Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2007 - VI ZB 73/06
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, an dem der Beklagte zu 1 als Fahrer eines bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW beteiligt war. Sie hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.176,65 € nebst Zinsen sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,82 € zu zahlen. Die Klageschrift wurde beiden Beklagten am 22. Dezember 2005 zugestellt. Bereits am 2. Dezember 2005 hatte die Beklagte zu 2 der Klägerin einen Betrag von 2.700,16 € gezahlt. Die Parteien haben deshalb den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
- 2
- Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe von 2.700,16 € erledigt ist und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin die Zahlung weiterer 476,49 € nebst Zinsen sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,82 € begehrt. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die erforderliche Berufungssumme von 600 € nicht erreicht sei. Die außergerichtlichen Anwaltskosten seien Nebenforderungen im Sinne des § 4 Abs. 1 2. Halbs. ZPO und daher nicht zu berücksichtigen. Dies gelte selbst dann, wenn sich die außergerichtlichen Kosten auf die Durchsetzung eines Forderungsteils bezögen, der nicht mehr streitgegenständlich sei.
II.
- 3
- 1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Frage, ob vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs werterhöhend sind, soweit die Parteien den Hauptanspruch im ersten Rechtszug teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.
- 4
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, da im vorliegenden Fall die vorprozessualen Kosten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts streitwerterhöhend sind.
- 5
- a) Inzwischen ist höchstrichterlich geklärt, dass vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs nicht werterhöhend wirken, wenn dieser Hauptanspruch noch Gegenstand des laufenden Verfahrens ist. Wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses - eine Werterhöhung ausschließende - Abhängigkeitsverhältnis besteht , solange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - VersR 2007, 1102; Senatsurteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 200/06 - juris Rn. 5 ff. sowie Senatsbeschlüsse vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06 - BGH-Report 2007, 845, 846 und vom 25. September 2007 - VI ZB 22/07, juris Rn. 5 f.).
- 6
- b) Damit ist zwar nicht ausdrücklich entschieden, ob ein solches Abhängigkeitsverhältnis auch besteht, soweit ein Teil der Hauptforderung im Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Indessen lässt sich aus den bisher ergangenen Entscheidungen entnehmen, dass das die Werterhöhung ausschließende Abhängigkeitsverhältnis nur besteht, so lange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist. Daraus folgt, dass entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten ihren Charakter als Nebenforderung verlieren und als Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen sind, wenn und soweit der geltend gemachte Hauptanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.
- 7
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Zinsen aus einem nicht oder nicht mehr im Streit stehenden Hauptanspruch Hauptforderungen im Sinne des § 4 Abs. 1 ZPO ohne Rücksicht darauf, ob ein anderer Teil des Hauptanspruchs noch anhängig ist (vgl. BGHZ 26, 174, 176; BGH, Ur- teil vom 24. März 1994 - VII ZR 146/93 - NJW 1994, 1869, 1870 m.w.N.). Dies beruht auf der Überlegung, dass nach § 4 ZPO Zinsen, die neben der Hauptforderung geltend gemacht werden, zwar grundsätzlich Nebenforderungen sind und bei der Bemessung des Streitwerts nicht berücksichtigt werden. Sie werden jedoch zur Hauptforderung, wenn der Hauptanspruch nicht oder nicht mehr im Streit steht, so dass also nur noch die Zinsen Gegenstand des Rechtsstreits sind. Wenn oder soweit der Hauptanspruch nicht mehr im Streit ist, fehlt es an einer anhängigen Hauptforderung, die die insoweit geltend gemachten Zinsen zu einer Nebenforderung machen könnten. Die von dem erledigten Teil verlangten Zinsen stehen zur noch geltend gemachten Hauptforderung nicht im Abhängigkeitsverhältnis (vgl. BGHZ 26, 174, 176; BGH, Urteil vom 24. März 1994 - aaO).
