunternehmens vom 24. Februar 2014 über 2.141 Euro von der UG nicht mehr beglichen. Erst im August 2016 zahlte der Angeklagte persönlich 2.200 Euro an die K. GmbH (Tat 5).
12
bb) Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der UG bei Fall 4 hat das Landgericht auf folgende Überlegungen gestützt:
13
Nach Aussage des Insolvenzverwalters habe auf die sich zunächst nach den betriebswirtschaftlichen Auswertungen ergebenden Forderungen in Höhe von rund 52.000 Euro bei seinen Realisierungsversuchen kein einziger der vorgeblichen Schuldner gezahlt. Später habe er lediglich Forderungen in Höhe von 19.700 Euro als noch offen feststellen können. Insoweit seien aber Mängeleinreden erhoben worden oder es habe sonst an der Durchsetzbarkeit gefehlt. Den Forderungen der Gesellschaft hätten zur Tabelle im Insolvenzverfahren angemeldete Forderungen von Gläubigern der Gesellschaft in Höhe von 20.000 Euro gegenüber gestanden, die bis Ende Januar 2014 fällig gewesen seien. Die Verbindlichkeiten seien trotz der Zahlungseingänge aus dem Immobilienverkauf bis zur Insolvenzantragsstellung Mitte März 2014 nicht beglichen worden. Auch die unterbliebenen Gehaltszahlungen in dieser Zeit unterstrichen die desolate Finanzlage der Gesellschaft. Für die Zahlung der für Januar 2014 geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge, die nicht ausschließbar zunächst gestundet gewesen seien, habe ebenfalls kein Geld zur Verfügung gestanden.
Trotz des Zugangs an Liquidität durch den Immobilienverkauf seien auch sie – der Insolvenztabelle zufolge – bis zur Insolvenzeröffnung nicht gezahlt worden.
14
Auch die Strafbarkeit wegen Betruges (Fall 5) hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte um die zu Beginn des Jahres 2014 desolate Finanzlage der UG gewusst habe.
15
b) Die Verurteilung im Fall 4 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 InsO ist nicht tragfähig begründet. Denn das Landgericht hat bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die Pflicht nach § 15a Abs. 1 InsO, einen Insolvenzantrag zu stellen, einen falschen Maßstab angelegt.
16
aa) Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt in der Regel durch die betriebswirtschaftliche Methode. Sie setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus. Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen (BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, 165 mwN). Daneben kann eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO auch durch wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 156; Beschlüsse vom 21. August 2013 – 1StR 665/12, aaO, und vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342). Als solche Warnzeichen kommen beispielsweise in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche sowie die Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten.
17
bb) Hieran gemessen hat die Wirtschaftsstrafkammer bei ihrer rückblickenden Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Anschluss an die Aussage des Insolvenzverwalters unzutreffend darauf abgestellt, dass im fraglichen Zeitraum fällige Verbindlichkeiten der UG bestanden hätten, die bis zu dem – nicht mitgeteilten – Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen worden seien. Damit hat sie den bei der Frage einer Insolvenzantragspflicht geltenden Maßstab verfehlt, nach dem entscheidend ist, ob ein Liquiditätsmangel besteht, mit dessen Beseitigung innerhalb von maximal drei Wochen nicht sicher zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, aaO; siehe auch Urteil vom 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2224 f., abgrenzend zur vereinfachten Feststellung endgültiger Zahlungsunfähigkeit bei der Insolvenzanfechtung).
18
cc) Hierauf beruht auch der Schuldspruch. Denn aus den beweiswürdigenden Ausführungen der Wirtschaftsstrafkammer erschließt sich nicht, weshalb nicht einmal bei den im späteren Verfahren vom Insolvenzverwalter als „noch offen“ festgestellten Forderungen der UG in Höhe von 19.700 Euro eine zumindest teilweise Durchsetzbarkeit bestanden haben sollte und weshalb dies für den Angeklagten bereits im Januar 2014 erkennbar gewesen sein sollte.
19
Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Wirtschaftsstrafkammer dem von ihr als „Notverkauf des ‚Tafelsilbers‘ der Gesellschaft“ gewerteten Im- mobilienverkauf (UA S. 72) indiziellen Beweiswert für und nicht etwa gegen eine schon Ende Januar 2014 bestehende Zahlungsunfähigkeit beigemessen hat. Denn nach den Feststellungen flossen dadurch der Gesellschaft zum Monatswechsel Januar/Februar 2014 in zwei Teilbeträgen insgesamt 43.000 Euro zu. Dieser Liquiditätszuwachs überstieg die Ende Januar 2014 fälligen Verbindlichkeiten in der festgestellten Höhe von rund 20.000 Euro bei weitem, so dass sie bei damit naheliegender Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hätten erfüllt werden können. Der insoweit vom Landgericht in den Blick genommene Umstand, dass der Angeklagte die Verkaufserlöse in der Folgezeit nicht zum Ausgleich dieser Verbindlichkeiten eingesetzt hat, verfehlt erneut den anzulegenden Maßstab und stellt kein taugliches Indiz für einen zeitlich vorgelagerten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dar.
20
c) Da die Zahlungsunfähigkeit der UG mithin nicht ausreichend belegt ist, aber hieran unmittelbar auch die Feststellungen im Fall 5 zu dem am 7. Februar 2014 dem Sanitärunternehmen K. GmbH erteilten Auftrag anknüpfen, war die Verurteilung wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB ebenfalls aufzuheben.
21
d) Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 4 und 5 entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Infolgedessen kam es nicht mehr auf die (mit einem Jahr und sechs Monaten) unzutreffende Angabe der Gesamtstrafenhöhe im Rahmen der Begründung dieser Strafzumessungsentscheidung und die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage an, ob sich dieser Fehler auf die Entscheidung der Wirtschaftsstrafkammer über eine Strafaussetzung zur Bewährung ausgewirkt haben könnte.
Mutzbauer Schneider König
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 665/12
vom
21. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 18. September 2012 mit den zugrundeliegenden
Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer
tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen und formellen Rechts gestützten Revision. Im Hinblick auf die Rüge der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Da bereits die Sachrüge zum vollen Erfolg des Rechtsmittels führt, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen nicht mehr.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war Vorstand der T. . Bei der T. handelte es sich um die Muttergesellschaft eines Konzerns, unter deren Kontrolle mehrere Tochtergesellschaften standen. Hauptaktionär der T. war die A. AG (im Folgenden: A. ), deren Geschäftszweck in der Sanierung und dem anschließenden Verkauf von Gesellschaften bestand. Anfang 2007 hatte die T. 90 Prozent der Gesellschaftsanteile an der C. GmbH (im Folgenden: C. ) erworben.
4
Die wirtschaftliche Lage des T. -Konzerns war schlecht. Die Mutter- gesellschaft und „ihre Töchter hätten in 2009 Insolvenzantrag stellen müssen, sofern die A. AG nicht bereit gewesen wäre, Geld einzuschie- ßen“. Dies wolltedie liquide A. aber nicht im erforderlichen Umfang, sie wollte vielmehr nur eine „bilanzielle Überschuldung verhindern“, um den gesamten T. -Konzern bis zum Verkauf an einen Investor am Leben zu erhalten. Ein Investor wurde schließlich im Sommer 2009 gefunden; am 17. Juli 2009 erfolgte die Veräußerung der von der A. gehaltenen Geschäftsanteile an der T. an russische Privatpersonen. Mit diesem Tag trat der Angeklagte von allen Ämtern bei der T. und der C. zurück.
5
Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der C. am 18. Februar 2009 war in Anwesenheit des Angeklagten seine Bestellung zum Geschäftsführer - er war bereits Geschäftsführer der weiteren T. -Tochter CO. - beschlossen worden. Die Bestellung sollte mit der förmlichen Annahme vollzogen werden. Hierzu kam es aber in Folge nicht. Bis zur Annahme war dem Angeklagten eine uneingeschränkte Generalvollmacht nach § 54 HGB erteilt worden. Das Vorgehen sollte der engmaschigen Kontrolle des Geschäftsführers S. durch die T. dienen. Nachdem am 17. April 2009 S.
verstorben war, agierte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der C. .
6
Sämtliche Einkäufe und Zahlungen durch die C. wurden durch ihn genehmigt. Obwohl er wusste, dass die Mittel der C. nicht reichten, um sämtliche von ihr getätigten Bestellungen zu bezahlen, genehmigte er Bestellungen bei dem Lieferanten Al. am 5., 6., 7., 12., 15., 19., 26., 28. und 29. Mai sowie am 2., 3., 4., 5., 9., 10., 12. und 16. Juni 2009 in Höhe von insge- samt 76.998,17 € und am 13. Mai 2009 bei dem Lieferanten AO. in Höhe von 60.509 €. Am 7. Juli 2009 unterbreitete der Angeklagte der Al. einen Ra- tenzahlungsvorschlag, Zahlungen erfolgten jedoch nicht.
7
Die finanziellen Verhältnisse der C. waren angespannt, die vorhan- denen Mittel „reichten nicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen“. Spätes- tens ab Ende April 2009 war die C. „zahlungsunfähig“, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Er stellte dennoch zunächst keinen Insolvenzantrag. Er konnte darauf hoffen, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe finanzielle Un- terstützung der Hauptgesellschafterin A. zu erlangen“. Eine Gewähr hierfür hatte er nicht. Insolvenzantrag stellte er erst am 4. August 2009, nachdem die russischen Investoren nicht bereit waren, Geld für den T. -Konzern zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren wurde am 1. Oktober 2009 eröffnet.
8
2. a) Das Landgericht hat den Straftatbestand des § 15a Abs. 4 InsO zugrunde gelegt und die Verpflichtung des Angeklagten zur Stellung des Insolvenzantrags aus § 15a Abs. 1 und Abs. 3 InsO abgeleitet. Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der C. hat es auf folgende Überlegungen gestützt:
9
Eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen Mittel im Rahmen eines Finanzplanschemas sei nicht möglich, da die Zahlen aus der Buchhaltung nicht richtig sein könnten. Die in der Summen- und Saldenliste ausgewiesenen Forderungen gegen Dritte könnten nicht richtig sein, da sie mit den zweifellos gegebenen Zahlungsschwierigkeiten der C. nicht in Einklang zu bringen seien. Vielmehr spreche das umgehende Eintreiben von Außenständen gegen das Bestehen von werthaltigen Forderungen gegenüber Dritten in Höhe von mehr als 1 Mio. €.
10
Daher sei auf die „sogenannte wirtschaftskriminalistische Methode“ abzustellen. Schon da im April 2009 „offene Verbindlichkeiten“ bestanden hätten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien, sei „im Hinblick auf BGH, Az.: IXZR 228/03 vom 12.10.2006, von Zahlungsunfähigkeit der C. auszugehen“. Maßgeblich sei zudem, dass das Geld nicht ausgereicht habe, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, was die Zahlungspläne der C. belegten. Freie Kreditlinien hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine schriftliche Anfrage durch den von der Strafkammer hinzugezogenen Sachverständigen an die Gläubiger der C. habe ergeben, dass sich der Schuldenstand von 99.658,06 € im Januar 2009 auf 370.835,68 € im April 2009, auf 590.186,83 € im Mai 2009, auf 630.485,59 € im Juni 2009 und auf 698.165,50 € im Juli 2009 erhöht hätte.
11
b) Die Strafbarkeit wegen Betruges hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte spätestens ab April 2009 um die Insolvenzlage der C. gewusst bzw. damit ernsthaft gerechnet habe. Dennoch habe er die Einkäufe jeweils genehmigt. Dies sei „strafbar im Rahmen eines sogenannten Organisationsdelikts“.

II.


