Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - 3 StR 176/14

bei uns veröffentlicht am24.07.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 1 7 6 / 1 4
vom
24. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 24. Juli
2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 3. Mai 2013
a) in den Schuldsprüchen dahin abgeändert, dass - der Angeklagte T. des banden- und gewerbsmäßigen Betruges, - der Angeklagte M. des banden- und gewerbsmäßigen Betruges und des Betruges in neun Fällen schuldig sind,
b) in den gesamten Strafaussprüchen aufgehoben; die jeweils zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten,
c) in den Aussprüchen, dass nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird - soweit es den Angeklagten T. betrifft, dahin abge- ändert, dass dieser aus der Tat 26.965,40 € erlangt hat, - soweit es den Angeklagten M. betrifft, aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten des banden- und gewerbsmäßigen Betruges in zwei Fällen (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe) und den Angeklagten M. weiter des Betruges in neun Fällen (Fälle II. 3 bis 11 der Urteilsgründe ) schuldig gesprochen. Den Angeklagten T. hat es deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zu einer Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen verurteilt, gegen den Angeklagten M. hat es auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie eine Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen erkannt. Ferner hat es festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von Wertersatz jeweils Ansprüche Verletzter entgegenstehen , und den Wert des von den Angeklagten in den Fällen 1 und 2 Erlangten mit je 28.695,66 € sowie den Wert des vom Angeklagten M. in den Fällen 3 bis 11 Erlangten mit 7.557,56 € beziffert.
2
Die Revisionen der Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts und beanstanden das Verfahren. Die Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Annahme jeweils rechtlich selbständiger Taten in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
Nach den Feststellungen versandten die Angeklagten unter den von ihnen angemeldeten Einzelgewerben "A. G. (AGZ)" und "D. G. V. (DGV)" ab Ende 2008 massenhaft Formularschreiben an Gewerbetreibende im Bundesgebiet, deren Anschriften sie aus täglicher Auswertung der in der Online-Datenbank des Bundesanzeigers veröffentlichten Neueinträge in das Handelsregister erlangten. Durch entsprechende Gestaltung der Schreiben wollten sie bei deren Adressaten den Irrtum hervorrufen , es handele sich um die Gebührenrechnung des Registergerichts, um sie so zu einer Überweisung des darin genannten Betrages auf das mitgeteilte Konto der "AGZ" bzw. der "DGV" zu veranlassen (Fall II. 1). Im Frühjahr 2009 entschlossen sich die Angeklagten, dieses aus ihrer Sicht erfolgreiche "Geschäftsmodell" einerseits auszuweiten und andererseits nach außen hin eine Mehrzahl von Versendern in Erscheinung treten zu lassen, um Anzeigen der kontoführenden Banken nach dem Geldwäschegesetz entgegenzuwirken. Über einen Strohmann gründeten sie hierzu in mehreren Bundesländern insgesamt fünf GmbHs, unter deren Kopf sie sodann ab Juni 2009 jeweils einen Teil der von ihnen erstellten Anschreiben versandten (Fall II. 2).
5
Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen im Übrigen sind die als Fälle II. 1 und 2 abgeurteilten Tathandlungen als Teilakte eines insgesamt einheitlichen Geschehens zu bewerten. Die Neuausrichtung im Frühjahr 2009 führte lediglich zu einer Veränderung des Erscheinungsbilds nach außen hin. Im Kern verblieb es demgegenüber bei der Fortsetzung des von vornherein auf Dauer und Gleichförmigkeit angelegten Handelns. Das zwischen den Angeklagten und den weiteren Tatbeteiligten verabredete arbeitsteilige Vorgehen und die damit verbundenen Aufgabenzuweisungen blieben ebenso unverändert wie die Gewinnverteilung. Den Geschäftsbetrieb der "AGZ" und der "DGV" führten die Angeklagten auch nach der Gründung der neuen Gesellschaften fort; sämtliche der Einzelunternehmen bildeten nach dem Tatplan ein Firmengeflecht, durch das tatsächliche Zahlungsströme vor Banken und Ermittlungsbehörden verschleiert werden sollten.
