Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - IX ZR 210/10

bei uns veröffentlicht am14.07.2011
vorgehend
Landgericht Berlin, 23 O 140/09, 02.12.2009
Kammergericht, 9 U 24/10, 13.10.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 210/10
vom
14. Juli 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Staatshaftungsanspruch aus der verspäteten innerstaatlichen Umsetzung
einer EG-Richtlinie hergeleitet, welche die bevorrechtigte Behandlung von Versicherungsforderungen
bei Insolvenz eines Versicherungsunternehmens anordnet, handelt
es sich um einen von dem jeweiligen Versicherungsnehmer zu verfolgenden
Einzelschaden und nicht um einen von dem Insolvenzverwalter geltend zu machenden
Gesamtschaden.
BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - IX ZR 210/10 - KG Berlin
LG Berlin
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
Richterin Möhring
am 14. Juli 2011

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 13. Oktober 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 150.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 28. Februar 2004 über das Vermögen der A. (nachfolgend: Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die Richtlinie 2001/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 (nachfolgend: Richtlinie) sieht in Art. 10 Abs. 1 bei Liquidation eines Versicherungsunternehmens die Sicherstellung der bevorrechtigten Behandlung von Versicherungsforderungen im Sinne von Art. 2 lit K der Richtlinie gegenüber anderen gegen das Unternehmen gerichteten Forderungen vor.
Die Mitgliedsstaaten waren nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet, der gebotenen innerstaatlichen Rechtsangleichung vor dem 20. April 2003 nachzukommen. Die beklagte B. hat die Richtlinie erst durch das Gesetz zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten vom 10. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2478 ff) mit Wirkung zum 17. Dezember 2003 in innerstaatliches Recht transformiert. Nach der nunmehr maßgeblichen Regelung der §§ 66, 77a Versicherungsaufsichtsgesetz (fortan: VAG) ist das von den Versicherungsunternehmen zu bildende Sicherungsvermögen dem vorrangigen Zugriff der Inhaber von Versicherungsforderungen vorbehalten.
3
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der verspäteten Umsetzung der Richtlinie auf Feststellung in Anspruch, den Gläubigern der Schuldnerin, die am 20. April 2003 Versicherungsforderungen im Sinne des Art. 2 lit K der Richtlinie hatten oder später erworben haben, alle wegen der verspäteten Umsetzung der Richtlinie entstandenen und entstehenden Schäden zu ersetzen. Die Vordergerichte haben die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

II.


