Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2013 - 3 StR 267/13

bei uns veröffentlicht am12.12.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 2 6 7 / 1 3
vom
12. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
12. Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 6. Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen A. III. 3., 4. und 5. der Urteilsgründe;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen A. III. 1., 2. und 8. der Urteilsgründe mit den Feststellungen unter A. II. 5. und 7. der Urteilsgründe sowie den Feststellungen zu den Erwerbsakten betreffend die Gewinnspielprodukte "Ihr Bonusvorteil", "Deutschland Tipp" und "Allianz-Tipp ABO"; die übrigen Feststellungen zu diesen Einzelstrafen werden aufrechterhalten,
c) mit den zugehörigen Feststellungen aa) im Gesamtstrafenausspruch, bb) soweit das Landgericht festgestellt hat, dass ein Betrag von 731.083,46 € nur deshalb nicht dem Verfall unter- liegt, weil Ansprüche Dritter entgegenstehen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in neun Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen und "festgestellt, dass ein Betrag in Höhe von 731.083,46 € nur deshalb nicht dem Verfall unterliegt, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen." Gegen dieses Urteil richtet sich die mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Sogenannte Gewinnspieleintragungsdienste schließen mit Verbrauchern gegen eine monatliche Gebühr Verträge über deren Eintragung bei diversen (kostenlosen) Gewinnspielen, die im Rahmen von Werbeveranstaltungen unterschiedlicher Firmen angeboten werden. Zur Kontaktaufnahme mit den Kunden und zum Abschluss der Verträge bedienen sich die Gewinnspieleintragungsdienste (interner oder externer) Call-Center. Der telefonische Vertragsschluss wird aufgezeichnet, die Aufzeichnung als "Voice-File" in dem Datensatz des Kunden abgespeichert, der ansonsten aus Name, Anschrift, Geburtsdatum, Telefon und Bankverbindung besteht. Dieses Voice-File wird in der Branche - wenn auch rechtlich unzutreffend - darüber hinaus als Erklärung des Kunden verstanden, weiteren Kontaktaufnahmen zu Werbezwecken zuzustimmen. Ebenfalls in diesem Datensatz wird vermerkt, wenn der Kunde die monatlichen Gebühren nicht zahlt, sei es, weil er den Vertrag storniert hat, bereits abgebuchte Gebühren zurückgebucht werden oder Abbuchungsversuche mangels Kontendeckung scheitern. Regelmäßig unternehmen jedoch die Gewinnspieleintragungsdienste keine Bemühungen, etwaige Forderungen tatsächlich geltend zu machen. Vielmehr werden entsprechende Kunden zukünftig lediglich nicht mehr kontaktiert.
4
Diese Untätigkeit der Gewinnspieleintragungsdienste wollte der Angeklagte , der seit November 2008 als Adresshändler selbständig tätig war und dem deshalb die Usancen der Branche geläufig waren, zu eigenen Zwecken nutzen. Als Verantwortlicher seiner eigenen Unternehmen M. und F. handelnd kaufte und übernahm er von acht Personen Kundendatensätze diverser Gewinnspieldienste , wobei er jeweils verschwieg, dass es ihm darum ging, diejenigen Kunden herauszufinden, gegen die Forderungen bestanden, um diese selbst - unter Einschaltung von Inkassounternehmen - geltend zu machen (A. II. 1. bis 8. der Urteilsgründe). Die Geschäftspartner gingen dementsprechend von einem in der Branche üblichen Kauf von Adressdaten aus, der dazu diente, mit den entsprechenden Kunden zu eigenen Zwecken erneut Kontakt aufzunehmen ; hierfür werden üblicherweise zwischen 0,10 € und etwas über 1 € pro Datensatz bezahlt. Forderungen wurden in keinem Fall übertragen.
5
Unter Übermittlung der auf diese Weise erlangten Kundendaten beauftragte der Angeklagte zwischen März und November 2010 acht Inkassounternehmen mit der Geltendmachung der angeblich ihm zustehenden Forderungen (Fälle A. III. 1. bis 4. und 6. bis 9. der Urteilsgründe). In einem weiteren Fall (A. III. 5 der Urteilsgründe) beauftragte der (gutgläubige) Verantwortliche der C. GmbH das Inkassounternehmen; dieser Gesellschaft hatte der Angeklagte zuvor die - angeblich ihm zustehenden - Forderungen zur Eintreibung abgetreten, wobei ihm vertraglich 73,5 % der durch das Inkasso einge- henden Zahlungen zustanden. Um einen Forderungserwerb gegenüber den Inkassounternehmen nachweisen und um auf etwaige Beschwerden von Schuldnern reagieren zu können, benötigte der Angeklagte Schriftstücke, die den von ihm behaupteten Forderungserwerb (scheinbar) belegten. Daher legte er den acht Datenverkäufern im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit und/oder zeitlich nach der Datenübergabe von ihm - zuletzt unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltes - gefertigte Dokumente vor, ohne seine wahre Absicht, einen Forderungserwerb zu erzielen, zu offenbaren. Diese Dokumente wurden von den Geschäftspartnern wiederholt unterzeichnet, oftmals ohne von deren genauem Inhalt im Einzelnen Kenntnis zu nehmen.
6
Die Inkassounternehmen versandten gutgläubig jeweils eine Vielzahl von Forderungsschreiben, auf die insgesamt Zahlungen in Höhe von 1.345.437,02 € geleistet wurden. Hiervon überwiesen sie - im Fall A. III. 5. der Urteilsgründe gemittelt über die C. GmbH - 658.591,17 € an den Angeklagten. Weitere 72.492,99 € standen zur Auszahlung an ihn bereit, als sein diesbezüglicher Anspruch von den Ermittlungsbehörden gepfändet wurde.
7
Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten als versuchten Betrug in mittelbarer Täterschaft in neun Fällen gewürdigt. Die Inkassounternehmen hätten als gutgläubige Werkzeuge die Verbraucher über die Forderungsinhaberschaft des Angeklagten getäuscht. Da nicht auszuschließen sei, dass die Angeschriebenen, die die Kammer nicht gehört hat, nur gezahlt hätten, um Ruhe vor weiteren, in der Sache als nicht gerechtfertigt erkannten Forderungsschreiben zu haben, sei jeweils nur von einem Versuch auszugehen gewesen.
8
II. Die Revision wendet sich im Umfang der Aufhebung erfolgreich gegen die Feststellung des Landgerichts, es seien in keinem Fall beim Ankauf von Kundendaten auch Forderungen abgetreten worden. Während hinsichtlich zweier Produkte aus dem Komplex A. II. 2. der Urteilsgründe das Urteil auf eine Verfahrensrüge aufzuheben ist, werden die Feststellungen bezüglich anderer Geschäftsvorgänge (Komplexe A. II. 5. und 7. der Urteilsgründe) bzw. eines einzelnen Produkts ("Allianz-Tipp ABO") von der Beweiswürdigung nicht getragen.
9
1. Bezüglich eines etwaigen Erwerbs von Forderungen aus den Produkten "Deutschland Tipp" und "Ihr Bonusvorteil" hat die Revision mit einer Rüge der Verletzung des § 261 StPO Erfolg. Das Landgericht hat sich insoweit nicht mit allen erhobenen Beweisen auseinandergesetzt und daher seine Überzeugung nicht aus dem vollständigen Inhalt der Beweisaufnahme geschöpft. Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
10
In der Hauptverhandlung vom 28. Juni 2012 überreichte die Verteidigung eine E-Mail des Veräußerers P. H. vom 1. Juni 2010 an den Angeklagten , die sodann "allseits in Augenschein genommen wurde". Dieser Nachricht mit dem Text "Hallo W. , anbei die Rechnung mit der Bitte um schnellstmögliche Überweisung. Beste Grüße P. " war eine Rechnung der Firma des P. H. vom selben Tag an das Unternehmen M. des Angeklagten über "Kosten Inkassoauftrag für das Produkt Deutschland Tipp" in Höhe von 1.444,99 EUR beigefügt.
11
a) Die Rüge ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts war der Beschwerdeführer nicht gehalten vorzutragen, weshalb das Beweismittel zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch beweiserheblich war. Die Entscheidung, auf die der Generalbundesanwalt Bezug nimmt (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 5 StR 42/02, NJW 2003, 150, 152), betraf eine anders gelagerte Fallkonstellation. Dort ging es um gemäß § 254 StPO verlesene Vernehmungsniederschriften. Die darin enthaltenen Angaben der vernommenen Per- sonen stehen jedoch in unmittelbarer Wechselwirkung zu den Äußerungen dieser Personen in der Hauptverhandlung oder anderer dort erhobener Beweise, weshalb sich (vermeintliche) Widersprüche zwischen den Inhalten der verlesenen Vernehmungsniederschriften sowie zwischen diesen und den Urteilsgründen in der Hauptverhandlung zweifelsfrei geklärt haben können. Dann besteht kein Anlass mehr, diese in den Urteilsgründen näher zu erörtern; dies ist im Revisionsverfahren indes nicht rekonstruierbar. Um eine solche, in der angeführten Entscheidung ausdrücklich als Ausnahme bezeichnete Konstellation ging es vorliegend jedoch nicht. Der Nachricht lagen keine im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gewonnenen, retrospektiven Angaben zugrunde, sondern ihr Inhalt war selbst Teil des aufzuklärenden Geschehens und im Grundsatz geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. in der Hauptverhandlung zu wecken (s. unten b)). Die Beurteilung der Revisionsrüge bedarf hier daher keiner unzulässigen Rekonstruktion der Hauptverhandlung.
12
Der Zulässigkeit der Rüge steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer - das Protokoll zutreffend wiedergebend - vorgetragen hat, die Urkunde sei in Augenschein genommen worden. Zwar werden durch diese Form der Beweiserhebung regelmäßig nur das Vorhandensein und die Beschaffenheit der Urkunde belegt, nicht aber ihr Inhalt; zu dessen Erfassung bedarf es grundsätzlich der Verlesung (BGH, Beschluss vom 13. April 1999 - 1 StR 107/99, NStZ 1999, 424). Diese strenge Differenzierung findet jedoch dann eine Grenze, wenn auch der gedankliche Inhalt der Urkunde quasi durch einen Blick auf diese erfasst wird. Erschließt sich - wie vorliegend - der Text bereits aus einem flüchtigen Betrachten, kann dessen Bedeutung nicht ausgeblendet werden und ist mithin Bestandteil der diesbezüglichen Beweisaufnahme.
13
b) Die Rüge ist auch begründet. Das Landgericht hätte sich vor dem Hintergrund , dass es die Angaben des Zeugen H. , der in seiner Vernehmung bekundet hatte, dass eine Abtretung von Forderungen zu keinem Zeitpunkt besprochen bzw. vereinbart worden sei, als glaubhaft erachtet hat, mit den Dokumenten auseinander setzen müssen, in denen von einem "Inkassoauftrag" die Rede ist und die daher für einen anderen Kenntnisstand des Zeugen sprechen könnten.
14
c) Auf diesem Unterlassen beruht das Urteil, soweit es um die Produkte "Deutschland Tipp" und "Ihr Bonusvorteil" geht. Dagegen kommt bezüglich des Produkts "Ihr Premium Anteil" ein Forderungsübergang unabhängig vom Vorstellungsbild des Zeugen H. schon deshalb nicht in Betracht, da dieser nicht Gläubiger der entsprechenden Forderungen war.
15
2. Im Fall A. III. 1. der Urteilsgründe hat die Strafkammer zu den von dem beauftragten Inkassounternehmen eingetriebenen Forderungen aus einem Produkt namens "Allianz-Tipp ABO" lediglich mitgeteilt, es existiere kein Vertrag über deren Abtretung. Soweit damit das Fehlen eines schriftlichen Vertrages angesprochen sein sollte, wäre dies zur Begründung der Feststellung, der Angeklagte sei nicht Forderungsinhaber geworden, nicht ausreichend, weil ein Schriftformerfordernis für Forderungsabtretungen nicht besteht. Es fehlt zudem jegliche Beweiswürdigung dazu, weshalb das Landgericht davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte nicht Gläubiger dieser Forderungen geworden sei. Diese war auch nicht aus anderen Gründen entbehrlich: Zwar erscheint es aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs und der im Einzelnen mitgeteilten Datenübermittlung durch den Angeklagten an das Inkassounternehmen möglich, dass es sich insoweit tatsächlich um Forderungen aus dem Produkt "Tippallianz" (Komplex A. II. 1. der Urteilsgründe) handelte, die lediglich im Rahmen der Forderungsschreiben fälschlich eine andere Bezeichnung erhalten haben. Dem Urteil mit hinreichender Sicherheit entnehmen lässt sich dies indes nicht.
16
3. Die Feststellung, bei dem Erwerb von Datensätzen bezüglich des Produkts "Easywin" durch den Angeklagten von einer Person namens K. (Komplex A. II. 7. der Urteilsgründe) sei es nicht zu einer Abtretung bestehender Forderungen gekommen, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung. Insoweit hat das Landgericht - der Angeklagte hat von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht und der Verkäufer war nicht näher identifizierbar - einzig auf eine handschriftliche Erklärung des Inhalts "Hiermit übertrage ich die Gewinnspielkunden von Easywin mit allen Rechten an Herr . Fi. " abgestellt. Diese dokumentiere keine wirksame Forderungsabtretung, da nur von der Übertragung von Kunden die Rede und im Übrigen die Erklärung für eine wirksame Abtretung zu unbestimmt sei.
17
Dies hält revisionsrechtlicher Kontrolle nicht stand. Zum einen hätte sich das Landgericht bereits mit der - angesichts der Geschehensabläufe in den anderen festgestellten Fällen naheliegenden - Möglichkeit auseinandersetzen müssen, ob der schriftlichen Vereinbarung gegebenenfalls eine mündliche anderen Inhalts vorausgegangen sein könnte. Darüber hinaus durfte es nicht lediglich den Wortlaut der schriftlichen Erklärung zum Gegenstand seiner Auslegung machen; Berücksichtigung finden müssen auch die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003 mwN; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 337 Rn. 32). Auch wenn die am Geschäft Beteiligten dem Landgericht nicht zur Verfügung standen, hätte es jedenfalls darstellen müssen, aufgrund welcher Anhaltspunkte es davon ausgegangen ist, dass Umstände, aufgrund derer von einer Forderungsabtretung auszugehen gewesen wäre, tatsächlich nicht gegeben waren.
18
Auch der weitere Hinweis der Strafkammer auf die vermeintlich fehlende Bestimmtheit einer etwaigen Abtretungserklärung (hierzu BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 260/10, NJW 2011, 2713) verfängt nicht, weil ein Schriftformerfordernis nicht besteht und schon deshalb auch diesbezüglich nicht allein auf den Wortlaut, sondern auf die Gesamtumstände abzustellen war. Darüber hinaus begegnet bei Abtretung einer Forderungsmehrheit die Abtretung "aller" Forderungen unter dem Gesichtspunkt der Bestimmbarkeit keinen Bedenken (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 398 Rn. 15).
19
4. Auch zu dem unter A. II. 5. der Urteilsgründe dargestellten Erwerbsakt ist die Würdigung der Strafkammer, der Angeklagte habe keine Forderungen erworben, nicht frei von Rechtsfehlern. Da die Revision bereits mit der Sachrüge durchdringt, bedarf es eines Eingehens auf die zu diesem Komplex erhobenen Verfahrensrügen nicht.
20
Das Urteil kann insoweit schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht sich nicht mit der Frage befasst hat, welches Recht auf die Verträge zwischen dem Angeklagten und dem seit 2005 gewöhnlich in der Türkei lebenden I. anzuwenden war. Die Anwendung deutschen Rechts wäre nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (im Folgenden: Rom-I-VO), die gemäß Art. 2 Rom-I-VO auch dann Anwendung findet, wenn es sich bei dem nach ihren Vorschriften maßgeblichen Recht nicht um das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union handelt, nur bei entsprechender Rechtswahl durch die Parteien bedenkenfrei. Feststellungen zu einer etwaigen Rechtswahl hat das Landgericht indes nicht getroffen.
21
Da das anzuwendende Recht nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a) Rom-I-VO insbesondere auch für die Auslegung von Verträgen und damit auch der diesen zugrundeliegenden Erklärungen maßgebend ist, es sich bei der Auslegung von Erklärungen jedoch um eine ureigene Aufgabe des Tatrichters handelt (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1952 - 5 StR 509/52, NJW 1952, 1186), ist es dem Senat verwehrt, die festgestellten Erklärungen des Angeklagten und des I. selbst nach türkischem Recht auszulegen, um festzustellen, ob unabhängig von der Frage des anzuwendenden Rechts unterschiedliche Ergebnisse ausgeschlossen werden könnten.
22
Darüber hinaus erweist sich die bei der Anwendung deutschen Rechts vorgenommene Beweiswürdigung durch das Landgericht als rechtsfehlerhaft. Die Überzeugung, der Angeklagte habe von I. keine Forderungen aus den jeweiligen Gewinnspielprodukten erworben, hat die Strafkammer im Wesentlichen auf die schriftlichen Vereinbarungen sowie den korrespondierenden E-Mail-Verkehr zwischen dem Angeklagten und dem Veräußerer sowie auf dessen schriftliche Angaben im Ermittlungsverfahren gestützt. Die Beweiswürdigung weist jedoch Lücken auf, weil die Strafkammer den Erklärungsinhalt zweier E-Mail-Nachrichten des I. an den Angeklagten vom 9. und 10. Juni 2010 nur teilweise ausgeschöpft hat. Während I. den Angeklagten in der ersten E-Mail aufforderte, das Inkasso bezüglich Forderungen aus den Produkten "Suberbonus49 und Tippallianz" sofort zu stoppen, teilte er am Folgetag mit, dass der Angeklagte mit den übrigen Produkten machen könne, was er wolle. Nicht zu beanstanden ist zwar die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass der Nachrichteninhalt keinen Rückschluss auf das Vorstellungsbild des I. zum Zeitpunkt der Datenübergabe am 19. Mai 2010 zulasse. Es hätte sich jedoch darüber hinaus mit der sich aufdrängenden Möglichkeit auseinandersetzen müssen, dass in dem Schreiben vom 10. Juni 2010 eine Genehmigung der bis dahin unberechtigten Geltendmachung der Forderungen aus den übrigen Produkten durch den Angeklagten gemäß § 185 Abs. 2 BGB liegen könnte. Jedenfalls wäre der nachfolgende Vertrag vom 14. Juni 2010 im Lichte dieser Nachrichten und des Kenntnisstandes des I. auszulegen gewesen. Dass in diesem Vertrag die Produktnamen - was beiden bewusst war - zur Verschleierung gegenüber den Endkunden um ein Kürzel erweitert wurden, ließe das übereinstimmend Gewollte unberührt (falsa demonstratio non nocet).
23
5. Bezüglich der übrigen Produkte hält die Feststellung des Landgerichts , es sei zu keinem Zeitpunkt zu Forderungsabtretungen gekommen, der revisionsrechtlichen Kontrolle in materiell-rechtlicher Hinsicht stand. Die Auslegung der mündlichen und schriftlichen Erklärungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Begleitumstände hält sich im Rahmen des dem Tatrichter obliegenden Beurteilungsspielraums.
24
Auch die weiteren Verfahrensrügen dringen nicht durch. Hinsichtlich der Produkte "Winteam 77" und "Tippallianz" (Komplex A. II. 1. der Urteilsgründe) gilt dies schon deshalb, weil nach den insoweit rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Verkäufer dieser Datensätze nicht Gläubiger etwaiger Forderungen war, so dass Beanstandungen mit dem Ziel, deren Erwerb durch den Angeklagten zu belegen, ins Leere laufen. Den übrigen Rügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
25
III. Die aufgezeigten Fehler schlagen nur in den Fällen auf den Schuldspruch durch, in denen ein Inkassounternehmen ausschließlich Forderungen eingetrieben hat, die Gegenstand der diesbezüglichen Geschäfte waren. Dies betrifft die Fälle A. III. 3., 4. und 5., in denen jeweils Forderungen aus lediglich einem von dem Zeugen I. erworbenen Gewinnspielprodukt eingetrieben wurden und der Senat die Möglichkeit eines Forderungskaufs schon wegen der fehlenden Feststellung des anzuwendenden Rechts nicht beurteilen kann. Mit aufzuheben sind die zugehörigen Feststellungen, zu denen auch diejenigen zu dem Erwerbsakt von dem Verkäufer I. bezogen auf die Gewinnspielprodukte "Superbonus49", "Maxxikombi 100" und "Bonusrunde 100" zählen (Komplex A. II. 5. der Urteilsgründe). In den übrigen abgeurteilten Fällen kann der Schuldspruch bestehen bleiben, weil ihnen jeweils auch das Inkasso von Forderungen zugrunde liegt, deren Gläubiger der Angeklagte nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht geworden ist.
26
In den Fällen A. III. 1. (bezüglich der Produkte "Easywin", "Ihr Bonusvorteil" , "Deutschland Tipp", "Allianz-Tipp ABO" und "Maxxikombi 100"), A. III. 2. (bezüglich der Produkte "Superbonus49", "Bonusrunde 100" und "Maxxikombi 100"), und A. III. 8. (bezüglich der Produkte "Tippallianz", "Max Vorteilsgemeinschaft" , "Deutschland sucht den Supermillionär" und "Hol' Dir den Preis") ist aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler allerdings der Strafausspruch nebst den Feststellungen zu den Erwerbsakten unter A. II. 2., 5. und 7. sowie - bezogen auf das Produkt "Allianz Tipp ABO" - A. III. 1. der Urteilsgründe aufzuheben. Die übrigen Feststellungen zu diesen Strafaussprüchen sind dagegen rechtsfehlerfrei getroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Einzelstrafen in den Fällen A. III. 6. (zwei Jahre und sechs Monate), A. III. 7. (drei Jahre und sechs Monate) und A. III. 9. (zwei Jahre und drei Monate ) haben hingegen Bestand. Die Aufhebung eines Teils der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
27
IV. Da die aufgezeigten Rechtsfehler sich auf die Bestimmung des aus der Tat Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB (zu diesem Erfordernis in der Konstellation des Versuchs BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, wistra 2010, 477, 478 f.) erstrecken, muss auch die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben werden. Dabei ist mit Blick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB - entgegengesetzt zu der Interessenlage des Angeklagten bei der Frage nach der Vollendung des Betruges - davon auszugehen, dass die jeweiligen Kunden irrtumsbedingt gezahlt haben.
28
Die Feststellung kann auch nicht in Höhe von 560.263,28 € aufrecht- erhalten werden. Allerdings sind die Feststellungen zu dem aus den Taten A. III. 6., 7. und 9. Erlangten rechtsfehlerfrei getroffen worden. Jedoch hat die Kammer es versäumt, sich mit der Regelung des § 73c StGB auseinanderzusetzen , was auch im Rahmen einer Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO grundsätzlich geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 44 mwN). Zwar ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass der Angeklagte über Vermögenswerte verfügt. Deren Umfang hat das Landgericht indes nicht dargestellt; dies wäre jedoch im Hinblick auf den erheblichen Betrag erforderlich gewesen, der von der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO umfasst wurde.
Becker Pfister Schäfer Mayer Gericke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2013 - 3 StR 267/13

