Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Okt. 2013 - V ZB 9/13

bei uns veröffentlicht am30.10.2013
vorgehend
Landgericht Braunschweig, 8 T 46/12, 09.01.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 9/13
vom
30. Oktober 2013
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine in deutscher Sprache abgefasste Vollmacht des Betroffenen für seine Verfahrensbevollmächtigten
ist vorbehaltlich einer erfolgreichen Anfechtung durch den Betroffenen
auch dann wirksam, wenn sie nicht in die Muttersprache des Betroffenen
übersetzt worden ist.
BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 9/13 - LG Braunschweig
AG Goslar
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 9. Januar 2013 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 18. Januar 2012 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Landkreis Goslar auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Betroffene, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, wurde nach dem Widerruf seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 29. August 2008 wegen einer Reihe von Straftaten ausgewiesen. Er erhielt am 8. Dezember 2011 Ersatzdokumente für seinen ausgelaufenen Reisepass. Die von der beteiligten Behörde erbetene Erklärung, ob er freiwillig ausreisen werde , gab er nicht ab.
2
Zur Sicherung der für den 27. Januar 2012 vorgesehen Abschiebung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 18. Januar 2012 gegen den Betroffenen Haft von zwei Wochen Dauer, beginnend ab dem 14. Januar 2012, angeordnet. Dagegen haben die zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen mit am 26. Januar 2012 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und darin erklärt, sie seien gebeten worden, die Vertretung des Betroffenen zu übernehmen. Die nach der Abschiebung des Betroffenen am 27. Januar 2012 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen, weiterverfolgte Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig „abgewiesen“. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt.

II.

3
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Beschwerde des Betroffenen mangels wirksamer Bevollmächtigung seiner Verfahrensbevollmächtigten unzulässig. Die in der Beschwerdeschrift verwendete Formulierung, sie seien gebeten worden, die Vertretung zu übernehmen, wecke bereits Zweifel an einer wirksamen Bevollmächtigung. Die nachgereichte schriftliche Vollmacht vermöge die Bedenken gegen die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht auszuräumen. Eine wirksame Vollmacht setze das Wissen und Wollen zur Vollmachterteilung und damit notwendigerweise voraus, dass der Betroffene verstanden habe, dass er eine Vollmacht für seine Verfahrensbevollmächtigten unterzeichne. Daran fehle es, weil die Vollmacht nicht in die Muttersprache des Betroffenen übersetzt worden sei.

III.

4
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist begründet.
5
1. Die Beschwerde des Betroffenen ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Anders als das Beschwerdegericht meint, fehlt es auch nicht an einer wirksamen Vollmacht.
6
a) Dafür muss nicht entschieden werden, ob die Verfahrensbevollmächtigten bei Einlegung der Beschwerde eine wirksame Vollmacht hatten. Denn die vollmachtlose Einlegung eines Rechtsmittels kann nach § 11 Satz 5 FamFG i.V.m. § 89 Abs. 2 ZPO mit Rückwirkung genehmigt werden, solange das Rechtsmittel noch nicht mangels Vollmacht als unzulässig verworfen worden ist (GemSOGB, Beschluss vom 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83, BGHZ 91, 111, 115; BGH, Beschlüsse vom 19. Juli 1984 - X ZB 20/83, BGHZ 92, 137, 140, vom 10. Januar 1995 - X ZB 11/92, BGHZ 128, 280, 283 und vom 26. Januar 2006 - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117, 124 Rn. 17 sowie Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 - V ZB 24/12, WM 2013, 1223, 1225 Rn. 16). Jedenfalls eine solche Genehmigung liegt hier in der Unterzeichnung des Vollmachtsformulars durch den Betroffenen.
7
b) Diese Genehmigung ist wirksam.
8
aa) Unzutreffend ist schon die Erwägung des Beschwerdegerichts, dem Betroffenen habe Wissen und Willen zur Unterzeichnung einer Vollmacht gefehlt , weil das Formular nicht übersetzt worden sei. Auf die fehlende Übersetzung könnte der Betroffene selbst eine Anfechtung wegen Irrtums nicht stützen. Wer eine Willenserklärung im Bewusstsein abgibt, dass er den wirklichen Sachverhalt nicht kennt, kann seine Erklärung nicht wegen Irrtums anfechten, wenn sich seine bei Abgabe der Erklärung gehegten Mutmaßungen als unrichtig herausstellen. Seine Unkenntnis wäre nicht, wie nach § 119 Abs. 1 BGB erforderlich , unbewusst, sondern bewusst (BGH, Urteil vom 15. Juni 1951 - I ZR 121/50, NJW 1951, 705; BAG, NJW 1971, 639, 640). Gerade weil er die Urkunde im Bewusstsein unterzeichnet, ihren Inhalt nicht zu kennen oder mangels Übersetzung nicht verstanden zu haben, fehlte dem Betroffenen auch nicht das Erklärungsbewusstsein. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Betroffene eine bestimmte, wenn auch unzutreffende andere Vorstellung von ihrem Inhalt gemacht hätte (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93, NJW 1995, 190, 191). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
9
bb) Das etwaige Fehlen des Erklärungsbewusstseins führte im Übrigen nicht dazu, dass es an einer wirksamen Genehmigung fehlt. Eine ohne Erklärungsbewusstsein abgegebene Erklärung ist nicht unwirksam, sondern analog § 119 BGB anfechtbar, wenn sie sich für den Empfänger als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens darstellt (BGH, Urteile vom 11. Juli 1968 - II ZR 157/65, NJW 1968, 2102, 2103, vom 7. Juni 1984 - IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324, 329 f. und vom 2. November 1989 - IX ZR 197/88, BGHZ 109, 171, 177 sowie Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - V ZB 37/02, BGHZ 152, 63, 70). Sie bliebe dann wirksam, bis sie angefochten wird. So liegt es hier. Die Unterzeichnung des Vollmachtsformulars durch den Betroffenen stellt sich für seine Verfahrensbevollmächtigten als Erteilung einer Verfahrensvollmacht dar.
10
2. Die Beschwerde ist begründet. Die Haftanordnung durfte nicht ergehen , weil der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nach dem maßgeblichen Inhalt des Protokolls nicht, wie aber geboten (Senat, Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, 330 f. Rn. 16 f., vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8 f. und vom 14. Juni 2012 - V ZB 48/12, juris Rn. 10), zu Beginn der Anhörung in Kopie ausgehändigt und (mündlich) übersetzt worden ist.

