Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2012 - IV ZR 286/10

bei uns veröffentlicht am11.07.2012
vorgehend
Landgericht Konstanz, 4 O 89/08 H, 10.06.2009
Oberlandesgericht Karlsruhe, 9 U 75/09, 30.11.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 286/10 Verkündet am:
11. Juli 2012
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom11. Juli 2012

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. November 2010 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einem englischen Lebensversicherer , Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten bei Abschluss einer Lebensversicherung.
2
Die Beklagte bietet eine Kapitallebensversicherung "Wealthmaster Noble" an, bei der mit einer Einmalzahlung Anteile an einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs" erworben werden. Die Beklagte "garantiert" den Anlegern, dass der Wert des einzelnen Poolanteils nicht fallen kann. Der Vertragswert des Anlegers ist das Produkt aus der Anzahl der ihm zugewiesenen Poolanteile und dem Anteilswert. Das den verschiedenen Pools der Beklagten zugrunde liegende Gesamtvermögen wird von der Beklagten als Teil ihres Lebensversicherungsfonds am Aktienmarkt investiert. Im Rahmen des sogenannten Glättungsverfahrens ("smoothing") überführt sie einen Teil der durch die Investitionen der Vermögenswerte erzielten Rendite in Rückstellungen und gibt nur den verbleibenden Teil während der Vertragslaufzeit in Form des garantierten Wertzuwachses und gegebenenfalls durch - nicht garantierte - Fälligkeitsboni an die Anleger weiter. An den gebildeten Reserven können die Anleger auch am Ende der Vertragslaufzeit durch einen Fälligkeitsbonus beteiligt werden, der dem Wert der Anteile hinzugerechnet wird.
3
Diese Lebensversicherung war im Streitfall Teil eines Anlagemodells , das als weitere Bestandteile die Darlehensfinanzierung der Einmalzahlung und die Investition in einen Investmentfonds beinhaltete. In Deutschland wurde dieses Anlagemodell unter anderem über die V. GmbH als sogenannte "Masterdistributorin" und von dieser beauftragte Untervermittler vertrieben.
4
Geworben durch einen dieser Untervermittler schloss auch die Klägerin bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag "Wealthmaster Noble" mit Versicherungsbeginn zum 21. Juni 2001 und einer Laufzeit von 36 Jahren ab und zahlte einen Einmalbetrag in Höhe von 244.000 DM, mit dem sie Anteile am "Euro-Pool 2000EINS", einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs" erwarb. Der Versicherungsschein sieht auf Seite 2 eine "sonstige Auszahlung" in Höhe von 164.359 DM am 1. Juni 2011 vor. Zur Finanzierung des Einmalbetrags und der für das Finanzierungsdarlehen anfallenden Bearbeitungsgebühr von 6.000 DM nahm die Klägerin einen Kredit in Höhe von 200.000 DM auf, dessen Laufzeit auf maximal 10 Jahre begrenzt war. Den Restbetrag in Höhe von 50.000 DM brachte sie aus Eigenmitteln auf. Ihre Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag trat sie zur Sicherheit an die inzwischen insolvente Kreditgeberin ab. Daneben investierte die Klägerin in einen Fondssparplan mit einer monatlichen Sparrate von 200 DM, der neben der "sonstigen Auszahlung" bei Endfälligkeit zur Tilgung des Darlehens verwendet werden sollte. Die jeweils zum Jahresende fälligen Zinszahlungen für das Darlehen erbrachte die Klägerin anfangs aus Eigenmitteln , in den Jahren 2006 und 2007 durch Entnahmen aus der Lebensversicherung.
5
Der Versicherungsschein enthält auf Seite 1 den folgenden Hinweis : "Dieser Versicherungsschein besteht aus 3 Seiten, die in Verbindung mit C. M. Wealthmaster Noble Poli- cenbedingungen, Betr…., zu lesen sind."
6
Die Klägerin erhielt von der Beklagten jährliche Mitteilungen über die aktuellen Vertragswerte und den deklarierten Wertzuwachs. Dieser betrug für das Jahr 2002 3,5% und für das Jahr 2003 3%.
7
Ihr Schadensersatzbegehren hat die Klägerin auf die Behauptung gestützt, dass sie vom Vermittler fehlerhaft aufgeklärt worden sei. Er habe nicht nur den Prospekt über die Lebensversicherung der Beklagten, sondern auch Aufstellungen über in der Vergangenheit erzielte Renditen sowie die Wertübersichten mit unterschiedlichen Renditeprognosen vorgelegt , in denen unter anderem die vorgesehene Darlehenstilgung mit Hilfe der Versicherungsleistung enthalten gewesen sei. Er habe die Anlage als risikolos dargestellt und behauptet, sie könnte mit einer Mindestverzinsung von 9,5% jährlich sicher rechnen. Außerdem sei sie unter anderem über das Glättungsverfahren und die poolübergreifende Reser- venbildung nicht aufgeklärt worden. Das Verhalten des Untervermittlers sei der Beklagten zuzurechnen, da sie den Vertrieb ihrer Lebensversicherungen in Deutschland vollständig auf Masterdistributoren und Untervermittler ausgelagert habe. Die Klägerin verlangt, so gestellt zu werden als hätte sie den Lebensversicherungsvertrag nicht geschlossen, und fordert als Schadensersatz die Erstattung der von ihr für den Vertragsschluss erbrachten Aufwendungen (insbesondere Eigenkapital für Einmalbetrag , Bearbeitungsgebühr und Darlehenszinsen sowie Zahlungen in den Fondssparplan) und Freistellung von ihren Darlehensverbindlichkeiten.
8
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin wegen der Sicherungsabtretung an die Bank in Abrede gestellt. Ein etwaiges Verschulden des Vermittlers sei ihr nicht zuzurechnen, da das Anlagemodell durch unabhängige Makler vertrieben worden sei. Von der Fremdfinanzierung habe sie keine Kenntnis gehabt. Schadensersatzansprüche der Klägerin seien jedenfalls verjährt, da der Klägerin spätestens im Jahr 2003 aufgrund der jährlichen Zusendung der Kontoauszüge bekannt gewesen sei, dass die für ihr Anlagekonzept erforderliche Rendite nicht erzielt werde.
9
Das Landgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie nach persönlicher Anhörung der Klägerin und Vernehmung des Vermittlers als Zeugen abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, die eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:


10
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Klägerin zwar aktivlegitimiert sei, weil die Sicherungsabtretung an die Bank die hier geltend gemachten vorvertraglichen Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss nicht umfasse. Eine Pflichtverletzung des Vermittlers sei aber nicht bewiesen. Weder die Angaben des Zeugen noch die der Klägerin hätten das Gericht davon überzeugen können, dass der Vermittler der Klägerin unzutreffende Renditen versprochen oder sie sonst unzureichend aufgeklärt habe.
11
Ansprüche der Klägerin aus culpa in contrahendo wären im Übrigen auch verjährt. Die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) hätten bei der Klägerin jedenfalls im Jahr 2003 vorgelegen, da ihr die Anspruchsvoraussetzungen zumindest grob fahrlässig unbekannt geblieben seien. Aufgrund der in den Jahren 2002 und 2003 erhaltenen Kontoauszüge und den darin deklarierten Wertzuwächsen hätte sie misstrauisch werden und weitere Erkundigungen einholen sowie die Prospektund Vertragsunterlagen gründlich studieren müssen. Ansprüche seien damit Ende 2006 verjährt, da die Klage erst im Jahr 2008 erhoben worden sei.
12
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

13
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte - die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteile vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 9; vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 17; vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 85) - gegeben. Sie folgt sowohl aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. b als auch aus Art. 16 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO.
14
2. Ob der Klägerin die geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zustehen, kann der Senat nicht abschließend prüfen, da das Berufungsgericht weitere Feststellungen treffen muss.
15
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen werde von der Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag an die Kreditgeberin nicht erfasst. Diese Auslegung der Abtretungsvereinbarung ist nicht zu beanstanden.
16
Dabei geht der Senat davon aus, dass es sich bei der Abtretungsvereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des hier anwendbaren (Art. 229 § 5 EGBGB) § 1 AGBG handelt, die über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus Verwendung gefunden haben, so dass ihre Auslegung der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2011 - VIII ZR 305/10, NJW 2011, 2643 unter II 2 c aa m.w.N.). Zwar hat das Berufungsgericht zur rechtlichen Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung keine Feststellungen getroffen. Die Abtretungsvereinbarung wurde jedoch erkennbar unter Verwendung eines standardisierten Formulars der Kreditgeberin erstellt, in das lediglich die Vertragsparteien sowie die konkrete Bezeichnung der Versicherungsgesellschaft und des Kreditvertrages eingefügt wurden.
17
Die Klausel ist daher nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen ist (st. Rspr., BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 Rn. 20). Zur Bestimmung des Umfangs einer Sicherungsabtretung sind dabei neben dem Wortlaut der abgegebenen Erklärungen die Parteiinteressen und der Zweck des Rechtsgeschäfts zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 13. Juni 2007 - IV ZR 330/05, NJW 2007, 2320 Rn. 22). Nach dem Wortlaut der Abtretungsvereinbarung sind "sämtliche Ansprüche und Rechte, die (der Klägerin) aufgrund des Versicherungsvertrages gegen die genannte Versicherungsgesellschaft zustehen oder noch zustehen werden" erfasst; mit übertragen ist ausdrücklich das Recht auf Kündigung des Versicherungsvertrages und auf Entgegennahme des Rückkaufwertes. Schadensersatzansprüche sind hingegen nicht erwähnt. Die Formulierung lässt darauf schließen, dass die Parteien eine Abtretung sämtlicher Rechte im Blick hatten, die sich aus dem Lebensversicherungsvertrag ergeben. Die Klägerin verlangt hingegen , so gestellt zu werden als hätte sie den Lebensversicherungsvertrag nicht geschlossen. Dieser auf Rückabwicklung des Vertrages gerichtete Anspruch hat eine andere Ursache und ein anderes Ziel als Ansprüche, deren Rechtsgrund in der Durchführung oder Kündigung des Lebensversicherungsvertrages liegt, und ist daher vom Wortlaut der Abtretungsvereinbarung nicht erfasst (so auch zu vergleichbar formulierten Sicherungsabtretungen in anderen Verfahren gegen die Beklagte: OLG Köln - 20 U 249/11 n.v. = IV ZR 195/12; OLG Celle - 8 U 151/11, juris, Rn. 55; OLG Stuttgart - 7 U 133/10, juris Rn. 127; OLG Karlsruhe - 12 U 173/10, juris Rn. 52; OLG München - 25 U 2195/09 n.v. = IV ZR 277/11). Auch unter Berücksichtigung der Parteiinteressen ergibt sich aus der Vereinbarung nicht, dass die Klägerin und die Kreditgeberin Schadensersatzansprüche aus vorvertraglicher Pflichtverletzung auf Ersatz des negativen Interesses mitübertragen wollten. Diese Ansprüche gehen über den Anspruch auf Freistellung von den Verbindlichkeiten gegenüber der Zessionarin und damit auch über den Sicherungszweck hinaus, erfassen insbesondere die Eigenaufwendungen der Klägerin für den Einmalbetrag, die Bearbeitungsgebühr und den Fondssparplan. An der Erstattung dieser Aufwendungen hat allein die Klägerin einrechtliches Interesse.
18
b) Auf der Grundlage des revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalts hat die Beklagte im Rahmen der Vertragsverhandlungen ihre Aufklärungspflichten verletzt.
19
aa) Der Abschluss der streitgegenständlichen kapitalbildenden Lebensversicherung stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft dar. Gegenüber der Renditeerwartung war die Versicherung des Todesfallrisikos von untergeordneter Bedeutung. Dies zeigt sich schon daran, dass die garantierte Todesfallleistung nur "101,00% des Rücknahmewertes von Einheiten/Anteilen" beträgt. Die Beklagte war daher nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Aufklä- rung bei Anlagegeschäften verpflichtet, die Klägerin bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vollständig zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren. Das gilt insbesondere für die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juli 1998 - III ZR 158/97, aaO unter I 1; vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, WM 2005, 833 unter II 2 b; vom 17. Februar 2011 - III ZR 144/10, NJW-RR 2011, 910 Rn. 9).
20
bb) Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht eine Verletzung dieser Aufklärungspflichten im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht abschließend verneinen dürfen.
21
(1) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, dass das Versprechen einer konkreten Mindestrendite durch den Vermittler und die Werbung mit zweistelligen Vergangenheitsrenditen durch Übergabe der Aufstellung der Ablaufleistungen in den Jahren 1957-1999 (Anlage K 2) nicht bewiesen sei. Das Berufungsgericht hat seine fehlende Überzeugung aus der Parteianhörung und der Vernehmung des Vermittlers zum Inhalt des Beratungsgesprächs und den von beiden hierzu gemachten Äußerungen hergeleitet. Die Beweiswürdigung lässt insoweit Rechtsfehler nicht erkennen.
22
(2) Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt jedoch auf Grundlage des revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalts in einer unzureichenden Aufklärung über die Verwaltung der Beiträge. Mit diesen von der Klägerin dargelegten Aufklärungsfehlern hat sich das Berufungsgericht nicht befasst.
23
(a) Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat die Klägerin beanstandet , die Beklagte habe sie über die Funktionsweise und die Bedeutung des Glättungsverfahrens ("smoothing") und die Verwendung der gebildeten Reserven nicht aufgeklärt. Die Reservenbildung im Rahmen des Glättungsverfahrens führe dazu, dass hohe Renditen nicht zu erzielen seien. Sie sei auch nicht darüber informiert worden, dass die Beklagte langfristige Reserven bilde und ihre Aktionäre hieran beteilige.
24
Unstreitig gibt die Beklagte im Rahmen des Glättungsverfahrens nur einen Teil der mit den Einmalzahlungen erzielten Rendite über den deklarierten Wertzuwachs an die Anleger weiter und überführt den anderen Teil in Rücklagen, die einer Stützung von Auszahlungen und deklarierten Wertzuwächsen bei negativer Entwicklung an den Aktienmärkten dienen sollen. Der Umfang der Reservenbildung unterliegt der Ermessensentscheidung der Beklagten. An den gebildeten Reserven können die Anleger durch die - nicht garantierten - Fälligkeitsboni beteiligt werden , die auf die am Ende der Vertragslaufzeit verbliebenen Anteile, gegebenenfalls auch auf beantragte regelmäßige Auszahlungen geleistet werden.
25
Im Vorfeld des Vertragsschlusses hätte es einer Aufklärung über die Besonderheiten des so beschriebenen Glättungsverfahrens und über die Verwendung der Reserven bedurft. Dass die Beklagte unter Berücksichtigung der Vergangenheitsrenditen und einer Prognose der zukünftigen Wertentwicklung entscheidet, in welcher Höhe die Gesamtrendite in langfristige Reserven fließt, dass also die Anleger gegebenenfalls nur zu einem geringen Anteil hieran beteiligt werden, ist für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung. In den Policenbedingungen findet sich entgegen der Auffassung der Beklagten keine Erläuterung des Glät- tungsverfahrens. Unter Nr. 2.9.2 b) wird im letzten Satz lediglich darauf hingewiesen, dass es "unter besonders schlechten Investmentbedingun- gen … zu einem sehr niedrigen deklarierten Wertzuwachs kommen (kann), um die Interessen der Anleger zu schützen". Ähnlich nichtssagend ist Nr. 5.2.3 Abs. 3 der Verbraucherinformation. Hiernach kann "un- ter besonders schlechten Investmentbedingungen (…) der deklarierte Wertzuwachs besonders niedrig sein, um den Pool zu schützen. C. M. hat jedoch seit 1824 noch nie eine Bonuszahlung ausgelassen - selbst durch Weltkriege und Börsenkrisen hindurch". Auch aus dieser Formulierung kann der Versicherungsnehmer die Funktionsweise und die Bedeutung des Glättungsverfahrens für die Entwicklung des Vertragswertes nicht ersehen.
26
(b) Auch über die poolübergreifende Reservenbildung wurde die Klägerin nicht aufgeklärt. Sie beanstandet, dass die Beklagte für alle Versicherungsnehmer gemeinsame Rücklagen bilde, so dass es zu einer Quersubventionierung zwischen den Pools komme. Diese Behauptung wird von der Beklagten nicht bestritten; sie verweist lediglich darauf, dass zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger primär auf die für die einzelnen Pools gebildeten Reserven, sekundär auf die Gesamtreserven im Lebensversicherungsfonds zurückgegriffen werde.
27
Bei dieser poolübergreifenden Reservenbildung handelt es sich ebenfalls um einen für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand, über den die Beklagte hätte aufklären müssen. Die Behauptung der Beklagten , in den Jahren 2007 und 2008 sei nur in geringem Umfang (0,25% und ca. 0,6%) auf die Gesamtreserven zurückgegriffen worden, ist bereits deshalb unerheblich, da Obergrenzen für den Rückgriff nicht festgelegt sind. Die Policenbedingungen enthalten zu der Reservenbildung keine Erläuterung. Unter Ziff. 2 heißt es lediglich: "2.1 C. M. unterhält oder veranlasst die Unterhaltung einer Reihe deutlich abgegrenzter interner Investmentfonds und Pools mit garantiertem Wertzuwachs, die jeweils durch ein getrenntes Konto oder eine getrennte Aufstellung innerhalb des Lebensversicherungsfonds von C. M. vertreten sind. Jeder interne Investmentfonds/Pool ist in Einheiten/Anteile unterteilt. (…) 2.6 Die Unterteilung der Fonds/Pools in Einheiten/Anteile und die Zuteilung geschehen lediglich zum Zweck der Berechnung von Leistungen, die unter bestimmten von C. M. ausgestellten Verträgen zahlbar sind. Die Vermögenswerte der Fonds/Pools gehören immer C. M. , während der Versicherungsnehmer - unter dem Vorbehalt der Policenbedingungen - einen Anspruch auf den Wert der zugeteilten Einheiten/Anteile besitzt."
28
Dass für alle Pools der Beklagten (auch) gemeinsame Reserven gebildet werden mit der Folge, dass die mit der Einmalzahlung der Klägerin erwirtschaftete Rendite auch zur Gewährleistung von Garantieansprüchen aller anderen Versicherungsnehmer verwendet werden kann, ergibt sich hieraus nicht mit der erforderlichen Klarheit. Vielmehr wird durch die Formulierung unter Nr. 2.1 der Eindruck erweckt, dass eine Quersubventionierung ausgeschlossen ist. Auch hierin liegt eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten.
29
c) Das Urteil erweist sich auch nicht wegen der vom Berufungsgericht angenommenen Verjährung als richtig. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt steht dem Schadensersatzanspruch der Klägerin die Verjährungseinrede nicht entgegen.

