Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2018 - XII ZB 540/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:070318BXIIZB540.17.0
bei uns veröffentlicht am07.03.2018
vorgehend
Amtsgericht Miesbach, 1 XVII 504/15, 10.11.2016
Landgericht München II, 6 T 175/17, 18.09.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 540/17
vom
7. März 2018
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die tatrichterliche Feststellung, die freie Willensbildung des Betroffenen sei
"erheblich beeinträchtigt", erlaubt nicht den Schluss, dass der Betroffene zu
einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage ist (im Anschluss an
Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2017 - XII ZB 495/16 - FamRZ 2017, 1341 und
vom 16. März 2016 - XII ZB 455/15 - FamRZ 2016, 970).
BGH, Beschluss vom 7. März 2018 - XII ZB 540/17 - LG München II
AG Miesbach
0.
ECLI:DE:BGH:2018:070318BXIIZB540.17.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger, Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 18. September 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Wert: 5.000 €

Gründe:

I.

1
Die im Jahr 1949 geborene Betroffene leidet an einem ausgeprägten kombinierten hirnorganischen Psychosyndrom. Sie erteilte im November 2009 ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 1, eine umfassende Vorsorgevollmacht.
2
Seit Oktober 2015 war die Beteiligte zu 3, eine Rechtsanwältin, als Kontrollbetreuerin zur Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber dem Bevollmächtigten bestellt. Ab Juli 2016 umfasste ihr Aufgabenkreis auch den Widerruf der Vorsorgevollmacht und ab Oktober 2016 den Widerruf aller von der Betroffenen erteilten Kontovollmachten bei der H.-Bank.
3
Mit Beschluss vom 10. November 2016 hat das Amtsgericht die Betreuung eingeschränkt, indem es die Widerrufsermächtigungen aus dem Aufgabenkreis herausgenommen hat. Die hiergegen von der Betroffenen mit dem Ziel einer vollständigen Aufhebung der Betreuung eingelegte Beschwerde hat das Landgericht - mit der unzutreffenden Bezeichnung "sofortige Beschwerde" - zurückgewiesen.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde wendet sich die Betroffene weiterhin insgesamt gegen die Betreuung.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
6
1. Die Entscheidung des Landgerichts hält bereits deshalb rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil - wie durch die Rechtsmittel belegt ist - die Betreuerin gegen den Willen der Betroffenen bestellt worden ist, es aber an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen dazu fehlt, ob die Betroffene über einen freien Willen im Sinne des § 1896 Abs. 1a BGB verfügt. Auch eine sogenannte Kontrollbetreuung (§ 1896 Abs. 3 BGB) wie die vorliegende kann gemäß § 1896 Abs. 1a BGB nicht gegen den freien Willen des Betroffenen eingerichtet werden (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2015 - XII ZB 381/15 - FamRZ 2016, 456 Rn. 9 mwN).
7
Das Landgericht hat hierzu in seiner Entscheidung lediglich ausgeführt, die Fähigkeit der Betroffenen zur Bildung eines freien Willens in Bezug auf eine Kontrollbetreuung werde vom Sachverständigen "nachvollziehbar als erheblich beeinträchtigt geschildert". Dabei hat es sich auf die Aussage im - vom Amtsge- richt dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen in Abschrift übersandten und daher entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ohne weiteres verwertbaren (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 334/17 - juris Rn. 12) - Gutachten gestützt, dass die "freie Willensbildung (…) als erheblich eingeschränkt anzusehen" sei. Damit steht nicht fest, dass die Betroffene zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Mai 2017 - XII ZB 495/16 - FamRZ 2017, 1341 Rn. 13 und vom 16. März 2016 - XII ZB 455/15 - FamRZ 2016, 970 Rn. 8).
8
2. Die angefochtene Entscheidung ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Dieses wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen zur Frage des Vorliegens eines freien Willens der Betroffenen im Sinne des § 1896 Abs. 1a BGB zu treffen haben.
9
Für den Fall, dass es der Betroffenen am freien Willen fehlt, weist der Senat auf Folgendes hin: Wie das Landgericht zutreffend seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, der Vollmachtgeber sei aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage, den Bevollmächtigten zu überwachen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, also durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird. Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Red- lichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (Senatsbeschlüsse vom 26. Juli 2017 - XII ZB 143/17 - FamRZ 2017, 1714 Rn. 12 f. und vom 16. Juli 2014 - XII ZB 142/14 - FamRZ 2014, 1693 Rn. 11 f.). Soweit die Rechtsbeschwerde höhere rechtliche Hürden für die Errichtung einer Kontrollbetreuung behauptet, ist das unzutreffend und verkennt , dass es nicht (mehr) um eine Widerrufsermächtigung geht (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ 2015, 2163 Rn. 17).
10
Nach diesen Maßgaben legen die - auch verfahrensrechtlich nicht zu beanstandenden - tatrichterlichen Feststellungen zu den Verdachtsmomenten gegen den Bevollmächtigten die Bestellung eines Betreuers zur Geltendmachung von Rechten des Betroffenen gegenüber dem Bevollmächtigten jedenfalls nahe.
11
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung , zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose Schilling Nedden-Boeger Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Miesbach, Entscheidung vom 10.11.2016 - 1 XVII 504/15 (2) -
LG München II, Entscheidung vom 18.09.2017 - 6 T 175/17 -

