Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 3 StR 49/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR49.16.0
bei uns veröffentlicht am20.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 49/16
vom
20. September 2016
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Beihilfe zum Mord durch Dienst im Konzentrationslager Auschwitz
BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16 - LG Lüneburg
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:200916B3STR49.16.0


wegen Beihilfe zum Mord
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. September 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 15. Juli 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den nicht revidierenden Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte hatte sich im Oktober 1940 als "überzeugter Nationalsozialist" freiwillig zur SS gemeldet, um dieser aus seiner damaligen Sicht "ruhmreichen Elite-Kaste" anzugehören. Da er nicht den an der Front kämpfenden Truppen der SS zugewiesen werden wollte, war er seinem Wunsch entspre- chend zunächst in verschiedenen Besoldungsstellen der SS als "Zahlmeister" eingesetzt worden. Im September 1942 wurde er schließlich im Rang eines "SS-Sturmmannes" zum Konzentrationslager Auschwitz versetzt, um dort bei der Realisierung der "Aktion Reinhard" mitzuwirken.
4
Diese nach dem Leiter des "Reichssicherheitshauptamtes" Reinhard Heydrich benannte Aktion war Teil der Umsetzung der spätestens Anfang 1942 von den nationalsozialistischen Machthabern beschlossenen "Endlösung der Judenfrage" durch systematische Tötung aller europäischen Juden im deutschen Einflussbereich und richtete sich gegen die jüdische Bevölkerung im besetzten Polen sowie der Ukraine. Die dort lebenden Juden sollten ausnahmslos deportiert und in den von der SS geleiteten sowie betriebenen Konzentrationsund Vernichtungslagern getötet werden, entweder unmittelbar nach ihrer Deportation oder im Wege der "Vernichtung durch Arbeit". Diesem Zweck dienten insbesondere die in Belzec, Treblinka und Sobibor errichteten Vernichtungslager sowie das Konzentrationslager Auschwitz.
5
Das Konzentrationslager Auschwitz war zunächst in einem Komplex ehemaliger Kasernengebäude errichtet worden (sog. Stammlager bzw. "Auschwitz I"). Das "Stammlager" bestand aus dem sog. Schutzhaftlager sowie Verwaltungsgebäuden, in denen unter anderem die sog. Häftlingseigentumsverwaltung und - als deren Unterabteilung - die "Häftlingsgeldverwaltung" ihren Sitz hatten. Es war bereits ab Oktober 1941 durch einen weitaus größeren Lagerkomplex in dem etwa drei Kilometer entfernten Dorf Birkenau erweitert worden ("Auschwitz II"). Im Rahmen der "Aktion Reinhard" wurde um die Jahreswende 1942/43 das Lager Auschwitz-Birkenau endgültig zum Vernichtungslager umfunktioniert, indem neben den anfangs in zwei ehemaligen Bauernhäusern provisorisch eingerichteten Gaskammern vier große Gaskammern mit an- geschlossenen Krematorien gebaut wurden, die im Laufe des Jahres 1943 in Betrieb genommen wurden, sodass schließlich pro Tag bis zu 5.000 Menschen getötet und verbrannt werden konnten.
6
Anfang März 1944 begann die SS damit, nach dem Vorbild der "Aktion Reinhard" die Vernichtung der in Ungarn lebenden jüdischen Bevölkerung (sog. Ungarn-Aktion) einzuleiten. Nachdem eine als "Kommando Eichmann" bezeichnete Gruppe von SS-Angehörigen bereits am 10. März 1944 speziell für die Vorbereitung dieses Vorhabens nach Ungarn gereist war, wurden die dort lebenden Juden nach der Besetzung Ungarns durch deutsche Truppen am 19. März 1944 in Ghettos zusammengetrieben und schließlich in der Zeit vom 16. Mai bis zum 11. Juli 1944 mit Zügen nach Auschwitz deportiert, um dort in gleicher Weise systematisch getötet zu werden wie die zuvor von der "Aktion Reinhard" betroffenen Juden.
7
In Auschwitz-Birkenau hatte die SS die "Ungarn-Aktion" dadurch vorbereitet , dass ein neues Bahnanschlussgleis verlegt worden war, das im Gegensatz zu dem früher genutzten (sog. alte Rampe) innerhalb des Lagers endete und sich dort in drei Gleise auffächerte (sog. neue Rampe). Infolgedessen konnten die Züge mit den Deportierten nur wenige hundert Meter von den Gaskammern entfernt "entladen" werden. Im Übrigen entsprachen die Abläufe im Rahmen der "Ungarn-Aktion" denjenigen bei der "Aktion Reinhard":
8
Die für die "Abwicklung" eines Transports eingeteilten Lagerangehörigen trieben die Deportierten aus den Waggons heraus und wiesen sie an, ihr Gepäck auf der Rampe stehen zu lassen. Um ihre Arglosigkeit aufrechtzuerhalten, teilten sie ihnen wahrheitswidrig mit, dass ihnen das Gepäck nachgebracht werde. Sodann trennte man die Deportierten nach Geschlechtern und trieb sie einem SS-Lagerarzt zu, der die sog. Selektion vornahm, indem er nach dem äußeren Eindruck und kurzer Befragung (insbesondere zu Alter und Beruf) darüber entschied, wer als "arbeitsfähig" oder "nicht arbeitsfähig" anzusehen sei. Die "Arbeitsfähigen" wurden in das Lager eingewiesen und anschließend zur Zwangsarbeit eingesetzt, um auf diese Weise der "Vernichtung durch Arbeit" zugeführt zu werden, alle anderen - durchschnittlich jeweils etwa 80 bis 90 Prozent - wurden direkt zu den Gaskammern geleitet. SS-Angehörige erklärten ihnen wahrheitswidrig, dass es "zum Duschen" gehe. Unmittelbar vor den Gaskammern befand sich ein Raum, der wie ein Umkleideraum gestaltet war. Dort wiesen die SS-Angehörigen die Deportierten an, sich vollständig zu entkleiden. Sie forderten diese - wiederum in der Absicht, ihre Arglosigkeit so lange wie möglich aufrechtzuerhalten - auf, sich die Stelle, an der sie ihre Kleidung abgelegt hatten, genau zu merken, damit sie ihre Sachen "nach dem Duschen" wiederfänden. Anschließend trieben sie sie in die Gaskammern, wo sie mittels des Schädlingsbekämpfungsmittels "Zyklon B" (Cyanwasserstoff, "Blausäure") qualvoll getötet wurden.
9
Im Verlauf der "Ungarn-Aktion" kamen 141 Züge mit rund 430.000 aus Ungarn deportierten Menschen in Auschwitz an. Weil die zur sofortigen Tötung bestimmten Opfer dort nicht registriert wurden, konnte das Landgericht deren genaue Zahl nicht feststellen; zugunsten des Angeklagten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass zumindest 300.000 der Deportierten sofort getötet wurden.
10
Das auf der Rampe zurückgelassene Gepäck der Deportierten entfernten sogenannte "Funktionshäftlinge" jeweils vor dem Eintreffen des nächsten Transportzuges und durchsuchten es nach Geld sowie Wertgegenständen. Beides brachten sie zwecks weiterer Verwertung zur "Häftlingseigentumsverwaltung".
11
Dem Angeklagten war nach seiner Versetzung zum Konzentrationslager Auschwitz eine Stelle in der "Häftlingsgeldverwaltung" zugewiesen worden. Er war zwischenzeitlich zum "SS-Unterscharführer" befördert worden und in die "Ungarn-Aktion" in gleicher Weise eingebunden wie in die "Aktion Reinhard". So versah er während der "Ungarn-Aktion" an mindestens drei nicht mehr näher feststellbaren Tagen - uniformiert und mit einer Pistole bewaffnet - den sog. Rampendienst an der "neuen Rampe". Dabei hatte er in erster Linie die Aufgabe , während der Entladung der in Auschwitz ankommenden Züge das auf der Rampe abgestellte Gepäck zu bewachen und Diebstähle zu verhindern. Diebstähle von SS-Angehörigen waren in Auschwitz zwar an der Tagesordnung, und die Taten wurden zumeist auch nicht verfolgt, weil den Tätern ein Teil der "Beute" stillschweigend zugestanden wurde, um die Moral der Truppe aufrechtzuerhalten. An der Rampe sollte jedoch unbedingt verhindert werden, dass das Gepäck - vor den Augen der Deportierten - geöffnet, durchsucht und geplündert wurde, um deren für den weiteren Ablauf der Selektion und Vergasung für unerlässlich gehaltene Arglosigkeit nicht zu gefährden und Unruhe zu verhindern. Zugleich war der Angeklagte bei der Ausübung seiner "Rampendienste" auch Teil der Drohkulisse, die jeden Gedanken an Widerstand oder Flucht bereits im Keim ersticken sollte.
12
Neben den "Rampendiensten" hatte der Angeklagte im Rahmen seiner Tätigkeit in der "Häftlingsgeldverwaltung" die Aufgabe, das Geld der Deportierten nach Währungen zu sortieren, zu verbuchen, zu verwalten und nach Berlin zu transportieren. Dort lieferte er es in unregelmäßigen Abständen entweder bei dem "SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt" ab oder zahlte es unmittelbar auf ein Konto der SS bei der Reichsbank ein. Überdies oblag es dem Angeklagten während seiner Diensttätigkeit jederzeit, die Deportierten zu überwachen und Widerstand oder Fluchtversuche nötigenfalls mit Waffengewalt zu unterbinden.
13
Dem Angeklagten waren die Abläufe im Konzentrationslager Auschwitz schon seit seiner Beteiligung an der "Aktion Reinhard" in allen Einzelheiten bekannt. Er wusste insbesondere, dass die nach Auschwitz deportierten Juden dort massenweise unter bewusster Ausnutzung ihrer Arg- und Wehrlosigkeit qualvoll getötet wurden. Ihm war ebenfalls bewusst, dass er die in Auschwitz betriebene Tötungsmaschinerie durch seine Tätigkeiten unterstützte. Er nahm dies indes zumindest billigend in Kauf, um nicht zu den kämpfenden SSEinheiten an die Front versetzt zu werden.
14
II. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
15
III. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben.
16
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen (§§ 211, 27 StGB). Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Konzentrationslager Auschwitz während der "Ungarn-Aktion" mindestens 300.000 Menschen heimtückisch und grausam getötet wurden. Die Annahme der Strafkammer , wonach der Angeklagte zu allen diesen Taten Hilfe geleistet hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
17
1. Die rechtliche Bewertung der Handlungen des Angeklagten bemisst sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Danach gilt: Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist - bei Erfolgsdelikten - grundsätzlich jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410 mwN). Beihilfe kann schon im Vorbereitungsstadium der Tat geleistet werden (vgl. BGH, Urteile vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 115; vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 389, jeweils mwN), selbst zu einem Zeitpunkt, in dem der Haupttäter zur Tatbegehung noch nicht entschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 1952 - 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 345 f.; Beschluss vom 8. November 2011 - 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264); sie ist auch noch nach Vollendung der Tat bis zu deren Beendigung möglich (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1952 - 1 StR 316/51, BGHSt 3, 40, 43 f.; Beschluss vom 4. Februar 2016 - 1 StR 424/15, juris Rn. 13, jeweils mwN). Sie kommt auch in der Form sog. psychischer Beihilfe in Betracht, indem der Haupttäter ausdrücklich oder auch nur konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung, sei es auch schon in seinem Tatentschluss, bestärkt wird. Dies ist etwa der Fall, wenn dem Haupttäter Unterstützung bei der späteren Tatausführung oder der Verwertung der Tatbeute zugesagt wird (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. August 2002 - 4 StR 208/02, NStZ 2003, 32, 33; vom 1. Februar 2011 - 3 StR 432/10, NStZ 2011, 637).
18