30
aa) Eine Anwendung des § 12 Abs. 1 VVG a.F. unter dem Gesichtspunkt , dass der Ersatzanspruch aus vorvertraglichem Verschulden wirtschaftlich an die Stelle des vertraglichen Erfüllungsanspruchs getreten ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Dezember 2009 - IV ZR 195/08, VersR 2010, 373 Rn. 12; vom 21. Januar 2004 - IV ZR 44/03, VersR 2004, 361 unter II 1 b), kommt hier nicht in Betracht. Die Klägerin verlangt , so gestellt zu werden, als hätte sie den Lebensversicherungsvertrag nicht geschlossen. Der auf eine Rückabwicklung des Vertrages gerichtete Schadensersatzanspruch verjährt nach den allgemeinen verjährungsrechtlichen Regelungen der §§ 195 ff. BGB (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 - IV ZR 194/09, VersR 2012, 601 Rn. 29), also innerhalb einer Frist von drei Jahren (§ 195 BGB n.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).
31
bb) Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt hat.
32
(1) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist objektiv mit dem Abschluss des Lebensversicherungsvertrages entstanden. Zwar ist der für den Verjährungsbeginn maßgebliche Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist, während der Eintritt einer risikobehafteten Situation dafür nicht ausreicht. Jedoch kann der auf einer Aufklärungspflichtverletzung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, weil seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage be- reits für sich genommen einen Schaden darstellen und ihn daher - unabhängig von der ursprünglichen Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen , im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung zu verlangen; der Anspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen ) Erwerb der Anlage (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 31; BGH, Urteile vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn. 10; vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 24; vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 46 und vom 8. März 2005 aaO S. 309 f.), hier also im Jahr 2001.
33
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte die Klägerin jedoch weder bei Abschluss des Vertrages noch im Jahr 2003 Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen. Hierzu gehört bei unzureichender Aufklärung auch die Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (BGH, Urteile vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, VersR 2003, 511 unter II 3; vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27; jeweils m.w.N.). Wird ein Schadensersatzanspruch auf verschiedene Aufklärungsfehler gestützt, ist die Verjährung getrennt für jede einzelne Pflichtverletzung zu prüfen. Das gilt auch, wenn die Aufklärungsfehler in denselben Schaden, z.B. den Erwerb einer Kapitalanlage, münden (BGH, Urteil vom 24. März 2011 - III ZR 81/10, NJW-RR 2011, 842 Rn. 14).
34
Aus den der Klägerin in den Jahren 2002 und 2003 übersandten Kontoauszügen ergibt sich jedenfalls keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den Pflichtverletzungen, die aus einer unterlassenen Aufklärung über die Verwaltung der Beiträge resultieren. Auch bei nochmaliger Überprüfung der ihr übergebenen Unterlagen hätte die Klägerin weder die Funktion und die Bedeutung des Glättungsverfah- rens noch die einheitliche Reservenbildung im Lebensversicherungsfonds für die verschiedenen "Pools mit garantiertem Wertzuwachs" der Beklagten ersehen können. Dass hierin einer der Gründe für den niedrigen Wertzuwachs der Poolanteile liegen könnte, konnte sich ihr auch aufgrund der Komplexität der Lebensversicherung "WealthmasterNoble" nicht erschließen.
35
III. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines Schadensersatzanspruchs wegen einer Aufklärungspflichtverletzung und gegebenenfalls zur Schadenhöhe treffen muss.
Mayen Wendt Felsch Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 10.06.2009- 4 O 89/08 H -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 30.11.2010- 9 U 75/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2012 - IV ZR 286/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2012 - IV ZR 286/10

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 12 Versicherungsperiode


Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.
Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2012 - IV ZR 286/10 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 12 Versicherungsperiode


Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2012 - IV ZR 286/10 zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2011 - XI ZR 48/10

bei uns veröffentlicht am 01.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 48/10 Verkündet am: 1. März 2011 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 09. März 2010 - XI ZR 93/09

bei uns veröffentlicht am 09.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 93/09 Verkündet am: 9. März 2010 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2008 - XI ZR 319/06

bei uns veröffentlicht am 03.06.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 319/06 Verkündet am: 3. Juni 2008 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ________

Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2010 - XI ZR 200/09

bei uns veröffentlicht am 30.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL XI ZR 200/09 Verkündet am: 30. März 2010 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2010 - III ZR 249/09

bei uns veröffentlicht am 08.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 249/09 Verkündet am: 8. Juli 2010 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 195, 199 A

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2010 - III ZR 203/09

bei uns veröffentlicht am 22.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 203/09 Verkündet am: 22. Juli 2010 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 195, 199

Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2005 - II ZR 140/03

bei uns veröffentlicht am 21.03.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 140/03 Verkündet am: 21. März 2005 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 12. Mai 2011 - 7 U 133/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn – 4 O 278/09 – vom 08.07.2010 a b g e ä n d e r t : Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle Schäden, ausgerichtet am positiven
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2012 - IV ZR 286/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Aug. 2013 - IV ZR 167/11

bei uns veröffentlicht am 26.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 167/11 vom 26. August 2013 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller am 26. Au

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Aug. 2013 - IV ZR 166/11

bei uns veröffentlicht am 26.08.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 166/11 vom 26. August 2013 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller am 26. Au

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Apr. 2017 - IV ZR 437/15

bei uns veröffentlicht am 05.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 437/15 Verkündet am: 5. April 2017 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Finanzgericht Köln Urteil, 27. Aug. 2015 - 6 K 2927/13

bei uns veröffentlicht am 27.08.2015

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe d

Referenzen

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

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Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urteile vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff. und vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 17 mwN) - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht.
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1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die - auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - Xa ZR 19/08, WM 2009, 1947, Tz. 9, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ) - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach § 32 ZPO bejaht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 102/02
Verkündet am:
28. November 2002
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Die Revision kann auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des
Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) darauf gestützt werden, daß
das untere Gericht mit Unrecht seine internationale Zuständigkeit angenommen
oder verneint hat.
EuGVÜ Art. 5 Nr. 3; 13 Abs. 1 Nr. 3; 14 Abs. 1 2. Alt.; BGB § 661a
Für die auf eine Gewinnzusage i.S. des § 661a BGB gestützte Klage gegen eine
(natürliche oder juristische) Person, die in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates
ansässig ist, besteht am Wohnsitz des klagenden Verbrauchers
entweder die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 f.
EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ).
BGH, Urteil vom 28. November 2002 - III ZR 102/02 - OLG Düsseldorf
LG Mönchengladbach
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die
Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandhandelsgesellschaft. Mit Schreiben vom 30. Juni 2000 sandte sie der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Klägerin eine "Wichtige Benachrichtigung wegen Bargeld-Zuteilung aus Auswahl-Verfahren". Darin teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Zuge einer "Extra-Auszahlung" würden noch vor dem 20. Juli 2000 12.300 DM vergeben. Weiter hieß es in dem Schreiben:
"Und stellen Sie sich vor, Frau M., Ihr Name wurde nicht nur nominiert, sondern sogar als Gewinner gezogen. Das heißt für Sie, der Bargeld-Betrag gehört jetzt schon Ihnen!"
Entsprechend der im Schreiben vom 30. Juni 2000 gegebenen Anleitung sandte die Klägerin der Beklagten den "Ziehungs-Bescheid" mit aufgeklebter "Zuteilungs-Marke" zurück. Die Beklagte zahlte nicht.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte schulde ihr aufgrund einer Gewinnzusage (§ 661a BGB) 12.300 DM nebst Zinsen. Die Beklagte hat gerügt , das angerufene Landgericht Mönchengladbach sei weder international noch örtlich zuständig. Sie könne nur an ihrem Sitz in den Niederlanden verklagt werden. Das Landgericht hat abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durch Zwischenurteil entschieden, daß die Klage zulässig sei. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Antrag, die Klage als unzulässig abzuweisen.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist unbegründet.

I.


Das Berufungsgericht hat das Landgericht Mönchengladbach für international und örtlich zuständig erachtet. Es könne dahinstehen, ob Mönchengladbach Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September
1968, BGBl. 1972 II S. 774, im folgenden: EuGVÜ) sei. Die internationale Zu- ständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich jedenfalls aus dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ). Denn die Klage werde auf ein deliktsähnliches Verhalten der Beklagten gestützt.

II.


Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
Die Klage ist zulässig. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.
1. Das Revisionsgericht ist befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen. § 545 Abs. 2 ZPO n.F., der hier anzuwenden ist (vgl. § 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO), steht insoweit nicht entgegen. Die Vorschrift hat die Regelungen in den bisherigen §§ 10, 549 Abs. 2 ZPO übernommen. Sie bestimmt - entsprechend dem neu gefaßten § 513 Abs. 2 ZPO (bisher: § 512 a ZPO) - darüber hinaus, die Revision könne nicht darauf gestützt werden, daß das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat (Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses BT-Drucks. 14/4722 S. 106, s. auch S. 94 zu § 513 Abs. 2-E und S. 107 zu § 547-E). Diese Regelung bezieht sich jedoch ungeachtet ihres weitgefaßten Wortlauts nicht auf die internationale Zuständigkeit (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 4. Aufl. 2001 Rn. 1008 f und 1855; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl. 2002 Übersicht § 38 Rn. 9; s. auch Albers aaO § 545 Rn. 17
a.E.; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002 § 280 Rn. 8; Zöller/Geimer aaO IZPR Rn. 38; s. auch BGH, Beschluß vom 17. September 2001 - VI ZR 105/02 - Umdruck S. 4; a.A. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 23. Aufl. 2001 § 545 Rn. 13; Zöller/Gummer aaO § 545 Rn. 16 und § 513 Rn. 8; vgl. ferner Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. 2002 § 545 Rn. 12 f).

a) Hinsichtlich des § 549 Abs. 2 ZPO a.F., der die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges sowie die Frage nach der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts und dem Vorliegen einer Familiensache der revisionsrechtlichen Prüfung entzogen hatte, war anerkannt, daß er für die internationale Zuständigkeit nicht - auch nicht entsprechend - galt. Die internationale Zuständigkeit war in jedem Verfahrensabschnitt, auch im Revisionsverfahren , von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. BGHZ - GSZ - 44, 46; BGHZ 115, 90, 91; 134, 127, 129 f; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97 - NJW 1999, 1395 f; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. 1993 §§ 549, 550 Rn. 56). Weder dem Wortlaut des § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) noch der Gesetzesbegründung ist ein ausreichender Hinweis darauf zu entnehmen, daß der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.
aa) Gemäß § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) erstreckt sich die revisionsrechtliche Prüfung nicht darauf, daß das Gericht des ersten Rechtszuges "seine" Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Damit kann allein die Zuständigkeitsverteilung unter den deutschen Gerichten gemeint sein, nämlich die Frage der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, ferner - abweichend vom bisherigen Recht - der funktionellen Zuständigkeit, der Abgrenzung zwischen Zivilkammer und Kammer für Handelssachen sowie zwischen Prozeßgericht und Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. Musielak/Ball aaO Rn. 13
a.E.), nicht jedoch diejenige zwischen den deutschen und den ausländischen Gerichten.
bb) Die Gesetzesbegründung (Begründung aaO) verweist darauf, daß im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung des Revisionsgerichts Rechtsmittelstreitigkeiten, die allein auf die Frage der Zuständigkeit "des Gerichts" gestützt werden, vermieden werden sollen. Die in den Vorinstanzen geleistete Sacharbeit solle nicht wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werden. Diese Hinweise sind zu allgemein, als daß angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe die internationale Zuständigkeit ebenso wie die Zuständigkeitsverteilung unter den - unterstelltermaßen gleichwertigen (BGHZ 44, 46, 49) - innerstaatlichen Gerichten der revisionsrechtlichen Nachprüfung entziehen wollen. Die internationale Zuständigkeit hat nämlich ein ungleich größeres Gewicht. Sie betrifft die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten. Es handelt sich darum, inwieweit die deutschen Gerichte in Rechtssachen mit Auslandsbeziehungen eine Entscheidungsbefugnis in Anspruch nehmen können (vgl. BGHZ aaO 51).
Es kommt hinzu, daß die internationale Zuständigkeit - anders als die örtliche, sachliche, funktionelle und ähnliche innerstaatliche Zuständigkeit - über das Verfahrensrecht entscheidet, dem der Rechtsstreit unterliegt. Denn nur das deutsche Gericht wendet deutsches Prozeßrecht, das ausländische Gericht aber sein eigenes Verfahrensrecht an. Darüber hinaus hängt von der internationalen Zuständigkeit nicht selten ab, nach welchem materiellen Recht die Rechtssache entschieden wird. Wird die deutsche internationale Zuständigkeit bejaht, so bestimmt das deutsche internationale Privatrecht, nach welchem materiellen Recht das streitige Rechtsverhältnis zu beurteilen ist; wird
aber die deutsche internationale Zuständigkeit verneint (und ruft deshalb der Kläger ein ausländisches Gericht an), so entscheidet dieses nach dem internationalen Privatrecht seines Landes über die anzuwendende Rechtsnorm. Demgemäß kann die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit - im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten - die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen (BGHZ aaO 50; Geimer aaO Rn. 1009).

