Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2010 - II ZR 27/09

bei uns veröffentlicht am15.03.2010
vorgehend
Amtsgericht Straubing, 2 C 1178/06, 13.09.2007
Landgericht Regensburg, 2 S 246/07, 23.12.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 27/09 Verkündet am:
15. März 2010
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 b; Lugano-Übk Art. 53
Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG a.F. ist nicht anwendbar, wenn ein in der
Schweiz eingetragener Verein einen allgemeinen Gerichtsstand auch im Inland hat
(im Anschluss an BGH, Beschl. v. 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610).
BGH, Urteil vom 15. März 2010 - II ZR 27/09 - LG Regensburg
AG Straubing
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Caliebe, Dr. Drescher, Dr. Löffler und Bender

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 23. Dezember 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, einem beim Handelsregisteramt des Kantons Z. in der Schweiz eingetragenen Verein mit statutarisch geregeltem Sitz in B. /Schweiz, der seinen Mitgliedern Wohnrechte in einer in M. (Landkreis S. , Bayerischer Wald) belegenen Ferienanlage nach dem "Time-Sharing"-Modell einräumt, Rückzahlung des für den Erwerb der Vereinsmitgliedschaft aufgewendeten Entgelts.
2
Die Klägerin unterschrieb am 12. September 1995 einen "Vermittlungsauftrag und Aufnahmeantrag", mit dem sie unter Anerkennung der Statuten die Aufnahme in den Verein "ME. -F. Luftkurort M. " gegen eine Gesamtgebühr von 9.325,00 DM (Klageforderung) beantragte. Die Mitgliedschaft wurde der Klägerin mit Urkunde vom 12. Dezember 1995 bestätigt.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt , mit der in den Statuten des Beklagten geregelten Schiedsgerichtsklausel sei die deutsche Gerichtsbarkeit wirksam ausgeschlossen worden. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Landgericht als unzulässig verworfen, weil die Berufung entgegen § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nicht beim Oberlandesgericht eingelegt worden sei. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
5
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Der beklagte Verein habe seinen allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz in der Schweiz und damit außerhalb des Geltungsbereichs des GVG gehabt, so dass gemäß § 119 Abs. 1 Ziff. 1 b GVG das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Berufung zuständig gewesen sei.
7
Der Sitz einer juristischen Person bestimme sich gemäß § 17 ZPO grundsätzlich nach dem Gründungssitz und nicht nach dem effektiven Verwal- tungssitz. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der effektive Verwaltungssitz des Beklagten in Deutschland befinde. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es sich bei dem Beklagten um eine sog. "Scheingesellschaft" oder "Briefkastenfirma" handele, führe dies nicht dazu, dass der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand in der Schweiz verliere. Angesichts der zahlreichen bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere dem Abkommen über die Freizügigkeit, müsse ein schweizerischer Verein, der sich innerhalb der vom Abkommen vorgegebenen Grenzen in Deutschland betätige, auch dann als solcher anerkannt werden, wenn der Verwaltungssitz vorübergehend in Deutschland liege. Damit stehe fest, dass der Beklagte in Deutschland keinen allgemeinen, sondern nur einen besonderen Gerichtsstand habe.
8
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig verworfen, gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG a.F. sei nicht das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig. Nach dieser - durch Art. 22 Nr. 14 a des FGGReformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2586, 2696) mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobenen und hier nach § 40 EGGVG in der bisherigen Fassung noch anzuwendenden - Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb Deutschlands hatte. Dies trifft hier entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht zu.
10
1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes , dass § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG a.F. dann nicht anwendbar ist, wenn die Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (BGH, Beschl. v. 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, NJW-RR 2008, 551 Tz. 12 ff.; v. 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610 Tz. 8). So liegt es auch hier.
11
2. Zu Unrecht hat das Landgericht unter Anwendung des § 17 ZPO einen allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten ausschließlich in der Schweiz angenommen und einen allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland verneint.
12
a) Der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten bestimmt sich hier nicht nach § 17 ZPO, sondern nach Art. 2 i.V.m. Art. 53 des Übereinkommens "über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen geschlossen in Lugano am 16. September 1988" (nachfolgend: LugÜ). Danach sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Art. 2 LugÜ). Der Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen steht für die Anwendung des Übereinkommens dem Wohnsitz gleich. Bei der Entscheidung darüber, wo sich der Sitz befindet, hat das Gericht die Vorschriften seines internationalen Privatrechts anzuwenden (Art. 53 LugÜ).
13
b) Dies führt hier zur Annahme eines allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten in Deutschland.
14
aa) Das LugÜ ist hier anwendbar. Es ist in der Bundesrepublik Deutschland als dem Wohnsitzstaat der Klägerin am 1. März 1995 und in der Schweiz als dem "Wohnsitzstaat" des Beklagten am 1. Januar 1992 in Kraft getreten (BGBl 1995, II 221). Es findet im Streitfall gem. Art. 54 b II a, 1. Fall LugÜ Anwendung , weil die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist.
15
bb) Das deutsche internationale Privatrecht folgt im Grundsatz der Sitztheorie , der die Annahme eines einheitlichen Gesellschaftsstatuts zu Grunde liegt, d.h. es beurteilen sich alle gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse grundsätzlich nach dem so bestimmten Gesellschaftsstatut (MünchKommBGB/ Kindler 4. Aufl. Intern.GesR Rdn. 6, 400). Die Sitztheorie ist für in der Schweiz gegründete Gesellschaften weiterhin anwendbar (Senat, BGHZ 178, 192 Tz. 19 f. - TRABRENNBAHN; MünchKommBGB/Kindler 4. Aufl. Intern.GesR Rdn. 433; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. Art. 60 EuGVO Rdn. 8).
16
cc) Nach dem gem. Art. 53 LugÜ anwendbaren deutschen internationalen Privatrecht und der dort geltenden Sitztheorie beurteilt sich der Sitz einer juristischen Person nach dem Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes (BGHZ97, 269, 271 m.w.Nachw.; BGHZ178, 192 Tz.21; MünchKommZPO/Gottwald 2. Aufl. Art. 53 EuGVÜ Rdn. 6). Maßgebend dafür ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane , also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272).
17
Dieser Ort lag in der Bundesrepublik Deutschland. Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht insoweit für maßgeblich gehalten, es sei von dem Beklagten niemals eingeräumt worden, dass die Verwaltung von Deutschland aus erfolgt sei; es sei lediglich eingeräumt worden, dass sich die wesentlichen Vermögensbestandteile in Deutschland befinden würden. Das Berufungsgericht hat insoweit wesentlichen Sachvortrag der Parteien außer Acht gelassen. http://www.f/ - 7 -
18
(1) Für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG a.F. ist regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht unangegriffen gebliebene inländische oder ausländische allgemeine Gerichtsstand einer Partei zu Grunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen (BGH, Beschl. v. 28. März 2006 - VIII ZB 100/04, NJW 2006, 1808 Tz. 11; BGH, Beschl. v. 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610 Tz. 8). Dabei ist es unerheblich, dass das Amtsgericht im unstreitigen Tatbestand Z. in der Schweiz als den "Sitz" des Beklagten benannt hat. Unerheblich ist weiter, dass die Parteien und Vorinstanzen irrtümlich vom Vorliegen (nur) eines besonderen Gerichtsstands im Inland (hier: Gerichtsstand des Vermögens gem. § 23 ZPO) ausgegangen sind. Maßgebend ist allein, dass die tatsächlichen Umstände, die die Tatbestandsvoraussetzungen eines allgemeinen inländischen Gerichtsstands erfüllen, in erster Instanz unstreitig waren und unstreitig sind (BGH, Beschl. v. 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, NJW-RR 2008, 551 Tz. 11).
19
(2) Das war hier der Fall. Nach den bereits mit der Klageschrift vorgetragenen bzw. in erster Instanz unstreitigen tatsächlichen Umständen wurden die Geschäfte des Beklagten ausschließlich und unmittelbar in Deutschland geführt. Die Klägerin hat mit der Klageschrift die Schreiben des Beklagten vom 15. Januar 2004 sowie vom 18. April 2006 vorgelegt. Beide Schreiben weisen im Briefkopf eine Adresse in M. sowie eine deutsche Telefon- und Faxnummer aus. Nach dem Schreiben vom 15. Januar 2004 war unter diesen Angaben ausdrücklich die "Geschäftsstelle" des Vereins zu erreichen, im Schreiben vom 18. April 2006, das von dem Vorstandsmitglied D. unterschrieben worden war, wird im Anschriftenfeld weiter eine deutsche E-Mail-Adresse (f. -m. @t-online.de) sowie eine deutsche Internetadresse (www.f. .de) angegeben. Dem entspricht es, dass der in der Handelsregistereintragung dokumentierte Zweck des Vereins allein die Betreuung der Mit- glieder und des Eigentums der Ferienwohnanlage in M. umfasst. Diese in Deutschland gelegene Ferienanlage ist unstreitig das wesentliche zu verwaltende Vermögen des Beklagten. Ebenfalls unstreitig und im Übrigen durch den eingereichten Registerauszug dokumentiert sind zwei von drei Vorständen, so auch der Verfasser des Schreibens vom 18. April 2006, in Deutschland wohnhaft (vgl. zu diesen Kriterien als Indiz für den Verwaltungssitz BGH, Beschl. v. 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610 Tz. 12). Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin - vom Beklagten unbeanstandet - zudem M. als Ort im Passivrubrum angegeben. Aus vom Beklagten selbst erstinstanzlich eingereichten Unterlagen ergibt sich weiter, dass die Mitgliederversammlungen des Vereins in M. stattfinden, der Jahresbericht des Vorstandsvorsitzenden an die Mitgliederversammlung sowie die Bilanz unter dem Briefkopf "M. " erstellt werden und schließlich die Bilanz durch einen Rechnungsprüfer aus Mü. geprüft wird.
20
Die einzige Verbindung des Beklagten mit dem Ausland bestehen neben der Angabe des Sitzes in den Statuten sowie der dort geregelten Zuständigkeit eines Schiedsgerichts, dessen Zusammensetzung im Falle der fehlenden Benennung eines Schiedsrichters durch eine Partei der Präsident eines schweizerischen Gerichts bestimmen soll, darin, dass einer von drei Vorständen im Handelsregistereintrag mit einem ausländischen Geschäftssitz angegeben ist. Das reicht für die Annahme eines (alleinigen) Verwaltungssitzes im Ausland angesichts der für einen inländischen Verwaltungssitz sprechenden gewichtigen Umstände nicht aus (vgl. auch BGH, Beschl. v. 10. März 2009 - VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610 Tz. 12).
21
III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich - von seinem Rechtsstand- punkt aus konsequent - mit den sachlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht beschäftigt. Die Zurückverweisung bietet Gelegenheit, dies nachzuholen.
Goette Caliebe Drescher
Löffler Bender
Vorinstanzen:
AG Straubing, Entscheidung vom 13.09.2007 - 2 C 1178/06 -
LG Regensburg, Entscheidung vom 23.12.2008 - 2 S 246/07 (2) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2010 - II ZR 27/09