Wird die Tat aus einem Personenzusammenschluss - etwa einer Bande oder einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung - heraus begangen, so kann sie dem einzelnen Banden- oder Vereinigungsmitglied nicht allein aufgrund der von ihm getroffenen Bandenabrede oder seiner Zugehörigkeit zu der Vereinigung als eigene zugerechnet werden; es ist vielmehr hinsichtlich jeder Tat nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, ob sich das betreffende Mitglied daran als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB), Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfe (§ 27 StGB) beteiligt bzw. gegebenenfalls insoweit überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet hat (st. Rspr.; vgl. etwa zur Bande: BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267; vom 24. Juli 2008 - 3 StR 243/08, StV 2008, 575; vom 1. Februar 2011 - 3 StR 432/10, NStZ 2011, 637; zur Vereinigung: BGH, Beschlüsse vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, NStZ 2010, 445, 447 f.; vom 7. Februar 2012 - 3 StR 335/11, NStZ-RR 2012, 256, 257).
19
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die strafrechtliche Bewertung von Handlungen in Rede steht, die im Rahmen von oder im Zusammenhang mit staatlich organisierten Massenverbrechen vorgenommen werden. Bei ihrer Anwendung dürfen jedoch die Besonderheiten nicht außer Betracht bleiben, die sich bei derartigen Delikten in tatsächlicher Hinsicht ergeben. Diese bestehen bei einer Tatserie wie dem systematischen Völkermord an den europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland darin, dass an jeder einzelnen bei dessen Verwirklichung begangenen Mordtat einerseits eine Vielzahl von Personen allein in politisch, verwaltungstechnisch oder militärischhierarchisch verantwortlicher Position ohne eigenhändige Ausführung einer Tötungshandlung beteiligt war, andererseits aber auch eine Mehrzahl von Personen in Befolgung hoheitlicher Anordnungen und im Rahmen einer hierarchischen Befehlskette unmittelbar an der Durchführung der einzelnen Tötungen mitwirkte. Bei der rechtlichen Bewertung von Handlungen eines - wie hier - auf unterer Hierarchieebene und ohne eigene Tatherrschaft in die organisatorische Abwicklung des massenhaften Tötungsgeschehens eingebundenen Beteiligten muss daher in den Blick genommen werden, dass zu jeder einzelnen Mordtat Mittäter auf mehreren Ebenen in unterschiedlichsten Funktionen sowie mit verschiedensten Tathandlungen zusammenwirkten und daher zu prüfen ist, ob die Handlungen des allenfalls als Tatgehilfe in Betracht kommenden Beteiligten die Tathandlung zumindest eines der an dem Mord täterschaftlich Mitwirkenden im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB gefördert haben.
20
2. Daran gemessen hat das Landgericht die Tätigkeiten des Angeklagten im Konzentrationslager Auschwitz rechtsfehlerfrei als Beihilfe zu den dort im Rahmen der "Ungarn-Aktion" begangenen Morden gewertet, bei denen die Opfer unmittelbar nach Ankunft und "Selektion" in den Gaskammern getötet wurden.
21
a) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Opfer, bei deren Ankunft in Auschwitz-Birkenau der Angeklagte Rampendienste leistete. Insoweit bedarf es keiner näheren Erörterung, dass der Angeklagte den SS-Angehörigen, die durch die Selektion an der Rampe und die Ausführung der unmittelbaren Tötungshandlungen durch Einwerfen des "Zyklon B" in die Gaskammern täterschaftliche Mordtaten verübten, in ihrem Tun im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB Hilfe leistete, indem er einerseits durch die Bewachung des Gepäcks dazu beitrug , die Arglosigkeit der Angekommenen aufrechtzuerhalten, und andererseits als Teil der Drohkulisse dabei mitwirkte, jeden Gedanken an Widerstand oder Flucht bereits im Keim zu ersticken.
22
b) Aber auch bezüglich der Opfer, bei deren Eintreffen er keinen Rampendienst versah, hat sich der Angeklagte wegen Beihilfe zum Mord strafbar gemacht. Zwar ist insoweit nicht festgestellt, dass die an der "Selektion" beteiligten "Ärzte" oder die die Tötungen eigenhändig ausführenden SS-Männer in ihrem unmittelbaren Tun durch die allgemeine Dienstausübung des abwesenden Angeklagten physisch oder psychisch unterstützt worden wären. Indes hat das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgehoben, dass der Angeklagte durch seine allgemeine Dienstausübung in Auschwitz bereits den Füh- rungspersonen in Staat und SS Hilfe leistete, die im Frühjahr 1944 die "UngarnAktion" anordneten und in der Folge in leitender Funktion umsetzten bzw. umsetzen ließen (zur mittelbaren Täterschaft im Rahmen staatlicher Machtapparate vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 1994 - 5 StR 98/94, BGHSt 40, 218; vom 4. März 1996 - 5 StR 494/95, BGHSt 42, 65; vom 8. November 1999 - 5 StR 632/98, BGHSt 45, 270). Dies ergibt sich aus Folgendem:
23
Voraussetzung für die Anordnung und rasche Durchführung der Ermordung der aus Ungarn zu deportierenden Juden war das Bestehen eines organisierten Tötungsapparates, der auf der Basis seiner materiellen und personellen Ausstattung durch verwaltungstechnisch eingespielte Abläufe und quasi industriell ablaufende Mechanismen in der Lage war, in kürzester Zeit eine Vielzahl von Mordtaten umzusetzen. Zu diesem Tötungsapparat zählte das Konzentrationslager Auschwitz, insbesondere das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, mit dem dort für diese Zwecke diensttuenden Personal. Nur weil ihnen eine derart strukturierte und organisierte "industrielle Tötungsmaschinerie" mit willigen und gehorsamen Untergebenen zur Verfügung stand, waren die nationalsozialistischen Machthaber und die führenden SS-Funktionäre überhaupt in der Lage, die "Ungarn-Aktion" anzuordnen und in der geschehenen Form auch durchführen zu lassen. Ihr Tatentschluss und ihre Anordnungen zur Umsetzung der Aktion waren daher wesentlich durch diese Voraussetzungen bedingt und wurden hierdurch maßgeblich gefördert.
24
An dieser Tatförderung hatte der Angeklagte Anteil. Er war Teil des personellen Apparats, der schon zum Zeitpunkt des Befehls zur "Ungarn-Aktion" in Auschwitz Dienst tat. Er war in die Organisation der Massentötungen eingebunden , indem er nach Dienstplan Aufgaben beim Eintreffen der Opfer an der Rampe wahrnahm und es ihm unabhängig hiervon durchgehend oblag, die De- portierten zu überwachen sowie Widerstand oder Fluchtversuche mit Waffengewalt zu verhindern. Letztlich war er darüber hinaus in die Verwertung der Vermögenswerte der Opfer eingebunden, durch die - sei es auch erst nach Beendigung der jeweiligen Mordtat - die SS aus den massenhaften Verbrechen noch Profit zog. Dass diese Funktionen im Konzentrationslager Auschwitz von dort tätigen Angehörigen der SS ausgefüllt wurden, war den Verantwortlichen bei Anordnung der "Ungarn-Aktion" bekannt und war für ihren Tatentschluss sowie ihre entsprechenden Anordnungen und Befehle von grundlegender Bedeutung. Dass sie dabei den Angeklagten nicht persönlich kannten, ist rechtlich ohne Belang. Es genügt ihr Wissen, dass alle im Rahmen der Tötungsmaschinerie auszufüllenden Funktionen mit zuverlässigen, gehorsamen Untergebenen besetzt waren und dies eine reibungslose Umsetzung der "Ungarn-Aktion" garantierte.
25
All dies war nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auch dem Angeklagten bewusst und wurde von ihm zumindest billigend in Kauf genommen. Er war schon kurz nach seinem Dienstantritt in Auschwitz über das dortige Geschehen in vollem Umfang informiert. Er fügte sich dennoch in seinem Bestreben, nicht an die Front versetzt zu werden, in die Organisation des Lagers ein und führte alle ihm erteilten Befehle aus. Daher war ihm klar, dass er durch seine Dienstausübung im Zusammenwirken mit anderen die Voraussetzungen dafür schuf, dass die Verantwortlichen in Staat und SS jederzeit eine in Auschwitz zu exekutierende Vernichtungsaktion beschließen und anordnen konnten, weil auf die dortige Umsetzung ihrer verbrecherischen Befehle Verlass war. Mehr ist für die Annahme eines Gehilfenbeitrags zu allen dem Angeklagten im angefochtenen Urteil zugerechneten Mordtaten aus der "Ungarn-Aktion" in subjektiver Hinsicht nicht erforderlich.
26
3. Die unter 2. b) dargelegte Rechtsauffassung des Senats steht nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs.
27
Allerdings hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 20. Februar 1969 (2 StR 280/67; abgedruckt bei Rüter/de Mildt, Justiz und NS-Verbrechen, Nr. 595b, Bd. XXI, S. 838 ff.; teilweise auch in NJW 1969, 2056) in anderem rechtlichen Zusammenhang (konkurrenzrechtliche Beurteilung von massenhaften Tötungen in durch große Zeiträume getrennten, wesentlich voneinander unterschiedenen und auf unterschiedlichsten Beweggründen beruhenden Tatkomplexen) ausgeführt, dass sich nicht "jeder, der in das Vernichtungsprogramm des Konzentrationslagers Auschwitz eingegliedert" gewesen und dort "irgendwie anlässlich dieses Programms tätig" geworden sei, "objektiv an den Morden beteiligt" habe "und für alles Geschehene verantwortlich" sei (Unterstreichungen im Original). Denn dann wäre auch der Arzt, der zur Betreuung der Wachmannschaft bestellt war und sich streng auf diese Aufgabe beschränkt hat, der Beihilfe zum Mord schuldig. Das gälte sogar für den Arzt, der im Lager Häftlingskranke behandelt und sie gerettet hat. Nicht einmal wer an seiner Stelle dem Mordprogramm kleinere Hindernisse, wenn auch in untergeordneter Weise und ohne Erfolg, bereitet hätte, wäre straffrei (Rüter/de Mildt aaO, S. 882; NJW 1969, 2056 f.).
28
Dem ist hier indes nicht näher nachzugehen; denn der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich deutlich von den vom 2. Strafsenat beispielhaft dargestellten Fallgestaltungen. Dem Angeklagten wird nicht "alles" zugerechnet, was in Auschwitz geschah; vielmehr geht es um die Frage, ob und wie der Angeklagte für die im Rahmen des fest umgrenzten Komplexes der "Ungarn-Aktion" durchgeführten Mordtaten strafrechtlich verantwortlich ist. Auch wurde der Angeklagte nicht "irgendwie anlässlich des Vernichtungspro- gramms" tätig, sondern es sind konkrete Handlungsweisen des Angeklagten mit unmittelbarem Bezug zu dem organisierten Tötungsgeschehen in Auschwitz schon im Vorfeld, aber auch im Verlauf der "Ungarn-Aktion" festgestellt; diese sind rechtlich zu bewerten. Für derartige Sachverhalte sieht sich der Senat vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 2. Strafsenats (s. etwa Urteile vom 22. März 1967 - 2 StR 279/66, JZ 1967, 643 f.; vom 27. Oktober 1969 - 2 StR 636/68, juris Rn. 9 und 51 [insoweit in BGHSt 23, 123 nicht abgedruckt]), die dieser auch in seinem Urteil vom 20. Februar 1969 (Rüter/de Mildt aaO, S. 882; NJW 1969, 2056, 2057) nicht aufzugeben beabsichtigte.
29
4. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob die vom Landgericht vorgenommene Bewertung der Unterstützungshandlungen des Angeklagten als eine einheitliche Beihilfe zum Mord in 300.000 rechtlich zusammentreffenden Fällen (§ 52 StGB) zutreffend ist. Denn dass das Landgericht die Rampendienste des Angeklagten nicht als je tatmehrheitliche Beihilfehandlungen zum vielfachen Mord an den Opfern aus den entsprechenden Transporten bewertet hat, beschwert den Angeklagten hier jedenfalls nicht.
30
IV. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der Nebenkläger B. , O. , Le. , Ko. , L. , W. , K. , S. , R. und Lef. im Revisionsverfahren findet wegen der gleichfalls erfolglosen Revisionen dieser Nebenkläger nicht statt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 473 Rn. 10a).
Becker Schäfer Spaniol
Tiemann Berg