IV.

11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog und § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO, die Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 KostO. Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Brückner Weinland
Vorinstanzen:
AG Goslar, Entscheidung vom 18.01.2012 - 6 XIV 158 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 09.01.2013 - 8 T 46/12 (019) -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 83 Kostenpflicht bei Vergleich, Erledigung und Rücknahme


(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst. (

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 430 Auslagenersatz


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(1) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozessführung Zugelassene zum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen.

(2) Die Partei muss die Prozessführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

17
Senat Der neigt dazu, einen Fortbestand der Prozessvollmacht mit Rücksicht auf das Bedürfnis, die Mandanten vor ungeeigneten Rechtsvertretern zu schützen, zu verneinen. Hierfür sprechen auch die Regelungen des Rechtsberatungsgesetzes (Art. 1 § 1) in Verbindung mit § 134 BGB, die bei einer unzulässigen Rechtsbesorgung nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gleichzeitig eine Nichtigkeit der zu ihrer Ausführung erteilten Vollmacht verlangen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2001 - III ZR 182/00 - NJW 2002, 66, 67; ferner BGHZ 153, 214, 220 f.; 154, 283, 286; BGH, Urteil vom 18. März 2003 - XI ZR 188/02 - NJW 2003, 2088, 2089; Urteil vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04 - NJW 2005, 2983). Das gilt auch für prozessuale Vollmachten (BGHZ 154, 283, 286 f.; BGH, Urteil vom 22. Oktober 2003 - IV ZR 398/02 - NJW 2004, 59, 60; BGH, Urteil vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 421/02 - ZIP 2004, 303, 305; Urteil vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04 - ZIP 2005, 846, 849). Die Frage ist hier aber letztlich ebenso wenig zu entscheiden wie die nach einer entsprechenden Anwendung des § 87 ZPO (dazu OLG München NJW 1970, 1609; VGH Baden-Württemberg VBlBW 2001, 231, 232). Die Klägerin hat nämlich die Prozessführung durch M. zumindest wirksam genehmigt. Der Mangel der Vollmacht bei der Einlegung eines Rechtsmittels kann gemäß § 89 Abs. 2 ZPO durch Genehmigung des Vertretenen mit rückwirkender Kraft geheilt werden, soweit noch nicht ein das Rechtsmittel als unzulässig verwerfendes Prozessurteil vorliegt (GmS OGB BGHZ 91, 111, 115; Zöller/Vollkommer, aaO, § 89 f. Rn. 11 m.w.N.). Die Genehmigung ist jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich, auf die die Entscheidung ergeht, und muss auch nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgen (BGHZ 128, 280, 283).

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 37/02
vom
19. September 2002
in der Wohnungseigentumssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Soweit durch Gemeinschaftsordnung oder Eigentümerbeschluß nichts anderes
geregelt ist, kann der Leiter einer Wohnungseigentümerversammlung das tatsächliche
Ergebnis einer Abstimmung grundsätzlich auch dadurch feststellen, daß
er bereits nach der Abstimmung über zwei von drei - auf Zustimmung, Ablehnung
oder Enthaltung gerichteten - Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen
Stimmen als Ergebnis der dritten Abstimmungsfrage wertet (sog. Subtraktionsmethode
).

b) Durch die Subtraktionsmethode kann das tatsächliche Abstimmungsergebnis allerdings
nur dann hinreichend verläßlich ermittelt werden, wenn für den Zeitpunkt
der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer
und - bei Abweichung vom Kopfprinzip - auch deren Stimmkraft
feststeht.
BGH, Beschl. v. 19. September 2002 - V ZB 37/02 - BayObLG
LG Bayreuth
AG Bayreuth
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 19. September 2002 durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird, soweit über sie nicht durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 11. Juli 2002 entschieden ist, zurückgewiesen.
Von Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Antragsteller 4/5 und die Antragsgegner 1/5. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20.500

Gründe:

I.


Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer und die Verwalterin einer aus mindestens 180 Einheiten bestehenden Wohnungseigentumsanlage, die von der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin zu 1 vor etwa dreißig Jahren errichtet worden ist. Nach der Teilungserklärung trifft die Eigentümerversammlung Entscheidungen "mit einfacher Mehrheit der vertretenen 1000stel Anteile." Der Miteigentumsanteil der Antragstellerin zu 1 beläuft sich auf 55,71/1000, während auf den Miteigentumsanteil des Antragstellers zu 2, des Geschäftsführers ihrer Komplementärin, 118,01/1000 entfallen.
Aus Anlaß behördlicher Beanstandungen wegen des unzureichenden Brandschutzes fand am 29. März 2001 eine außerordentliche Eigentümerversammlung statt. Bei der Beschlußfassung zu Tagesordnungspunkt 3, die in fünf Unterpunkten verschiedene Anträge zu einzelnen Maßnahmen zum Gegenstand hatte, waren 104 Wohnungseigentümer anwesend, die 559,92/1000 Miteigentumsanteile vertraten. Die Versammlungsleiterin stellte zu vier Unterpunkten jeweils die abgegebenen Nein-Stimmen und die Stimmenthaltungen fest, errechnete dann als Differenz zu den vertretenen Miteigentumsanteilen die Ja-Stimmen und stellte auf dieser Grundlage jeweils die Annahme der Beschlußanträge fest. In einem Fall zählte die Versammlungsleiterin neben den Stimmenthaltungen die abgegebenen Ja-Stimmen aus, errechnete in der geschilderten Weise die Zahl der Nein-Stimmen und gelangte so zur Feststellung der Ablehnung des betreffenden Beschlußantrages zu Tagesordnungspunkt 3 b. Die Antragstellerin zu 1 konnte sich nur an der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 3 a beteiligen, hinsichtlich der weiteren Beschlußanträge
wurde sie durch die Versammlungsleiterin von der Abstimmung ausgeschlossen.
Das Amtsgericht hat die zu Tagesordnungspunkt 3 gefaßten Beschlüsse antragsgemäß für ungültig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht die Entscheidung aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller , der das Bayerische Oberste Landesgericht teilweise stattgegeben und den Beschluß des Amtsgerichts insoweit wiederhergestellt hat, als in ihm der Eigentümerbeschluß zu Tagesordnungspunkt 3 c für ungültig erklärt worden ist. Im übrigen möchte das Bayerische Oberste Landesgericht das Rechtsmittel zurückweisen, sieht sich hieran jedoch durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. April 2000 (NJW-RR 2001, 11) gehindert und hat insoweit die Sache durch Beschluß vom 11. Juli 2002 dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II.


Die Vorlage ist statthaft (§ 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG).
Das vorlegende Gericht hält an seiner Ansicht fest, daß der Versammlungsleiter - mangels abweichender Regelung - das Ergebnis der Abstimmung der Wohnungseigentümer auch im Subtraktionsverfahren feststellen dürfe, indem er zunächst nur die Nein-Stimmen und Enthaltungen abfrage und danach den Rest der Stimmen als Ja-Stimmen werte (so bereits BayObLG, WuM 1989,
459, 460 im Anschluß an KG WuM 1984, 101). Entsprechendes gelte nach Abgabe der Ja-Stimmen und Enthaltungen für die Feststellung der Nein-Stimmen. Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Düsseldorf (NJW-RR 2001, 11, 12) in einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung die Auffassung, die Feststellung einer Stimmenmehrheit für die Annahme eines Beschlußantrages setze die exakte Ermittlung der Ja-Stimmen voraus, eine bloße Schlußfolgerung genüge nicht. Da die Divergenz beider Auffassungen die Zulässigkeit der Subtraktionsmethode für die Feststellung des Abstimmungsergebnisses im allgemeinen betrifft, ist die Vorlage in vollem Umfang gerechtfertigt.

III.


Soweit der Senat auf Grund der zulässigen Vorlage als Rechtsbeschwerdegericht über die sofortige weitere Beschwerde zu entscheiden hat, ist das Rechtsmittel zulässig (§§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, §§ 27, 29 FGG), jedoch nicht begründet. Mängel der noch verfahrensgegenständlichen Eigentümerbeschlüsse hat das Beschwerdegericht zu Recht verneint. Wie von der Versammlungsleiterin festgestellt und verkündet, sind die Eigentümerbeschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 3 a, 3 d und 3 e mit jeweils positivem Beschlußergebnis sowie zu Tagesordnungspunkt 3 b mit negativem Beschlußergebnis zustande gekommen und leiden auch nicht an inhaltlichen Mängeln.
1. Entgegen der Ansicht der Antragsteller wurde das tatsächliche Ergebnis der Abstimmung über die zugrundeliegenden Beschlußanträge von der Versammlungsleiterin fehlerfrei ermittelt. Die Ermittlung der Zahl der zu einem Beschlußantrag von den Wohnungseigentümern abgegebenen Ja- und Nein-
Stimmen sowie der Stimmenthaltungen ist Aufgabe des Leiters der Eigentü- merversammlung; sie ist Grundlage der ihm ebenfalls - nach Prüfung der Gültigkeit der Stimmen - obliegenden Feststellung des Abstimmungsergebnisses, das wiederum nach rechtlicher Beurteilung durch den Versammlungsleiter zur Feststellung und Verkündung des Beschlußergebnisses führt (vgl. Senat, BGHZ 148, 355, 342 f). Fehlt es - wie im vorliegenden Fall - an Regeln zur Ermittlung des tatsächlichen Ergebnisses der Abstimmung, wie sie sich aus der Gemeinschaftsordnung oder einem Eigentümerbeschluß ergeben können (vgl. KG, WuM 1985, 101; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdn. 25), so begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn sich der Versammlungsleiter hierbei der Subtraktionsmethode bedient und bereits nach der Abstimmung über zwei von drei - auf Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung gerichteten - Abstimmungsfragen die Zahl der noch nicht abgegebenen Stimmen als Ergebnis der dritten Abstimmungsfrage wertet. Bei größeren Eigentümerversammlungen , zumal wenn - wie hier - in Abweichung von § 25 Abs. 2 WEG eine Stimmkraft nach der Größe der Miteigentumsanteile vereinbart ist (Wertoder Anteilsstimmrecht), sind mit diesem Verfahren deutliche Erleichterungen bei der Stimmauszählung verbunden (vgl. Röll, Handbuch für Wohnungseigentümer und Verwalter, 7. Aufl., Rdn. 242; für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft auch Zöllner, ZGR 1974, 1, 5). Allerdings darf nicht verkannt werden, daß dieses Verfahren begleitende organisatorische Maßnahmen verlangt , damit sich das tatsächliche Abstimmungsergebnis hinreichend verläßlich ermitteln läßt.