b) Die Auffassung, daß § 545 Abs. 2 ZPO (n.F.) die revisionsrechtliche Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht hindert, wahrt schließlich die Beachtung der Vorlagepflichten nach dem EuGVÜ und dem hierzu abgeschlossenen Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof vom 3. Juni 1971 (BGBl. 1972 II S. 846, künftig: Protokoll). Danach können in der Bundesrepublik Deutschland nur die obersten Gerichtshöfe des Bundes (Art. 2 Nr. 1 des Protokolls) und andere Gerichte, sofern sie als Rechtsmittelgericht entscheiden (Art. 2 Nr. 2 des Protokolls), dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage zur Vorabentscheidung vorlegen. Diese Vorlageberechtigung ginge ins Leere, wenn der Bundesgerichtshof aufgrund des § 545 Abs. 2 ZPO n.F. die internationale Zuständigkeit nicht mehr zu prüfen hätte. Entsprechendes gälte dann nämlich auch für die Berufungsgerichte (vgl. § 513 Abs. 2 ZPO n.F.), so daß es in der Bundesrepublik Deutschland kein Gericht gäbe, das berechtigt wäre, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen zur Auslegung des EuGVÜ (und des am selben Tag und am selben Ort unterzeichneten Protokolls sowie des Protokolls vom 3. Juni 1971 ) vorzulegen. Ein solches Ergebnis wäre aber mit der im Protokoll vom
3. Juni 1971 bestimmten Vorlageregelung unvereinbar (vgl. zu den völkerver- trags- und sekundärrechtlichen Kontrollpflichten Staudinger IPRax 2001, 298, 299 f).
2. Die mithin zulässige revisionsrechtliche Prüfung ergibt, daß im Streitfall die deutschen Gerichte entweder gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 zweite Alternative EuGVÜ oder gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ international zuständig sind.

a) Grundsätzlich sind natürliche Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des EuGVÜ haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ); entsprechendes gilt für Gesellschaften und juristische Personen, die ihren Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates haben (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ ). Abweichend von dieser Regel können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werden, wenn dort einer der in Art. 5 ff EuGVÜ genannten Wahlgerichtsstände besteht (Art. 3 Abs. 1 EuGVÜ; vgl. auch Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. 2000 Art. 3 EuGVÜ Rn. 1). So liegt der Streitfall. Die in den Niederlanden ansässige Beklagte kann vor einem deutschen Gericht verklagt werden , weil in der Bundesrepublik Deutschland entweder die internationale Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13, 14 EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) begründet ist.

b) Für Klagen aus einem Vertrag, den eine Person zu einem Zweck abgeschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person (Verbraucher) zugerechnet werden kann, bestimmt sich die Zuständig-
keit nach den Art. 13 ff. EuGVÜ für "andere Verträge" (als Teilzahlungskauf oder Darlehen), wenn sie die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern dem Vertragsschluß in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative EuGVÜ). Es handelt sich bei dieser Zuständigkeit um einen Sonderfall des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ). Während Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ sich allgemein auf Klagen aus Vertrag bezieht, erfaßt Art. 13 EuGVÜ bestimmte Arten von Verträgen, die ein Verbraucher geschlossen hat (EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00 - NJW 2002, 2697, 2698). Die in Art. 13 EuGVÜ verwendeten Begriffe sind autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um dessen volle Wirksamkeit zu sichern (EuGH aaO).
Die vorliegende auf eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB gestützte Klage kann als Klage aus einem Verbrauchervertrag (Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ) angesehen werden.
aa) Zwar handelt es sich bei der Gewinnzusage oder vergleichbaren Mitteilung der Beklagten nicht um einen Vertrag, sondern um ein einseitiges Rechtsgeschäft oder eine geschäftsähnliche Handlung (vgl. Lorenz, NJW 2000, 3305, 3307; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl. 2002 § 661a Rn. 2; Ring, Fernabsatzgesetz 2002 Art. 2 Abs. 4 Rn. 172). Die vertragliche Natur des Klageanspruchs kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß eine untrennbare Verbindung zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung bestanden
hätte (vgl. EuGH aaO S. 2699). Es ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin bei der Beklagten Waren bestellt oder die Beklagte die Auszahlung des Gewinns von einer Warenbestellung abhängig gemacht hätte.
bb) Die an die Klägerin gerichtete Gewinnbenachrichtigung der Beklagten zielte jedoch auf eine Vertragsanbahnung. Die Klägerin, die unstreitig Verbraucherin im vorbeschriebenen Sinn war, sollte hierdurch veranlaßt werden, bei der Beklagten Waren zu bestellen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 zweite Alternative und lit. a EuGVÜ). Denn sie wurde in dem Schreiben der Beklagten vom 30. Juni 2000 aufgefordert, von der Klägerin angebotene "Schnäppchen" zu nutzen. Auch das in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b EuGVÜ bestimmte Erfordernis, daß der Verbraucher in dem Staat seines Wohnsitzes die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat, war - zumindest dem Rechtsgedanken nach - erfüllt. Die Klägerin versah entsprechend den Anweisungen der Beklagten im Schreiben vom 30. Juni 2000 den Ziehungsbescheid mit der Zuteilungsmarke und schickte ihn am 7. Juli 2000 zurück.
cc) Sind aber die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ gegeben , dann konnte die in der Bundesrepublik Deutschland wohnende Klägerin ihre "Klage eines Verbrauchers" gegen die in den Niederlanden ansässige Beklagte wahlweise vor den niederländischen (Art. 14 Abs. 1 erste Alternative EuGVÜ) oder - wie geschehen - vor den deutschen Gerichten (Art. 14 Abs. 1 zweite Alternative EuGVÜ) erheben.

c) Wäre hingegen für die Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 ff. EuGVÜ) entscheidend auf den - hier nicht erfolgten - Abschluß eines Vertra-
ges abzustellen, wären die deutschen Gerichte jedenfalls aufgrund des Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung zuständig.
aa) Gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen auch vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Nr. 3; Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ). Der Begriff der "unerlaubten Handlung" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist als autonomer Begriff anzusehen. Um eine einheitliche Lösung in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, ist davon auszugehen, daß sich der Begriff der "unerlaubten Handlung" auf Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfen (st. Rspr. des EuGH, vgl. Urteil vom 11. Juli 2002 aaO; Urteil vom 27. September 1988 - Rs. 189/87 - EuGHE 1988, 5565, 5585 = NJW 1988, 3088, 3089 m. Anm. Geimer; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 - I ZR 201/86 - NJW 1988, 1466, 1467). So läge der Streitfall, wenn für den Gerichtsstand des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 erster Halbsatz EuGVÜ) und, was hier in Frage steht, die Zuständigkeit für Verbrauchersachen (Art. 13 ff. EuGVÜ) die Anknüpfung an die mit der Gewinnzusage betriebene Vertragsanbahnung nicht genügte. Die Haftung wegen Gewinnzusage (§ 661a BGB) wäre dann als nichtvertragliche deliktische oder deliktsähnliche Haftung - nicht als eine solche wegen zurechenbar gesetzten Rechtsscheins (vgl. Lorenz aaO S. 3306, 3308) - aufzufassen.
Mit der Einführung des § 661a BGB wollte der Gesetzgeber einer verbreiteten und wettbewerbsrechtlich unzulässigen Praxis entgegenwirken, daß Unternehmer Verbrauchern Mitteilungen über angebliche Gewinne übersenden , um sie zur Bestellung von Waren zu veranlassen, die Gewinne auf Nachfrage aber nicht aushändigen (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro BT-Drucks. 14/2658 S. 48 f, Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates BT-Drucks. 14/2920 S. 15; Lorenz aaO S. 3306 m.w.N.). Damit wurde - österreichischem Vorbild folgend (Lorenz IPRax 2002, 192) - eine Tendenz der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19) aufgegriffen, wettbewerbsrechtliche Verstöße allgemein-zivilrechtlich zu ahnden (Lorenz NJW 2000, 3306; vgl. auch Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem vorgenannten Gesetzentwurf BT-Drucks. 14/3195 S. 33 f; Ring aaO Rn. 167-169). Die unlautere Werbung mittels Vortäuschung scheinbarer Gewinne sollte unterbunden werden, indem dem Verbraucher gesetzlich eingeräumt wurde, den Unternehmer beim Wort zu nehmen und die Leistung des mitgeteilten Gewinns zu verlangen (Begründung Fernabsatzgesetz aaO S. 49; Bericht aaO S. 34). Darin ist jedenfalls eine Haftung wegen "unerlaubter Handlung" - im oben beschriebenen weitgefaßten Sinn des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ - zu sehen. Der Unternehmer wird für sein - in der Regel vorsätzlich abgegebenes (vgl. Lorenz aaO S. 3306, 3307) - täuschendes Versprechen "bestraft" , indem er gemäß § 661a BGB hierfür dem Verbraucher auf Erfüllung haftet (vgl. Gegenäußerung aaO; Rauscher/Schülke, The European Legal Fo-
rum 2000/01, 334, 337). Diese deliktische Qualifikation einer Klage aus Ge- winnzusage wahrt zugleich die Parallelität zu den Wettbewerbssachen (vgl. Lorenz aaO S. 3308 und 3309; s. aber dagegen ders. IPRax 2002, 192, 194 f; Rauscher/Schülke aaO), die nach allgemeiner Auffassung unter den Gerichtsstand der "unerlaubten Handlung" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1988 aaO; Gottwald in MünchKomm ZPO 2. Aufl. 2001 Schlußanhang IZPR Art. 5 EuGVÜ Rn. 37; Wieczorek /Schütze/Hausmann, ZPO 3. Aufl. 1994 Anh. § 40 Art. 5 EuGVÜ Rn. 51; Albers aaO Rn. 17; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. 1999 Art. 5 EuGVÜ Rn. 10; Auer in Bülow/ Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Art. 5 EuGVÜ Rn. 100; Geimer /Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 1997 Art. 5 EuGVÜ Rn. 151; Schlosser, EuGVÜ 1996 Art. 5 Rn. 16; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. 1998 Art. 5 EuGVÜ Rn. 57; Lorenz IPRax 2002, 192, 194).
Der Anspruch aus Gewinnzusage wäre im übrigen auch dann dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) zuzuordnen, wenn es sich um einen gesetzlichen Fall der culpa in contrahendo handelte (vgl. Lorenz aaO 3307, 3309; EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - Rs. C 334/00 - NJW 2002, 3159 f).
bb) Der gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ maßgebliche Ort, "an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", liegt sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (EuGH, Urteil vom 30. November 1976 - Rs. 21/76 - EuGHE 1976, 1735, 1746 f und vom 7. März 1995 - Rs. C-68/93 - EuGHE 1995 I S. 415, 460;
Gottwald aaO Rn. 42; Auer aaO Rn. 107). Dementsprechend konnte die Be- klagte an dem für den Wohnsitz der Klägerin zuständigen Gericht verklagt werden. Dort trat nämlich mit dem Empfang des scheinbaren Gewinnversprechens der Erfolg der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) ein (vgl. Rauscher /Schülke aaO S. 338; Lorenz NJW 2000, 3308, 3309).
3. Einer Vorlage wegen der hier vorgenommenen Auslegung der Art. 13 und 5 Nr. 3 EuGVÜ nach Art. 2 f des Protokolls vom 3. Juni 1971 bedarf es nicht. Zwar ist die Auslegungsfrage in der für den vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Form noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Gerichtshofes gewesen. Eine Vorlage ist aber - ebenso wie im Falle des Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag und des Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag - entbehrlich, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig ist, daß für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - EuGHE 1982, 3415; BVerfG NJW 1988, 1456; BGHZ 109, 29, 35; BGH, Urteil vom 12. Mai 1993 - VIII ZR 110/92 - BGHR EGÜbk Art. 6 Nr. 3 Zuständigkeit 1). So liegt es hier. Die auf eine Gewinnzusage oder eine vergleichbare Mitteilung (§ 661a BGB) gestützte Klage ist in Anlehnung an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juli 2002 (aaO) und 17. September 2002 (aaO) dem internationalen Gerichtsstand für Verbrauchersachen (Art. 13 f EuGVÜ) oder der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ) zuzuordnen. Daß weder die eine noch die andere Vorschrift anwendbar ist und sich die Beklagte auf den allgemeinen Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ berufen könnte, hält der Senat im Hinblick auf die genannten Entscheidungen des Gerichtshofs für ausgeschlossen. Er ist davon überzeugt, daß die gleiche Gewißheit für die Gerichte der übrigen Vertragsstaaten und den Europäischen Gerichtshof selbst besteht (vgl. EUGH, BVerfG und BGHZ aaO).

4. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Rechtsmittel gegen das Zwischenurteil des Landgerichts zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO; vgl. Zöller/Greger aaO § 280 Rn. 8 a.E.).
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 305/10 Verkündet am:
8. Juni 2011
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Auslegung einer Bestimmung über das Recht des Anbieters zur vorzeitigen Beendigung
der Auktion in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für eine Internetauktion.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2011 - VIII ZR 305/10 - LG Fulda
AG Bad Hersfeld
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2011 durch den Richter Dr. Frellesen als Vorsitzenden, die Richterin
Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 12. November 2010 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte stellte am 23. August 2009 eine gebrauchte Digitalkamera nebst Zubehör bei eBay für sieben Tage zur Internetauktion mit einem Startpreis von 1 € ein. Am folgenden Tag um 18.06 Uhr beendete der Beklagte die Auktion vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger, der ein Maximalgebot von 357 € abgegeben hatte, mit dem aktuellen Gebotsbetrag von 70 € Höchstbietender.
2
Die für die vorliegende Auktion maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (im Folgenden: eBay-AGB) enthalten in § 10 Abs. 1 folgende Regelungen: "Stellt ein Anbieter auf der eBay-Website einen Artikel im Angebotsformat Auktion ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrages über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter einen Startpreis und eine Frist (Angebotsdauer), binnen derer das Angebot per Gebot angenommen werden kann. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots über die Bieten-Funktion an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt. Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen…."
3
In den auf der Website von eBay zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf wird als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung unter anderem der Verlust des angebotenen Artikels genannt.
4
Der Kläger forderte den Beklagten vergeblich zur Lieferung der Kamera auf. Er begehrt mit seiner Klage Schadensersatz in Höhe des behaupteten Wertes der Kamera (1.125,32 €) und des Zubehörs (87,64 €) abzüglich des Gebotsbetrages (70 €), insgesamt 1.142,96 € nebst Zinsen, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 155,30 €. Der Beklagte beruft sich darauf, dass er zum vorzeitigen Abbruch der Auktion berechtigt gewesen sei, weil ihm die Kamera am Nachmittag des 24. August 2009 gestohlen worden sei.
5
Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Dem Kläger stehe der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz nicht zu, weil zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Der Beklagte habe nachgewiesen, dass ihm die Digitalkamera am 24. August 2009 gestohlen worden sei. Aus diesem Grund sei er gemäß § 10 Abs. 1 eBay-AGB berechtigt gewesen, das Angebot zurückzunehmen. Unter einer "gesetzlichen" Berechtigung zur Angebotsrücknahme im Sinne dieser Bestimmung sei nicht nur ein Anfechtungsrecht nach §§ 119 ff. BGB zu verstehen. Vielmehr sei die unscharf formulierte und daher auslegungsbedürftige Bestimmung dahin auszulegen, dass sie auch den Fall erfasse, in dem wegen Untergangs des Kaufgegenstandes gemäß § 275 Abs. 1 BGB eine Befreiung von der Primärleistungspflicht eintrete. Für diesen Fall regele § 10 Abs. 1 eBay-AGB - abweichend vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht - dass eine Berechtigung zur Angebotsbeendigung bestehe und ein Kaufvertrag nicht zustande komme. Für diese Auslegung sprächen die Hinweise, die eBay den Kunden gebe. In ihnen werde als triftiger Grund dafür, ein Angebot vorzeitig zu beenden , unter anderem genannt, dass der Artikel verloren gegangen, beschädigt oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar sei. Damit gehe eBay selbst davon aus, dass auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes zur Angebotsbeendigung berechtige.
9
Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass bei Internetauktionen die Abgabe des verbindlichen Höchstgebotes erst dann zum Vertragsschluss führe, wenn der Bietende auch noch zum regulären Ablauf der Auktion das Höchstgebot halte. Zwar müsse der Bieter davor geschützt werden, dass die Anbieter ihre Angebote aus wirtschaftlichen Erwägungen und damit sachfremden Erwägungen beendeten. Allerdings dürfe dieses Schutzbedürfnis des Bieters nicht dazu führen, dass dem Anbieter faktisch keine Möglichkeit mehr verbleibe, ein Angebot dann zu beenden, wenn er ansonsten "sehenden Auges" in eine anfängliche Unmöglichkeit laufen würde.
10
Dem Beklagten könne nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er unmittelbar nach Feststellen des Diebstahls das Angebot gestrichen habe. Wäre es ihm darum gegangen, seinen Schaden zu minimieren, so hätte er weiter abwarten können, bis höhere Angebote auf die Kamera abgegeben worden wären. Dies hätte dann dazu geführt, dass der von ihm zu ersetzende Schaden entsprechend geringer geworden wäre. Der Kläger sei somit im Zeitpunkt, als es zur Beendigung der Auktion durch den Beklagten gekommen sei, nur zufällig Höchstbietender gewesen. Er habe damit noch keine gesicherte Rechtsposition dahingehend erlangt, die es ihm nun erlaube, Schadensersatz in der begehrten Größenordnung geltend zu machen, obwohl sein eigenes Maximalgebot nicht bei 70 €, sondern bei 357 € gelegen habe.