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh
Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2013 - 3 StR 267/13 zitiert 10 §§.

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(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

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Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht

Strafprozeßordnung - StPO | § 111i Insolvenzverfahren


(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an de

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(1) Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt. (2) Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstan

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung: ja
Der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge
in Form eines "erfolgsqualifizierten Versuchs" ist
möglich.
BGH, Urt. v. 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02
LG Cottbus –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 9. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt S ,
Staatsanwältin K
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger für den Angeklagten B ,
Rechtsanwalt Kl
als Verteidiger für den Angeklagten D ,
Rechtsanwalt Hi
als Verteidiger für den Angeklagten T ,
Rechtsanwalt N
als Verteidiger für den Angeklagten Ka ,
Rechtsanwalt W
als Verteidiger für den Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt Kn
als Verteidiger für den Angeklagten Sc ,
Rechtsanwalt M
als Verteidiger für den Angeklagten P ,
Rechtsanwalt Na
als Verteidiger für den Angeklagten He ,
Rechtsanwalt Bl ,
Rechtsanwältin G ,
Rechtsanwältin C ,
Rechtsanwältin Gi
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen des Nebenklägers M G wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 13. November 2000 dahin geändert, daß die Angeklagten B , D , T und Ka im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der tateinheitlich begangenen versuchten Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sind.
2. Auf die Revisionen des Nebenklägers Kab wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß die genannten Angeklagten und der Angeklagte Ha im Fall B. VII. der Urteilsgründe auch der tateinheitlich begangenen versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil dieses Nebenklägers schuldig sind.
3. Auf die Revisionen der Angeklagten Sc und He wird das vorbezeichnete Urteil dahin geändert, daß diese Angeklagten im Fall B. VII. der Urteilsgründe wegen der gegen F G begangenen Tat statt einer fahrlässigen Tötung der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit unter anderem mit versuchter gefährlicher Körperverletzung (Tat zum Nachteil des Nebenklägers Kab ) schuldig sind.
4. Die Schuldsprüche lauten hiernach wie folgt: Der Angeklagte B ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperver- letzung, mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen.
Der Angeklagte D ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte T ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Körperverletzung.
Der Angeklagte Ka ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung.
Der Angeklagte Ha ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Bedrohung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie einer weiteren gefährlichen Kör- perverletzung sowie des Diebstahls sowie des versuchten Diebstahls.
Der Angeklagte Sc ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung sowie des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung , sowie der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Diebstahls.
Der Angeklagte P ist schuldig der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung.
Der Angeklagte He ist schuldig der versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit versuchter gefährlicher Körperverletzung , mit Nötigung, mit Volksverhetzung und mit Beleidigung sowie der Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis.
5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
6. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen (§ 74 JGG). Die Nebenkläger M G und Kab tragen die Kosten ihrer Revisionen; jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und mit fahrlässiger Tötung – letzteres gilt nicht für die Angeklagten Ha und P – sowie wegen anderer Delikte zu Jugendstrafen verurteilt (B : zwei Jahre; D : ein Jahr zwei Monate; T : zwei Jahre acht Monate; Ka : ein Jahr; Ha : zwei Jahre; Sc : ein Jahr sechs Monate; He : ein Jahr sechs Monate). Die Vollstreckung der Jugendstrafen hat es, mit Ausnahme der gegen die Angeklagten B und T verhängten Strafen, zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten P hat das Landgericht verwarnt und ihm Auflagen sowie Weisungen erteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten – mit Ausnahme des Angeklagten Ha – und die Nebenkläger M G (als Bruder des Getöteten F G ) sowie Kab (als Geschädigter) Revision eingelegt. Die Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Nebenkläger – beschränkt auf die Entscheidung über die zu ihren Lasten bzw. zu Lasten ihrer Angehörigen von den damals Heranwachsenden begangenen Taten – führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung der Schuldsprüche, im übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

A.


Dem angefochtenen Urteil liegen – neben den Feststellungen zu anderen Taten – insbesondere folgende Feststellungen betreffend das Tatgeschehen in der Nacht zum 13. Februar 1999 zugrunde (siehe B. VII. der Urteilsgründe , UA S. 54 ff.):
In dieser Nacht besuchten der Angeklagte He , der rechtskräftig Verurteilte Ba und der Zeuge Pe die Diskothek „Dance-Club“ in Guben. Alsbald gerieten sie dort in einen Streit mit mehreren vietnamesischen Besuchern, der in eine tätliche Auseinandersetzung vor der Diskothek mündete. In deren Verlauf, es war etwa 2.30 Uhr, griff der Zeuge J N , ein kubanischer Staatsangehöriger mit dunkler Hautfarbe, zu einem flachen metallischen Gegenstand, der auch eine Machete gewesen sein kann. Als er damit auf die deutschen Jugendlichen zurannte, flüchteten diese. Er lief hinter dem Zeugen Pe her, erreichte diesen und schlug ihm mit dem Gegenstand auf den Rücken. Bei der weiteren Flucht zog sich der Zeuge Pe eine Prellung des Kniegelenks und eine oberflächliche Rißwunde zu. Im Laufe der nächsten beiden Stunden trafen der Angeklagte He und der rechtskräftig Verurteilte Ba in der Nähe der Diskothek auf die weiteren Angeklagten B , Ha , Ka , R , Sc und T sowie den gesondert Verfolgten Ku und berichteten ihnen, daß sie von Ausländern bedroht und von Vietnamesen mißhandelt worden seien. „In erregter Stimmung gegenüber dem Ausländer ‚J ‘, gegenüber Vietnamesen und gegenüber Ausländern im allgemeinen“ entschlossen sich die Angeklagten, den Kubaner auf eigene Faust zu suchen und zu ergreifen. Allen war bewußt, daß sie dabei Gewalt anwenden und die Person auch möglicherweise verletzen würden; auch die später hinzukommenden Angeklagten D und P erklärten sich damit einverstanden.
Alsbald nachdem diese nunmehr aus elf Personen bestehende Gruppe mit den, von den Angeklagten R , T und Ka geführten Fahrzeugen losgefahren waren, sahen die Angeklagten B und He in der Nähe der Diskothek die Zeugin Ga . Da sie annahmen, daß diese „mit Ausländern Bekanntschaften pflege“, sprangen beide aus den Wagen und liefen auf die Zeugin zu. Sie riefen dabei sinngemäß: „Wir haben dir was mitgebracht – Hass, Hass, Hass – Ausländer raus!“ und schütteten ihr dann Bier über den Kopf. Nach Rückkehr in die Fahrzeuge setzten die Angeklagten die Suche nach dem Kubaner fort. Dabei schrieen die Angeklagten B und
He weiterhin ausländerfeindliche Parolen; die Stimmung wurde durch das lautstarke Abspielen von Musikkassetten mit fremdenfeindlichen Texten weiter geschürt.
In dieser Situation – es war etwa 4.40 Uhr – bemerkten die Angeklagten drei Ausländer: die Zeugen (und Nebenkläger) Be und Kab , sowie den später verstorbenen F G , die nach dem Besuch des „DanceClubs“ auf dem Heimweg waren. Die Fahrer bremsten auf Höhe der Ausländer die Autos scharf ab. Die Angeklagten B und He sowie weitere Angeklagte stürmten laut schreiend aus den Fahrzeugen auf die Ausländer zu. Diese ergriffen beim Anblick der zum Teil mit sogenannten Bomberjacken und Springerstiefeln bekleideten Angeklagten angstvoll die Flucht zurück in Richtung Diskothek. Mittels der PKW, in die diese Angeklagten wieder eingestiegen waren, setzten sie die Verfolgung fort. Nach ca. 50 bis 100 m überholten sie die Flüchtlinge und bremsten die Wagen direkt vor ihnen ab, um den Weg zur Diskothek zu verstellen. Die Ausländer sahen, daß wiederum mehrere Angeklagte aus den Fahrzeugen sprangen – darin verblieben neben den Fahrern nur die Angeklagten Ha und P sowie der rechtskräftig Verurteilte Ba – und auf sie zuliefen. Aus Angst und in Panik liefen sie nunmehr in unterschiedliche Richtungen davon. Die Verfolger teilten sich entsprechend auf: Während Kab und F G durch die Angeklagten B und He verfolgt wurden, liefen der rechtskräftig verurteilte Ku sowie die Angeklagten Sc und D hinter Be her; als Ku diesen eingeholt hatte, versetzte er ihm mehrere Tritte, so daß das Opfer während des Laufs wiederholt zu Fall kam und schließlich gegen ein geparktes Auto stürzte, wobei er sich eine blutende Kopfwunde zuzog; ein in Richtung des Opfers geworfener Pflasterstein verfehlte dieses. Erst jetzt erkannte Ku an der Hautfarbe des am Boden Liegenden, daß es nicht der gesuchte Kubaner war. Er und die beiden anderen Angeklagten ließen vom Opfer ab und kehrten zu den Fahrzeugen zurück. Die Angeklagten B und He hatten hingegen die weitere Verfolgung der beiden anderen Flüchtenden nach „einigen Metern“ abgebrochen, weil sie sie aus den
Augen verloren hatten oder ihnen deren Vorsprung mittlerweile zu groß erschien. Ihre Suche nach den beiden weiteren gaben die Angeklagten jedoch nicht auf.
Indessen wähnten Kab und F G die Verfolger noch hinter sich. Sie liefen zu einem etwa 200 m von dem letzten Haltepunkt der PKW entfernten Mehrfamilienhaus. Da F G die Haustür nicht öffnen konnte, trat er in Todesangst die untere Glasscheibe der Tür ein. Dabei oder beim anschließenden Durchsteigen verletzte er sich an den im Türrahmen verbliebenen Glasresten; er zog sich eine 8,5 cm tiefe Wunde am rechten Bein und die Verletzung einer Schlagader zu. Binnen kurzer Zeit verblutete das Opfer.

B.


Die Revisionen der Nebenkläger Kab und M G führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Umstellung des Schuldspruchs bei den Angeklagten , die die Taten vom 13. Februar 1999 (Tatkomplex B. VII.) als Heranwachsende begangen haben (vgl. § 80 Abs. 3 JGG). Im übrigen bleiben diese Rechtsmittel ohne Erfolg.
I. Die Verfahrensrügen der Nebenkläger sind zum Teil unzulässig, weil sie nicht in der Form des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt worden sind, im übrigen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
1. Die von der Revision des Nebenklägers Kab erhobene Aufklärungsrüge ist unzulässig. Die Revision rügt, daß die Jugendkammer versäumt habe, den Psychiater Dr. H als Sachverständigen zu physischen und psychischen Folgen, die die Geschädigten Kab und Be infolge der zu ihrem Nachteil begangenen Taten erlitten hätten, zu vernehmen. Diese Beweiserhebung hätte sich nach dem Akteninhalt, insbesondere den von diesem Sachverständigen erstellten und zur Sachakte genommenen schriftli-
chen Gutachten aufgedrängt. Indes versäumt die Revision, eben diese Gutachten mitzuteilen. Zudem verschweigt die Revision, daß Dr. H in der Hauptverhandlung als sachverständiger Zeuge vernommen worden ist (Protokollband IV, Bl. 812).
2. Entgegen der Ansicht des Nebenklägers M G liegt ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 6 StPO nicht vor.
Die Revision teilt nicht mit, daß die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten bereits durch den Beschluß vom 6. Juli 2000 ausgeschlossen worden war (Protokollband IV, Bl. 881, 888). Dieser Beschluß umfaßte damit auch die Einlassung des Angeklagten Ku vom 17. Juli 2000 zu dessen persönlichen Verhältnissen. Es kann hiernach offenbleiben, ob nicht bereits § 80 Abs. 3 JGG zum Ausschluß der Rüge führen müßte, da der gerügte Öffentlichkeitsausschluß im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vernehmung eines zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten stand.
Der weitere Vortrag der Revision, der Angeklagte Ha habe am 17. Juli 2000 zur Sache in nichtöffentlicher Sitzung ausgesagt, ist nicht bewiesen , findet insbesondere im Protokoll der Hauptverhandlung keine Stütze. Es trifft zwar zu, daß die Öffentlichkeit zuvor allein für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen worden war. Indes hat der Angeklagte Ha an diesem Tag nach erfolgtem Ausschluß keine Angaben zur Sache gemacht. In der Sitzungsniederschrift heißt es insoweit (Protokollband IV, Bl. 905): „Der AK Ha äußerte sich zu den persönlichen Verhältnissen (Anlage 8 zum Protokoll)“. Zwar enthält die Anlage 8, auf die hier hingewiesen wird (Protokollband IV, Bl. 918 ff.), in einem eigenen Abschnitt auch Ausführungen zur Sache. Doch ist die darin enthaltene Sacheinlassung ersichtlich schon früher abgegeben worden. Denn unmittelbar vor Öffentlichkeitsausschluß – auch dies teilt die Revision nicht mit – hat sich der Angeklagte ausweislich des Protokolls bereits zur Sache ge-
äußert. Der spätere Hinweis im Protokoll auf die Anlage 8 bezieht sich mithin allein auf die dort enthaltenen Angaben zur Person.
Die weitergehende Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes – betreffend die Vernehmung des Zeugen Z – hat ebenfalls keinen Erfolg, da schon das Beweisthema, zu dem der Zeuge gehört worden ist, nicht mitgeteilt wird. Hiernach kann nicht beurteilt werden, ob die Frage an den Zeugen, was er unter „rechtsextrem“ verstehe, und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Verfahrensvorgänge (vgl. dazu BGHR StPO § 338 Nr. 6 Ausschluß 2 m. w. N.) der Aufklärung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten dienten. Dienten sie diesem Zweck, wäre der Ausschluß der Öffentlichkeit auf Grundlage des oben genannten Beschlusses vom 6. Juli 2000 gerechtfertigt gewesen.
3. Der Nebenkläger M G rügt ferner, daß die Jugendkammer dem Zeugen Pe – bei der Beantwortung der Frage, ob er oder andere, die in der Tatnacht in seiner Wohnung gewesen seien, dem „nationalen Widerstand“ angehörten – zu Unrecht ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zugebilligt habe (§ 244 Abs. 2, § 245 StPO). Die Rüge ist unbegründet. Eine unzutreffende Beurteilung der Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 StPO in tatsächlicher Hinsicht ist im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. BGHSt 10, 104, 105; BGHR StPO § 55 Abs. 1 Auskunftsverweigerung 10, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; Lemke in HK-StPO, 3. Aufl. § 55 Rdn. 10). Rechtsfehler, die zu einer unzutreffenden Anwendung des § 55 Abs. 1 StPO geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensverstoß überhaupt beruhen könnte, kommt es daher nicht mehr an.
4. Jedenfalls unbegründet ist auch die Rüge, das Fragerecht der Nebenklage sei dadurch in unzulässiger Weise verkürzt worden, daß das Gericht Fragen an den als sachverständigen Zeugen vernommenen Dr. H (s. o. B. I. 1.) – über Befundtatsachen zu psychischen Folgen der Taten hin-
aus – zu etwaigen Schlußfolgerungen nicht zugelassen habe. Eine Verletzung der §§ 240, 241, 397 Abs. 1 Satz 3 StPO ist damit nicht dargetan.
Die Annahme der Revision, Dr. H hätte vorliegend zwingend als Sachverständiger vernommen werden müssen, mit der Folge, daß er auch zu etwaigen Schlußfolgerungen hätte befragt werden dürfen, geht fehl. Im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO und gegebenenfalls nach Maßgabe der § 244 Abs. 3 bis 5, § 245 StPO bestimmt grundsätzlich allein der Tatrichter den Umfang der Beweisaufnahme. Sofern die genannten Vorschriften nicht zu einer weiteren Beweisaufnahme zwingen , steht es im Ermessen des Gerichts zu bestimmen, mit Hilfe welcher Beweismittel Beweis erhoben werden soll. Dabei hindert ein – wie hier – früher erteilter Sachverständigenauftrag das Gericht nicht, einen Sachverständigen später ausschließlich als Zeugen, somit auch nur zu von ihm wahrgenommenen Tatsachen zu vernehmen (vgl. dazu BGH GA 1976, 78, 79). Dies hat der Bundesgerichtshof für den erfolgreich als befangen abgelehnten Sachverständigen wiederholt entschieden (BGHSt 20, 222, 224; BGH NStZ 2002, 44; StV 2002, 4, 5). Fragen, die – wie vorliegend – reine Werturteile und Schlußfolgerungen betrafen, waren somit nicht zulässig und durften als „ungeeignet“ zurückgewiesen werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 241 Rdn. 15; Vor § 48 Rdn. 2, 3).
5. Auch die sich inhaltlich anschließende Aufklärungsrüge des Nebenklägers M G (Revisionsbegründung S. 151 f.) ist unbegründet. Denn originäre Beweismittel zur Feststellung etwaiger Tatfolgen waren die beiden als Zeugen gehörten Nebenkläger. Zudem ist der Psychiater Dr. H zu den bei den Explorationen von ihm wahrgenommenen Tatsachen ergänzend als sachverständiger Zeuge vernommen worden, so daß etwaige nach Vernehmung der Geschädigten verbliebene Aufklärungsdefizite jedenfalls beseitigt werden konnten. Konkrete Angaben zu dem verstorbenen Geschädigten hätte er ohnehin nicht machen können. Soweit die Revision darauf hinweist, daß mit Hilfe eines Sachverständigen als Folgen der Tat
„posttraumatische Belastungsstörungen im Sinne des ICD-10 F 43.1“ (vgl. Dilling/Mombour/Schmidt, Internationale Klassifikation psychischer Störungen , 4. Aufl.) hätten festgestellt werden können, war dies jedenfalls bei dem Geschädigten F G auszuschließen, da dieser innerhalb kürzester Zeit an den Folgen der Verletzungen verstorben war.
6. Keinen Erfolg haben auch die weiteren Rügen, mit denen der Nebenkläger M G die Verletzung seines Frage- und Beweisantragsrechts rügt.