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Referenzen - Gesetze

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig
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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 74 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig

Referenzen - Urteile

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Referenzen

9
aa) Nach § 1896 Abs. 1a BGB darf gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Daher muss vor der gegen den Willen des Betroffenen erfolgenden Bestellung festgestellt werden, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Dies gilt auch, soweit - wie hier jedenfalls mit den Beschlüssen des Amtsgerichts vom 24. Februar und 5. März 2015 erfolgt - ein Kontrollbetreuer eingesetzt wird (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 177/15 - juris Rn. 12).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

12
b) Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2014 - XII ZB 142/14 - FamRZ 2014, 1693 Rn. 11).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die 89jährige Betroffene leidet an einer senilen Demenz vom Typ Alzheimer, wegen derer sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann. In den Jahren 1992 und 2000 erteilte sie einem ihrer Söhne, dem Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Bevollmächtigter), notarielle General- und Vorsorgevollmacht, deren Wirksamkeit nicht in Zweifel steht.

2

Die Betroffene ist Eigentümerin eines mit einem leerstehenden Einzelhandelsgeschäft bebauten Grundstücks, das aufgrund starker Sanierungsbedürftigkeit im derzeitigen Zustand nicht vermietbar ist. Der Bodenwert ist mit 643.300 € angegeben. Weiterhin ist die Betroffene Eigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung im Wert von rund 80.000 € sowie Inhaberin eines Nießbrauchs für ihre zuletzt bewohnte Wohnung, welche sie im Jahre 2000 an den Bevollmächtigten veräußert hatte.

3

Auf Anregung eines anderen Sohnes der Betroffenen - des Beteiligten zu 1 - hat das Amtsgericht erstmals am 16. Februar 2011 eine Rechtsanwältin zur Berufsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis der Überwachung des Bevollmächtigten, Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten und gegebenenfalls Widerruf erteilter Vollmachten bestellt, weil von Angehörigen der Vorwurf des Vollmachtmissbrauchs erhoben worden sei, eine einvernehmliche Lösung nicht habe herbeigeführt werden können und die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, den Bevollmächtigten zu überwachen. Auf die Beschwerde der Betroffenen und des Bevollmächtigten hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

4

Mit Beschluss vom 23. Januar 2013 hat das Amtsgericht die Betreuung erneut mit dem Aufgabenkreis der Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten angeordnet, weil Zweifel an der Eignung des Bevollmächtigten bestünden, das Immobilienvermögen der Betroffenen zu deren Vorteil zu verwalten, und nunmehr den Beteiligten zu 4 - einen als Insolvenzverwalter ausgewiesenen Fachanwalt - zum Berufsbetreuer bestellt. Dagegen haben erneut die Betroffene und der Bevollmächtigte Beschwerde eingelegt, die das Landgericht zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