II.

11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
12
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nicht zu. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass ein Kaufvertrag über die dem Kläger während der laufenden Internetauktion gestohlene Kamera nicht zustande gekommen ist, weil der Kläger dazu berechtigt war, die Auktion wegen des Diebstahls vorzeitig zu beenden.
13
1. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts zugrunde gelegt. Danach ist dem Kläger die von ihm bei eBay zum Verkauf angebotene Kamera einen Tag nach Beginn der auf sieben Tage befristeten Auktion gestohlen worden. Davon geht auch die Revision aus. Sie hält diesen Umstand jedoch für unerheblich und meint, er begründe kein Recht des Klägers zur vorzeitigen Beendigung der Auktion. Deshalb sei ein Kaufvertrag mit dem Beklagten als dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden zustande gekommen und der Beklagte berechtigt, gemäß § 275 Abs. 1 und 3, §§ 280, 283 BGB Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen. Das trifft nicht zu.
14
2. Ein Anspruch des Beklagten auf Schadensersatz statt der Leistung - sei es wegen anfänglicher oder wegen nachträglicher Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit §§ 280, 283 oder § 311a BGB) - setzt voraus, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag über die vom Kläger angebotene Kamera zustande gekommen ist. Daran fehlt es.
15
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ein Kaufvertrag im Rahmen einer bei eBay durchgeführten Internetauktion durch Willenserklärungen der Parteien - Angebot und Annahme - gemäß §§ 145 ff. BGB zustande. Dabei richtet sich der Erklärungsinhalt der Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) auch nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien vor der Teilnah- me an der Internetauktion zugestimmt haben (Senatsurteil vom 3. November 2004 - VIII ZR 375/03, NJW 2005, 53 unter II 2 a aa; vgl. auch Senatsurteil vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 133 ff.). In die Auslegung der Willenserklärung des Beklagten ist deshalb, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, die Bestimmung von § 10 Abs. 1 eBay-AGB über das Zustandekommen eines Vertrages bei vorzeitiger Beendigung der Auktion einzubeziehen. Davon geht auch die Revision aus.
16
b) Indem der Beklagte auf der Website von eBay die Kamera nebst Zubehör mit einem Startpreis von 1 € zur Versteigerung anbot und die Auktion startete, gab er ein verbindliches Verkaufsangebot ab, das sich an den richtete, der innerhalb der auf sieben Tage angesetzten Laufzeit der Auktion das höchste Gebot abgibt (vgl. Senatsurteil vom 3. November 2004 - VIII ZR 375/03, aaO). Dieser Erklärungsinhalt der Willenserklärung des Beklagten steht im Einklang mit § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 eBay-AGB.
17
Damit ist der Erklärungsinhalt des Angebots des Beklagten jedoch nicht vollständig erfasst. § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB räumt dem Anbietenden unter der dort genannten Voraussetzung das Recht ein, sein Angebot vor Ablauf der festgesetzten Auktionszeit zurückzunehmen, und regelt, dass bei einer berechtigten Rücknahme des Angebots kein Vertrag zustande kommt. Aufgrund dieser Bestimmung ist das Verkaufsangebot des Beklagten aus der Sicht der an der Auktion teilnehmenden Bieter (§§ 133, 157 BGB) dahin zu verstehen, dass es unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme steht. Ein solcher Vorbehalt, der die Bindungswirkung des Verkaufsangebots einschränkt, verstößt auch nicht gegen die von der Revision herangezogenen Grundsätze über die Bindungswirkung eines Angebots (§§ 145, 148 BGB), sondern ist zulässig. Gemäß § 145 BGB kann der Antragende die Bindungswirkung seines Angebots ausschließen. Ebenso kann er sie einschränken, indem er sich den Widerruf vorbehält. Das ist hier der Fall.
18
c) Entgegen der Auffassung der Revision war der Beklagte wegen des Diebstahls der angebotenen Kamera gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB dazu berechtigt, sein Verkaufsangebot vor Ablauf der Auktionszeit zurückzunehmen mit der Folge, dass aufgrund der berechtigten Angebotsrücknahme ein Kaufvertrag mit dem Kläger als dem im Zeitpunkt der Auktionsbeendigung Höchstbietenden nicht zustande gekommen ist.
19
Das Berufungsgericht hat mit Recht die Formulierung "es sei denn, der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen" als auslegungsbedürftig angesehen und unter Berücksichtigung der auf der Website von eBay gegebenen Hinweise zum Ablauf der Internetauktion dahin ausgelegt, dass der Diebstahl der Kamera für den Beklagten ein Recht zur Angebotsrücknahme begründete.
20
aa) Die Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an die der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO angeknüpft hat (BT-Drucks. 16/9733, S. 302), sind Allgemeine Geschäftsbedingungen wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und infolgedessen vom Revisionsgericht frei auszulegen, da bei ihnen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (Senatsurteil vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11 mwN).
21
bb) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht die auf der Website von eBay gegebenen Hinweise zum Ablauf der Internetauktion in die Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB einbezogen hat.
22
Das Berufungsgericht ist bei der Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 5 eBayAGB vom Wortlaut ausgegangen, dabei aber nicht stehen geblieben. Es hat mit Recht angenommen, dass für das Verständnis dieser Bestimmung durch die Auktionsteilnehmer auch und gerade die erläuternden Hinweise von eBay zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Recht zur vorzeitigen Angebotsbeendigung besteht, von Bedeutung sind. Diese Erläuterungen über die "Spielregeln" der Auktion, die jedem Auktionsteilnehmer zugänglich sind, beeinflussen das wechselseitige Verständnis der Willenserklärungen der Auktionsteilnehmer und sind deshalb auch maßgebend für den Erklärungsinhalt des Vorbehalts einer berechtigten Angebotsrücknahme, unter dem jedes Verkaufsangebot gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB steht.
23
Unter Berücksichtigung dieser Hinweise hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass die Bezugnahme in § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB auf eine "gesetzliche" Berechtigung zur Angebotsbeendigung nicht im engen Sinn einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. BGB) zu verstehen ist. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts wird in den Hinweisen von eBay zur Angebotsbeendigung auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes , worunter auch ein Diebstahl fällt, als rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung aufgeführt. Das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht angenommen, dass § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB hinsichtlich der Bezugnahme auf eine "gesetzliche" Berechtigung zur Angebotsbeendigung unscharf formuliert ist und auch den Fall des Diebstahls der angebotenen Sache erfasst. Aus den Hinweisen zur Auktion ist damit für alle Auktionsteilnehmer ersichtlich, dass der Anbieter berechtigt ist, das Verkaufsangebot wegen Diebstahls der Sache zurückzuziehen, und sein Angebot unter diesem Vorbehalt steht. Auch für den Kläger war das Verkaufsangebot des Beklagten so zu verstehen. Ob der Kläger von den Hinweisen zur Auktion tatsächlich Kenntnis ge- nommen hat, ist für die Bestimmung des objektiven Erklärungswerts des Angebots des Beklagten (§§ 133, 157 BGB) unerheblich.
24
cc) Ohne Erfolg beanstandet die Revision die tatrichterlichen Feststellungen zum Inhalt der auf der Website von eBay gegebenen Hinweise über das Recht zur vorzeitigen Auktionsbeendigung. Die Revision meint, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung aktuelle Hinweise zugrunde gelegt, die nicht den zum Zeitpunkt der Auktion maßgeblichen entsprächen. Das trifft nicht zu.
25
Zwar hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung "aktuelle" Hinweise wörtlich wiedergegeben. Es hat jedoch ausdrücklich auch auf den vom Beklagten vorgelegten Ausdruck der Hinweise Bezug genommen, den das Amtsgericht zugrunde gelegt hat und auf den sich auch die Revision bezieht. Beide Fassungen stimmen in dem für den vorliegenden Fall maßgeblichen Punkt überein. Auch in der früheren Fassung wird der Verlust des Artikels als Grund für eine vorzeitige Angebotsrücknahme genannt. Aus dem sich anschließenden Hinweis auf eine mögliche Schadensersatzpflicht des Verkäufers ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts Anderes. Er betrifft ausdrücklich den Fall der Angebotsrücknahme "ohne berechtigenden Grund", nicht dagegen die Angebotsrücknahme, die auf einem der zuvor genannten Gründe beruht.
26
dd) Die aus den Hinweisen abzuleitende Auslegung von § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB dahingehend, dass auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes zur Angebotsrücknahme berechtigt, verstößt auch nicht, wie die Revision meint, gegen die allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts (§§ 275 ff. BGB). Eine Anwendung der §§ 275 ff. BGB setzt einen zustande gekommenen Vertrag voraus. Daran fehlt es hier, weil das Angebot des Verkäufers, wie ausgeführt, nach § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme steht und deshalb kein Vertrag zustande kommt, wenn - wie im vorliegenden Fall - wegen Diebstahls des Verkaufsgegenstandes ein zur Rücknahme des Angebots berechtigender Grund vorliegt. Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Bad Hersfeld, Entscheidung vom 26.04.2010 - 10 C 162/10 -
LG Fulda, Entscheidung vom 12.11.2010 - 1 S 82/10 -
20
(1) Der Senat kann die Auslegung der Unterwerfungserklärung in vollem Umfang nachprüfen, weil es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts dabei wie auch bei der Grundschuldbestellungserklärung um formularmäßig vorformulierte Klauseln handelt, die offensichtlich mit diesem oder ähnlichem Inhalt auch über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden (vgl. BGHZ 181, 278, Tz. 20; BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 - XI ZR 539/07, WM 2009, 1460, Tz. 23, jeweils m.w.N.). Die Klausel ist nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen ist (st. Rspr., siehe nur BGHZ 180, 257, Tz. 11; 181, 278, Tz. 19, jeweils m.w.N.). Dabei sind bei der Auslegung der notariellen Vollstreckungsunterwerfungserklärung neben dem Wortlaut jedenfalls auch solche Zwecke und Interessen der Parteien berücksichtigungsfähig, die aus der Urkunde ersichtlich sind (BGH, Beschluss vom 29. Mai 2008 - V ZB 6/08, WM 2008, 1507, Tz. 7 m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 330/05 Verkündetam:
13.Juni2007
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: nein
1. Werden aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf
den Todesfall zur Sicherheit abgetreten, gibt es für die Frage, ob damit zugleich
der Anspruch auf den Rückkaufswert (nach Kündigung) abgetreten ist, keinen generellen
Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall (Fortführung
von BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter
II 1 c).
2. Ob die Abtretung auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter
vielmehr durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen
Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des
Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
3. Haben danach Zedent und Zessionar mit der Beschränkung der Sicherungsabtretung
auf den Anspruch auf den Todesfall das Ziel verfolgt, dem Sicherungsgeber
mit Blick auf das Steueränderungsgesetz 1992 steuerliche Vorteile (Abzugsfähigkeit
der Versicherungsprämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Kapitalerträge
aus der Lebensversicherung) zu erhalten, ist im Regelfalle der Anspruch
auf den Rückkaufswert nicht mit übertragen.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 - IV ZR 330/05 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2007

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. Mai 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners H. E. gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO Befriedigung aus vom Beklagten eingezogenen Rückkaufswerten von vier kapitalbildenden Lebensversicherungen, hilfsweise Schadensersatz.
2
Zur Sicherung von Kreditforderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 610.000 DM trat der Schuldner ihr Anfang Dezember 1995 aus zwei bei der V. Lebensversicherungs AG und zwei bei der G. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungsverträgen seine sämtlichen gegenwärtigen und künftige Rechte und Ansprüche für den Todesfall ab.
3
die Für Abtretungserklärungen fand ein Formular der Klägerin Verwendung, das unter der Nr. 1 die Möglichkeit eröffnet, die Abtretung durch Ankreuzen entsprechender Textstellen auf die Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a) und/oder für den Erlebensfall (Nr. 1 b) zu erstrecken. In den vier Abtretungserklärungen ist jeweils angekreuzt, die Abtretung umfasse die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag für den Todesfall in voller Höhe. Weiter heißt es unter Nr. 1 der Formulare: "Die Abtretung für den Erlebensfall umfaßt auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gem. Nr. 4.1."
4
Durchgestrichen ist in den vier Abtretungsurkunden jeweils der nachfolgende Absatz: "3 Entfallen der Steuerbegünstigung Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, daß durch diese Abtretung die steuerliche Begünstigung der Lebensversicherung (Sonderausgabenabzug für die Prämien, Steuerfreiheit der Zinsen) entfallen kann, §§ 10 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Dem Versicherungsnehmer wird empfohlen , diese Angelegenheit mit einem Berater in Steuerfragen zu besprechen."
5
Im Übrigen heißt es in den Formularen unter anderem: "4 Verwertung und Kündigung 4.1 Die Sparkasse ist berechtigt, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, insbesondere wenn der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen in von ihm zu vertretender Weise nicht nachkommt, sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufwertes oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen und die sonstigen sich aus dieser Abtretung ergebenden Rechte aus der Versicherung auszuüben, insbesondere die Versicherung in eine beitragsfreie umzuwandeln, die Versiche- rung durch Kündigung aufzulösen, Auszahlungen auf die Versicherung oder eine etwa angesammelte Dividende zu erheben sowie die Rechte und Ansprüche beliebig, auch durch Übertragung an Dritte, zu verwerten. Das gleiche gilt, wenn der Versicherungsnehmer seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrage nicht nachkommt. Der Versicherungsnehmer verzichtet auf seine Mitwirkung bei diesen Rechtshandlungen. Soweit etwa eine Genehmigung erforderlich sein sollte, erteilt er sie hiermit im voraus. … 4.4 Soweit ausschließlich Todesfallansprüche abgetreten sind, ist die Ausübung der unter Nr. 4.1 genannten Rechte durch den Versicherungsnehmer, insbesondere die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages, nur mit Zustimmung der Sparkasse möglich, soweit dadurch Rechte der Sparkasse aus dieser Vereinbarung beeinträchtigt werden könnten."
6
Am 2. April 1998 trat der Schuldner aus den beiden bei der V. Lebensversicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen zusätzlich auch sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte auf den Erlebensfall an die Klägerin ab. Alle Abtretungen wurden den beiden Versicherern angezeigt.
7
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte die Klägerin die Darlehen, meldete beim Beklagten daraus Forderungen in Höhe von 204.193,53 € an und teilte mit, ihr stehe aus den vorgenannten Abtretungen ein Recht zur abgesonderten Befriedigung zu.
8
Der Beklagte, der dieses Recht bestreitet und gegen die Abtretungen der Versicherungsleistungen auf den Erlebensfall die Einrede der Anfechtbarkeit wegen Gläubigerbenachteiligung erhebt, hat die vier Lebensversicherungen gekündigt und deren Rückkaufswerte, insgesamt 92.849,52 €, eingezogen.
9
Die Klägerin meint, der Beklagte müsse ihr - hilfsweise im Wege des Schadensersatzes - die eingezogenen Rückkaufswerte auskehren. Unter Abzug von 4% Feststellungskosten und unter Zubilligung von Rechtsanwaltsgebühren für die Kündigungen der Versicherungsverträge fordert die Klägerin die Zahlung von 89.092,62 €.
10
Landgericht Das hat der Klage in Höhe eines Betrages von 89.033,12 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