4
Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf. Die Sache ist im Übrigen richtig entschieden. Aus § 92 InsO vermag der Kläger eine Prozessführungsbefugnis nicht herzuleiten. Dies ergibt sich aus den zu dieser Vorschrift bereits entwickelten anerkannten Rechtsgrundsätzen.
5
1. Gemäß § 92 InsO können Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur von dem Verwalter geltend gemacht werden. Eine Verminderung der Insolvenzmasse als Grundvoraussetzung der Bestimmung ist hier nicht eingetreten.
6
a) § 92 InsO enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern regelt die Einziehung einer aus einer anderen Rechtsgrundlage - hier aus europäischem Gemeinschaftsrecht - herrührenden Forderung (MünchKomm-InsO/Brandes, 2. Aufl. § 92 Rn. 4; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 92 Rn. 6; Jaeger/Müller, InsO, § 92 Rn. 4; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 92 Rn. 5; HmbKommInsO /Pohlmann, 3. Aufl., § 92 Rn. 4). Die Norm erfasst nur solche Schadensersatzansprüche , die auf einer Verkürzung der Insolvenzmasse beruhen; ihr Zweck ist es, eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus dem Vermögen des wegen Masseverkürzung haftpflichtigen Schädigers zu sichern (BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 - IX ZR 334/01, WM 2003, 1178, 1180 f; vom 20. September 2004 - II ZR 302/02, WM 2004, 2254, 2256; BTDrucks. 12/2443 S. 139). Maßgebliche Voraussetzung des Einziehungsrechts ist folglich eine Verminderung der Insolvenzmasse, die sich in einer Verringerung der Aktiva oder in einer Vermehrung der Passiva manifestieren kann (HKInsO /Kayser, aaO; Jaeger/Müller, aaO).
7
b) Im Streitfall fehlt es bereits an einer Verminderung der Insolvenzmasse ; ihr Umfang ist durch die verspätete Umsetzung der Richtlinie nicht berührt worden. Der in Ausführung der Richtlinie eingefügte § 77a VAG sieht die Sicherstellung von Versicherungsforderungen durch den bevorrechtigten Zugriff auf das Sicherungsvermögen (§ 66 VAG) vor. Dadurch wird das Sicherungsvermögen als Teil der Insolvenzmasse des Versicherungsunternehmens der Befriedigung insbesondere der Versicherten und der Versicherungsnehmer (vgl. § 77a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VAG) vorbehalten. Die verspätete Einführung dieser Regelung durch die Beklagte hat die auch zur Befriedigung der Versicherten und Versicherungsnehmer dienende Insolvenzmasse nicht verringert. Diesem Personenkreis wurde lediglich im Hinblick auf seine Befriedigung aus der unveränderten Insolvenzmasse ein insolvenzrechtlicher Vorrang verwehrt. Die rechtzeitige Einführung des § 77a VAG hätte demgegenüber die zur Befriedigung der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehende Masse infolge des dem Verwalter versagten Zugriffs auf das Sicherungsvermögen verringert. Demnach ist jedenfalls eine Verkürzung der Insolvenzmasse nicht eingetreten.
8
2. Die hier geltend gemachte Vorenthaltung eines insolvenzrechtlichen Vorrechts bildet überdies keinen von § 92 InsO vorausgesetzten Gesamtschaden , sondern einen von dem jeweils betroffenen Gläubiger zu verfolgenden Einzelschaden.
9
a) Ein Gesamtschaden bezieht sich auf einen solchen Schaden, den der einzelne Gläubiger ausschließlich aufgrund seiner Gläubigerstellung und damit als Teil der Gesamtheit der Gläubiger erlitten hat (HmbKomm-InsO/Pohlmann, aaO § 92 Rn. 14). Die Verkürzung der Masse muss also die Gesamtheit der Gläubiger treffen (BT-Drucks., aaO; MünchKomm-InsO/Brandes, aaO § 92 Rn. 11). Dagegen handelt es sich um einen nicht von § 92 InsO erfassten Einzelschaden , wenn der Gläubiger nicht als Teil der Gläubigergesamtheit, sondern individuell geschädigt wird (HmbKomm-InsO/Pohlmann, aaO § 92 Rn. 17). Ein Individualschaden verwirklicht sich bei der Verletzung eines Aussonde- rungsrechts (§ 47 InsO), weil der betroffene Gegenstand nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegt (MünchKomm-InsO/Brandes, aaO § 92 Rn. 12; HKInsO /Kayser, aaO § 92 Rn. 19; Jaeger/Müller, aaO § 92 Rn. 11). Wird ein Absonderungsrecht (§§ 50 ff InsO) beeinträchtigt, kann neben den Individualschaden des Absonderungsberechtigten insoweit ein Gesamtschaden treten, als ein in die Insolvenzmasse fallender Übererlös sowie Kostenpauschalen (§§ 170, 171 InsO) verloren gehen (MünchKomm-InsO/Brandes, aaO; HKInsO /Kayser, aaO; HmbKomm-InsO/Pohlmann, aaO § 92 Rn. 18). Ein Einzelschaden ist auch gegeben, sofern unpfändbare Vermögensbestandteile des Schuldners beeinträchtigt werden (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - IX ZB 172/07, WM 2008, 1691 Rn. 13).
10
b) § 77a VAG statuiert ein absolutes Vorrecht der privilegierten im Verhältnis zu den anderen Insolvenzforderungen (Prölss/Lipowsky, VAG, 12. Aufl., § 77a Rn. 1; Männle, Die Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und ihre Umsetzung ins deutsche Recht, 2007, S. 288; Kollhosser/Goos in FS Gerhardt, 2004, S. 487, 510). Dabei handelt es sich nicht um ein Aus- oder Absonderungsrecht, sondern um ein Insolvenzvorrecht eigener Art (Männle, aaO; Prölss/Lipowsky, aaO; Goldberg /Müller, VAG, § 77 Rn. 11; Jaeger/Henckel, aaO Rn. 15 vor §§ 49 bis 52). Das Sicherungsvermögen dient zunächst ausschließlich der Befriedigung der insoweit bevorrechtigten Ansprüche; nur ein etwaiger verbleibender Restbetrag steht der Gesamtheit der Gläubiger zur Verfügung (Kaulbach in Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, 4. Aufl. § 77a, Rn. 1; Kollhosser/Goos, aaO S. 511). Partizipiert die Gläubigergesamtheit in keiner Weise - also nicht einmal über Kostenpauschalen - an dem Sicherungsvermögen, kann seine unterbliebene Bildung keinen Gesamtschaden ausgelöst haben (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008, aaO).
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 02.12.2009 - 23 O 140/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 13.10.2010 - 9 U 24/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - IX ZR 210/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - IX ZR 210/10