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(Völker-)Strafrecht: Psychische Beihilfe bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien

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(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

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(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 26 Anstiftung


Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Sept. 2016 - 3 StR 49/16 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).

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Referenzen

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 310/11
vom
8. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
zu 2.: Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 8. November
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24. März 2011, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten D. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen "schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung" zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagte L. hat es wegen "Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung" auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen richten sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten.
2
1. Die Revision der Angeklagten L. hat Erfolg.
3
a) Nach den Feststellungen übersandte die Angeklagte in den frühen Morgenstunden des 28. September 2010 ihrem Bekannten G. verschiedene Kurznachrichten auf sein Mobiltelefon, in denen sie ihn veranlasste, zu ihrer Wohnung zu kommen. Hintergrund waren Mutmaßungen, G. habe einen Amphetaminvorrat des nichtrevidierenden Mitangeklagten K. aus der Wohnung weggenommen.
4
Nach dem Eintreffen des G. kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen K. und G. , in deren Verlauf K. den G. beschuldigte , das Amphetamin gestohlen zu haben. K. verlangte eine "Entschädi- gung" von 1.000 €. Um dieser- von ihnen erkannt tatsächlich nicht bestehenden - Forderung Nachdruck zu verleihen, schlugen und traten K. und der Angeklagte D. den G. . D. stach dem G. mit einem Küchenmesser in den rechten Oberschenkel. Anschließend äußerte die Angeklagte mehrfach: "Komm, rück die Kohle schon raus", wobei sie wollte, dass G. - durch die körperlichen Misshandlungen, insbesondere den Messerstich, eingeschüchtert - eine "Entschädigung" zahle. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen überließ G. dem K. den Kraftfahrzeugbrief und die Schlüssel zu seinem Pkw.
5
Zum Gehilfenvorsatz hat das Landgericht festgestellt, die Angeklagte habe bei Versendung der Kurznachrichten gegen den G. "bzw. gegen des- sen körperliche Integrität und Vermögen" gerichtete vorsätzliche Haupttaten "der beiden im Vorfeld schon 'aufgestachelten'" K. und D. "konkret und nicht nur allgemein für möglich" gehalten. Dabei habe sie "einen entsprechenden Tatvorsatz bei den beiden bzw. dessen Förderung durch ihre Mitwirkung billigend in Kauf" genommen. Einen gemeinsamen Tatplan sämtlicher Angeklagter zu einer körperlichen Misshandlung des G. oder einen Entschluss , von ihm eine "Entschädigung" für das nicht auffindbare Amphetamin zu fordern, habe es zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht gegeben. Bei der Strafzumessung hat das Landgericht zugunsten sämtlicher Angeklagter - auch der Angeklagten L. - berücksichtigt, dass "die Tat nicht von vornherein geplant war, die 'Klärung' der Situation vielmehr spontan entglitten ist".
6
b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe (auch) zur gefährlichen Körperverletzung nicht.
7
aa) Soweit das Landgericht die Verurteilung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung auf die Übersendung von Kurznachrichten in den frühen Morgenstunden des 28. September 2010 gestützt hat, ergeben seine widersprüchlichen Feststellungen einen Gehilfenvorsatz nicht.
8
Zwar kann Beihilfe schon vor der Entschließung des Haupttäters zur Tat geleistet werden (BGH, Urteil vom 24. April 1952 - 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 345 f.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 38 a.E.). Auch genügt in subjektiver Hinsicht für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz, d.h. der Gehilfe muss seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen. Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400 mwN).
9
Hier sprechen indessen die Ausführungen des Landgerichts zu einem spontanen Entgleiten der Situation gegen ein billigendes Fürmöglichhalten der Haupttaten zum Nachteil des G. bei der Versendung der Kurznachrichten. Jedenfalls lassen die gegensätzlichen Feststellungen keinen sicheren Schluss auf den Gehilfenvorsatz der Angeklagten zu.
10
bb) Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung konnte die Angeklagte durch ihre Äußerungen in ihrer Wohnung nicht mehr leisten.
11
Nach den Feststellungen war die gefährliche Körperverletzung in beiden vom Landgericht ausgeurteilten Varianten (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) beendet , als sich die Angeklagte mit der Aufforderung, G. solle "die Kohle herausrücken" , in das Geschehen einschaltete. Für das, was schon vollständig abgeschlossen ist, vermag das nachträgliche Einverständnis die strafrechtliche Verantwortlichkeit aber nicht mehr zu begründen (BGH, Urteil vom 24. April 1952 - 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 346 f.; Beschluss vom 24. November1993 - 2 StR 606/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Beihilfe 1). Da die Gewaltanwendung mit der Körperverletzung bereits abgeschlossen war, konnte die Angeklagte mithin nur noch Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung, aber nicht mehr zur gefährlichen Körperverletzung leisten (vgl. LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 43 a.E.).
12
c) Für die neue Hauptverhandlung gegen die Angeklagte weist der Senat darauf hin, dass die Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB zwar nicht voraussetzt, dass die auf Unterstützung des Haupttäters gerichtete Handlung des Gehilfen sich auf die Begehung der Haupttat im Sinne der Bedingungsthe- orie kausal auswirkt. Ausreichend ist vielmehr, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung erleichtert oder fördert (BGH, Urteil vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; Urteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284). Eine solche Erleichterung oder Förderung der besonders schweren räuberischen Erpressung vermittels der Äußerungen der Angeklagten in ihrer Wohnung bedarf indessen einer ausdrücklichen Feststellung.
13
2. Die Revision des Angeklagten D. ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die unterlassene Anordnung nach § 64 StGB ist aufgrund der wirksamen Ausnahme vom Revisionsangriff nicht mehr Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362 ff.). Allerdings hat der gegenüber § 250 Abs. 1 StGB erhöhte Unrechtsgehalt der vom Angeklagten verwirklichten Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Urteilsformel zum Ausdruck zu kommen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - 3 StR 57/11 mwN). Der Senat hat den Urteilstenor deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ergänzt.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges
13
Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 2 StR 58/15, NStZRR 2015, 343, 344; Urteil vom 16. Januar 2008 - 2 StR 535/07, NStZ 2008, 284 mwN). Dies belegen die Feststellungen nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 432/10
vom
1. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchten schweren Bandendiebstahls u.a.
zu 2.: schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
1. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 14. Juli 2010, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch aa) hinsichtlich des Angeklagten S. , soweit er im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls und im Fall II. 4. der Urteilsgründe wegen Computerbetruges in drei Fällen verurteilt worden ist; bb) hinsichtlich des Angeklagten Sch. , soweit er im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls und im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist;
b) jeweils im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten S. wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, Computerbetruges in drei Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung dreier Urteile des Amtsgerichts Lüneburg eine Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verhängt. Gegen den Angeklagten Sch. hat es wegen schweren Bandendiebstahls sowie versuchten schweren Bandendiebstahls jeweils in zwei Fällen auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Beschwerdeführer der Sache nach allein die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der Schuldspruch gegen den Angeklagten S. hält in den Fällen II. 1. und 4., derjenige gegen den Angeklagten Sch. in den Fällen II. 1. und 3. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten S. und Sch. mit den gesondert Verfolgten N. und H. Ende 2009 / Anfang 2010 überein, ihre Einkommenssituation durch eine Vielzahl im Einzelnen noch unbestimmter Diebstähle dauerhaft zu verbessern. Die Taten sollten entsprechend ihren Fähigkeiten arbeitsteilig und unter wechselnder Mitwirkung der einzelnen Gruppenmitglieder sowie gegebenenfalls auch unter Beteiligung weiterer vertrauenswürdiger Personen begangen werden. Die Gruppe ging übereinstimmend davon aus, dass der Angeklagte Sch. als einziger von ihnen in der Lage war, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers ("Flex") zu öffnen, um so deren Inhalt zu erbeuten. Die Entscheidung über das "Wann" und "Wo" eines Einbruchs trafen N. und H. . Widersprüche aus der Gruppe setzten sich nicht durch; insbesondere gelegentliche Vorschläge des Angeklagten S. zu möglichen Tatobjekten wurden abgelehnt.
5
a) "Vor diesem Hintergrund" begaben sich die Angeklagten S. und Sch. im Fall II. 1. aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in ein Geschäft, um dort einzubrechen und möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu erlangen, wobei die erhoffte Beute in etwa hälftig geteilt werden sollte. Die Tat blieb ohne Erfolg; aufgrund der Störung durch einen Zeugen flüchteten die Angeklagten ohne Beute.
6
b) Im Fall II. 3. begaben sich N. und H. zu einer Grundschule, um dort möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu erlangen. Für den Fall, dass sich in der Schule ein Tresor befinden sollte, wollten sie auf die Hilfe des Angeklagten Sch. zurückgreifen, "der sich schon vor der Tat generell dazu bereit erklärt hatte, bei Einbruchsdiebstählen vorgefundene Tresore mit einer Flex aufzuschneiden".
7
N. und H. hebelten die Nebentür der Grundschule auf, brachen mehrere Türen innerhalb des Gebäudes auf und hebelten schließlich einen Tresorwürfel aus der Wand. Den Tresor verbrachten sie in die Kellerräume eines in einer anderen Stadt gelegenen Restaurants, in welchem der Angeklagte Sch. zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis hatte. Sodann baten N. und H. den Angeklagten Sch. telefonisch, in das Restaurant zu kommen und den Tresor zu öffnen. Entsprechend seiner zuvor gegebenen Zusage begab sich der Angeklagte Sch. in die Räumlichkeiten und flexte den Tresor auf. N. und H. entnahmen den Inhalt (u.a. ca. 280 € Bargeld und "eine EC-Karte" nebst dazugehöriger PIN), um ihn für sich zu behalten bzw. wirtschaftlich zu verwerten. Der Angeklagte Sch. erhielt für seine Tätigkeit einen Anteil an der Beute in Höhe von 100 €.
8
c) Nach den Feststellungen zu Fall II. 4. verschafften sich der Angeklagte S. und N. gemeinsam mit Hilfe der im Fall II. 3. in der Grundschule "erbeutenen EC-Karten" Bargeld, indem sie unter Verwendung "der EC-Karten und der ebenfalls erbeuteten PIN" von dem Konto der Schule am 1. Februar 2010 um 18:24 Uhr 500 € an einem Geldautomaten in einem Café in Hamburg und um 18:33 Uhr 200 € sowie um 18:43 Uhr weitere 100 € jeweils an demselben Geldautomaten eines Spielcenters in Hamburg abhoben. Dabei war dem Angeklagten S. und dem gesondert Verfolgten N. bewusst, dass die "eingesetzten EC-Karten" aus dem Einbruch in die Grundschule stammten. Sie gingen mit wechselnden Rollen dergestalt arbeitsteilig vor, dass einer von ihnen "die Karte" in den Automaten einführte und der andere ihm die PIN sagte oder diese in den Automaten eingab.
9
2. Die Feststellungen im Fall II. 1. tragen den Schuldspruch der Angeklagten S. und Sch. wegen versuchten schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 1. Alt., §§ 22, 23 Abs. 1 StGB nicht. Allein der Umstand, dass sich beide Angeklagten schon vor dieser gemeinsam begangenen Tat mit den gesondert Verfolgten N. und H. zu einer Bande mit dem Zweck der Begehung von Einbruchsdiebstählen zusammengeschlossen hatten, führt nicht ohne weiteres dazu, dass alle nachfolgenden Einbruchstaten eines Bandenmitglieds als bandenmäßig begangen einzustufen sind; dies gilt auch dann, wenn an der jeweiligen Tat ein weiteres Bandenmitglied beteiligt war. Zwar kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte Diebstahlstat als Bandentat zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbege- hung eingebunden sein (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, NStZ 2006, 342). Voraussetzung für die Annahme einer Bandentat nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB ist neben der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds aber, dass die Einzeltat Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der unmittelbar an dem Diebstahl beteiligten Bandenmitglieder ausgeführt wird (BGH aaO). Ein solcher konkreter Bezug der Tat im Fall II. 1. zu der vorangegangenen Bandenabrede lässt sich - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - den Feststellungen nicht entnehmen. Insbesondere bleibt offen, ob N. oder H. das Tatobjekt festgelegt hatten.
10
3. Die im Fall II. 3. getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Verurteilung des Angeklagten Sch. wegen schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 1. Alt. StGB nicht.
11
a) Die allgemeine, im Rahmen der Bandenabrede erteilte Zusage des Angeklagten Sch. , bei Einbruchsdiebstählen erbeutete Tresore zu öffnen, begründet nicht ohne weiteres seine Beteiligung an der ausgeführten Bandentat. Denn die Bandenabrede lässt die allgemeinen Regeln über die Tatbeteiligung unberührt, mithin sind Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandentaten unabhängig voneinander zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267).
12
Denkbar ist aufgrund der im Vorfeld getätigten allgemeinen Unterstützungszusage zunächst eine Strafbarkeit wegen (psychischer) Beihilfe, sofern das Versprechen des Angeklagten Sch. , Tresore zu öffnen, die tatausführenden gesondert Verfolgten N. und H. psychisch in ihrem Einbruchsvorhaben bestärkte, die Tathandlung oder den Erfolgseintritt mindestens erleichterte oder förderte und die subjektiven Voraussetzungen der Beihilfe bei dem Angeklagten Sch. vorlagen. Im Einzelfall können rein psychische Unterstützungshandlungen allerdings auch einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag begründen (BGH, Urteil vom 10. März 1961 - 4 StR 30/61, BGHSt 16, 12).
13
Ob die allgemeine Zusage des Tresoröffnens vorliegend die Voraussetzungen der Beihilfe oder sogar der Mittäterschaft erfüllt, kann der Senat mangels entsprechender Feststellungen in subjektiver Hinsicht nicht prüfen. Weder die Darlegung des Landgerichts, die Bandenmitglieder seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Angeklagte Sch. als einziger von ihnen in der Lage sei, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers zu öffnen, noch die Wiedergabe der Vermutung des Angeklagten Sch. , warum nur er Tresore öffnen sollte , lässt einen Schluss auf die innere Vorstellung der Beteiligten zu. Nach den Urteilsgründen ist es auch möglich, dass sich der Angeklagte Sch. im Fall II. 3. durch seine allgemeine Zusage nicht einmal der Beihilfe schuldig gemacht hat.
14
b) Das Landgericht hat bei der Prüfung der Strafbarkeit des Angeklagten Sch. im Wesentlichen auf seine vor Ort erbrachte Leistung abgestellt und den tatsächlichen Beitrag in Form des Tresoröffnens als Anknüpfungspunkt für die mittäterschaftliche Begehungsweise zugrunde gelegt, ohne dies näher auszuführen. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass der Diebstahl des Tresors schon zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte Sch. von den gesondert Verfolgten N. und H. angerufen wurde, mithin bevor er überhaupt eine Tätigkeit entfaltete, beendet war, so dass er sich allein durch das Öffnen des Tresors an der Tat weder in Form der Beihilfe noch der sukzessiven Mittäterschaft beteiligen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2007 - 3 StR 384/07, NStZ 2008, 152; Beschluss vom 13. August 2002 - 4 StR 208/02, NStZ 2003, 32; Urteil vom 24. Juni 1998 - 3 StR 128/98, NStZ-RR 1999, 208).
15
Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und gesichert hat (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, NStZ 2001, 88, 89). Dies war hier schon vor dem Anruf bei dem Angeklagten Sch. der Fall. Aufgrund des Abtransports des Tresors aus der Schule in die Kellerräume des Restaurants befand sich das Diebesgut nicht mehr im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Berechtigten, vielmehr hatten die gesondert Verfolgten N. und H. ihm diesen bereits entzogen. Die neue Sachherrschaft war bereits gefestigt. Der Umstand, dass es ihnen auf den Inhalt des Tresors ankam und sie hierfür die Hilfe des Angeklagten Sch. in Anspruch nahmen, ändert nichts daran, dass sie das noch vom Behältnis umschlossene Diebesgut bereits aus dem Einwirkungsbereich des Berechtigten entfernt hatten.
16
Auf Basis der bisherigen Feststellungen wäre daher eine Strafbarkeit wegen Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB in Betracht zu ziehen. Da § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB den an der Vortat Beteiligten indes von einer Strafbarkeit wegen Begünstigung ausnimmt, ist jedoch vorrangig eine mögliche Beteiligung des Angeklagten Sch. an der Vortat aufgrund seiner zugesagten Unterstützungshandlung (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 257 Rn. 12; LK-Walter, 12. Aufl., § 257 Rn. 101 f. mwN) - wie oben unter a) erörtert - zu prüfen.
17
4. Hinsichtlich des Angeklagten S. belegen die Urteilsgründe nicht, dass dieser sich im Fall II. 4. des Computerbetruges (§ 263a Abs. 1 StGB) in drei Fällen schuldig gemacht hat.
18
Die Feststellungen des Landgerichts zu der Anzahl der zuvor im Fall II. 3. erbeuteten und sodann anschließend im Fall II. 4. eingesetzten EC-Karte(n) sind widersprüchlich. Der Senat vermag angesichts der wiederholten, zum einen auf eine Karte, zum anderen auf mehrere Karten hindeutenden Formulie- rungen entgegen dem Generalbundesanwalt auch keinen eindeutigen Schreibfehler dahin erkennen, dass - entsprechend den Feststellungen im Fall II. 3. - tatsächlich nur eine EC-Karte erbeutet und allein diese sodann auch an den Geldautomaten eingesetzt wurde.
19
Vor diesem Hintergrund erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der drei Abhebungen als nicht tragfähig. Denn falls der Angeklagte S. zusammen mit dem gesondert Verfolgten N. mit nur einer EC-Karte innerhalb kurzer Zeit Geld einmal am Automaten in dem Café und zweimal am Automaten im Spielcenter abgehoben haben sollte, stellen sich die einzelnen Zugriffe an ein und demselben Geldautomaten im Spielcenter nicht als selbständige Taten, sondern als Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a Abs. 1 StGB im materiell-rechtlichen Sinne dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 2 StR 457/07; vom 21. November 2002 - 4 StR 448/02; vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, insoweit in NStZ 2001, 595 nicht abgedruckt). Mithin läge Computerbetrug lediglich in zwei Fällen vor.
20
5. Nach alledem ist das angefochtene Urteil in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang mit den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Mayer