11
DasRechtsmittel hat keinen Erfolg.
12
A. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Befriedigung aus dem Erlös der eingezogenen Rückkaufswerte noch ein Schadensersatzanspruch zu. Die Abtretung der Todesfallleistungen aus den vier Lebensversicherungen verschaffe der Klägerin kein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Soweit sie ihr Begehren daneben auf die Abtretung der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen stütze, stehe dem die Einrede der Anfechtbarkeit aus § 146 Abs. 2 InsO entgegen.
13
I. Die Auslegung der Abtretungserklärungen vom Dezember 1995, insbesondere ein Vergleich der jeweiligen Nummern 4.1 und 4.4 des Formulartextes, ergebe, dass die Abtretungen der Todesfallleistungen nicht die Rechte des Versicherungsnehmers auf den Rückkaufswert er- fasst hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Vertragsparteien die Abtretung ersichtlich steuerunschädlich hätten gestalten wollen, wie auch der Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 des Formulars über die Abtretungserklärung entnommen werden könne. Den Bestimmungen der §§ 10 Abs. 2 Satz 2 und 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes von 1992 Rechnung zu tragen und dem Kreditgeber die steuerlichen Vorteile (Abzugsfähigkeit der Prämien als Sonderausgaben und Steuerfreiheit der Zinsen) zu erhalten, sei nur mittels solcher Abtretungen zu erreichen gewesen, die die Rückkaufswerte nicht erfassten. Auch wenn die Abtretungen die Kreditgeberin danach allein vor dem Ausfall von Zins- und Tilgungsleistungen wegen Todes des Kreditnehmers, nicht jedoch vor einer Insolvenz des Kreditnehmers geschützt hätten, seien sie nicht als wirtschaftlich sinnlos anzusehen.
14
II. Die am 2. April 1998 erklärten Abtretungen der Erlebensfallleistungen zweier Lebensversicherungen seien wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar, weshalb der Beklagte dem Leistungsbegehren insoweit die Einrede der Anfechtbarkeit nach § 146 Abs. 2 InsO entgegenhalten könne.
15
Durch die innerhalb der 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO erklärten Abtretungen seien Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt worden. Darauf sei auch der - jedenfalls bedingte - Vorsatz des Schuldners gerichtet gewesen. Dafür spreche vor allem, dass der Klägerin ohne jede Gegenleistung eine Sicherheit eingeräumt worden sei, auf die kein Anspruch bestanden habe, und dass die Klägerin zur Zeit der Abtretungserklärungen ausweislich einer von ihr selbst erstellten Vermögensbewertung gewusst habe, dass der Schuldner in einer finanziell äußerst beengten Lage gewesen sei.

16
Eine - hier vorliegende - inkongruente Deckung bilde regelmäßig ein starkes Indiz sowohl für die Benachteiligungsabsicht des Schuldners als auch die Kenntnis des Gläubigers davon. Die Abtretung der Erlebensfallleistungen aus den Lebensversicherungsverträgen habe die Klägerin weder aufgrund der Darlehensverträge noch aus einem allgemeinen Anspruch auf Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten verlangen können. Es stelle auch keine Gegenleistung der Klägerin dar, dass sie dem Schuldner den zur Zeit der Abtretungserklärungen aufgelaufenen Ratenrückstand von 30.000 DM anlässlich der Abtretung vorläufig gestundet habe, weil diese Forderung bei Fälligstellung ohnehin nicht ohne Weiteres zu realisieren gewesen wäre. Insoweit werde die Inkongruenz nicht ausgeschlossen.
17
Für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners spreche neben den genannten Indizien, dass der Schuldner zur Zeit der Abtretungserklärungen erhebliche Verbindlichkeiten, unter anderem aus bereits seit Herbst 1996 nicht mehr abgeführten Sozialabgaben für seine Mitarbeiter, aus offenen Versicherungsprämien für Unfall- und Rechtsschutzversicherungen , aus unbezahlten Telefonrechungen und Kfz-Leasing-Raten, ferner aus der Haftung für Baumängel und offenen Steuerberater- und Architektenhonorarforderungen gehabt und nicht habe davon ausgehen können, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können. Insoweit seien das substantiierte Vorbringen des Beklagten von der Klägerin lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten und auch im Übrigen die für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die entsprechende Kenntnis der Klägerin maßgeblichen Beweisanzeichen nicht entkräftet.
18
Da III. die Ansprüche auf die Rückkaufswerte beim Schuldner verblieben seien, habe sich der Beklagte mit deren Einziehung auch nicht schadensersatzpflichtig gemacht.
19
B. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
20
I. Die am 1. Dezember 1995 erklärten Abtretungen der Ansprüche auf den Todesfall aus den vier Lebensversicherungen haben die jeweiligen Ansprüche auf die Rückkaufswerte nicht mit erfasst. Der Klägerin steht deshalb weder ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§ 51 Nr. 1 InsO) aus den vom Beklagten eingezogenen Beträgen noch ein Schadensersatzanspruch zu.
21
Der Versicherungsnehmer kann über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag unterschiedlich verfügen. Das gilt nicht nur für die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechtes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II), sondern auch für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag. Auch dann, wenn aus einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur die Ansprüche auf den Todesfall zur Sicherheit abgetreten werden , gibt es für die Frage, ob damit zugleich der Anspruch auf den Rückkaufswert abgetreten ist, keinen generellen Vorrang für seine Zuordnung zu den Ansprüchen auf den Todesfall. Gegen eine Übertragung der Grundsätze der zur Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung ergangenen Entscheidung BGHZ 45, 162 ff. auf die Sicherungszession von Ansprüchen auf den Todesfall spricht bereits, dass sich diese Entscheidung vorwiegend auf Erwägungen zur familiären Fürsorge des Versicherungsnehmers stützt, die auf die Motivlage bei der Sicherungs- zession nicht übertragbar sind (BGH, Urteil vom 18. Juni 2003 aaO unter II 1 c). Der erkennende Senat (aaO) hat zudem mit Blick auf die Einräumung einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung bereits ausgesprochen , dass für die Zuordnung der Ansprüche nicht eine theoretische rechtliche Konstruktion oder Bedingungshierarchie, sondern allein der im rechtlich möglichen Rahmen geäußerte, durch Auslegung zu ermittelnde Gestaltungswille des Versicherungsnehmers entscheidend ist (vgl. dazu auch Herrmann, Sicherungsabtretung und Verpfändung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Versicherungsnehmer, Diss. 2003 S. 92 ff.).
22
gilt Das für die Sicherungsabtretung von Rechten aus dem Lebensversicherungsvertrag in gleicher Weise. Auch hier unterliegt es im Rahmen des rechtlich Möglichen der freien Gestaltung der Parteien, auf welche Rechte sich die Abtretung erstreckt. Ob sie auch den Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst, hat der Tatrichter deshalb durch Auslegung der bei der Sicherungsabtretung abgegebenen Erklärungen unter Berücksichtigung der Parteiinteressen und des Zwecks des Rechtsgeschäfts zu ermitteln.
23
1. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, ergibt schon der Wortlaut der Abtretungserklärungen, dass der Anspruch auf den Rückkaufswert von der Sicherungsabtretung der Ansprüche auf den Todesfall jeweils nicht mit erfasst wurde.
24
Selbst wenn die Formulierung unter Nr. 1 der Abtretungserklärungen , es würden "die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche … für den Todesfall in voller Höhe" abgetreten, es für sich genommen noch möglich erscheinen ließe, dass auch der Anspruch auf den Rückkaufswert erfasst sein sollte, wird dies durch die weiteren Bestimmungen der Abtretungserklärungen ausgeschlossen.
25
a) Nach deren Nr. 1 b umfasst die - hier nicht gewählte - Abtretung der Rechte und Ansprüche für den Erlebensfall auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gemäß Nr. 4.1. Dort ist geregelt, dass die Sparkasse aus wichtigem Grund, insbesondere bei Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag, unter anderem den Lebensversicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert erheben könne. Der vom Berufungsgericht gezogene Umkehrschluss , dass das im Falle der Abtretung ausschließlich der Ansprüche für den Todesfall (Nr. 1 a der Abtretungserklärungen) demnach nicht gelte , wird durch Nr. 4.4 bestätigt, wonach der Versicherungsnehmer die in Nr. 4.1 genannten Rechte nur mit Zustimmung der Sparkasse ausüben darf, was gerade voraussetzt, dass ihm diese Rechte (nicht nur das Kündigungsrecht , sondern auch das Recht zur Erhebung des Rückkaufswertes ) zunächst verbleiben.
26
b) Zu Unrecht meint die Revision, die Regelung in Nr. 4.4 der Abtretungserklärungen müsse sich allein auf das Kündigungsrecht beziehen , weil der Zustimmungsvorbehalt nur den einen Zweck haben könne, der Sicherungsnehmerin den ihr übertragenen Anspruch auf den Rückkaufswert zu erhalten. Das steht schon im Widerspruch zum Wortlaut der Bestimmung, die von den unter Nr. 4.1 genannten Rechten spricht und nur "insbesondere" die Kündigung als eines dieser Rechte hervorhebt. Im Übrigen macht der Zustimmungsvorbehalt in Nr. 4.4 auch dann Sinn, wenn der Anspruch auf den Rückkaufswert beim Versicherungsnehmer verbleibt. Denn eine Kündigung des Versicherungsvertrages führt dazu, dass der Versicherer die Todesfallleistung, also das zentrale Sicherungsinstrument , welches die Sicherungsnehmerin vor Zahlungsausfall durch Tod des Darlehensnehmers schützen soll, nicht mehr erbringen muss. Vor dieser Folge wird die Sicherungsnehmerin durch den Zustimmungsvorbehalt geschützt.
27
2. Im Einklang mit diesem aus dem Wortlaut der Abtretungserklärungen gewonnenen Ergebnis steht, dass die Beschränkung der Zession zu dem Zweck erfolgte, dem Versicherungsnehmer die steuerliche Privilegierung für die vier Lebensversicherungsverträge dadurch zu erhalten, dass die Rückkaufswerte nicht für die Darlehenssicherung herangezogen wurden. Das zeigt schon die Streichung des steuerrechtlichen Hinweises in Nr. 3 der Formulare über die Abtretungserklärungen. Mit ihr wurde zum Ausdruck gebracht, dass Zedent und Zessionarin übereinstimmend davon ausgingen, die Abtretungen hätten keine nachteiligen Konsequenzen für die steuerrechtliche Begünstigung der von den Abtretungen betroffenen Lebensversicherungsverträge.
28
a) Insoweit erschließt sich der Zweck der hier gewählten Abtretung der Ansprüche auf den Todesfall aus den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zur steuerrechtlichen Privilegierung von Kapitallebensversicherungen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 10-18; Janca ZInsO 2003, 449, 452; Wagner VersR 1998, 1083).
29
Prämienzahlungen aa) für Kapitallebensversicherungen mit mindestens 12-jähriger Laufzeit konnten nach der bis zum Februar 1992 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 lit. b EStG - im Rahmen von Höchstbezügen - als steuermindernde Sonderausgaben geltend gemacht werden. Zinsen aus solchen privilegierten Versicherungen waren von der Steuerpflicht für Kapitaleinnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ausgenommen. Infolgedessen wurden Lebensversicherungen vermehrt zur Steuerersparnis im Rahmen von Finanzierungen genutzt, ohne dabei der privaten Alters- oder Hinterbliebenenversorgung zu dienen (s. dazu BT-Drucks. 12/1108 S. 55 ff.). Dem ist der Gesetzgeber, der darin einen zweckwidrigen Missbrauch der steuerlichen Förderung sah, durch das Steueränderungsgesetz vom 25. Februar 1992 (BGBl. I S. 297) entgegengetreten (vgl. dazu auch BT-Drucks. 12/1108 aaO).
30
bb) Seither sind Lebensversicherungsverträge grundsätzlich nicht mehr steuerlich privilegiert, wenn sie auch zu Lebzeiten der versicherten Person (d.h. mit der "Erlebensfallleistung") der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG).
31
b) Für die Besicherung von Darlehen durch Lebensversicherungsverträge im gewerblichen Bereich ergab sich aus der Gesetzesänderung, dass seit Ende Februar 1992 die genannten steuerlichen Vorteile unter anderem dann erhalten blieben, wenn lediglich die Ansprüche auf den Todesfall zur Darlehenssicherung herangezogen wurden (vgl. dazu Janca aaO S. 452 m.w.N. in Fn. 51). Umgekehrt sahen die Finanzbehörden eine Erstreckung der Darlehenssicherung auf den Rückkaufswert einer Lebensversicherung als "steuerschädlich" an (vgl. dazu Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. Mai 1994 - IV B 2 - S 2134 - 56/94 - NJW 1994, 1714). War es bis Anfang 1992 bei Sicherungsabtretungen der Rechte aus Lebensversicherungen die Regel, alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abzutreten (Janca aaO), gingen Banken und Sparkassen in der Folgezeit dazu über, sich nur noch die Ansprüche für den Todesfall abtreten zu lassen (vgl. dazu Herrmann aaO S. 17, 18; Wagner aaO; Meyer-Scharenberg DStR 1993, 1768 1774), um so eine "steuerunschädliche" Verwendung der Lebensversicherungen zu gewährleisten , das heißt ihren Kunden die bisherigen Steuervorteile zu erhalten und damit deren Entscheidung für eine Sicherungsabtretung zu erleichtern.
32
Dafür, dass die Parteien der Sicherungszessionen hier von anderen Motiven geleitet gewesen wären, spricht nichts.
33
3. Anders als die Revision meint, hat das Berufungsgericht auch nicht gegen den Grundsatz interessengerechter Auslegung verstoßen, weil seine Lösung zur Folge hat, dass die gewährte Sicherheit im Fall der Insolvenz des Sicherungsgebers versagt.
34
Schon wegen des dargelegten steuerrechtlichen Hintergrundes spricht alles dafür, dass die Klägerin die vier Lebensversicherungsverträge zunächst bewusst nur noch zu dem eingeschränkten Sicherungszweck heranziehen wollte, gegen Kreditratenausfall durch Tod des Darlehensnehmers geschützt zu sein (vgl. Herrmann aaO; Wagner aaO; Janca aaO). Die Absicherung (allein) gegen den vorzeitigen Tod des Darlehensnehmers ist für die Kreditgeberin auch nicht wirtschaftlich sinnlos , sondern schützt vor einem wesentlichen Kreditausfallrisiko.
35
Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht im Übrigen gerade der Umstand, dass die Klägerin sich im April 1998 zusätzlich zu den ihr schon übertragenen Ansprüchen auf den Todesfall alle weiteren Rechte aus den beiden bei der V. Versicherungs AG gehaltenen Lebensversicherungen gesondert übertragen ließ, als sich wirtschaftliche Probleme des Darlehensnehmers abzeichneten. Das belegt, dass auch die Klägerin die vorherige Abtretung noch nicht als insolvenzfeste Absicherung ansah.
36
II.OhneRechtsfehler hat das Berufungsgericht diese Abtretungen der Ansprüche auf den Erlebensfall vom 2. April 1998 für anfechtbar gemäß § 133 Abs. 1 Abs. 1 InsO erachtet. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung diesen Vorsatz des Schuldners kannte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen gegeben.
37
1. Entgegen der Annahme der Revision hat das Berufungsgericht nicht verkannt, dass die Darlegungs- und Beweislast für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners beim Insolvenzverwalter liegt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - IX ZR 272/02 - ZIP 2003, 1799 unter II 1 a m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet aber die Inkongruenz der angefochtenen Leistung ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz (vgl. BGHZ 123, 320, 326; 138, 291, 308; 157, 242, 253; BGH, Urteile vom 11. März 2004 - IX ZR 160/02 - ZIP 2004, 1060 unter II 1 c, bb; vom 22. April 2004 - IX ZR 370/00 - ZIP 2004, 1160 unter II 3 b, aa; vom 8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01 - WM 2006, 190 unter II 2 a, aa). Die aus der Inkongruenz der Leistung folgende Beweiserleichterung ist bei der Vorsatzanfechtung auch außerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzuwenden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Anfechtungsgegners Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.
38
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Abtretung der Erlebensfallansprüche als Gewährung einer inkongruenten Deckung angesehen. Auf diese Abtretung hatte die Klägerin keinen Anspruch. Zwar hatte ein früherer Darlehensvertrag vom 22. Juni 1994 zunächst eine Besicherung ihrer Forderungen durch Bestellung einer Grundschuld vorgesehen. Da das dafür in Aussicht genommene Grundstück jedoch nie in das Eigentum des Schuldners gelangt war, wurde stattdessen die streitgegenständliche Sicherungsabtretung vereinbart. Leistet der Schuldner eine andere Sicherheit als geschuldet, ist die Leistung inkongruent, wenn die Abweichung nicht geringfügig ist (MünchKomm-lnsO/Kirchhof, § 131 Rdn. 37). Die Geringfügigkeit der Abweichung hat das Berufungsgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint.
39
Zu Unrecht beanstandet die Revision an dieser Stelle, der Tatrichter habe nicht berücksichtigt, dass die Abtretungen nicht im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der Insolvenz geschahen. Die von der Revision dazu herangezogene Rechtsprechung, wonach die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung um so weniger ins Gewicht fällt, je länger die angefochtene Handlung vor der Verfahrenseröffnung liegt (BGHZ 157, 242, 254), betrifft nämlich nicht den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, sondern allein die Frage Kenntnis des anderen Teils hiervon (vgl. dazu unten 2.).
40
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Liquidität des Schuldners bereits zum Zeitpunkt der Abtretung sehr angespannt war.
41
Ob hier vom Vorliegen eines einfachen oder eines starken Beweisanzeichens für den Benachteiligungsvorsatz auszugehen war, ist nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht ein weiteres Indiz zu Recht daraus hergeleitet hat, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Abtretung erhebliche Verbindlichkeiten hatte, nicht davon ausgehen konnte, alle Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigen zu können, und die Abtre- tungen dazu dienten, Beitreibungsmaßnahmen seitens der Klägerin zu verhindern. Ein Schuldner, der weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er nicht alle seine Gläubiger befriedigen kann, und dennoch die Forderungen eines einzelnen Gläubigers befriedigt oder ihm eine zusätzliche Sicherheit verschafft, rechnet mit einer dadurch eintretenden Benachteiligung der anderen Gläubiger, für die damit weniger übrig bleibt. Dies genügt für die Annahme des Vorsatzes im Sinne des § 133 InsO (BGHZ 131, 189, 195; BGH, Urteile vom 17. Juli 2003 aaO unter II 1 c, bb; vom 11. März 2004 aaO unter II 1 c, cc; vgl. ferner BGHZ 167, 190, 194 f.). Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Klägerin die im Einzelnen vorgetragenen und durch die Vorlage von Urkunden belegten Forderungen der Gläubiger lediglich pauschal - und damit unbeachtlich - bestritten hat.
42
2. Auf Grund der tatrichterlichen Feststellungen ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin den Vorsatz des Schuldners kannte, seine Gläubiger zu benachteiligen.
43
a) Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ist diese Kenntnis zu vermuten, wenn der Anfechtungsgegner zum maßgeblichen Zeitpunkt (§ 140 InsO) wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte (vgl. dazu BGHZ 155, 75, 85; BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 aaO).
44
Der Tatrichter hat aus dem eigenen Vortrag der Klägerin und den von ihr vorgelegten Urkunden - insbesondere der im Hause der Klägerin erstellten Vorlage an den eigenen Vorstand vom 26. März 1998 - ihre Kenntnis entnommen, dass sich der Schuldner damals in einer finanziell äußerst beengten Lage befand. In dieser Vorlage heißt es am Schluss: "Der bisher erzielte Gewinn ... war ... nicht ausreichend. Liquiditätsprob- leme werden sich, sofern die avisierten Großaufträge nicht eintreffen, nicht lösen." Zu diesem Zeitpunkt kannte die Klägerin bereits das Schreiben des Schuldners vom 4. März 1998, aus dem die Revision ableitet , die Klägerin habe nicht von dauerhaft beengten finanziellen Verhältnissen des Schuldners ausgehen müssen. Die anders lautende tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist danach nicht nur möglich , sondern auch nahe liegend.
45
Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht auch nicht den als Zeugen angebotenen Mitarbeiter S. der Klägerin zu vernehmen. In das Wissen des Zeugen war gestellt, der Schuldner habe sich aus einem größeren Bauvorhaben, das nicht zustande gekommen ist, eine Provision von 1% bis 1,5% des Bauvolumens erhofft. Darauf kam es aber nicht an, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dargelegt hat, die Klägerin selbst habe - wie ihre erwähnte Vorlage belege - nie auf diese Hoffnung des Schuldners gebaut.
46
Dass die Klägerin die Gläubiger benachteiligende Wirkung der Abtretung nicht erkannt habe, macht die Revision selbst nicht geltend.
47
b) Im Übrigen ist die Inkongruenz der Abtretung auch ein Beweisanzeichen für die Kenntnis der Klägerin von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners (ständige Rechtsprechung, vgl. BGHZ 157, 242, 250 ff.; BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO unter II 1 d; vom 22. April 2004 aaO unter II 3 c), wobei es genügt, dass ihr die Tatsachen bekannt waren, die den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen (BGH, Urteile vom 11. März 2004 aaO; vom 22. April 2004 aaO). Dass sie statt der geschuldeten eine andere Sicherheit erhielt, wusste die Klägerin.
48
c) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass die Klägerin weder die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO noch das Beweisanzeichen der Inkongruenz entkräftet hat.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 27.07.2004 - 10 O 209/04 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 25.05.2005 - 6 U 168/04 -