a) In der Hauptverhandlung fragte eine der Nebenklägervertreterinnen den Sachverständigen Dr. Sch , ob ihm anläßlich der Begutachtung des Angeklagten He – zur Tatzeit noch Jugendlicher – eine freundschaftliche Beziehung zu dem Angeklagten B – zur Tatzeit Heranwachsender – mitgeteilt worden sei. Der Vorsitzende und das nach Beanstandung seiner Anordnung angerufene Gericht wiesen die Frage zurück, da die Nebenklage bezüglich des Angeklagten He nicht zugelassen und eine Befragung des Gutachters daher nicht möglich sei. Die Rüge der Verletzung des Fragerechts dringt nicht durch (§ 240 Abs. 2, § 241, § 397 Abs. 1 Satz 2 StPO).
Bei der (früher getroffenen) Entscheidung über die nur partielle Zulassung der Nebenkläger hat sich die Jugendkammer ersichtlich an den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen orientiert. Hiernach ist in verbundenen Verfahren vor den Jugendgerichten die Nebenklage zulässig, soweit sie sich nicht gegen den Jugendlichen richtet. Dies hat der Bundesgerichtshof für nach § 103 Abs. 1 JGG verbundene Verfahren ausdrücklich entschieden (BGHSt 41, 288; BGH NStZ 1997, 97; zur Gegenansicht vgl. Eisenberg , JGG 9. Aufl. § 80 Rdn. 13, 13a). Da nach § 109 JGG die Regelung des § 80 Abs. 3 JGG auf Heranwachsende keine Anwendung findet, gilt der genannte Grundsatz auch für verbundene Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende (Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. § 109 Rdn. 6; Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. Vor § 395 Rdn. 6; Senge in KK 4. Aufl.
§ 395 Rdn. 18; jeweils m. w. N.). Indes hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont, daß das Nebeneinander von Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits im gleichen Verfahren nicht zu einer Beeinträchtigung der – das Jugendstrafrecht beherrschenden – erzieherischen Belange führen darf (BGHSt aaO S. 292). Daraus folgt, daß in Fällen gegenläufiger Interessen zwischen Nebenklage und Jugendlichen – etwa bei Ausübung des Frage- und Beweisantragsrechts zur Aufklärung des Vorwurfs gemeinsamer Tatbegehung von Jugendlichen und Heranwachsenden/Erwachsenen – im Zweifel der Position des Jugendlichen Vorrang einzuräumen ist (vgl. Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 80 Rdn. 1a; Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. Vor § 395 Rdn. 14 f.).
Die Entscheidung des Tatgerichts, die Frage der Nebenklage zurückzuweisen , läßt hiernach keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Zwar war die Frage der Nebenklage nicht unmittelbar an einen zur Tatzeit noch jugendlichen Angeklagten, sondern an den Sachverständigen gerichtet, doch diente sie ersichtlich (jedenfalls auch) dem Zweck, Informationen über die persönlichen Verhältnisse des bei Begehung der Tat jugendlichen Angeklagten He zu gewinnen. Sie war somit potentiell geeignet, dem mit § 80 Abs. 3 JGG verfolgten Zweck zuwiderzulaufen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Jugendkammer habe zu Unrecht die Vernehmung des Leiters der Polizeiwache Guben zum Inhalt von Ermittlungsverfahren abgelehnt, die gegen einzelne Angeklagte wegen weiterer Vorwürfe geführt worden seien (§ 244 Abs. 3 StPO). Allerdings trifft die Auffassung des Landgerichts nicht zu, die Unschuldsvermutung stehe der Einführung etwaiger Nachtaten im Strengbeweisverfahren grundsätzlich entgegen (vgl. BGHSt 34, 209; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 156; Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 261 Rdn. 7). Gleichwohl hat die Rüge keinen Erfolg, da die tatsächliche Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptungen auf der Hand liegt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 12, 14). Soweit im Beweisantrag behauptet wird, daß sich
der Angeklagte He fünf Stunden nach der Schändung eines für den Verstorbenen aufgestellten Gedenksteines mit weiteren Personen in einem Auto befunden habe, auf dem ein Hakenkreuz geschmiert gewesen sei, läßt dies keinen Rückschluß darauf zu, daß er an dem genannten Geschehen teilgenommen hat; gleiches gilt für die Behauptung, daß die Polizei nach einer weiteren Schändung des Gedenksteines „einen der hier Angeklagten“ – eine nähere Individualisierung erfolgt im Antrag nicht – festgenommen habe.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Vernehmung des Zeugen Dr. Hä mit der Begründung abgelehnt, das im Beweisantrag näher bezeichnete Beweisthema sei bereits erwiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO); die Urteilsgründe stehen zu diesem Beweisergebnis nicht in Widerspruch (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 1). Ein Fehler liegt auch nicht darin, daß sich die Strafkammer mit dem Ergebnis im Urteil nicht auseinandersetzt. Eine Erörterung von für „erwiesen“ erklärten Tatsachen ist in den Urteilsgründen nicht zwingend erforderlich, zumal da die Beweiserhebung auch über nicht erhebliche Tatsachen mit dieser Begründung abgelehnt werden kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 244 Rdn. 57).
7. Der Revisionsführer rügt weiter einen Verstoß gegen das Gebot der „erschöpfenden Beweiswürdigung“ aus § 261 StPO (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 49 f.), da einzelne in der Hauptverhandlung erzielte Beweisergebnisse im Urteil nicht erörtert worden seien (vgl. Revisionsbegründung F G S. 36 – 132).
Diese Rügen sind bereits unzulässig. Denn die Revision kann grundsätzlich nicht mit der Behauptung gehört werden, das Tatgericht habe sich mit einer bestimmten Aussage einer Beweisperson nicht auseinandergesetzt, wenn sich diese Aussage nicht aus dem Urteil selbst ergibt. Denn die Ergebnisse der Beweisaufnahme festzustellen und zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters; der dafür bestimmte Ort ist das Urteil. Was in ihm über das Ergebnis der Verhandlung zur Schuld- und Straffrage festgehalten ist, bindet
das Revisionsgericht. Eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist ihm grundsätzlich verwehrt (BGHSt 38, 14, 15; 43, 212, 213).
Dies gilt letztlich auch für die gemäß § 254 StPO in die Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungsniederschriften. Zwar ist der Inhalt von in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden im Revisionsverfahren regelmäßig rekonstruierbar (vgl. BGHSt 43, 212, 214). Doch legt die Revision entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dar, daß die verlesenen Protokolle zum Zeitpunkt der Urteilsberatung noch beweiserheblich waren. Der Tatrichter muß aber nur die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen erörtern. Ob der Inhalt einer Aussage zu diesem Zeitpunkt beweiserheblich war, läßt sich nur aus dem Inbegriff der gesamten Hauptverhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Beweiswert der Beweismittel beurteilen. Ein Widerspruch zwischen den Bekundungen verschiedener Beweispersonen kann sich durch eine einfache Erklärung einer dieser Personen oder durch sonstige Beweismittel für alle Verfahrensbeteiligten zweifelsfrei gelöst haben, so daß kein Anlaß für seine Darlegung in den Urteilsgründen mehr bestand (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 5, 6; Schäfer StV 1995, 147, 156 f.).
8. Ohne Erfolg bleibt auch die Aufklärungsrüge, mit der geltend gemacht wird, das Tatgericht hätte die Zeugen Ky und No angesichts ihrer bisherigen Angaben und der weiteren Ergebnisse der Beweisaufnahme nochmals hören müssen. Die Revision legt nicht dar, welcher Aufklärungsgewinn durch die wiederholte Vernehmung zu erzielen gewesen wäre. Auch die weiteren Aufklärungsrügen sind unzulässig, da sie das jeweilige Ergebnis , das von den begehrten Beweiserhebungen zu erwarten gewesen wäre, nicht mit der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit behaupten (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1, 4, 6, 9; Sarstedt/Hamm, Revision im Strafverfahren 6. Aufl. Rdn. 554 f.).
II. Die sachlichrechtlichen Einwendungen der Nebenkläger haben dagegen zum Teil Erfolg.
Die Angeklagten haben sich durch die zum Nachteil der Geschädigten begangenen Taten nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung (Vorgehen gegen Be ) in Tateinheit mit Nötigung, sondern tateinheitlich dazu auch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4, §§ 22, 23 StGB (Vorgehen gegen Kab ) und – ausgenommen die Angeklagten Ha und P – in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §§ 227, 22, 23 StGB (Vorgehen gegen F G ) schuldig gemacht. Im übrigen ist das sachlichrechtliche Vorbringen der Nebenkläger unbegründet.
1. Das Landgericht hat die Begehung versuchter Körperverletzungen zum Nachteil von F G und Kab verneint, da die Angeklagten zu diesen weiteren Delikten noch nicht „unmittelbar angesetzt“ hätten (§ 22 StGB). Das ist rechtsfehlerhaft.
Für ein unmittelbares Ansetzen ist nicht erforderlich, daß der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, daß er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden. Das Versuchsstadium erstreckt sich deshalb auch auf Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt , so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht (vgl. BGHSt 28, 162, 163; 26, 201, 202 ff.; BGH NStZ 2000, 422; 1999, 395, 396).
Es kann dabei offenbleiben, ob die Angeklagten etwa bereits mit dem ersten Bremsmanöver und dem folgenden Hinausspringen aus den Fahrzeugen unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben. Spätestens mit dem zweiten Halt, der Verfolgung der Flüchtenden zu Fuß und dem weiteren , dem Verhalten der Flüchtenden angepaßten arbeitsteiligen Vorgehen haben die Angeklagten die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten; eines weiteren „Willensimpulses“ oder „Willensrucks“ zur Umsetzung ihrer Pläne bedurfte es hiernach nicht mehr, was auch durch die unmittelbar folgende Mißhandlung des Geschädigten Be belegt wird.
2. Der für die Vollendung eines Körperverletzungsdeliktes nach §§ 223 ff. StGB erforderliche Verletzungserfolg ist – entgegen der Ansicht der Nebenkläger – bei den Geschädigten Kab und F G nicht eingetreten. Im Hinblick auf die Schnitt- und Stichverletzungen des F G haben die Angeklagten jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt.
Zwar weisen die Nebenkläger zu Recht darauf hin, daß die Verfolgung bei den Opfern Angst- und Panikgefühle ausgelöst hätten. Jedoch genügen solche rein psychische Empfindungen nicht, um eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB zu begründen. Dafür spricht neben dem Wortlaut dieser Vorschrift auch § 225 Abs. 3 Nr. 2 StGB, der zwischen der Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen und der seelischen Entwicklung ausdrücklich unterscheidet. Vielmehr liegt in diesen Fällen eine Körperverletzung nur dann vor, wenn die psychischen Einwirkungen den Geschädigten in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzt haben (vgl. nur BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2, insoweit in BGHSt 41, 285 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1997, 123; 1986, 166; NStZRR 2000, 106). Ungeachtet der Frage, ob auch „posttraumatische Belastungsstörungen“ (sub I. 5.) einen „pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand“ begründen können, hat das Landgericht solche Störungen weder ausdrücklich festgestellt, noch sind sie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen.
Die Stich- und Schnittverletzungen, die sich F G bei der Flucht zugezogen hat und die innerhalb kürzester Zeit zu seinem Tod geführt haben, sind von den Angeklagten nicht vorsätzlich herbeigeführt worden. Angesichts der gesamten Tatumstände liegt insoweit eine wesentliche Abweichung zwischen vorgestelltem und tatsächlich eingetretenem Kausalverlauf vor (vgl. BGHSt 38, 32, 34; 37, 106, 131; 7, 325, 329).
3. Die genannten Angeklagten haben sich darüber hinaus auch wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. § 227 StGB setzt unter anderem voraus, daß der Tod der verletzten Person „durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226)“ verursacht worden ist, wobei dem Täter hinsichtlich dieser Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last fallen muß (§ 18 StGB).

a) Dabei reicht es nicht aus, daß zwischen der Körperverletzungshandlung und dem Todeserfolg überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang besteht, die Körperverletzung also nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß damit zugleich der Tod des Verletzten entfiele. § 227 StGB soll allein der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Die genannte Vorschrift erfaßt deshalb nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muß sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (BGHSt 31, 96, 98; BGHR StGB § 227 [i.d.F. 6. StrRG] Todesfolge 1; BGH NStZ 1992, 335; NJW 1971, 152, 153).
Eine solche deliktsspezifische Gefahr kann auch schon von der bloßen Körperverletzungshandlung ausgehen (BGHSt 14, 110, 112; Stree in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; aA Hirsch in LK 11. Aufl. § 227 Rdn. 4 ff.; Küpper in FS H. J. Hirsch [1999] S. 615 ff.; jeweils m. w. N.). Der Wortlaut der Bestimmung steht einer solchen Auslegung nicht entgegen (BGHSt 14, 110, 112; Tröndle GA 1962, 225, 238). Auch der Gesetzgeber ist dieser Rechtsprechung nicht entgegengetreten. Vielmehr hat er § 227 Abs. 1 StGB durch den Zusatz „(§§ 223 bis 226)“ ergänzt (vgl. BGBl 1998 I 164),
ohne – was im Sinne der sogenannten Letalitätstheorie (vgl. Hirsch und Küpper aaO; Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 3. Aufl. § 10 Rdn. 115; jeweils m. w. N.) dann aber angezeigt gewesen wäre – die in §§ 223, 224, 225 StGB enthaltenen versuchten Körperverletzungsdelikte (jeweils Abs. 2) vom Anwendungsbereich des § 227 StGB auszunehmen (vgl. Rengier, Strafrecht BT II 4. Aufl. § 16 Rdn. 4; aA Kühl in 50 Jahre Bundesgerichtshof Festgabe Bd. IV S. 237, 255). Verwirklicht sich die von der Körperverletzungshandlung ausgehende Gefahr und führt dies zum Tod des Opfers, kann die Anwendbarkeit des § 227 StGB ferner nicht davon abhängen, ob darüber hinaus ein vorsätzlich herbeigeführter Körperverletzungserfolg eingetreten ist, da dieser für den Unrechtsgehalt der Tat allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein kann (aA zur Rechtslage vor der Versuchspönalisierung in § 223 Abs. 2 StGB [BGBl 1998 I 164]: BGH NJW 1971, 152 ohne Begründung und nicht tragend ). Mithin ist der Versuch einer Körperverletzung mit Todesfolge auch in Form eines „erfolgsqualifizierten Versuchs“ möglich. Es gilt insoweit nichts anderes als bei sonstigen erfolgsqualifizierten Delikten wie beim Raub mit Todesfolge nach § 251 oder bei der Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c StGB (vgl. BGHSt 7, 37; BGHSt 46, 24; BGHR StGB § 251 Todesfolge 3; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 18 Rdn. 4; Stree in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 227 Rdn. 5 m. w. N.; differenzierend Ferschl, Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt 1999 S. 128 ff.).