Referenzen - Gesetze

Insolvenzordnung - InsO | § 47 Aussonderung


Wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhal

Insolvenzordnung - InsO | § 50 Abgesonderte Befriedigung der Pfandgläubiger


(1) Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht, ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht oder ein gesetzliches Pfandrecht haben, sind nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 für Hauptforderung, Zinsen und Kosten

Insolvenzordnung - InsO | § 170 Verteilung des Erlöses


(1) Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter sind aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstands vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Aus dem verblei
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - IX ZR 210/10 zitiert 8 §§.

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Insolvenzordnung - InsO | § 171 Berechnung des Kostenbeitrags


(1) Die Kosten der Feststellung umfassen die Kosten der tatsächlichen Feststellung des Gegenstands und der Feststellung der Rechte an diesem. Sie sind pauschal mit vier vom Hundert des Verwertungserlöses anzusetzen. (2) Als Kosten der Verwertung

Versicherungsaufsichtsgesetz - VAG 2016 | § 66 Dienstleistungsverkehr; Mitversicherung


(1) Erstversicherungsunternehmen, die im Dienstleistungsverkehr ausschließlich die in der Anlage 1 Nummer 4 bis 7 und 12 genannten Versicherungssparten sowie die dort in Nummer 10 Buchstabe b genannte Risikoart betreiben, unterliegen nicht den Vorsch

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Referenzen

Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), können während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Richten sich die Ansprüche gegen den Verwalter, so können sie nur von einem neu bestellten Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

(1) Erstversicherungsunternehmen, die im Dienstleistungsverkehr ausschließlich die in der Anlage 1 Nummer 4 bis 7 und 12 genannten Versicherungssparten sowie die dort in Nummer 10 Buchstabe b genannte Risikoart betreiben, unterliegen nicht den Vorschriften dieses Gesetzes.

(2) Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegen ferner Erstversicherungsunternehmen nicht, die sich an dem in § 210 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes bezeichneten Versicherungsgeschäft im Wege der Mitversicherung beteiligen, wenn sie hierbei außer über den führenden Versicherer nicht über einen Sitz oder eine Niederlassung im Inland tätig sind und die Mitversicherung nicht die gesetzliche Haftpflichtversicherung im Zusammenhang mit Schäden durch Kernenergie oder Arzneimittel betrifft.

(3) Missbraucht ein Erstversicherungsunternehmen die Möglichkeit nach Absatz 2, als führender Versicherer Versicherungsunternehmen aus anderen Mitglied- oder Vertragsstaaten an Mitversicherungen zu beteiligen, so kann die Aufsichtsbehörde gegenüber diesem Unternehmen die zur Beseitigung des Missbrauchs erforderlichen Anordnungen treffen. In schwerwiegenden Fällen kann die Aufsichtsbehörde ferner dem Unternehmen den Abschluss derartiger Mitversicherungen untersagen oder die in § 304 Absatz 3 bezeichneten Maßnahmen treffen. § 304 Absatz 4 bis 6 ist entsprechend anzuwenden. Als Missbrauch ist es insbesondere anzusehen, wenn ein Unternehmen die einem führenden Versicherer üblicherweise zukommenden Aufgaben nicht wahrnimmt oder an dem Vertrag Versicherungsunternehmen beteiligt, die nach Absatz 2 nicht zu einer solchen Beteiligung befugt sind.