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 17 Allgemeiner Gerichtsstand juristischer Personen


(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 119


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte a) in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;b) in den Angelegenh
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(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.

(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.

(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 114/06
vom
27. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b; Brüssel I-VO Art. 60
§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG ist nicht anwendbar, wenn eine Gesellschaft einen
allgemeinen Gerichtsstand (auch) im Inland hat (Schein-Auslandsgesellschaft,
hier Limited Company). Auf den Umstand, dass sie in einem anderen Mitgliedsstaat
der EU einen weiteren allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. Art. 60 Brüssel
I-VO = EuGVVO), kommt es dann nicht an. Eine Berufung ist daher zum Landgericht
, nicht zum Oberlandesgericht einzulegen.
BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 2.200 €

Gründe:


I.

1
Der Kläger macht gegen die Beklagte zu 1, eine Limited Company mit satzungsmäßigem Sitz in Birmingham (Vereinigtes Königreich), Miete für die in Düsseldorf erfolgte Überlassung zweier Pkw und gegen die für die Beklagte zu 1 handelnden Beklagten zu 2 und 3, wohnhaft in Deutschland, Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung geltend.
2
Das am 10. Januar 2006 verkündete Urteil, mit dem das Amtsgericht der Klage stattgegeben hat, wurde den Beklagten am 14. Januar 2006 zugestellt.
Hiergegen haben die Beklagten am 10. Februar 2006 beim Landgericht Berufung eingelegt. Am 10. Mai 2006 wies das Landgericht die Beklagten darauf hin, dass es gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG für die Berufung nicht zuständig sei. Demgegenüber machten die Beklagten geltend, dass die Beklagte zu 1 - wie von der Klägerin bereits in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen - eine Limited, also eine Gesellschaft englischen Rechts, in Birmingham lediglich einen Briefkastensitz unterhalte, dort aber keine Geschäfte betreibe, diese vielmehr ausschließlich und unmittelbar in Deutschland über die im Handelsregister Düsseldorf eingetragene Zweigniederlassung führe.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nicht das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht sei gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG sachlich zuständig, da die Beklagte zu 1 im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb des Geltungsbereiches des GVG gehabt habe. Dass dies auf die Beklagten zu 2 und 3 nicht zutreffe, sei unerheblich, da bei Streitgenossenschaften die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts schon dann insgesamt gegeben sei, wenn auch nur einer der Streitgenossen keinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland habe. Die Beklagte zu 1 sei eine nach englischem Recht errichtete Limited. Dies allein zeige bereits, dass sie ihren Sitz und mithin gemäß § 17 Abs. 1 ZPO ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb Deutschlands habe. Anhaltspunkte dafür, es handle sich bei der Zweigniederlassung in Deutschland um eine selbständige Tochtergesellschaft in Form einer deutschen juristischen Person, bestünden nicht.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Sie machen geltend, die Beklagte zu 1 habe lediglich einen Briefkastensitz im Ausland, betreibe ihre gesamte Ge- schäftstätigkeit aber ausschließlich von Deutschland aus. § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG müsse deshalb teleologisch dahin einschränkend ausgelegt werden, dass die Vorschrift auf solche Unternehmen keine Anwendung finde. Die Tätigkeit der Beklagten zu 2 und 3 weise keinen Auslandsbezug auf. Der Streitfall müsse von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 155, 46 abgegrenzt werden, wonach die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch dann gegeben ist, wenn nur einer der Streitgenossen bei Klageerhebung seinen Wohnsitz im Ausland hatte. Nach Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG könne der Briefkastensitz einer Partei nämlich keine Sonderzuständigkeit für die übrigen Streitgenossen begründen. Im Rahmen des § 17 ZPO werde für die Frage des Gerichtsstandes bei einer sogenannten Briefkastenfirma nicht auf den Briefkastensitz, sondern auf den tatsächlichen Ort der Geschäftstätigkeit abgestellt. Das müsse auch für die Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG gelten.