a) Die Zulässigkeit der Subtraktionsmethode zur Ermittlung des tatsächlichen Abstimmungsergebnisses war für das Wohnungseigentumsrecht nicht nur in der obergerichtlichen Rechtsprechung bis zur Entscheidung des Ober-
landesgerichts Düsseldorf (NJW-RR 2001, 11, 12; anders wohl noch WuM 1993, 305), soweit ersichtlich, außer Streit (vgl. BayObLG, WuM 1989, 459, 460; KG, WuM 1985, 101; OLG Stuttgart, Beschl. v. 15. März 1990, 8 W 567/89 - nicht veröffentlicht), sondern entspricht auch der überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 25; Staudinger /Bub, BGB, 12. Aufl., § 24 Rdn. 101; Röll, aaO, Rdn. 242; Bub, PiG 25, 49, 59; Merle, PiG 25, 119, 124 = WE 1987, 138, 139; einschränkend Wangemann /Drasdo, Die Eigentümerversammlung nach WEG, 2. Aufl., Rdn. 530: Rückrechnung nur bei Feststellung auch der nicht abgegebenen Stimmen). Von der Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt a.M., NZG 1999, 119, 120; LG Dortmund, AG 1968, 390; a.A. KG, RzU KGZ 101, 7 für die Mitgliederversammlung eines wirtschaftlichen Vereins) und der herrschenden Literaturansicht (vgl. Hüffer, AktG, 5. Aufl., § 133 Rdn. 24; KölnerKomm-AktG/Zöllner, § 133 Rdn. 57; ders., ZGR 1974, 1, 5; MünchHdb-AG/Semler, § 39 Rdn. 28; Lamers, DNotZ 1962, 287, 298; von Falkenhausen, BB 1966, 337, 343; einschränkend Großkomm-AktG/Barz, 3. Aufl., § 119 Anm. 41; Eckardt, in Geßler /Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 133 Rdn. 15 ff; Henseler, BB 1962, 1023, 1025: nur nach Hinweis des Versammlungsleiters; ablehnend Brox, DB 1965, 731, 732 f; 1203, 1204) wird das Subtraktionsverfahren zudem für Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften (zur GmbH vgl. Zöllner, in Baumbach /Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 47 Rdn. 12) als zulässige Methode zur Ermittlung des tatsächlichen Abstimmungsergebnisses anerkannt.