- 8
- Es besteht kein Anlass, vorprozessuale Rechtsanwaltskosten anders zu behandeln, weil diese wie Zinsen nur so lange in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptforderung stehen, wie diese ganz oder teilweise Gegenstand des Rechtsstreits ist. Sobald und soweit die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist, etwa weil - wie hier - eine auf die Hauptforderung oder einen Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung erklärt worden ist, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung "emanzipiert" hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt (vgl. MünchKomm/Schwerdtfeger, ZPO, 2. Aufl., § 4 Rn. 30; Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 3 Rn. 26 "Erledigung der Hauptsache"; Ruess MDR 2005, 313, 314; Steenbuck MDR 2006, 423, 424; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rn. 38). Insoweit besteht hier eine andere Sachlage als bei anteiligen Kosten des laufenden Prozesses, die nach ständiger Rechtsprechung nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung den Streitwert und den Wert der Beschwer nicht erhöhen, so lange noch ein Teil der Hauptsache im Streit ist. Dann folgt aus dem Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung, dass im Rahmen der Entscheidung über den noch streitigen Teil des Rechtsstreits von Amts wegen auch über die für den erledigten Teil anfallenden Kosten mit entschieden wird (vgl. BGHZ 128, 85, 92; BGH, Beschluss vom 15. März 1995 - XII ZB 29/95 - NJW-RR 1995, 1089, 1090; OLG Bremen OLGR 2001, 461). Dies ist bei dem Anspruch auf vorprozessuale Rechtsanwaltskosten nicht der Fall.
- 9
- 3. Für das laufende Verfahren ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen , dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt und mithin die Berufung zulässig ist (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dies gilt unabhängig davon, ob man die Höhe der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten wie die Beschwerdeführerin so berechnet, dass die Anrechnung den Betrag der Gebühr vermindert, die anzurechnen ist (vgl. Lutje, RVG von A - Z Stichwort "Anrechnung" ), oder annimmt, dass sich nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr vermindert, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06 - NJW 2007, 2049, 2050). Nach beiden Berechnungsmethoden wird die Berufungssumme überschritten. Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
AG Chemnitz, Entscheidung vom 13.06.2006 - 21 C 4224/05 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 06.09.2006 - 6 S 258/06 -
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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2007 - VI ZB 73/06 zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).
(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: 577,20 €
Gründe:
- 1
- I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Reisepreisminderung und Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit in Höhe von 577,20 € nebst Zinsen in Anspruch. Daneben begehrt sie den Ersatz des auf die Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Teils der vorprozessualen Geschäftsgebühr ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 40,72 € nebst Zinsen.
- 2
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert auf 577,20 € festgesetzt. Gegen die Streitwertfestsetzung hat die Klägerin Beschwerde und gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Streitwertbeschwerde zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
- 3
- II. 1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Wie sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und der zu den Akten gereichten Entscheidung des Amtsgerichts München vom 12. Januar 2006 - 331 C 32140/05 - andererseits ergibt, wird die Frage , ob der nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbare Teil einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 (bis zum 30. Juni 2006 Nr. 2400) des Vergütungsverzeichnisses streitwerterhöhend wirkt, wenn er neben der Hauptsache zum Gegenstand der Klage gemacht wird, von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilt und ist Gegenstand der Diskussion in der Literatur (vgl. nur Ruess, MDR 2005, 313; Steenbruck, MDR 2006, 423; Tomsen, NJW 2007, 267).
- 4
- 2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
- 5
- Das Berufungsgericht nimmt mit zutreffender Begründung an, dass die Berufung der Klägerin nicht statthaft ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Denn nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG und § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG bleiben Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bei der Wertberechnung unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Wie bei Zinsen (dazu BGHZ 26, 174, 175; BGH, Urt. v. 24.3.1994 - VII ZR 146/93, MDR 1994, 720; BGH, Beschl. v. 18.1.1995 - XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706) besteht auch bezüglich der Kosten das Wesen einer Nebenforderung darin, dass sie vom Bestehen einer Hauptforderung abhängig ist.
- 6
- Einem allgemeinen Grundsatz entsprechend sind die Kosten des laufenden Prozesses bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (§ 4 ZPO; vgl. BGHZ 128, 85, 92). Zu den Prozesskosten rechnen nicht nur die durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelösten Kosten, sondern grundsätzlich auch diejenigen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits dienen (BGH, Beschl. v. 20.10.2005 - I ZB 21/05, NJW-RR 2006, 501). Soweit derartige Kosten zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehören, können sie im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103, 104 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG geltend gemacht werden; einer auf den materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch gestützten Klage fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. dazu BGHZ 111, 168, 171; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., vor § 91 ZPO Rdn. 22 m.w.N.). Soweit derartige Kosten nicht auf diesem Wege festgesetzt werden können, wie dies für den nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 20.10.2005 - I ZB 21/05, NJW-RR 2006, 501) oder für den nicht auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr für ein Mahnschreiben gilt (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 27.4.2006 - VII ZB 116/05, NJW 2006, 2560), können sie auf der Grundlage eines materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs Gegenstand einer unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses zulässigen Klage auf Erstattung dieser Kosten sein.