II.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Rechtssache wegen der weitgehend ungelösten Anwendungsprobleme des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht Düsseldorf ist gemäß § 72 GVG funktionell zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten zuständig.
7
a) Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten das Oberlandesgericht funk- tionell zuständig wäre, wenn die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG vorliegen sollten. Dies ist jedoch entgegen der Meinung des Landgerichts nicht der Fall. Nach der genannten Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Dies trifft auch auf die Beklagte zu 1 entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.
8
Richtig ist allerdings dessen Auffassung insofern, als die Beklagte zu 1, weil sie ihren satzungsmäßigen Sitz in Birmingham hat, bei Klageerhebung (auch) einen allgemeinen Gerichtsstand außerhalb Deutschlands hatte. Dieser ergibt sich jedoch nicht, wie das Landgericht meint, aus § 17 Abs. 1 ZPO. Vielmehr ist in Bezug auf die Beklagte zu 1, die ihren satzungsmäßigen Sitz im Vereinigten Königreich hat und gegen die im Inland geklagt wird, der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) eröffnet. Danach hat die Beklagte zu 1 gemäß Artt. 2, 59, 60 EuGVVO einen allgemeinen Gerichtsstand im Vereinigten Königreich, weil sie dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat. Denn nach Art. 60 Abs. 1 EuGVVO haben Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz im Sinne von Artt. 2, 59 EuGVVO "an dem Ort, an dem sich a) ihr satzungsmäßiger Sitz, b) ihre Hauptverwaltung oder c) ihre Hauptniederlassung befindet." Nach Art. 2 EuGVVO haben sie einen allgemeinen Gerichtsstand jeweils in dem Mitgliedsstaat, in dem sich ihr Wohnsitz befindet.
9
Zwar wird z.T. die Meinung vertreten, wegen der Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Wohnsitzes einer Partei nach Art. 59 Abs. 2 EuGVVO beurtei- le sich das Vorliegen eines allgemeinen Gerichtsstands im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG allein nach deutschem Recht, was gemeinschaftsrechtlich zulässig sei (vgl. Zöller/Gummer ZPO 26. Aufl. § 119 GVG Rdn. 14). Nach der Gegenansicht ist hingegen auch die EuGVVO zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 155, 46, 49; BayObLG MDR 2005, 1243; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 28. Aufl. § 119 GVG Rdn. 8 a; Kissel/Mayer GVG 4. Aufl. § 119 Rdn. 27 b). Der Senat folgt der zuletzt genannten Ansicht. Zwar mag es richtig sein, dass das Gemeinschaftsrecht einer von Artt. 2, 59, 60 EuGVVO unabhängigen Auslegung des Begriffs "allgemeiner Gerichtsstand" in § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht entgegenstünde. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit der Berufungsgerichte die Anwendung der EuGVVO, die zwar kein deutsches Recht ist, aber in Deutschland unmittelbar gilt (vgl. Art. 249 Abs. 2 EG), ausschließen und somit dem Begriff "allgemeiner Gerichtsstand" § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG eine andere Bedeutung als im internationalen Zivilprozessrecht geben wollte. Hinzu kommt, dass es unpraktikabel und verwirrend wäre, den Begriff jeweils unterschiedlich auszulegen. Denn es müssten dann die Parteien und das Berufungsgericht für die internationale Zuständigkeit regelmäßig das Vorliegen eines allgemeinen Gerichtsstands nach der EuGVVO und für die funktionelle Zuständigkeit zusätzlich - und nach anderen Kriterien - die Voraussetzungen eines allgemeinen Gerichtsstands im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG prüfen (vgl. v. Hein ZZP 116 (2003), 335, 349 ff.).
10
b) Im Gegensatz zur Meinung der Rechtsbeschwerde hat die Beklagte zu 1 nicht deswegen ihren allgemeinen Gerichtsstand nach § 17 ZPO in Deutschland , weil es sich bei ihr um eine sog. Briefkastenfirma handelt, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hier hat. Zwar wurde in der Rechtsprechung ursprünglich die Meinung vertreten, dass eine ausländische rechtsfähige Gesellschaft , die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aus einem anderen Mitgliedstaat der EG nach Deutschland verlegt, hier nicht als ausländische juristische Person anzuerkennen, sondern als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln sei (vgl. BGHZ 151, 204). Auf eine solche Gesellschaft deutschen Rechts wäre zwar § 17 ZPO anwendbar gewesen (vgl. Stein/Jonas/ Roth ZPO 22. Aufl. § 17 Rdn. 10, 11). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon auszugehen, dass die in einem Mitgliedstaat nach dessen Vorschriften gegründete Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat unabhängig vom Ort ihres Verwaltungssitzes in der Rechtsform anzuerkennen ist, in der sie gegründet wurde (BGHZ 154, 185, 189; BGH Urteil vom 14. März 2005 - II ZR 5/03 - NJW 2005, 1648, 1649 m.N.). Dies aber bedeutet, dass die Beklagte zu 1, auch als so genannte Schein-Auslandsgesellschaft, hier als Limited Company englischen Rechts anzuerkennen ist und sich ihr allgemeiner Gerichtsstand nach der EuGVVO bestimmt.
11
c) Nach Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO hatte die Beklagte zu 1, da sich ihre Hauptverwaltung in Düsseldorf befindet, bei Eintritt der Rechtshängigkeit einen allgemeinen Gerichtsstand auch im Inland. Zwar haben die Parteien und die Vorinstanzen dies nicht erkannt. Sie sind vielmehr davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 nach § 21 ZPO in Düsseldorf als dem Gerichtsstand der Niederlassung verklagt werden könne. Dies steht jedoch der Tatsache nicht entgegen , dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO zwischen den Parteien in erster Instanz unstreitig waren und weiterhin unstreitig sind. Entsprechend Art. 48 Abs. 1 EG, der das Niederlassungsrecht der Gesellschaften in der Gemeinschaft regelt, ist Hauptverwaltung der Ort, an dem die Willensbildung und die eigentliche unternehmerische Leitung der Gesellschaft erfolgt (vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 60 EuGVVO Rdn. 2). Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich der Beklagten zu 1 in Düsseldorf vor. Denn der Kläger hat in erster Instanz unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte ihre Geschäfte ausschließlich und unmittelbar in Deutschland über die im Handelsregister von Düsseldorf eingetragene Zweigniederlassung führe. Daraus ergibt sich, dass die Geschäftsführung nicht von England aus erfolgte, sondern "unmittelbar" in Deutschland vorgenommen wurde. In Deutschland wurden somit auch die jeweiligen unternehmerischen Entscheidungen getroffen. Damit steht im Einklang, dass die gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 1 nach den unbestrittenen Angaben in der Klageschrift und dem Rubrum des erstinstanzlichen Urteils in Witten ansässig ist. Daraus folgt, dass sich die Hauptverwaltung der Beklagten zu 1 bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Inland befand, so dass die Beklagte zu 1 zu diesem Zeitpunkt - unstreitig - einen allgemeinen Gerichtsstand nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in Deutschland hatte.
12
d) Damit stellt sich die Frage, ob es, wenn eine Partei einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, für die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG ausreicht, dass sie darüber hinaus einen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Dies wird zum Teil mit dem Argument bejaht, dass auch bei einem zusätzlichen allgemeinen Gerichtsstand im Inland die Vermutung bestehe, dass der Rechtsstreit internationalprivatrechtliche Probleme aufweise, weshalb die Vorschrift entsprechend ihrem Zweck, Rechtsstreitigkeiten mit internationalem Bezug beim Oberlandesgericht zu konzentrieren, anzuwenden sei (vgl. OLG Karlsruhe IPrax 2004, 433; MünchKommZPO/Aktualisierungsband 2. Aufl. Wolf § 119 GVG Rdn. 5; v. Hein ZZP 116 (2003), 335, 350 f.; ders. IPrax 2004, 418).
13
Dem kann jedoch nach Ansicht des Senats nicht gefolgt werden. Vielmehr liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen solchen im Inland hat. Denn in der genannten Vorschrift heißt es, dass das Oberlandesgericht in Streitigkeiten über Ansprüche zuständig ist, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, "die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hatte". Diese Voraussetzungen aber erfüllt eine Partei nicht, die (auch) in Deutschland einen allgemeinen Gerichtsstand hat (Zöller /Gummer aaO; Kissel/Meyer aaO). Diese am Wortlaut orientierte Auslegung ist vorzuziehen, weil sie eher für Rechtssicherheit sorgt und für die Parteien den Zugang zur Berufungsinstanz klarer regelt und somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (noch) entspricht (vgl. BVerfG 88, 118, 123 ff.; BGH Beschluss vom 28. März 2006 - VIII ZB 100/04 - NJW 2006, 1808; Zöller/Gummer aaO).
14
Auch aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen scheint es geboten, § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG in der Weise auszulegen, dass der Zugang zu dem Berufungsgericht für ausländische Gesellschaften im Vergleich zu inländischen möglichst nicht erschwert wird. Denn die Beklagte zu 1, die ihre durch Artt. 43, 48 EG garantierte Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt ausübt (vgl. EuGH Urteil vom 30. September 2003, C-167/01, Slg. 2003 I-10155 Rdn. 138 - Inspire Art = NJW 2003, 3331, 3334), hat nach Art. 12 EG ein Recht auf Gleichbehandlung (vgl. EuGH Urteil vom 26. September 1996, C-43/95, Slg. 1996, I-4661 Rdn. 12 - Data Delecta = NJW 1996, 3407). Dieses Recht könnte durch eine Zuständigkeitsregelung verletzt werden, die im Gegensatz zur Regelung bei rein innerstaatlichen Fällen nicht klar und eindeutig ist, sodass es für die betroffene ausländische Partei erforderlich erschiene, sicherheitshalber Berufung sowohl beim Land- als auch beim Oberlandesgericht einzulegen, was zwar mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre, aber in der Literatur empfohlen wird (vgl. z.B. Thomas/Putzo/Hüßtege aaO Rdn. 8).
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.01.2006 - 36 C 10916/05 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.05.2006 - 23 S 37/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 105/07
vom
10. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die - mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobene - Vorschrift des
§ 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nicht anwendbar, wenn eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts einen allgemeinen Gerichtsstand jedenfalls auch
im Inland hat (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB
114/06, ZIP 2007, 1626).