b) Bei Prüfung der Zulässigkeit der Subtraktionsmethode ist zu beachten , daß sie nur ein rechnerisches Verfahren zur Erleichterung der Stimmenauszählung bedeutet, das eine bestimmte Auslegung des Verhaltens der Woh-
nungseigentümer voraussetzt, die bei den bis dahin vom Versammlungsleiter gestellten beiden Fragen ihre Stimme noch nicht abgegeben haben.
aa) Das Verhalten dieser Wohnungseigentümer ist einer Auslegung zugänglich. Der Eigentümerbeschluß, der durch die Abstimmung zustande kommt, ist ein mehrseitiges Rechtsgeschäft in der besonderen Form eines Gesamtaktes , durch den mehrere gleichgerichtete Willenserklärungen der Wohnungseigentümer gebündelt werden (vgl. Senat, BGHZ 139, 288, 297 m.w.N.). Die von den Wohnungseigentümern abgegebenen Einzelstimmen sind hiernach empfangsbedürftige Willenserklärungen gegenüber dem Versammlungsleiter. Auf sie finden die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln einschließlich der zur Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln (§§ 119 ff BGB) Anwendung (BayObLGZ 1995, 407, 411; 2000, 66, 68 f; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 20; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdn. 12; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 69; vgl. auch BGHZ 14, 264, 267 für das Gesellschaftsrecht). Auch eine Auslegung der Stimmabgabe nach § 133 BGB ist hiernach eröffnet (Staudinger /Bub, aaO, § 23 Rdn. 69).
bb) Der Auslegung steht nicht entgegen, daß die Wohnungseigentümer, die zu der ersten und zu der zweiten Abstimmungsfrage nicht abgestimmt haben , bei dem Subtraktionsverfahren keine Gelegenheit erhalten haben, auf die dritte Frage durch Abgabe ihrer Stimmen im vorgesehenen Modus - etwa durch Handheben - zu antworten. Wie jede andere Willenserklärung muß auch die Stimmabgabe nicht "ausdrücklich" erfolgen (vgl. Brox, DB 1965, 731, 733). Unschädlich ist überdies, daß bei einem Vorgehen nach der Subtraktionsmethode die unterbliebenen Stimmabgaben zu den bisherigen Abstimmungsfragen, also das Schweigen der betreffenden Wohnungseigentümer auszulegen ist. Zwar
ist das bloße Schweigen regelmäßig keine Willenserklärung (vgl. BGHZ 1, 353, 355; 18, 212, 216; BGH, Urt. v. 24. September 1980, VIII ZR 299/79, NJW 1981, 43, 44), so daß auch die unterlassene Teilnahme an der Abstimmung grundsätzlich nicht als Stimmabgabe zu werten ist (vgl. Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 72). Als Willenserklärung ist aber ein Schweigen anzusehen, dem ausnahmsweise ein - durch Auslegung im einzelnen zu bestimmender - Erklärungswert zukommt (vgl. MünchKomm-BGB/Kramer, 4. Aufl., vor § 116 Rdn. 24; MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/Busche, aaO, § 133 Rdn. 54; Soergel /Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 133 Rdn. 16; Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 133 Rdn. 10; auch BGHZ 144, 349, 355). Das ist der Fall, wenn das Schweigen bei verständiger Würdigung aller Umstände nur die Bedeutung einer Willenserklärung haben kann (Soergel/Hefermehl, aaO, vor § 116 Rdn. 34), ihm also - nicht vorschnell zu bejahende - "unmißverständliche Konkludenz" (so MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, vor § 116 Rdn. 24) zukommt. Unter diesen Voraussetzungen kann auf eine Willenserklärung mit bestimmtem Inhalt geschlossen werden, wenn der Erklärungsempfänger angesichts der Gesamtumstände nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine gegenteilige Äußerung des Schweigenden erwarten durfte (vgl. Canaris, Festschrift für Wilburg zum 70. Geburtstag, 1975, S. 77, 82; auch BGHZ 61, 282, 285; BGH, Urt. v. 14. Februar 1995, XI ZR 65/94, NJW 1995, 1281; Urt. v. 5. Februar 1997, VIII ZR 41/96, NJW 1997, 1578, 1579; Urt. v. 10. Februar 1999, IV ZR 56/98, NJW-RR 1999, 818, 819; RGRK-BGB/Krüger-Nieland, 12. Aufl., vor § 116 Rdn. 18 m.w.N.).
cc) Von den Wohnungseigentümern, die ihre Stimme mit dem Inhalt der ersten oder zweiten Abstimmungsfrage abgeben wollten, war eine entsprechende Teilnahme an dem Abstimmungsverfahren zu erwarten. Haben die
Wohnungseigentümer, was auch noch durch einen Geschäftsordnungsbeschluß in der betreffenden Eigentümerversammlung geschehen kann (vgl. Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 25), keine abweichende Regelung getroffen , so hat der Versammlungsleiter (§ 24 Abs. 5 WEG) über die Maßnahmen zu befinden, die erforderlich sind, um den Mehrheitswillen korrekt festzustellen und diesen in Form von Eigentümerbeschlüssen umzusetzen (vgl. Staudinger/Bub, aaO, § 24 WEG Rdn. 101). Der Versammlungsleiter entscheidet danach insbesondere über die Reihenfolge der Fragen, mit der ein Beschlußantrag zur Abstimmung gestellt wird (vgl. BayObLG, WuM 1989, 459, 460; KG, WuM 1985, 101; OLG Düsseldorf, WuM 1993, 305; Bärmann /Pick/Merle, aaO, § 24 Rdn. 99; Staudinger/Bub, aaO, § 24 WEG, Rdn. 101). Soll diese Befugnis zur Leitung des Abstimmungsverfahrens ihr Ziel nicht verfehlen, müssen mit ihr entsprechende Obliegenheiten der Wohnungseigentümer korrespondieren, die ihre Grundlage letztlich in den Treuepflichten aus dem zwischen ihnen bestehenden Gemeinschaftsverhältnis (vgl. dazu BayObLG, WuM 1993, 85, 86) finden. Wird mithin der Wille der einzelnen Wohnungseigentümer über einen entsprechend gefaßten Beschlußantrag in Form der allein denkbaren positiven oder negativen Reaktionen erfragt und zudem die Möglichkeit eröffnet, sich der Teilnahme an der Beschlußfassung durch Stimmenthaltung zu entziehen, so muß von den Wohnungseigentümern erwartet werden, daß sie ihre Stimmen bei den Fragen nach Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung abgeben. Dem Gesamtverhalten eines Wohnungseigentümers , das sich aus seinem Schweigen auf die erste Abstimmungsfrage nach der Ablehnung des Beschlußantrages - oder auch nach der Zustimmung zu diesem - sowie aus seinem Schweigen auf die zweite Abstimmungsfrage nach einer Stimmenthaltung zusammensetzt, ist deshalb Erklärungswert beizulegen. Der Erklärungsinhalt unterliegt keinem Zweifel, weil nur noch die dritte
Abstimmungsfrage offen ist, so daß bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht des Versammlungsleiters (als des Erklärungsempfängers) sich das bisherige Schweigen als Stimmabgabe für die Zustimmung zum Beschlußantrag - oder bei gegenteiliger erster Abstimmungsfrage nach dessen Ablehnung - darstellt (so im Ergebnis auch Canaris, aaO, S. 78; MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, vor § 116 Rdn. 24; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., vor § 116 Rdn. 7). Damit kann darauf verzichtet werden, die dritte Abstimmungsfrage noch zu stellen.
dd) Ein - hier nicht festgestellter - Hinweis des Versammlungsleiters auf die geschilderte Bedeutung des Schweigens vor Beginn der Abstimmung ist zwar ohne Zweifel insbesondere zur Vermeidung späterer Beschlußanfechtungen ratsam, nicht aber Voraussetzung für das dargestellte Auslegungsergebnis (a.A. Großkomm-AktG/Barz, 3. Aufl., § 119 Anm. 41; Eckardt, in Geßler /Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 133 Rdn. 15 ff; Henseler, BB 1962, 1023, 1025 für das Aktienrecht).
(1) Eine solche Unterrichtung kann - wenn sie nicht ausnahmsweise zur Vereinbarung des Schweigens als Erklärungszeichen führt (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., 3. Aufl., S. 64) - lediglich fehlendem Erklärungsbewußtsein der Wohnungseigentümer entgegenwirken. Abgesehen davon, daß ein solcher Erfolg des Hinweises nicht in jedem Einzelfall sichergestellt werden kann (so Brox, DB 1965, 731, 733 für Zeitung lesende Aktionäre), steht fehlendes Erklärungsbewußtsein der Annahme einer Willenserklärung auch dann nicht entgegen, wenn diese aus einem schlüssigen Verhalten gefolgert wird. Es reicht vielmehr aus, wenn der Erklärende fahrlässig nicht erkannt hat, daß sein Verhalten als Willenserklärung aufgefaßt werden konnte, und wenn der Empfänger es tatsächlich auch so verstanden hat (BGHZ
109, 171, 177; 128, 41, 49; BGH, Urt. v. 29. November 1994, XI ZR 175/93, NJW 1995, 953; auch BGHZ 91, 324, 329 f; insoweit überholt Brox, DB 1965, 731, 733). Diese Grundsätze sind zwar für Willenserklärungen entwickelt worden , die durch (aktives) konkludentes Handeln abgegeben werden. Da aber auch das Schweigen unter besonderen Umständen, wie sie hier gegeben sind, nichts anderes als eine Willenserklärung durch konkludentes Verhalten ist (vgl. Canaris, aaO, S. 77; MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, vor § 116 Rdn. 24; Soergel/Hefermehl, aaO, vor § 116 Rdn. 32, § 133 Rdn. 16; Erman/Palm, aaO, § 133 Rdn. 10; wohl auch BGH, Urt. v. 14. Februar 1995, XI ZR 65/94, NJW 1995, 1281; offengelassen von BGH, Urt. v. 6. Mai 1975, VI ZR 120/74, NJW 1975, 1358, 1359; a.A. Palandt/Heinrichs, aaO, vor § 116 Rdn. 8), kann im vorliegenden Fall nichts anderes gelten (vgl. MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, § 119 Rdn. 99 f; auch Soergel/Hefermehl, aaO, vor § 116 Rdn. 34; anders aber Flume, aaO, S. 65). Kommt nämlich einem Schweigen in Ausnahmefällen Erklärungswert zu, so handelt es sich lediglich um eine der Möglichkeiten konkludenter Willenserklärungen, ohne qualitativen Unterschied zu den Fällen aktiven schlüssigen Verhaltens (Canaris, aaO, S. 78; MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, vor § 116 Rdn. 24). Ob diese Regeln auch für das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das die Rechtsprechung bislang nicht als Willenserklärung versteht (vgl. BGHZ 11, 1, 5), Anwendung finden können, bedarf hier keiner Entscheidung.
(2) Die Voraussetzungen, unter denen fehlendes Erklärungsbewußtsein eine Willenserklärung nicht ausschließt, sind vorliegend erfüllt. Dem Subtraktionsverfahren liegt nämlich eine Situation zugrunde, in der die betroffenen Wohnungseigentümer bei dem Versammlungsleiter zumindest fahrlässig Vertrauen hinsichtlich einer bestimmten Stimmabgabe geschaffen haben. Daß der
Versammlungsleiter das Verhalten der verbleibenden Wohnungseigentümer tatsächlich als Stimmabgabe für die dritte Frage verstanden hat, zeigt sich schon an der von ihm angestellten Rückrechnung auf das entsprechende Abstimmungsergebnis. Ferner kann für jeden Wohnungseigentümer, der nicht für die beiden ersten Abstimmungsfragen votierte, bei der gebotenen Sorgfalt kein Zweifel bestehen, daß sein Verhalten nur als Erklärung im Sinne der dritten Abstimmungsalternative zu verstehen ist, verbleibt ihm doch allein noch diese Möglichkeit der Abstimmung. Er darf insbesondere nicht darauf vertrauen, daß für ihn auch bei der Abstimmungsfrage noch die Gelegenheit bestehen wird, sich einer persönlichen Entscheidung zum Beschlußantrag durch schlichte Passivität zu entziehen. Mit seiner Anwesenheit in der Versammlung während der Abstimmung verfolgt ein Wohnungseigentümer im Zweifel auch die Absicht, sich an der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft zu beteiligen. Will er die Versammlung nicht verlassen, gleichwohl aber zu einem Beschlußantrag keine Stimme abgeben, so bleibt ihm - was die Gegenansicht (vgl. OLG Düsseldorf , NJW-RR 1991, 11, 12; auch KG, RzU KGZ 101, 7 f) nicht beachtet - nur die Möglichkeit, die von ihm durch seine Präsenz vermittelte Teilnahmebereitschaft dadurch zu widerlegen, daß er bei der zweiten Abstimmungsfrage nach der Stimmenthaltung votiert (ähnlich KölnerKomm-AktG/Zöllner, § 133 Rdn. 57). In der Stimmenthaltung liegt weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht ein Unterschied zu einem völlig passiven Verhalten während des gesamten Abstimmungsverfahrens (dies lassen Wangemann/Drasdo, aaO, Rdn. 530 außer acht, wenn sie für das Subtraktionsverfahren die Feststellung der "nicht abgegebenen Stimmen" verlangen). Auch wer sich der Stimme enthält , will weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum abgeben, weshalb Stimmenthaltungen bei der Bestimmung der Mehrheit im Sinne von § 25 Abs. 1 WEG nicht mitzuzählen sind (Senat, BGHZ 106, 179, 183).