(4) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf,

1.
die Absätze 1 und 2 auf Versicherungsunternehmen eines Drittstaats für anwendbar zu erklären, wenn die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind und Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegenstehen, und
2.
zu bestimmen, dass die Vorschriften über ausländische Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat auch auf Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat anzuwenden sind, soweit dies auf Grund von Abkommen der Europäischen Union erforderlich ist.

(5) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 4 Nummer 1 kann die Bundesanstalt entsprechende Freistellungen auch im Einzelfall durch Verwaltungsakt gewähren.

Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), können während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Richten sich die Ansprüche gegen den Verwalter, so können sie nur von einem neu bestellten Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

Wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, daß ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.

(1) Nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter sind aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstands vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen. Aus dem verbleibenden Betrag ist unverzüglich der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen.

(2) Überläßt der Insolvenzverwalter einen Gegenstand, zu dessen Verwertung er nach § 166 berechtigt ist, dem Gläubiger zur Verwertung, so hat dieser aus dem von ihm erzielten Verwertungserlös einen Betrag in Höhe der Kosten der Feststellung sowie des Umsatzsteuerbetrages (§ 171 Abs. 2 Satz 3) vorweg an die Masse abzuführen.

(1) Die Kosten der Feststellung umfassen die Kosten der tatsächlichen Feststellung des Gegenstands und der Feststellung der Rechte an diesem. Sie sind pauschal mit vier vom Hundert des Verwertungserlöses anzusetzen.

(2) Als Kosten der Verwertung sind pauschal fünf vom Hundert des Verwertungserlöses anzusetzen. Lagen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, so sind diese Kosten anzusetzen. Führt die Verwertung zu einer Belastung der Masse mit Umsatzsteuer, so ist der Umsatzsteuerbetrag zusätzlich zu der Pauschale nach Satz 1 oder den tatsächlich entstandenen Kosten nach Satz 2 anzusetzen.

13
Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter oder Treuhänder bilden einen neuen Vermögensgegenstand, wenn es sich um einen etwa auf der Veruntreuung von Massegegenständen beruhenden Gesamtschaden handelt (MünchKomm-InsO/Hintzen, 2. Aufl. § 203 Rn. 15; MünchKommInsO /Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn. 116). Vorliegend geht es indessen um einen Einzelschaden der Schuldnerin, weil sie ihren Ersatzanspruch aus der Verteilung von Beträgen an die Gläubiger herleitet, die gemäß § 292 Abs. 1 Satz 3, § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850c ZPO wegen Unpfändbarkeit nicht Bestandteil der Insolvenzmasse waren (MünchKomm-InsO/Brandes, aaO §§ 60, 61 Rn 65). Erweist sich die Rechtsauffassung der Schuldnerin als zutreffend, durften die unpfändbaren Bezüge nicht an die Gläubiger ausgeschüttet werden. War die Auskehr der Mittel an die Gläubiger rechtswidrig, kann ein Schadensersatzanspruch , der die unrechtmäßige Ausschüttung im Interesse der Schuldnerin kompensieren soll, nicht in die Masse fallen, die, weil entsprechende Beträge tatsächlich dort vorhanden waren und zugunsten der Gläubiger verteilt wurden, andernfalls zu Unrecht doppelt begünstigt würde. Vielmehr steht ein etwaiger Schadensersatzanspruch alleine der Schuldnerin zu, die durch die Verteilung unpfändbarer Vermögensgegenstände einen Einzelschaden erlitten hat. Der Schadensersatzanspruch kann als Kompensation für entgegen dem Pfändungsverbot des § 850c ZPO zugunsten der Gläubiger tatsächlich vorgenommene Ausschüttungen nicht der Masse als neuer Gegenstand (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO) zustehen. Mithin sind die Voraussetzungen einer Nachtragsverteilung , auch wenn die gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg erhobene Revision ohne Erfolg bleibt, nicht gegeben. Hat die Revision Erfolg, wird ein Schadensersatzanspruch also verneint, scheidet ein neuer Massegegenstand von vornherein aus.