b) Es fehlt an einer Grundlage für die Annahme, eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts habe ausschließlich einen ausländischen und nicht zumindest
auch einen inländischen Verwaltungssitz (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO), wenn
das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen in Deutschland belegen ist, einer
der beiden Gesellschafter seinen Wohnsitz in Deutschland hat, die Gesellschaft
nach außen unter einer deutschen Adresse auftritt und ihre laufenden
Geschäfte durch eine deutsche Hausverwaltung geführt werden,
während ihre einzige Verbindung mit dem Ausland in dem ausländischen
Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters besteht.
BGH, Beschluss vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07 - LG Berlin
AG Charlottenburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen
Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 4. September 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 2.703,08 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten, ihre ehemaligen Mieter, auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.703,08 € in Anspruch. In der Klageschrift hat sich die Klägerin wie folgt bezeichnet: "Grundstücksgemeinschaft L. straße 43, B. , bestehend aus 1. Herrn W. P. , P. straße , Ö. - G. , 2. Frau D. K. , F. allee , B. D. ".
2
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen haben die Beklagten Berufung beim Landgericht eingelegt. Nach entsprechendem Hinweis hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht beim zuständigen Berufungsgericht eingelegt worden sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:
3
Die Klägerin habe keinen inländischen Sitz. Sie sei zwar als Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Verwendung eines eigenen Namens im Rechtsverkehr wie eine juristische Person aufgetreten. Zutreffend sei auch, dass als Außengesellschaften wie eine juristische Person auftretende Gesellschaften bürgerlichen Rechts im eigenen Namen klagen könnten. Für einen inländischen Sitz der Klägerin gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die Klägerin habe weder in der Klageschrift noch im Mietvertrag einen eigenen Sitz im Inland angegeben. Vielmehr sei in der Klageschrift die Klägerin insoweit näher bezeichnet worden, als sie aus den beiden Gesellschaftern mit deren angegebenen Anschriften bestehe.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht B. .

II.

5
1. Die kraft Gesetzes statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint und die Beklagten dadurch in ihrem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2006 - VIII ZB 28/05, NJW 2006, 1810, Tz. 2 m.w.N.).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig verworfen , gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG sei nicht das Landgericht, sondern das Kammergericht für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig. Nach dieser - durch das FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobenen - Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche , die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Das trifft hier entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.
7
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass Partei des Rechtsstreits die durch W. P. und D. K. gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist. Sie ist als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch die Teilnahme am Rechtsverkehr - wie beim Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - eigene Rechte und Pflichten begründet, aktiv und passiv parteifähig (BGHZ 146, 341, 348 ff.).
8
b) Für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht un- angegriffen gebliebene inländische oder ausl ändische allgemeine Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen (Senatsbeschluss vom 1. März 2006, aaO, Tz. 4 m.w.N.). Dabei liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, ZIP 2007, 1626, Tz. 13 f.). Nach diesen Grundsätzen ergibt sich aus den - hier allein zugrunde zu legenden - Angaben in der Klageschrift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein (alleiniger ) ausländischer allgemeiner Gerichtsstand der Klägerin.
9
aa) Der allgemeine Gerichtsstand gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO und im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) nach Art. 2, 59 f. EuGVVO zu beurteilen (BGHZ 155, 46, 49; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist vorliegend aber nicht eröffnet, weil es im Streitfall nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand der beklagten Partei (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), sondern auf den der klagenden Partei ankommt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 8).
10
bb) Der allgemeine Gerichtsstand der Klägerin wird gemäß § 17 Abs. 1 ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Hier kann offen bleiben, ob in der Bezeichnung der Klägerin in der Klageschrift gleichzeitig die Angabe ihres satzungsmäßigen (inländischen) Sitzes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt. Denn jedenfalls fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, die Klägerin habe ausschließlich einen ausländischen und nicht zumindest auch einen inländischen Verwaltungssitz.
11
Der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 17 Rdnr. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 17 Rdnr. 10).
12
Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin jedenfalls auch einen inländischen Verwaltungssitz. Das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen ist in Deutschland belegen. Einer der beiden Gesellschafter hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Die Klägerin tritt nach außen - wie etwa bei Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - unter einer deutschen Adresse auf. Ihre laufenden Geschäfte führt eine deutsche Hausverwaltung am Belegenheitsort des Gesellschaftsgrundstücks. Die einzige Verbindung der Klägerin mit dem Ausland besteht dagegen in dem ausländischen Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters. Das reicht für die Annahme eines (alleinigen) Verwaltungssitzes im Ausland angesichts der für einen inländischen Verwaltungssitz sprechenden gewichti- gen Umstände nicht aus. Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG liegen mithin nicht vor.
Ball Dr.Frellesen Hermanns Dr.Milger Dr.Hessel
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 220 C 330/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 04.09.2007 - 65 S 214/07 -

(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.

(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.

(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 105/07
vom
10. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die - mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobene - Vorschrift des
§ 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nicht anwendbar, wenn eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts einen allgemeinen Gerichtsstand jedenfalls auch
im Inland hat (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB
114/06, ZIP 2007, 1626).

b) Es fehlt an einer Grundlage für die Annahme, eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts habe ausschließlich einen ausländischen und nicht zumindest
auch einen inländischen Verwaltungssitz (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO), wenn
das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen in Deutschland belegen ist, einer
der beiden Gesellschafter seinen Wohnsitz in Deutschland hat, die Gesellschaft
nach außen unter einer deutschen Adresse auftritt und ihre laufenden
Geschäfte durch eine deutsche Hausverwaltung geführt werden,
während ihre einzige Verbindung mit dem Ausland in dem ausländischen
Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters besteht.
BGH, Beschluss vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07 - LG Berlin
AG Charlottenburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen
Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 4. September 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 2.703,08 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten, ihre ehemaligen Mieter, auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.703,08 € in Anspruch. In der Klageschrift hat sich die Klägerin wie folgt bezeichnet: "Grundstücksgemeinschaft L. straße 43, B. , bestehend aus 1. Herrn W. P. , P. straße , Ö. - G. , 2. Frau D. K. , F. allee , B. D. ".
2
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen haben die Beklagten Berufung beim Landgericht eingelegt. Nach entsprechendem Hinweis hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht beim zuständigen Berufungsgericht eingelegt worden sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:
3
Die Klägerin habe keinen inländischen Sitz. Sie sei zwar als Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Verwendung eines eigenen Namens im Rechtsverkehr wie eine juristische Person aufgetreten. Zutreffend sei auch, dass als Außengesellschaften wie eine juristische Person auftretende Gesellschaften bürgerlichen Rechts im eigenen Namen klagen könnten. Für einen inländischen Sitz der Klägerin gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die Klägerin habe weder in der Klageschrift noch im Mietvertrag einen eigenen Sitz im Inland angegeben. Vielmehr sei in der Klageschrift die Klägerin insoweit näher bezeichnet worden, als sie aus den beiden Gesellschaftern mit deren angegebenen Anschriften bestehe.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht B. .

II.

5
1. Die kraft Gesetzes statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint und die Beklagten dadurch in ihrem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2006 - VIII ZB 28/05, NJW 2006, 1810, Tz. 2 m.w.N.).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig verworfen , gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG sei nicht das Landgericht, sondern das Kammergericht für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig. Nach dieser - durch das FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobenen - Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche , die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Das trifft hier entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.
7
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass Partei des Rechtsstreits die durch W. P. und D. K. gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist. Sie ist als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch die Teilnahme am Rechtsverkehr - wie beim Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - eigene Rechte und Pflichten begründet, aktiv und passiv parteifähig (BGHZ 146, 341, 348 ff.).
8
b) Für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht un- angegriffen gebliebene inländische oder ausl ändische allgemeine Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen (Senatsbeschluss vom 1. März 2006, aaO, Tz. 4 m.w.N.). Dabei liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, ZIP 2007, 1626, Tz. 13 f.). Nach diesen Grundsätzen ergibt sich aus den - hier allein zugrunde zu legenden - Angaben in der Klageschrift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein (alleiniger ) ausländischer allgemeiner Gerichtsstand der Klägerin.
9
aa) Der allgemeine Gerichtsstand gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO und im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) nach Art. 2, 59 f. EuGVVO zu beurteilen (BGHZ 155, 46, 49; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist vorliegend aber nicht eröffnet, weil es im Streitfall nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand der beklagten Partei (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), sondern auf den der klagenden Partei ankommt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 8).
10
bb) Der allgemeine Gerichtsstand der Klägerin wird gemäß § 17 Abs. 1 ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Hier kann offen bleiben, ob in der Bezeichnung der Klägerin in der Klageschrift gleichzeitig die Angabe ihres satzungsmäßigen (inländischen) Sitzes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt. Denn jedenfalls fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, die Klägerin habe ausschließlich einen ausländischen und nicht zumindest auch einen inländischen Verwaltungssitz.
11
Der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 17 Rdnr. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 17 Rdnr. 10).
12
Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin jedenfalls auch einen inländischen Verwaltungssitz. Das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen ist in Deutschland belegen. Einer der beiden Gesellschafter hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Die Klägerin tritt nach außen - wie etwa bei Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - unter einer deutschen Adresse auf. Ihre laufenden Geschäfte führt eine deutsche Hausverwaltung am Belegenheitsort des Gesellschaftsgrundstücks. Die einzige Verbindung der Klägerin mit dem Ausland besteht dagegen in dem ausländischen Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters. Das reicht für die Annahme eines (alleinigen) Verwaltungssitzes im Ausland angesichts der für einen inländischen Verwaltungssitz sprechenden gewichti- gen Umstände nicht aus. Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG liegen mithin nicht vor.
Ball Dr.Frellesen Hermanns Dr.Milger Dr.Hessel
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 220 C 330/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 04.09.2007 - 65 S 214/07 -

Für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Bei Forderungen gilt als der Ort, wo das Vermögen sich befindet, der Wohnsitz des Schuldners und, wenn für die Forderungen eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo die Sache sich befindet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 114/06
vom
27. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b; Brüssel I-VO Art. 60
§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG ist nicht anwendbar, wenn eine Gesellschaft einen
allgemeinen Gerichtsstand (auch) im Inland hat (Schein-Auslandsgesellschaft,
hier Limited Company). Auf den Umstand, dass sie in einem anderen Mitgliedsstaat
der EU einen weiteren allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. Art. 60 Brüssel
I-VO = EuGVVO), kommt es dann nicht an. Eine Berufung ist daher zum Landgericht
, nicht zum Oberlandesgericht einzulegen.
BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juni 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die
Richterin Dr. Vézina

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 23. Mai 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 2.200 €

Gründe:


I.

1
Der Kläger macht gegen die Beklagte zu 1, eine Limited Company mit satzungsmäßigem Sitz in Birmingham (Vereinigtes Königreich), Miete für die in Düsseldorf erfolgte Überlassung zweier Pkw und gegen die für die Beklagte zu 1 handelnden Beklagten zu 2 und 3, wohnhaft in Deutschland, Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung geltend.
2
Das am 10. Januar 2006 verkündete Urteil, mit dem das Amtsgericht der Klage stattgegeben hat, wurde den Beklagten am 14. Januar 2006 zugestellt.
Hiergegen haben die Beklagten am 10. Februar 2006 beim Landgericht Berufung eingelegt. Am 10. Mai 2006 wies das Landgericht die Beklagten darauf hin, dass es gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG für die Berufung nicht zuständig sei. Demgegenüber machten die Beklagten geltend, dass die Beklagte zu 1 - wie von der Klägerin bereits in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen - eine Limited, also eine Gesellschaft englischen Rechts, in Birmingham lediglich einen Briefkastensitz unterhalte, dort aber keine Geschäfte betreibe, diese vielmehr ausschließlich und unmittelbar in Deutschland über die im Handelsregister Düsseldorf eingetragene Zweigniederlassung führe.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nicht das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht sei gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG sachlich zuständig, da die Beklagte zu 1 im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb des Geltungsbereiches des GVG gehabt habe. Dass dies auf die Beklagten zu 2 und 3 nicht zutreffe, sei unerheblich, da bei Streitgenossenschaften die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts schon dann insgesamt gegeben sei, wenn auch nur einer der Streitgenossen keinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland habe. Die Beklagte zu 1 sei eine nach englischem Recht errichtete Limited. Dies allein zeige bereits, dass sie ihren Sitz und mithin gemäß § 17 Abs. 1 ZPO ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb Deutschlands habe. Anhaltspunkte dafür, es handle sich bei der Zweigniederlassung in Deutschland um eine selbständige Tochtergesellschaft in Form einer deutschen juristischen Person, bestünden nicht.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Sie machen geltend, die Beklagte zu 1 habe lediglich einen Briefkastensitz im Ausland, betreibe ihre gesamte Ge- schäftstätigkeit aber ausschließlich von Deutschland aus. § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG müsse deshalb teleologisch dahin einschränkend ausgelegt werden, dass die Vorschrift auf solche Unternehmen keine Anwendung finde. Die Tätigkeit der Beklagten zu 2 und 3 weise keinen Auslandsbezug auf. Der Streitfall müsse von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHZ 155, 46 abgegrenzt werden, wonach die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auch dann gegeben ist, wenn nur einer der Streitgenossen bei Klageerhebung seinen Wohnsitz im Ausland hatte. Nach Sinn und Zweck des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG könne der Briefkastensitz einer Partei nämlich keine Sonderzuständigkeit für die übrigen Streitgenossen begründen. Im Rahmen des § 17 ZPO werde für die Frage des Gerichtsstandes bei einer sogenannten Briefkastenfirma nicht auf den Briefkastensitz, sondern auf den tatsächlichen Ort der Geschäftstätigkeit abgestellt. Das müsse auch für die Auslegung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG gelten.

II.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Rechtssache wegen der weitgehend ungelösten Anwendungsprobleme des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht Düsseldorf ist gemäß § 72 GVG funktionell zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten zuständig.
7
a) Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht allerdings davon aus, dass zur Entscheidung über die Berufung der Beklagten das Oberlandesgericht funk- tionell zuständig wäre, wenn die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG vorliegen sollten. Dies ist jedoch entgegen der Meinung des Landgerichts nicht der Fall. Nach der genannten Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Dies trifft auch auf die Beklagte zu 1 entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.
8
Richtig ist allerdings dessen Auffassung insofern, als die Beklagte zu 1, weil sie ihren satzungsmäßigen Sitz in Birmingham hat, bei Klageerhebung (auch) einen allgemeinen Gerichtsstand außerhalb Deutschlands hatte. Dieser ergibt sich jedoch nicht, wie das Landgericht meint, aus § 17 Abs. 1 ZPO. Vielmehr ist in Bezug auf die Beklagte zu 1, die ihren satzungsmäßigen Sitz im Vereinigten Königreich hat und gegen die im Inland geklagt wird, der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) eröffnet. Danach hat die Beklagte zu 1 gemäß Artt. 2, 59, 60 EuGVVO einen allgemeinen Gerichtsstand im Vereinigten Königreich, weil sie dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat. Denn nach Art. 60 Abs. 1 EuGVVO haben Gesellschaften und juristische Personen ihren Wohnsitz im Sinne von Artt. 2, 59 EuGVVO "an dem Ort, an dem sich a) ihr satzungsmäßiger Sitz, b) ihre Hauptverwaltung oder c) ihre Hauptniederlassung befindet." Nach Art. 2 EuGVVO haben sie einen allgemeinen Gerichtsstand jeweils in dem Mitgliedsstaat, in dem sich ihr Wohnsitz befindet.
9
Zwar wird z.T. die Meinung vertreten, wegen der Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Wohnsitzes einer Partei nach Art. 59 Abs. 2 EuGVVO beurtei- le sich das Vorliegen eines allgemeinen Gerichtsstands im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG allein nach deutschem Recht, was gemeinschaftsrechtlich zulässig sei (vgl. Zöller/Gummer ZPO 26. Aufl. § 119 GVG Rdn. 14). Nach der Gegenansicht ist hingegen auch die EuGVVO zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 155, 46, 49; BayObLG MDR 2005, 1243; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 28. Aufl. § 119 GVG Rdn. 8 a; Kissel/Mayer GVG 4. Aufl. § 119 Rdn. 27 b). Der Senat folgt der zuletzt genannten Ansicht. Zwar mag es richtig sein, dass das Gemeinschaftsrecht einer von Artt. 2, 59, 60 EuGVVO unabhängigen Auslegung des Begriffs "allgemeiner Gerichtsstand" in § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht entgegenstünde. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit der Berufungsgerichte die Anwendung der EuGVVO, die zwar kein deutsches Recht ist, aber in Deutschland unmittelbar gilt (vgl. Art. 249 Abs. 2 EG), ausschließen und somit dem Begriff "allgemeiner Gerichtsstand" § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG eine andere Bedeutung als im internationalen Zivilprozessrecht geben wollte. Hinzu kommt, dass es unpraktikabel und verwirrend wäre, den Begriff jeweils unterschiedlich auszulegen. Denn es müssten dann die Parteien und das Berufungsgericht für die internationale Zuständigkeit regelmäßig das Vorliegen eines allgemeinen Gerichtsstands nach der EuGVVO und für die funktionelle Zuständigkeit zusätzlich - und nach anderen Kriterien - die Voraussetzungen eines allgemeinen Gerichtsstands im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG prüfen (vgl. v. Hein ZZP 116 (2003), 335, 349 ff.).
10
b) Im Gegensatz zur Meinung der Rechtsbeschwerde hat die Beklagte zu 1 nicht deswegen ihren allgemeinen Gerichtsstand nach § 17 ZPO in Deutschland , weil es sich bei ihr um eine sog. Briefkastenfirma handelt, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hier hat. Zwar wurde in der Rechtsprechung ursprünglich die Meinung vertreten, dass eine ausländische rechtsfähige Gesellschaft , die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aus einem anderen Mitgliedstaat der EG nach Deutschland verlegt, hier nicht als ausländische juristische Person anzuerkennen, sondern als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln sei (vgl. BGHZ 151, 204). Auf eine solche Gesellschaft deutschen Rechts wäre zwar § 17 ZPO anwendbar gewesen (vgl. Stein/Jonas/ Roth ZPO 22. Aufl. § 17 Rdn. 10, 11). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs davon auszugehen, dass die in einem Mitgliedstaat nach dessen Vorschriften gegründete Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat unabhängig vom Ort ihres Verwaltungssitzes in der Rechtsform anzuerkennen ist, in der sie gegründet wurde (BGHZ 154, 185, 189; BGH Urteil vom 14. März 2005 - II ZR 5/03 - NJW 2005, 1648, 1649 m.N.). Dies aber bedeutet, dass die Beklagte zu 1, auch als so genannte Schein-Auslandsgesellschaft, hier als Limited Company englischen Rechts anzuerkennen ist und sich ihr allgemeiner Gerichtsstand nach der EuGVVO bestimmt.
11
c) Nach Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO hatte die Beklagte zu 1, da sich ihre Hauptverwaltung in Düsseldorf befindet, bei Eintritt der Rechtshängigkeit einen allgemeinen Gerichtsstand auch im Inland. Zwar haben die Parteien und die Vorinstanzen dies nicht erkannt. Sie sind vielmehr davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 nach § 21 ZPO in Düsseldorf als dem Gerichtsstand der Niederlassung verklagt werden könne. Dies steht jedoch der Tatsache nicht entgegen , dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 60 Abs. 1 lit. b EuGVVO zwischen den Parteien in erster Instanz unstreitig waren und weiterhin unstreitig sind. Entsprechend Art. 48 Abs. 1 EG, der das Niederlassungsrecht der Gesellschaften in der Gemeinschaft regelt, ist Hauptverwaltung der Ort, an dem die Willensbildung und die eigentliche unternehmerische Leitung der Gesellschaft erfolgt (vgl. Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Art. 60 EuGVVO Rdn. 2). Diese Voraussetzungen lagen hinsichtlich der Beklagten zu 1 in Düsseldorf vor. Denn der Kläger hat in erster Instanz unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte ihre Geschäfte ausschließlich und unmittelbar in Deutschland über die im Handelsregister von Düsseldorf eingetragene Zweigniederlassung führe. Daraus ergibt sich, dass die Geschäftsführung nicht von England aus erfolgte, sondern "unmittelbar" in Deutschland vorgenommen wurde. In Deutschland wurden somit auch die jeweiligen unternehmerischen Entscheidungen getroffen. Damit steht im Einklang, dass die gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 1 nach den unbestrittenen Angaben in der Klageschrift und dem Rubrum des erstinstanzlichen Urteils in Witten ansässig ist. Daraus folgt, dass sich die Hauptverwaltung der Beklagten zu 1 bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Inland befand, so dass die Beklagte zu 1 zu diesem Zeitpunkt - unstreitig - einen allgemeinen Gerichtsstand nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in Deutschland hatte.
12
d) Damit stellt sich die Frage, ob es, wenn eine Partei einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, für die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG ausreicht, dass sie darüber hinaus einen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Dies wird zum Teil mit dem Argument bejaht, dass auch bei einem zusätzlichen allgemeinen Gerichtsstand im Inland die Vermutung bestehe, dass der Rechtsstreit internationalprivatrechtliche Probleme aufweise, weshalb die Vorschrift entsprechend ihrem Zweck, Rechtsstreitigkeiten mit internationalem Bezug beim Oberlandesgericht zu konzentrieren, anzuwenden sei (vgl. OLG Karlsruhe IPrax 2004, 433; MünchKommZPO/Aktualisierungsband 2. Aufl. Wolf § 119 GVG Rdn. 5; v. Hein ZZP 116 (2003), 335, 350 f.; ders. IPrax 2004, 418).
13
Dem kann jedoch nach Ansicht des Senats nicht gefolgt werden. Vielmehr liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen solchen im Inland hat. Denn in der genannten Vorschrift heißt es, dass das Oberlandesgericht in Streitigkeiten über Ansprüche zuständig ist, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, "die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes hatte". Diese Voraussetzungen aber erfüllt eine Partei nicht, die (auch) in Deutschland einen allgemeinen Gerichtsstand hat (Zöller /Gummer aaO; Kissel/Meyer aaO). Diese am Wortlaut orientierte Auslegung ist vorzuziehen, weil sie eher für Rechtssicherheit sorgt und für die Parteien den Zugang zur Berufungsinstanz klarer regelt und somit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (noch) entspricht (vgl. BVerfG 88, 118, 123 ff.; BGH Beschluss vom 28. März 2006 - VIII ZB 100/04 - NJW 2006, 1808; Zöller/Gummer aaO).
14
Auch aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen scheint es geboten, § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG in der Weise auszulegen, dass der Zugang zu dem Berufungsgericht für ausländische Gesellschaften im Vergleich zu inländischen möglichst nicht erschwert wird. Denn die Beklagte zu 1, die ihre durch Artt. 43, 48 EG garantierte Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt ausübt (vgl. EuGH Urteil vom 30. September 2003, C-167/01, Slg. 2003 I-10155 Rdn. 138 - Inspire Art = NJW 2003, 3331, 3334), hat nach Art. 12 EG ein Recht auf Gleichbehandlung (vgl. EuGH Urteil vom 26. September 1996, C-43/95, Slg. 1996, I-4661 Rdn. 12 - Data Delecta = NJW 1996, 3407). Dieses Recht könnte durch eine Zuständigkeitsregelung verletzt werden, die im Gegensatz zur Regelung bei rein innerstaatlichen Fällen nicht klar und eindeutig ist, sodass es für die betroffene ausländische Partei erforderlich erschiene, sicherheitshalber Berufung sowohl beim Land- als auch beim Oberlandesgericht einzulegen, was zwar mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre, aber in der Literatur empfohlen wird (vgl. z.B. Thomas/Putzo/Hüßtege aaO Rdn. 8).
Hahne Sprick Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.01.2006 - 36 C 10916/05 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.05.2006 - 23 S 37/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 105/07
vom
10. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Die - mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobene - Vorschrift des
§ 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nicht anwendbar, wenn eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts einen allgemeinen Gerichtsstand jedenfalls auch
im Inland hat (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB
114/06, ZIP 2007, 1626).

b) Es fehlt an einer Grundlage für die Annahme, eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts habe ausschließlich einen ausländischen und nicht zumindest
auch einen inländischen Verwaltungssitz (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO), wenn
das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen in Deutschland belegen ist, einer
der beiden Gesellschafter seinen Wohnsitz in Deutschland hat, die Gesellschaft
nach außen unter einer deutschen Adresse auftritt und ihre laufenden
Geschäfte durch eine deutsche Hausverwaltung geführt werden,
während ihre einzige Verbindung mit dem Ausland in dem ausländischen
Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters besteht.
BGH, Beschluss vom 10. März 2009 - VIII ZB 105/07 - LG Berlin
AG Charlottenburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen
Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 4. September 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 2.703,08 €

Gründe:


I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten, ihre ehemaligen Mieter, auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.703,08 € in Anspruch. In der Klageschrift hat sich die Klägerin wie folgt bezeichnet: "Grundstücksgemeinschaft L. straße 43, B. , bestehend aus 1. Herrn W. P. , P. straße , Ö. - G. , 2. Frau D. K. , F. allee , B. D. ".
2
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen haben die Beklagten Berufung beim Landgericht eingelegt. Nach entsprechendem Hinweis hat das Berufungsgericht die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht beim zuständigen Berufungsgericht eingelegt worden sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:
3
Die Klägerin habe keinen inländischen Sitz. Sie sei zwar als Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Verwendung eines eigenen Namens im Rechtsverkehr wie eine juristische Person aufgetreten. Zutreffend sei auch, dass als Außengesellschaften wie eine juristische Person auftretende Gesellschaften bürgerlichen Rechts im eigenen Namen klagen könnten. Für einen inländischen Sitz der Klägerin gebe es aber keine Anhaltspunkte. Die Klägerin habe weder in der Klageschrift noch im Mietvertrag einen eigenen Sitz im Inland angegeben. Vielmehr sei in der Klageschrift die Klägerin insoweit näher bezeichnet worden, als sie aus den beiden Gesellschaftern mit deren angegebenen Anschriften bestehe.
4
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstreben die Beklagten die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht B. .

II.

5
1. Die kraft Gesetzes statthafte (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint und die Beklagten dadurch in ihrem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2006 - VIII ZB 28/05, NJW 2006, 1810, Tz. 2 m.w.N.).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig verworfen , gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG sei nicht das Landgericht, sondern das Kammergericht für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig. Nach dieser - durch das FGG-Reformgesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) mit Wirkung zum 1. September 2009 aufgehobenen - Vorschrift sind die Oberlandesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in Streitigkeiten über Ansprüche , die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit außerhalb Deutschlands hatte. Das trifft hier entgegen der Meinung des Landgerichts nicht zu.
7
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass Partei des Rechtsstreits die durch W. P. und D. K. gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist. Sie ist als Außengesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch die Teilnahme am Rechtsverkehr - wie beim Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - eigene Rechte und Pflichten begründet, aktiv und passiv parteifähig (BGHZ 146, 341, 348 ff.).
8
b) Für die Frage der Rechtsmittelzuständigkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist regelmäßig der im Verfahren vor dem Amtsgericht un- angegriffen gebliebene inländische oder ausl ändische allgemeine Gerichtsstand einer Partei zugrunde zu legen und einer Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht grundsätzlich entzogen (Senatsbeschluss vom 1. März 2006, aaO, Tz. 4 m.w.N.). Dabei liegen die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG nicht vor, wenn eine Partei neben einem allgemeinen Gerichtsstand im Ausland auch einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - XII ZB 114/06, ZIP 2007, 1626, Tz. 13 f.). Nach diesen Grundsätzen ergibt sich aus den - hier allein zugrunde zu legenden - Angaben in der Klageschrift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein (alleiniger ) ausländischer allgemeiner Gerichtsstand der Klägerin.
9
aa) Der allgemeine Gerichtsstand gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG ist nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO und im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) nach Art. 2, 59 f. EuGVVO zu beurteilen (BGHZ 155, 46, 49; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist vorliegend aber nicht eröffnet, weil es im Streitfall nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand der beklagten Partei (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO), sondern auf den der klagenden Partei ankommt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, aaO, Tz. 8).
10
bb) Der allgemeine Gerichtsstand der Klägerin wird gemäß § 17 Abs. 1 ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Hier kann offen bleiben, ob in der Bezeichnung der Klägerin in der Klageschrift gleichzeitig die Angabe ihres satzungsmäßigen (inländischen) Sitzes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt. Denn jedenfalls fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, die Klägerin habe ausschließlich einen ausländischen und nicht zumindest auch einen inländischen Verwaltungssitz.
11
Der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, ist der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, 269, 272; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 17 Rdnr. 15; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 17 Rdnr. 10).
12
Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin jedenfalls auch einen inländischen Verwaltungssitz. Das zu verwaltende Gesellschaftsvermögen ist in Deutschland belegen. Einer der beiden Gesellschafter hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Die Klägerin tritt nach außen - wie etwa bei Abschluss des Mietvertrags mit den Beklagten - unter einer deutschen Adresse auf. Ihre laufenden Geschäfte führt eine deutsche Hausverwaltung am Belegenheitsort des Gesellschaftsgrundstücks. Die einzige Verbindung der Klägerin mit dem Ausland besteht dagegen in dem ausländischen Wohnsitz ihres anderen Gesellschafters. Das reicht für die Annahme eines (alleinigen) Verwaltungssitzes im Ausland angesichts der für einen inländischen Verwaltungssitz sprechenden gewichti- gen Umstände nicht aus. Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG liegen mithin nicht vor.
Ball Dr.Frellesen Hermanns Dr.Milger Dr.Hessel
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 20.04.2007 - 220 C 330/06 -
LG Berlin, Entscheidung vom 04.09.2007 - 65 S 214/07 -

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.