ee) Gegen dieses Ergebnis läßt sich nicht einwenden, dem Wohnungs- eigentümer, der sich lediglich während der gesamten Abstimmung passiv habe verhalten wollen, werde eine von ihm nicht gewollte Stimmabgabe aufgezwungen. Die privatautonome Gestaltung in Selbstbestimmung ist für einen solchen Wohnungseigentümer durch die Möglichkeit einer Anfechtung ausreichend gesichert. Ist er sich nämlich nicht bewußt, daß der Versammlungsleiter seinem Schweigen die Bedeutung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung beilegen kann, so berechtigt ihn dieses fehlende Erklärungsbewußtsein in analoger Anwendung des § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB zur Anfechtung (vgl. BGHZ 91, 324, 329 f; Soergel/Hefermehl, aaO, vor § 116 Rdn. 34; MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, § 119 Rdn. 100). Einschränkungen der Anfechtbarkeit bei Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (vgl. BGHZ 11, 1, 5; BGH, Urt. v. 7. Juli 1969, VII ZR 104/67, NJW 1969, 1711; Urt. v. 7. Oktober 1971, VII ZR 177/69, NJW 1972, 45) beruhen auf Besonderheiten dieses Instituts (vgl. MünchKomm-BGB/Kramer, aaO, § 119 Rdn. 100) und sind deshalb hier nicht maßgeblich. Die erfolgreiche Anfechtung der Stimmabgabe wegen eines Willensmangels führt zur Unwirksamkeit der Einzelstimme. Dies kann wiederum, wenn ohne die betroffene Stimme die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird, Grundlage für einen Erfolg der Anfechtung des Eigentümerbeschlusses (§§ 23 Abs. 4, 41 Abs. 1 Nr. 4 WEG) sein (Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 23 Rdn. 157; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 276).