12
Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die strafbewehrte Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht legt insoweit einen falschen Maßstab zugrunde; davon ausgehend sind seine Feststellungen auch lückenhaft bzw. nicht nachvollziehbar.
13
1. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2007 - 1 StR 88/07, BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsfähigkeit 2 mwN).
14
Die Feststellung derselben erfolgt in der Regel durch die sogenannte betriebswirtschaftliche Methode. Dies setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus (BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546). Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung , aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben (vgl. hierzu im Einzelnen Graf/Jäger/Wittig-Otte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2011, § 15a InsO Rn. 65 f. mwN).
15
Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO kann aber auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154). Als wirtschaftskriminalistische Warnzeichen kommen u.a. in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche , Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. zu den Krisensignalen im Einzelnen auch Achenbach/Ransiek-Wegner, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 7. Teil 1. Kap. Rn. 93; Otte, aaO Rn. 68 mwN).
16
2. Hieran gemessen tragen die Urteilsausführungen die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht.
17
a) Soweit die Strafkammer als ausschlaggebendes wirtschaftskriminalistisches Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit wertet, dass im fraglichen Zeitraum Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, liegt dem ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Denn es handelt sich insoweit um die Grundsätze zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Tatrichter bei Insolvenzanfechtung. Denn dies stellt ein Ver- fahren dar, welches auf eine rückblickende Betrachtung unter Berücksichtigung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - etwa im Hinblick auf die Verbindlichkeiten - zurückgreifen kann, mithin auf eine prognostische Beurteilung gerade nicht angewiesen ist. Anders verhält es sich aber bei der Frage, ob eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO besteht, da nach den oben dargelegten Maßstäben insoweit eine prognostische Beurteilung erforderlich ist. Auf diesen Unterschied weist der Bundesgerichtshof in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung ausdrücklich hin (BGH, Urteil vom 12. Oktober2006 - IX ZR 228/03 Rn. 28).
18
Dass im Tatzeitraum „offene Verbindlichkeiten“ bestanden, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2009 noch nicht beglichen worden waren, ist daher kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Annahme des zeitlich vorgelagerten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.
19
Auch im Weiteren sind keine ausreichend tragfähigen Beweisanzeichen für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit dargelegt. Zwar kann es sich bei Kredit - und Darlehenskündigungen von Banken um ein Krisensignal handeln, die Kündigung des Darlehens in Höhe von 172.129,21 € durch die D. Bank mit Schreiben vom 10. Juni 2009 ist jedoch für sich genommen nicht hinlänglich aussagekräftig, zumal offen bleibt, ob die Forderung beglichen worden ist. Auch ist es nicht ausreichend, dass das Landgericht darlegt, die wirtschaftliche Lage sei „angespannt“ gewesen, Außenstände seien sofort eingetrieben wordenund „das Geld“ hättejedenfalls seit April 2009 nicht ausgereicht, „sämtliche Gläubiger der C. zu befriedigen“.
20
b) Soweit das Landgericht Ausführungen zu Verbindlichkeiten derC. und ihren Möglichkeiten zur Begleichung derselben macht - was jedoch der Sache nach unter die betriebswirtschaftliche Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit fällt - boten die Feststellungen aber ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit.
21
aa) Dies gilt schon deswegen, weil die Strafkammer bei der Darstellung der Verbindlichkeiten nicht deutlich danach unterscheidet, ob es sich um nur bestehende oder auch um fällige Forderungen handelt.
22
So ist nicht festgestellt, welche konkreten fälligen Forderungen bestanden , die nicht beglichen werden konnten. Die Feststellung, dass nicht „sämtliche Gläubiger“ hätten befriedigt werden können, ersetzt das Erfordernis einer Liquiditätsbilanz nicht. So belegt der von der Strafkammer ihrer Annahme der Zahlungsunfähigkeit zugrunde gelegte Zahlungsplan vom 8. Juni 2009 gerade nicht ausreichend, dass fällige Forderungen nicht beglichen werden konnten. Danach standen der C. an diesem Tag aus dem Eingang von Zahlungen 130.000 € zur Verfügung. Diese wurden aufgewandt, um mehrere fällige Ver- bindlichkeiten in Höhe von insgesamt 111.000 € zu begleichen. Zu einer dieser Teilforderungen in Höhe von 10.000 € ist vermerkt: „Gesamt OP ca. 90.000 €“. Hieraus folgert das Landgericht als Beleg für die Zahlungsunfähigkeit, dass zu- sätzlich zu den 111.000 € weitere 90.000 € nicht beglichen werden konnten. Dass es sich bei diesen 90.000 € um schon fällige und noch nicht - wiez.B. durch die Teilzahlung von 10.000 € - zumindest teilweise beglichene Forderungen handelte, ist dadurch jedoch nicht belegt. Dies - insbesondere im Zusammenhang mit der Zugrundelegung des falschen Maßstabs (vgl. oben a) - vertieft die Besorgnis, dass das Landgericht den Aspekt der Fälligkeit im Tatzeitraum nicht ausreichend in den Blick genommen und bestehende Forderungen mit fälligen Forderungen gleich gesetzt hat.
23
Vor diesem Hintergrund vermag auch die vereinzelte Feststellung, es habe sich bei der dargestellten Entwicklung der Schulden um „fällige Schulden“ gehandelt, die Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend sicher zu belegen. Diesen Feststellungen mangelt es zum einen an einer nachvollziehbaren Grundlage. Hierzu wird nur mitgeteilt, dass die Zahlen aus einer schriftlichen Anfrage an die Gläubiger der C. durch den Sachverständigen resultierten. Unklar bleibt jedoch, was genau Inhalt dieser Anfrage war und ob die von den Gläubigern angegebenen Forderungen tatsächlich den Schluss auf die Fälligkeit derselben im Tatzeitraum und nicht lediglich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulassen. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob eine Stundung (vgl. hierzu Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 76 Rn. 57 mwN) erfolgte, was angesichts der Feststellungen zumindest teilweise - z.B. hinsichtlich der Gläubiger CO. und Al. - durchaus nahe liegt, jedoch vom unzutreffenden Rechtsmaßstab der Strafkammer aus keine weitere Erörterung erfuhr. Bei gestundeten Forderungen handelt es sich aber nicht um fällige Forderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO.
24
Einen Vergleich der dergestalt „angemeldeten“ Forderungen,die nur in ihrer jeweiligen monatlichen Gesamthöhe mitgeteilt werden und eine weitere Spezifizierung vermissen lassen, mit den Erkenntnissen aus den Insolvenzunterlagen oder den Zahlen aus der Buchhaltung hat das Landgericht nicht angestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, zumal die vom Landgericht dargelegten Erkenntnisschwächen der Buchhaltungsunterlagen nicht auf Verbindlichkeiten der C. selbst bezogen sind.
25
bb) Zudem sind die Feststellungen zu den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln nicht ausreichend. Als solche kommen nämlich gemäß den oben dargelegten Grundsätzen nicht nur „freie Kreditlinien“ in Betracht, sondern auch anderweitige kurzfristig herbeizuschaffende Finanzmittel.
26
Deswegen hätte in diesem Zusammenhang erörtert werden müssen, dass ausweislich der Feststellungen zwei Bankkonten im gesamten Tatzeitraum noch relevantes Guthaben aufwiesen, so das Konto bei der Sp. und das bei der H. , welche zusammengenommen ein Guthaben von über 180.000 € im Mai 2009 und von über 160.000 €im Juni 2009 aufwiesen. Zudem wäre in die Betrachtung einzubeziehen gewesen, mit welchen Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der C. hinreichend sicher stichtagsbezogen zu rechnen war. Denn das Landgericht stellt schließlich fest, dass werthaltige Forderungen gegen Kunden der C. in einer Höhe von bis zu 1 Mio. € nicht auszuschließen seien. Auch die Umstände, unter denen die A. bereit gewesen wäre, Finanzmittel für die C. zur Verfügung zu stellen („zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung“, „im ‚Notfall‘“, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe“)wären näher aufzuklären und die gegebenenfalls so ermittelten Beträge in die Gegenüberstellung einzubeziehen gewesen.

III.


27
Da die Zahlungsunfähigkeit der C. nicht ausreichend belegt ist, die Feststellungen zum Betrug aber hieran anknüpfen, war die Verurteilung auch insoweit mit den Feststellungen aufzuheben. Sollte das neue Tatgericht sich abermals davon überzeugen, dass die Bestellungen durch den Angeklagten in der festgestellten Weise, mithin durch die jeweilige Genehmigung der Bestellungen betrügerisch erfolgten, so handelt es sich nicht um die Begehung eines einheitlichen Delikts, sondern um mehrere selbständige Betrugstaten.

IV.


28
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubeurteilung zu ermöglichen , hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf, auch wenn diejenigen zur faktischen Geschäftsführerschaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 1 StR 459/12, wistra 2013, 272) für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen sind.
29
Das neue Tatgericht wird insbesondere aufzuklären haben, inwieweit die T. zur Nachschießung von finanziellen Mitteln an die C. verpflichtet und hierzu unter Berücksichtigung der 1 Mio. €, die im April bzw. Mai 2009 von der A. an die T. geflossen ist, in der Lage war. Aufzuklären sein wird auch, ob und unter welchen Bedingungen die liquide A. zu Zahlungen bereit bzw. verpflichtet war. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 InsO auf den Antrag des Generalbundesanwalts hin.
Wahl Graf Jäger
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 538/17
vom
12. April 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:120418B5STR538.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. Juni 2017
a) im Fall 6 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin abgeändert , dass der Angeklagte der Verletzung der Buchführungspflicht schuldig ist,
b) in den Fällen 4 und 5 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in drei Fällen, wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung , wegen Betruges und wegen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Entgegen der Auffassung der Revision liegt dem Verfahren auch bezüglich der in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe abgeurteilten Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt eine wirksame Anklageschrift und – daran anknüpfend – ein wirksamer Eröffnungsbeschluss der Wirtschaftsstraf- kammer zugrunde.
3
Die ursprünglich dem Amtsgericht – Strafrichter – vorgelegte Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Göttingen vom 7. August 2015 wird ihrer Umgrenzungsfunktion gerecht. Denn die Beschäftigung des in der Anklage nicht benannten Arbeitnehmers S. lag in dem von Anklagefall 3 erfassten Tatzeitraum (August 2013); auch diesbezüglich war die Barmer GEK zuständige Einzugsstelle. Bei gleichzeitigem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen für mehrere Arbeitnehmer gegenüber derselben Einzugsstelle liegt aber nur eine Tat vor (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2007 – 1 StR 639/06, StraFo 2007, 342; LK-Möhrenschlager, 12. Aufl. § 266a Rn. 108). Für diese Tat – wie auch für die in den Fällen 1 und 2 abgeurteilten Taten (Juni und Juli 2013) – teilt der Anklagesatz die Stellung des Angeklagten als Arbeitgeber, seinen Geschäftsort, die Einzugsstelle und die dieser gegenüber zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge – aufgeschlüsselt nach Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen – zu konkret bezeichneten Beschäftigungs- und Beitragsmonaten mit. Diese Angaben lassen eine Abgrenzung zu anderen Taten ohne weiteres zu. Für die Erfüllung der Umgrenzungsfunktion der Anklage bedurfte es deshalb weder näherer Angaben zu den Einkünften der einzelnen Arbeitnehmer und zu dem jeweiligen Berechnungssatz für die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge noch einer Differenzierung nach einzelnen Personen bei der Auflistung der Taten, die nach Beschäftigungsmonaten abgegrenzt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2018 – 1 StR 370/17, NJW 2018, 878, 880, und Beschluss vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, wistra 2018, 49, 50, jeweils in Abgrenzung zu OLG Celle, Beschluss vom 3. Juli 2013 – 1 Ws 123/13, und OLG Hamm, wistra 2016, 86, 87). Insoweit bestehende Mängel in der Informationsfunktion der Anklageschrift lassen sich im weiteren Verfahren – wie es hier hinsichtlich der nicht gemeldeten Arbeitnehmer, die von der Schadensberechnung erfasst waren, nach dem Revisionsvorbringen auch geschehen ist – durch gerichtliche Hinweise zur Gewährung rechtlichen Gehörs beheben (vgl. BGH, Urteile vom 11. Januar 1994 – 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 156, und vom 24. Januar 2012 – 1 StR 412/11,BGHSt 57, 88, 91; Beschluss vom 26. April 2017 – 2 StR 242/16, aaO).

II.


4
Die Verfahrensrügen bleiben ohne Erfolg. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat, dass die Rüge nach § 338 Nr. 3 StPO jedenfalls unbegründet ist. Soweit die Äußerungen der abgelehnten Rich- ter überhaupt dazu geeignet sein sollten, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, ist diese jedenfalls durch die dienstlichen Erklärungen ausgeräumt worden.

III.