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 243/08
vom
24. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
24. Juli 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2007, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in drei Fällen und der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen brachen die Mitangeklagten R. , H. und M. in Tankstellen oder Lebensmittelmärkte ein und entwendeten daraus Tresore sowie Zigaretten. In einigen Fällen blieb es beim Versuch. Fünf dieser Taten förderte der Angeklagte dadurch, dass er absprachegemäß die zu ihm gebrachten Tresore in seiner Werkstatt aufschweißte und anschließend entsorgte bzw. - im Fall des Versuchs - einen solchen Tatbeitrag zuvor zugesagt hatte. Für zwei Einbruchsdiebstähle stellte er zudem seinen Transporter zur Verfügung. Die jeweils in den Tresoren enthaltenen Geldbeträge zwischen 4.000 und 25.000 Euro teilten die Mitangeklagten R. , H. und M. unter sich auf, während der Angeklagte für das Aufschweißen und Entsorgen der Tresore jeweils einen Betrag zwischen 400 und 500 Euro erhielt. In einer Nacht (Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe) entwendeten die Mitangeklagten nacheinander aus zwei Tankstellen jeweils einen Tresor. Anschließend brachten sie beide Tresore zu dem Angeklagten, der sie gegen die übliche Entlohnung aufschweißte und entsorgte.
3
Das Landgericht hat dem Angeklagten alle Taten, an denen er beteiligt war, als Mittäter zugerechnet. Außerdem hat es in den Fällen II. 7. und 8. der Urteilsgründe das Aufschweißen der zwei aus verschiedenen Einbruchsdiebstählen stammenden Tresore als in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) zueinander stehende Einzeltaten bewertet.
4
2. Die rechtliche Wertung des Landgerichts hält zum Teil der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte lediglich der Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl (§ 242 Abs. 1, § 244 a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB) in drei Fällen sowie der Beihilfe zum versuchten schweren Bandendiebstahl (§ 242 Abs. 1, § 244 a Abs. 1, §§ 22, 27 Abs. 1 StGB) schuldig.
5
a) Schließen sich mehrere Täter - wie vom Landgericht auch hinsichtlich des Angeklagten rechtsfehlerfrei angenommen - zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Diebstähle nach § 242 Abs. 1, § 244 a Abs. 1 StGB zu begehen, hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern ohne weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben. Die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft an bzw. Beihilfe zu der jeweiligen Einzeltat ist in wertender Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, die von der Vorstellung des jeweiligen Bandenmitglieds umfasst sind. Maßgeblich sind dabei insbesondere sein Interesse an der Durchführung der Tat sowie der Umfang seiner Tatherrschaft oder jedenfalls sein Wille Tatherrschaft auszuüben, d. h. ob objektiv oder jedenfalls aus seiner Sicht die Ausführung der Tat wesentlich von seiner Mitwirkung abhängt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 265, 267; Fischer, StGB 55. Aufl. § 25 Rdn. 12 und § 244 Rdn. 19 a).
6
Nach diesen Kriterien sind die festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten als Beihilfehandlungen zu werten. Diese beschränkten sich mit dem Aufschweißen der angelieferten Tresore und dem Überlassen des Transporters auf unterstützende Tätigkeiten. Die Einbrüche in die Tankstellen und die Lebensmittelmärkte sowie die Entwendung der Tresore erfolgten durch andere Bandenmitglieder , die über deren Durchführung und die Auswahl der Tatobjekte ohne den Angeklagten entschieden, der nur über die bevorstehende Anlieferung der Tresore unterrichtet wurde. Für das Aufschweißen bekam der Angeklagte jeweils nur einen angesichts der Tatbeute vergleichsweise geringen Betrag als Entlohnung. Unter diesen Umständen ist eine Tatherrschaft des Angeklagten ebenso wenig erkennbar wie sein Wille hierzu.
7
b) In den Fällen II. 7. und 8. der Urteilsgründe hat der Angeklagte die zwei selbständigen Haupttaten durch eine Unterstützungshandlung gefördert, so dass auch nur eine Beihilfe vorliegt. Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage , ob die einzelnen Straftaten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen , für jeden der Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (BGH NStZ-RR 2003, 265, 267). Hat ein Gehilfe, der an der unmittelbaren Ausführung der Taten nicht beteiligt war, einen mehrere Einzeldelikte fördernden einheitlichen Tatbeitrag erbracht, werden ihm insoweit die jeweiligen Taten der Haupttäter nur als tateinheitlich begangen zugerechnet, weil sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die Haupttäter die ihnen zurechenbaren Taten tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Belang (vgl. BGH wistra 2001, 336, 337 m. w. N; Fischer aaO vor § 52 Rdn. 34, 36).
8
Ein die zwei Einbruchsdiebstähle fördernder einheitlicher Tatbeitrag des Angeklagten ist festgestellt. Er sagte - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - vor deren Durchführung zu, die Tresore, die in dieser Nacht erbeutet werden, aufzuschweißen. Die Tresore wurden zusammen angeliefert und vom Angeklagten unmittelbar nacheinander geöffnet.
9
3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Taten führen. Er ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
10
4. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Die Feststellungen zum Strafausspruch sind rechtsfehlerfrei getroffenen und können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende weitere Feststellungen, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
Becker Miebach von Lienen Sost-Scheible Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 432/10
vom
1. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: versuchten schweren Bandendiebstahls u.a.
zu 2.: schweren Bandendiebstahls u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
1. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 14. Juli 2010, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch aa) hinsichtlich des Angeklagten S. , soweit er im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls und im Fall II. 4. der Urteilsgründe wegen Computerbetruges in drei Fällen verurteilt worden ist; bb) hinsichtlich des Angeklagten Sch. , soweit er im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen versuchten schweren Bandendiebstahls und im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt worden ist;
b) jeweils im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten S. wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, Computerbetruges in drei Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung dreier Urteile des Amtsgerichts Lüneburg eine Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verhängt. Gegen den Angeklagten Sch. hat es wegen schweren Bandendiebstahls sowie versuchten schweren Bandendiebstahls jeweils in zwei Fällen auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkannt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Beschwerdeführer der Sache nach allein die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der Schuldspruch gegen den Angeklagten S. hält in den Fällen II. 1. und 4., derjenige gegen den Angeklagten Sch. in den Fällen II. 1. und 3. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten S. und Sch. mit den gesondert Verfolgten N. und H. Ende 2009 / Anfang 2010 überein, ihre Einkommenssituation durch eine Vielzahl im Einzelnen noch unbestimmter Diebstähle dauerhaft zu verbessern. Die Taten sollten entsprechend ihren Fähigkeiten arbeitsteilig und unter wechselnder Mitwirkung der einzelnen Gruppenmitglieder sowie gegebenenfalls auch unter Beteiligung weiterer vertrauenswürdiger Personen begangen werden. Die Gruppe ging übereinstimmend davon aus, dass der Angeklagte Sch. als einziger von ihnen in der Lage war, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers ("Flex") zu öffnen, um so deren Inhalt zu erbeuten. Die Entscheidung über das "Wann" und "Wo" eines Einbruchs trafen N. und H. . Widersprüche aus der Gruppe setzten sich nicht durch; insbesondere gelegentliche Vorschläge des Angeklagten S. zu möglichen Tatobjekten wurden abgelehnt.
5
a) "Vor diesem Hintergrund" begaben sich die Angeklagten S. und Sch. im Fall II. 1. aufgrund eines gemeinsamen Tatplans in ein Geschäft, um dort einzubrechen und möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu erlangen, wobei die erhoffte Beute in etwa hälftig geteilt werden sollte. Die Tat blieb ohne Erfolg; aufgrund der Störung durch einen Zeugen flüchteten die Angeklagten ohne Beute.
6
b) Im Fall II. 3. begaben sich N. und H. zu einer Grundschule, um dort möglichst viele stehlenswerte Gegenstände für sich zu erlangen. Für den Fall, dass sich in der Schule ein Tresor befinden sollte, wollten sie auf die Hilfe des Angeklagten Sch. zurückgreifen, "der sich schon vor der Tat generell dazu bereit erklärt hatte, bei Einbruchsdiebstählen vorgefundene Tresore mit einer Flex aufzuschneiden".
7
N. und H. hebelten die Nebentür der Grundschule auf, brachen mehrere Türen innerhalb des Gebäudes auf und hebelten schließlich einen Tresorwürfel aus der Wand. Den Tresor verbrachten sie in die Kellerräume eines in einer anderen Stadt gelegenen Restaurants, in welchem der Angeklagte Sch. zum Tatzeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis hatte. Sodann baten N. und H. den Angeklagten Sch. telefonisch, in das Restaurant zu kommen und den Tresor zu öffnen. Entsprechend seiner zuvor gegebenen Zusage begab sich der Angeklagte Sch. in die Räumlichkeiten und flexte den Tresor auf. N. und H. entnahmen den Inhalt (u.a. ca. 280 € Bargeld und "eine EC-Karte" nebst dazugehöriger PIN), um ihn für sich zu behalten bzw. wirtschaftlich zu verwerten. Der Angeklagte Sch. erhielt für seine Tätigkeit einen Anteil an der Beute in Höhe von 100 €.
8
c) Nach den Feststellungen zu Fall II. 4. verschafften sich der Angeklagte S. und N. gemeinsam mit Hilfe der im Fall II. 3. in der Grundschule "erbeutenen EC-Karten" Bargeld, indem sie unter Verwendung "der EC-Karten und der ebenfalls erbeuteten PIN" von dem Konto der Schule am 1. Februar 2010 um 18:24 Uhr 500 € an einem Geldautomaten in einem Café in Hamburg und um 18:33 Uhr 200 € sowie um 18:43 Uhr weitere 100 € jeweils an demselben Geldautomaten eines Spielcenters in Hamburg abhoben. Dabei war dem Angeklagten S. und dem gesondert Verfolgten N. bewusst, dass die "eingesetzten EC-Karten" aus dem Einbruch in die Grundschule stammten. Sie gingen mit wechselnden Rollen dergestalt arbeitsteilig vor, dass einer von ihnen "die Karte" in den Automaten einführte und der andere ihm die PIN sagte oder diese in den Automaten eingab.
9
2. Die Feststellungen im Fall II. 1. tragen den Schuldspruch der Angeklagten S. und Sch. wegen versuchten schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 1. Alt., §§ 22, 23 Abs. 1 StGB nicht. Allein der Umstand, dass sich beide Angeklagten schon vor dieser gemeinsam begangenen Tat mit den gesondert Verfolgten N. und H. zu einer Bande mit dem Zweck der Begehung von Einbruchsdiebstählen zusammengeschlossen hatten, führt nicht ohne weiteres dazu, dass alle nachfolgenden Einbruchstaten eines Bandenmitglieds als bandenmäßig begangen einzustufen sind; dies gilt auch dann, wenn an der jeweiligen Tat ein weiteres Bandenmitglied beteiligt war. Zwar kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte Diebstahlstat als Bandentat zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbege- hung eingebunden sein (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, NStZ 2006, 342). Voraussetzung für die Annahme einer Bandentat nach § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244a Abs. 1 StGB ist neben der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds aber, dass die Einzeltat Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der unmittelbar an dem Diebstahl beteiligten Bandenmitglieder ausgeführt wird (BGH aaO). Ein solcher konkreter Bezug der Tat im Fall II. 1. zu der vorangegangenen Bandenabrede lässt sich - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts - den Feststellungen nicht entnehmen. Insbesondere bleibt offen, ob N. oder H. das Tatobjekt festgelegt hatten.
10
3. Die im Fall II. 3. getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Verurteilung des Angeklagten Sch. wegen schweren Bandendiebstahls gemäß § 244a Abs. 1 1. Alt. StGB nicht.
11
a) Die allgemeine, im Rahmen der Bandenabrede erteilte Zusage des Angeklagten Sch. , bei Einbruchsdiebstählen erbeutete Tresore zu öffnen, begründet nicht ohne weiteres seine Beteiligung an der ausgeführten Bandentat. Denn die Bandenabrede lässt die allgemeinen Regeln über die Tatbeteiligung unberührt, mithin sind Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandentaten unabhängig voneinander zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265, 267).
12
Denkbar ist aufgrund der im Vorfeld getätigten allgemeinen Unterstützungszusage zunächst eine Strafbarkeit wegen (psychischer) Beihilfe, sofern das Versprechen des Angeklagten Sch. , Tresore zu öffnen, die tatausführenden gesondert Verfolgten N. und H. psychisch in ihrem Einbruchsvorhaben bestärkte, die Tathandlung oder den Erfolgseintritt mindestens erleichterte oder förderte und die subjektiven Voraussetzungen der Beihilfe bei dem Angeklagten Sch. vorlagen. Im Einzelfall können rein psychische Unterstützungshandlungen allerdings auch einen mittäterschaftlichen Tatbeitrag begründen (BGH, Urteil vom 10. März 1961 - 4 StR 30/61, BGHSt 16, 12).
13
Ob die allgemeine Zusage des Tresoröffnens vorliegend die Voraussetzungen der Beihilfe oder sogar der Mittäterschaft erfüllt, kann der Senat mangels entsprechender Feststellungen in subjektiver Hinsicht nicht prüfen. Weder die Darlegung des Landgerichts, die Bandenmitglieder seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Angeklagte Sch. als einziger von ihnen in der Lage sei, Tresore mit Hilfe eines Trennschleifers zu öffnen, noch die Wiedergabe der Vermutung des Angeklagten Sch. , warum nur er Tresore öffnen sollte , lässt einen Schluss auf die innere Vorstellung der Beteiligten zu. Nach den Urteilsgründen ist es auch möglich, dass sich der Angeklagte Sch. im Fall II. 3. durch seine allgemeine Zusage nicht einmal der Beihilfe schuldig gemacht hat.
14
b) Das Landgericht hat bei der Prüfung der Strafbarkeit des Angeklagten Sch. im Wesentlichen auf seine vor Ort erbrachte Leistung abgestellt und den tatsächlichen Beitrag in Form des Tresoröffnens als Anknüpfungspunkt für die mittäterschaftliche Begehungsweise zugrunde gelegt, ohne dies näher auszuführen. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass der Diebstahl des Tresors schon zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte Sch. von den gesondert Verfolgten N. und H. angerufen wurde, mithin bevor er überhaupt eine Tätigkeit entfaltete, beendet war, so dass er sich allein durch das Öffnen des Tresors an der Tat weder in Form der Beihilfe noch der sukzessiven Mittäterschaft beteiligen konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2007 - 3 StR 384/07, NStZ 2008, 152; Beschluss vom 13. August 2002 - 4 StR 208/02, NStZ 2003, 32; Urteil vom 24. Juni 1998 - 3 StR 128/98, NStZ-RR 1999, 208).
15
Ein Diebstahl ist beendet, wenn der Dieb den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen nach den Umständen des Einzelfalls gefestigt und gesichert hat (BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, NStZ 2001, 88, 89). Dies war hier schon vor dem Anruf bei dem Angeklagten Sch. der Fall. Aufgrund des Abtransports des Tresors aus der Schule in die Kellerräume des Restaurants befand sich das Diebesgut nicht mehr im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Berechtigten, vielmehr hatten die gesondert Verfolgten N. und H. ihm diesen bereits entzogen. Die neue Sachherrschaft war bereits gefestigt. Der Umstand, dass es ihnen auf den Inhalt des Tresors ankam und sie hierfür die Hilfe des Angeklagten Sch. in Anspruch nahmen, ändert nichts daran, dass sie das noch vom Behältnis umschlossene Diebesgut bereits aus dem Einwirkungsbereich des Berechtigten entfernt hatten.
16
Auf Basis der bisherigen Feststellungen wäre daher eine Strafbarkeit wegen Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB in Betracht zu ziehen. Da § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB den an der Vortat Beteiligten indes von einer Strafbarkeit wegen Begünstigung ausnimmt, ist jedoch vorrangig eine mögliche Beteiligung des Angeklagten Sch. an der Vortat aufgrund seiner zugesagten Unterstützungshandlung (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 257 Rn. 12; LK-Walter, 12. Aufl., § 257 Rn. 101 f. mwN) - wie oben unter a) erörtert - zu prüfen.
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4. Hinsichtlich des Angeklagten S. belegen die Urteilsgründe nicht, dass dieser sich im Fall II. 4. des Computerbetruges (§ 263a Abs. 1 StGB) in drei Fällen schuldig gemacht hat.
18
Die Feststellungen des Landgerichts zu der Anzahl der zuvor im Fall II. 3. erbeuteten und sodann anschließend im Fall II. 4. eingesetzten EC-Karte(n) sind widersprüchlich. Der Senat vermag angesichts der wiederholten, zum einen auf eine Karte, zum anderen auf mehrere Karten hindeutenden Formulie- rungen entgegen dem Generalbundesanwalt auch keinen eindeutigen Schreibfehler dahin erkennen, dass - entsprechend den Feststellungen im Fall II. 3. - tatsächlich nur eine EC-Karte erbeutet und allein diese sodann auch an den Geldautomaten eingesetzt wurde.
19
Vor diesem Hintergrund erweist sich die konkurrenzrechtliche Beurteilung der drei Abhebungen als nicht tragfähig. Denn falls der Angeklagte S. zusammen mit dem gesondert Verfolgten N. mit nur einer EC-Karte innerhalb kurzer Zeit Geld einmal am Automaten in dem Café und zweimal am Automaten im Spielcenter abgehoben haben sollte, stellen sich die einzelnen Zugriffe an ein und demselben Geldautomaten im Spielcenter nicht als selbständige Taten, sondern als Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a Abs. 1 StGB im materiell-rechtlichen Sinne dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - 2 StR 457/07; vom 21. November 2002 - 4 StR 448/02; vom 10. Juli 2001 - 5 StR 250/01, insoweit in NStZ 2001, 595 nicht abgedruckt). Mithin läge Computerbetrug lediglich in zwei Fällen vor.
20
5. Nach alledem ist das angefochtene Urteil in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang mit den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 BJs 26/77-5
StB 51/09
vom
23. Dezember 2009
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mordes
hier: Haftbeschwerde der Beschuldigten
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Dezember 2009 gemäß
§ 304 Abs. 5 StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Beschuldigten werden der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichthofs vom 26. August 2009 (1 BGs 177/09) sowie dessen Beschluss über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vom 28. August 2009 (1 BGs 180/09) aufgehoben. Die Beschuldigte ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 2. Die Kosten des Rechtsmittels und die der Beschwerdeführerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.