c) Damit in einem zweiten Schritt der Subtraktionsmethode das tatsächliche Abstimmungsergebnis durch eine Rechenoperation hinreichend verläßlich ermittelt werden kann, sind allerdings begleitende organisatorische Maßnahmen zur korrekten Feststellung der Anwesenheiten erforderlich.

aa) Die unterlassene Stimmabgabe zu den beiden ersten Abstimmungs- fragen kann nur dann als Votum für die dritte Abstimmungsfrage verstanden werden, wenn der betreffende Wohnungseigentümer zum Zeitpunkt der Abstimmung in der Versammlung zugegen war. Das Schweigen eines Wohnungseigentümers , der nicht anwesend ist, darf der Versammlungsleiter schon deshalb nicht als Stimmabgabe auffassen, weil diese nach § 23 Abs. 1 WEG in der Eigentümerversammlung erfolgen müßte. Durch Subtraktion kann mithin die Zahl der Stimmen für die dritte Abstimmungsfrage nur dann zweifelsfrei aus der Zahl der Stimmen für die beiden ersten Abstimmungsfragen errechnet werden , wenn für den Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und - bei Abweichung vom Kopfprinzip - auch deren Stimmkraft feststeht (vgl. OLG Köln, NZM 2002, 458 f; Merle, PiG 25, 119, 124 = WE 1987, 138, 139; Röll, aaO, Rdn. 242; für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft auch Hüffer, aaO, § 133 Rdn. 24; Großkomm-AktG/Barz, aaO, § 119 Anm. 41; KölnerKomm-AktG/Zöllner, § 133 Rdn. 57; ders., ZGR 1974, 1, 5; Eckardt, in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, aaO, § 133 Rdn. 17; MünchHdb-AG/Semler, § 39 Rdn. 28). Dabei sind insbesondere bei knappen Mehrheitsverhältnissen genaue Feststellungen zu den anwesenden oder vertretenen Wohnungseigentümern erforderlich, etwa durch sorgfältige Kontrolle des Teilnehmerverzeichnisses und dessen ständige Fortschreibung , die den einzelnen Abstimmungen zugeordnet werden kann (vgl. Röll, aaO, Rdn. 242). Sind im Einzelfall die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zur exakten Feststellung der Gesamtanzahl der Stimmen nicht sichergestellt, so sollte dies für den Versammlungsleiter, zu dessen Aufgaben die korrekte Feststellung des Mehrheitswillens zählt, Anlaß sein, von der Subtraktionsmethode Abstand zu nehmen. Das gilt um so mehr, als in solchen Si-
tuationen Umstände maßgebende Bedeutung gewinnen können, die bei klaren Mehrheiten wegen ihrer geringen praktischen Bedeutung zu vernachlässigen sind. So kann etwa die "Passivität" eines während der Versammlung eingeschlafenen Wohnungseigentümers mangels eines willensgetragenen Verhaltens nicht als Stimmabgabe gewertet werden, und auch die Gefahr des Übersehens von Stimmverboten (etwa nach § 25 Abs. 5 WEG) ist bei der Subtraktionsmethode größer als bei Abgabe und Auszählung aller Stimmen (vgl. Wangemann /Drasdo, aaO, Rdn. 530). Läßt sich die Zahl der anwesenden Wohnungseigentümer nicht mehr aufklären und verbleiben dadurch Zweifel an den Mehrheitsverhältnissen, so ist im Falle der Beschlußanfechtung davon auszugehen , daß der Versammlungsleiter die Zahl der Ja-Stimmen zu Unrecht festgestellt hat (OLG Köln, NZM 2002, 458 f).
bb) Im vorliegenden Fall ist das Beschwerdegericht zu Recht von einer hinreichend verläßlichen Ermittlung des tatsächlichen Abstimmungsergebnisses nach der Subtraktionsmethode ausgegangen. Die Gesamtanzahl der anwesenden oder vertretenen Wohnungseigentümer und der von ihnen repräsentierten Stimmkraft ist in dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 29. März 2001 vermerkt. Das Protokoll dokumentiert auch Veränderungen in der Anwesenheit und stellt diese durch Zeitangaben und die Abfolge der Darstellung in Bezug zu der Behandlung der Tagesordnungspunkte. Für die Beschlußfassungen zu Tagesordnungspunkt 3 ist eine Gesamtzahl von 104 Wohnungseigentümern mit einer Stimmkraft von zusammen 559,92/1000 Miteigentumsanteilen ausgewiesen. Die Richtigkeit dieser Angaben ziehen auch die Antragsteller nicht in Zweifel. Unter diesen Umständen besteht kein Anlaß zu weiteren Ermittlungen über die Anwesenheit der Wohnungseigentümer (vgl. Senat, BGHZ 146, 241, 249 f).