5
Die Sachrüge erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
6
1. Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall 6 zu Unrecht wegen Bankrotts verurteilt, da eine der in § 283 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 StGB aufgeführten Tathandlungen nicht festgestellt ist. Insoweit ist dem Landgericht ein Tenorierungsversehen unterlaufen, wie es einleitend in den Entscheidungsgründen (UA S. 6) klargestellt hat. Demgemäß hat es seiner rechtlichen Bewertung der zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Straftatbestand der Verletzung der Buchführungspflicht gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 3 b StGB zugrunde gelegt (UA S. 80). Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt. Der Einzelstrafausspruch ist von dem Tenorierungsversehen nicht betroffen.
7
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung (Fall 4) und wegen Betruges (Fall 5) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
a) Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
9
aa) Die wirtschaftliche Situation der F. D. U. (haftungsbeschränkt), die durch den Angeklagten als faktischen Ge- schäftsführer geleitet wurde, verschlechterte sich Ende des Jahres 2013, weil mehrere ihrer Ausgangsrechnungen von Auftraggebern wegen geltend gemachter Werkmängel nicht gezahlt wurden. Im späteren Insolvenzverfahren über das Vermögen der Unternehmergesellschaft (UG) wurden Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 20.000 Euro zur Tabelle angemeldet, die bereits Ende Januar 2014 fällig gewesen waren. Obwohl die Gesellschaft aus dem Verkauf einer ihren wesentlichen Vermögenswert darstellenden Immobilie den Kaufpreis von insgesamt 48.000 Euro bis Anfang Februar 2014 in drei Teilzahlungen erhalten hatte, konnte sie ihre Verbindlichkeiten bis zur Insolvenzantragstellung im März 2014 mangels liquider Mittel nicht mehr begleichen. Auch die Löhne für die offiziell gemeldeten Arbeitnehmer wurden nicht mehr bezahlt, sodass für Januar 2014 die Agentur für Arbeit an Insolvenzgeld 6.130 Euro leistete.
10
Der Angeklagte kannte die finanzielle Situation der UG und ihm war bewusst , dass sie Ende Januar 2014 keine ausreichenden liquiden Mittel mehr hatte, um zumindest einen wesentlichen Teil ihrer fälligen Verbindlichkeiten begleichen zu können. Ende Januar 2014 war auch nicht wahrscheinlich, dass der Mangel an liquiden Mitteln kurzfristig behoben werden könnte. Obwohl danach spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Zahlungsunfähigkeit bestanden hatte , unterließ es der Angeklagte, für die Gesellschaft einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Antragstellung erfolgte absichtlich verzögert, um den Sitz bei der erwarteten Insolvenz zunächst von Bad Lauterberg nach München zu verlegen. Der Angeklagte erhoffte sich hierdurch eine „geräuschlosere“ Insolvenz der Gesellschaft. Die als formelle Geschäftsführerin tätige Ehefrau des Angeklagten reichte erst am 12. März 2014 für die UG einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München ein (Tat 4).
11
Trotz ihrer finanziellen Situation beauftragte der Angeklagte für die UG am 7. Februar 2014 die K. GmbH mit der Montage sanitärer Einrichtungen in einer Wohnung in München. Dabei war ihm das hohe Risiko bewusst, dass die in Auftrag gegebenen Leistungen nicht würden bezahlt werden können. Tatsächlich wurde die Rechnung des Sanitärunternehmens vom 24. Februar 2014 über 2.141 Euro von der UG nicht mehr beglichen. Erst im August 2016 zahlte der Angeklagte persönlich 2.200 Euro an die K. GmbH (Tat 5).
12
bb) Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der UG bei Fall 4 hat das Landgericht auf folgende Überlegungen gestützt:
13
Nach Aussage des Insolvenzverwalters habe auf die sich zunächst nach den betriebswirtschaftlichen Auswertungen ergebenden Forderungen in Höhe von rund 52.000 Euro bei seinen Realisierungsversuchen kein einziger der vorgeblichen Schuldner gezahlt. Später habe er lediglich Forderungen in Höhe von 19.700 Euro als noch offen feststellen können. Insoweit seien aber Mängeleinreden erhoben worden oder es habe sonst an der Durchsetzbarkeit gefehlt. Den Forderungen der Gesellschaft hätten zur Tabelle im Insolvenzverfahren angemeldete Forderungen von Gläubigern der Gesellschaft in Höhe von 20.000 Euro gegenüber gestanden, die bis Ende Januar 2014 fällig gewesen seien. Die Verbindlichkeiten seien trotz der Zahlungseingänge aus dem Immobilienverkauf bis zur Insolvenzantragsstellung Mitte März 2014 nicht beglichen worden. Auch die unterbliebenen Gehaltszahlungen in dieser Zeit unterstrichen die desolate Finanzlage der Gesellschaft. Für die Zahlung der für Januar 2014 geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge, die nicht ausschließbar zunächst gestundet gewesen seien, habe ebenfalls kein Geld zur Verfügung gestanden.
Trotz des Zugangs an Liquidität durch den Immobilienverkauf seien auch sie – der Insolvenztabelle zufolge – bis zur Insolvenzeröffnung nicht gezahlt worden.
14
Auch die Strafbarkeit wegen Betruges (Fall 5) hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte um die zu Beginn des Jahres 2014 desolate Finanzlage der UG gewusst habe.
15
b) Die Verurteilung im Fall 4 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 InsO ist nicht tragfähig begründet. Denn das Landgericht hat bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die Pflicht nach § 15a Abs. 1 InsO, einen Insolvenzantrag zu stellen, einen falschen Maßstab angelegt.
16
aa) Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt in der Regel durch die betriebswirtschaftliche Methode. Sie setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus. Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen (BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, 165 mwN). Daneben kann eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO auch durch wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 – 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 156; Beschlüsse vom 21. August 2013 – 1StR 665/12, aaO, und vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342). Als solche Warnzeichen kommen beispielsweise in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche sowie die Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten.
17
bb) Hieran gemessen hat die Wirtschaftsstrafkammer bei ihrer rückblickenden Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Anschluss an die Aussage des Insolvenzverwalters unzutreffend darauf abgestellt, dass im fraglichen Zeitraum fällige Verbindlichkeiten der UG bestanden hätten, die bis zu dem – nicht mitgeteilten – Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen worden seien. Damit hat sie den bei der Frage einer Insolvenzantragspflicht geltenden Maßstab verfehlt, nach dem entscheidend ist, ob ein Liquiditätsmangel besteht, mit dessen Beseitigung innerhalb von maximal drei Wochen nicht sicher zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, aaO; siehe auch Urteil vom 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2224 f., abgrenzend zur vereinfachten Feststellung endgültiger Zahlungsunfähigkeit bei der Insolvenzanfechtung).
18
cc) Hierauf beruht auch der Schuldspruch. Denn aus den beweiswürdigenden Ausführungen der Wirtschaftsstrafkammer erschließt sich nicht, weshalb nicht einmal bei den im späteren Verfahren vom Insolvenzverwalter als „noch offen“ festgestellten Forderungen der UG in Höhe von 19.700 Euro eine zumindest teilweise Durchsetzbarkeit bestanden haben sollte und weshalb dies für den Angeklagten bereits im Januar 2014 erkennbar gewesen sein sollte.
19
Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Wirtschaftsstrafkammer dem von ihr als „Notverkauf des ‚Tafelsilbers‘ der Gesellschaft“ gewerteten Im- mobilienverkauf (UA S. 72) indiziellen Beweiswert für und nicht etwa gegen eine schon Ende Januar 2014 bestehende Zahlungsunfähigkeit beigemessen hat. Denn nach den Feststellungen flossen dadurch der Gesellschaft zum Monatswechsel Januar/Februar 2014 in zwei Teilbeträgen insgesamt 43.000 Euro zu. Dieser Liquiditätszuwachs überstieg die Ende Januar 2014 fälligen Verbindlichkeiten in der festgestellten Höhe von rund 20.000 Euro bei weitem, so dass sie bei damit naheliegender Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hätten erfüllt werden können. Der insoweit vom Landgericht in den Blick genommene Umstand, dass der Angeklagte die Verkaufserlöse in der Folgezeit nicht zum Ausgleich dieser Verbindlichkeiten eingesetzt hat, verfehlt erneut den anzulegenden Maßstab und stellt kein taugliches Indiz für einen zeitlich vorgelagerten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit dar.
20
c) Da die Zahlungsunfähigkeit der UG mithin nicht ausreichend belegt ist, aber hieran unmittelbar auch die Feststellungen im Fall 5 zu dem am 7. Februar 2014 dem Sanitärunternehmen K. GmbH erteilten Auftrag anknüpfen, war die Verurteilung wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB ebenfalls aufzuheben.
21
d) Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 4 und 5 entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Infolgedessen kam es nicht mehr auf die (mit einem Jahr und sechs Monaten) unzutreffende Angabe der Gesamtstrafenhöhe im Rahmen der Begründung dieser Strafzumessungsentscheidung und die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage an, ob sich dieser Fehler auf die Entscheidung der Wirtschaftsstrafkammer über eine Strafaussetzung zur Bewährung ausgewirkt haben könnte.
Mutzbauer Schneider König
Berger Mosbacher

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Ist eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken.

(2) Ist eine Zeit bestimmt, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 169/15
vom
16. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:160517B2STR169.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 16. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 25. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges und vorsätzlicher
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Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

A.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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I. Der Angeklagte war zunächst Geschäftsführer der Kreisverbände D. und R. der „V. “. Die „V. “ war in der ehemaligen DDR eine große soziale Organisation, die sich der Betreuung älterer Menschen gewidmet hatte. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden ihre Kreisverbände in eingetragene Vereine umorganisiert. Die Kreisverbände D. und R. der „V. “ gründeten im Jahr 1996 die V. Sozial-Immobilien GmbH (im Folgenden: VSI GmbH) und im Jahr 1998 die V. Sozial-Immobilienfonds GmbH & Co. KG (im Folgenden: VSI KG). Der Angeklagte wurde Geschäftsführer dieser Gesellschaften. Der frühere Mitangeklagte Vi. war faktischer Geschäftsführer. Komplementärin der Kommanditgesellschaft war die VSI GmbH, während die im Jahre 1998 zur V. Kreisverband D. /R. - e.V. fusionierten Kreisverbände der V. sowie die als Treuhänderin für die Anleger fungierende und ebenfalls neu gegründete V. - Service- und Verwaltung GmbH (im Folgenden: VSSV GmbH) die Stellung von Kommanditisten hatten. Nachdem zunächst die VSI GmbH einen Fonds betrieben und eine Viel4 zahl von Anlegern geworben hatte, die sich nach den Urteilsfeststellungen „je- weils mit Darlehen als stille Gesellschafter an dieser Gesellschaft beteiligten“, dafür eine jährliche Ausschüttung erhielten und bezüglich ihrer Einlage durch Grundpfandrechte oder Bankbürgschaften abgesichert waren, legte die VSI KG ihrerseits einen Fonds auf. Vi. war „mutmaßlich“ der Initiator des Anlagemodells. Anders als bei dem vorher betriebenen Fonds der VSI GmbH, fand bei dem Fonds der VSI KG aus Kostengründen keine aufwändige Besicherung der Kapitalanlagen mehr statt. Als Geschäftszweck vorgesehen war der Betrieb von Wohnanlagen, Kindergärten und Seniorenwohnheimen, die an die Kreisverbände der V. vermietet werden sollten, um dadurch Einnahmen zu erwirtschaften. Nach einer Laufzeit von achtzehn bis fünfundzwanzig Jahren sollten die Sozialimmobilien durch die Kreisverbände käuflich erworben werden. Die stets über die VSSV GmbH als Treuhänderin zu zeichnenden Anteile an dem Fonds konnten mit einer Mindestanlage von 1.500 Euro und einer Mindestlaufzeit von sechs Jahren erworben werden. In Werbeflyern wurde eine Rendite von jährlich mindestens 4,5 % in der
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Investitionsphase sowie von 5 % in der Bewirtschaftungsphase in Aussicht gestellt. Außerdem wurde erklärt, dass der jeweilige Anleger mit seiner Einlage einen „bevorzugten Mietanspruch“ in einer der Seniorenresidenzen erwerbe. Die Geldanlage wurde als sicher dargestellt, weil das Geld in Immobilien „stecke“. Außerdem wurde darauf verwiesen, dass neben dem Kapital der Anleger auch „Geld von Banken zum Einsatz“ komme. Der Fonds könne auf die lang- jährige Erfahrung kompetenter Mitarbeiter der Banken zurückgreifen. Gewor- ben wurde ferner mit Hinweis darauf, dass die Fondsgesellschaft auf dem „wirtschaftlich starken Fundament ihrer mitgliederstarken Kreisverbände“ ruhe. Au- ßerdem wurde behauptet, die Gesellschaft erwerbe Immobilien nach einem langfristig angelegten und gründlich geprüften Investitionsplan. Die VSI KG gab auch einen Prospekt heraus, der im Wesentlichen die6 selben Kriterien nannte wie der Flyer. Er betonte aber zusätzlich, wegen der sozialen Bindung sei eine Beteiligung an Spekulationsobjekten ausgeschlossen. Zudem wurde behauptet, von dem ursprünglichen Investitionsplan seien fünf Objekte fertiggestellt, während die VSI KG tatsächlich nur drei Objekte betrieb. Eine darüber hinaus erwähnte Seniorenwohnanlage in K. gab es noch nicht. Das weiterhin erwähnte Seniorenhotel in G. existiertezwar, gehörte aber nicht der VSI KG und wurde nicht von dieser betrieben. Risiken für die Kapitalanleger wurden in dem Prospekt nur versteckt angedeutet. Die Angaben im Flyer und im Prospekt waren in weiteren Punkten falsch. Einen direkten Anspruch auf einen Heimplatz erwarben die Anleger mit der Zeichnung von Anteilscheinen nicht. Banken standen allenfalls als Kreditgeber, aber entgegen dem erweckten Anschein nicht als Investoren und Berater zur Verfügung. Versprechungen über garantierte Renditen waren unzutreffend, weil das Geld der Anleger in ein unkontrolliertes cash-pooling der zur Unternehmensgruppe gehörenden Gesellschaften abfloss. Die Kreisverbände der „V. “ waren entgegen dem Anschein nicht zur Mithaftung verpflichtet. Einen Investitionsplan gab es nicht. Stattdessen war nur ein Konglomerat von Programmideen vorhanden. Der Vertrieb der Fondsbeteiligungen erfolgte über die Geschäftsstellen
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der Kreisverbände der „V. “. Deren Mitarbeiterinnen übergaben Interessenten den Zeichnungsschein und den Prospekt. Sie nahmen gegebe- nenfalls unterschriebene Zeichnungsscheine entgegen, die als ein „Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages gegenüber der VSSV GmbH als Treuhandkommanditistin“ formuliert waren, und leiteten diese an die Geschäfts- führung weiter. Die Mitarbeiterinnen beantworteten zum Teil auch Fragen, die allerdings selten gestellt wurden. Soweit überhaupt welche gestellt wurden, be- trafen sie zumeist den angeblichen „Mietanspruch“ der Anleger für Seniorenein- richtungen. Auf Veranlassung des Angeklagten wurde dazu mitgeteilt, dass ihnen im Bedarfsfall ein solcher Platz garantiert sei. Genaue Kenntnisse von den Einzelheiten des Anlagemodells hatten die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstellen nicht. Sie waren nur kurz eingewiesen worden. In dem vom Landgericht zu Grunde gelegten Tatzeitraum vom 12. Juli
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2004 bis zum 21. Oktober 2005 schlossen Anleger insgesamt 143 Verträge über eine Beteiligung an dem Fonds und zahlten die vereinbarte Anlagesum- me. Es handelte sich um Beträge zwischen 1.500 Euro und 75.000 Euro, teilweise zuzüglich eines Agios in Höhe von 25 Euro. Die Gesamtsumme aller Anlagen belief sich auf 1.111.960 Euro an Kapital und 2.375 Euro Agio. Im genannten Tatzeitraum erzielte die Kommanditgesellschaft durch Vermietungen Einnahmen in Höhe von 126.876,41 Euro und hatte im gleichen Zeitraum Verwaltungskosten in Höhe von 226.000 Euro. Die Anleger verloren ihr Kapital, wobei einzelne mehr als 50.000 Euro
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einbüßten. Ausschüttungen erfolgten nur, wenn Anleger diese ausdrücklich einforderten. Sie wurden durch Verwendung des Kapitals anderer Anleger finanziert. Dies hat das Landgericht als eine einheitliche Tat des Betruges durch
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den Angeklagten als mittelbaren Täter gewertet. II. Die VSI GmbH war spätestens seit dem 24. März 2003 überschuldet
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und zahlungsunfähig. In einem Brief vom 8. Juli 2001 an Vi. hatte der Angeklagte erklärt,
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dass er sich große Sorgen mache; dem „Fonds“ – gemeint war die VSI KG – gehe es finanziell schlecht, der VSI GmbH noch schlechter. Neu ankommendes Geld sei bereits „mehrfach verteilt“. Ein durch die T. Treuhandgesellschaft H. mbH zum Stichtag 31. Dezember 2001 erstellter und Ende 2002 bekannt gewordener Jahresabschluss ergab für die VSI GmbH einen Verlust von 424.476,88 DM sowie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 180.542,60 DM (92.309,97 Euro).