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn – 4 O 278/09 – vom 08.07.2010

a b g e ä n d e r t :

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle Schäden, ausgerichtet am positiven Interesse, zu ersetzen, die sich aus der Beendigung des bei der Beklagten geschlossenen Lebensversicherungsvertrags „Wealthmaster“ mit der Policen-Nr. 501 … durch die Kündigung des Klägers vom 22.05.2009 ergeben.

2. Der Kläger trägt die Kosten des ersten Rechtszugs. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: bis 200.000 EUR

Gründe

 
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten für Schäden, die ihm wegen einer Kündigung nach Erfüllungsverweigerung aus einer Lebensversicherung des Produkttyps „wealthmaster“ entstanden seien.
Hilfsweise begehrt der Kläger Schadensersatz wegen (Vertrauens-) Schäden wegen behaupteter fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der kreditfinanzierten Lebensversicherung „wealthmaster“.
Die beklagte Versicherung ist ein seit 1995 auf dem deutschen Mark tätiges englisches Versicherungsunternehmen mit Sitz in den Niederlanden und Großbritannien.
Auf der Grundlage der Beratung eines „Untervermittlers“, B. F., für die L. Vermögensverwaltung AG, zeichnete der am 02.04.1961 geborene Kläger im Jahr 1999 das Anlagemodell „L.-Konzept-Rente“ (Hebelgeschäft) mit einer Einmalanlage in die „C. M. Wealthmaster“ in Höhe von 169.831,-- DM, entsprechend 86.833,21 EUR (Anlage K 10, Bl. 246 ff.).
Die von der Beklagten angebotene Versicherung „wealthmaster“ ist eine fondsgebundene Lebensversicherung gegen Zahlung eines Einmalbetrages. Der eingezahlte Einmalbetrag wurde in einen internen „Pool“, ein sog. „Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II)“, eingebracht. Er erhält dort bestimmte Pool-Einheiten zugeteilt, die Renditen mit Wertpapieren erwirtschaften sollen, welche sich durch „Fälligkeitsboni“ verbessern und durch „Marktpreisanpassungen“ vermindern können. Der Vertrieb der streitgegenständlichen Lebensversicherung als eine der drei Bausteine des Anlagemodells „L.-Konzept-Rente“ (Lebensversicherung mit „Pool“, Darlehen, Investmentfonds) erfolgte in Deutschland über die inzwischen insolvente „L. Vermögensverwaltung AG“ als sog. „Masterdistributorin“, welche sich ihrerseits „Untervermittler“ vor Ort bediente.
Entsprechend diesem Anlagemodell stellte der Kläger am 02.03.1999 einen ausgefüllten Formularkreditantrag bei der „H. (S.) Landesbank H.-T. AG“ zur „Finanzierung der Einmalzahlung in die Renten-/Lebensversicherung“. Dieser lautet auszugsweise wie folgt (Anlage K 10, Bl. 149):
„Antrag. Zur Finanzierung der Einmalzahlung in eine Renten-/Lebensversicherung bei C. M. und des Disagios beantrage(n) ich/wir bei H. (S.), Landesbank H.-T., AG, .
        
einen Kredit in Schweizer Franken in Höhe des Gegenwertes von DM 259.192,00
        
Anteil Renten-/Lebensversicherung-Kredit
DM 197.073,00
        
Anteil Fondsdepot-Kredit
DM 62.119,00
        
…       
        
Der Antragsteller beauftragt die LKK, die Gesamtvermittlungsgebühr an die L. Vermögensverwaltung AG als Vermittler abzuführen. …“
Hieraufhin kam zwischen dem Kläger und der H. (S.), Landesbank H.-T., AG, Z. ein Kreditvertrag vom 08.05./27.05.1999 über insgesamt 259.192,00 DM (= 132.522,76 EUR) und einer Laufzeit bis 29.03.2013 für das ebenfalls zu diesem Zeitpunkt in einem Betrag rückzahlbare Darlehen (= endfälliges Darlehen) zustande (Anlage K 12, Bl. 156 ff.). Im Kreditvertrag ist unter „§ 7 Sicherheiten“ vereinbart, dass als Sicherheit für den Kredit die „Lk. zu K.“ eine unbedingte Zahlungsgarantie in Kredithöhe übernimmt und die der Kläger zur Sicherstellung der unbedingten Zahlungsgarantie der „Lk. zu K.“ absichert, indem er alle gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus der Renten-/Lebensversicherung gemäß einer gesonderten Abtretungserklärung abtritt, alle Rechte und Ansprüche aus dem bei dem Bankhaus E.&G. für den Kläger geführten Wertpapierdepot gemäß einer gesonderten Verpfändungserklärung verpfändet und die Ehefrau des Klägers gemäß einer gesonderten Bürgschaftserklärung selbstschuldnerisch bürgt (Anlage K 12, Bl. 156 ff.). Die in der Urkunde genannten Abtretungs-, Verpfändungs- und Bürgschaftserklärungen wurden nicht vorgelegt.
Zusätzlich trat der Kläger mit Datum vom 08.05.1999 seine „gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche aus dem genannten Renten-/Lebensversicherungsvertrag in voller Höhe“ an die „Lk. zu K.“ (LKK) ab (Anlage B 7, Bl. 249a, 249b ff.).
10 
Als „Einmalzahlung in Renten-/Lebensversicherung“ ist im Finanzierungsantrag vom 02.03.1999 (Anlage K 10, Bl. 149) ein Betrag in Höhe von 168.831,00 DM vereinbart. An Gebühren ist unter anderem Folgendes ausgewiesen (Anlage K 10):
11 
Disagio in Höhe von 10 % aus 259.192,-- DM
25.919,00 DM
Gesamtvermittlungsgebühr an die L. Vermögensverwaltung AG   
10.368,00 DM
=       
36.287,00 DM
12 
Zum endfällig zu tilgenden Darlehen des Klägers über den Nominalbetrag von 259.192 DM war ein Disagio in Höhe von 10 % („Auszahlungskurs beträgt 90,00 %“) vereinbart, so dass eine Nettodarlehensvaluta in Höhe von 233.272,80 DM zur Verfügung stand, wovon die „Gesamtvermittlungsgebühr an L. Vermögensverwaltung AG“ in Höhe von 10.368,00 DM (Anlage K 10, Bl. 149) u. a. in Abzug gebracht wurde.
13 
Nach „§ 8 Verwendungszweck“ des Kreditvertrags wurden die zwei im Kreditvertrag genannten Teilbeträge wie folgt verwendet (Anlage K 12, Bl. 156 ff.):
14 
„Finanzierung der Einmalzahlung in das Wertpapierdepot“
62.119,00 DM
„Finanzierung der Einmalzahlung in eine Renten-/Lebensversicherung,   
        
des Disagios, der Vermittlungsgebühr der Renten-/Lebensversicherung
        
und der Vermittlungsgebühr dieses Kredits“
197.073,00 DM
= Kreditbetrag
259.192,00 DM
15 
Als „Einmalzahlung in Renten-/Lebensversicherung“ wurde im Antrag vom 02.03.1999 an die H. (S.) ein Betrag in Höhe von 169.831,00 DM angegeben (Anlage K 10, Bl. 149).
16 
Ziel des „L.-Konzept-Rente“-Konzepts ist es, in den Investmentfonds einen Kapitalstock zu bilden, der bei Endfälligkeit des Bankdarlehens zu dessen Tilgung ausreicht. Die über diesen Zeitpunkt fortwährenden quartalsmäßigen Auszahlungen aus der Lebensversicherung sollen dann dem Versicherungsnehmer als fortlaufende Rente längstens bis zu dem im Versicherungsschein bestimmten letztmaligen Auszahlungstermin ungeschmälert zur Verfügung stehen. Darüber hinaus erfolgt nach der „L.-Konzept-Rente“ bei Vertragsablauf der Lebensversicherung die Auszahlung des Lebensversicherungskapitals nach Maßgabe des dann bestehenden Vertragswerts.
17 
Ebenfalls mit Datum vom 02.03.1999 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Abschluss einer „Wealthmaster“ Kapitallebensversicherung auf „Verbundene Leben auf Letztversterbensbasis“ mit einer Laufzeit von 58 Jahren (Anlage B 4, Bl. 246a). Als „Einmalbetrag“ wurde der „Betrag (in Vertragswährung)“ von 169.831,-- DM vereinbart (Anlage B 4, Bl. 264b).
18 
Im vorgedruckten Versicherungsantrag vom 02.03.1999 (Anlage B 4, Bl. 246 ff. = 360 f.) ist unter dem Buchstaben „N“, nach der Seite mit der Unterschrift des Klägers (Buchstabe „L“ – „Unterschriften“), unter anderem eine Erklärung, dass der Kläger die „Policenbedingungen“ und „Verbraucherinformationen“ erhalten habe. Buchstabe „G“ im Versicherungsantrag lautet mit einer in einem vorgesehenen Kästchen vorgenommenen Eintragung „100 %“ im Wortlaut auszugsweise wie folgt (Anlage B 4, Bl. 246 ff. = 360 f.):
19 
„G. Wahl des Pools mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II)
20 
Die Mindestzahlung pro Pool beträgt 5 % des Betrags. Zugeteilten Beitragsprozentsatz bitte nur in ganzen Zahlen angeben (z. B. 33 % - nicht 33,5 % - der Gesamtbetrag muss 100 % sein).
21 
100 %    
DM …“
22 
Die Beklagte stellte hieraufhin einen „Versicherungsschein“ über die „Wealthmaster Kapitallebensversicherung“ mit der Policennummer 501… aus und übermittelte ihn dem Kläger (Anlage K 11, Bl. 150 ff.). Der Versicherungsschein weist den Kläger als Versicherungsnehmer und unter anderem seine Ehefrau und seine Kinder als Versicherte beziehungsweise weitere Versicherte aus. Ausweislich des Versicherungsscheins war der Versicherungsbeginn am 02.06.1999 und ist das „Ablaufdatum“ der Versicherung am 02.06.2056. Als Einmalbetrag sind die beantragten 169.831,00 DM aufgeführt. Als Todesfallleistung für den Todesfall des zuletzt versterbenden Versicherten, also voraussichtlich der 1992 und 1995 geborenen Kinder des Klägers, ist eine Leistung von „100,00 % des Policenwertes“ festgeschrieben (Anlage K 11, Bl. 150 ff.). Als „Pool bei Versicherungsbeginn“ ist der Pool „DM-Pool (Serie II)“ ausgewiesen (Anlage K 11).
23 
Der Versicherungsschein sieht im Wortlaut folgende „Regelmäßige Auszahlungen“ vor (Anlage K 11, Bl. 155):
24 
„AUSZAHLUNGSDETAILS
25 
Regelmäßige Auszahlungen
26 
Betrag
(Policenwährung)
Datum der
ersten Auszahlung
 Auszahlungsabstand 
 Auszahlungswährung 
Datum der
letzten Auszahlung
2.610,00
 25. September 1999 
vierteljährlich
Deutsche Mark
25. März 2056
27 
Vierteljährliche Auszahlungen steigen ab Versicherungsbeginn um 1 % pro Jahr.
28 
…“
29 
Zudem enthält der Versicherungsschein der Beklagten auf der ersten Seite zu den „Policebedingungen“ folgenden Hinweis (Anlage K 11, Bl. 150):
30 
„Ausgestellt von C. M. Ltd, Niederlassung L., vorbehaltlich der in diesem Versicherungsschein und in den Policebedingungen enthaltenen Einzelheiten“.
31 
Die von der Beklagten vorgelegten über zehnseitigen „Policenbedingungen“ enthalten unter anderem folgende Klauseln (Anlage B 1, Bl. 243 ff.):
32 
„2.1
Die folgenden Begriffe haben in diesen Policenbedingungen und im Versicherungsschein folgende Bedeutung(en) …
33 
„Ablaufdatum“
34 
das Datum, an dem ein Wealthmaster Classic Vertrag oder ein Wealthmaster Choice Account Vertrag abläuft, der Vertragswert auszuzahlen ist und der Anspruch auf die Todesfalleistung endet.
35 
36 
„Fälligkeitsbonus“
37 
eine Anpassung, die vorgenommen werden kann, wenn Anteile an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) eingelöst werden, um vorher vereinbarte Transaktionen, z. B. eine regelmäßige Auszahlung oder einen Versicherungsanspruch, zu erfüllen, wie in der Verbraucherinformation unter POOLS MIT GARANTIERTEM WERTZUWACHS (Serie II) im einzelnen beschrieben.
38 
39 
„Kontoauszug“
40 
ein an jedem Jahrestag des Vertragsbeginns an den Versicherungsnehmer geschickter Auszug, in dem das jeweilige Guthaben und die Leistungen des Vertrags ausgewiesen sind.
41 
42 
„Marktpreisanpassung“
43 
ein Abzug, der vorgenommen werden kann, wenn Anteile an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) in Verbindung mit nicht bei Vertragsbeginn vereinbarten Transaktionen eingelöst werden und kein Rückgabebonus gezahlt wird, oder wo Transaktionen zwar bei Vertragsbeginn vereinbart wurden, doch die Anteile an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) dem Vertrag nicht immer zugeteilt waren.“
44 
45 
„Regelmäßige Auszahlungen“
46 
in monatlichen, vierteljährlichen, halbjährlichen oder jährlichen Abständen erfolgende Auszahlungen durch Einlösung einer entsprechenden Anzahl von Anteilen“
47 
48 
„Vertragswert“
49 
der jeweilige Rücknahmewert der einem Vertrag zugeteilten Anteile zum Rücknahmepreis zuzüglich eines eventuell zu zahlenden Fälligkeitsbonusses oder abzüglich einer eventuellen Rückgabeanpassung.“
50 
51 
„Rückgabeanpassung“
52 
eine Anpassung, die vorgenommen werden kann, wenn Anteile an einem Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) aus irgendeinem Grund ohne vorherige Vereinbarung eingelöst werden, wie in der Verbraucherinformation unter POOLS MIT GARANTIERTEM WERTZUWACHS (Serie II) im einzelnen beschrieben. Es gibt 2 Arten von Rückgabeanpassung: negative Marktpreisanpassung und positiver Rückgabebonus.“
53 
54 
„Rücknahmepreis“
55 
der gemäß Abschnitt 3.7.2 ermittelte Preis von Anteilen
56 
57 
„Rücknahmewert“
58 
der Wert der dem Vertrag zugeteilten Anteile zum Rücknahmepreis.
59 
60 
3.7.2
Bei Pools mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) erklärt C. M. am Anfang jedes Jahres eines Jahresdividende, die dem betreffenden Pool, für den sie erklärt wurde, gutgeschrieben wird, und zwar auf Tagesbasis anteilig entsprechend dem bis dahin abgelaufenen Teil des Jahres; der Rücknahmepreis für einen Anteil am jeweiligen Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) wird von C. M. dementsprechend berechnet, bei einer möglichen Abrundung des Ergebnisses um bis zu 1 %.
61 
62 
5. Zuteilung und Rücknahme von Anteilen in Bezug auf Gebühren und Vertragswert
63 
64 
5.5
Wenn der Gesamtbetrag der an einem Gebührentermin fälligen Gebühren den Vertragswert übersteigt, werden dem Vertrag nominelle, sogenannte „negative Anteile“ in Höhe der nicht durch Rücknahme von Anteilen gedeckten Gebühren zugeteilt, es sei denn, die Bedingungen in Abschnitt 4.2 (Beitragseinstellungsbedingungen) oder in Abschnitt 8.4 (Überprüfung des Vertrags) finden Anwendung. Diese negativen Anteile werden vorgetragen, bis C. M. sie gegen Anteile verrechnen kann, die infolge der Zahlung eines einmaligen oder eines regelmäßigen Beitrags für den Vertrag erworben wurden. C. M. nimmt solche Verrechnungen jeweils proportional zum relativen Wert der negativen Anteile in jedem Pool vor, nicht nach der Aufteilung der Beiträge. Wenn nach der Verrechnung aller negativen Anteile noch ein Teil des investierten Beitragsprozentsatzes übrig bleibt, wird dieser den gewählten Pools gemäß der Aufteilung der Beiträge zugeteilt.
65 
66 
9.1
Auf schriftlichen Antrag des Versicherungsnehmers nimmt C. M. einige oder alle dem Vertrag zugeteilten Anteile zurück und zahlt einen Betrag in Höhe des Vertragswertes bzw. des Anteilswertes, vorbehaltlich folgender Bestimmungen:
67 
9.1.1
Der Antrag wird von C. M. gemäß Abschnitt 13.6 angenommen.
68 
9.1.2
Für regelmäßige (und unregelmäßige) Auszahlungen, die im Antrag beantragt wurden, wird der Rücknahmewert der zurückzunehmenden Anteile auf historischer Berechnungsbasis ermittelt. Bei allen anderen Auszahlungen wird der Rücknahmepreis der Anteile auf Vorwärtsberechnungsbasis ermittelt.
69 
70 
9.4
Wenn sich die Auszahlung auf Anteile an Pools mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) bezieht,
71 
9.4.1
und die Auszahlung wurde vom Versicherungsnehmer bei Vertragsbeginn festgelegt, wird dem Rücknahmewert der eingelösten Anteile ein Fälligkeitsbonus hinzugerechnet, vorausgesetzt die Anteile waren dem Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) immer zugeteilt;
72 
9.4.2
kann im Fall der Rückgabe des Vertrags im Fall einer Auszahlung, die vom Versicherungsnehmer bei Vertragsbeginn beantragt wurde, oder im Fall einer Auszahlung, die zwar bei Vertragsbeginn beantragt wurde, doch wo die Anteile dem Pool mit garantiertem Wertzuwachs (Serie II) nicht immer zugeteilt waren, dem Rücknahmewert der eingelösten Anteile ein Rückgabebonus hinzugerechnet werden. Wird kein Rückgabebonus vorgenommen, kann sich der Rücknahmewert der eingelösten Anteile möglicherweise durch eine Marktpreisanpassung reduzieren.“
73 
Der Kläger erhielt Kontoauszüge der Beklagten, in denen unter anderem der jeweils „aktuelle Vertragswert“ mitgeteilt wurde (Anlagen B 13 - B 16, Bl. 255 ff.). Ferner erhielt er Kontoauszüge der H. (Anlage K 15, Bl. 163 f.).
74 
Nachdem der vereinbarte Investmentfond, der den Kapitalstock für das endfällige Bankdarlehen und Zinsen bilden sollte, nach Auffassung des Klägers nicht ausreichte und bei weiterer Entwicklung ungefähr im Jahr 2016 die Substanz aufgebraucht gewesen wäre und die Zahlungen der Beklagten aus dem Versicherungsschein eingestellt würden, kündigte der Kläger den bei der Beklagten geschlossenen Lebensversicherungsvertrag mit Kündigungserklärung vom 22.05.2009 (Anlage B 11, Bl. 253a).
75 
Die Beklagte zeigte dem Kläger mit Schreiben vom 02.07.2009 die „Auswirkungen“ vor Durchführung der Kündigung des Versicherungsvertrages auf (Anlage B 12, Bl. 254).
76 
Die Beklagte berechnete den „Rückgabewert“ in Höhe von 52.505,66 EUR zum 02.07.2009 wie folgt (Anlage B 12, Bl. 254b; Anlage B 10, Bl. 252b):
77 
Euro-Pool (Serie II)
76.095,16 EUR
abzgl. „Marktpreisanpassung“      
23.589,50 EUR
Rückgabewert
52.505,66 EUR
78 
Der Kläger hat im ersten Rechtszug behauptet, er sei falsch beraten worden. Es sei ihm vom Vermittler F. bei der Beratung mitgeteilt worden, dass aus der „L.-Konzept-Rente“ eine Mindestrendite von 7,8 % zu erzielen sei, was sich als falsch herausgestellt habe. Die Beklagte habe für die Falschberatung durch den Masterdistributor und deren Untervermittler gem. § 278 BGB einzustehen. Er sei so zu stellen, als sei es zur Beteiligung im L.-Konzept-Renten-Verbund im Jahr 1999 nicht gekommen.
79 
Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie für etwaige Fehler Dritter nicht einzustehen habe. Die L. Vermögensverwaltung AG und deren Untervermittler seien als Versicherungsmakler für die Versicherungsnehmer, wie auch für den Kläger, tätig geworden. Diese seien deshalb keine Erfüllungsgehilfen der Beklagten gem. § 278 BGB. Die vom Oberlandesgericht Dresden in seinem Urteil vom 19.11.2010 (OLG Dresden - 7 U 1358/09; zit. nach juris) vorgenommene Zurechnung gem. § 278 BGB der Vermittler und Untervermittler als Erfüllungsgehilfen sei unzutreffend. Jedenfalls seien Ansprüche verjährt. Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Landgerichts Bezug genommen.
80 
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die geltend gemachten und auf Rückabwicklung gerichteten Ansprüche dem Grunde nach dahinstehen lassen. Sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte seien verjährt. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
81 
Die Berufung macht im zweiten Rechtszug zuletzt als Hauptantrag Feststellung gem. § 256 Abs.1 ZPO geltend. Es sei festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, alle eingetretenen Schäden im Zusammenhang mit der von der Beklagten veranlassten Kündigung des Klägers im Jahr 2009 als positives Interesse zu ersetzen. Hilfsweise verfolgt sie mit ihrer Leistungsklage Schadensersatzansprüche, negatives Interesse wegen behaupteter und der Beklagten zurechenbarer Beratungspflichtsverletzung im Jahr 1999, samt vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten weiter.
82 
Der Kläger hat nach der Kündigung mittlerweile den Kredit von der H. (S.) und damit die Darlehensvaluta insgesamt zurückbezahlt.
83 
Der Kläger berechnet seinen mit dem Hilfsantrag geltend gemachten (Vertrauens-) Schaden im zweiten Rechtszug zuletzt wie folgt (Bl. 684 f.):
84 
Bei Zeichnung aufgewendetes Eigenkapital
11.317,45 EUR
Zinszahlungen aus Eigenmitteln
27.638,10 EUR
Rückzahlung Darlehen aus Eigenmitteln
  65.833,94 EUR
= Schadensersatzanspruch auf negatives Interesse    
104.789,49 EUR
85 
Der Kläger behauptet, ihm habe bis zur Kündigung ein Anspruch auf Erfüllung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag in Höhe der dort genannten vierteljährlichen „regelmäßigen Auszahlungen“ zugestanden. Die von der Beklagten vorgelegten Versicherungsbedingungen entsprächen nicht den beim Antrag vorgelegten Versicherungsbedingungen. Im Übrigen seien die von der Beklagten im Rechtsstreit vorgelegten Versicherungsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) wegen Intransparenz unwirksam. Aus den Policenbedingungen ergebe sich nicht mit der erforderlichen Klarheit, dass die Beklagte für die vierteljährlichen Auszahlungen neben der erwirtschafteten Rendite des eingezahlten Kapitals auch dieses selbst heranziehen dürfe, so dass dieses sich entsprechend vermindere, wenn die erwirtschaftete Rendite zur Deckung des Auszahlungsvolumens nicht ausreiche. Es ergebe sich ferner nicht, dass die Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag ende, wenn der Kapitalstock vollständig aufgezehrt sei. Auch auf die anfallenden Garantiekosten habe die Beklagte nicht hingewiesen.
86 
Die Behauptung der Beklagten, dass kein Anspruch auf die im Versicherungsschein genannten Auszahlungen mehr bestünde, sobald das ausgewiesene Guthaben durch die bisherigen Auszahlungen aufgebraucht sei, und die kategorische Ablehnung von Schadensersatzleistungen habe ihn zur Kündigung der Lebensversicherung veranlasst, um den Schaden mit dem Rückkaufswert der Lebensversicherung und die Verwertung der Investmentdepots gering zu halten. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe ein Vermögensschaden vorgelegen, weil der Vertragswert nicht mehr ausgereicht habe, um das Darlehen auszugleichen (Bl. 527 ff., 685 ff.). Die Finanzierungskosten und die Aufwendungen für den Lebensversicherungsvertrag hätten zum Zeitpunkt der Kündigung über dem Vertragswert gelegen, wobei zu berücksichtigen sei, dass aus dem Lebensversicherungsvertrag das Darlehen zu tilgen gewesen wäre, soweit das dafür angesparte Investmentdepot nicht ausgereicht hätte. Die Darstellungen des Versicherungsverlaufs seien irreführend, da der Vertragswert um einen laufenden Fälligkeitsbonus erhöht werde, obwohl dieser nach den Versicherungsbedingungen nicht existiere.
87 
Schließlich sei der Kläger vom Vermittler falsch beraten worden. Das Anlagekonzept der „L.-Konzept-Rente“ und der Vertriebsapparat in Deutschland seien Teil des Vertriebs der Beklagten, dessen sie sich bei der Vermarktung ihrer Lebensversicherungen bedient habe.