b) Eine solche im Rahmen der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB spezifische Gefahr ging von den Handlungen der genannten Angeklagten aus und führte zum Tod des F G. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang wurde auch nicht durch das eigene Verhalten des Opfers unterbrochen. Denn dessen Reaktion war eine naheliegende und nachvollziehbare Reaktion auf den massiven Angriff der Angeklagten. Ein solches durch eine Flucht „Hals über Kopf“ geprägtes Opferverhalten ist vielmehr bei den durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu
deliktstypisch und entspringt dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des Menschen (vgl. Wessels/Hettinger, Strafrecht BT Teil 1, 25. Aufl. Rdn. 301).
Zwar hat der Bundesgerichtshof in Einzelfällen eine Zurechnung in Folge selbstgefährdenden Verhaltens des Opfers ausgeschlossen (vgl. etwa NJW 1971, 152; siehe aber auch BGHR StGB § 226 Todesfolge 5, 8 und BGH, Urt. vom 28. Juni 1960 – 1 StR 203/60); doch steht dies hier – angesichts des außergewöhnlich massiven Vorgehens der Angreifer und der weiteren Besonderheiten – dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Schon angesichts der Anzahl der Fahrzeuge, des Gebarens der Fahrzeugführer, vor allem aber in Anbetracht der Anzahl und des aggressiven Auftretens der aus den Wagen überfallartig auf sie losstürmenden Angeklagten mußten alle Geschädigten damit rechnen, binnen kürzester Zeit heftig attackiert und mißhandelt zu werden. Dies veranlaßte (auch) F G in „Todesangst zur panischen Flucht in den Hauseingang“ (vgl. UA S. 170). Daß seine Verfolger zwischenzeitlich zu den Fahrzeugen zurückgekehrt waren, ohne indes die Suche endgültig aufgegeben zu haben, ist ohne Belang, da F G dies nicht bemerkt hatte. Um nicht dort noch von den Angeklagten ergriffen zu werden und um von den Bewohnern Beistand zu erlangen, sah er keine andere Möglichkeit, als die Glastür einzutreten und in das Treppenhaus einzusteigen, wobei er sich die tödlichen Verletzungen zuzog.

c) Der Tod des F G ist im Rahmen des § 227 StGB allen Angeklagten als Mittätern zuzurechnen (§ 25 Abs. 2 StGB). Anders als bei Fahrlässigkeitsdelikten, bedarf es bei der Körperverletzung mit Todesfolge nicht des Nachweises, daß ein jeder von mehreren Beteiligten einen für den Erfolg kausalen Beitrag erbracht hat. Es macht sich nach § 227 StGB nämlich auch derjenige strafbar, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt , jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt. Voraussetzung ist allerdings, daß – wie vorliegend festgestellt – die Handlung der anderen im
Rahmen des allseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag (vgl. BGHR StGB § 226 Kausalität 2, 3).

d) Zudem muß ein jeder hinsichtlich des Erfolges wenigstens fahrlässig gehandelt haben, insbesondere muß der Todeserfolg für jeden vorhersehbar gewesen sein. Hierfür reicht es aus, daß der Erfolg nicht außerhalb aller Lebenserfahrung liegt; alle konkreten Einzelheiten brauchen dabei nicht voraussehbar zu sein. Es genügt die Vorhersehbarkeit des Erfolgs im allgemeinen (Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 227 Rdn. 3; § 222 Rdn. 25, 26). Dies hat das Landgericht – im Rahmen des einen gleichgelagerten Prüfungsmaßstab aufweisenden § 222 StGB – hinsichtlich der aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten rechtsfehlerfrei bejaht, im Hinblick auf die in den Fahrzeugen passiv verbliebenen Angeklagten Ha und P dagegen verneint. Gegen diese Differenzierung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern. Soweit das Landgericht dieses Ergebnis u.a. mit den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten gerade dieser beiden Angeklagten und zudem, den Angeklagten P betreffend, mit dessen erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung begründet (UA S. 169), läßt auch das keinen Rechtsfehler erkennen.
4. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen. Die hiervon betroffenen Angeklagten hätten sich gegen die Annahme einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung nicht anders verteidigen können.
5. Auf die Strafaussprüche bleibt dies ohne Einfluß. Der Senat schließt aus, daß ein neuerlich zur Entscheidung berufener Tatrichter auf Grundlage der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldsprüche gegen die Heranwachsenden andere Rechtsfolgen aussprechen würde. Die Körperverletzung mit Todesfolge weist zwar gegenüber den jeweiligen Grunddelikten einen gesteigerten Unrechtsgehalt auf. Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, daß seit Erlaß des tatrichterlichen Urteils beinahe zwei Jahre verstrichen
sind. Schon angesichts des außergewöhnlichen Umfangs des Verfahrens und der erforderlichen Zeit, das tatrichterliche Urteil abzusetzen, stellt dies zwar keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 11). Doch müßte allein schon der Zeitablauf bei erneuter Strafzumessung jedenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Hinzu kommt, daß gerade im Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts einer zügigen strafrechtlichen Reaktion auf Straftaten ein besonderer Stellenwert zukommt (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Strafausspruch 8; Brunner/Dölling, JGG 11. Aufl. Einf. II Rdn. 25; Eisenberg, JGG 9. Aufl. § 18 Rdn. 15e; Ostendorf, JGG 5. Aufl. § 43 Rdn. 6, 8a).

C.


Die Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg.
I. Sämtliche von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind, soweit sie zulässig sind, unbegründet. Der Erörterung bedürfen nur folgende Rügen:
1. Die vom Angeklagten T erhobene Besetzungsrüge (§ 338 Nr. 1 StPO) ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Revision war das Präsidium des Landgerichts zu einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes während des laufenden Jahres befugt, weil die Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG vorlagen. Da der Beisitzer der 3. Strafkammer, Richter Kr , aus dem Richterdienst ausschied, lag ein „Wechsel“ im Sinne dieser Bestimmung vor (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 21e GVG Rdn. 15). Auch die zum 1. Juni 1999 und damit vor Beginn der Hauptverhandlung erfolgte Abordnung der Richterin am Landgericht Has an das Oberlandesgericht Brandenburg für eine Dauer von neun Monaten stellt einen Grund dar, der das Präsidium zur Änderung des Geschäftsverteilungsplanes im laufenden Jahr berechtigte. Eine Abordnung eines Richters führt grundsätzlich zu einer „Verhinderung“ im Sinne des
§ 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, die jedenfalls dann auch „dauernd“ und nicht nur vorübergehend ist, wenn sie – wie hier – einen Zeitraum von drei Monaten überschreitet (so auch Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht 3. Aufl. § 21e Rdn. 9 und Pfeiffer, StPO 4. Aufl. § 21e GVG Rdn. 4 unter Hinweis auf § 21c Abs. 2 GVG; vgl. auch Kissel, GVG 3. Aufl. § 21e Rdn. 114).
2. Die von mehreren Angeklagten unter dem Gesichtspunkt etwaiger richterlicher Befangenheit (§§ 24, 338 Nr. 3 StPO) erhobenen Rügen haben ebensowenig Erfolg:

a) Die Rügen, mit denen behauptet wird, der Vorsitzende habe die Verteilung einzelner Flugblätter („Antifaschistisches Info-Blatt“) in der Nähe des Sitzungssaals während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung gebilligt , genügen schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision des Angeklagten D teilt den Beschluß vom 7. September 1999 nicht vollständig mit (vgl. Protokollband I, Bl. 154 ff.); die Revision des Angeklagten Ka läßt die Wiedergabe der auf das Ablehnungsgesuch ergangenen dienstlichen Stellungnahmen vermissen. Vor allem aber ist in keiner Weise ersichtlich, daß die Verteilung von Flugblättern mit Wissen des Vorsitzenden erfolgte. Dieser hat vielmehr angebeben, daß er von diesem Vorgang nichts gewußt habe. Alles was die Revisionen hiergegen vorbringen, erschöpft sich in haltlosen Vermutungen und Spekulationen.

b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, der Vorsitzende und ein Beisitzer des erkennenden Gerichts seien befangen gewesen, da sie eine Urkundsbeamtin „angewiesen“ hätten, nachträglich das Protokoll einer richterlichen Vernehmung des Angeklagten Ka zu unterschreiben, um dieses dann in der Hauptverhandlung verlesen zu können. Die Rüge ist unzulässig, da verschwiegen wird, daß die Staatsanwaltschaft zum Ablehnungsgesuch eine Stellungnahme abgegeben hat (vgl. Befangenheitsband II, Bl. 253 f.). Ungeachtet dessen sind aber auch auf Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts keine Umstände vorgetragen, die Mißtrauen in die Unparteilichkeit der bei-
den Richter rechtfertigen könnten (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 24 Rdn. 8 m. w. N.). Schon aufgrund der dem Gericht obliegenden Amtsaufklärungspflicht war der Vorsitzende gehalten, die fehlende Unterschrift unter dem Vernehmungsprotokoll nachholen zu lassen. Soweit er diesen Vorgang in der Hauptverhandlung mit den Worten wiedergegeben hat, das Protokoll sei „auf mein Betreiben hin“ unterschrieben worden, läßt sich dieser Äußerung – entgegen der Ansicht der Revision – nicht entnehmen, daß die Urkundsbeamtin zur Unterschriftsleistung in unzulässiger Weise gedrängt worden sei, zumal da das Protokoll mit dem Zusatz übersandt wurde, daß die Urkundsbeamtin es unterschreiben solle, „sofern ihr das noch möglich ist“.
3. Die Rüge, die Hauptverhandlung habe am 29. Juni 2000 zwischen 10.50 und 11.10 Uhr in Abwesenheit der Verteidiger des Angeklagten Ka stattgefunden (§ 338 Nr. 5 StPO), ist unzulässig. Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO hat der Revisionsführer die den Mangel enthaltenen Tatsachen nicht vollständig mitgeteilt. Zwar trägt er vor, daß Rechtsanwalt N in dieser Zeitspanne nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat und daß auch der weitere Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Now , die Verhandlung bereits um 10.10 Uhr verlassen habe. Doch verschweigt die Revision, daß letztgenannter Verteidiger nicht erst um 12.00 Uhr, sondern schon früher, möglicherweise schon vor 10.50 Uhr, in den Sitzungssaal zurückgekehrt ist. Denn im Protokoll der Hauptverhandlung heißt es (Protokollband IV, Bl. 861 R): „Die HV wurde ... um 11.25 Uhr unterbrochen und um 12:00 Uhr mit denselben Verfahrensbeteiligten wie vor der Unterbrechung fortgesetzt (außer Rechtsanwalt Now )“. Der Hinweis „außer Rechtsanwalt Now “ läßt eindeutig darauf schließen, daß dieser Verteidiger schon vor der Unterbrechung wieder an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte.
4. Die Revision des Angeklagten T rügt, daß „ausweislich“ der Sitzungsniederschrift vom 8. Juni 1999 der Angeklagte und sein Verteidiger
durch Beschluß „gemäß § 231c StPO beurlaubt“ worden seien, gleichwohl sei der im Sitzungssaal verbliebene Angeklagte aber später, nachdem sich sein Verteidiger entfernt habe, zu Fall 2 der Anklage vom 23. Februar 1999 vernommen worden (§ 338 Nr. 5 StPO). Der Rüge muß der Erfolg versagt bleiben.
Es ist schon zweifelhaft, ob der Revisionsführer einen Verfahrensmangel , wie für § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlich, überhaupt bestimmt behauptet oder insoweit nur eine von vornherein unzulässige „Protokollrüge“ erhebt (vgl. BGHSt 7, 162; Dahs/Dahs, Revision im Strafprozeß 6. Aufl. Rdn. 471 m. w. N.). Ungeachtet dessen teilt die Revision aber auch die im Zusammenhang mit der Vernehmung in der Hauptverhandlung verlesene Urkunde inhaltlich nicht mit, obgleich diese für die Auslegung des in der Sitzungsniederschrift verwandten Begriffs der „Angeklagten“ von Bedeutung hätte sein können.
Zudem wird der bezeichnete Verfahrensverstoß durch die Sitzungsniederschrift nicht bewiesen. Zwar enthält das Protokoll die Angabe, daß (nach Beurlaubung u.a. des Revisionsführers, seines Verteidigers und Entfernung desselben) „die Angeklagten“ „bezüglich Fall 2 ... zur Sache“ ausgesagt hätten (Protokollband I, Bl. 20). Doch ergibt sich aus dem Zusammenhang eindeutig, daß der zu diesem Zeitpunkt in der Hauptverhandlung noch anwesende und der Begehung dieser Tat – ein im September 1998 begangener Diebstahl – gar nicht beschuldigte Revisionsführer damit nicht gemeint war, sondern allein die Angeklagten Ha und Sc . Dies erschließt sich ohne weiteres schon aus dem vorhergehenden Inhalt der Sitzungsniederschrift : Da an diesem Verhandlungstag allein Beweis zu den Fällen 1 und 2 der genannten Anklageschrift erhoben werden sollte, deren Begehung aber allein den beiden genannten Angeklagten vorgeworfen worden ist, hat die Jugendkammer allen weiteren Angeklagten und deren Verteidigern gestattet, sich von der Verhandlung zu entfernen. Folgerichtig enthält das Protokoll die weitere Feststellung, daß (allein) die Angeklagten Ha und Sc
über ihr Recht, sich zu den Beschuldigungen zu äußern, belehrt worden sind (§ 243 Abs. 4 StPO) und eben (nur) diese – namentlich ausdrücklich bezeichnet; anders aber der Revisionsführer, der einen Belehrungsmangel im übrigen auch gar nicht rügt – daraufhin erklärten, aussagen zu wollen, und dies dann auch taten. Sofern unmittelbar danach im Protokoll festgehalten ist, daß sich „die Angeklagten“ zu Fall 2 der Anklage eingelassen haben, sind auch damit nur die Angeklagten Ha und Sc , nicht aber der Beschwerdeführer gemeint.
5. Die Revision des Angeklagten Ka rügt ferner die Verletzung von § 338 Nr. 6 StPO und stützt sich hierbei auf die Verlesung eines an einen der Nebenkläger gerichteten Briefes des Angeklagten R in nichtöffentlicher Hauptverhandlung. Die Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision verschweigt, daß die Jugendkammer schon mit Beschluß vom 6. Juli 2000 (s. o.) „die Öffentlichkeit für die Beweisaufnahme über die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten ausgeschlossen“ hat (vgl. § 48 Abs. 3 JGG).
6. Die Revision des Angeklagten T macht weiter geltend, das Gericht habe die Nebenkläger entgegen § 80 Abs. 3 JGG zum Verfahren zugelassen.
Die Verfahrensrüge ist schon unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Beschluß des Gerichts vom 17. Mai 1999, mit der die Nebenkläger zum Verfahren zugelassen worden sind, nicht mitgeteilt wird. Im übrigen entsprach die Entscheidung, die Nebenklage nur im Hinblick auf die zur Tatzeit schon volljährigen Angeklagten zuzulassen, der Gesetzeslage (sub B. I. 6. a; vgl. zur Frage des Beruhens des Urteils nach fehlerhafter Entscheidung über die Zulassung der Nebenklage: BGH NStZ 1997, 97; Senge in KK 4. Aufl. § 396 Rdn. 13, 14 m. w. N.).
7. Schließlich macht der Angeklagte D geltend, daß das Urteil entgegen § 261 StPO eine Auseinandersetzung mit den in der Hauptverhandlung verlesenen Protokollen der richterlichen Vernehmungen der damaligen Beschuldigten T und Ka vermissen lasse.
Die Rüge kann schon deswegen keinen Erfolg haben, weil entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mitgeteilt wird, daß die genannten Aussagen der Angeklagten aus dem Ermittlungsverfahren zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch beweiserheblich waren, und dem Revisionsgericht eine Rekonstruktion der Hauptverhandlung versagt ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweiswürdigung 6; s. o.). Die Rüge wäre im übrigen auch unbegründet. Die Angaben des Angeklagten T gegenüber dem Ermittlungsrichter deuten lediglich darauf hin, daß nach seiner Erinnerung der Angeklagte D nicht in seinem Wagen mitgefahren sei. Zu der insoweit allein bedeutsamen Frage, wer die Geschädigten zu Fuß verfolgt hat, konnte der Angeklagte aber keine eindeutigen Angaben machen; danach ist insbesondere nicht auszuschließen, daß auch der Angeklagte D einer der Verfolger der Opfer war. Gleiches gilt auch für die Angaben des Angeklagten Ka . Aber selbst wenn der Angeklagte D einer seiner Mitfahrer gewesen sein sollte, schließt dies nicht aus, daß dieser den PKW verlassen und die Geschädigten mit verfolgt hat, da der Angeklagte Ka es immerhin für möglich hielt, daß nach dem gemeinsamen Bremsmanöver aller drei Wagen, auch die Tür seines Fahrzeugs kurzzeitig geöffnet war. Einen Widerspruch vermag die Revision nach alledem nicht aufzuzeigen. Eine Erörterung dieser Umstände im Urteil war auch aus diesem Grund nicht erforderlich.
II. Die umfassende sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
Das Vorbringen einzelner Angeklagter zur Beweiswürdigung hat keinen Erfolg. Die Angriffe der Revision hiergegen erschöpfen sich in dem un-
zulässigen Versuch, eine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (vgl. BGHSt 41, 376, 380 m. w. N.). Entsprechendes gilt für die Bemessung der Straftatfolgen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGHSt 34, 345, 349; 15, 224, 225 f. m. w. N.). Fehler der genannten Art liegen hier nicht vor.
Zum Vorgehen der Angeklagten T , Ka , Ha und Sc vom 28. November 1998 zum Nachteil des Zeugen Pl (B. VI. der Urteilsgründe, UA S. 50 ff.) ist folgendes anzumerken: Die Jugendkammer hat das Geschehen zutreffend als erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit räuberischer Erpressung bewertet. Es kann offenbleiben, ob das Verbringen des Opfers zum Kirchplatz gegen dessen ausdrücklich geäußerten Willen nicht bereits als „Entführen“ gemäß § 239a Abs. 1 StGB zu würdigen gewesen wäre. Jedenfalls erfüllten – angesichts der weiteren festgestellten Umstände – die sich über mehrere Minuten hinziehende Fahrt und das sich daran anschließende weitere Vorgehen der Angeklagten das Tatbestandsmerkmal „Sichbemächtigen“ im Sinne des § 239a Abs. 1 StGB. Die hierfür erforderliche „gewisse Stabilisierung“ der Zwangslage (vgl. BGHSt 40, 350, 359) war dadurch schon eingetreten. Die relativ geringe Dauer und Intensität des Vorgehens gegen das Opfer hat die Jugendkammer ausdrücklich berücksichtigt und das Vorgehen der Angeklagten als minder schweren Fall eingeordnet.
Der Senat ändert auch die Schuldsprüche der zur Zeit der Tat vom 13. Februar 1999 noch nicht volljährigen Angeklagten Sc , He und P in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang. Denn auch diese Angeklagten haben sich jeweils (auch) wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und die Angeklagten Sc und He in Tateinheit dazu wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Zwar waren die von den Nebenklägern eingelegten Rechtsmittel von vornherein auf die anderen (zur Tatzeit heranwachsenden) Angeklagten beschränkt. Doch ist es hier – schon aus Gründen der Gleichstellung aller Tatbeteiligten – geboten, von der Möglichkeit (vgl. BGHSt 14, 5, 7) Gebrauch zu machen, die Schuldsprüche gegen die genannten Angeklagten allein auf deren Revision schärfend zu ändern.
Harms Häger Raum Brause Schaal

(1) Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll oder in einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen beziehungsweise vorgeführt werden.