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Dieser bilanziellen Überschuldung standen keine stillen Reserven gegenüber. Der Angeklagte gab zwar in einem Schreiben vom 4. Dezember 2002 an: „Unter Berücksichtigung der erheblichen stillen Reserven aus der Beteili- gung an der V. Bauträger GmbH und in den Anlagen im Bau, die für Ferienwohnungen und ein Parkdeck in K. aufgewendet wurden, ist die Überschuldung abgewendet.“ Zum Zeitpunkt dieser Erklärung hatte der Angeklagte die für den Anlagenbau erforderlichen Erbbaurechte sowie eine Kommanditbeteiligung an der V. Strandkrone GmbH & Co. KG und deren Komplementär-GmbH aber gerade gegen Erstattung von angeblichen Planungskosten in Höhe von 210.000 Euro veräußert. Diese Verträge wurden zwar zu einem späteren Zeitpunkt rückabgewickelt; Einzelheiten dazu und zur Verwendung der Gelder hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Mit dem Bau von Ferienwohnungen in K. wurde erst nach dem Ausscheiden des Angeklagten als Geschäftsführer begonnen. Die V. Bauträger GmbH, an welcher die VSI GmbH zu 30 % beteiligt war, wies nach ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2001 einen Überschuss von 240.650,02 DM aus. Ende 2002 wurde ihre Tätigkeit jedoch als unwirtschaftlich angesehen. Später wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Die Mitteilung des Angeklagten über stille Reserven im Anhang zum Jah14 resabschluss für 2001 war daher falsch. Ein im Strafverfahren aus der Handelsbilanz zum 31. Dezember 2001 erstellter Überschuldungsstatus der VSI GmbH ergab, bezogen auf den Zerschlagungswert, einen Negativsaldo von 972.063,09 DM (497.007,97 Euro).
Der Angeklagte unternahm zur Tatzeit nichts, um sich ein zutreffendes
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Lagebild zu erstellen. Eine Buchführung der VSI GmbH war praktisch nicht existent. Quartalsabschlüsse wurden nicht erstellt. Der Geschäftsbetrieb lief gleichwohl unverändert weiter. Die Überschuldung wurde auch in der Folgezeit nicht beseitigt. Unter dem 24. März 2003 äußerte der Angeklagte in einem Schreiben an
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Vi. und die Mitglieder des Beirats, einzige Einnahmequelle seien neue Einzahlungen durch Kapitalanleger. Daran änderte sich in den folgenden Wochen nichts. Einen Insolvenzantrag stellte der Angeklagte dennoch nicht.Dieser wurde erst am 2. Juli 2009 durch einen späteren Geschäftsführer gestellt. Das Landgericht hat eine Insolvenzverschleppung durch den Angeklag17 ten bezüglich der VSI GmbH abgeurteilt. Das Verfahren wegen Insolvenzverschleppung hinsichtlich der VSI KG wurde gemäß § 154 StPO vorläufig eingestellt.

B.

Die Revision des Angeklagten ist mit der Sachrüge begründet, so dass
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es auf die Verfahrensbeanstandungen nicht ankommt. I. Die Verurteilung wegen Betruges ist rechtsfehlerhaft.
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1. Das Landgericht hat Einzelakte des Betruges zum Nachteil der ver20 schiedenen Anleger nicht festgestellt. Es hat zwar den Tatzeitraum angegeben, die Zahl der Vertragsabschlüsse innerhalb dieses Zeitraums aufgeführt, mögli- che Täuschungshandlungen benannt und den entstandenen Gesamtschaden beziffert. Im Übrigen aber hat es den Zeitpunkt, die Durchführung und den Umfang der einzelnen Kapitalanlagen nicht konkretisiert. Unbeschadet der Tatsa- che, dass dem Angeklagten nur eine einzige Tat als „uneigentliches Organisationsdelikt“ vorgeworfen wird, genügen diese Feststellungen deshalb nicht den rechtlichen Anforderungen. Für die Tatfeststellung und Darstellung im Urteil gelten bei einer aus vie21 len Einzelakten bestehenden Tat im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, NStZ 2010, 103, 104; BGH, Beschluss vom 31. Januar 2012 – 3 StR 285/11, StV 2012, 653 f.) keine anderen Anforderungen als bei einer Mehrzahl gleichartiger, rechtlich selbständiger Straftaten. Die Urteilsgründe müssen auch hier die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Rechtliche Konkurrenz- fragen haben darauf keinen Einfluss (vgl. für das Verhältnis einer „fortgesetzten Handlung“ zu Tatmehrheit BGH, Beschluss vom 3. Mai1994 – GSSt 2/93 und 3/93, BGHSt 40, 138, 159). Dies schließt zwar eine zusammenfassende, insbesondere tabellarische Darstellung der Einzelfälle und eine Wiedergabe von Gemeinsamkeiten der Tatbegehung nicht aus. Jedoch macht dies grundsätzlich Feststellungen zu den Einzelakten des Betruges zum Nachteil verschiedener Geschädigter im Urteil nicht entbehrlich. 2. Ungenügend sind die Urteilsgründe vor allem, weil das Landgericht
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auf jede Feststellung zur Frage des jeweiligen Irrtums der Geschädigten verzichtet.
Da der Betrugstatbestand voraussetzt, dass die Vermögensverfügung
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durch den Irrtum des Getäuschten veranlasst worden ist, müssen die Urteilsgründe regelmäßig ergeben, wer die durch Täuschung verursachte Vermögensverfügung getroffen hat und welche irrtümlichen Vorstellungen dieser Geschädigte dabei hatte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133; Senat, Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 StR 573/15, Rn. 30 mwN). Die Überzeugung des Gerichts setzt dazu in der Regel die Vernehmung der Geschädigten voraus (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644, 645). Diese hat das Landgericht nicht vorgenommen und deshalb keine auf die einzelnen Geschädigten bezogenen Feststellungen zu deren Vorstellungsbild getroffen. Allerdings stößt die Feststellung des Irrtums bisweilen auf Schwierigkei24 ten, die dazu führen können, dass ein Tatgericht im Bereich gleichförmiger, massenhafter oder routinemäßiger Geschäfte, die von selbstverständlichen Erwartungen geprägt sind, seine Überzeugung von täuschungsbedingten Fehlvorstellungen auf der Grundlage eines sachgedanklichen Mitbewusstseins auf Indizien stützen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98, 100; krit. Beulke/Berghäuser in Festschrift für Breitling, 2017, S. 13, 27; Ceffinato, ZStW 128 [2016], 804, 810 ff.; Krehl, NStZ 2015, 101 f.; Kudlich, ZWH 2015, 105 f.; Kuhli, StV 2016, 40, 44 ff.; Trüg, HRRS 2015, 106, 115 ff.). In Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes kann es deshalb nach der Rechtsprechung ausreichen, einzelne Zeugen zu vernehmen und aus einem regelhaften Vorstellungsbild auf einen Irrtum auch bei weiteren Geschädigten zu schließen oder der Verurteilung wegen eines Organisationsdelikts zur Bemessung des Schuldumfangs eine bestimmte Irrtumsquote zugrunde zu legen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014 – 4 StR 430/13, NJW 2014, 2132, 2133; krit. Ceffinato, ZStW 128 [2016], 804, 818 ff.). Prozessuale Vereinfachungen der Tatsachenfeststellung können sich im Einzelfall dadurch erreichen lassen, dass Geschädigte schriftlich befragt werden, worauf das Ergebnis unter den Voraussetzungen gemäß § 251 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (Senat, Urteil vom 22. Februar 2017 – 2 StR 573/15; krit. Beulke/Berghäuser, aaO S. 13, 26 f.). Handelt es sich um Tatserien , bei denen nicht erst durch die Vielzahl von Einzeltaten mit jeweils kleinen Schadensbeträgen der Unrechts- und Schuldgehalt des Gesamtgeschehens gekennzeichnet wird, können prozessökonomische Ergebnisse durch sachgemäße Anwendung der §§ 154, 154a StPO erzielt werden (krit. zur Beschränkung auf eine Verurteilung nur wegen versuchten Betruges Beulke/Berghäuser in Festschrift für Breitling, 2017, S. 13, 16 ff.; Kuhli, StV 2016, 40, 42 f.). Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob in bestimmten Massenbe25 trugsfällen auf jede Befragung von Geschädigten ganz verzichtet und deren Irrtum insgesamt nur aus Beweisschlüssen aufgrund von äußeren Umständen festgestellt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, NStZ 2015, 98, 100 mit Anm. Krehl). Ein Fall mit Betrugshandlungen zum Nachteil von tausenden Geschädigten, deren Befragung zum Zweck der Feststellung des individuellen Irrtums aufgrund von Täuschungshandlungen praktisch unmöglich wäre, liegt nicht vor. Auch versteht es sich nicht bereits aufgrund der Art der Vortäuschung von Tatsachen von selbst, dass sich die Anleger bei dem Fonds der VSI KG selbstverständlich über bestimmte Punkte geirrt haben müssen. Wie die einzelnen Anleger von dem Fondsmodell erfahren haben, auf welche Weise sie von den unrichtige Angaben enthaltenden Flyern oder dem Werbeprospekt Kenntnis hatten und ob etwa täuschende Angaben der von den Angeklagten angewiesenen Mitarbeiterinnen der Geschäftsstellen Einfluss auf die jeweilige Anlageentscheidung gehabt haben, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Da insoweit individuelle Vorstel- lungsbilder zu verschiedenen Aspekten des Anlagemodells denkbar sind, bleibt letztlich offen, ob und inwieweit die Geschädigten sich bei der Zeichnung der Anlagen aufgrund einer dem Angeklagten zuzurechnenden Täuschung geirrt haben.
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Allein aus der durch Angaben der Mitarbeiterinnern der Geschäftsstellen der Kreisverbände getroffenen Feststellung des Landgerichts, Rückfragen durch Interessenten seien selten gewesen und hätten sich gegebenenfalls zumeist auf die Frage des Mietanspruchs für einen Platz in einem Seniorenheim bezogen, konnte auch nicht tragfähig darauf geschlossen werden, die Anleger hätten „regelhaft“ ihre Kapitalanlagen aufgrund einesIrrtums über das tatsächliche Bestehen eines durchsetzbaren Mietanspruchs getätigt. II. Die Verurteilung wegen Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2,
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§ 64 Abs. 1 Satz 1 und 2 GmbHG aF) beziehungsweise Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 1 und Abs. 4, § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO; zum maßgeblichen Recht bei Altfällen Püschel in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 471, 480) ist ebenfalls rechtlich zu beanstanden. Hinsichtlich der Annahme einer Überschuldung der Gesellschaft zum
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24. März 2003 ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die bilanzielle Überschuldung der VSI GmbH, wie sie sich im Dezember 2002 aus dem Jahresabschluss für 2001 ergeben hatte, nicht durch stille Reserven ausgeglichen worden sei. Dazu hat es darauf verwiesen, dass die vom Angeklagten in seiner ergänzenden Erklärung als stille Reserven genannten Erbbaurechte und Beteiligungen an der V. Strandkrone GmbH & Co. KG sowie deren Komplementär-GmbH durch Verträge vom 3. Dezember 2002 veräußert worden seien. Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Veräußerungsakts ist aber ebenso wenig wie die anschließende Rückabwicklung der Veräußerungsverträge im Urteil nachvollziehbar erläutert worden, erst recht nicht mit Blick auf den Stichtag am 24. März 2003. Daher kann der Senat die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass die Erklärung des Angeklagten zum Jahresabschluss für 2001 falsch gewesen sei und wegen fehlender Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage der VSI GmbH bis zum Stichtag eine entsprechende bilanzielle Überschuldung vorgelegen habe, nicht nachvollziehen. 2. Auch hinsichtlich der Annahme von Zahlungsunfähigkeit der VSI
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GmbH tragen die Urteilsfeststellungen den Schuldspruch nicht.
a) Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel durch eine stichtagsbezogene
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Gegenüberstellung der zu diesem Zeitpunkt fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits festzustellen. Eine solche im Einzelnen nachvollziehbare Gegenüberstellung hat das Landgericht nicht erstellt. Es hat die Zahlungsunfähigkeit vielmehr aus einem Schreiben des Angeklagten an den faktischen Geschäftsführer Vi. und die Mitglieder des Beirats vom 24. März 2003 abgeleitet , in dem dieser mitgeteilt hatte, dass die Fondsanlagen der VSI KG die einzige Einnahmequelle seien, die zur Bezahlung von Rechnungen oder Auszahlung von Zinsen und Einlagen früherer Anleger (der VSI GmbH) verwendet werden könnten, und auch diese Einnahmen nicht zur Bedienung aller Ansprüche aus den Anlagen des Fonds der VSI GmbH ausreichen würden. Weiter gestützt auf eine summarische Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben der VSI GmbH vom 2. August 2004 bis zum 31. Oktober 2005, die ein rechnerisches Plus von etwa 8.000 Euro ergeben habe, ist es für den Tatzeitraum von Zahlungsunfähigkeit ausgegangen, weil unter den Einzahlungen siebenundzwanzig Zahlungen der VSI KG in Höhe von zusammen 395.000 Euro gewesen seien, die als Darlehenszahlungen verschleiert worden seien und faktische Entnahmen aus dem Vermögen der VSI KG darstellten. Diese Zahlungen seien zur Herstellung von Liquidität nicht geeignet, da sie betrügerisch erlangt und treuwidrig weitergereicht worden seien.
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b) Diese auf wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen gestützte Annahme der Zahlungsunfähigkeit der VSI GmbH hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. aa) Zum einen hätte das Landgericht bedenken müssen, dass Zah32 lungsansprüche in eine Gegenüberstellung von Forderungen und verfügbaren Mitteln nur einzustellen sind, soweit sie im insolvenzrechtlichen Sinne fällig sind (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung nicht aufgegeben wurde (vgl. Püschel in Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 471, 483 ff. mwN), setzt Fälligkeit von Forderungen, zu deren vollständiger Erfüllung der Schuldner wegen Zahlungsunfähigkeit zum Fälligkeitszeitpunkt oder innerhalb angemessener Zeit nicht mehr in der Lage ist, im insolvenzrechtlichen Sinn voraus, dass – über die Fälligkeit im Sinne von § 271 BGB hinaus – die geschuldete Leistung „ernsthaft eingefordert“ wird. Dies ist der Fall, wenn eine Handlung des Gläubi- gers gegeben ist, aus der sich der Wille ergibt, Erfüllung möglicher Zahlungsansprüche zu verlangen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286, 293 mit Anm. Erdmann, NZI 2007, 695 ff.; s.a. BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – 4 StR 421/00, NJW 2001, 1874, 1875). An ein solches Einfordern sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Das Landgericht hat aber im Urteil für keinen Gläubiger der VSI GmbH eine solche Handlung festgestellt und hätte dies auch im Rahmen der Bewertung des Schreibens des Angeklagten, der dies womöglich nicht bedacht hat, berücksichtigen müssen.
bb) Zum anderen fehlt es für die Außerachtlassung von der VSI GmbH
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durch die VSI KG überlassenen Geldern bei der Feststellung ihrer Zahlungsunfähigkeit an einer tragfähigen Grundlage.
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Nach den Feststellungen hatte die VSI KG 395.000 Euro an die VSI GmbH geleistet, die als Darlehen bezeichnet wurden, wobei es sich aber tatsächlich um Anlegergelder im Vermögen der VSI KG gehandelt hatte. Das Landgericht ist wegen der treuwidrigen Verwendung der Mittel durch Weitergabe an die VSI GmbH davon ausgegangen, dass diese Mittel nicht zur Herbeiführung von Liquidität bei der VSI GmbH geeignet waren. Grundsätzlich ist es für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sinn jedoch ohne Bedeutung, aus welchen Quellen tatsächlich vorhandene Mittel des Schuldners stammen (vgl. Kadenbach in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 3. Aufl. § 17 Rn. 17). Es kommt nicht darauf an, ob sich der Schuldner die Zahlungsmittel auf redliche oder unredliche Weise beschafft hat. Insolvenzrechtlich sind selbst aus Straftaten herrührende illegale Einkünfte als liquide Mittel anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – IX ZR 63/08, BGHZ 181, 132, 139). Eine mögliche zweck- und treuwidrige Verschiebung von Vermögen der VSI KG an die VSI GmbH war deshalb nicht von vornherein ungeeignet, die Zahlungsunfähigkeit der VSI GmbH aufzuheben. Ob etwas anderes gilt, weil die strafgerichtliche Rechtsprechung an35 nimmt, hinsichtlich Kapitalzuflüssen aus Betrugshandlungen bestünden bereits mit der Zahlung fällige Rückzahlungsansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB in entsprechender Höhe (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342 mit Anm. Floeth, EWiR 2016, 103, 104), die als fällige Gegenforderung einzustellen seien, kann hier dahinstehen. Die Erfüllung des Betrugstatbestands steht bisher aus den oben genannten Gründen nicht fest. Zudem richtete sich ein Rückzahlungsanspruch der Kapitalanleger vornehmlich gegen die VSI KG.