6

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Betroffene sei auf Grund einer psychischen Krankheit nicht mehr in der Lage, den Bevollmächtigten selbst zu überwachen. Ob Bedenken gegen die Redlichkeit des Bevollmächtigten bestünden, könne dahinstehen, da eine Kontrolle jedenfalls deshalb geboten sei, weil die zu besorgenden Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und besonderem Umfang seien. Der Bevollmächtigte selbst habe fortlaufend über Schwierigkeiten bei der Vermietung der Gewerbeimmobilie berichtet.

7

Nach einem Bericht des Kontrollbetreuers vom 5. August 2013 stünden monatlichen Einkünften der Betroffenen in Höhe von 1.565,04 € monatliche Ausgaben in Höhe von 3.619,32 € gegenüber, die überwiegend kreditfinanziert würden. Dennoch und trotz des Verfalls der Gewerbeimmobilie habe der Bevollmächtigte nicht in Betracht gezogen, diese zu veräußern, um aus dem Verkaufserlös die monatlichen Ausgaben der Betroffenen ohne Kreditaufnahme zu bestreiten. Auch habe er keine Maßnahmen ergriffen, um die Vermietbarkeit der Wohnung herzustellen, an der die Betroffene den Nießbrauch hat. Dies sei auch insoweit bedenklich, als der Bevollmächtigte selbst Eigentümer der Wohnung sei.

8

2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

9

a) Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen.

10

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf der Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses (§ 281 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) festgestellt; dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

11

b) Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall bestellt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird.

12

Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 - XII ZB 666/11 - FamRZ 2012, 871 Rn. 11 f. und vom 30. März 2011 - XII ZB 537/10 - FamRZ 2011, 1047 Rn. 10 mwN).

13

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Beschwerde gegen die Bestellung des Beteiligten zu 4 zum Kontrollbetreuer zu Recht zurückgewiesen. Nach Einschätzung des in der Verwertung erfahrenen Kontrollbetreuers ist der zeitnahe Verkauf des Anwesens sinnvoll. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Bevollmächtigte dies jedoch bisher nicht ernsthaft verfolgt. Im Zusammenhang damit hat der Kontrollbetreuer auf eine zwischen der Betroffenen und dem Bevollmächtigten getroffene Vergütungsvereinbarung für die Verwaltung des Einzelhandelsgeschäfts hingewiesen, welche einzelne, die Betroffene stark benachteiligende Klauseln enthalte, die nach Auffassung des Kontrollbetreuers nichtig seien. Danach erscheint möglich, dass eine Veräußerung des Grundstücks erhebliche Auswirkungen auf Vergütungsansprüche des Bevollmächtigten gegenüber der Betroffenen hätte. Allein die daraus zu besorgenden Interessenkonflikte bei der Verwertung des Grundstücks wie auch die Verfolgung der Rechte der Betroffenen aus der Vergütungsvereinbarung rechtfertigen die Kontrollbetreuung.

Dose                             Schilling                             Günter

           Nedden-Boeger                               Botur

17
Soll dem Kontrollbetreuer auch der Aufgabenkreis Vollmachtwiderruf übertragen werden, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 33 ff.).

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft ist und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Ergibt die Begründung des angefochtenen Beschlusses zwar eine Rechtsverletzung, stellt sich die Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig dar, ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(3) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Beteiligten gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 71 Abs. 3 und § 73 Satz 2 gerügt worden sind. Die §§ 559, 564 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Auf das weitere Verfahren sind, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts ergeben, die im ersten Rechtszug geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde begründet ist, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.

(6) Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet in der Sache selbst, wenn diese zur Endentscheidung reif ist. Andernfalls verweist es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht oder, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, an das Gericht des ersten Rechtszugs zurück. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(7) Von einer Begründung der Entscheidung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.