- 7
- Anspruchsvoraussetzung des materiellrechtlichen Kostenersatzbegehrens ist das Bestehen einer sachlich-rechtlichen Anspruchgrundlage, nämlich dass der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung, Verzugs oder sonstigen Rechtsverletzung für den adäquat verursachten Schaden einzustehen hat (Stein/Jonas/Bork, aaO, vor § 91 ZPO, Rdn. 16; Belz in Münch.Komm/ZPO, vor § 91 Rdn. 9). Wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig, so dass es sich bei den zur Durchsetzung eines Anspruchs vorprozessual aufgewendeten und unter dem Gesichtspunkt des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend gemachten Geschäftsgebühren um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO handelt, solange die Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 4 Rdn. 12; Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Aufl., § 4 Rdn. 16; Steenbruck, MDR 2006, 423, 424; Tomsen, NJW 2007, 267, 269). Die geltend gemachten Beträge wirken deshalb nicht werterhöhend, solange das Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptforderung besteht (Zöller/Herget, aaO, § 4 ZPO Rdn. 13 m.w.N.; Enders, JurBüro 2004, 57 f.; Tomsen, NJW 2007, 267, 269). Durch das Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes hat sich daran nichts geändert, da die einschlägigen Wertvorschriften inhaltlich unverändert geblieben sind (zu § 4 ZPO vor Inkrafttreten des RVG vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rdn. 26; Schwerdtfeger in Münch.Komm/ ZPO, 2. Aufl., § 4 Rdn. 26).
- 8
- Diese Berechnung gilt unabhängig davon, ob die Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden oder neben der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind (Steenbruck, aaO, S. 424; Enders, JurBüro 2004, 57, 58; für den Fall der Geltendmachung von Zinsen als Nebenforderung vgl. BGH, Beschl. v. 18.1.1995 - XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706, 707; BGH, Beschl. v. 25.3.1998 - VIII ZR 298/97, NJW 1998, 2060, 2061).
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 07.12.2005 - 53 C 2931/05 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 23.02.2006 - 12 S 4/06 -
(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.
(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagten waren Mieter einer Wohnung des Klägers in T. . Nachdem die Beklagten mehrere Monate keine Miete mehr gezahlt hatten, kündigte der Kläger mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 4. Juli 2005 das Mietverhältnis fristlos und forderte die Beklagten zur Räumung der Wohnung bis spätestens 22. Juli 2005 auf.
- 2
- Da die Beklagten weder die behaupteten Mietrückstände bezahlten noch die Wohnung räumten, machte der Kläger Ansprüche auf Zahlung rückständiger Miete und anteiliger Betriebskosten gerichtlich geltend, ebenso sein Verlangen auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung. Zusätzlich verlangte er die Erstattung der ihm für das Kündigungsschreiben in Rechnung gestellten vorgerichtlichen Gebühren seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 700,29 €.
- 3
- Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Räumung, zur Zahlung rückständiger Miete und offener Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen sowie zur Zahlung von 277,94 € für die durch die anwaltliche Kündigung vorprozessual entstandenen Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Hinsichtlich der weitergehend geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten (422,35 €) hat es die Klage abgewiesen. Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung des Klägers hat das Landgericht in Höhe eines Betrages von 167,39 € als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
- 4
- Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Restbetrages von 422,35 € weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg in Höhe von 254,96 €. Darüber hinaus ist das Rechtsmittel unbegründet.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht (LG Bonn NZM 2006, 658) hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, ausgeführt:
- 7
- In Höhe eines Betrages von 167,39 € sei die Berufung unzulässig, weil der Kläger sein Rechtsmittel insoweit nicht begründet habe. Die Abweisung der Klage in dieser Höhe in erster Instanz beruhe darauf, dass das Amtsgericht für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung lediglich einen Gegenstandswert von 5.052 € angenommen habe und nicht, wie der Kläger, von 8.112 €.