C.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Fol36 gendes hin: I. Das „uneigentliche Organisationsdelikt“ des Betruges umfasst alle Ein-
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zelakte, die infolge des dem mittelbaren Täter zurechenbaren Organisationsakts verursacht wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 – 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341 f.). Der Beginn einer Verjährung der Strafverfolgung wegen Betruges be38 stimmt sich nach dem Zeitpunkt der Erlangung des Vermögensvorteils (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2015 – 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42). Bei einer tatbestandlichen Handlungseinheit beginnt die Verjährungsfrist nach deren Beendigung; es bestehen keine gesonderten Fristen für die Verjährung von unselbständigen Einzelakten (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 78a Rn. 6; Schönke/Schröder/Bosch/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 78a Rn. 9/10; NK/Saliger, StGB, 4. Aufl., § 78a Rn. 32 f.; LK/Schmid, StGB, 12. Aufl., § 78a Rn. 13; a.A. SK-StGB/Wolter, StGB, 9. Aufl., § 78a Rn. 11). II. Die Verjährungsfrist für die Insolvenzverschleppung beträgt fünf Jahre
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(§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB); absolute Verjährung (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB) tritt nach zehn Jahren ein. Die Frist für die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist (§ 78a Satz 1 StGB). Dieser Zeitpunkt ist den Urteilsgründen nicht ge- nau zu entnehmen. Die Verjährung beginnt beim Unterlassen einer Insolvenzanmeldung erst dann, wenn die Pflicht erlischt, die Eröffnung des Verfahrens zu beantragen (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371, 380). Das ist, wenn die Handlungspflicht innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen ist, nicht stets schon bei deren Ablauf der Fall. Jedoch entfällt die Pflicht, wenn die Überschuldung überwunden wird. Ob und gegebenenfalls wann dies der Fall gewesen ist, bleibt in den Urteilsgründen unklar. Krehl Eschelbach RiBGH Zeng und Ri'nBGH Dr. Bartel sind an der Unterschriftsleistung gehindert. Krehl Wimmer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 18/15
vom
23. Juni 2016
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Stützt ein Gläubiger seinen Eröffnungsantrag auf die Übernahme der persönlichen
Haftung des Schuldners für einen Grundschuldbetrag und bildet diese
Forderung zugleich den Insolvenzgrund, wird die Forderung durch die Vorlage
einer vollstreckbaren Urkunde bewiesen. Einwendungen des Schuldners gegen
die Forderung oder gegen die Vollstreckbarkeit des Titels können regelmäßig
nur in den für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren geltend gemacht
werden.
BGH, Beschluss vom 23. Juni 2016 - IX ZB 18/15 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2016:230616BIXZB18.15.0

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 23. Juni 2016
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 2015 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 300.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Schuldnerin wendet sich gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.
2
Die Schuldnerin war als Immobilienzweckgesellschaft Eigentümerin eines mit einem Hotel bebauten, verpachteten Grundstücks in Frankfurt am Main. Mit Vertrag vom 11. Juli 2006 gewährte ihr die W. Bank N.A., Frankfurt Branch, ein Darlehen über 13 Mio. €, das unter anderem durch die Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 13 Mio. € abgesichert wurde. In der Grund- schuldbestellungsurkunde übernahm die Schuldnerin die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrags in Höhe des Grundschuldbetrags nebst 18 v.H. Zinsen und einer einmaligen Nebenleistung in Höhe von 10 v.H. des Grundschuldbetrags und unterwarf sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Im Jahr 2010 wurde die W. Bank N.A. auf die W. F. Bank N.A., Sioux Falls, South Dakota verschmolzen. Mit Vereinbarung zwischen der W. F. Bank N.A. und der Schuldnerin vom 12. Dezember 2012 wurde die Laufzeit des Darlehens vom 11. Juli 2031 auf den 31. Dezember 2013 verkürzt. Da die Schuldnerin den Restsaldo Ende des Jahres 2013 nicht zurückführte, ließ die Gläubigerin die Vollstreckungsklausel der Grundschuldbestellungsurkunde am 20. Februar 2014 auf die W. F. Bank N.A., Sioux Falls, South Dakota umschreiben und der Schuldnerin am 24. Februar 2014 die Vollstreckungsunterlagen zustellen. Mit Vertrag vom 26. Februar 2014 veräußerte die Schuldnerin das Grundstück zu einem Kauf- preis von 250.000 € bei Übernahme der bestehenden grundpfandrechtlichen Verpflichtungen an eine aus den Gesellschaftern E. F. -R. , Mexiko, und Z. S. , Israel, bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
3
Am 6. März 2014 beantragte die W. F. Bank N.A. London Branch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Am 6. Juni 2014 bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 2 zum vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte ihn mit der Erstellung eines Gutachtens, unter anderem zum Vorliegen eines Eröffnungsgrundes. Das Gutachten vom 8. Dezember 2014 kam zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig und überschuldet sei. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Be- schwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Schuldnerin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und die Ablehnung des Eröffnungsantrags der Gläubigerin.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die Gläubigerin sei berechtigt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Durch die Vorlage der Grundschuldbestellungsurkunde , die wegen der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung einen Vollstreckungstitel darstelle, habe sie das Bestehen einer Forderung nachgewiesen. Sie habe mit Urkunden belegt, dass es sich bei ihr und der in der umgeschriebenen Vollstreckungsklausel genannten Gesellschaft um Teile derselben juristischen Person handle und dass Anträge in ihrem Namen auch für jene Gesellschaft bindend seien. Eine Anfechtung der Änderungsvereinbarung vom 12. Dezember 2012 wegen arglistiger Täuschung müsse von der Schuldnerin im Wege der Vollstreckungsgegenklage verfolgt werden. Das rechtliche Interesse der Gläubigerin an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfalle nicht wegen ihrer dinglichen Absicherung am Grundstück, weil die Schuldnerin nicht bewiesen habe, dass das Grundpfandrecht unzweifelhaft eine ausreichende Sicherung biete.
6
2. Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist infolge ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht uneingeschränkt statthaft. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin ist die Zulassung nicht auf die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses beschränkt. Das Beschwerdegericht hat mit dem Hinweis auf diese Fra- ge ersichtlich nur die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründen wollen. Eine Beschränkung der Zulassung auf die Beurteilung einer einzelnen Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wäre im Übrigen unwirksam , weil sie nicht einen selbständigen Teil des Streitstoffs beträfe (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 92/09, WuM 2011, 137 Rn. 4 f; vom 12. April 2011 - II ZB 14/10, NJW 2011, 2371 Rn. 5 ff).
7
3. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Schuldnerin ordnungsgemäß vertreten. Auf die Rüge der Gläubigerin haben die das Rechtsbeschwerdeverfahren für die Schuldnerin führenden Rechtsanwälte eine Prozessvollmacht vorgelegt, die von der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführerin der die Geschäfte der Schuldnerin führenden Gesellschaft , L. F. G. , unterzeichnet ist. Nach einer Bescheinigung des Generalkonsulats von Mexiko handelt es sich dabei um dieselbe Person, die in Deutschland als L. Friedstadt d. O. gemeldet und mit diesem Namen in der Rechtsbeschwerdeschrift bezeichnet ist.
8
4. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch in der Sache unbegründet.
9
a) Mit Recht hat das Beschwerdegericht die weitere Beteiligte zu 1 für berechtigt gehalten, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu stellen. Antragsberechtigt sind neben dem Schuldner dessen Gläubiger (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 InsO). Die Rechtsbeschwerde wendet ein, die den Insolvenzantrag stellende "W. F. Bank N.A., London Branch" sei nicht rechtsfähig und könne schon deshalb nicht Gläubigerin sein. Selbst wenn es sich aber bei der W. F. Bank N.A. und der W. F. Bank N.A. London Branch um Gesellschaften mit jeweils eige- ner Rechtspersönlichkeit handelte, sei letztere nicht als Gläubigerin antragsberechtigt , weil Inhaberin der Forderungen die W. F. Bank N.A. sei.
10
Diese Einwände greifen nicht durch. Die weitere Beteiligte zu 1 hat den Insolvenzantrag auf den Anspruch auf Rückzahlung des am 11. Juli 2006 gewährten Darlehens und auf die in der Grundschuldbestellungsurkunde von der Schuldnerin übernommene persönliche Haftung für den Grundschuldbetrag gestützt. Gläubigerin dieser Forderungen war zunächst die W. Bank N.A., North Carolina. Die im Darlehensvertrag und in der Grundschuldbestellungsurkunde ergänzend angeführte Niederlassung dieser Bank in Frankfurt (Frankfurt Branch) hatte nach der Feststellung des Beschwerdegerichts keine eigene Rechtspersönlichkeit. Mit der Verschmelzung der W. Bank N.A. auf die W. F. Bank N.A. mit Sitz in Sioux Falls, South Dakota (USA) erwarb letztere die Stellung als Gläubigerin. Folgerichtig wurde die Vollstreckungsklausel betreffend die in der Grundschuldurkunde übernommene persönliche Haftung auf die W. F. Bank N.A. umgeschrieben. Auch die Änderungsvereinbarung zum Darlehensvertrag wurde durch die W. F. Bank N.A. geschlossen. Der Schriftverkehr, durch den anfangs des Jahres 2014 die Rückzahlung des Darlehens geltend gemacht wurde, erfolgte seitens der Gläubigerin ebenfalls unter der Bezeichnung W. F. Bank N.A. Zwar wurden die Verhandlungen vom Geschäftssitz der Zweigniederlassung in London (London Branch) aus geführt. Für einen objektiven Empfänger war aber klar, dass die Erklärungen für die W. F. Bank N.A. als Gläubigerin der in Rede stehenden Forderungen abgegeben wurden. Dass die Mitarbeiter der Zweigniederlassung in London mit rechtlicher Wirkung für die W. F. Bank N.A. handeln konnten, hat die weitere Beteiligte zu 1 durch die Vorlage einer Bestätigung des hierzu befugten Assistant Secretary der W. F. Bank N.A. nebst Beglaubigung durch eine englische Notarin samt Apostille belegt. Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Antrag der W. F. Bank N.A., handelnd durch ihre Niederlassung in London, zu verstehen. Auf die Frage, ob diese Niederlassung selbständig rechtsfähig ist, kommt es nicht an.
11
b) Auch die weitere Beurteilung des Beschwerdegerichts, die Gläubigerin habe bewiesen, eine fällige Forderung gegen die Schuldnerin zu haben, ist frei von Rechtsfehlern.
12
aa) Der Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO nur zulässig, wenn der Gläubiger seine Forderung glaubhaft macht. Eröffnet wird das Verfahren, wenn ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten , genügt ihre Glaubhaftmachung nicht; sie muss dann für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschluss vom 8. November 2007 - IX ZB 201/03, ZInsO 2007, 1275 Rn. 3 mwN; vom 29. November2007 - IX ZB 12/07, WM 2008, 227 Rn. 6; vom 6. Mai 2010 - IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091 Rn. 5).
13
bb) Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gestützt, sind noch nicht fällige Forderungen außer Betracht zu lassen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Im Streitfall kann deshalb die Forderung der Gläubigerin auf Rückzahlung des Darlehens allein die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht begründen. Ihre Fälligkeit ist von der Schuldnerin bestritten und vom Beschwerdegericht nicht festgestellt.
14
cc) Fällig ist hingegen die Forderung der Gläubigerin aus der Übernahme der persönlichen Haftung für den Grundschuldbetrag. Auch auf diesen Anspruch hat sich die Gläubigerin zur Begründung ihres Insolvenzantrags berufen. Den ihr obliegenden Beweis hat sie durch die Vorlage der vollstreckbaren Urkunde geführt. Da die Schuldnerin sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung wegen dieser Forderung unterworfen hat, ist die Forderung tituliert (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Einwendungen des Schuldners gegen titulierte Forderungen sind im Eröffnungsverfahren nicht vom Insolvenzgericht zu prüfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gilt dies auch in dem hier vorliegenden Fall einer Titulierung durch Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, WM 2006, 1632 Rn. 11; vom 29. November 2007 - IX ZB 12/07, WM 2008, 227 Rn. 9; vom 14. Januar 2010 - IX ZB 177/09, WM 2010, 660 Rn. 6; für vollstreckbare öffentlich -rechtliche Forderungen BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 176/09, ZInsO 2010, 1091 Rn. 6 f). Die Frage, ob Einwendungen des Schuldners gegen den vollstreckbaren Titel ausnahmsweise doch vom Insolvenzgericht geprüft werden müssen, wenn die Tatsachen, die dem Titel entgegenstehen, unstreitig oder offensichtlich sind (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - IX ZB 121/10, WM 2011, 135 Rn. 2 mwN), stellt sich nicht. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Behauptung der Schuldnerin, von der Gläubigerin beim Abschluss der Änderungsvereinbarung vom 12. Dezember 2012 arglistig getäuscht worden zu sein, ist bestritten.
15
Der Umstand, dass im Fall einer Titulierung durch eine vollstreckbare Urkunde noch keine sachliche Prüfung der Forderung unter Berücksichtigung der Einwendungen des Schuldners stattgefunden hat, rechtfertigt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde keine andere Beurteilung. Nach der Systematik des Gesetzes ist es nicht die Aufgabe des Insolvenzgerichts, von Gläubigern erhobene Forderungen abschließend unter Berücksichtigung der vom Schuldner geltend gemachten Einwendungen auf ihre Berechtigung zu prüfen. Dies gilt sowohl im Eröffnungsverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493 mwN) wie auch im eröffneten Verfahren bei einem Widerspruch gegen eine angemeldete Forderung (vgl. §§ 179 ff InsO). Ob die Forderung berechtigt ist, ist außerhalb des Insolvenzverfahrens zu klären. Die Verfolgungslast liegt grundsätzlich beim Gläubiger. Liegt allerdings für eine Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, obliegt es im eröffneten Verfahren dem Bestreitenden, seinen Widerspruch zu verfolgen (§ 179 Abs. 2, § 184 Abs. 2 InsO). Dies gilt unabhängig davon, ob der Schuldtitel aufgrund einer sachlichen Prüfung der Forderung zustande gekommen ist (Jaeger/Gerhardt, InsO, § 179 Rn. 25). Nach allgemeiner Meinung genügt deshalb auch eine vollstreckbare Urkunde im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, um die Verfolgungslast auf den Bestreitenden zu verlagern (vgl. nur MünchKomm-InsO/Schumacher, 3. Aufl., § 179 Rn. 23).
16
In entsprechender Wertung ist es Sache des Schuldners, im Eröffnungsverfahren erhobene Einwendungen gegen eine titulierte Forderung des Gläubigers außerhalb des Insolvenzverfahrens, etwa im Wege einer Vollstreckungsgegenklage , zu verfolgen. Auf die Frage, ob der Schuldtitel auf einer Sachprüfung beruht, kommt es auch hier nicht an.
17
c) Mit Recht hat das Beschwerdegericht schließlich das nach § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO erforderliche rechtliche Interesse der Gläubigerin an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bejaht. Ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Gläubiger wegen des staatlichen Vollstreckungsmonopols regelmäßig dann, wenn ihm - wie hier - eine Forderung zusteht und ein Eröffnungsgrund glaubhaft ist. Kein rechtlich schützenswertes Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat ausnahmsweise ein Gläubiger, dessen Forderung unzweifelhaft ausreichend dinglich gesichert ist (BGH, Beschluss vom 29. November 2007 - IX ZB 12/07, WM 2008, 227 Rn. 12; vom 8. Juli 2010 - IX ZB 45/10, ZInsO 2010, 1662 Rn. 5; vom 5. Mai 2011 - IX ZB 250/10, NZI 2011, 632 Rn. 6; vom 5. Mai 2011 - IX ZB 251/10, ZInsO 2011, 1216 Rn. 6). Darlegungspflichtig für eine ausreichende dingliche Sicherung ist der Schuldner.
18
aa) Von diesen Grundsätzen ist das Beschwerdegericht ausgegangen. Seine Würdigung, es sei nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt, dass die Gläubigerin durch die bestehende Grundschuld unzweifelhaft ausreichend dinglich gesichert sei, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass das Beschwerdegericht erheblichen Vortrag der Schuldnerin übergangen hätte. Die verschiedenen von den Beteiligten vorgelegten , zu unterschiedlichen Ergebnissen kommenden Gutachten zum Wert des belasteten Grundstücks hat das Beschwerdegericht ersichtlich zur Kenntnis genommen. Seine Feststellung, ein unabhängiges Gutachten liege nicht vor, bezieht sich auf die Tatsache, dass eine Begutachtung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht stattfinden konnte; den Schluss, das Beschwerdegericht habe übersehen, dass nicht alle von der Schuldnerin eingereichten Gutachten auch von dieser in Auftrag gegeben wurden, gestattet diese Formulierung nicht. Wegen der den Schuldner treffenden Darlegungslast musste das Beschwerdegericht auch nicht von sich aus ein Sachverständigengutachten zum Wert der dinglichen Sicherheit einholen.
19
bb) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts stellt keine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Der von der Rechtsbeschwerde hierfür angeführte Hinweis des Beschwerdegerichts vom 28. Oktober 2014 war nach sei- nem Inhalt nicht geeignet, bei der Schuldnerin ein Vertrauen darauf zu begründen , das Beschwerdegericht werde auf der Grundlage des bisherigen Vortrags die Frage des rechtlichen Interesses der Gläubigerin zugunsten der Schuldnerin entscheiden. Der Hinweis wurde nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren erteilt, sondern im Verfahren über die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 6. Juni 2014, durch den ein vorläufiger Verwalter bestellt und Sicherungsanordnungen getroffen wurden. Zudem ergaben sich nach der Erteilung des Hinweises neue Umstände, die geeignet waren , das rechtliche Interesse der Gläubigerin an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stützen.
20
cc) Hierzu gehört, dass - was das Beschwerdegericht mit Recht berücksichtigt hat - die Befriedigung der Gläubigerin aus der Grundschuld durch die Veräußerung des Grundstücks zwar nicht unmöglich gemacht, aber tatsächlich erschwert wurde, zumal die Gesellschafter der neuen Eigentümerin in Mexiko und Israel wohnhaft sind. Auf Antrag der Gläubigerin hatte das Vollstreckungsgericht zunächst im Juli 2014 die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des belasteten Grundstücks angeordnet. Am 14. November 2014 hob es diese Anordnungen wieder auf mit der Begründung, es könne nicht festgestellt werden, dass der Vollstreckungstitel den Gesellschaftern der neuen Eigentümerin des Grundstücks als Vollstreckungsschuldnerin wirksam zugestellt wurde. Die Gläubigerin hatte die Zustellung in Deutschland an eine Person namens O. bewirkt, welche die Vollstreckungsschuldnerin bei der Übertragung des Grundstückseigentums vertreten hatte; deren Vollmacht will die Vollstreckungsschuldnerin aber vor der Zustellung widerrufen haben. Die sofortigen Beschwerden der Gläubigerin gegen diese Beschlüsse haben keinen Erfolg gehabt. Über die vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden ist noch nicht entschieden.

