Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13

bei uns veröffentlicht am27.01.2015
vorgehend
Landgericht Oldenburg (Oldenburg), 12 O 4144/11, 21.11.2012
Oberlandesgericht Oldenburg, 6 U 242/12, 02.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I I Z R 1 9 1 / 1 3
vom
27. Januar 2015
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe und die Richter
Dr. Drescher, Born und Sunder

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 2. Mai 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Leistungsantrags zurückgewiesen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren insgesamt auf 370.000 € und für den Auskunftsantrag auf 74.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Der Kläger ist neben H. H. , dem früheren Beklagten zu 2, Kommanditist der HH KG. Er hegt aufgrund im Einzelnen vorge- tragener Anhaltspunkte den Verdacht, der Grundbesitz der HH KG sei zu einem Preis weit unterhalb des Verkehrswertes - vermutlich an eine von H. H. kontrollierte Gesellschaft - veräußert worden. Mit der vorliegenden Stufenklage nimmt er die Beklagte zu 1, die Komplementärin der HH KG, im Wege der actio pro socio auf Auskunftserteilung unter Vorlage etwaiger notarieller Kaufverträge und auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und dies hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs damit begründet, dass der Kläger den Gesellschafterbeschluss vom 11. August 2008 nicht angegriffen habe, auf dessen Grundlage der Grundstücksverkauf erfolgt sei. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Beschwerde begehrt er die Zulassung der Revision mit dem Ziel, unter Aufhebung des Berufungsurteils die Verurteilung der Beklagten zu 1 gemäß den bisherigen Klageanträgen zu erreichen.
3
II. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den geltend gemachten Auskunftsanspruch - u.a. wegen der Möglichkeit, Einsicht in die Gesellschaftsunterlagen zu nehmen - verneint hat. Insoweit hat der Rechtsstreit der Parteien weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfahrensrügen geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.
4
III. Erfolg hat die Beschwerde aber, soweit sie den Leistungsantrag betrifft. Sie führt insoweit unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Be- rufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO).
5
1. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er seine vom Landgericht abgewiesenen Klageanträge gegen die Beklagte zu 1 weiterverfolgt hat, ohne Einschränkung zurückgewiesen. Damit erfasst die Entscheidung des Berufungsgerichts auch den Leistungsantrag und hätte, würde sie in Rechtskraft erwachsen, zur Folge, dass der Kläger den - seiner Ansicht nach bestehenden - Schadensersatzanspruch der HH KG wegen einer unterwertigen Veräußerung ihres Grundbesitzes auch nach einer Bezifferung dieses Anspruchs nicht mehr geltend machen könnte (vgl. zu den Rechtskraftwirkungen eines die Stufenklage insgesamt abweisenden Urteils BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 22/89, NJW-RR 1990, 390; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 322 Rn. 13).
6
2. In der Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht zur Abweisung des Leistungsantrags - abgesehen von einer allgemeinen Bezugnahme auf das als zutreffend bezeichnete Urteil des Landgerichts - nichts ausgeführt. Das Berufungsgericht ist insbesondere nicht auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung eingegangen, mit dem er geltend gemacht hat, der ohne seine Mitwirkung gefasste Gesellschafterbeschluss vom 11. August 2008 sei wegen eines gravierenden Einladungsmangels nichtig und außerdem ergebe sich aus diesem Gesellschafterbeschluss nicht, dass der Grundbesitz der HH KG tatsächlich zu den dort genannten Konditionen veräußert worden sei.
7
a) Die fehlende Behandlung des Leistungsantrags in den Entscheidungsgründen führt nicht nur dazu, dass die Berufungsentscheidung insoweit nicht mit den erforderlichen Gründen versehen ist (§ 522 Abs. 2 Satz 3, § 547 Nr. 6 ZPO). Aus dem Begründungsmangel ergibt sich zudem, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Der Berufungsentscheidung kann nicht entnommen werden, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers, in dem er sich mit der Begründung des Landgerichts für die Abweisung des Leistungsantrags befasst hat, inhaltlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
8
Zwar ist Art. 103 Abs. 1 GG erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht nachgekommen ist. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Feststellbar ist ein Gehörsverstoß aber dann, wenn das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen nicht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist (BVerfGE 86, 133, 145). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Entscheidung über den Leistungsantrag hat ausschlaggebende Bedeutung für das vom Kläger verfolgte Klageziel. Das Landgericht hat die Abweisung des Leistungsantrags allein auf die Wirkungen des Gesellschafterbeschlusses vom 11. August 2008 gestützt und auf die gegen diese Begründung gerichteten Angriffe des Klägers ist das Berufungsgericht nicht eingegangen.
9
b) Allerdings deutet der Inhalt der Berufungsentscheidung darauf hin, ohne dies zweifelsfrei erkennen zu lassen, dass das Berufungsgericht - trotz Übernahme des erstinstanzlich festgesetzten Streitwerts - angenommen haben könnte, der Leistungsantrag sei schon nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Eine solche Annahme könnte durch die etwas unglückliche Fassung der Berufungsanträge veranlasst worden sein. Der Kläger hat nämlich den prozessualen Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils den Sachanträgen nicht übergreifend vorangestellt, sondern in den Auskunftsantrag einbezogen.
10
Gleichwohl war sein Rechtsmittel nicht als eine auf den Auskunftsantrag beschränkte Berufung zu verstehen. Denn wenn der Kläger die Abweisung des Leistungsantrags durch das Landgericht hätte hinnehmen wollen, hätte er keine Veranlassung gehabt, diesen Sachantrag in die Berufungsanträge aufzunehmen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist zudem im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf das Recht auf Gehör im Zweifel das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Mai 1995 - II ZB 2/95, NJW-RR 1995, 1183, 1184; Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 9; Urteil vom 24. Juni 2010 - I ZR 166/08, GRUR 2010, 1026 Rn. 10 - Photodynamische Therapie ; Beschluss vom 18. Dezember 2014 - IX ZB 50/13, WM 2015, 251 Rn. 10). Im Streitfall entsprach es offensichtlich nicht der Interessenlage des Klägers, die Abweisung des Leistungsantrags rechtskräftig werden zu lassen und mit der Berufung lediglich den Auskunftsantrag weiterzuverfolgen, dessen Zweck im Rahmen einer Stufenklage gerade darin besteht, die Bezifferung des Leistungsantrags zu ermöglichen.
11
3. Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es den übergangenen Vortrag des Klägers berücksichtigt und sich mit der Frage befasst hätte, ob der Gesellschafterbeschluss vom 11. August 2008, wie vom Landgericht angenommen, dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch entgegensteht.
12
IV. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass dem Kläger nach der rechtskräftigen Abweisung des Auskunftsantrags zunächst Gelegenheit zu geben ist, den Leistungsantrag zu beziffern (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1957 - I ZR 192/56, GRUR 1958, 149, 150 unten). In der Sache wird sich das Berufungsgericht auch mit den Argumenten zu befassen haben, die die Beschwerdebegründung gegen die vom Landgericht angenommene anspruchsausschließende Wirkung des Gesellschafterbeschlusses vom 11. August 2008 vorbringt. Gegebenenfalls werden Feststellungen zu der Frage zu treffen sein, ob für die HH KG das kapitalgesellschaftsrechtliche Beschlussmängelrecht übernommen ist. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass das Kaufangebot, dessen Annahme die Gesellschafterversammlung am 11. August 2008 beschlossen hat, nur einen Teil des Grundvermögens der HH KG erfasste.
13
V. Der für das Beschwerdeverfahren insgesamt festgesetzte Streitwert entspricht dem Wert des Leistungsantrags (§ 44 GKG), den der Senat nach den Angaben des Klägers zur Höhe eines möglichen Schadens auf 370.000 € schätzt (§ 3 ZPO).
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 21.11.2012 - 12 O 4144/11 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 02.05.2013 - 6 U 242/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13 zitiert 7 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 44 Stufenklage


Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis sc

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2009 - XI ZB 15/09

bei uns veröffentlicht am 10.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 15/09 vom 10. November 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 251 Satz 2, § 520 Abs. 2 Satz 2, § 307 a) Der Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, enthält nicht

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2010 - I ZR 166/08

bei uns veröffentlicht am 24.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 166/08 Verkündet am: 24. Juni 2010 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2014 - IX ZB 50/13

bei uns veröffentlicht am 18.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB50/13 vom 18. Dezember 2014 in dem Verbraucherinsolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO § 204 Abs. 1 Satz 2 Die Befugnis zur Erhebung einer sofortigen Beschwerde gegen die Ableh
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - II ZR 191/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2018 - VIII ZR 68/17

bei uns veröffentlicht am 21.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 68/17 Verkündet am: 21. März 2018 Ermel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2018 - VIII ZR 84/17

bei uns veröffentlicht am 21.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 84/17 Verkündet am: 21. März 2018 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2017 - VI ZR 81/17

bei uns veröffentlicht am 26.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 81/17 vom 26. September 2017 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 280, § 823 I; GG Art. 103 Abs. 1 Zum Grundsatz der Subsidiarität im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahr

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2016 - II ZR 305/14

bei uns veröffentlicht am 21.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 305/14 Verkündet am: 21. Juni 2016 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Referenzen

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

9
aa) Bei Auslegung einer Prozesserklärung darf eine Partei nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden, sondern es ist davon auszugehen, dass sie mit ihrer Prozesshandlung das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1999 - XII ZR 94/98, NJW-RR 2000, 1446, vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 210/99, WM 2000, 1512, 1514 und vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07, NJW 2009, 751, Tz. 11; Beschlüsse vom 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388, vom 2. Juli 2004 - V ZR 290/03, NJW-RR 2005, 371, 372 und vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08, MDR 2009, 760). Dabei bestimmen allerdings, was die Rechtsbeschwerde übersieht, nicht allein die tatsächlichen Interessen der erklärenden Partei das Verständnis der abgegebenen Erklärung. Vielmehr müssen sich diese aus den im Zeitpunkt der Erklärung äußerlich in Erscheinung tretenden Umständen ersehen lassen. Maßgebend ist unter Beachtung der durch die gewählte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdruck kommende Wille des Erklärenden (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05, NJW-RR 2006, 862, Tz. 13, vom 30. Mai 2007 - XII ZB 82/06, NJW 2007, 3640, Tz. 26 und vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08, MDR 2009, 760).
10
a) Prozesshandlungen sind zwar keine rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen , aber grundsätzlich entsprechend den für diese geltenden Regeln auslegungsfähig. Die Auslegung darf daher auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern muss den wirklichen Willen der Parteien erforschen. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf das Recht auf Gehör ist im Zweifel als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (BGH, Beschl. v. 10.11.2009 - XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Tz. 9; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rdn. 248, jeweils m.w.N.). Das Verständnis der abgegebenen Erklärung wird dabei allerdings nur insoweit durch die tatsächlichen Interessen der erklärenden Partei bestimmt, als sich diese aus den äußerlich in Erscheinung tretenden Umständen ersehen lassen. Maßgebend ist daher unter Berücksichtigung der durch die gewollte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdruck gebrachte Wille des Erklärenden (BGH NJW-RR 2010, 275 Tz. 9 m.w.N.). Dabei sind alle Nebenumstände mit zu würdigen, die den Empfängern - im zweiseitigen Verfahren also sowohl dem Gericht als auch dem Prozessgegner - bekannt waren oder sein mussten. Bei fristgebundenen Prozesserklärungen, wie sie insbesondere bei der Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln abzugeben sind, können allerdings nur diejenigen Umstände berücksichtigt werden, die für die Empfänger innerhalb der Frist erkennbar waren (vgl. BGH, Beschl. v. 10.10.2006 - XI ZB 14/06, NJW-RR 2007, 413 Tz. 8; Beschl. v. 12.1.2010 - VIII ZB 64/09, juris Tz. 5; Stein/Jonas/Leipold aaO vor § 128 Rdn. 247, jeweils m.w.N.).
10
aa) Allerdings sind auch Erklärungen der Beteiligten in einem Insolvenzverfahren der Auslegung zugänglich. Entscheidend ist der objektive, dem Erklärungsempfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn. Bestehen insoweit Zweifel, ist davon auszugehen, dass der Erklärende das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und seiner recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschluss vom 22. Mai 1995 - II ZB 2/95, NJW-RR 1995, 1183 f; Urteil vom 24. November 1999 - XII ZR 94/98, NJW-RR 2000, 1446). Nicht zulässig ist es, einer eindeutigen Erklärung nachträglich einen Sinn zu geben, der dem Interesse des Erklärenden am besten dient. Auch die schutzwürdigen Belange anderer Beteiligter sind zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 233/01, MDR 2003, 1434; BAG, NJW 2010, 956 Rn. 12; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., Vor § 128 Rn. 25).

Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, ist für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere, maßgebend.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.