- 8
- Soweit die Berufung zulässig sei, sei sie unbegründet. Bei einem Gegenstandswert von 5.052 € für die Geschäftsgebühr belaufe sich diese samt Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf 532,90 €. Da das Amtsgericht bereits insoweit 277,94 € zuerkannt habe, sei im Rahmen der zulässig begründeten Berufung allein noch zu entscheiden, ob dem Kläger weitere 254,96 € zustünden. Dies sei zu verneinen. Zwar habe das Amtsgericht zutreffend einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 286 BGB angenommen. Die Beklagten hätten ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt und dadurch dem Kläger Anlass zur fristlosen Kündigung gegeben. Zu dem deshalb ersatzfähigen Schaden gehörten auch die Kosten einer angemessenen Rechtsverfolgung mit Hilfe eines Anwalts. Der mit der Berufung geltend gemachte Anspruch scheitere jedoch teilweise daran, dass das angefallene Anwaltshonorar für das vorprozessuale Kündigungsschreiben der hälftigen Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG unterliege. Diese Vorschrift sei einschlägig, weil das Kündigungsschreiben und die im Rechtsstreit entfaltete Tätigkeit denselben Gegenstand beträfen.
II.
- 9
- 1. Die Revision ist unbegründet, soweit sich der Kläger gegen die Verwerfung seiner Berufung in Höhe eines Betrages von 167,39 € wendet. Zutreffend hat das Landgericht die Berufung des Klägers in diesem Umfang für unzulässig gehalten. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 ZPO soll eine Berufungsbegründung aus sich heraus verständlich sein und erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126, unter 1). Ausführungen dazu, dass und weshalb die Annahme des Amtsgerichts fehlerhaft sei, der Gegenstandswert betrage lediglich 5.052 €, enthält die Berufungsbegründung nicht. Ohne Erfolg verweist die Revision in diesem Zusammenhang darauf, der Kläger habe seinen Schaden unter Bezugnahme auf die anwaltliche Kostennote, die er auch zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht habe, beziffert. Es genügt den an eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen nicht, wenn der Rechtsmittelführer - wie hier - lediglich pauschal ausführt, er wolle sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgen (BGH, Urteil vom 18. Juni 1998, aaO, unter 2 b).
- 10
- 2. Erfolgreich ist die Revision hingegen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung bezüglich des verbleibenden Zahlungsantrags in Höhe von 254,96 € wendet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht wegen der Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG einen Anspruch des Klägers verneint. Dabei kommt es nicht auf die vom Landgericht für erheblich gehaltene Frage an, ob die vorgerichtliche und die nachfolgende gerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Sinne der genannten Vorschrift denselben Gegenstand betreffen.
- 11
- a) Nach der genannten Regelung ist unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, eine entstandene Geschäftsgebühr teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Danach bleibt eine bereits entstandene Geschäftsgebühr unangetastet. Durch die hälftige Anrechnung verringert sich eine (später) nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr. Nach dem Gesetzeswortlaut ist die gerichtliche Verfahrensgebühr zu mindern, nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (so auch BayVGH NJW 2006, 1990; Schultze-Rhonhof, RVGreport 2005, 374; Hansens, RVGreport 2005, 392).
- 12
- Soweit in der Rechtsprechung eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr abgelehnt und stattdessen eine hälftige Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr befürwortet wird (z.B. KG JurBüro 2006, 202; OVG NRW NJW 2006, 1991, wobei übersehen wird, dass der Kostenschuldner durch die gegenteilige Auffassung nicht begünstigt wird, weil er einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ausgesetzt ist), mögen dafür prozessökonomische Gründe sprechen. Denn bei einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr wird die obsiegende Partei darauf verwiesen, die volle Geschäftsgebühr gegen die unterlegene Partei - gegebenenfalls gerichtlich - geltend zu machen, weil die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG - anders als die Verfahrensgebühr - im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO nicht berücksichtigt werden kann. Gründe der Prozessökonomie gestatten es jedoch nicht, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden.
- 13
- b) Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben, soweit die Berufung des Klägers in Höhe des zuletzt genannten Betrages von 254,96 € zu- rückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dem Kläger steht ein Anspruch auf die Zahlung weiterer 254,96 € nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB zu. Da die Anrechnung, wie ausgeführt, nicht auf die Geschäftsgebühr stattfindet, ist dem Kläger der Restbetrag zuzuerkennen. Ball Wiechers Dr.Wolst Dr.Hessel Dr.Koch
AG Siegburg, Entscheidung vom 16.11.2005 - 117 C 201/05 -
LG Bonn, Entscheidung vom 02.03.2006 - 6 S 279/05 -