1
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs hat gegen die Beschuldigte am 26. August 2009 wegen des dringenden Verdachts des mittäterschaftlich begangenen Mordes (§§ 211, 25 Abs. 2 StGB) in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (§ 52 StGB) Haftbefehl erlassen. Danach ist die Beschuldigte dringend verdächtig, an dem Anschlag vom 7. April 1977 in Karlsruhe beteiligt gewesen zu sein, bei dem der damalige Generalbundesanwalt Siegfried Buback , sein Fahrer Wolfgang Göbel und sein weiterer Begleiter Erster Justizhauptwachtmeister Georg Wurster getötet wurden. Die Beschuldigte ist darauf- hin am 27. August 2009 festgenommen worden. Mit Beschluss vom 28. August 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs nach Vorführung der Beschuldigten den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Die Beschuldigte befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.
2
Mit Schriftsatz vom 11. November 2009 hat die Beschuldigte gegen den Haftbefehl vom 26. August 2009 und den Beschluss vom 28. August 2009 Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Haftbefehl aufzuheben. Zur Begründung führt sie aus, es bestehe möglicherweise ein Verfahrenshindernis; außerdem liege weder ein dringender Tatverdacht noch ein Haftgrund vor.
3
Der Generalbundesanwalt ist der Beschwerde entgegen getreten. Er ist der Auffassung, nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen sei zwar nicht davon auszugehen, dass die Beschuldigte am Tattag unmittelbar an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback sowie seiner Begleiter Göbel und Wurster als Fahrerin des bei der Tat benutzten Motorrads oder als Schützin beteiligt gewesen sei. Sie sei jedoch dringend verdächtig, sich in sonstiger Weise als Mittäterin an dem Anschlag beteiligt zu haben.
4
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

5
Die zulässige Haftbeschwerde hat im Ergebnis Erfolg. Der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs kann keinen Bestand haben. Zwar ist die Beschuldigte nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen - wenn auch nicht des mittäterschaftlich begangen Mordes, so doch - der Beihilfe zum Mord (§§ 211, 27 Abs. 1 StGB) in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen dringend verdächtig. Ein für die Anordnung von Untersuchungshaft zwingend erforderlicher Haftgrund (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) besteht indes nicht. Im Einzelnen :
6
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen verübte am 7. April 1977 in Karlsruhe ein "Kommando Ulrike Meinhof" (im Folgenden: "Kommando") der "Rote Armee Fraktion" (im Folgenden: "RAF") im Rahmen der sog. Offensive 77 einen Anschlag auf den damaligen Generalbundesanwalt Buback, dem auch sein Fahrer Göbel und sein weiterer Begleiter Erster Justizhauptwachtmeister Wurster zum Opfer fielen.
7
Am Tattag lauerten zwei Mitglieder des "Kommandos" dem Dienstwagen des Generalbundesanwalts Buback auf der Fahrt zum Dienstgebäude der Bundesanwaltschaft auf. Sie verwendeten ein Motorrad Marke Suzuki GS 750, das von dem "RAF"-Mitglied Sonnenberg angemietet worden war. Als das Dienstfahrzeug kurz nach 9.00 Uhr an einer Verkehrsampel anhalten musste, fuhren die Mitglieder des "Kommandos" mit ihrem Motorrad rechts neben den PKW. Die Person auf dem Soziussitz holte aus einer mitgeführten Reisetasche ein an Lauf und Schaft verkürztes Selbstladegewehr und gab daraus eine Serie von mindestens 15 Schüssen durch die Seitenfenster auf die drei Insassen des Dienstfahrzeugs ab. Generalbundesanwalt Buback und sein Fahrer Göbel verstarben noch am Tatort. Erster Justizhauptwachtmeister Wurster erlag am 13. April 1977 den schweren Schussverletzungen, die er bei dem Attentat erlitten hatte. Nach dem Anschlag flohen die Täter mit dem Motorrad durch die Karlsruher Innenstadt; sodann versteckten sie es in der Kammer eines Pfeilers der Autobahnbrücke in Wolfartsweier. Dort wurden die beiden von einem weiteren Mitglied des "Kommandos" erwartet; die drei Personen setzten gemeinsam die Flucht in einem PKW Alfa Romeo fort. Sie passierten mit dem Fahrzeug eine Kontrollstelle der Polizei bei Remchingen/Singen. Zwischen 10.00 Uhr und 10.30 Uhr stellten sie den Alfa Romeo in Sachsenheim/Kreis Ludwigsburg ab. Danach verlor sich ihre Spur.
8
Die Beschuldigte, die zur Tatzeit ebenfalls der "RAF" angehörte, und Sonnenberg wurden am 3. Mai 1977 in Singen festgenommen. In einem Sonnenberg gehörenden Rucksack führten sie das bei dem Anschlag am 7. April 1977 verwendete Selbstladegewehr bei sich. Um ihre Festnahme zu verhindern , schossen sie mit weiteren mitgeführten Waffen zunächst auf zwei Polizeibeamte und verletzten diese. Sodann erpressten sie die Überlassung eines Kraftfahrzeugs, mit dem sie flüchteten. Schließlich wurden sie von vier weiteren Polizeibeamten gefasst. Bei dem ihrer Überwältigung vorausgehenden Schusswechsel wurde Sonnenberg durch einen Kopfschuss schwer verletzt; die Beschuldigte erlitt eine Schusswunde am Bein.
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Gegen die Beschuldigte erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs unter anderem wegen des dringenden Tatverdachts der mittäterschaftlichen Beteiligung an dem Attentat vom 7. April 1977 Haftbefehl. Gegen Sonnenberg ordnete er ebenfalls unter anderem wegen desselben Tatvorwurfs die Untersuchungshaft an.
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Die Beschuldigte und Sonnenberg wurden wegen der bei ihrer Festnahme am 3. Mai 1977 begangenen Straftaten vom Oberlandesgericht Stuttgart wie folgt rechtskräftig verurteilt: die Beschuldigte durch Urteil vom 28. Dezember 1977 wegen versuchten Mordes in zwei Fällen, wegen versuchten Mordes in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung zu lebenslanger Freiheitsstrafe; Sonnenberg durch Urteil vom 26. April 1978 wegen versuchten Mordes in zwei Fällen ebenfalls zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Soweit die Ermittlungen aufgrund der bei der Festnahme sichergestellten Ge- genstände den Verdacht von "Beschaffungsstraftaten" wie Diebstahl, Hehlerei u. a. begründeten, hatte der Generalbundesanwalt bereits zuvor das Verfahren am 25. Juni 1977 nach § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt. Die Vollstreckung der gegen die Beschuldigte verhängten Strafe wurde durch Gnadenentscheidung des Bundespräsidenten vom 25. September 1989 mit Wirkung vom 1. Dezember 1989 zur Bewährung ausgesetzt. Mit Entscheidung vom 30. April 1995 erließ der Bundespräsident im Wege der Gnade den noch nicht vollstreckten Teil der Strafe. Die Beschuldigte verbüßte von der lebenslangen Freiheitsstrafe insgesamt neun Jahre und etwa zwei Monate.
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Der Generalbundesanwalt stellte durch Verfügung vom 31. März 1980 das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beteiligung der Beschuldigten an dem Attentat vom 7. April 1977 nach § 170 Abs. 2 StPO in Kenntnis der bis dahin ermittelten, die Beschuldigte teilweise belastenden Umstände ein. Zur Begründung führte er aus, aufgrund der Ermittlungen bestehe zwar ein gewisser Verdacht, dass die Beschuldigte an dem Anschlag beteiligt gewesen sei, zumal sie als im Untergrund lebendes Mitglied der "RAF" enge Verbindungen zu dem der Tat dringend verdächtigen Sonnenberg gehabt habe. Es lägen jedoch keine ausreichenden Erkenntnisse über eine konkrete Beteiligung insbesondere an der Planung, Vorbereitung oder Durchführung der Tat vor. Ein Nachweis, der nach einer eventuellen Hauptverhandlung eine Verurteilung mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten lasse, sei daher nicht zu führen. Durch Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. April 1980 wurde der Haftbefehl gegen die Beschuldigte aufgehoben.
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Das Ermittlungsverfahren gegen Sonnenberg wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an dem Anschlag vom 7. April 1977 wurde mit Blick auf dessen rechtskräftige Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe wegen der am 3. Mai 1977 in Singen begangenen Mordversuche sowie auf seine aufgrund des Kopf- schusses eingetretene dauerhafte erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung vom Generalbundesanwalt am 15. Januar 1982 nach § 154 StPO eingestellt. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte die drei folgenden Mitglieder der "RAF" wegen Mittäterschaft an dem Attentat vom 7. April 1977: Folkerts durch Urteil vom 31. Juli 1980; Klar und Mohnhaupt durch Urteil vom 2. April 1985. Die Entscheidungen sind rechtskräftig.
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Mit Verfügung vom 9. April 2008 hat der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte wegen des Anschlags auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter wieder aufgenommen. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein neuer Ermittlungsansatz sei deshalb vorhanden, weil an noch vorhandenen Tatasservaten molekulargenetische Spuren festgestellt worden seien, deren Verursacherin möglicherweise die Beschuldigte sei. In der Folgezeit sind zahlreiche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Diese haben unter anderem zu folgenden Ergebnissen geführt:
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Die an den unmittelbaren Tatasservaten (Motorradhandschuh, -helm und -jacke) festgestellten DNA-Mischspuren stammten nicht von der Beschuldigten. Diese war jedoch die Verursacherin von Speichelspuren, die an drei Briefumschlägen sichergestellt wurden, mit denen am 13. April 1977 Kopien des Selbstbezichtigungsschreibens zu dem Anschlag vom 7. April 1977 an verschiedene Presseorgane versandt worden waren. Die Beschuldigte kann darüber hinaus als Verursacherin von zwei Spuren auf den in den Briefhüllen befindlichen Selbstbezichtigungsschreiben nicht ausgeschlossen werden.
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Bei einer Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten am 20. August 2009 wurde eine handschriftliche Aufzeichnung mit folgendem Text gefunden: "7.04.08 - Nein, ich weiß noch nicht wie ich für Herrn Buback beten soll, ich habe kein wirkliches Gefühl für Schuld u. Reue. Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen - aber ist das nicht armselig so zu denken u. zu fühlen?! Das ist nicht Heilung, das scheint noch ein weiter Weg zu sein." In einer "I-Ging"Befragung vom 22. März 2007 befasste sich die Beschuldigte mit dem Thema "Heilung" und stellte unter anderem die Frage: "Ist es mein Täterwissen?" In einer handschriftlichen Aufzeichnung vom 27. April 2007 heißt es unter anderem : "Was will ich erreichen? S. (u. andere) reinwaschen. Sagen wie es wirklich war."
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Außerdem hat das ehemalige "RAF"-Mitglied Boock mehrfach, zuletzt im November 2009, Angaben zu dem damaligen Geschehen gemacht. Er hat bekundet , die Beschuldigte habe sich mit anderen im Sommer/Herbst 1976 in einem militärischen Ausbildungslager der palästinensischen Terrororganisation PFLP ("Volksfront für die Befreiung Palästinas") im Jemen aufgehalten. Dort sei die grundsätzliche Entscheidung getroffen worden, nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland Mordanschläge gegen führende Repräsentanten des Staates, darunter Generalbundesanwalt Buback, zu begehen. Von den in Stammheim inhaftierten Gefangenen der "RAF" sei der Befehl gekommen: "Der General muss weg." Die im Jemen entstandene Gruppe dürfe sich nur dann als "RAF" bezeichnen, wenn sie einen dahingehenden Anschlag verübe. Deshalb sei das Attentat auf Generalbundesanwalt Buback für die Mitglieder der Gruppierung besonders wichtig gewesen. Nach der Rückkehr der Gruppenmitglieder nach Deutschland habe ein Treffen im Harz stattgefunden, bei dem die weitere Vorgehensweise geplant und die Aufgaben verteilt worden seien. Es sei ein Arbeitsplan erstellt worden. Dieser wurde anlässlich der Festnahme der Gruppenmitglieder Haag und Mayer am 30. November 1976 sichergestellt. Die dort als "Paula" aufgeführte Person sei, so der Zeuge in seiner Vernehmung vom 12. November 2009, die Beschuldigte. Aufgrund der Festnahme von Haag und Mayer habe man den ursprünglich für Dezember 1976 geplanten Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback verschoben. Es sei Ende des Jahres 1976 zu einem weiteren Treffen der Gesamtgruppe in Holland gekommen, an dem auch die Beschuldigte teilgenommen habe. Bei diesem Treffen habe man die beschleunigte Durchführung der im Grundsatz bereits beschlossenen Aktionen vereinbart. Der Beschluss, Generalbundesanwalt Buback zu töten, sei eine gemeinsame und von allen getragene Entscheidung der Kerngruppe der "RAF" gewesen; dazu habe auch die Beschuldigte gezählt. Dieser sei es immer sehr darauf angekommen, den Willen der in Stammheim inhaftierten "RAF"Mitglieder durchzusetzen; dazu habe auch der Befehl "Der General muss weg" gehört. Die Beschuldigte sei damals sehr fanatisch gewesen und keinen Millimeter von der Linie abgewichen.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz verfügt über Informationen einer Quelle zu dem Anschlag vom 7. April 1977. Unter dem 15. Juni 2007 hat es gegenüber dem Generalbundesanwalt ein Behördenzeugnis abgegeben, nach dem einer älteren unbestätigten Einzelinformation zufolge die "RAF"-Mitglieder Wisniewski als Schütze auf dem Soziussitz des Motorrads, Sonnenberg als Fahrer des Motorrads und Klar als Fahrer des Fluchtfahrzeugs Alfa Romeo an dem Anschlag vom 7. April 1977 beteiligt gewesen seien. Unter Verweis auf dieses Zeugnis hat das Bundesministerium des Innern im Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten Wisniewski unter dem 25. Januar 2008 eine Sperrerklärung nach § 96 StPO abgegeben. Im hiesigen Ermittlungsverfahren hat der Generalbundesanwalt um die Freigabe der in der Sperrerklärung aufgeführten Quelleninformationen und Aktenvermerke ersucht. Nach gewährter Akteneinsicht hat der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 29. September 2009 die Herausgabe aller Vermerke über Befragungen und Gespräche mit der Quelle begehrt. Über dieses Verlangen ist vom Bundesministerium des Innern bisher nicht entschieden worden.