21
dd) Das Beschwerdegericht durfte schließlich im Anschluss an die Ausführungen des Amtsgerichts berücksichtigen, dass ein Insolvenzverfahren bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung die Möglichkeit eröffnet, das Grundstück wieder zur Insolvenzmasse zu ziehen und - etwa im Wege einer freihändigen Veräußerung - einen höheren Erlös zu erzielen als durch eine Zwangsversteigerung (vgl. MünchKomm-InsO/Schmahl/Vuia, 3. Aufl., § 14 Rn. 20).

III.


22
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wurde nach § 58 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GKG geschätzt. Maßgeblich ist der Wert der Insolvenzmasse. Das Grundstück selbst ist nicht Teil derselben, weil es vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußert wurde. Berücksichtigt wurden der Kaufpreisan- spruch in Höhe von 250.000 € und ein Kontoguthaben von rund 13.000 €. Im Blick auf einen möglichen Anfechtungsanspruch gegen die Grundstückserwerber wurde der Betrag auf 300.000 € aufgerundet. Kayser Gehrlein Pape Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 16.12.2014 - 810 IN 279/14 S-1-7 -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.03.2015 - 2-09 T 88/15 -

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 628/15
vom
17. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:170316B1STR628.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO sowie in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 16. Juli 2015, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über den Verfall dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte aus den Taten Vermögenswerte in Höhe von 15.800 Euro erlangt hat, von der Anordnung des Verfalls des Wertersatzes aber abgesehen wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott sowie wegen 16 Fällen der Beihilfe zum tateinheitlich mit Untreue begangenen vorsätzlichen Bankrott, wegen 28 Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und wegen eines Falls der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zur versuchten Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass der Angeklagte durch die Taten Vermögenswerte von 40.000 Euro erlangt hat und der Verfall nicht angeordnet werden kann, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen.
2
Sein auf die ausgeführte Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat insoweit Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), als der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Ausspruch über den Verfall abgeändert hat. Im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
Näherer Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
4
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen 16 Fällen der Beihilfe zum jeweils tateinheitlich mit Untreue verwirklichten vorsätzlichen Bankrott durch den nicht revidierenden Mitangeklagten K. als Täter (C.I. der Urteilsgründe).
5
a) Indem der Mitangeklagte als Geschäftsführer der T. P. GmbH (im Folgenden: T. GmbH) den Angeklagten aufgrund einer vorherigen Absprache veranlasste, in 14 Fällen Überweisungen und in zwei weiteren Fällen Barabhebungen von einem Konto der T. GmbH vorzunehmen, um die entsprechenden Beträge privat zu verwenden, hat der Mitangeklagte sich jeweils als Täter wegen Untreue (§ 266 StGB) zu Lasten der T. GmbH strafbar gemacht. Das in der Zustimmung zu den genannten Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen liegende Einverständnis des Mitangeklagten, bei dem es sich zugleich um den alleinigen Gesellschafter der T. GmbH handelt, zu dem dem Gesellschaftsvermögen nachteiligen Verhalten entfaltet keine tatbestandausschließende Wirkung (zum Tatbestandausschluss bei wirksamer Zustimmung BGH, Beschluss vom 30. August 2011 – 3 StR 228/11, NStZ-RR 2012, 80 mwN). Denn die entsprechende Zustimmung war, wie das Landgericht rechtlich zutreffend angenommen hat, im Verhältnis zur Gesellschaft missbräuchlich, weil mit ihr unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht eine Gefährdung der Liquidität der T. GmbH einherging (vgl. nur BGH aaO).
6
b) Auch die jeweilige tateinheitliche Verurteilung des Mitangeklagten wegen Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nicht zu beanstanden. Er hat bei der Veranlassung des Angeklagten, Überweisungen auszuführen und Barabhebungen vorzunehmen, jeweils als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person (der T. GmbH) gehandelt (zu den Anforderungen an den Vertretungsbezug bei § 14 StGB: BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 118/11, BGHSt 57, 229, 237 f. Rn. 22 bis 25; siehe auch BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 357 Rn. 68). Nachdem der Bundesgerichtshof bei der Auslegung von § 14 StGB die sog. „Interessentheorie“ aufgegeben hat, ist in der höchstrichterlichen Recht- sprechung noch nicht in allen Einzelheiten geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Handeln als Vertreter oder Organ bzw. Beauftragter vorliegt (BGH jeweils aaO). Jedenfalls agiert der Handelnde aber in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, wenn er im Geschäftskreis des Vertretenen tätig wird (vgl. BGH jeweils aaO). Das ist hier der Fall. Der Mitangeklagte hat durch die auf seine Veranlassung erfolgten Transaktionen des Angeklagten vom Konto der T. GmbH bewirkt, dass die Ansprüche der GmbH gegen die kontoführende Bank erloschen sind. Schon wegen dieser rechtlichen Bindung des Gesellschaftsvermögens liegt ein Handeln im Geschäftskreis der vertretenen GmbH vor.
7
c) Zu diesen tateinheitlich begangenen Taten des Mitangeklagten hat der Angeklagte jeweils durch die Vornahme der Überweisungen und Barabhebungen Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) geleistet.
8
2. Die wegen der vorgenannten Taten gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
9
Außer der vom Landgericht vorgenommenen Strafmilderung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB (UA S. 36) war eine weitere Milderung nach § 28 Abs. 1 StGB nicht veranlasst. Denn das Tatgericht hat für die hier fraglichen Fälle eine (mit)täterschaftliche Begehung durch den Angeklagten lediglich deshalb nicht angenommen, weil es sich bei ihm weder um ein Organ der T. GmbH noch um einen gegenüber dem Gesellschaftsvermögen Treupflichtigen handelte (UA S. 31). Eine zusätzliche Milderung gemäß § 28 Abs. 1 StGB wäre nur dann vorzunehmen gewesen, wenn die Tatbeiträge des Angeklagten ohnehin nicht als täterschaftliche Verwirklichung zu werten gewesen wären (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 – 1 StR 233/12 Rn. 9 und vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14, wistra 2015, 146). Dies hat der Tatrichter aber gerade ohne Rechtsfehler ausgeschlossen.
10
3. Der den Angeklagten betreffende Ausspruch über den Verfall bzw. den Verfall des Wertersatzes hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
11
a) Die Feststellungen belegen lediglich, dass der Angeklagte aus den vorstehend erörterten Taten 15.800 Euro im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB erlangt hat und nicht – wie vom Landgericht angenommen – 122.189 Euro.
12
aa) Aus der Tat sind alle Vermögenswerte erlangt, die dem Täter (oder Teilnehmer) unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (st. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 22. Oktober 2002 – 1 StR 169/02, NStZ-RR 2003, 10, 11; vom 22. Oktober 2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 309; vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246 Rn. 92; Beschlüsse vom 29. Juni 2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 85 Rn. 37; vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13, wistra 2014, 354, 358 Rn. 73 und vom 11. Juni 2015 – 1 StR 368/14, ZWH 2015, 303, 304 Rn. 30). Erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 und § 73a Satz 1 StGB ist ein Vermögenswert nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer die faktische Verfügungsgewalt über den entsprechenden Vermögensgegenstand erworben hat (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2002 – 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; vom 1. März 2007 – 4 StR 544/06, BeckRS 2007, 04557 Rn. 8 und vom 12. Mai 2009 – 4 StR 102/09, NStZ-RR 2009, 320; siehe auch Fischer, StGB, 63. Aufl., § 73 Rn. 13 mwN).
13
bb) Diese Voraussetzungen liegen lediglich im Hinblick auf 15.800 Euro als Summe der von dem Angeklagten vorgenommenen beiden Barabhebungen von dem Konto der T. GmbH, nicht aber hinsichtlich der übrigen 106.389 Euro vor, die er durch insgesamt 14 Überweisungen teils auf ein Privatkonto des Mitangeklagten teils auf ein Konto einer in der Schweiz ansässigen Gesellschaft transferiert hat.
14
(1) Der Angeklagte hatte zwar im Hinblick auf seine Zeichnungsberechtigung für das Konto der T. GmbH (UA S. 10) sowie die ihm eingeräumte Vertretungsmacht für die Gesellschaft (UA S. 8) zunächst faktische Verfügungsmacht über die auf dem Konto eingegangenen Gelder. Mit Ausnahme der durch die Barabhebungen erlangten Beträge hat er aber durch das Bewirken der Über- weisungen von diesem Konto keine Vermögenswerte unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes bzw. der Tatbestände in irgendeiner Weise des Tatablaufs erlangt. Erst die Überweisungen als solche erweisen sich nämlich als tatbestandsmäßige Handlungen sowohl hinsichtlich der jeweiligen Untreue zu Lasten der T. GmbH und des Bankrotts bzw. der Beihilfe zu diesen Taten.
15
Indem der Mitangeklagte mit Kenntnis des Angeklagten Schuldner der T. GmbH ab dem 15. Mai 2012 dazu veranlasste, die gegen siebestehenden Forderungen der Gesellschaft durch Überweisung auf das neu eingerichtete Konto der T. GmbH zu überweisen, verwirklichte er weder den Tatbestandder Untreue gemäß § 266 StGB noch den des Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Bezüglich § 266 StGB ist dadurch noch kein Vermögensnachteil herbeigeführt worden. Die auf das Konto der T. GmbH eingegangenen Beträge gehörten zum Gesellschaftsvermögen wie zuvor die gegen die Schuldner bestehenden , sodann durch Erfüllung erloschenen Forderungen der T. GmbH.
16