2. Über die zugrundeliegenden Beschlußanträge konnten die Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 3 WEG mit Stimmenmehrheit befinden. Dies gilt auch für die zu Tagesordnungspunkt 3 d beschlossene Ausführung der durch behördlichen Bescheid geforderten Brandschutzmaßnahmen; denn der ordnungsgemäßen Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG) dienen auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen (vgl. BayObLG, ZMR 1980, 381, 382; NJW 1981, 690; NJW-RR 1992, 81, 83; NZM 1998, 817; OLG Hamm, OLGZ 1982, 260, 262; OLG Celle, OLGZ 1986, 397, 400; Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 21 Rdn. 130, § 22 Rdn. 18; Weitnauer/Lüke, aaO, § 21 Rdn. 31; ders., PiG 48, 41, 46; Staudinger/Bub, aaO, § 21 Rdn. 176).
Wegen der Maßgeblichkeit der Mehrheit der Stimmen bedarf es keiner Entscheidung über die Frage, ob die Antragstellerin zu 1 von der Abstimmung über die Tagesordnungspunkte 3 b, 3 d und 3 e zu Recht nach § 25 Abs. 5 WEG ausgeschlossen worden ist. Ein etwaiger Fehler hätte ohne jeden Zweifel an den Mehrheitsverhältnissen nichts ändern und daher auch nicht zur Ungültigerklärung der genannten Beschlüsse führen können (vgl. Bärmann/Pick/ Merle, aaO, § 23 Rdn. 157; Staudinger/Bub, aaO, § 23 Rdn. 276). Der nach der Gemeinschaftsordnung für ihre Stimmkraft maßgebliche Miteigentumsanteil der Antragstellerin zu 1 beläuft sich lediglich auf 55,71/1000. Wird ihre Stimme jeweils bei der Abstimmungsfrage nach Ja oder Nein berücksichtigt, die die geringste Stimmenzahl erhalten hat, so verbleibt es zu Tagesordnungspunkt 3 b bei der Ablehnung (173,72/1000 Ja- zu 379,87/1000 Nein-Stimmen) und bei den Tagesordnungspunkten 3 d und 3 e bei der Annahme der Beschlußanträge
(386,20/1000 Ja- zu 173,72/1000 Nein-Stimmen bzw. 382,31/1000 Ja- zu 177,61/1000 Nein-Stimmen).
3. Die angefochtenen Beschlüsse verletzen schließlich auch nicht die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, sondern entsprechen nach billigem Ermessen dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer (§ 21 Abs. 4 WEG). Entgegen der Ansicht der Antragsteller mußten sich die sachkundig durch einen Bausachverständigen und einen Rechtsanwalt beratenen Wohnungseigentümer nicht zunächst auf eine rechtliche Auseinandersetzung mit mehr als zweifelhaften Erfolgsaussichten einlassen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG und berücksichtigt den Erfolg der Antragsteller durch die Entscheidung des vorlegenden Gerichts über einen Teil der Rechtsbeschwerde. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch
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aa) Das Amtsgericht hat den Betroffenen zwar persönlich angehört. Mit der Verpflichtung zur persönlichen Anhörung in § 420 FamFG soll aber sichergestellt werden, dass sich der Betroffene vor dem Haftrichter selbst rechtliches Gehör verschaffen kann. Dieses Ziel wird verfehlt, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde dem Betroffenen nicht ausgehändigt und, soweit er des Deutschen nicht hinreichend mächtig ist, auch übersetzt wird. Denn es kann dann nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, sich zu sämtlichen Angaben der beteiligten Behörde (vgl. § 417 Abs. 2 FamFG) zu äußern (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2011 - V ZB 141/11, FGPrax 2011, 257, 258 Rn. 8). Der Haftantrag muss dem Betroffenen nicht immer vor dem Anhörungstermin ausgehändigt werden. In einfach gelagerten Sachverhalten kann es genügen, ihm diesen erst zu Beginn der Anhörung auszuhändigen (Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 118/10, FGPrax 2011, 199 [Ls.] Rn. 20). Spätestens in diesem Zeitpunkt muss er ihm (in Kopie) ausgehändigt und erforderlichenfalls übersetzt werden (Senat, Beschluss vom 3. November 2011 - V ZB 169/11, juris Rn. 5).

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Wird das Verfahren durch Vergleich erledigt und haben die Beteiligten keine Bestimmung über die Kosten getroffen, fallen die Gerichtskosten jedem Teil zu gleichen Teilen zur Last. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

(2) Ist das Verfahren auf sonstige Weise erledigt oder wird der Antrag zurückgenommen, gilt § 81 entsprechend.

Wird ein Antrag der Verwaltungsbehörde auf Freiheitsentziehung abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.