III.

18
Ein die weitere strafrechtliche Verfolgung und gegebenenfalls die Ahndung der Tat ausschließendes Verfahrenshindernis ist nicht gegeben.
19
1. Entgegen der Auffassung der Verteidigung steht die Einstellungsverfügung nach § 154 StPO vom 25. Juni 1977 und der mittlerweile eingetretene Zeitablauf der Verfolgung der Beschuldigten nicht entgegen. Die genannte Verfügung erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur die "Beschaffungsstraftaten" in Bezug auf die bei der Festnahme der Beschuldigten am 3. Mai 1977 in Singen sichergestellten Gegenstände. Sie bezieht sich deshalb nicht auf das Ermittlungsverfahren betreffend die Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seiner Begleiter. Dieses ist erst durch Verfügung vom 31. März 1980 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, da die Bundesanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt einen hinreichenden Tatverdacht verneint hat. Durch diese Einstellung ist ein Strafklageverbrauch nicht eingetreten; denn der Einstellungsverfügung kommt keine Rechtskraftwirkung zu (Schmid in KK 6. Aufl. § 170 Rdn. 23; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 170 Rdn. 9). Das Ermittlungsverfahren konnte vielmehr jederzeit wieder aufgenommen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart auf S. 124 f. des Urteils gegen die Beschuldigte vom 28. Dezember 1977. Dort wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass der Strafsenat zur Klarstellung der Rechtslage mit Beschluss vom 5. Dezember 1977 mit Zustimmung der Bundesanwaltschaft die Strafverfolgung nach § 154 a Abs. 2 StPO beschränkt hat. Auch hiervon war der Tatvorwurf der Beteiligung an dem Attentat vom 7. April 1977 nicht betroffen.
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2. Die Strafklage wegen der Tat vom 7. April 1977 ist durch das gegen die Beschuldigte ergangene Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Dezember 1977 nicht verbraucht.
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Dies gilt auch, wenn man entgegen dem Haftbefehl nicht den Vorwurf der mittäterschaftlichen Begehung des Mordes, sondern denjenigen der Beihilfe hierzu bejaht. Dabei bedarf es keiner näheren Betrachtung, ob der Vorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung materiellrechtlich in Tateinheit mit wenigstens einem der vom Oberlandesgericht Stuttgart abgeurteilten Delikte steht. Ein gegebenenfalls für die Straftat nach § 129 a StGB eingetretener Strafklageverbrauch ließe den hiesigen Tatvorwurf unberührt. Zwar besteht materiellrechtlich Tateinheit zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und den Straftaten, auf welche die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung gerichtet sind. Dies trifft in Bezug auf die Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seinen Begleitern zu. Damit ist grundsätzlich auch von einer Tat im prozessualen Sinn auszugehen. Jedoch folgt aus den Besonderheiten der §§ 129, 129 a StGB als Organisationsdelikte, die über lange Zeiträume ganz verschiedenartige Verhaltensweisen gesetzlich zu einer rechtlichen Einheit zusammenfassen und damit mit anderen Dauerstraftaten nicht vergleichbar sind, sowie dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit, dass die Rechtskraft bezüglich der Delikte nach §§ 129, 129 a StGB - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfGE 56, 22, 28 ff.) - schwerere Delikte nicht erfasst, wenn sie nicht tatsächlich Gegenstand der Anklage und Urteilsfindung waren (st. Rspr.; s. etwa BGHSt 29, 288, 292 ff.).
22
Hier erstreckten sich die Anklage und das Urteil wegen der bei der Festnahme der Beschuldigten begangenen Straftaten nicht auf die Ereignisse vom 7. April 1977. Der Vorwurf des Mordes bzw. der Beihilfe hierzu wiegt schwerer als derjenige, ein Organisationsdelikt nach § 129 a StGB begangen zu haben. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass Mord und die Beihilfe hierzu mit höheren Strafen bedroht sind als die mitgliedschaftliche Beteiligung in einer terroristischen Vereinigung.

IV.

23
Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen besteht gegen die Beschuldigte der dringende Verdacht, dass sie den Anschlag vom 7. April 1977 als Gehilfin unterstützt und sich deswegen der Beihilfe zum Mord in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig gemacht hat. Demgegenüber belegt das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen einen darüber hinausgehenden dringenden Verdacht für die Begehung der Tat als Mittäterin nicht.
24
1. Nach § 27 Abs. 1 StGB macht sich wegen Beihilfe strafbar, wer (vorsätzlich ) einem anderen zu dessen (vorsätzlich begangener) rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Nach ständiger Rechtsprechung (s. etwa BGHSt 46, 107, 109; BGH NJW 2001, 2409, 2410; NStZ 2004, 499, 500) ist als Hilfeleistung in diesem Sinne grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolges durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt dieses Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird, ist nicht erforderlich (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 27 - in BGHSt 51, 144 insoweit nicht abgedruckt). Es genügt, dass ein Gehilfe die Haupttat im Vorbereitungsstadium fördert, wenn die Teilnahmehandlung mit entsprechendem Förderungswillen und -bewusstsein vorgenommen wird (BGHSt 46, 107, 115; BGH NJW 1985, 1035, 1036). Beihilfe zu einer Tat kann schließlich schon dadurch geleistet werden, dass der Gehilfe den Haupttäter in seinem schon gefassten Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8).
25
Nach diesen Maßstäben hat die Beschuldigte bei einer Gesamtbewertung des bisherigen Ermittlungsergebnisses mit großer Wahrscheinlichkeit Beihilfe zu dem Attentat auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter geleistet. Mit der Bundesanwaltschaft ist nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen bei umfassender, sachgerechter Bewertung der Beweise - auch verschiedener Zeugenaussagen - nicht davon auszugehen, dass die Beschuldigte an dem Anschlag selbst unmittelbar als Fahrerin des Motorrads oder Beifahrerin und Schützin beteiligt war. Hierfür sprechen neben zahlreichen Gesichtspunkten die Ergebnisse der neueren DNA-Untersuchungen bei Begehung der Tat benutzter Gegenstände. Die Beschuldigte hat jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit vor der Ausführung der Tat einen objektiven Beitrag zu dieser geleistet, indem sie die unmittelbaren Täter in derem Tatentschluss bestärkte.
26
a) Dies ergibt sich vor allem aus der vorläufigen Wertung der Aussage des Zeugen Boock. Danach hat sich die Beschuldigte in dem Zeitraum vor der Tat, etwa auch bei dem Treffen der Gesamtgruppe in Holland nach der Festnahme von Haag und Mayer, in besonders intensiver Weise dafür eingesetzt, die jeweiligen Anweisungen der in Stammheim inhaftierten Führungsmitglieder der "RAF" umzusetzen, zu denen auch der eindeutige Befehl "Der General muss weg" gehörte. Dieses Verhalten weist einen konkreten inhaltlichen Bezug zu der geplanten Tat auf und geht über Tätigkeiten hinaus, die lediglich als mitgliedschaftliche Beteiligung an der damals bestehenden terroristischen Vereinigung zu werten wären. Die offensive Propagierung des von den Gefangenen stammenden Tötungsbefehls durch die Beschuldigte bestätigte mit großer Wahrscheinlichkeit den Willen der unmittelbaren Täter des Anschlags, das Attentat tatsächlich durchzuführen.
27
Die Aussage des Zeugen Boock ist - bei der gebotenen vorläufigen Würdigung -, jedenfalls was den hier relevanten Teil betrifft, insoweit inhaltlich eindeutig , plausibel und fügt sich in seine übrigen Bekundungen ein. Gegen ihre Glaubhaftigkeit spricht im Ergebnis entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht, dass der Zeuge in der Vernehmung vom 2. April 1992 berichtet hat, eine von den inhaftierten Mitgliedern der "RAF" legitimierte Person habe sich an ihn gewandt und ihm übermittelt, die Gefangenen benötigten Waffen, weil sie Generalbundesanwalt Buback in einer Hauptverhandlung als Geisel nehmen wollten. Der Zeuge hat den gegen Generalbundesanwalt Buback unter dem Decknamen "Margarine" geplanten Anschlag konstant - auch mehrfach in der Vernehmung vom 2. April 1992 - als einzige der für das Jahr 1977 ins Auge gefassten Straftaten als "Bestrafungsaktion" bezeichnet. Diese Wortwahl und der Inhalt des Befehls "Der General muss weg" legen den Schluss nahe, dass Generalbundesanwalt Buback nicht als Geisel genommen, sondern getötet werden sollte. Auch nach den sonstigen Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Anschlag vom 7. April 1977 ohne Billigung der in Stammheim inhaftierten Gefangenen stattfand.
28
Im Übrigen weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich darauf hin, dass die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Boock und seine Glaubwürdigkeit allein aufgrund der aus dem Inhalt der Akten zu entnehmenden Erkenntnisse derzeit nicht endgültig beurteilt werden können. Diese Bewertungen - ebenso wie die Würdigung der übrigen Beweise - können vielmehr im Falle der Anklageerhebung abschließend nur auf der Grundlage des Ergebnisses einer umfassenden Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung getroffen werden.
29
b) Die Aussage des Zeugen Boock wird durch die Gesamtschau des übrigen derzeitigen Ermittlungsergebnisses gestützt. Die weiteren Umstände, die nach Auffassung des Generalbundesanwalts den dringenden Verdacht für eine Beteiligung der Beschuldigten an dem Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter begründen, sind bei vorläufiger Würdigung für den Nachweis der Beteiligung der Beschuldigten an dem Attentat unterschiedlich ergiebig und bedeutungsvoll. Sie sind zum Teil mehrdeutig, jedoch teilweise bereits für sich gesehen, insbesondere aber in ihrer Gesamtheit jedenfalls geeignet , eine gewisse Nähe der Beschuldigten zu dem Mordanschlag zu belegen :
30
aa) Dadurch, dass der Zeuge Boock den Decknamen "Paula", der in dem bei der Festnahme von Haag und Mayer am 30. November 1976 sichergestellten "Arbeitsplan" verwendet wurde, - zuletzt eindeutig - der Beschuldigten zuordnete , bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beschuldigte an den Vorbereitungen eines ursprünglich für Dezember 1976 geplanten Anschlags gegen Generalbundesanwalt Buback beteiligt war.
31
bb) Der Umstand, dass sich auf drei Umschlägen, mit denen Kopien des Selbstbezichtigungsschreibens versandt wurden, Speichelspuren der Beschuldigten befinden, lässt zwar zurzeit keinen unmittelbaren Rückschluss auf die Intensität der Einbindung der Beschuldigten in die Vorbereitungen der Tat vom 7. April 1977 zu. Er spricht jedoch dafür, dass die Beschuldigte sich an dem Nachtatgeschehen aktiv beteiligte. Hieraus wird deutlich, dass sie auch nach dem Attentat mit diesem und den mit dem Anschlag von der "RAF" verfolgten Zielen übereinstimmte.
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cc) Ähnlich, allerdings mit einer schwächeren Indizwirkung, ist bei dem derzeitigen Stand des Verfahrens zu bewerten, dass die Beschuldigte etwa einen Monat nach der Tat zusammen mit dem tatverdächtigen "RAF"-Mitglied Sonnenberg in Singen festgenommen wurde, wobei sie die bei dem Anschlag am 7. April 1977 benutzte Waffe mit sich führten.
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dd) Die weiteren vom Generalbundesanwalt angeführten Ermittlungsergebnisse verstärken bei vorläufiger Würdigung den Tatverdacht der Beihilfe zum Mord jedenfalls nicht wesentlich:
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Das bei der Durchsuchung sichergestellte Schriftstück mit Datum 7. April 2008 weist einen in gewisser Weise tagebuchartigen Charakter auf. Vor allem aufgrund seiner Datierung auf den 31. Jahrestag des Anschlags sowie der namentlichen Bezeichnung des "Herrn Buback" ist ein Bezug zu der Tat erkennbar. Auch vor diesem Hintergrund erschiene es indes nicht unbedenklich, wollte man wie der Generalbundesanwalt annehmen, der - als solcher mehrdeutige - Satz "Natürlich würde ich es heute nicht mehr machen" lasse nur "den zwingenden Schluss" zu, dass die Beschuldigte an dem Anschlag vom 7. April 1977 verantwortlich mittäterschaftlich beteiligt gewesen sei. Die Einlassung der Beschuldigten vor dem Ermittlungsrichter, diese Passage beziehe sich auf ihren "früheren Weg mit dem bewaffneten Kampf", mithin allgemein auf ihre Betätigung in der "RAF", erscheint jedenfalls nicht von vornherein unplausibel. Auch diese mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung als solche könnte vor dem Hintergrund der gemeinschaftlichen Beschlussfassung über den Anschlag innerhalb der "RAF" Grund für Schuldgefühle der Beschuldigten sein. Nicht ausgeschlossen erscheint auch, dass die Beschuldigte ihr offensives Eintreten für die Parole "Der General muss weg" reut.
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Die handschriftliche Notiz der Beschuldigten vom 27. April 2007 ist zwar ein Indiz dafür, dass die Beschuldigte über Kenntnisse bezüglich des Anschlags auf Generalbundesanwalt Buback und seine Begleiter verfügt. Dies belegt jedoch nicht ohne Weiteres, dass sie an dem Anschlag in strafbarer Weise betei- ligt war. Die bei der "I-Ging"-Befragung von der Beschuldigten gestellte Frage "Ist es mein Täterwissen?" weist schließlich keinen speziellen Bezug zu dem Attentat vom 7. April 1977 auf.
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2. Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Beitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass dieser als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen (BGH NStZ 2007, 531). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein; Durchführung und Ausgang der Tat müssen somit zumindest aus der subjektiven Sicht des Tatbeteiligten maßgeblich auch von seinem Willen abhängen. Dabei deutet eine ganz untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (st. Rspr.; s. etwa BGH NStZ 2005, 228).
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Nach diesen Kriterien belegt das bisherige Ergebnis der Ermittlungen einen dringenden Verdacht für eine als Mittäterschaft zu qualifizierende Beteiligung der Beschuldigten an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback und seiner Begleiter nicht. Insbesondere lässt sich allein aus dem Umstand, dass die Beschuldigte als Führungsperson der Kerngruppe der "RAF" angehörte und diese eine gemeinschaftliche Absprache zur Durchführung der "Offensive 77" traf, zu der das Attentat vom 7. April 1977 gehörte, kein dringender Verdacht für ihre Mittäterschaft an einer der konkreten Straftaten herleiten, auf deren Begehung die Zwecke oder Tätigkeit der terroristischen Vereinigung gerichtet war. Andernfalls wäre konsequenterweise davon auszugehen, dass alle damaligen Mitglieder der inneren Gruppe der "RAF" für alle Straftaten als Mittäter verantwortlich sind, die im Rahmen der "Offensive 77" begangen wurden. Dies würde zum einen den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht, wie sie sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen darstellen. Danach waren nicht alle "RAF"-Mitglieder an allen konkreten Straftaten unmittelbar beteiligt. Vielmehr wurden innerhalb der "RAF" für die einzelnen Anschläge "Kommandos" gebildet, denen nicht alle, sondern lediglich bestimmte einzelne Vereinigungsmitglieder angehörten. Diese "Kommandos" begingen sodann die konkreten Straftaten. Zum anderen würden die Unterschiede bei der rechtlichen Bewertung von Tätigkeiten, die das Tatbestandsmerkmal der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB ausfüllen , und solchen, die der Begehung einer konkreten Straftat dienen, weitestgehend verwischt. Bei Anlegung der allgemeinen Maßstäbe für die Begründung der Mittäterschaft, von denen abzuweichen auch im Bereich terroristischer Kriminalität kein Anlass besteht, kommt eine Beteiligung als Mittäter an den konkreten Straftaten, auf die die Zwecke oder die Tätigkeit der Gruppierung gerichtet sind, nur dann in Betracht, wenn über die mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung hinaus die oben genannten Voraussetzungen der Mittäterschaft in Bezug auf die konkreten Straftaten festzustellen sind. Danach gilt:
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Zwar ist anzunehmen, dass das Interesse der Beschuldigten an der Tat sehr groß war. Jedoch kommt diesem Abgrenzungskriterium hier keine wesentliche Bedeutung zu, weil die Tatherrschaft nicht bei der Beschuldigten, sondern ausschließlich bei den unmittelbaren Tätern des Attentats lag (vgl. BGH wistra 2001, 420, 421). Die Beschuldigte war bei sachgerechter Bewertung des bisherigen Ermittlungsergebnisses an der eigentlichen Tatausführung selbst nicht beteiligt; deren konkreter Ausgang hing deshalb nicht von ihrem Willen ab. Eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie Tatherrschaft oder wenigstens den Willen hierzu hatte, besteht mit Blick auf die Rollenverteilung innerhalb der "RAF" demnach nicht. Ihr bei vorläufiger Würdigung feststellbarer objektiver Tatbeitrag erschöpft sich vielmehr in einer psychischen Unterstützung der Täter im Vorfeld der Tat. Dass dieser von ihr bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen geleistete Beitrag für die konkrete Ausführung des Attentats von wesentlicher Bedeutung war, ist derzeit nicht ersichtlich.
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3. Ausreichende Anhaltspunkte für einen dringenden Verdacht der Anstiftung zum Mord bestehen zurzeit nicht; denn das bisherige Ermittlungsergebnis belegt keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beschuldigte den Tatentschluss der unmittelbaren Täter des Anschlags hervorrief.
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4. Der derzeitige Ermittlungsstand begründet somit lediglich den dringenden Verdacht der Beihilfe zum Mord. Der Senat vermag nicht zu beurteilen, inwieweit der Inhalt der Akten des Bundesamts für Verfassungsschutz zur Begründung des dringenden Verdachts einer für eine Mittäterschaft ausreichend engen Beziehung der Beschuldigten zur Tat beitragen könnte; denn diese Schriftstücke sind bisher nicht zur Strafakte gelangt. Das vom Bundesamt für Verfassungsschutz abgegebene Behördenzeugnis vom 15. Juni 2007 ist insoweit nicht ausreichend ergiebig. Sollte das Bundesministerium des Innern bis zu einer eventuellen Hauptverhandlung über das Herausgabeersuchen des Generalbundesanwalts nicht entschieden oder die Herausgabe abgelehnt haben, wird das Tatgericht gegebenenfalls zu überprüfen haben, ob die derzeit geltende Sperrerklärung vom 25. Januar 2008 oder eine dann maßgebende neue derartige Erklärung eine ausreichende Begründung enthält. Dies wäre jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Behörde ihre Ablehnung nur auf formelhafte Wendungen ohne ausreichenden Bezug zu dem konkreten Fall stützt. Kommt das Tatgericht zu diesem Ergebnis, wird es die von der Rechtsprechung zu § 96 StPO entwickelten Rechtsbehelfe zu ergreifen haben (BGH NJW 2007, 3010, 3012 f.; Nack in KK aaO § 96 Rdn. 15, 17; Meyer-Goßner aaO § 96 Rdn. 9, je- weils m. w. N.). Bleiben diese ohne Erfolg, wird dies gegebenenfalls bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein (BGHSt 49, 112, 116 ff.).