Ebenso wenig erweist sich das Veranlassen der Zahlungen der Gesellschaftsschuldner auf das genannte Konto als gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandlich. Beiseitegeschafft sind zur Insolvenzmasse gehörende Vermögenswerte erst dann, wenn diese in eine veränderte rechtliche oder tatsächliche Lage verbracht werden, in der den Gläubigern der alsbaldige Zugriff unmöglich gemacht oder erschwert wird (Radtke/Petermann in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 283 Rn. 12 mwN). Das ist bei Geldern auf einem Konto in Inhaberschaft der T. GmbH als (spätere) Insolvenzschuldnerin nicht der Fall. Auch ein Verheimlichen i.S.v. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist durch das genannte Verhalten nicht gegeben. Es sind dadurch noch keine Bestandteile des Gesellschaftsvermögens oder deren Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse der Kenntnis von Gläubigern entzogen worden (zu den Anforderungen an diese Tathandlung RG, Urteil vom 2. Mai 1930 – I 296/30, RGSt 64, 138, 140).
17
Sowohl die Untreue zu Lasten der T. GmbH als auch der Bankrottgemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Begehungsvariante des Beiseiteschaffens sind erst mit den Überweisungen an den Mitangeklagten bzw. die schweizerische Gesellschaft und den beiden Barabhebungen tatbestandlich verwirklicht worden. Die tatsächliche Verfügungsgewalt über Vermögensgegenstände, die ihm unmittelbar aus der Verwirklichung der genannten Straftatbestände zugeflossen sind, hat der Angeklagte ausschließlich über die abgehobenen Bargeldbeträge in der Gesamthöhe von 15.800 Euro erlangt. Hinsichtlich des übrigen Guthabens auf dem Konto der GmbH hat der Angeklagte durch das tatbestandliche Verhalten gerade seine vor dem Eintritt in das Versuchsstadium bereits bestehende Verfügungsgewalt aufgegeben. Wegen der für ein Erlangen aus der Tat vorausgesetzten Verknüpfung zwischen dem unmittelbar aus der Tatbestandsverwirklichung zufließenden Vermögenswert und der zeitlichen Komponente der Erlangung während „irgendeiner Phase des Tatablaufs“ kann entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung das Ausüben der außerhalb der Tatbestandsverwirklichung begründeten Verfügungsgewalt über die auf dem Konto vorhandenen Guthaben nicht als Erlangen im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 73a Satz 1 StGB gewertet werden. Durch die Überweisungen verlor der Angeklagte gerade die Verfügungsgewalt über Werte, die ihm nicht durch tatbestandsmäßiges Verhalten zugeflossen waren.
18
Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen hat er damit 15.800 Euro aufgrund der von dem Konto der Gesellschaft getätigten Barabhebungen erlangt.
19
(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischen dem Mitangeklagten und dem Angeklagten zuvor abgesprochenen Vorgehen im Umgang mit den auf das Konto überwiesenen Geldern. Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Erlangen im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB in Bezug auf mehrere (als Mittäter) an der Tat Beteiligte auch dann in Betracht, wenn diese sich darüber einig waren, dass ihnen jeweils zumindest Mitverfügungsgewalt über Taterlöse zukommen sollte und sie diese auch tatsächlich innehatten (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2009 – 4 StR 102/09, NStZ-RR 2009, 320 mwN; siehe auch BGH, Beschluss vom 22. Juli 2014 – 1 StR 53/14 Rn. 6). Dies wird zwar grundsätzlich auch auf Teilnehmer , etwa Gehilfen, übertragen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2014 – 1 StR 53/14 Rn. 6). Vorliegend ist eine Mitverfügungsgewalt des Angeklagten der auf das Privatkonto des Mitangeklagten und das der schweizerischen Gesellschaft überwiesenen Guthaben aber gerade nicht festgestellt. Nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils lässt sich eine solche Mitverfügungsgewalt sogar ausschließen.
20
b) Der Senat kann in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den im Rahmen der Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO erfolgten Ausspruch über die Höhe der aus den Taten erlangten Vermögenswerte abändern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2013 – 1 StR 189/13 Rn. 2; vom 22. Juli 2014 – 1 StR 53/14 Rn. 2 f. und vom 17. September 2014 – 1 StR 357/14 Rn. 5).
21
(1) Die rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts belegen, dass der Angeklagte aus den hier allein fraglichen Taten zu C.I. der Urteilsgründe lediglich 15.800 Euro aufgrund der beiden Barabhebungen erlangt hat. Der vom Tatrichter angenommene höhere Betrag beruht – wie ausgeführt – auf einem Wertungsfehler. Da sämtliche diese Taten betreffenden Abflüsse von dem Konto der T. GmbH und die Empfänger der Zahlungen festgestellt worden sind, sind weitere Feststellungen über einen höheren Wert des von dem Angeklagten Erlangten ausgeschlossen.
22
(2) Der Senat kann ausschließen, dass das Tatgericht ohne den Wertungsfehler im Rahmen der Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO den Wert des vom Angeklagten Erlangten unter Anwendung von § 73c StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. März 2015 – 2 StR 322/14, NStZ-RR 2015, 171 f.) geringer als 15.800 Euro bestimmt hätte. Es ist aufgrund der von ihm zugrunde gelegten Rechtsauffassung von einem Gesamtwert des durch den Angeklagten Erlangten von 122.189 Euro ausgegangen. Die Herabsetzung dieses Betrages auf 40.000 Euro hat das Landgericht auf § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB gestützt (UA S. 41). Die dafür angeführte Begründung, dabei handele es sich in etwa um die Summe der Vermögenswerte, die bei dem Angeklagten vorläufig sichergestellt werden konnten (UA S. 41), schließt sicher aus, dass das Tatgericht ohne den Wertungsfehler die Höhe des tatsächlich Erlangten unter Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB geringer als 15.800 Euro festgestellt hätte.
23
(3) Ob das Landgericht rechtlich zutreffend der Verfallsanordnung entgegenstehende Rechte Verletzter angenommen hat, bedarf auf die Revision des Angeklagten hin keiner Entscheidung. Denn ist – wie im Ergebnis hier – rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte aus der Tat bzw. den Taten etwas erlangt hat, wirkt sich eine fehlerhafte Annahme von Ansprüchen Verletzter nicht zu seinem Nachteil aus (BGH, Beschluss vom 5. September 2013 – 1 StR 162/13, NStZ 2014, 149, 154 Rn. 99).
24
4. Angesichts der unbeschränkt eingelegten Revision und der nur geringen Herabsetzung des Wertes des vom Angeklagten aus den Taten Erlangten ist es nicht unbillig, ihn mit den gesamten Kosten seines ansonsten erfolglosen Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
Graf Jäger Radtke
Fischer Bär

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 13/14
vom
21. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat bereits mit einer Verfahrensrüge in vollem Umfang Erfolg. Auch das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte und auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das von dem Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

A.


I.


2
Sämtlichen Taten liegt nach den Feststellungen im Kern zugrunde, dass der Angeklagte in seiner Eigenschaft als Steuerberater zwölf Mandanten bei deren im Zusammenhang mit einem sogenannten „Honorarsplitting“ begangenen Einkommensteuerhinterziehungen unterstützte, indem er ihre Einkommensteuererklärungen fertigte.
3
1. Hierzu ist Folgendes festgestellt:
4
Die Mandanten des Angeklagten waren ausländische IT-Ingenieure, die für Firmen in Deutschland auf selbständiger Basis IT-Ingenieurleistungen - mit Ausnahme der Fälle B.IX der Urteilsgründe für die Firma O. OHG (im Folgenden: O. ) - erbracht hatten und zu dieser Zeit in Deutschland wohnhaft waren. Die IT-Ingenieure hatten ihre Leistungen nicht direkt gegenüber den Kunden abgerechnet, für die sie tätig geworden waren. Vielmehr hatten sie sich hierzu einer „Abrechnungsagentur, einer sogenannten Management Company“ mit Sitz im Ausland bedient. Bei den für O. tätigen IT-Ingenieuren handelte es sich um die Firma P. SA mit Sitz in G. (im Folgenden: P. ), im Übrigen um die in D. bzw. L. ansässige Firma I. C. (im Folgenden: I. ).
5
Bei im Detail unterschiedlichen Abläufen ging das Honorar des IT-Ingenieurs zunächst auf einem Konto der von ihm eingeschalteten Abrechnungsagentur ein. Die Abrechnungsagentur splittete sodann, wie mit dem IT-Inge- nieur vereinbart, das Honorar, indem sie nur einen Teil auf ein inländisches Konto des IT-Ingenieurs überwies, den (größeren) Restbetrag jedoch abzüglich einer Verwaltungsgebühr auf ein ausländisches Bankkonto des IT-Ingenieurs leitete oder - so in den Fällen der Einschaltung der P. - auf ein ausländisches Bankkonto („Cash Management Account“) der P. selbst transferierte und dort für den IT-Ingenieur anlegte. Auch in diesen Fällen konnte der IT-Ingenieur das auf dem „Cash Management Account“ befindliche Guthaben abrufen. Die IT-Ingenieure erklärten in den vom Angeklagten erstellten Steuererklärungen lediglich denjenigen Honoraranteil, der auf ihren inländischen Konten eingegangen war. Der auf den ausländischen Konten verbliebene Anteil wurde in den Steuererklärungen hingegen nicht erfasst. Dadurch bewirkten die IT-Ingenieure , dass Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 1.252.898,58 Euro verkürzt wurden.
6
Der Angeklagte war von den „verfahrensgegenständlichen“ IT-Inge- nieuren weder über die tatsächliche Höhe ihrer Honorare noch über das „Hono- rarsplitting“ informiert worden. Dennoch wusste er „zumindest ab Ende Februar 2001, dass die verfahrensgegenständlichen IT-Ingenieure die Management Companies, P. bzw. I. C. (....) allein deshalb einschalteten , um ihre Honorare zu splitten, d.h. um nur einen Teil der von ihnen tatsächlich in Deutschland erzielten Honorare gegenüber den Finanzbehörden anzugeben und den restlichen, nicht unerheblichen Teil unversteuert ins Ausland zu transferieren. Er rechnete deshalb bei Abgabe der Steuererklärungen jeweils mit der Möglichkeit und nahm billigend in Kauf, dass nicht unerheb- liche Einnahmen gegenüber den Finanzbehörden nicht angegeben wurden“ (UA S. 8, 66).
7
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte entgegen seiner Einlassung vorsätzlich handelte, neben weiteren Indizien auf seinen E-Mail-Verkehr mit anderen ausländischen Selbständigen, die für deutsche Unternehmen Leistungen erbrachten, insbesondere dem Zeugen H. ,gestützt. Diese E-Mails belegten, dass der Angeklagte „wusste, dass es keinen anderen Grund für die Einschaltung einer Management Company gab, als Steuern zu sparen bzw. eine vollumfängliche Besteuerung zu vermeiden“ (UAS. 80). Als gewichtiges Indiz hat das Landgericht dabei unter anderem gewertet, dass der Angeklagte den Zeugen H. darauf hingewiesen hatte, dass das an die „Management Company“- wobei es sich weder um P. noch um I. handelte - weitergeleitete Honorar in „Deutschland nicht erkennbar sein sollte“.

II.