6
Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich die Angeklagten bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Konkurrenzverhältnisse nicht wirksamer hätten verteidigen können.
7
2. Die gesamten Strafaussprüche haben - bereits unabhängig von der Änderung der Schuldsprüche - keinen Bestand.
8
Das Landgericht hat bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen nicht nur Freiheitsstrafen, sondern auch Geldstrafen für geboten erachtet (§ 41 StGB). Die Vorschrift erlaubt indes keine Zusatzstrafe. Wird neben einer verwirkten Freiheitsstrafe auch auf eine Geldstrafe erkannt, so muss sich vielmehr die Strafe in ihrer Gesamtheit im Rahmen des Schuldangemessenen halten. Das Verhältnis zwischen den beiden Sanktionsmitteln richtet sich dabei nach allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen, weshalb bei der Bemessung der Freiheitsstrafe die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe als bestimmende Strafzumessungstatsache Berücksichtigung zu finden hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1985 - 4 StR 53/85, wistra 1985, 147). Zu den Auswirkungen der Geldstrafen auf die Bemessung der Freiheitsstrafen verhält sich das Urteil jedoch nicht. Was den Angeklagten M. betrifft, hätte sich das Landgericht überdies damit auseinandersetzen müssen, ob die Verhängung einer Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe nach dessen Vermögensverhältnissen überhaupt angebracht ist (hierzu BGH aaO, 148). Nach den Feststellungen verfügt er über kein Vermögen, ist mit 100.000 € verschuldet und bezieht lediglich Sozialleistungen.
9
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils auch in den Gesamtstrafenaussprüchen. Die jeweils zugehörigen Feststellungen werden von den Mängeln nicht berührt und können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch treten.
10
3. Auch die Aussprüche, dass nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird (§ 111i Abs. 2 StPO), sind nicht frei von Rechtsfehlern.
11
a) Soweit der Angeklagte T. betroffen ist, ändert der Senat den Ausspruch dahin ab, dass dieser Angeklagte aus der als Fälle II. 1 und 2 abge- urteilten Tat 26.965,40 € erlangt hat (§ 111i Abs. 2 Satz 2 StPO). Auf die vom Landgericht hinzugerechneten, auf Konten der "DGV" geflossenen Gelder hatte nach den Feststellungen ausschließlich der Mitangeklagte Zugriff.
12
b) Was den Angeklagten M. anbelangt, hat der Ausspruch dagegen insgesamt keinen Bestand, denn das Landgericht hat nicht geprüft, ob bereits nach der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abzusehen gewesen wäre (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 8. August 2013 - 3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44). Hierzu hätte es sich angesichts der festgestellten Vermögensverhältnisse gedrängt sehen müssen.
13
Der neue Tatrichter wird gegebenenfalls auch zu beachten haben, dass aus der als Fälle II. 1 und 2 abgeurteilten Tat lediglich die der "DGV" zugeflossenen Beträge in die Verfügungsgewalt des Angeklagten M. gelangten. Auf die Zahlungseingänge bei der "AGZ" und bei den später gegründeten Gesellschaften konnte er nach den Feststellungen nicht zugreifen; insoweit erhielt er vom Mitangeklagten monatliche Provisionen, die den abgeurteilten Teilakten nicht mehr zugeordnet werden können.
14
4. Von der Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verzögerung des Revisionsverfahrens sieht der Senat entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts ab. Nach den Umständen, insbesondere nach der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), erscheint dessen Dauer von etwa elf Monaten zwischen der ersten Revisionsbegründung und der Entscheidung des Senats insgesamt noch als angemessen. Der Senat weicht damit nicht im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO von einem den Angeklagten begünstigenden Antrag der Staatsanwaltschaft ab, denn es handelt sich insoweit nicht um eine Entscheidung über die Revision gegen das Urteil.
Becker Pfister Schäfer RiBGH Gericke befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Mayer Becker

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - 3 StR 176/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - 3 StR 176/14

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - 3 StR 176/14 zitiert 7 §§.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 111i Insolvenzverfahren


(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an de

Strafgesetzbuch - StGB | § 41 Geldstrafe neben Freiheitsstrafe


Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtsch

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 179/13
vom
8. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 29. Januar 2013 im Ausspruch über die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben. Die zugehörigen bisherigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass lediglich deshalb nicht auf einen Verfall von Wertersatz "in Höhe von mindestens 50.000 €" erkannt werde, da Ansprüche der Verletzten dem entgegenstehen. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt : "Zwar hat die Strafkammer zutreffend die gestohlenen Gegenstände als das aus den Taten unmittelbar 'Erlangte' im Sinne des § 73 StGB angesehen und hat - da das Diebesgut mittlerweile veräußert worden war - den dem Wertersatzverfall im Sinne des § 73a StGB entsprechenden Geldbetrag grundsätzlich in Höhe des Verkehrswerts des Diebesguts beziffert. Dass sie im Tenor lediglich einen wertmäßig dahinter zurückbleibenden Geldbetrag benannt hat, den der Staat unter den Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO erwirbt, beschwert den Angeklagten nicht. Fraglich erscheint jedoch, ob dem Angeklagten ein Vermögenswert in der benannten Größenordnung unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist (BGHSt 52, 227, 246), er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, wenn auch nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat (BGHSt 51, 65, 68; BGH NStZ 2010, 85). Hierfür würde genügen, wenn der Angeklagte gemeinsam mit den gesondert Verfolgten oder den Mitangeklagten faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über die Diebesbeute erlangt hätte (BGH NJW 2012, 92f), was die Strafkammer annimmt (UA S. 54). Nach den Feststellungen oblag die unmittelbare Ausführung der Einbruchsdiebstähle jedoch jeweils zwei Mittätern, die 'Aufbewahrung' der Diebesbeute erfolgte (ebenfalls) bei den Mittätern in der Landesaufnahmebehörde B. . Welche(r) Mittäter die Verwertung übernahm(en), insbesondere ob auch der Angeklagte hieran beteiligt war, und welchen Anteil jeder Mittäter aus der Beute erhielt, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Die Feststellungen belegen demnach allenfalls eine Mitverfügungsgewalt des Angeklagten während des Transports von Beute und Mittätern zur Landesaufnahmebehörde B. . Dass dieser kurzfristige und vorübergehende Zustand genügen soll, um einen (gegebenenfalls anschließend wieder durch Mittelabflüsse geminderten) Vermögenszufluss beim Angeklagten anzunehmen, begegnet durchgreifenden Bedenken (vgl. BGH NStZ 2010, 568; BGH NJW 2012, 92 verneint eine gemeinsame Mitverfügungsmacht über den gesamten Betrag, weil der Angeklagte den Gesamtbetrag nur 'kurzfristig und transitorisch' erhalten und deren Beuteanteile an seine Mittäter weitergeleitet hatte).
Die Urteilsausführungen lassen darüber hinaus die revisionsrechtliche Überprüfung erlaubende Darlegungen zur Ablehnung des § 73c StGB vermissen. § 73c StGB ist - wovon auch die Strafkammer im Ansatz zutreffend ausgegangen ist - im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Feststellung, welcher Vermögenswert dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegt, anwendbar. Abhängig von den jeweiligen persönlichen Verhältnissen der Tatbeteiligten können deshalb bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern unterschiedlich hohe Vermögenswerte gemäß § 111i Abs. 2 StPO festzustellen sein (BGHSt 56, 40, 50f). Die Strafkammer hat - ausdrücklich - lediglich geprüft, ob auf der Grundlage des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB von der Anordnung des Verfalls abzusehen sei und hat dies verneint (UA S. 55). Wegen des systematischen Verhältnisses von § 73c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StGB [vgl. hierzu Senat in BGHR StGB § 73c Härte 14 (Gründe)] ist jedoch regelmäßig zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen. Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist (BGHSt 33, 37, 39f; BGH NStZ-RR 2003, 75; 2003, 144; StV 2008, 576f). Es ist deshalb zunächst festzustellen , was der Angeklagte aus der Tat 'erlangt' hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüber zu stellen (BGH NStZ 2010, 86f). Wenn hiernach ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr (vollständig) vorhanden ist, verlangt § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB die Ausübung tatrichterlichen Ermessens, ob (teilweise) von einer Verfallsanordnung abzusehen ist. Zu dem noch vorhandenen Vermögen des Angeklagten verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Zwar lassen der Umstand, dass die Strafkammer einen Auffangrechtserwerb des Staates in Höhe von 50.000,- € angeordnet hat, und die Ausführungen, wonach das Gericht durch gesonderten Beschluss gemäß § 111i Abs. 3 StPO den dinglichen Arrest aus dem Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg im Rahmen der Rückgewinnungshilfe in Bezug auf den Angeklagten B. entschieden habe (UA S. 55), auf noch vorhandenes Vermögen beim Angeklagten schließen. In welcher Höhe sich dieses beläuft, wird jedoch nicht mitgeteilt. Im Rahmen der persönlichen Verhältnisse stellt die Strafkammer lediglich fest, dass der verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Angeklagte als Landschaftsbauer ein Monatseinkommen von 1.500 bis 1.600 € netto bezog (UA S. 3). Zu etwaigen Einkünften seiner Ehefrau verhalten sich die Urteilsgründe nicht. Dass die Benennung eines - gegenüber dem Verkehrswert der Diebesbeute - geringeren Betrags, der dem Auffangrechtserwerb des Staates unterfallen soll,
in Ausübung des der Strafkammer nach § 73 Abs.1 Satz 2 StGB zustehenden Ermessens erfolgt sein könnte, ist nicht ersichtlich, zumal auch die Beurteilungsgrundlagen nicht dargelegt werden. Die Anordnung kann deshalb keinen Bestand haben."
3
Dem schließt sich der Senat an. Über die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe nur deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen, ist deshalb erneut zu befinden. Einer Aufhebung der dazu rechtsfehlerfrei getroffenen bisherigen Feststellungen bedarf es nicht. Soweit der neue Tatrichter zusätzliche weitere Feststellungen trifft, dürfen diese zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Becker Pfister Hubert
Mayer Spaniol

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.