V.

41
Ein Haftgrund besteht nicht.
42
Die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO liegen nicht vor. Diese Vorschrift lässt nach ihrem Wortlaut bei den darin aufgeführten Straftaten der Schwerkriminalität, zu denen täterschaftlich begangener Mord nach § 211 StGB und die Beihilfe hierzu gehören, die Anordnung der Untersuchungshaft auch dann zu, wenn ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO - namentlich Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr - nicht besteht. Bei der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 19, 342, 350 f.; BVerfG NJW 1966, 772) gebotenen verfassungskonformen Auslegung ist die Vorschrift wegen eines sonst darin enthaltenen offensichtlichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, welche die Gefahr begründen, dass ohne Festnahme des Beschuldigten die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein könnte. Genügen kann schon die zwar nicht mit bestimmten Tatsachen belegbare, aber nach den Umständen des Falles doch nicht auszuschließende Flucht- oder Verdunkelungsgefahr oder die ernstliche Befürchtung, dass der Täter weitere Taten ähnlicher Art begehen werde. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Feststellung, dass eine verhältnismäßig geringe oder entfernte Gefahr dieser Art besteht (BGHR StPO § 112 Abs. 3 Fluchtgefahr 1; Meyer-Goßner aaO § 112 Rdn. 38). Wenn nach den Umständen des Einzelfalles gewichtige Gründe gegen jede Flucht-, Verdunkelungs - oder Wiederholungsgefahr sprechen, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 3 StPO abzusehen (OLG Frankfurt StV 2000, 374, 375; OLG Düsseldorf StV 1982, 585; OLG Köln StV 1994, 584; Graf in KK aaO § 112 Rdn. 42).
43
Derartige gewichtige Gründe sind im vorliegenden Fall gegeben; sie schließen die hier allein in Betracht kommende Fluchtgefahr aus. Aufgrund der sich vor allem aus der besonderen verfahrensrechtlichen Konstellation ergebenden , gemessen am erheblichen Gewicht der Haupttat reduzierten Straferwartung sowie der persönlichen Umstände der Beschuldigten, die nach derzeitigem Ermittlungsstand der Entscheidung zugrunde zu legen sind, sind in dem dargestellten Sinne ausreichende Anhaltspunkte dafür nicht zu erkennen, dass die Beschuldigte sich dem Verfahren entziehen wird.
44
Die Beschuldigte hat für den Fall der Verurteilung wegen der Tat, deren sie dringend verdächtig ist - mithin der Beihilfe zum Mord - mit der Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe zu rechnen. Bei deren Bemessung wird das Tatgericht zu beachten haben, dass diese Strafe mit der lebenslangen Freiheitsstrafe gesamtstrafenfähig gewesen wäre (§ 53 StGB), auf die das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 28. Dezember 1977 wegen der im Zusammenhang mit der Festnahme am 3. Mai 1977 in Singen begangenen Straftaten erkannt hat. Die grundsätzlich mögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nach § 55 StGB kommt hier jedoch nicht in Betracht, weil der Bundespräsident im Gnadenwege nach vorheriger Aussetzung zur Bewährung die Verbüßung des noch nicht vollstreckten Teils der lebenslangen Strafe der Beschuldigten erlassen hat; die lebenslange Freiheitsstrafe gilt daher von Rechts wegen als vollständig vollstreckt. Sind in einem früheren Urteil verhängte, an sich gesamtstrafenfähige Einzelstrafen bereits vollstreckt und daher nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht mehr in die Gesamtstrafe einzubeziehen, so sind die sich durch die getrennte Aburteilung für den Angeklagten ergebenden Nachteile auszuglei- chen (Fischer, StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 21); denn ein Angeklagter darf nicht deshalb im Ergebnis schlechter gestellt werden, weil er eine von mehreren, an sich gesamtstrafenfähigen Strafen verbüßt hat und somit die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe nicht mehr möglich ist. Das Tatgericht wird deshalb im Fall der Verurteilung der Beschuldigten einen angemessenen Härteausgleich vorzunehmen haben.
45
Im Übrigen wird nach den in den §§ 46 ff. StGB gesetzlich bestimmten Grundsätzen der Strafzumessung zu Gunsten der Beschuldigten etwa zu bedenken sein, dass die Tat mittlerweile mehr als 32 Jahre und damit eine ganz erhebliche Zeit zurückliegt. Auch ist das Gewicht des konkreten Tatbeitrages, dessen sie derzeit dringend verdächtig ist, vergleichsweise gering.
46
Diese Gesichtspunkte führen - obgleich es sich bei dem Attentat vom 7. April 1977 um ein besonders brutales, in hohem Maße die den Wert eines Menschenlebens verachtende Gesinnung der damaligen Tatbeteiligten offenbarendes Verbrechen handelt, dem drei Personen zum Opfer fielen - dazu, dass die Straferwartung der Beschuldigten jedenfalls signifikant niedriger liegt als in den sonstigen Fällen der Schwerkriminalität, die typischerweise in den Regelungsbereich des § 112 Abs. 3 StPO fallen. Von der im Verurteilungsfall zu erwartenden Sanktion geht deshalb für die Beschuldigte kein bei der Beurteilung der Fluchtgefahr besonders ins Gewicht fallender Anreiz aus, sich dem Verfahren nicht zu stellen.
47
Die derzeit erkennbaren tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles lassen eine Flucht der Beschuldigten ebenfalls nicht erwarten. Der Beschuldigten ist seit 2008 bekannt, dass das Ermittlungsverfahren gegen sie wieder aufgenommen worden ist. Sie hat sich gleichwohl weiterhin in Deutschland aufgehalten und sich der polizeilichen Festnahme freiwillig gestellt. Sie verfügt zwar über Kontakte ins Ausland; dabei handelt es sich indes um gewöhnliche familiäre Beziehungen, ohne dass insoweit ein krimineller Hintergrund ersichtlich ist. In diesem Zusammenhang stellt es kein für eine Fluchtgefahr sprechendes Relativieren von Auslandskontakten dar, dass die Beschuldigte bei ihrer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls im August 2009 nicht angegeben hat, dass sie im Jahre 2007 einen zweiwöchigen Urlaub in Südafrika - vermutlich bei einer entfernten Verwandten - verbracht hat. Die Beschuldigte leidet an einer Erkrankung und ist auf die regelmäßige Einnahme von rezeptpflichtigen Medikamenten angewiesen. Sie lebt seit fast 20 Jahren im Haus ihrer Schwester in Berlin und unterhält Beziehungen zu ihrer Familie, hat mithin einen gefestigten Lebensmittelpunkt in Deutschland. Sie ist seit fünf Jahren befristet berentet und bezieht Hartz-IV-Leistungen, verfügt also nicht über erhebliche laufende Einnahmen.
48
Vor diesem Hintergrund ist es nicht von maßgebender Relevanz, dass die Beschuldigte in einem Telefongespräch vom 21. März 2009 mit dem ehemaligen "RAF"-Mitglied Mohnhaupt unter anderem ausführte, sie gehe nicht davon aus, dass "… se da was machen können, außer dass se halt sagen: Ja die Bekennerbriefe…". Diese bereits für sich betrachtet für die Frage der Fluchtgefahr eher unergiebige Passage verliert die ihr vom Generalbundesanwalt zugeschriebene Bedeutung, die Beschuldigte habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht ernstlich mit einer Anklageerhebung gerechnet, jedenfalls dann, wenn man sie im Zusammenhang mit dem übrigen Gesprächsinhalt würdigt. Dem Telefonat ist insgesamt eher eine gewisse Sorge der Beschuldigten bezüglich der neueren Entwicklungen der Beweislage als die Sicherheit zu entnehmen , dass keine weiteren Strafverfolgungsmaßnahmen durchgeführt werden.
49
Die in der während einer Zugfahrt am 27. April 2007 gefertigten persönlichen Notiz enthaltene Passage "Würde ich danach irgendwo gerne neu anfangen ?..." belegt lediglich, dass die Beschuldigte sich Gedanken über ihre damalige Situation und ihre Zukunft machte; sie taugt jedoch nicht als Indiz dafür, sie werde sich einem Strafverfahren entziehen. Es bedarf schließlich keiner näheren Erörterung, dass ausreichende Anhaltspunkte dafür, die Beschuldigte werde die Frage einer Flucht wesentlich von dem zufälligen Ausgang einer "I-Ging"-Befragung abhängig machen, nicht bestehen.
50
Bei zusammenfassender Würdigung der vorgenannten Umstände erscheint es somit ausgeschlossen, dass sich die Beschuldigte, in Freiheit belassen , dem Verfahren durch Flucht entziehen wird. Becker von Lienen Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 335/11
vom
7. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
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7.
8.
9.
10.
11.
12.
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14.
15.
16.
17.
18.
wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung u.a.
hier: Revisionen der Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. ,
Br. , Sü. und Re.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts am 7. Februar 2012 gemäß § 349
Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. , Br. , Sü. und Re. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11. April 2011, soweit es sie und die Mitangeklagten D. , G. , T. , Ho. , H. , Sch. , Rei. , St. , W. und Ku. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben mit Ausnahme des Schuldspruchs bezüglich der Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. in den Fällen C. I., II. und III. der Urteilsgründe, der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie der Einziehung des Wurfsterns, der Schlagringe, der Patronen und der Kartuschen mit Magazin.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. , Br. , Sü. und Re. sowie die nichtrevidierenden Mitangeklagten D. , G. , T. , Ho. , H. , Sch. , Rei. , St. und W. , die unter der Bezeichnung "Widerstand-Radio" ein Internetradio zur Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts betrieben, wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" in Tateinheit mit Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung , Billigung von Straftaten, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt. Weiter hat es die Mitangeklagten Ku. und W. - diesen in einem weiteren Fall - der "Bildung einer kriminellen Vereinigung", die Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. der Straftaten nach dem Waffengesetz sowie den Mitangeklagten D. der gemeinschädlichen Sachbeschädigung für schuldig befunden. Es hat gegen alle Angeklagten (Gesamt-)Freiheitsstrafen verhängt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revisionen der Angeklagten S. , R. , L. , B. , Ku. , Br. , Sü. und Re. haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht mehr an. Die Aufhebung des Urteils erstreckt sich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang auf die nichtrevidierenden Mitangeklagten.
2
I. Der Schuldspruch unterliegt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht den Mindestanforderungen entspricht, die an die richterliche Überzeugungsbildung zu stellen sind.
3