8
Die Revision des Angeklagten greift bereits mit einer Verfahrensrüge durch. Eines Eingehens auf die weiteren im Rahmen der Sachrüge erhobenen Beanstandungen bedarf es daher nicht.
9
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
10
Die Verteidigung hatte in der Hauptverhandlung vom 12. Juli 2013 die zeugenschaftliche Einvernahme des „Herrn S. , Geschäftsführer der Firma T. (früher: O. ) … oder eine(s) instruierten Vertreter(s) (....)“ beantragt. In das Wissen dieses Zeugen wurden mehrere Tatsachen im Zusammenhang mit der Vergabe von IT-Leistungen bei O. gestellt, unter anderem, dass O.
- „IT-Ingenieure nur über dritte Unternehmen einsetzte, dagegen nicht selbst … beauftragte“ (Nr. 2 des Beweisantrags),
- „die benötigten IT-Ingenieurs-Leistungen durch Aufträge an ausländische Agenturen (Personalagenturen) einkaufte, welche für die jeweiligen Aufgaben geeignete IT-Ingenieure rekrutierten und zur Verfügung stellten“ (Nr. 4 des Beweisantrags),
- „dabei nur mit Personalagenturen zusammenarbeitete, deren Seriosität eingehend überprüft worden waren und dazu namentlich die Fa. P. gehörte“ (Nr. 5 des Beweisantrags),
- „P. (...) in mehr als 200 Fällen beauftragte, weil diese besonders häufig den Aufgaben gemäß qualifizierte IT-Ingenieure rekrutierte und zur Auftragsausführung stellte“ (Nr. 6 des Beweisantrags).
11
Zur Begründung des Antrages wurde ausgeführt, das Landgericht könne möglicherweise erwägen, dass der Angeklagte deswegen die Begehung von Steuerstraftaten in Kauf genommen habe, weil er in E-Mails an den Zeugen H. zum Ausdruck gebracht habe, über „eine - wirtschaftlich sinnlose - Zwischenschaltung einer Management Company sei wahrscheinlich Steuerfreiheit zu erreichen“. In diesem E-Mail-Verkehr liege aber keinErkenntnisgewinn für die verfahrensgegenständlichen Fälle. Demgegenüber werde sich durch die unter Beweis gestellten Umstände erweisen, dass P. aus Sicht von O. eine bedeutende, aktive und seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur und keine bloße Management Gesellschaft gewesen sei, was der Angeklagte nicht anders habe sehen können. Schließlich belegten die unter Beweis gestellten Umstän- de, dass in der vertraglichen Kette vom „Endkunden O. über die Personalagen- tur bis hin zum betreffenden IT-Ingenieur gerade keine Abrechnungsgesell- schaft zwischengeschaltet war“.
12
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag im Wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt:
13
Der benannte Zeuge könne zum E-Mail-Verkehr des Angeklagten mit dem Zeugen H. nicht erkennbar Angaben machen. Der Zeuge sei daher zur „Erreichung des (...) Beweisziels“, dass nämlich aus diesem E-Mail-Verkehr keine Rückschlüsse auf den Vorsatz des Angeklagten gezogen werden könnten , völlig ungeeignet. Auch soweit es um Einschätzungen des Angeklagten gehe, sei der Zeuge völlig ungeeignet. Soweit der Beweisantrag darauf abziele, zu belegen, dass es sich bei P. aus Sicht von O. um eine „bedeutende, aktive und seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur“ und nicht um eine „bloße Managementgesellschaft“ gehandelt habe und der Angeklagte dies nicht anders sehen konnte, komme es allein darauf an, „wie derAngeklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt die Tätigkeit der Firma P. bewertete“. Die Einschätzung der Verantwortlichen von O. sei deshalb für das Verfahren aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Soweit schließlich mit dem Beweisantrag bewiesen werden solle, dass in die Vertragskette zwischen O. und dem entsprechenden IT-Ingenieur keine Abrechnungsfirma zwischengeschaltet sei, fehle es bereits an einer korrespondierenden Beweistatsache. Zudem sei nicht ersichtlich, dass der Zeuge Angaben zu „anderen Vertragsgestaltungen“ machen könne, wes- wegen er völlig ungeeignet sei.
14
2. Die zulässige Verfahrensrüge ist auch begründet. Das Landgericht hat die herangezogenen Ablehnungsgründe nur auf die vermeintlichen Beweisziele bezogen, nicht aber auf die in dem Antrag - neben unbeachtlichen Wertungen - enthaltenen bestimmten Beweistatsachen. Insoweit ist eine Bescheidung des Antrags nicht erfolgt. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft.
15
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kam es für die Frage, ob der benannte Zeuge als Beweismittel völlig ungeeignet war, nicht auf die im Beweisantrag angeführten Beweisziele, sondern auf die unter Beweis gestellten Tatsachen an. Völlig ungeeignet i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 4 StPO ist ein Beweismittel nur dann, wenn mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht bestätigt werden kann (vgl. nur BGH, Beschluss vom 30. Januar 2013 - 2 StR 468/12, NStZ-RR 2013, 185; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 230 mwN). Der ablehnende Beschluss bedarf einer Begründung , die ohne jede Verkürzung oder sinnverfehlende Interpretation der Beweisthematik alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen das Gericht auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1991 - 1 StR 99/91, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 10; Beschluss vom 24. Juni 2008 - 3 StR 179/08, NStZ 2008, 707; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 243).
16
Diesen Anforderungen wird der ablehnende Beschluss nicht gerecht. Er verfehlt den Sinn des Beweisantrags. Nach dessen Wortlaut waren Beweisbehauptungen aufgestellt, die sich - soweit sie Tatsachen betreffen - unmittelbar auf Vorgänge bei O. im Zusammenhang mit der Vergabe von IT-Dienstleistungen bezogen. Das Landgericht hat indessen den Antrag dahin verkürzt, ob der benannte Zeuge Angaben zu einem nicht in dessen Wissengestellten E-Mail-Verkehr, zu Einschätzungen des Angeklagten oder zu anderen Vertragsgestaltungen machen könne und damit seiner Entscheidung anstatt der unter Beweis gestellten Beweistatsache allein vermeintliche Beweisziele des Antrags zugrunde gelegt.
17
Dass der benannte Zeuge als Geschäftsführer der Firma T. (früher: O. ) zu den unter Beweis gestellten Vorgängen bei O. keine Angaben machen könnte, erschließt sich auch ansonsten nicht. Erwartungsgemäß wird gerade der Verantwortliche eines Unternehmens (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 282 Rn. 16 f.) schon aus seiner beruflichen Kenntnis heraus zu den unter Beweis gestellten Umständen der Vergabe von IT-Dienstleistungen Angaben machen können.
18
b) Mit der gegebenen Begründung durfte die Strafkammer den Beweisantrag auch nicht als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos ablehnen. Gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 Variante 2 StPO ist dies nur möglich, wenn die Tatsache , die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Dies legt das Landgericht nicht dar.
19
Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder weil sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Falle ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, da sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hier- zu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen , in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen , ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der von der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 154/13, NStZ 2014, 111; Becker, aaO, Rn. 220 mwN). Das Beweisthema ist hierbei ohne Einengung, Umdeutung oder Verkürzung in seiner vollen Tragweite nach seinem Sinn und Zweck zu würdigen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1982 - 1 StR 698/82, StV 1983, 90). Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2007 - 5 StR 451/07, StV 2008, 121 mwN).
20
Im Hinblick auf diese Anforderungen greifen die Erwägungen des Landgerichts zu kurz. Indem es darauf abstellt, es solle mit dem Beweisantrag belegt werden, „dass die Fa. P. ausSicht der Fa. O. eine bedeutende, aktive und seriöse Personal- und Zeitarbeitsagentur und keine bloße Managementgesell- schaft war“, lässt es bereits die gebotene Einfügungund Würdigung der unter Beweis gestellten Tatsachen in das bisher gewonnene Beweisergebnis vermissen. Denn es hat damit nicht die unter Beweis gestellten Vorgänge bei O. und deren Beziehungen zu P. , sondern lediglich eines der im Antragformulierten Beweisziele in den Blick genommen und damit das Beweisthema unzulässig verkürzt.
21
Es hätte vielmehr entsprechend den oben dargelegten Maßstäben erwägen müssen, ob und wenn ja, warum die Vorstellung des Angeklagten von et- waigen tatsächlichen oder aus Sicht von O. bestehenden wirtschaftlich sinnvollen Sachgründen für dieInvolvierung der P. - Rekrutierung der Ingenieure im Auftrag von O. - unabhängig war. Ausführungen dazu, welchen Einfluss dieser Umstand - dass nämlich O. IT-Ingenieure nur über dritte Unternehmen einsetzte , die benötigten IT-Ingenieurs-Leistungen durch Aufträge an ausländische Firmen einkaufte und diese ihrerseits geeignete Ingenieure rekrutierte undP. in mehr als 200 Fällen als ein solches Drittunternehmen für O. tätig war, weil sie besonders häufig den Aufgaben gemäß qualifizierte IT-Ingenieure rekrutierte - auf seine Überzeugungsbildung gehabt hätte, enthält der Beschluss des Landgerichts nicht. Angesichts dessen, dass es die Vorstellung des Angeklagten , es habe für die Einschaltung einer „Management Company“ keinen anderen Grund gegeben, als eine vollumfängliche Besteuerung zu vermeiden (UA S. 80) und die Einschaltung einer „Management Company (sei) wirtschaftlich nur unter dem Aspekt des Honorarsplittings sinnvoll“ (UA S. 92), maßgeblich aus dessen eine andere Firma betreffende Einschätzung gegenüber dem Zeugen H. ableitet, versteht sich dies nicht von selbst.
22
c) Soweit das Landgericht den Antrag mit der Begründung abgelehnt hat, es fehle „an einer korrespondierenden Beweistatsache“, trägt auch diese Be- gründung nicht. Der Senat kann offen lassen, ob er der ersichtlich zugrunde liegenden Auffassung des Landgerichts folgen könnte, dass die Frage, ob ein Unternehmen als „Abrechnungsfirma“ tätig wird, nicht demBeweis zugänglich ist (zu Beweistatsachen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Sachverhalten vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 282 mwN). Jedenfalls aber war die Zwischenschaltung einer „Abrechnungsfirma“ nicht unter Beweis gestellt, sondern nur zur Darlegung des Beweisziels - als Vorwegnahme einer möglichen Würdigung durch das Landgericht - angesprochen worden. Die im Beweisantrag enthaltenen, hinreichend bestimmten Be- weistatsachen werden hingegen nicht an den Ablehnungsgründen des § 244 Abs. 3 StPO gemessen. Weiterer Ausführungen im Beweisantrag, warum der benannte Zeuge zu den unter Beweis gestellten Umständen etwas bekunden können soll, bedurfte es vorliegend nicht (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 StR 379/13, NStZ 2014, 185 Rn. 15 ff.).
23
3. Auf dieser Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO beruht das Urteil in seiner Gesamtheit. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der unter Beweis gestellten und außerhalb einer Steuerersparnis bei den IT-Ingenieuren liegenden Sachgründe für O. , die P. zu beauftragen, zu einem anderen Vorstellungsbild des Angeklagten über Sinn und Zweck der Einschaltung der P. hätte kommen können.
24
Der Beweisantrag betrifft zwar im Kern nur diejenigen Fälle, in denen unter Einschaltung von P. Steuern hinterzogen wurden, und damit nicht die Fälle B.IX der Urteilsgründe, in denen I. zum „Honorarsplitting“ eingebunden worden war. Schon angesichts der jeweils gleichgelagerten Vorgehensweise in beiden Firmen und der untrennbar ineinander verzahnten und sich in weiten Teilen auf beide Firmen beziehenden Beweiswürdigung kann der Senat jedoch nicht ausschließen, dass das Urteil insgesamt auf dem Verfahrensfehler beruht. Das Urteil war demgemäß umfassend mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufzuheben.

B.


25
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam (zum Maßstab vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14 mwN) auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg.
26
Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind - auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabs (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123) - nicht frei von Rechtsfehlern zu Gunsten des Angeklagten.
27
Die strafmildernde Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe lediglich mit bedingtem Tatvorsatz gehandelt, ist - unbeschadet der Bedeutung der Vorsatzform für die Strafzumessung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618 ff. mwN) - nicht mit Feststellungen belegt. So ist zwar festgestellt, dass der Angeklagte „bei Abgabe der Steuererklärungen jeweils mit der Möglichkeit (rechnete) und (...) billigend in Kauf (nahm), dass nicht unerhebliche Einnahmen gegenüber den Finanzbehörden nicht angegeben wurden“ (UA S. 8). Dies bleibt aber, worauf die Revision zutreffend hinweist, hinter der unmittelbar vorangehenden Feststellung zu- rück, der Angeklagte habe gewusst, dass „die verfahrensgegenständlichen IT-Ingenieure“ die Firmen P. bzw. I. allein deshalb einschalteten, „um ihre Honorare zu splitten, d.h. um nur einen Teil der von ihnen tatsächlich in Deutschland erzielten Honorare gegenüber den Finanzbehörden anzugeben und den restlichen, nicht unerheblichen Teil unversteuert ins Ausland zu trans- ferieren“ (UA S. 8).Auch in seiner Beweiswürdigung hat das Landgericht aus dem Wissen des Angeklagten, dass die von ihm vertretenen IT-Ingenieure Management Companies wie die P. und die I. nur zum Zwecke des Hono- rarsplittings einschalteten, geschlossen, dass dieser „deshalb“ bedingt vorsätz- lich gehandelt habe (vgl. UA S. 66).
28
Auf welcher Grundlage das Landgericht trotz des konkret festgestellten Wissens des Angeklagten um das „Honorarsplitting“ zu dem Ergebnis gelangt ist, er habe lediglich bedingt vorsätzlich gehandelt, wird im Urteil nicht dargelegt. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Gegen ein Wissen des Angeklagten um die Hinterziehungen seitens der IT-Ingenieure konnte vorliegend jedenfalls nicht ohne Weiteres sprechen , dass der Angeklagte nicht wusste, ob die IT-Ingenieure das „Honorarsplit- ting“ in ihren Steuererklärungen umsetzten oder nicht, denn die Steuererklärun- gen waren von ihm selbst gefertigt worden. Eine Auseinandersetzung damit, ob er aus der Höhe des erklärten Honorars Rückschlüsse auf ein „Honorarsplitting“ ziehen konnte, findet sich in den Urteilsgründen nicht.

C.


29
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
30
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den sogenannten berufstypischen, äußerlich neutralen Handlungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12; Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 17 f.) ist wie folgt zu differenzieren:
31
Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter"; es ist als „Solidarisierung" mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen (sog. deliktischer Sinnbezug , vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 17 f.). Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen , es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (BGH, Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20; BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 112 ff.; Schünemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 19).
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher