Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2015 - IX ZB 39/13

bei uns veröffentlicht am10.09.2015
vorgehend
Landgericht Dortmund, 12 O 393/12, 22.01.2013
Oberlandesgericht Hamm, 25 W 48/13, 24.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB39/13
vom
10. September 2015
in dem Vollstreckbarerklärungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel I-VO aF Art. 34 Nr. 1

a) Die Vollstreckbarerklärung eines polnischen Urteils verstößt gegen den deutschen
verfahrensrechtlichen ordre public international, wenn das polnische Gericht, weil
der in Deutschland wohnende Beklagte keinen in Polen ansässigen Prozessbevollmächtigten
oder Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat, gemäß Art. 1135 § 2
des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuchs die für diese Partei bestimmten gerichtlichen
Schriftstücke in der Gerichtsakte belassen und als zugestellt behandelt
hat.

b) Die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Urteils verstößt gegen den deutschen
verfahrensrechtlichen ordre public international, wenn es keine Begründung
enthält und sich auch in Verbindung mit anderen vorgelegten Unterlagen nicht zuverlässig
feststellen lässt, welchen Sachverhalt (Streitgegenstand) das Urteil betrifft.
BGH, Beschluss vom 10. September 2015 - IX ZB 39/13 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape
und die Richterin Möhring
am 10. September 2015

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdegegenstandes wird auf 47.027,56 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines polnischen Titels. Auf ihre Klage erließ das Bezirksgericht in Poznan am 21. November 2011 einen Mahnbescheid, gegen den die Antragsgegnerin termingemäß Widerspruch einlegte und die Abweisung der Klage beantragte. Am 30. Mai 2012 erließ das Gericht ein Urteil, das mit der Klage übereinstimmte. Das Urteil wurde am 22. Juni 2012 rechtskräftig. Am 17. Juli 2012 erteilte das Gericht die Vollstreckungsklausel.
2
Das Landgericht hat auf Antrag der Rechtsbeschwerdegegnerin das Urteil in Deutschland für vollstreckbar erklärt. Dieser Beschluss wurde der Antragsgegnerin zusammen mit dem polnischen Urteil zugestellt. Ihre hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht mit Maßgaben zur Höhe der Zahlungsverpflichtung zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich die Antragsgegnerin weiter gegen die Vollstreckbarerklärung.

II.


3
Auf das Verfahren findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 Anwendung , die am 1. März 2002 gemäß ihres Art. 76 in Kraft getreten ist (fortan EuGVVO aF) und auf alle Klagen anzuwenden ist, die - wie vorliegend - danach erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO aF). Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezember 2012 (fortan: EuGVVO nF) kommt nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO nF nicht zur Anwendung, weil das Verfahren nicht am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet worden ist, Art. 81 Abs. 2 EuGVVO nF. Für die vor dem 10. Januar 2015 eingeleiteten Verfahren findet nach Art. 66 Abs. 2 EuGVVO nF die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 weiterhin Anwendung (BGH, Beschluss vom 26. März 2015 - IX ZB 38/14 ZinsO 2015, 1466 Rn. 4).

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 44 EuGVVO aF in Verbindung mit § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 15 Abs. 1 AVAG, § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
5
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
6
1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, das Vorbringen der Antragsgegnerin stehe einer Vollstreckbarerklärung nicht entgegen. Die Zuständigkeit des polnischen Gerichts sei nicht mehr überprüfbar. Es sei gemäß Art. 42 Abs. 2 EuGVVO ausreichend, dass das Urteil erst mit der Vollstreckbarerklärung zugestellt worden sei. Der Einwand, das Urteil sei in der Sache falsch, sei unerheblich , weil das Urteil des polnischen Gerichts nach Art. 36 EuGVVO in der Sache nicht nachgeprüft werden dürfe.
7
2. Diese Ausführungen des Beschwerdegerichts übersehen einen wesentlichen , von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstand.
8
a) Derzeit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Vollstreckbarerklärung des polnischen Urteils gemäß Art. 45 Abs. 1, Art. 34 Nr. 1 EuGVVO ausscheidet, weil dies dem deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international widersprechen könnte.
9
aa) Der Versagungsgrund nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO ist im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 EuGVVO von Amts wegen auch ohne entsprechende Rüge des Antragsgegners zu prüfen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, FamRZ 2008, 586 Rn. 23 ff, 25; vom 3. August 2011 - XII ZB 187/10, BGHZ 191, 9 Rn. 24; vom 14. Juni 2012 - IX ZB 183/09, WM 2012, 1445 Rn. 9).
10
Die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen sind nicht von Amts wegen zu ermitteln, sondern nach dem insoweit anwendbaren autonomen Verfahrensrecht des Vollstreckungsstaates aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes von dem Antragsgegner darzulegen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007, aaO Rn. 26; vom 8. März 2012 - IX ZB 144/10, WM 2012, 662 Rn. 17; vom 14. Juni 2012, aaO). Die Antragsgegnerin hat zwar - ebenso wie die Antragstellerin - zu den Einzelheiten des polnischen Verfahrens nichts vorgetragen. Die Umstände, insbesondere dass das Urteil erstmals mit der Vollstreckbarerklärung durch das Landgericht zugestellt wurde, legen aber - wie die Antragsgegnerin in der Rechtsbeschwerdebegründung geltend gemacht hat - die Vermutung nahe, dass das polnische Gericht nach Art. 1135 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuchs (künftig: ZVGB) verfahren ist. Hierzu hätte das Beschwerdegericht der Antragsgegnerin durch Hinweise nähere Darlegungen ermöglichen müssen, um die erforderliche Prüfung eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public zu ermöglichen.
11
bb) Eine Anwendung der Vorbehaltsklausel des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO kommt allerdings nur in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (EuGH, Urteil vom 2. April 2009 - C-394/07, Gambazzi/Daimler Chrysler, NJW 2009, 1938 Rn. 27; vom 28. April 2009 - C-420/07, Apostolides /Orams, EuGRZ 2009, 210 Rn. 59).
12
Bei der Prüfung des Verfahrens des Urteilsstaates kann deshalb nicht schon dann die Anerkennung versagt werden, wenn die Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden ist, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozessrechts abweicht. Ein Versagungsgrund ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das sich von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße entfernt, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Nur dies und nicht die Frage, ob bei gleicher Verfahrensweise der deutsche Richter gegen tragende Grundsätze des deutschen Verfahrensrechts verstoßen hätte, bildet den Maßstab dafür, ob die Entscheidung des ausländischen Gerichts gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international verstoßen hat (BGH, Urteil vom 18. Oktober 1967 - VIII ZR 145/66, BGHZ 48, 327, 331; Beschluss vom 21. März 1990 - XII ZB 71/89, NJW 1990, 2201, 2202 f; Urteil vom 4. Juni 1992 - IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312, 320 f; Beschluss vom 14. Juni 2012 - IX ZB 183/09, WM 2012, 1445 Rn. 10 ff).

13
Der Schutz des rechtlichen Gehörs erstreckt sich nicht auf eine bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung. Bei der Anwendung des verfahrensrechtlichen ordre public international ist auf die Grundsätze abzustellen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Dies ist einmal das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit , das grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ferner verlangt das Gebot der Achtung der Menschenwürde, dass ein Beteiligter in der Lage sein muss, auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluss zu nehmen (BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - XII ZB 50/06, BGHZ 182, 204 Rn. 25 mwN; Beschluss vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 12 mwN). Sanktionen verfahrensrechtlicher Art gegen eine Partei , die diese vom Verfahren ausschließen, dürfen nicht offensichtlich außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, einen wirksamen Verfahrensablauf zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 2. April 2009, aaO Rn. 40 f; BGH, Urteil vom 18. Oktober 1967, aaO S. 332 f; Beschluss vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 12). Darüber hinaus hat in erster Linie jede Partei selbst nach besten Kräften für ihre eigene ordnungsgemäße Vertretung in einem ihr bekannten Gerichtsverfahren zu sorgen (BGH, Urteil vom 29. April 1999 - IX ZR 263/97, BGHZ 141, 286, 297 f; Beschluss vom 2. September 2009, aaO Rn. 26; vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 13).
14
cc) Art. 1135 ZVGB sieht in § 1 vor, dass die Partei, die ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat, verpflichtet ist, einen Zustellungsbevollmächtigten in der Republik Polen zu benennen, wenn sie keinen in der Republik Polen ansässigen Prozessbevollmächtigten bestellt. § 2 bestimmt für den Fall, dass kein Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, dass die für diese Partei bestimmten gerichtlichen Schriftstücke in der Gerichtsakte zu be- lassen sind und als zugestellt gelten. Darüber ist die Partei in der ersten Zustellung zu belehren.
15
dd) Ein Vorgehen des polnischen Gerichts nach dieser Vorschrift, wie sie im vorliegenden Fall vermutlich vorlag, verstößt gegen den deutschen ordre public.
16
(1) Nachdem der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 26. August 2009 (XII ZB 169/07, BGHZ 182, 188 Rn. 14) diese Frage noch offengelassen und lediglich festgestellt hatte, dass Art. 1135 § 2 ZVGB das durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Recht nicht unerheblich beeinträchtige , hat der erkennende Senat im Beschluss vom 14. Juni 2012 (IX ZB 183/09, WM 2012, 1445) einen Verstoß gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international verneint (vgl. im Einzelnen aaO Rn. 8 ff), weil die dortige Antragsgegnerin entsprechend der vorgeschriebenen Belehrungen in der ersten Zustellung entweder selbst oder durch ihren Anwalt einen in Polen wohnhaften Anwalt als Unterbevollmächtigten hätte bestellen oder einen Zustellungsbevollmächtigten hätte benennen können. Denn dann hätte sie am polnischen Verfahren teilnehmen können (aaO Rn. 23). Der Senat hat in jener Entscheidung offengelassen, ob die genannte polnische Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (aaO Rn. 26).
17
(2) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat inzwischen mit Urteil vom 19. Dezember 2012 (C-325/11, Alder/Orlowski, NJW 2013, 443) entschieden , dass die genannten polnischen Vorschriften mit Unionsrecht unvereinbar sind. Sollten die polnischen Gerichte diese Vorschriften angewandt haben, haben sie gegen Unionsrecht verstoßen.
18
Nach den Ausführungen des Gerichtshofs sieht die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedsstaaten ("Zustellung von Schriftstücken" ) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates nur zwei Umstände vor, unter denen die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstückes von einem Mitgliedsstaat in einen anderen ihrem Anwendungsbereich entzogen ist, nämlich wenn der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Empfängers unbekannt ist, oder wenn dieser einen Bevollmächtigten in dem Mitgliedsstaat benannt hat, in dem das Gerichtsverfahren stattfindet (EuGH, aaO Rn. 24). Da diese Verordnung nach ihrem Art. 26 Abs. 2 seit 13. November 2008 gilt und die genannten Ausnahmen nicht vorliegen, war die Verordnung im vorliegenden Fall anwendbar.
19
(3) Für den hier gegebenen Fall der Anwendbarkeit der Verordnung hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Mechanismus der fiktiven Zustellung, wie er in Art. 1135 ZVGB vorgesehen ist, als mit dieser Verordnung unvereinbar anzusehen ist. Denn dieser Mechanismus nehme dem Recht des Empfängers eines gerichtlichen Schriftstücks, der sein Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Mitgliedsstaat hat, in dem das gerichtliche Verfahren stattfindet , auf einen tatsächlichen und konkreten Empfang des Schriftstücks namentlich deshalb jede praktische Wirksamkeit, weil ihm weder eine Kenntnisnahme von dem Schriftstück, die so rechtzeitig ist, dass er seine Verteidigung vorbereiten kann, noch die Übersetzung des Schriftstücks gewährleistet ist (EuGH, aaO Rn. 40 f).
20
Wegen des Vorrangs europäischen Rechts hätte deshalb Art. 1135 ZVGB keine Anwendung finden dürfen.

21
(4) Ein polnisches Urteil, das gleichwohl unter Zugrundelegung von Art. 1135 ZVGB zustande gekommen ist und damit unter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht , kann wegen Verstoßes gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public international nicht mehr für vollstreckbar erklärt werden. Die Anerkennung und Vollstreckung beeinträchtigte in diesem Fall nicht nur den Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Sie verstieße zudem gegen wesentliche Rechtsgrundsätze Europäischen Rechts und damit gegen Rechtsvorschriften, die sowohl im Urteilsstaat wie im Vollstreckungsstaat Geltung beanspruchen, um das Verteidigungsrecht des Beklagten zu schützen. Das Recht des Empfängers auf einen tatsächlichen und konkreten Empfang eines zuzustellenden gerichtlichen Schriftstücks verlöre seine praktische Wirksamkeit.
22
b) Die Vollstreckbarerklärung des polnischen Urteils ist derzeit außerdem deshalb nicht möglich, weil dieses keine Begründung enthält. Es lässt nicht einmal erkennen, ob es sich um ein streitiges Urteil oder ein Versäumnisurteil handelt und ob die unionsrechtswidrige Regelung des Art. 1135 ZVGB angewandt worden ist. Deshalb lässt sich derzeit auch insoweit nicht feststellen, ob die Vollstreckbarerklärung gegen Art. 34 Nr. 1 EuGVVO aF (ordre public) verstößt.
23
aa) Schon das unionsrechtliche Recht auf ein faires Verfahren, das sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten ergibt und in Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt wurde, verlangt, dass jede gerichtliche Entscheidung mit Gründen zu versehen ist, damit der Beklagte die Gründe seiner Verurteilung verstehen und gegen eine solche Entscheidung auf zweckdienliche und wirksame Weise Rechtsmittel einlegen kann (EuGH, Urteil vom 6. September 2012 - C-619/10, Trade Agency/Seramico, EuZW 2012, 912 Rn. 52 f). Deshalb kann ein Gericht des Vollstreckungsmitgliedsstaates grundsätzlich davon ausgehen, dass eine ergangene Entscheidung, die keine Würdigung in Bezug auf den Gegenstand, die Grundlage und die Begründetheit der Klage enthält, eine Beschränkung des Grundrechts in der Rechtsordnung dieses Mitgliedsstaats darstellt (EuGH, aaO Rn. 53 f). Das Grundrecht auf ein faires Verfahren kann allerdings Beschränkungen unterliegen, sofern diese tatsächlich Zielen des Allgemeininteresses entsprechen, die mit den in Rede stehenden Maßnahmen verfolgt werden und keine offensichtliche und unverhältnismäßige Beeinträchtigung darstellen. Der Umfang der Begründungspflicht kann nach Art und Umfang des Verfahrens variieren. Deshalb bedarf es einer umfassenden Würdigung der mit der Entscheidung einhergehenden Verfahrensgarantien, um zu prüfen, ob diese den betroffenen Personen die Möglichkeit geben, in zweckdienlicher und wirksamer Weise Rechtsmittel einzulegen (EuGH, aaO Rn. 55, 60).
24
bb) Nach deutschem Recht sind gemäß § 313b Abs. 1 ZPO Versäumnisund Anerkenntnisurteile nicht mit Tatbestand und Entscheidungsgründen zu versehen. Sie müssen aber als solche Urteile bezeichnet werden. Sollen sie im Ausland für vollstreckbar erklärt werden, sind diese Urteile gemäß § 30 Abs. 1 AVAG zu vervollständigen. Dann sind Tatbestand und Entscheidungsgründe nach § 30 Abs. 2 AVAG nachträglich abzufassen.
25
cc) Nach Art. 328 ZVGB werden in Polen streitige Urteile nur auf Antrag der Partei begründet oder dann, wenn ein Rechtsmittel eingelegt wurde. Ein Versäumnisurteil ist entsprechend Art. 342 ZVGB nicht zu begründen, nur die vollständige oder teilweise Klageabweisung, wenn der Kläger dies beantragt oder Berufung eingelegt hat.

26
Nach Art. 1144 ZVGB ist jedoch eine nicht begründete rechtskräftige Entscheidung eines polnischen Gerichts auf Antrag mit Gründen zu versehen, wenn dies zur Anerkennung und Vollstreckung im Ausland erforderlich ist.
27
dd) Aus dem für vollstreckbar zu erklärenden polnischen Urteil ergibt sich nicht, weshalb die Antragsgegnerin verurteilt wurde. Es ist nicht einmal der zugrunde liegende Sachverhalt erkennbar. Aus dem Beschluss vom 17. Februar 2011, mit dem die Vollstreckungsklausel erteilt wurde, ergibt sich zwar, dass das Urteil der Klage entspricht. Was indessen Gegenstand der Klage war, ist nicht vorgetragen. Die Feststellung, welcher Sachverhalt überhaupt Gegenstand der Verurteilung war, kann zwar gegebenenfalls, soweit dies zuverlässig möglich ist, auch anhand anderer Unterlagen festgestellt werden, welche die fachliche Begründung allein oder zusammen mit anderen Unterlagen (hier: etwa Klage und Beschluss über die Erteilung der Vollstreckungsklausel) ersetzen. Die Klage hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Auf das Erfordernis hätte sie hingewiesen werden müssen.
28
Die Vollstreckbarerklärung eines Urteils, das weder allein noch zusammen mit anderen vorgelegten Urkunden den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht erkennen lässt, verstößt gegen den deutschen verfahrensrechtlichen ordre public, weil in späteren Verfahren nicht feststellbar wäre, ob gegen den Antragsgegner Ansprüche geltend gemacht werden, über die bereits rechtskräftig entschieden ist.
Kayser Vill Lohmann
Pape Möhring

Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 22.01.2013 - 12 O 393/12 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 24.05.2013 - I-25 W 48/13 -

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1. Auf das Verfahren findet die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 Anwendung, die in allen (damaligen) Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme Dänemarks am 1. März 2002 in Kraft getreten ist (Art. 76 EuGVVO aF) und auf alle Klagen anzuwenden ist, die - wie vorliegend - danach erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1 EuGVVO aF). Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezember 2012 (fortan: EuGVVO nF) kommt nach Art. 66 Abs. 1 EuGVVO nF nicht zur Anwendung, weil das Verfahren nicht am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet worden ist. Für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete Verfahren findet nach Art. 66 Abs. 2 EuGVVO nF die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 weiterhin Anwendung.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts findet die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe des § 574 Absatz 1 Nummer 1, Absatz 2 der Zivilprozessordnung statt.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen.

(3) Die Rechtsbeschwerdefrist ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses (§ 13 Absatz 3).

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

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Teilweise wird angenommen, dass unter Berücksichtigung des besonderen Beschleunigungs- und Vereinfachungsgebots unter der Geltung der Brüssel I-VO keine Veranlassung besteht, das Rechtsbehelfsverfahren dadurch zu verzögern , dass das Beschwerdegericht von Amts wegen Anerkennungshindernisse prüft, auf die sich der Schuldner überhaupt nicht berufen hat. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der betroffene Versagungsgrund - wie in den Fällen der Versagung rechtlichen Gehörs im erststaatlichen Verfahren - allein dem Schutz des Beklagten, nicht aber auch innerstaatlichen Belangen des Vollstreckungsstaates dient (vgl. Geimer/Schütze/Geimer Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 101; Schlosser aaO Art. 34-36 EuGVVO Rdn. 21; Rauscher/Leible aaO Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 41; nun wohl auch Kropholler Europäisches Zivilverfahrensrecht 8. Aufl. vor Art. 33 EuGVO Rdn. 6 und Art. 34 EuGVO Rdn. 45).
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Gegen das Urteil des polnischen Amtsgerichts war nach Art. 367 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuches (ZVGB) eine Berufung zulässig. Nach dem Inhalt der Entscheidung und der ausdrücklichen Stellungnahme des Bezirksgerichts im Vollstreckbarkeitsverfahren hatte das Amtsgericht berücksichtigt , dass der Antragsgegner auf die Zustellung der Klageschrift in der Sache geantwortet hatte und deswegen nicht in Form eines Versäumnisurteils entschieden. Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsgegner nach Art. 1135 § 1 und 2 ZVGB keine weiteren Zustellungen zugegangen sind und ihm auch das Urteil des Amtsgerichts nicht zugestellt wurde, liegen nicht vor (vgl. insoweit Senatsbeschluss BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816 Rn. 41 ff.). Zwar sind die Versagungsgründe des § 34 EuGVVO im Vollstreckbarkeitsverfahren von Amts wegen auch ohne eine entsprechende Rüge des Beklagten zu prüfen. Dabei besteht allerdings keine Verpflichtung des Beschwerdegerichts, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05 - FamRZ 2008, 586 Rn. 22 ff.). Eine fehlende Zustellung des polnischen Ausgangsurteils hat der Antragsgegner im Vollstreckbarkeitsverfahren nicht behauptet.
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a) Die Vollstreckbarerklärung des Landgerichts darf gemäß Art. 45 Abs. 1 EuGVVO nur aus den Gründen der Art. 34 und 35 EuGVVO aufgehoben werden. Nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO wird die Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Anerkennungsstaates offensichtlich widersprechen würde. Dieses Anerkennungshindernis ist von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, NJW-RR 2008, 586 Rn. 25). Die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen sind jedoch nicht von Amts wegen zu ermitteln, sondern wären nach dem insoweit anwendbaren autonomen Verfahrensrechts des Vollstreckungsstaates aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes von der Antragsgegnerin darzulegen gewesen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007, aaO Rn. 26; vom 8. März 2012 - IX ZB 144/10, WM 2012, 662 Rn. 17).
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a) Der allgemeine Einwand eines Verstoßes gegen den ordre-public nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO greift nach dem weiteren Vorbringen der Antragsgegnerin nicht durch. Der Versagungsgrund des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO kann zwar im Falle eines Prozessbetrugs der Gläubigerin eingreifen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 1986 - IX ZB 27/86, IPRax 1987, 236, 237; vom 6. Mai 2004 - IX ZB 43/03, WM 2004, 1391, 1393). Hierfür trägt die Antragsgegnerin jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, was ihr aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes obläge (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, NJW-RR 2008, 586 Rn. 22 ff; vom 3. August 2011 - XII ZB 187/10, NJW 2011, 3103 Rn. 24 zVb. in BGHZ; Schlosser , aaO Art. 34-36 EuGVVO Rn. 34; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., A. 1 Art. 34 Rn. 57 mwN).
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a) Die Vollstreckbarerklärung des Landgerichts darf gemäß Art. 45 Abs. 1 EuGVVO nur aus den Gründen der Art. 34 und 35 EuGVVO aufgehoben werden. Nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO wird die Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Anerkennungsstaates offensichtlich widersprechen würde. Dieses Anerkennungshindernis ist von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, NJW-RR 2008, 586 Rn. 25). Die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen sind jedoch nicht von Amts wegen zu ermitteln, sondern wären nach dem insoweit anwendbaren autonomen Verfahrensrechts des Vollstreckungsstaates aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes von der Antragsgegnerin darzulegen gewesen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007, aaO Rn. 26; vom 8. März 2012 - IX ZB 144/10, WM 2012, 662 Rn. 17).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

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Der Schutz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) erstreckt sich also nicht auf eine bestimmte verfahrensrechtliche Ausgestaltung. Bei der Anwendung jener Verfahrensbestimmung zur Konkretisierung des gemäß Art. 5 Nr. 1 HUVÜ 73 maßgeblichen verfahrensrechtlichen ordre public ist vielmehr auf die Grundsätze abzustellen, die Art. 103 Abs. 1 GG schützen will. Dies ist einmal das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, das grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ferner verlangt das Gebot der Achtung der Menschenwürde, dass ein Beteiligter in der Lage sein muss, auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluss zu nehmen (BVerfGE 63, 332, 337 und BGHZ 118, 312, 321 jeweils m.w.N.; Rauscher/ Leible Europäisches Zivilprozessrecht Bd. 1 Art. 34 Brüssel I-VO Rdn. 13 ff.; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht 7. Aufl. Art. 34 EuGVVO Rdn. 13 ff.).
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Allerdings darf die zu vollstreckende ausländische Entscheidung sowohl nach Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO = Brüssel I-VO), als auch nach Art. 12 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 (HUVÜ 73) nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden. Während Art. 27 Nr. 4 des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 10. September 1988 (LugÜ) noch ausdrücklich einen Verstoß gegen Vorschriften des internati- onalen Privatrechts im Rahmen einer Vorfrage als Anerkennungshindernis bezeichnet , werden diese Entscheidungen jetzt unmittelbar durch Art. 33 Brüssel I-VO bzw. Art. 4 HUVÜ 73 anerkannt (Martiny FamRZ 2008, 1681, 1686). Im Hinblick auf das Verbot der révision au fond darf die Vorfrage der Abstammung nur noch bei besonders gravierenden Verstößen gegen den ordre public überprüft werden (vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2006, 968; 2004, 719 und IPRspr 2004, 403 sowie Geimer IPRax 2004, 419, 420). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch vor.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

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a) Die Vollstreckbarerklärung des Landgerichts darf gemäß Art. 45 Abs. 1 EuGVVO nur aus den Gründen der Art. 34 und 35 EuGVVO aufgehoben werden. Nach Art. 34 Nr. 1 EuGVVO wird die Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Anerkennungsstaates offensichtlich widersprechen würde. Dieses Anerkennungshindernis ist von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - XII ZB 240/05, NJW-RR 2008, 586 Rn. 25). Die hierfür entscheidungserheblichen Tatsachen sind jedoch nicht von Amts wegen zu ermitteln, sondern wären nach dem insoweit anwendbaren autonomen Verfahrensrechts des Vollstreckungsstaates aufgrund des in Deutschland geltenden Beibringungsgrundsatzes von der Antragsgegnerin darzulegen gewesen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2007, aaO Rn. 26; vom 8. März 2012 - IX ZB 144/10, WM 2012, 662 Rn. 17).

(1) Wird durch Versäumnisurteil, Anerkenntnisurteil oder Verzichtsurteil erkannt, so bedarf es nicht des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe. Das Urteil ist als Versäumnis-, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil zu bezeichnen.

(2) Das Urteil kann in abgekürzter Form nach Absatz 1 auf die bei den Akten befindliche Urschrift oder Abschrift der Klage oder auf ein damit zu verbindendes Blatt gesetzt werden. Die Namen der Richter braucht das Urteil nicht zu enthalten. Die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten sind in das Urteil nur aufzunehmen, soweit von den Angaben der Klageschrift abgewichen wird. Wird nach dem Antrag des Klägers erkannt, so kann in der Urteilsformel auf die Klageschrift Bezug genommen werden. Wird das Urteil auf ein Blatt gesetzt, das mit der Klageschrift verbunden wird, so soll die Verbindungsstelle mit dem Gerichtssiegel versehen oder die Verbindung mit Schnur und Siegel bewirkt werden.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn zu erwarten ist, dass das Versäumnisurteil oder das Anerkenntnisurteil im Ausland geltend gemacht werden soll.

(4) Absatz 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Prozessakten elektronisch geführt werden.

(1) Will eine Partei ein Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil, das nach § 313b der Zivilprozessordnung in verkürzter Form abgefasst worden ist, in einem anderen Vertrags- oder Mitgliedstaat geltend machen, so ist das Urteil auf ihren Antrag zu vervollständigen. Der Antrag kann bei dem Gericht schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Über den Antrag wird ohne mündliche Verhandlung entschieden.

(2) Zur Vervollständigung des Urteils sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe nachträglich abzufassen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übergeben; der Tatbestand und die Entscheidungsgründe können auch von Richtern unterschrieben werden, die bei dem Urteil nicht mitgewirkt haben.

(3) Für die Berichtigung des nachträglich abgefassten Tatbestands gilt § 320 der Zivilprozessordnung entsprechend. Jedoch können bei der Entscheidung über einen Antrag auf Berichtigung auch solche Richter mitwirken, die bei dem Urteil oder der nachträglichen Anfertigung des Tatbestands nicht mitgewirkt haben.

(4) Die vorstehenden Absätze gelten entsprechend für die Vervollständigung von Arrestbefehlen, einstweiligen Anordnungen und einstweiligen Verfügungen, die in einem anderen Vertrags- oder Mitgliedstaat geltend gemacht werden sollen und nicht mit einer Begründung versehen sind.