(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 260/10 Verkündet am:
7. Juni 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Tritt der Geschädigte nach einem Fahrzeugschaden seine Ansprüche aus dem Verkehrsunfall
in Höhe der Gutachterkosten ab, ist die Abtretung mangels hinreichender
Bestimmbarkeit unwirksam.
BGH, Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 260/10 - LG Saarbrücken
AG Saarlouis
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juni 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 15. Oktober 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, die ein Kfz-Sachverständigenbüro betreibt, begehrt von dem beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht des Geschädigten H. Ersatz restlichen Schadens aus einem Verkehrsunfall. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit. H. beauftragte die Klägerin mit der Erstattung eines Gutachtens zur Schadenshöhe und trat seine gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs bestehenden Schadensersatzansprüche in Höhe der Gutachterkosten einschließlich Mehrwertsteuer formularmäßig erfüllungshalber an die Klägerin ab. Diese berechnete ein Honorar von 1.202,32 €, wovon die Beklagte vorprozessual 471 € erstattete. Der Restbetrag von 731,32 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind Gegenstand der Klage.
2
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in Schaden-Praxis 2010, 446 veröffentlicht ist, hält die Abtretung für unwirksam. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liege zwar keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 RDG erlaubnispflichtige Inkassotätigkeit vor, doch sei die Abtretung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Sie erfasse nämlich - der Höhe nach beschränkt auf die Gutachterkosten - sämtliche Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall, ohne diese der Höhe und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln. Die Abtretungserklärung lasse offen, ob und gegebenenfalls in welcher anteiligen Höhe der Zessionar Inhaber der Ansprüche auf Ersatz einzelner Schäden (z.B. Sachverständigenkosten, Reparaturkosten, gegebenenfalls Mietwagenkosten, Heilbehandlungskosten etc.) werde. Eine Umdeutung in eine Ermächtigung zur Geltendmachung des fremden Anspruchs im eigenen Namen scheide aus, denn diese dürfe den Vertragsgegenstand , den die Parteien regeln wollten, nicht erweitern. So läge es aber hier, denn weil die Abtretungserklärung nicht bestimme, dass die Sachverständigenkosten im Ganzen abgetreten seien, ginge eine Umdeutung in eine Einzugsermächtigung hinsichtlich der (gesamten) Sachverständigenkosten insoweit über den Gegenstand der nichtigen Vereinbarung hinaus. Die infolge der Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarung entstehende Lücke könne auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden. Dies komme im Falle der Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedin- gung, wie sie hier gegeben sei, nämlich nur ausnahmsweise in Betracht und setze voraus, dass sich die mit dem Wegfall der unwirksamen Vertragsklausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lasse und deswegen zu einem Ergebnis führe, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trage, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig verschiebe. Letzteres sei hier nicht der Fall, da der Klägerin ihr Honoraranspruch gegen den Geschädigten verbleibe und die aufgrund der unwirksamen Abtretung fehlende Besicherung dieses Anspruchs nicht zu einem unzumutbaren Ergebnis führe.

II.

4
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
5
1. Die von dem Geschädigten H. erklärte Abtretung ist unwirksam.
6
a) Eine Abtretung ist, wie in der Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt ist, nur wirksam, wenn die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, bestimmt oder wenigstens bestimmbar ist (BGH, Urteile vom 25. Oktober 1952 - I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 357; vom 3. April 1974 - VIII ZR 235/72, NJW 1974, 1130 und vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94, NJW 1995, 1668, 1969; MünchKommBGB /Roth, 5. Aufl., § 398 Rn. 67). Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Rechtsnatur der Abtretung, die ein dingliches Rechtsgeschäft ist. Die Abtretung bewirkt, dass das Gläubigerrecht an einer Forderung von dem bisherigen Gläubiger auf eine andere Person als neuen Gläubiger übergeht (§ 398 BGB). Wie ein Gläubigerrecht nur an einer bestimmten oder mindestens bestimmbaren Forderung bestehen kann, so kann auch nur das Gläubigerrecht an einer bestimmten oder bestimmbaren Forderung Gegenstand der Abtretung sein (RG, Urteil vom 27. Februar 1920 - VII 296/19, RGZ 98, 200, 202). An diesem Erfordernis der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit fehlt es, wenn von mehreren selbständigen Forderungen ein Teil abgetreten wird, ohne dass erkennbar ist, von welcher oder von welchen Forderungen ein Teil abgetreten werden soll (BGH, Urteile vom 18. Februar 1965 - II ZR 166/62, WM 1965, 562; vom 27. Mai 1968 - VIII ZR 137/66, WarnR 1968, Nr. 165 und vom 2. April 1970 - VII ZR 153/68, WM 1970, 848; OLG München, OLGR 1993, 248; OLG Köln VersR 1998, 1269, 1270 und MDR 2005, 975; Staudinger/Busche, BGB [2005], § 398 Rn. 61; MünchKommBGB/Roth, aaO, Rn. 75).
7
b) Entstehen aus einem Verkehrsunfall für den Geschädigten mehrere Forderungen, so kann von der Gesamtsumme dieser Forderungen nicht ein nur summenmäßig bestimmter Teil abgetreten werden (Senatsurteil vom 8. Oktober 1957 - VI ZR 128/56, VersR 1957, 753). Um verschiedene Forderungen handelt es sich etwa dann, wenn neben dem Anspruch auf Ersatz des an dem beschädigten Kraftfahrzeug entstandenen Sachschadens ein Anspruch auf Ersatz von Verdienstausfall geltend gemacht wird (Senatsurteile vom 19. November 1957 - VI ZR 122/57, VersR 1958, 91, 93 f. und vom 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, VersR 1984, 782, 783). Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens und dem Anspruch auf Ersatz von Schäden an der Ladung des Fahrzeugs (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 1957 - VI ZR 128/56 aaO). Für die Annahme verschiedener Forderungen spricht in diesen Fällen schon die Möglichkeit unterschiedlicher Entwicklungen in der Anspruchsinhaberschaft , die sich daraus ergibt, dass die Ersatzansprüche im Regulierungsfall gegebenenfalls auf verschiedene Versicherer übergehen können (Kaskoversicherung, Betriebsausfallversicherung, Transportversicherung; vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, aaO). Eine Verschiedenheit von Forderungen liegt nur dann nicht vor, wenn es sich bei einzelnen Beträgen um lediglich unselbständige Rechnungsposten aus einer klar abgrenzbaren Sach- gesamtheit handelt (vgl. Senatsurteile vom 26. Februar 1980 - VI ZR 53/79, BGHZ 76, 216, 219 f. und vom 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, aaO), wie dies etwa bei Einzelelementen der Reparaturkosten der Fall ist (vgl. BGH, Urteile vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98, NJW 2000, 3718, 3719 und vom 13. März 2003 - VII ZR 418/01, MDR 2003, 824 f.; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs , 4. Aufl., § 37 Rn. 17 [Stand: 10. Januar 2010]).
8
c) Die Abtretung des Geschädigten H. wird diesen Erfordernissen nicht gerecht, denn sie ist weder hinreichend bestimmt noch bestimmbar. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut erfasst sie eine Mehrzahl von Forderungen, nämlich sämtliche Ansprüche des Geschädigten aus dem betreffenden Verkehrsunfall. Mit Recht hat das Berufungsgericht in der Bezugnahme der Abtretung auf die Höhe der Gutachterkosten lediglich eine Beschränkung hinsichtlich des Umfangs der Abtretung gesehen. Die Abtretung sollte ersichtlich nicht nur die Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten erfassen. Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung der Revision auch kein unselbständiger Rechnungsposten, sondern im Verhältnis zu dem Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens vielmehr eine selbständige Forderung. Dies folgt schon aus der Möglichkeit unterschiedlicher Entwicklungen in der Anspruchsinhaberschaft, denn anders als der Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens geht der hiervon schon dem Gegenstand nach klar abgrenzbare (vgl. Senatsurteil vom 22. Mai 1984 - VI ZR 228/82, aaO) Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten im Regulierungsfall gemäß § 86 Abs. 1 VVG nur unter engen Voraussetzungen auf den Kaskoversicherer über (vgl. Ziffer A.2.8 AKB 08 [Stand: 9. Juli 2008]). Um dem Bestimmbarkeitserfordernis zu genügen, wäre es deshalb erforderlich gewesen, in der Abtretungserklärung den Umfang der von der Abtretung erfassten Forderungen der Höhe und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln. Daran fehlt es bei der hier verwendeten Abtretungserklärung. Da es sich dabei nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen um von der Klägerin gestellte Allgemeine Ge- schäftsbedingungen handelt, gehen bestehende Unklarheiten zu ihren Lasten (§ 305c Abs. 2 BGB).
9
2. Mit Recht hat es das Berufungsgericht abgelehnt, die nichtige Abtretung gemäß § 140 BGB in eine Prozessführungsermächtigung umzudeuten.
10
a) Eine Umdeutung in ein Ersatzgeschäft darf nicht dazu führen, dass an die Stelle des nichtigen Geschäfts ein solches gesetzt wird, das über den Erfolg des ursprünglich gewollten Geschäfts hinausgeht (BGH, Urteile vom 15. Dezember 1955 - II ZR 204/54, BGHZ 19, 269, 275 und vom 14. Mai 1956 - II ZR 229/54, BGHZ 20, 363, 370 f.; BAG, NJW 1976, 592; MünchKommBGB/ Busche, aaO, § 140 Rn. 17 mwN). Dies wäre hier entgegen der Auffassung der Revisionsbegründung aber der Fall, wenn die (unwirksame) Abtretung umgedeutet würde in die Ermächtigung, die Gutachterkosten im eigenen Namen geltend zu machen. Da sich der Abtretungserklärung gerade nicht entnehmen lässt, dass die Klägerin Gläubigerin der gesamten Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten werden sollte, verbietet sich eine Umdeutung dahin gehend, sie als ermächtigt anzusehen, im Wege der Prozessstandschaft diese Forderung in voller Höhe im eigenen Namen geltend zu machen.
11
b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus der in der Abtretungsvereinbarung enthaltenen Anweisung an den regulierungspflichtigen Versicherer, die Sachverständigenkosten unmittelbar an die Klägerin zu zahlen. Diese Zahlungsanweisung darf nicht isoliert ausgelegt werden, sondern ist im Zusammenhang mit der im vorausgehenden Satz geregelten Abtretung zu sehen. Sie nimmt ersichtlich Bezug auf die Höhe des von der vorgesehenen Abtretung erfassten Betrags und bezieht sich nicht auf einen von der (unwirksamen) Abtretung möglicherweise nicht erfassten Teil der Forderung auf Ersatz der Gutachterkosten. Eine auf diese Zahlungsanweisung ge- stützte Klage wäre mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1953 - III ZR 66/52, BGHZ 11, 192, 194; Greger, aaO Rn. 17, 19).

III.

12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Diederichsen
Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
AG Saarlouis, Entscheidung vom 19.05.2010 - 26 C 372/10 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 15.10.2010 - 13 S 68/10 -

(1) Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt.

(2) Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt oder wenn er von dem Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. In den beiden letzteren Fällen wird, wenn über den Gegenstand mehrere miteinander nicht in Einklang stehende Verfügungen getroffen worden sind, nur die frühere Verfügung wirksam.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 245/09
vom
29. Juni 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. und 4.: versuchten Betruges u.a.
zu 2. und 3.: Steuerhinterziehung u.a.
Verfallsbeteiligte:
1.
2.
3.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29. Juni 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof und
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Verfallsbeteiligten H. AG i.L.,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Verfallsbeteiligten Fa. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, gegen die Angeklagten F. und R. sowie gegen die Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. Verfall von Wertersatz anzuordnen ; jedoch bleiben die Feststellungen zur Höhe des von den Beteiligten Erlangten bestehen. 2. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten F. und R. sowie die Revisionen der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten S. und W. werden verworfen. 3. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten S. und W. und die durch diese Rechtsmittel diesen Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten F. wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 AktG und mit Beihilfe zur unrichtigen Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss (§ 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Den Angeklagten R. hat das Landgericht wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit unrichtiger Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 AktG und wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3
Die Angeklagten S. und W. hat das Landgericht jeweils wegen Beihilfe zum versuchten Betrug, zur unrichtigen Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 AktG und zur unrichtigen Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss sowie wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt.
4
Den Mitangeklagten B. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum versuchten Betrug und zur unrichtigen Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt , deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat.
5
Verfall von Wertersatz gegenüber den Angeklagten F. und R. , gegenüber den Verfallsbeteiligten H. AG i.L. und A.
GmbH sowie gegenüber der weiteren Verfallsbeteiligten Fa. , der Ehefrau des Angeklagten F. , hat das Landgericht nicht angeordnet.
6
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen ; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die zu Lasten der Angeklagten eingelegten Revisionen hat die Staatsanwaltschaft beschränkt: Auf den Strafausspruch bezüglich der Angeklagten F. , R. , S. und W. sowie auf die unterbliebene Anordnung des Verfalls von Wertersatz bezüglich der Angeklagten F. und R. . Zudem wendet sie sich auch bezüglich der Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. gegen die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg, soweit sie sich gegen die Nichtanordnung von Wertersatzverfall wenden; daher ist die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung gegenstandslos. Im Übrigen sind die Revisionen der Staatsanwaltschaft unbegründet.

I.