1. Das Landgericht hat bei der Verurteilung der Angeklagten wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" und - mit Ausnahme des Mitangeklagten Ku. - wegen zahlreicher mitverwirklichter Äußerungs- und Propagandadelikte unter anderem Feststellungen zu 150 Liedern größtenteils rechtsradikalen Inhalts getroffen, deren textliche Darstellung - teilweise in deutscher Überset- zung der englischen Originalfassung - über siebzig Urteilsseiten umfasst. Es hat weiter bei einem Großteil der Angeklagten über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr mit minutengenauer Darstellung der Spielzeiten eine Vielzahl von über das "Widerstand-Radio" gesendeten Liedern und Äußerungen der Angeklagten nach Datum und Uhrzeit festgestellt. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat es lediglich ausgeführt, die getroffenen Feststellungen beruhten "auf den glaubhaften geständigen Einlassungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung , den verlesenen Registerauszügen und den glaubhaften Bekundungen der Zeugen KOK Scha. und KOK Sto. , die insbesondere über den Gang des Ermittlungsverfahrens berichtet haben."
4
2. Das Landgericht hat sich damit - auf die Sachrüge beachtlich - seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten auf unzureichender Basis verschafft. Hierzu gilt:
5
a) Das deutsche Strafprozessrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass die Gerichte von Amts wegen den wahren Sachverhalt aufzuklären haben (§ 244 Abs. 2 StPO). Auf dieser Grundlage (§ 261 StPO) ist der Schuldspruch zu treffen und sind die entsprechenden Rechtsfolgen festzusetzen. Dieser Grundsatz darf - schon wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG) - nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden. Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte - unter Umständen im Rahmen einer Verfahrensabsprache - geständig zeigt. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 31). Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 21/08, NStZ 2009, 467 mwN). Die Beschränkung der Beweiswürdigung im Wesentlichen auf den bloßen Hinweis, der Angeklagte sei geständig gewesen, genügt insbesondere dann nicht, wenn aufgrund der Komplexität und der zahlreichen Details des festgestellten Sachverhalts Zweifel bestehen können, dass der Angeklagte an das Tatgeschehen eine auch in den Einzelheiten genügende Erinnerung hat (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1995 - 4 StR 698/95, StV 1996, 214, 215).
6
b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat es ausweislich der Urteilsgründe unterlassen, die Geständnisse der Angeklagten näher zu verifizieren. Damit beruht seine Überzeugung nicht auf einer tragfähigen Grundlage. Insbesondere mit Blick auf die jeweils genauen Texte einer großen Zahl teilweise fremdsprachiger Lieder sowie die Frage, welcher Angeklagte genau bei welcher Moderation genau welche Lieder zu Gehör brachte, liegt es auf der Hand, dass die Angeklagten sich insoweit nicht an die exakten Einzelheiten des zudem einige Zeit zurückliegenden Geschehens erinnern konnten.
7
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs wirkt gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Angeklagten Br. , der seine Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2006 - 1 StR 57/06, BGHSt 51, 34, 39), sowie zugunsten der nichtrevidierenden Mitangeklagten D. , G. , T. , Ho. , H. , Sch. , Rei. , St. , W. und Ku. , soweit sie wegen der nämlichen Tat, die sich hier nach der Mitgliedschaft an derselben kriminellen Vereinigung bestimmt, verurteilt worden sind. Der materiell-rechtliche Fehler einer unzureichenden Überzeugungsbildung betrifft den Angeklagten Br. sowie die genannten Mitangeklagten - die Mitangeklagten W. und Ku. (auch) wegen der Verurteilung unter I.2 der Urteilsformel - in gleicher Weise. Bezüglich der Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. erstreckt sich die Aufhebung indessen nicht auf die Verurteilung in den Fällen C. I., II. und III. der Urteilsgründe , die jeweils nicht die nämliche Tat im Sinne des § 357 StPO betrifft.
8
Dass sich die Anforderungen an die Urteilsgründe hinsichtlich der nichtrevidierenden Mitangeklagten nur nach dem Maßstab des § 267 Abs. 4 StPO bestimmen, steht einer Erstreckung nicht entgegen, denn es handelt sich hier nicht nur um einen bloßen Erörterungsmangel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. November 2004 - 5 StR 376/03, NStZ 2005, 223, insoweit nicht abgedruckt in BGHSt 49, 342 ff.; vom 4. Februar 1997 - 5 StR 12/97; vom 22. September 2011 - 2 StR 383/11, StV 2012, 133, 134). Vielmehr ist das Landgericht aufgrund einer unzureichenden Beweiswürdigung zu einer Verurteilung sämtlicher Angeklagter gelangt. Von der Verpflichtung des Tatgerichts, seine Überzeugung auf eine tragfähige Grundlage zu stützen, vermag aber auch § 267 Abs. 4 StPO, der nur Darstellungspflichten betrifft, nicht zu befreien.
9
II. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht für die Angeklagten S. , R. , L. , B. , K. , Br. , Sü. und Re. sowie die Mitangeklagten G. , T. , H. , Sch. , St. , W. , Ku. , D. , Ho. und Rei. die Aufhebung auch des Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Für die Mitangeklagten D. , Ho. und Rei. bleibt es allerdings bei den in den Fällen C. I., II. und III. der Urteilsgründe ver- hängten Einzelstrafen und der auf diesen Taten beruhenden Einziehungsentscheidung.
10
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
11
1. Das neue Tatgericht wird bei der rechtlichen Würdigung zu beachten haben, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zum Konkurrenzverhältnis (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 235) bei einer Verurteilung nach § 129 StGB im Schuldspruch die konkrete Begehungsform zu bezeichnen ist.
12
Nach den bisherigen Feststellungen waren die Angeklagten Sü. , G. und Ku. Gründer des "Widerstand-Radios" und beteiligten sich unmittelbar im Anschluss daran in der Folgezeit - teils unterschiedlich lang - als Mitglied an der Vereinigung. Sollte sich dies erneut bestätigen, stünde die Gründung, die im Verhältnis zur Beteiligung als Mitglied einen selbständigen Unrechtsgehalt aufweist , zu der mitgliedschaftlichen Betätigung in Tateinheit und wäre nicht nur bei der Bewertung des Schuldumfangs im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vielmehr gebietet es das Erfordernis der Rechtsklarheit in diesem Fall, bereits im Schuldspruch zu verdeutlichen, dass über die mitgliedschaftliche Beteiligung hinaus eine weitere, eigenständige Tathandlung des § 129 Abs. 1 StGB verwirklicht wurde (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009, aaO).
13
2. Sollte das neue Tatgericht im Rahmen der Hauptverhandlung erneut das Senden von Liedern und Äußerungen feststellen, wird es - genauer als bisher - jedes Lied und jede Äußerung, die es zur Grundlage des Schuld- und Strafausspruchs macht, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. insbesondere BVerfG, Beschlüsse vom 25. März 2008 - 1 BvR 1753/03, NJW 2008, 2907; vom 15. September 2008 - 1 BvR 1565/05, NJW 2009, 908; vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08, NJW 2009, 2805) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, juris) daraufhin zu untersuchen haben, ob hierdurch Äußerungs- und Propagandadelikte verwirklicht worden sind. Das gilt insbesondere für die Feststellung der in § 130 StGB unter Strafe gestellten Tathandlungen (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008, aaO Rn. 13 ff.).
14
3. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene mittäterschaftliche Zurechnung zu Lasten aller Angeklagten, die während eines gemeinsamen Zeitraums Mitglied der Vereinigung waren, unabhängig davon, ob sie in eigener Person ein Äußerungs- und Propagandadelikt begangen haben, widerspricht - wie auch die konkurrenzrechtliche Bewertung der einzelnen Taten - der ständigen Rechtsprechung. Danach hat nicht allein der Zusammenschluss zu einer kriminellen Vereinigung zur Folge, dass jede von einem Vereinigungsmitglied begangene Straftat jedem sonstigen Mitglied im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Mitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, NStZ 2010, 445, 447 f.; vom 24. Juli 2008 - 3 StR 243/08, StV 2008, 575; vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, StV 2004, 21, 22; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 25 Rn. 12a).
15
Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ist schon mangels eigener Tathandlung bzw. die fremde Tat fördernder Handlung für eine Zurechnung der Moderationen anderer Beteiligter jeweils wechselseitig über § 25 Abs. 2 StGB oder § 27 StGB kein Raum. Auch der vom Generalbundesanwalt herangezogene Umstand, dass es einen wöchentlichen "Teamspeak" gab - in dem u.a. auch über Aufnahme neuer und Ablösung bisheriger Moderatoren einstimmig abgestimmt wurde - und dieser für alle Mitglieder verpflichtend war, erlaubt keine Zurechnung der jeweils getätigten Äußerungs- und Propagandadelikte eben dieser zu anderen Mitgliedern der Vereinigung. Es stand nach den Feststellungen vielmehr den Betreffenden frei, wann und wie oft sie Moderationen durchführten, wobei jeder Moderator Titel aus seinem eigenen Bestand spielte. Dass die Moderatoren sich untereinander mit Titeln aushalfen und Liedtitel auch in einem nur für sie zugänglichen internen Forum abgelegt waren, kann mangels näherer Feststellungen zur Art der Titel und des Zugriffs darauf die Zurechnung ebenfalls nicht begründen.
16
Deshalb wird möglicherweise bei allen Beteiligten hinsichtlich der - tateinheitlich begangenen - Äußerungs- und Propagandadelikte vor allem darauf abzustellen sein, wie viele Verstöße sie durch eigenes Senden der Beiträge und Lieder verwirklicht haben. Zusätzlich wird zu prüfen sein, ob denjenigen Beteiligten, die einen wesentlichen Beitrag zur tatnotwendigen Infrastruktur geleistet haben, die von anderen Moderatoren gesendeten Inhalte als einheitliches Äußerungs- oder Propagandadelikt im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts zugerechnet werden können. Wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 19. April 2011 (3 StR 230/10, BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 3).
17
4. Schließlich wird das neue Tatgericht zugunsten des Angeklagten S. gegebenenfalls Anlass zur Prüfung einer Strafmilderung nach § 129 Abs. 6 Nr. 1, § 49 Abs. 2 StGB haben.
Becker Pfister Hubert Schäfer Menges

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

5 StR 632/98

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Vertreters
der Bundeskasse am 10. Oktober 2000 beschlossen:
Der Antrag des Rechtsanwalts P auf Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO für die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung am 8. November 1999 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e Der Senat hat den Nebenklägern auf ihren am 8. November 1999 gestellten Antrag mit Beschluß vom gleichen Tage Prozeßkostenhilfe für die Revisionsinstanz bewilligt und Rechtsanwalt P gemäß § 397a Abs. 2 StPO beigeordnet. Prozeßkostenhilfe kann grundsätzlich nicht über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus rückwirkend bewilligt werden (BGHR StPO § 397a Abs. 1 – Prozeßkostenhilfe 4 m.N.). Deshalb umfaßt die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe nicht die Teilnahme an der Hauptverhandlungs - sitzung vom 27. Oktober 1999. In der Fortsetzungssitzung am 8. November 1999 erfolgte lediglich die Urteilsverkündung. Dies rechtfertigt keine Pauschgebühr für den Nebenklägervertreter.
Harms Häger Basdorf Raum Brause

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.