7
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
8
a) Zur Firmenstruktur
9
Der Angeklagte F. war Vorsitzender des Verwaltungsrates des Schweizer Unternehmens D. AG (nachfolgend D. AG) und dessen beherrschender Mehrheitsaktionär. Bei dieser Gesellschaft war der Angeklagte W. zunächst als Assistent der Geschäftsleitung und später als Bereichsleiter der Mediensparte des Unternehmens tätig und insoweit dem Angeklagten F. direkt unterstellt.
10
Die D. AG hielt rund 70 % der Aktien der I. AG (nachfolgend I. AG). Wesentlicher Geschäftsgegenstand der I. AG war die Erbringung von Dienstleistungen im Internet, namentlich die Bereitstellung von Speicherkapazitäten auf Servern zum Aufbau einer Internetpräsenz und die Entwicklung von Software. Neben der D. AG hielten Mitglieder des Managements und des Aufsichtsrates der I. AG sowie Mitarbeiter dieser Gesellschaft ca. 10 % der Geschäftsanteile. Die verbleibenden 20 % der I. - Aktien wurden seit dem 17. März 2000 am „Neuen Markt“ der Deutsche Börse AG an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt. Vorstandsvorsitzender der I. AG war der Angeklagte F. , Finanzvorstand der Gesellschaft war der Angeklagte R. .
11
Neben den Anteilen an der I. AG hielt die D. AG Anteile an der Bl. GmbH, deren Geschäftsführer die Angeklagten S. und B. waren.
12
b) Manipulation der Umsatz- und Ertragszahlen im Vorfeld des Verkaufs der I. AG
13
Mitte des Jahres 2000 beschloss der Angeklagte F. , die Mehrheitsanteile an der I. AG zu verkaufen. Um potentielle Käufer der Aktien über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der I. AG zu täuschen, veranlasste er in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 die Manipulierung der Umsatz- und Ertragszahlen der I. AG für die ersten neun Monate des Geschäftsjahres.
14
Hierfür ließ er zum Ende des dritten Quartals insgesamt acht Rechnungen , mit denen von der I. AG tatsächlich nicht erbrachte Leistungen - insbesondere gegenüber der Bl. GmbH sowie gegenüber weiteren Gesellschaften - mit einem Gesamtvolumen von 12.253.330 DM abgerechnet wurden, zu Gunsten der I. AG buchen. An diesen Buchhaltungsmanipulationen waren mit verschiedenen Beiträgen der Angeklagte R. als Finanzvorstand der I. AG, die Angeklagten S. und B. als Geschäftsführer der Bl. GmbH sowie der Angeklagte W. als Bereichsleiter der Mediensparte der D. AG und in dieser Eigenschaft auch als Vorgesetzter der Angeklagten S. und B. beteiligt.
15
Durch diese Manipulationen und die damit einhergehende Täuschung über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der I. AG sollten Kaufinteressenten zum Abschluss eines Kaufvertrages und zur Zahlung eines überhöhten Kaufpreises veranlasst werden.
16
c) Der Verkauf der I. AG
17
Mit Vertrag vom 19. Dezember 2000 verkaufte der Angeklagte F. in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verwaltungsrates der D. AG unter Zwischenschaltung ihrer in Deutschland geschäftsansässigen 100%igen Tochtergesellschaft D. H. GmbH einen über 75%igen Mehrheitsanteil an der I. AG, der bei der D. H. GmbH angesammelt worden war (UA S. 204), an die englische Gesellschaft E. plc.. In diesem Vertrag verpflichtete sich die D. AG, 15 Millionen Aktien der I. AG an die E. plc. zu übertragen. Als Gegenleistung sollte die E. plc. 210 Millionen Euro an die D. AG zahlen sowie 62 Millionen neu herauszugebende Aktien der E. plc., die im Kaufvertrag mit 552 Millionen Euro bewertet wurden , an die D. AG übertragen. Damit betrug der Gesamtkaufpreis für die I. -Aktien 762 Millionen Euro. Der Vertrag wurde am 30. Januar 2001 durchgeführt.
18
Entsprechend dem Tatplan der Angeklagten schlossen die Verantwortlichen der E. plc. den Vertrag in der irrigen Annahme, dass die ihnen mitgeteilten Unternehmenskennzahlen für die ersten neun Monate des Jahres 2000 zutreffend seien und die Zwischenbilanz des Unternehmens ordnungsgemäß erstellt worden sei. Nach der - subjektiven - Vorstellung der Angeklagten F. und R. zahlte die E. plc. demnach einen Kaufpreis, der den Marktwert der erworbenen Beteiligung an der I. AG um mindestens 30 Millionen Euro überstieg (UA S. 219). Die Angeklagten W. und S. , die nicht alle Manipulationen kannten, gingen von einem um 27,5 Millionen Euro und der Angeklagte B. von einem um 25 Millionen Euro überhöhten Kaufpreis aus. In dem jeweiligen Umfang sollte bei der D. AG ein nicht gerechtfertigter Vermögenszuwachs entstehen (UA S. 21).
19
d) Vermögensschaden
20
Da saldierungsfähige Barwerte für die nach dem Aktienkaufvertrag vom 19. Dezember 2000 zu tauschenden Aktienpakete nach Auffassung der Strafkammer auch im Schätzungswege objektiv nicht sicher bestimmbar waren, sah sich die Strafkammer außerstande festzustellen, ob sich die E. plc. zur Zahlung eines objektiv über dem Marktwert der I. -Beteiligung liegenden überhöhten Kaufpreises verpflichtet hatte.
21
e) Die Verteilung des Erlöses aus der Veräußerung der I. AG
22
Der aus der Veräußerung des I. -Aktienpaketes von der D. AG vereinnahmte Erlös wurde zu einem großen Teil, nämlich in Höhe von insgesamt 233 Millionen Schweizer Franken, als Sonderdividende an die Aktionäre der D. AG ausgeschüttet (UA S. 272). Dem Angeklagten F. flossen aus dem Erlös der Veräußerung der I. AG mindestens 31,6 Millionen Euro zu (UA S. 7). Daneben vereinnahmte die A. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Angeklagte F. ist, auf dessen Veranlassung 52,5 Millionen Euro des Verkaufserlöses (UA S. 7). Der Angeklagte R. , der im Tausch gegen die von ihm gehaltenen I. -Aktien Aktien der E. plc. mit einem „nominellen“ Buchwert von ca. 7,25 Millionen Euro erhalten hatte, veräußerte die ihm übertragenen Aktien der E. plc. nach Ablauf einer Sperrfrist für 1.124.093,31 Euro (UA S. 520).
23
Darüber hinaus partizipierten unter anderem auch die H. AG i.L. und die Ehefrau des Angeklagten F. , Fa. , an den Erlösen aus der Veräußerung der I. AG an die E. plc.. Fa. erhielt vom Angeklagten F. eine Zuwendung von 2 Millionen Euro aus dem Veräußerungserlös , die H. AG i.L. von 4,5 Millionen Euro (UA S. 519).
24
f) Weitere Folgen der Umsatzmanipulationen und der Erstellung der Scheinrechnungen
25
Die nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Umsatz- und Ertragszahlen der I. AG, die sich aus der Erfassung der Scheinrechnungen ergaben, wurden im Rahmen einer Ad-hoc-Meldung am 28. November 2000 veröffentlicht, mit der über die gesamte Geschäftstätigkeit der I. AG des dritten Quartals und der ersten neun Monate des Jahres 2000 an der Börse berichtet wurde. Zudem fanden die unzutreffenden Umsatz- und Ertragszahlen auch zum überwiegenden Teil, nämlich in Höhe von 9.119.400 DM, Eingang in den Konzernjahresabschluss und den Konzernlagebericht der I. AG zum 31. Dezember 2000.
26
Die Angeklagten S. und W. gaben für die Bl. GmbH für die Voranmeldungszeiträume September und Dezember 2000 jeweils unrichtige Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab. Sie machten zu Unrecht Umsatzsteuer in Höhe von 480.000 DM bzw. 828.000 DM aus Scheinrechnungen, die für die Manipulationen der Umsatzzahlen der I. AG erstellt worden waren, als Vorsteuern geltend. Die Rechnungsaussteller führten die ausgewiesene Umsatzsteuer jeweils an das zuständige Finanzamt ab.
27
2. Die Strafkammer hat diese Feststellungen wie folgt rechtlich gewürdigt :
28
Da sie sich nicht in der Lage sah, saldierungsfähige Barwerte für die nach dem Vertrag vom 19. Dezember 2000 zu tauschenden Aktienpakete hinreichend sicher zu bestimmen, hat die Strafkammer die Angeklagten F. und R. lediglich wegen versuchten Betruges in Mittäterschaft verurteilt, wobei sie einen angestrebten Vermögensschaden von 30 Millionen Euro zu Grunde gelegt hat. Die Angeklagten W. , S. und B. hat sie wegen Beihilfe hierzu verurteilt.
29
Die unrichtigen Angaben in der Ad-hoc-Mitteilung der I. AG vom 28. November 2000 hat die Strafkammer bei den Angeklagten F. und R. als unrichtige Darstellung i.S.v. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG gewertet, die Unterstützung der Angeklagten S. und W. als Beihilfe hierzu. In der Aufnahme unzutreffender Umsatz- und Ertragszahlen in die Abschlüsse der I. AG durch den Angeklagten R. sah die Strafkammer die Verwirklichung des Tatbestandes der unrichtigen Darstellung i.S.v. § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB, zu der die anderen Angeklagten Beihilfe geleistet hatten. Die Einreichung unzutreffender Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch die Angeklagten S. und W. hat die Strafkammer als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet.
30
Die Strafkammer hat gegen keinen der Angeklagten und auch gegen keinen der Verfallsbeteiligten Verfall bzw. Verfall von Wertersatz angeordnet. Sie ist der Auffassung, dass weder der Angeklagte F. noch die Verfallsbeteiligten in einem bezifferbaren Umfang etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hätten. Unmittelbar aus der Tat sei lediglich der Abschluss des Vertrages erlangt. Daher sei nur der sich aus der Saldierung von Leistung und Gegenleistung ergebende Betrag i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Da aber Barwerte für die nach dem Aktienkaufvertrag vom 19. Dezember 2000 zu tauschenden Aktienpakete auch im Schätzungswege nicht sicher bestimmbar gewesen seien , sah sich die Strafkammer außerstande, das Erlangte objektiv, d.h. unabhänging von dem im Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis, zu beziffern. Außerdem sah sich die Strafkammer durch die Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB an einer Verfallsanordnung gegenüber den Angeklagten F. , S. und W. sowie der A. GmbH gehindert. Schließlich stünde bei den Angeklagten R. , S. und W. der Anordnung des Verfalls auch § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB entgegen.

II.

31
Die Beschränkung der Revisionen der Staatsanwaltschaft ist wirksam. Eine wirksame Revisionsbeschränkung setzt voraus, dass die Gesamtentscheidung auch dann frei von inneren Widersprüchen bleibt, wenn die eingelegte Revision Erfolg hat (st. Rspr.; vgl. BGHSt 10, 100, 101; 29, 359, 364; 39, 208, 209; 41, 57, 59; 47, 32, 35; jew. mwN; BGH NStZ-RR 1999, 359). Dies ist hier auch bei den Angeklagten R. und F. der Fall. Das Angriffsziel der Revisionen setzt sowohl hinsichtlich der Strafaussprüche als auch bezüglich der er- strebten Verfallsanordnung keinen vollendeten Betrug voraus. Wegen des den Verfallsvorschriften zugrunde liegenden Bruttoprinzips setzt eine Verfallsanordnung hinsichtlich des aus einer Tat Erlangten nicht notwendig einen Vermögensschaden - spiegelbildlich zu einem Vermögensvorteil - voraus. Auch ein versuchter Betrug ist eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 73 StGB (vgl. W. Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 StGB Rdn. 16; siehe auch unten IV. 1. a), aus der etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt werden kann. Selbst wenn die erbrachte Gegenleistung den Wert der zugeflossenen Leistung erreichen würde, könnte es zwar an einem Vermögensschaden fehlen, nicht aber am Erlangten. Auch in solchen Fällen kommt ein Verfall noch in Betracht, es sei denn der Verfallsanordnung stehen Ansprüche des Verletzten i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegen oder die Härtevorschrift des § 73c StGB greift ein.

III.

32
Soweit sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen die Strafaussprüche bezüglich der Angeklagten F. , R. , S. und W. wenden, zeigen sie keinen Rechtsfehler auf. Die Einzelstrafen, die Gesamtstrafen und, betreffend die Angeklagten S. und W. , auch die Strafaussetzung zur Bewährung halten rechtlicher Nachprüfung stand.
33
Insbesondere ist auch die von der Staatsanwaltschaft beanstandete Strafrahmenwahl rechtsfehlerfrei. Die Verneinung besonders schwerer Fälle überschreitet noch nicht den dem Tatrichter hierbei zukommenden Beurteilungsspielraum.
34
Dies gilt auch, soweit das Landgericht bei den Angeklagten S. und W. für die von ihnen begangenen Steuerhinterziehungen besonders schwere Fälle i.S.v. § 370 Abs. 3 AO verneint hat. Die Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aF, der als für die Angeklagten günstigeres Tatzeitrecht gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden war, waren nicht gegeben. Auch handelten die Angeklagten S. und W. nicht aus grobem Eigennutz. Das Landgericht hat zudem in den Blick genommen, dass nach dem Tatplan der Angeklagten ein endgültiger Steuerschaden nicht angestrebt wurde und ein solcher auch nicht eingetreten ist.

IV.


35
Keinen Bestand hat das Urteil, soweit das Landgericht hinsichtlich der Angeklagten R. und F. sowie gegenüber den Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abgesehen hat.
36
1. Das Landgericht hat den Umfang des aus der Tat Erlangten i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB unzutreffend bestimmt. Deshalb war das Urteil hinsichtlich der Verfallsentscheidung aufzuheben. Dem liegt folgende rechtliche Beurteilung des Senats (§ 358 Abs. 1 StPO) zugrunde:
37
a) Aus der Tat erlangt i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Begünstigten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (vgl. BGHSt 52, 227, 246 mwN). Auch bei Betrugstaten ist dabei nicht erforderlich, dass der Täter einen Vermögensvorteil erlangt hat. Zudem stellt auch ein versuchter Betrug eine rechtswidrige Tat i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB dar, aus der i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB etwas erlangt sein kann. Deshalb kann eine Verfallsanordnung auch an einen lediglich versuchten Betrug anknüp- fen, soweit - wie hier - dem Täter oder einem Dritten (§ 73 Abs. 3 StGB) daraus etwas zugeflossen ist (vgl. W. Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 StGB Rdn. 16).
38
Einer Verfallsanordnung stand daher nicht entgegen, dass das Landgericht sich außerstande gesehen hat, mit der erforderlichen Sicherheit bei den Angeklagten F. und R. eine ungerechtfertigte Bereicherung (einen Vermögensvorteil ) und bei der E. plc. einen Vermögensschaden festzustellen.
39
b) Der Umfang des Erlangten ist zwingend nach Maßgabe des Bruttoprinzips zu bemessen (BGHSt 52, 227, 248). Hiernach sind die Vermögenswerte , die der Täter oder Teilnehmer in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar erlangt hat, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen, ohne dass Gegenleistungen oder sonstige Aufwendungen in Abzug gebracht werden (BGHSt 47, 369, 370 f.; 52, 227, 248). Bei der Berechnung des - wie hier - durch einen Kauf Erlangten ist deshalb vom gesamten betrügerisch erlangten Verkaufserlös auszugehen (BGHSt 47, 369, 370 mwN). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu im vorliegenden Strafverfahren auf eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Arrestentscheidung des Hansatischen Oberlandesgerichts Hamburg folgendes ausgeführt (Beschl. vom 11. Dezember 2008 - 2 BvR 1871/08): „Die Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer habe den Erlös aus den durch die D. AG verkauften E. -Aktien ohne Berücksichtigung des vorherigen Wertes der I. -Aktien ´erlangt´, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Anders als in den vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs entschiedenen Fällen (vgl. BGHSt 47, 260, 269 f.; 50, 299, 309 ff.; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006 - 5 StR 482/05, NStZ-RR 2006, S. 338), auf die der Beschwerdeführer sich beruft, sind im vorliegenden Fall die Vermögensbestandteile des Beschwerdeführers, über deren Wert getäuscht worden sein soll und die unmittelbar zum Erwerb der E. -Aktien eingesetzt wurden , selbst Gegenstand der mutmaßlichen Tathandlung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Juli 2006 - 2 BvR 527/06 -, juris; vgl. auch BGHSt 47, 369, 370 ff., und BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, juris, Rn. 107). Nach dem sich aus §§ 73, 73a StGB ergebenden Bruttoprinzip unterliegt das Erlangte in seiner Gesamtheit dem Verfall.“
40
Schon deshalb ergibt sich aus der Rechtsprechung des 5. Strafsenats (vgl. für die zudem anders gelagerten Fälle der Auftragserlangung durch Bestechung BGHSt 47, 260 sowie 50, 299 und für verbotene Insidergeschäfte BGH NStZ 2010, 339) nichts Gegenteiliges; ein Fall der Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 GVG ist nicht gegeben.
41
Im vorliegenden Fall haben die D. AG und der Angeklagte R. aus der Tat - versuchter Betrug zum Nachteil der E. plc. - die Leistungen der E. plc. erlangt. Teile des Veräußerungserlöses flossen dann dem Angeklagten F. und den Verfallsbeteiligten zu (UA S. 7, 519). Die Erbringung der Leistungen durch die E. plc. ist noch Teil der Tat (vgl. BVerfG aaO); erst die täuschungsbedingte Erfüllung des Betruges führt zur Beendigung der Tat (Fischer StGB 57. Aufl. § 263 Rdn. 201 mwN). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist in solchen Fällen nicht zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und dem Erfüllungsgeschäft zu unterscheiden (vgl. auch BGHSt 52, 227, 248 f.).
42
Aus der Tat erlangt i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind hier die in Vollzug des täuschungsbedingt abgeschlossenen Vertrages vom 19. Dezember 2000 von der E. plc. erbrachten Leistungen, hinsichtlich der D. AG also sowohl die „Barkomponente“ in Höhe von 210 Millionen Euro als auch das im http://www.juris.de/jportal/portal/t/1lgd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE017103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 16 - Austausch gegen I. -Aktien übertragene E. -Aktienpaket, dessen Wert vertraglich mit 552 Millionen Euro beziffert wurde. Eine Saldierung der zwischen der D. AG und der E. plc. in Vollzug der getroffenen Vereinbarung ausgetauschten Leistungen war demgegenüber entgegen der Auffassung des Landgerichts für die Bestimmung des Erlangten i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht vorzunehmen. Eine solche Saldierung schließt das gesetzlich vorgegebene Bruttoprinzip aus. Dieser Umfang des Verfalls entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der durch Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl. I S. 372) § 73 StGB mit Wirkung vom 7. März 1992 geändert hat. Daher hat der Gesetzgeber den Begriff des Vermögensvorteils (Nettoprinzip) durch den des Erlangten (Bruttoprinzip) ersetzt (BT-Drucks. 12/899 S. 11).
43
Würde man bei solchen Geschäften lediglich den Gewinn - also den Saldo aus Leistung und Gegenleistung - als Erlangtes ansehen, dann würde - dem Willen des Gesetzgebers widersprechend - im Ergebnis das Bruttoprinzip wieder durch das Nettoprinzip ersetzt. Gerade die im vorliegenden Verfahren deutlich gewordenen Schwierigkeiten bei der Bemessung der Gegenleistung wollte der Gesetzgeber aber bei Einführung des Bruttoprinzips vermeiden (vgl. BT-Drucks. 12/899 S. 11). Zudem wollte er den unwiederbringlichen Verlust von all dem anordnen, was in Straftaten investiert worden ist. Denn mit dem Verfall verfolgt er auch einen Präventionszweck (BVerfG NJW 2004, 2073, 2075; BGHSt 51, 65, 67). Müsste der von der Verfallsanordnung Betroffene lediglich die Abschöpfung des Nettogewinns befürchten, so würde sich die Tat für ihn unter finanziellen Gesichtspunkten als risikolos erweisen (vgl. BGHSt 51, 65, 67; 52, 227, 248).
44
c) Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für die Anordnung des Verfalls gegenüber einem Drittbegünstigten i.S.v. § 73 Abs. 3 StGB, d.h. hier gegenüber der H. AG i.L. und der A. GmbH sowie gegenüber der Ehefrau des Angeklagten F. , der weiteren Verfallsbeteiligten Fa. . Auch gegenüber diesen Verfallsbeteiligten ist der Umfang des Erlangten nach Maßgabe des Bruttoprinzips zu bemessen, ohne dass Gegenleistungen oder sonstige Aufwendungen in Abzug gebracht werden (BGHSt 47, 369, 374; 52, 227, 247 f.; BGH NStZ-RR 2004, 214, 215).
45
2. Die rechtsfehlerhafte Bestimmung des Umfangs des Erlangten zwingt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung, soweit von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten F. und R. sowie gegen die Verfallsbeteiligten H. AG i.L., A. GmbH und Fa. abgesehen worden ist.
46
a) Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen, die bestehen bleiben können, erlangte die D. AG über ihr Tochterunternehmen D. H. GmbH aus dem verfahrensgegenständlichen Rechtsgeschäft 210 Millionen Euro sowie 62 Millionen neu herauszugebende Aktien der E. plc., deren Wert im zugrunde liegenden Vertrag mit 552 Millionen Euro beziffert wurde. Nominal betrug der Gesamtpreis für die I. -Aktien demnach 762 Millionen Euro.
47
b) Unzureichend sind allerdings die bislang getroffenen Feststellungen zur Weitergabe des von der D. AG Erlangten an den Angeklagten F. und an die Verfallsbeteiligten (vgl. oben Abschnitt I.1 Buchst. e). Diese Feststellungen bilden keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Annahme des Landgerichts, dass die Vermögenswerte, die den Angeklagten F. und R.
sowie den Verfallsbeteiligten zugeflossen sind, im gesamten Umfang aus der verfahrensgegenständlichen Straftat stammen. Darüber hinaus kann der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Zuflüsse bei den Verfallsbeteiligten aus betrieblichen Zurechnungsverhältnissen (sog. Vertretungsfall; vgl. BGHSt 45, 235, 245), unentgeltlich oder aufgrund eines bemakelten Rechtsgeschäfts zur Verschleierung oder Vereitelung des Gläubigerzugriffs (sog. Verschiebungsfall; vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 35 mwN) oder in Erfüllung einer nicht bemakelten Forderung (sog. Erfüllungsfall ; vgl. BGHSt aaO S. 247) erfolgt sind. Die Höhe der in Schweizer Franken ausgezahlten Sonderdividende, deren Wert zur Zeit der Ausschüttung umgerechnet mehr als 350 Millionen Euro betrug, übersteigt die „Barkomponente“, die aufgrund der Anteilsveräußerung an die E. plc. erlangt wurde. Es fehlt nicht nur an ausreichenden Feststellungen zu den für die Ausschüttung der Sonderdividende maßgeblichen Beteiligungsverhältnissen an der D. AG, sondern auch dazu, in welchem Umfang die von der D. AG über die D. H. GmbH erlangte „Barkomponente“ in die Ausschüttung eingeflossen ist.
48
3. Die bisherigen Feststellungen zur Höhe des von den Beteiligten i.S.v. § 73 Abs. 1 und § 73 Abs. 3 StGB i.V.m. § 431 Abs. 1, § 442 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO Erlangten können indes bestehen bleiben. Beteiligte im hier verwendeten Sinn sind demnach die Angeklagten als Tatbeteiligte im Sinne von § 28 Abs. 2 StGB sowie die Verfallsbeteiligten einschließlich der D. AG als Geschäftspartnerin und Garantiegeberin (UA S. 204) der E. plc. und ihrer Tochtergesellschaft D. H. GmbH als formeller Verkäuferin der I. -Aktien. Das zur neuen Entscheidung berufene Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
49
4. Zu der neu zu treffenden Entscheidung über die Frage einer Verfallsanordnung weist der Senat auf Folgendes hin:
50
a) Auf der Grundlage der bestandskräftigen Feststellungen wird der neue Tatrichter seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Senats zugrunde legen, dass das aus der Tat i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte einen Wert (vgl. § 73a Satz 1 StGB) von 762 Millionen Euro hatte. Das war der zu bezahlende Kaufpreis, auf den sich die Vertragsparteien geeinigt hatten und der in Höhe von 552 Millionen Euro durch E. -Aktien, deren Wert die Vertragsparteien einvernehmlich und nach den für dieses Geschäft maßgeblichen preisbildenden Faktoren bestimmt hatten, zu erbringen war. Nach dem Bruttoprinzip unterliegt das Erlangte in seiner Gesamtheit dem Verfall, wobei ausreichend ist, dass die Vermögenswerte zu irgendeinem Zeitpunkt, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum, zugeflossen sind. Dass für den Weiterverkauf der erhaltenen Aktien der E. plc. eine neunmonatige Sperrfrist vereinbart wurde und dass während dieser Zeit die Kurse dieser Aktien gefallen sind, könnte lediglich im Rahmen des § 73c StGB Berücksichtigung finden (BVerfG wistra 2004, 378, 381 f.). Im Hinblick darauf kann das neue Tatgericht erwägen, ob das weitere Verfahren hinsichtlich des Erlangten auf die "Barkomponente" beschränkt werden sollte.
51
b) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei seiner Entscheidung über die Höhe des anzuordnenden Verfallsbetrags bezüglich der Angeklagten F. und R. sowie der Verfallsbeteiligten folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen :
52
aa) Die dem Gesellschaftsvermögen einer juristischen Person zugeflossenen Werte stellen trotz (abstrakter) Zugriffsmöglichkeiten der Gesellschafter oder der Organe nicht ohne weiteres auch zugleich das durch die Angeklagten und die Verfallsbeteiligten i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte dar (vgl. BVerfG aaO).
53
bb) Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ist die Anordnung des Verfalls bzw. des Verfalls von Wertersatz ausgeschlossen, soweit Verletzten aus der Tat Ansprüche erwachsen sind, deren Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würden. Unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ist eine Verfallsanordnung auch gegenüber einem Drittbegünstigten ausgeschlossen (vgl. BGHSt 52, 227, 244; BGH NStZ-RR 2007, 109, 110; Nack GA 2003, 879, 882 mwN). Für den Ausschluss kommt es allein auf die rechtliche Existenz der Ansprüche an (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 18 mwN). Das bisherige Unterbleiben und die fehlende Erwartung der Geltendmachung solcher Ansprüche rechtfertigen also die Verfallsanordnung nicht (BGH NStZ-RR 2007, 110). Dagegen bleibt sie möglich, wenn die Verletzten auf die Geltendmachung wirksam verzichtet haben oder die Ansprüche verjährt sind (BGHSt aaO; BGH NStZ 2006, 621, 623; Fischer aaO Rdn. 19).
54
Hier wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Ansprüche der E. plc. als Verletzter i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB dem Verfall von Wertersatz gegenüber den Angeklagten F. und R. sowie der A. GmbH entgegenstehen (§ 262 StPO). Demgegenüber liegt aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nahe, dass hinsichtlich der H. AG i.L. und der weiteren Verfallsbeteiligten Fa. die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht gegeben sind, da die E. plc. ihnen gegenüber auf die Geltendmachung von Ansprüchen verzichtet hat.
55
cc) Der Anwendung der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB stünde nicht entgegen, dass es nach Auffassung der Strafkammer an einem am Schuldspruch anknüpfenden eindeutigen Beleg von Ansprüchen der Verletzten fehlt. Die Verurteilung der Angeklagten F. und R. lediglich wegen versuchten Betruges schließt nicht aus, dass zivilrechtliche Schadensersatzansprüche der E. plc. gegeben sein können. Denn die Verurteilung lediglich wegen versuchten Betruges resultiert nicht daraus, dass die Strafkammer einen bei der E. plc. eingetretenen Schaden ausgeschlossen hatte, sondern daraus, dass nach ihrer Auffassung ein Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB nach strafrechtlichen Maßstäben nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Insbesondere ein möglicher Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB, der der Anordnung des Verfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen kann (vgl. BGH NStZ 2010, 326), knüpft aber nicht am Begriff des Vermögensschadens des § 263 StGB an, sondern an einem Schadensbegriff, der sich nach anderen Maßstäben bestimmt (vgl. BGHZ 160, 149; BGH NJW 2005, 2450).
56
dd) Hinsichtlich des Angeklagten R. ist bislang lediglich festgestellt, dass dieser von der E. plc. zivilrechtlich in Anspruch genommen wird und in diesem Zusammenhang einen Vergleich abgeschlossen hat, wonach er sich zur Zahlung von mindestens 250.000 Euro verpflichtet hat. Einen Betrag von 100.000 Euro habe er hiervon bereits erbracht. Weiter habe sich der Angeklagte R. aufgrund des Vergleiches verpflichtet, seine Vermögensverhältnisse offen zu legen. Sollten sich die diesbezüglichen Feststellungen als unrichtig erweisen , wäre er zur Zahlung der gesamten Vergleichssumme in Höhe von 1,5 Millionen Euro verpflichtet. Hat er hingegen sämtliche Bedingungen des Vergleichvertrages erfüllt, hätte er insgesamt nur 250.000 Euro zu zahlen.
57
Den bisherigen Urteilsfeststellungen ist nicht hinreichend deutlich zu entnehmen , ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Ansprüche der E. plc. gegenüber dem Angeklagten R. (noch) existieren. Sollte die E. plc. aufgrund eines Vergleiches auf einen Teil ihrer Ansprüche gegen den Angeklagten R. endgültig verzichtet haben, steht § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Anordnung des Verfalls von Wertersatz hinsichtlich des den Vergleichsbetrag übersteigenden Wertes des Erlangten nicht entgegen (vgl. OLG Zweibrücken StV 2003, 160, 162; Fischer StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 23):
58
§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB schließt die Verfallsanordnung lediglich in dem Umfang aus, in dem die Anordnung dem Täter das aus der Tat Erlangte zu Lasten des Verletzten entziehen würde ("soweit"). Nach dieser Vorschrift soll eine Konkurrenz zwischen staatlichem Verfallsanspruch, der sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB ergibt, und (meist zivilrechtlichen) Schadensersatzansprüchen der Verletzten vermieden werden. Insbesondere soll die doppelte Inanspruchnahme des Täters aufgrund des identischen Lebenssachverhaltes verhindert werden (vgl. Fischer aaO Rdn. 17), ohne dass aber der weitere Grundsatz des Verfallsrechts aus dem Blick geraten darf, nach dem der Täter nichts vom Erlangten behalten darf. Das Gesetz löst dieses Konkurrenzverhältnis dahingehend, dass - soweit Ansprüche des Verletzten bestehen - deren Befriedigung Vorrang vor dem Verfall an den Staat (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB) erhält.
59
Dem Verletzten steht es danach frei, sich mit dem Täter zu einigen und auf einen ihm zustehenden Schadensersatz (oder einen Teil hiervon) zu verzichten. Ein Verzicht des Verletzten kann allerdings nicht den staatlichen Verfallsanspruch nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB begrenzen. Der Verletzte kann zwar frei darüber entscheiden, was er vom Täter herausverlangen will, nicht aber darüber, was dieser aus der Tat erlangt hat (so auch Fischer StGB aaO Rdn. 23). Dies wird in der - freilich erst nach der Tatzeit in Kraft getretenen - Vorschrift des § 111i StPO noch einmal verdeutlicht.
60
Deshalb haben Schadensersatzleistungen des Täters - unabhängig davon , ob sie vor oder nach Erlass des Urteils geleistet wurden - für die Bestimmung der Höhe des aus der Tat i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangten keine Auswirkung. Sie können allerdings im Rahmen der Härteklausel des § 73c StGB Berücksichtigung finden und sind zudem - wie die Kammer berücksichtigt hat - ein bestimmender Strafmilderungsgrund. Darüber hinaus würde die Anordnung des Verfalls den Strafausspruch unberührt lassen (BGH NStZ 1995, 491; NStZ-RR 1996, 129, 130; NStZ 2000, 137; NStZ 2001, 312).
61
ee) Hinsichtlich der A. GmbH ist bislang lediglich festgestellt, dass die Gesellschaft zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen der E. plc. ausgesetzt ist. Sie könnte eine Haftung gemäß § 826 BGB treffen , weil sie von dem Angeklagten F. , der Geschäftsführer der Gesellschaft ist, in Kenntnis aller haftungsbegründenden Umstände dazu eingesetzt worden ist, Teile des Verkaufserlöses zu vereinnahmen.
62
Die neue Strafkammer wird klären, in welcher Höhe der E. plc. Ansprüche i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB gegenüber der A. GmbH erwachsen sind. Dabei wird sie auch prüfen, ob der - seitens der Strafkammer angenommene - Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB gegenüber der A. GmbH tatsächlich existiert. Auch hinsichtlich des Angeklagten F. ergibt sich aus den getroffenen Urteilsfeststellungen noch nicht, in welcher Höhe er Ansprüchen der E. plc. ausgesetzt ist.
63
c) Auf der Grundlage der demnach erforderlichen weitergehenden Feststellungen wird das neue Tatgericht erforderlichenfalls prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Härtevorschrift des § 73c StGB der Anordnung des Verfalls von Wertersatz bei den Angeklagten F. und R. sowie bei den Verfallsbeteiligten entgegensteht.

V.

64
Im Hinblick auf die Aufhebung der Verfallsentscheidung und Zurückverweisung der Sache insoweit an das Landgericht ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die die Verfallsbeteiligten betreffende Kostenentscheidung gegenstandslos. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 215/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Bei einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO ist im Urteilstenor (nur)
der Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag zu benennen, den der Staat
unter den Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als
Zahlungsanspruch erwirbt.
2. Bei der Bestimmung des Vermögensgegenstandes bzw. Zahlungsanspruchs
, der dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegt, ist bei mehreren
Tätern und/oder Teilnehmern von deren gesamtschuldnerischer
Haftung auszugehen, wenn und soweit sie zumindest Mitverfügungsmacht
an dem aus der Tat erzielten Vermögenswert hatten.
3. Die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB kann zur Folge
haben, dass gegen mehrere Täter und/oder Teilnehmer unterschiedlich
hohe Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen werden müssen.
BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10 – LG Hagen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Y. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten T. und Y. wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 2. November 2009 aufgehoben, soweit dort hinsichtlich dieser Angeklagten sowie des Angeklagten M. festgestellt ist, "dass der Anordnung des Verfalls bzw. des Verfalls des Wertersatzes des aus der Tat erlangten Betrages von 26.000,00 Euro Ansprüche der Verletzten entgegenstehen". 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten T. und Y. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten T. und Y. werden verworfen. 4. Die Revision des Angeklagten I. wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten T. und Y. sowie den nicht Revision führenden Mitangeklagten M. des schweren Raubes und die Angeklagten I. sowie Ye. der Beihilfe zum schweren Raub schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten T. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten, den Angeklagten Y. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten und den Angeklagten I. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten - bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung - verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass "der Anordnung des Verfalls bzw. des Verfalls des Wertersatzes des aus der Tat erlangten Betrages von 26.000,00 Euro Ansprüche der Verletzten entgegenstehen". Gegen ihre Verurteilungen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten T. , Y. und I. ; der Angeklagte I. beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel der Angeklagten T. und Y. haben hinsichtlich des Ausspruchs gemäß § 111i Abs. 2 StPO Erfolg; insofern ist die Aufhebung des Urteils auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken. Im Übrigen sind diese Revisionen unbegründet. Das Rechtsmittel des Angeklagten I. hat insgesamt keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen planten die Angeklagten T. , Y. und M. , im "Café " in Hagen, in dem - wie sie wussten - dem illegalen Glücksspiel nachgegangen wurde, einen Überfall zu begehen. Die Angeklagten I. und Ye. beteiligten sich an der Planung, indem sie ihre Orts- und Personenkenntnisse einbrachten. Hierfür sollten sie - wie auch die den Überfall unmittelbar ausführenden Angeklagten T. , Y. und M. - einen Anteil an der Beute erhalten.
3
Entsprechend dem gemeinsamen Plan betraten die Angeklagten T. , Y. und M. am 24. Januar 2009 nach 3.45 Uhr das Café. Der Angeklagte Y. , der eine Schusswaffe oder einen einer Schusswaffe täuschend ähnlich sehenden Gegenstand in der Hand hielt, rief "Überfall" und forderte die vier anwesenden Personen auf, sich auf den Boden zu legen. Anschließend durchsuchten die Angeklagten T. und M. die am Boden Liegenden und nahmen einem Gast 22.000 €, einem anderen 3.500 € und dem Betreiber des Ca- fés 500 € ab. Sodann verließen sie das Café, trafen sich mit dem Angeklagten Ye. und fuhren gemeinsam nach Köln und Duisburg.
4
Ob und gegebenenfalls wie die Angeklagten das erbeutete Geld im Einzelnen untereinander aufgeteilt haben, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen. Sie geht jedoch davon aus, dass der Angeklagte T. aus der Beute mindestens einen Betrag von 5.500 Euro erhalten hat.
5
2. Die Strafkammer hat gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz wegen der Ansprüche der Verletzten abgesehen. Hierzu hat sie in den Urteilsgründen ausgeführt (UA 48): Nach Würdigung der Kammer wäre ohne die Ansprüche der Geschädigten ein Verfall von Wertersatz nach §§ 73 Abs. 1 S. 1, 73a S. 1 StGB in Betracht gekommen, und zwar nicht nur gegenüber den Angeklagten T. und M. hinsichtlich der Beträge, die sie jeweils eigenhändig den verschiedenen Geschädigten abnahmen und über die sie somit - jedenfalls vorübergehend - die faktische Verfügungsgewalt ausübten. Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass nach einer wertenden Gesamtbetrachtung zumindest die den Überfall ausführenden drei Angeklagten Mitverfügungsgewalt an der erbeuteten Summe hatten: Sie waren während der Wegnahme gemeinschaftlich vor Ort, führten die Tat im unmittelbaren Zusammenwirken gemeinsam aus und wollten die erbeutete Summe sodann aufteilen.
6
3. Auf die lediglich mit nicht ausgeführten Rügen begründeten Revisionen der Angeklagten I. , T. und Y. hin beantragte der Generalbundesanwalt Termin zur Hauptverhandlung zu bestimmen. Er hat Bedenken gegen die vom Landgericht nach § 111i Abs. 2 StPO getroffene Entscheidung und meint unter anderem, dass es sachgerecht sei, Mittäter nicht als Gesamtschuldner , sondern nur in Höhe des von ihnen jeweils selbst erlangten Betrags - den er mit 5.500 € angibt - haften zu lassen. Zudem enthalte das Urteil keine konkreten Feststellungen zur Mitverfügungsgewalt aller Mittäter an der (Gesamt -)Beute; auch sei § 73c StGB nicht erörtert.

II.


7
Die Rechtsmittel der Angeklagten T. und Y. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen die Schuld- und Strafaussprüche richten. Hinsichtlich der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO haben sie dagegen Erfolg. Diese Feststellung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil die Strafkammer § 73c Abs. 1 StGB nicht bedacht hat. Die aus diesem Grund gebotene Aufhebung des Urteils zugunsten der Angeklagten T. und Y. ist gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten M. zu erstrecken.
8
Will der Tatrichter eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO treffen, so hat er nicht nur das Erlangte (§ 111i Abs. 2 Satz 2 StPO) bzw. den Geldbetrag, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 111i Abs. 2 Satz 3 StPO), zu ermitteln, sondern - im Falle einer schon im Urteilszeitpunkt feststehenden Abweichung - auch den Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag zu benennen, den der Staat unter den Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt. Diesen dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegenden Vermögenswert muss der Tatrichter im Urteilstenor bezeichnen. Bei der Bestimmung des Vermögensgegenstandes bzw. Zahlungsanspruchs, der dem Staat unter den Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO zufällt, ist bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern von deren gesamtschuldnerischer Haftung auszugehen, wenn und soweit sie zumindest Mitverfügungsmacht an dem aus der Tat erzielten Vermögenswert hatten. Zudem ist § 73c Abs. 1 StGB zu beachten. Diese Vorschrift ist auch in den Fällen der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Täter und/oder Teilnehmer anwendbar ; sie kann zur Folge haben, dass gegen sie - auch in verschiedenen Urteilen - in Bezug auf den dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegenden Vermögenswert unterschiedlich hohe Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen werden, für die sie - entsprechend "ihrer" Feststellung - als Gesamt- und teilweise auch als Alleinschuldner in Anspruch genommen oder betroffen werden.
9
1. Der Tatrichter hat, sofern er eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO trifft, das aus der Tat Erlangte bzw. den Geldbetrag, der dem Wert des Erlangten entspricht, zu ermitteln und im Urteil zu bezeichnen.
10
Diese Verpflichtung folgt unmittelbar aus § 111i Abs. 2 Sätze 2, 3 StPO. Dabei ist - wie sich schon aus den übereinstimmend verwendeten Formulierungen ergibt - das "Erlangte" bzw. der "Geldbetrag, der dem Wert des Erlangten entspricht", in demselben Sinn zu verstehen wie in § 73 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 73a Satz 1 StGB. Auch die Regelung in § 111i Abs. 2 Satz 4 StPO, mit der bestimmt wird, welche Abzüge vom Erlangten bzw. dem entsprechenden Geldbetrag vorgenommen werden dürfen, belegt, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass das Erlangte ungeschmälert und in voller Höhe - mithin wie nach §§ 73, 73a StGB ermittelt - anzugeben ist (vgl. auch BT-Drucks. 16/700 S. 16).
11
Die Bezeichnung des in diesem Sinn Erlangten bzw. des entsprechenden Geldbetrages im Urteilstenor ist indes nur in den Fällen unerlässlich, in denen dieser Vermögenswert unverändert dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegen kann, sich Abweichungen also lediglich aus § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO ergeben können.
12
2. Der Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, kann jedoch schon im Zeitpunkt des Urteils vom Erlangten oder dem Geldbetrag, der dem Wert des Erlangten entspricht, abweichen. In einem solchen Fall muss (allein) dieser Vermögensgegenstand oder Geldbetrag im Tenor des Urteils bezeichnet werden.
13
a) Eine solche Abweichung kann sich schon aus § 111i Abs. 2 Satz 4 StPO ergeben, nach dem beispielsweise eine (teilweise) Befriedigung des Verletzten vom Erlangten bzw. dessen Wert "in Abzug zu bringen" ist und allein der dann noch verbleibende Vermögenswert dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegt.
14
Daneben kann eine Minderung des Erlangten bzw. des entsprechenden Geldbetrags aber auch auf der Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB beruhen.
15
Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2010 - 2 StR 254/10; vom 18. Dezember 2008 - 3 StR 460/08, wistra 2009, 241, 242; vom 7. September 2010 - 4 StR 393/10). Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus (BT-Drucks. 16/700 S. 16: "Die fakultative Ausgestaltung [des § 111i Abs. 2 StPO] trägt zudem der Beachtung der Härtefallregelung des § 73c StGB Rechnung" ). Die Anwendbarkeit von § 73c StGB in Zusammenhang mit der Feststel- lung gemäß § 111i Abs. 2 StPO steht aber auch in Einklang mit dem Wortlaut dieser Vorschrift. Denn nach § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO ist die Feststellung, dass Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB dem Verfall entgegenstehen, auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen "lediglich" aus diesem Grund nicht auf den Verfall erkannt wird. Steht indes schon oder auch die Anwendung der Härtefallregelung des § 73c Abs. 1 StGB dem Verfall entgegen, so beruht dessen (teilweise) Nicht-Anordnung nicht "lediglich" auf den entgegenstehenden Ansprüchen Verletzter. Die Erwägung des Gesetzgebers , dass das Gericht nicht "nur teilweise Feststellungen nach Absatz 2 treffen, also etwa nach seinem Ermessen Abschläge der Höhe nach vornehmen kann, weil dies die Interessen Verletzter in unangemessener Weise beeinträchtigen würde" (BT-Drucks. 16/700 S. 16), ist deshalb - wie auch der unmittelbar voranstehende Hinweis auf § 73c StGB zeigt - ersichtlich darauf bezogen, dass das Gericht von dem Vermögenswert, der "lediglich" wegen Ansprüchen Verletzter nicht dem Verfall unterliegt, keine (weiteren) Abschläge nach seinem Ermessen vornehmen darf. Zudem ist - zumal berechtigte Interessen des Verletzten hiervon nicht berührt werden - eine sachliche Rechtfertigung dafür nicht erkennbar, den oder die vom Verfall betroffenen Angeklagten im Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 73c Abs. 1 StGB danach unterschiedlich zu behandeln, ob der Verfall und seine Wirkungen unmittelbar mit Rechtskraft des Urteils eintreten oder sich der (Auffang-)Rechtserwerb des Staates erst nach Ablauf von drei Jahren vollzieht.
16
b) Sofern der Vermögenswert, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt , schon nach dem Ergebnis der tatrichterlichen Hauptverhandlung vom Erlangten bzw. dem Geldbetrag, der dem Wert des Erlangten entspricht, abweicht , muss (allein) er im Urteilstenor bezeichnet werden.

17
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2010 (2 StR 524/09, NJW 2010, 1685, 1686) dargelegt, dass die materiell-rechtliche Grundlage für den eventuellen späteren Auffangrechtserwerb aus dem Urteilstenor erkennbar sein soll. Dies erfordert die Angabe des von dem Auffangrechtserwerb gegebenenfalls betroffenen Vermögenswerts. Dementsprechend ist auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, "dass das Gericht im Rahmen der [nach § 111i Abs. 2 StPO] zu treffenden Feststellung die einzelnen 'Verfallsgegenstände' bezeichnen muss … [bzw.] den Betrag anzugeben [hat], der dem 'Wertersatzverfall' entspricht" (BT-Drucks. 16/700 S. 16); hiermit "gibt es den Rahmen des möglichen späteren Auffangrechtserwerbs vor" (BT-Drucks. aaO S. 15).
18
3. Bei der Feststellung des dem Auffangrechtserwerb des Staates gemäß § 111i Abs. 5 StPO unterliegenden Vermögenswerts ist bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern, auch wenn die Feststellungen in verschiedenen Urteilen getroffen werden, von deren gesamtschuldnerischer Haftung auszugehen , wenn und soweit sie zumindest Mitverfügungsmacht an dem aus der Tat erzielten Vermögenswert hatten. Mit einer solchen Haftung mehrerer als Gesamtschuldner verbundene Härten können aber - für jeden Mittäter oder Teilnehmer gesondert - durch die Anwendung von § 73c StGB ausgeglichen werden.
19
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert aus der Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist (BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246; vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09), er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche ) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68; Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 4 StR 437/08, NStZ 2010, 85; Urteil vom 4. Februar 2009 - 2 StR 504/08, JZ 2009, 1124 m. Anm. Rönnau m.w.N.). Bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2008 - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565, 566; vom 27. Mai 2008 - 3 StR 50/08, NStZ 2008, 623; vom 30. Mai 2008 - 2 StR 174/08, NStZ-RR 2008, 287; Urteile vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256; vom 26. März 2009 - 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87; Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - 4 StR 102/09, NStZ-RR 2009, 320; vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, StraFo 2010, 257). Unerheblich ist dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat, ob also der aus der Tat zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse gemindert wurde (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68, 72; vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 252; vom 4. Februar 2009 - 2 StR 504/08, JZ 2009, 1124, 1125 m. Anm. Rönnau).
20
An dieser - von der herrschenden Lehre geteilten (vgl. LK-Schmidt, StGB, 12. Aufl., § 73 Rn. 29, 32; MünchKomm StGB/Jaecks, § 73 Rn. 32; SSWStGB /Burghart, § 73 Rn. 15; Eser in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 73 Rn. 15) - Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 14. Juni 2004 - 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 382; vom 3. Mai 2005 - 2 BvR 1378/04, BVerfGK 5, 217, 221; vom 29. Mai 2006 - 2 BvR 820/06, BVerfGK 8, 143, 147).

21
b) Bereits auf dieser Grundlage ist bei der Anordnung von Verfall oder Verfall von Wertersatz bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern, die an demselben Vermögenswert unmittelbar aus der Tat (Mit-)Verfügungsmacht gewonnen haben, von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen, um zu ermöglichen , dass den Tätern oder Teilnehmern das aus der Tat Erlangte entzogen wird, aber zugleich zu verhindern, dass dies mehrfach erfolgt.
22
Eine solche gesamtschuldnerische Haftung entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 1. Juni 1995 - 1 StR 181/95; Urteil vom 4. Juni 1996 - 1 StR 235/96; Beschlüsse vom 13. November 1996 - 3 StR 482/96, NStZ-RR 1997, 262; vom 10. September 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; Urteil vom 29. April 2004 - 4 StR 586/03, NStZ 2005, 454, 455; Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 1 StR 344/05; Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 71; Beschlüsse vom 27. Mai 2008 - 3 StR 50/08, NStZ 2008, 623; vom 21. Oktober 2008 - 4 StR 437/08, NStZ 2010, 85; Urteil vom 26. März 2009 - 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87; Beschlüsse vom 12. Mai 2009 - 4 StR 102/09, NStZ-RR 2009, 320; vom 2. Juli 2009 - 3 StR 192/09; zu § 73 Abs. 3 StGB auch Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 253).
23
Auch der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Gerichte beim Verfall von Wertersatz gegen mehrere an der Tat Beteiligte "auch ohne ausdrückliche Vorschrift die gesamtschuldnerische Haftung der Beteiligten aussprechen werden" (BT-Drucks. IV/650 S. 245). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2004 - 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 382).
24
Die vom Generalbundesanwalt und Teilen des Schrifttums (etwa LKSchmidt aaO § 73 Rdn. 72; Rönnau JZ 2009, 1125, 1127; Spillecke NStZ 2010, 569 jeweils m.w.N.) gegen eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter und/oder Teilnehmer erhobenen Einwände teilt der Senat nicht. Jedoch lässt er dahingestellt, ob - wie in einigen Entscheidungen ausgeführt - eine gesamtschuldnerische Haftung zudem über eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft in Betracht kommt, wenn sich die Beteiligten (lediglich) darüber einig waren, dass sie Mitverfügungsmacht haben sollten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. September 2002 - 1 StR 281/02, NStZ 2003, 198, 199; vom 13. Dezember 2006 - 4 StR 421/06, NStZ-RR 2007, 121; vom 21. Oktober 2008 - 4 StR 437/08, NStZ 2010, 85; vom 27. April 2010 - 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568 m. Anm. Spillecke).
25
Nach dem Willen des Gesetzgebers dienen die Vorschriften der §§ 73 ff. StGB der Abschöpfung deliktisch erzielter Vermögensvorteile; dem Täter soll nicht das belassen werden, was er aus der Tat unrechtmäßig erlangt hat, da dies als Anreiz für die Begehung weiterer entgelt- und gewinneinbringender Straftaten wirken kann (vgl. BT-Drucks. 16/700 S. 1; BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 16 m.w.N.). Das Ziel einer effektiven Gewinnabschöpfung (vgl. Sotiriadis, Die Entwicklung der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche, 2010, dort z.B. S. 464, 468, 472 f.) würde indes ohne eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Täter und/oder Teilnehmer für die von ihnen aus der Tat zumindest im Sinne einer Mitverfügungsmacht erlangten Vermögenswerte verfehlt werden. Denn Mittäter könnten "die Verfallerklärung gegen jeden von ihnen [schon] dadurch vereiteln, dass sie Angaben darüber verweigern, in welchem Verhältnis sie die Bestechungsgelder untereinander aufgeteilt haben", wenn der Tatrichter verpflichtet wäre, den Verfall oder den Verfall von Wertersatz auf den Beuteanteil zu be- schränken, den der jeweilige Mittäter letztlich erwiesenermaßen erhalten hat (so bereits BGH, Urteil vom 30. April 1957 - 1 StR 287/56, BGHSt 10, 237, 245; vgl. auch da Rosa NJW 2009, 1702, 1703).
26
Dem steht nicht entgegen, dass hierbei dem (Mit-)Täter mehr entzogen werden könnte, als er - nachdem er zunächst in größerem Umfang (Mit-)Verfügungsmacht hatte - letztlich als seinen Anteil an der Tatbeute "erlangt" hat. Nach der Rechtsprechung ist der Verfall keine Strafe (BVerfG, Beschlüsse vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 14 f., 16, 19; vom 14. Juni 2004 - 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 381; ferner BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 67), sondern weist dem Täter oder Teilnehmer - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - "wirtschaftliche Verlustrisiken" zu (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 21). Diese werden indes dadurch verringert, dass ihm die Durchführung eines Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB mit den weiteren Mittätern oder Teilnehmern offensteht. Zur Erreichung des Präventionszwecks der §§ 73 ff. StGB ist es gerechtfertigt, diesen Innenausgleich den Tatbeteiligten zu überlassen und hinzunehmen, dass zuvor einzelnen von ihnen mehr entzogen wird, als sie letztlich erlangt haben (SSW-StGB/Burghart, § 73 Rn. 41; da Rosa NJW 2009, 1702, 1705 f.).
27
Mit der gesamtschuldnerischen Haftung von Mittätern und/oder Teilnehmern ist zudem gewährleistet, dass der Staat den Gesamtanspruch nur einmal erhält. Dem muss im Rahmen der Anwendung der §§ 111b ff. StPO Rechnung getragen werden (vgl. dazu etwa da Rosa NJW 2009, 1702, 1703 ff.; Podolsky/Brenner, Vermögensabschöpfung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren , 2010, S. 44). Gerade der Zusammenhang zwischen §§ 73 ff. StGB und §§ 111b ff. StPO legt die gesamtschuldnerische Haftung nahe. Denn die Vorschriften der §§ 111b ff. StPO bezwecken auch den Schutz des Opfers (BT-Drucks. 16/700 S. 1; Sotiriadis aaO S. 466), dessen Zugriffsmöglichkeiten nach diesen Vorschriften indes regelmäßig (zumindest auch) die ihm gegenüber bestehende gesamtschuldnerische Haftung der Täter und/oder Teilnehmer (§§ 830, 840 Abs. 1 BGB) zur Grundlage haben. Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber bei der hier in Frage stehenden Anordnung nach § 111i Abs. 2 StPO verhindern wollte, dass - etwa dem Vorschlag des Generalbundesanwalts im vorliegenden Fall folgend, die Mittäter jeweils nur in Höhe von 5.500 € zu belasten - der Tatrichter "nach seinem Ermessen Abschläge der Höhe nach … [vornimmt], weil dies die Interessen Verletzter in unangemessener Weise beeinträchtigen würde" (BT-Drucks. 16/700 S. 16).
28
Vor diesem Hintergrund steht der Annahme einer gesamtschuldnerischen Haftung die nach Einführung des Bruttoprinzips ohnehin zweifelhafte (vgl. Sotiriadis aaO S. 166 ff.) Anknüpfung an die "Sichtweise des zivilrechtlichen Bereicherungsrechts" (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 20 ff.) nicht entgegen, bei dem eine gesamtschuldnerische Haftung jedenfalls im Anwendungsbereich des § 812 BGB grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 309 m.w.N.).
29
c) Jedoch können auch bei Haftung mehrerer als Gesamtschuldner etwaige Härten durch die Anwendung von § 73c StGB ausgeglichen werden.
30
§ 73c StGB ist - wie oben ausgeführt - im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Feststellung, welcher Vermögenswert dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegt, anwendbar. Dies kann - abhängig insbesondere von den jeweiligen persönlichen Verhältnissen der Tatbeteiligten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - 3 StR 460/08, wistra 2009, 241, 242) zur Folge haben, dass bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern unterschiedlich hohe Vermögenswerte gemäß § 111i Abs. 2 StPO festzustellen sind. Zudem entspricht es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass "Mittelabflüsse" - etwa durch eine Beuteteilung - im Rahmen der Prüfung der Härtevorschrift des § 73c StGB von Bedeutung sein können (BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68, 72; Beschluss vom 10. Januar 2008 - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565, 566), dass also die Weitergabe des zunächst Erlangten bei § 73c StGB Berücksichtigung finden kann, wenn kein - ausreichendes - Vermögen mehr vorhanden ist oder eine Verfallsanordnung eine unbillige Härte wäre (BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 127/03). Nichts anderes gilt im Fall einer Haftung mehrerer Täter und/oder Teilnehmer als Gesamtschuldner.
31
4. Auf dieser Grundlage begegnet es zwar an sich keinen Bedenken, dass das Landgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO das von den Angeklagten T. , Y. und M. aus der Tat Erlangte mit insgesamt 26.000 € festgestellt hat. Insofern hat der Senat - anders als der Generalbundesanwalt - insbesondere keine Bedenken gegen die Annahme, diese die Tat unmittelbar ausführenden Angeklagten hätten noch am Tatort an der gesamten Beute (Mit-)Verfügungsmacht erlangt. Der Senat entnimmt jedoch den Ausführungen der Strafkammer, dass sie mit dieser Feststellung nicht (nur) das von diesen Angeklagten Erlangte, sondern den Betrag bezeichnen wollte, der bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO dem Auffang- rechtserwerb des Staates unterliegt. Die hierbei schon angesichts der festgestellten persönlichen Verhältnisse dieser Angeklagten gebotene Prüfung des § 73c StGB hat das Landgericht indes unterlassen und "allein" wegen der Ansprüche der Verletzten auf die Anordnung des Verfalls verzichtet (UA 48). Der Senat hebt deshalb diese Entscheidung insgesamt auf. Einer Aufhebung der ihr zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es dagegen nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen wurden; Ergänzungen - etwa zur weiteren Entwicklung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten - sind hierzu zulässig.
32
Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung des Urteils auf den nicht Revision führenden Mitangeklagten M. zu erstrecken, denn auch bei ihm beruht die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO auf dem oben aufgezeigten sachlich -rechtlichen Mangel. Dem steht nicht entgegen, dass die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) oder aufgrund einer Ermessensentscheidung (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB) von der Anordnung des Verfalls abzusehen ist, auf individuellen Erwägungen beruht, deren Beantwortung ganz wesentlich von den persönlichen Verhältnissen des jeweils Betroffenen abhängt (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 - 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565, 567). Denn der Rechtsfehler liegt vorliegend schon darin, dass die Strafkammer ersichtlich von der (grundsätzlichen) Unanwendbarkeit des § 73c StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Feststellung ausgegangen ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - 3 StR 112/10, NStZ 2010, 568, 569 m. Anm. Spillecke).
33
5. Für das weitere Verfahren und im Hinblick auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 1. Juni 2010 (dort S. 7, 8) weist der Senat auf Folgendes hin:
34
Bei einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO gegen nur einen Teil der Angeklagten oder gegen mehrere Angeklagte in unterschiedlicher Höhe ist es geboten, im Urteilstenor die von der Feststellung betroffenen Angeklagten und - ihnen zugeordnet - den oder die Vermögenswerte zu bezeichnen, die gemäß § 111i Abs. 5 StPO dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegen können. Dies kann - bei unterschiedlich hohen Beträgen - etwa wie folgt formuliert werden: "Es wird festgestellt, dass gegen den Angeklagten … wegen eines Geldbetrages in Höhe von …, gegen den Angeklagten … wegen eines Geldbetrages in Höhe von … und gegen den Angeklagten … wegen eines Geldbetrages in Höhe von … lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen."
35
Eine nähere Bezeichnung des oder der Verletzten und der ihnen zustehenden Ansprüche ist im Urteilstenor dagegen nicht geboten (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 111i Rn. 9 m.w.N.). Auch die Kennzeichnung der Haftung des oder der Angeklagten als Gesamtschuldner muss nicht in den Urteilstenor aufgenommen werden, um den Urteilstenor von allem freizuhalten, was nicht unmittelbar der Erfüllung seiner Aufgaben dient (Meyer-Goßner aaO § 260 Rn. 20 m.w.N.). Insofern genügt vielmehr - auch bei gesamtschuldnerischer Haftung mit in anderen Verfahren oder noch nicht abgeurteilten Mittätern oder Teilnehmern -, dass sich diese (soweit möglich) aus den Urteilsgründen ergibt. Denn in den Fällen der gesamtschuldnerischen Haftung kann erst das nach § 111i Abs. 6 StPO zur Entscheidung berufene Gericht einen Vermögenszuwachs auf Seiten des Staates verhindern, der das von den Tätern und Teilnehmer Erlangte übersteigt, und beurteilen, ob und gegebenenfalls welche (möglicherweise erst später bekannt gewordenen) Gesamtschuldner in welcher Höhe haften und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Verletzte - etwa durch Leistungen eines anderen Gesamtschuldners - im Sinne des § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO befriedigt wurde.
36
Ausführungen zu durchgeführten und/oder aufrecht erhaltenen Arrestund Vollstreckungsmaßnahmen sind dagegen auch in den Urteilsgründen regelmäßig entbehrlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, StraFo 2010, 257; vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09, NJW 2010, 1685, 1686).

III.


37
Die Revision des Angeklagten I. ist insgesamt unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Er ist - wie auch der Mitangeklagte Ye. - von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO nicht betroffen, da sich diese ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils allein auf die Mittäter, nicht aber die Gehilfen des Raubes bezieht.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.