88 
Der Kläger beantragt:
89 
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, alle Schäden, ausgerichtet am positiven Interesse, zu ersetzen, die sich aus der Beendigung des bei der Beklagten geschlossenen Lebensversicherungsvertrags „Wealthmaster“ mit der Policen-Nr. 501 … durch die Kündigung des Klägers vom 22.05.2009 ergeben.
90 
Hilfsweise:
91 
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 104.789,49 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus den im Zusammenhang mit der L.-Konzept-Rente erworbenen Investmentanteilen, zwischenzeitlich geführt auf dem Depot 235… bei dem Bankhaus E.&G. KG in S..
92 
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 3.612,84 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
93 
Die Beklagte beantragt:
94 
Die Berufung wird zurück- und die Klage abgewiesen.
95 
Die Beklagte behauptet, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Policenbedingungen) und auch die Verbraucherinformationen seien wirksam in den Lebensversicherungsvertrag einbezogen worden (Anlage B 1 und B 2, Bl. 243 ff.). Die Versicherungsbedingungen unter Berücksichtigung der Verbraucherinformationen seien ausreichend klar und verständlich und deshalb nicht unwirksam. Der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil die die Sekundäransprüche beinhaltende Teilrückabtretung der finanzierenden Bank an den Kläger vom 03.11.2009 (Anlage K 20, Bl. 345) wegen der Gefahr entstehender Gesamtgläubigerschaft der Beklagten nicht wirksam sei.
96 
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass die Beklagte im Versicherungsschein, ohne deutliche Einschränkung, eine regelmäßige Auszahlung von zunächst 2.610,-- DM vierteljährlich bis 25.03.2056 zugesagt habe (Verfügung vom 24.11.2010). Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat ergänzende Hinweise zu einem Schadensersatzanspruch auf positives Interesse erteilt und der Beklagten ein Schriftsatzrecht zu etwaigem neuen Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 23.02.2011 (Bl. 683 ff.) und zur rechtlichen Stellungnahme zu den rechtlichen Hinweisen nachgelassen.
II.
97 
Die zulässige Berufung ist begründet.
98 
A. Zulässigkeit der Berufung
99 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
100 
Die Berufungsbegründung genügt gerade noch den Anforderungen des §§ 522 Abs. 1, 520 Abs. 3 S. 2 ZPO.
101 
Die vom Kläger mit der Berufungsbegründung (Bl. 455 ff.) erfolgten Falschbezeichnungen machen das Rechtsmittel im Ergebnis noch nicht unzulässig. Der Kläger hat zwar in seiner Einleitung der Berufungsbegründung noch das richtige Landgericht, LG Heilbronn, genannt und auch als Einleitungssatz zu den Anträgen beantragt, das „Urteil des Landgerichts Heilbronn …“ abzuändern. Jedoch hat er Sachanträge gestellt, die zu einem anderen Verfahren mit der Beklagten gehören müssen. Lediglich die anscheinend in den Verfahren mit der C. M. standardmäßig gestellten (Feststellungs-) Anträge Ziff. 2 und 4 sind zutreffend gestellt. Die weiteren Anträge, Freistellungs-, Leistungs- und der weitere Feststellungsantrag, passen nicht zur Entscheidung des Landgerichts Heilbronn. Auch in der Begründung selbst schreibt der Klägervertreter in seiner Einleitung von einem Urteil des „Landgerichts Heidelberg“.
102 
Aus der weiteren Berufungsbegründung ergibt sich, dass der Kläger das angegriffene Urteil in „seinem gesamten Umfang“ zur „Überprüfung durch das Berufungsgericht stellt“. Dies ergibt sich auch aus der Berufungseinlegungsschrift des Klägers, in der er den Beschwerdewert mit 171.478,31 EUR angegeben hat (Bl. 448). Der „Beschwerdewert“ entspricht der (Gesamt-) Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil des Landgerichts. Der Beklagten ist zwar beizupflichten, dass die Berufungsbegründung über weite Teile eine konkrete Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil vermissen lässt. Immerhin, was ausreichend ist, setzt sich der Kläger in einem Teil der Berufungsbegründung (S. 6 - 8) mit der Verjährung der Ansprüche auseinander.
103 
Das Landgericht hat die Ansprüche selbst nicht behandelt, sondern dahinstehen lassen. Es hat sich in den Entscheidungsgründen, was aus seiner Sicht folgerichtig war, nur mit der Verjährung befasst. In einem solchen Fall reicht es aus, wenn sich die Berufungsbegründung ebenfalls nur mit den tragenden Gründen des Urteils, hier die Verjährung, auseinandersetzt und nicht einen Teil oder den gesamten erstinstanzlich Vortrag zur Anspruchsbegründung wiederholt.
104 
Die Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der im Berufungsrechtszug hilfsweise fortgeführten ursprünglichen Klaganträge, sondern auch hinsichtlich des Hauptantrags. Dieser stützt, auf der Grundlage des bereits im ersten Rechtszug im Kern dargelegten Lebenssachverhalts, den schon bisher auf Geldzahlung gerichteten Teil des klägerische Begehrens lediglich auf einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt (§ 264 Nr. 1, Nr. 2 ZPO). Damit verfolgen sämtliche Berufungsanträge das Ziel, die in der umfassenden Abweisung der Klage begründete Beschwer durch das angefochtene Urteil zu beseitigen.
105 
B. Begründetheit der Berufung
106 
Die Berufung ist begründet.
107 
I. Zulässigkeit der Klage
108 
Die positive Feststellungsklage (Hauptantrag) ist zulässig, § 256 Abs. 1 ZPO.
109 
1. Das Landgericht Heilbronn war international zuständig, Artt. 3, 9 Abs. 1 lit. b EuGVVO.
110 
2. Die Klagerweiterung im zweiten Rechtszug ist zulässig.
111 
Die Berufung macht im zweiten Rechtszug mit ihrem Hauptantrag Feststellung auf Schadensersatz auf positives Interesse wegen einer Pflichtverletzung der Beklagten, die zur Kündigung des Klägers geführt hat, geltend. Anträge im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen, die auf einer behaupteten Pflichtverletzung im Jahr 1999 beruhen, verfolgt die Berufung mit ihren weiteren Anträgen weiter.
112 
Gegenstand der Entscheidung des Senats ist das Klagebegehren, wie es der Kläger auf die Hinweise des Senats in der mündlichen Berufungsverhandlung mit seinen Berufungsanträgen formuliert hat. Die darin liegende Klageerweiterung und -änderung wäre auch gem. § 533 ZPO zulässig. Die Beklagte hat durch rügeloses Einlassen auf die Anträge in die - im Hinblick auf die erteilten rechtlichen Hinweise des Senats zudem sachdienliche - Änderung eingewilligt, §§ 533 Nr. 1, 267 ZPO. Im Übrigen kommt es hierauf nicht an, weil es sich bei der vorliegenden Klageänderung und Klagerweiterung, wie bereits dargelegt, nur um eine solche im Sinne von § 264 Nr. 1, Nr. 2 ZPO handelt.
113 
Die Klageänderung und -erweiterung erfüllte auch die weiteren berufungsrechtlichen Voraussetzungen gem. § 533 Nr. 2 ZPO. Die geänderte Klage kann nämlich aufgrund der Tatsachen beschieden werden, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren, auch wenn sie nicht im Mittelpunkt der bisherigen rechtlichen Betrachtungen standen. Soweit die Parteien Details im Rahmen ihres bisherigen Sachvortrags im Hinblick auf die rechtlichen Hinweise des Senats erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen haben, handelt es sich selbst bei neuen Tatsachen im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO um solche, die allesamt gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen sind, so dass diese gem. § 533 Nr. 2 ZPO einer zulässigen Klageänderung ebenfalls nicht entgegenstünden.
114 
3. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Feststellungsklage liegen vor, § 256 Abs. 1 ZPO.
115 
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Feststellungsklage bei Klagen sowohl gegen Behörden als auch gegen Versicherungsgesellschaften trotz etwaig möglicher Leistungsklage zulässig, weil bei Feststellungsklagen gegen solche Institutionen wegen deren unterstellten Solvenz und üblicherweise rechtmäßigen Verhaltens davon auszugehen ist, dass bereits eine Feststellungsklage zur endgültigen Streitbeilegung führt (BGH NJW 1999, 3774 ff.; BGH NJW 1984, 1118 ff.; BGH VersR 1966, 673 f.; statt aller: Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 256 Rn. 8 m.w.N.). Seit der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist eine Feststellungsklage auch dann zulässig, wenn der Tatrichter die Klage für prozessökonomisch erachtet (RGZ 129, 31 ff. 34 f.; RGZ 152, 193 ff., 196 ff.; BGHZ 2, 250 ff.; BGHZ 36, 38 ff.). So liegt der Fall hier. Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit und der Vereinfachung des Verfahrens ist es von entscheidender Bedeutung, eine Feststellungsklage zuzulassen. Es ist zu erwarten, dass die Durchführung des Feststellungsverfahrens wegen der Besonderheiten des Einzelfalls zu einer abschließenden oder prozesswirtschaftlich sinnvollen Entscheidung der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten führt. In solchen Fällen bestehen sei jeher und in ständiger Rechtsprechung keine prozessualen Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Feststellungsverfahrens (RGZ 129, 31 ff., 34 f.; RGZ 152, 193 ff., 196 ff.; BGHZ 2, 250 ff.; BGHZ 36, 38 ff.). Ferner kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ebenfalls nicht verneint werden, wenn dem konkreten vom Feststellungsantrag betroffenen Recht des Klägers eine Gefahr der Unsicherheit droht und der erstrebte Feststellungsausspruch, wie hier, geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen und unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu führen.
116 
II. Begründetheit der Klage
117 
Die Feststellungsklage ist begründet.
118 
Die Beklagte ist gem. §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB verpflichtet, dem Kläger alle entstandenen und entstehenden Schäden zu ersetzen, die diesem durch die Kündigung vom 22.05.2009 entstanden sind. Der Kläger wurde durch die Leistungstreuepflichtverletzung der Beklagten, Erfüllungsverweigerung für die Zukunft, zur Kündigung veranlasst.
119 
1. Es ist deutsches Recht anwendbar, Art. 7 Abs. 2 Nr. 4a, Art. 8 EGVVG a. F., Art. 27 EGBGB a. F.
120 
Der Kläger hatte bei Vertragsschluss seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, Art. 8 EGVVG a. F.
121 
Im Übrigen haben die Parteien für Versicherungsnehmer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland deutsches Recht vereinbart (vgl. 13.7 der Policenbedingungen, Anlage B 1, Bl. 243m), Art. 27 EGBGB a. F. (seit 18.12.2009: Art. 3 Abs. 1, Art. 28 EG-VO „Rom I - IPR“, Verordnung [EG] Nr. 593/2008 des Europ. Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht [Rom I]).
122 
2. Der Kläger ist aktivlegitimiert.
123 
Der Kläger hat seine Ansprüche am 08.05.1999 an die LKK umfassend abgetreten (Anlage K 10, Bl. 149; Anlage K 12, Bl. 158 f.; Anlage B 7, Bl. 249a/249b ff.).
124 
Die Teilrückabtretung vom 03.11.2009 der LKK/H. an den Kläger zur Geltendmachung von Sekundäransprüchen (Anlage K 20, Bl. 345) scheitert entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 385) nicht mangels Zustimmung des Schuldners, der Beklagten, an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1999, 715 f.). Etwaige Erfüllungsansprüche sind nach der Kündigung des Klägers nicht mehr offen.
125 
Die Beklagte ist nicht der Gefahr der Gesamtgläubigerschaft ausgesetzt. Die Beklagte kann auf Erfüllung von einem weiteren Gläubiger, der finanzierenden Bank (H.) nicht mehr in Anspruch genommen werden, zumal der klägerische Kredit nach im zweiten Rechtszug unstreitigem Vortrag des Klägers inzwischen abgelöst und zurückbezahlt wurde.
126 
Eine selbständige Rückabtretung an den Kläger ist in den ursprünglichen Zessionen (Anlage B 7, Bl. 249d) nicht vorgesehen, sondern eine vom Zessionar vorzunehmende „Freigabe“ der Sicherheiten, sobald alle Ansprüche der finanzierenden Bank gegen „den Kreditnehmer“ befriedigt sind. Der Kläger hatte nach Rückzahlung des Darlehens einen uneingeschränkten Freigabeanspruch gegen die H./LKK.
127 
Im Übrigen ist der Kläger als Zedent von Anfang an selbst Inhaber etwaiger Schadensersatzforderungen geblieben. Eine solche Auslegung der Sicherungsabtretung (Anlage B 7, Bl. 249a ff.: „die gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche aus der genannten Renten-/Lebensversicherung in voller Höhe“)ist nach dem Wortlaut und dem Sicherungszweck so auszulegen, dass nur Primäransprüche, aber nicht auch Schadensersatzforderungen mit abgetreten wurden, §§ 133, 157 BGB. Soweit Zweifel zu Lasten des Klägers als Verbraucher verblieben, gingen diese zu Lasten des Klausel-Verwenders, der H./LKK, § 305c Abs. 2 BGB.
128 
Der von der Beklagten angegriffenen Teilrückabtretung der H./LKK vom 03.09.2009 (Anlage K 20, Bl. 345) bedurfte es hier demnach nicht.
129 
3. Dem Kläger stand vor der Kündigung aus dem Lebensversicherungsvertrag ein ungeschmälerter Erfüllungsanspruch zu.
130 
Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB ist, dass dem Kläger ein wie im Versicherungsschein (Anlage K 11, Bl. 150 ff.) aufgeführter und uneingeschränkter Erfüllungsanspruch ohne Kündigung zugestanden hätte. Bei einem eingeschränkten Erfüllungsanspruch, wie ihn die Beklagte behauptet, bestünde keine Vertragsverletzung:
131 
Dem Kläger stand gem. § 1 Abs. 1 S. 2, §§ 159 ff. VVG a. F. (§ 1 S. 1, §§ 150 ff. VVG n. F.) ein Erfüllungsanspruch auf Versicherungsleistung in Höhe von 2.610,-- DM/Quartal (= 1.334,47 EUR/Quartal), jährlich um ein Prozent steigend, aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Lebensversicherungsvertrag (Anlage K 11: Versicherungsschein, dort S. 6) zu.
132 
Dieser individuell im Versicherungsantrag (Anlage B 4, Bl. 246 ff.) beantragte und im Versicherungsschein ausgewiesene (Leistungs-) Anspruch wurde durch die AVB („Policenbedingungen“), auch unter Berücksichtigung der nicht einbezogenen „Verbraucherinformationen“ nicht eingeschränkt (§ 305b BGB) und wäre im Übrigen AGB-rechtlich wegen Verstoßes gegen das aus Treu und Glauben folgende Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, § 306 Abs. 1 BGB.
133 
3.1 Der Versicherungsvertrag kam mit dem aus dem Versicherungsschein ersichtlichen Inhalt zustande. Mit Übersendung des Versicherungsscheins (Anlage K 11, Bl. 150 ff.), der inhaltlich mit dem schriftlichen Antrag vom 02.03.1999 (Anlage B 4, Bl. 246 ff.) übereinstimmte, nahm die Beklagte das Vertragsangebot an.
134 
3.2 Die aus dem Versicherungsschein geschuldeten „regelmäßigen Auszahlungen“ konnten nicht durch behauptete mündliche Vorbehalte des „Untervermittlers“ F., soweit diese tatsächlich bei der Beratung gefallen sein sollten, eingeschränkt werden, § 5 VVG a. F. (inhaltsgleich § 5 VVG n. F.).
135 
Enthielte der Versicherungsschein, so wie von den Beklagten hinsichtlich anderweitiger mündlicher Erklärungen behauptet, Abweichungen zugunsten des Klägers, wären diese ohne weitere Genehmigung des Versicherers oder eines ihm zuzurechnenden Versicherungsagenten wirksam. Ausdrückliche Einschränkungen zu den „regelmäßigen Auszahlungen“ beinhaltet der von der Beklagten ausgestellte Versicherungsschein (Anlage K 11) nicht. Sowohl im schriftlichen Versicherungsantrag (vgl. Buchstabe „H“) der Beklagten als auch im Versicherungsschein sind identisch als „Regelmäßige Auszahlungen“ in Höhe von vierteljährlich 2.610,00 DM ausgewiesen.
136 
Wenn der Tatsachenvortrag der Beklagten als richtig unterstellt würde, enthielte der Versicherungsschein mit den vorbehaltlosen „regelmäßigen Auszahlungen“ nach anderweitigen mündlichen Erklärungen des „Untervermittlers“ F. bei der Antragstellung eine Abweichung zugunsten des Klägers als Versicherungsnehmer.
137 
§ 5 Abs. 2 und 3 VVG a. F. gelten indes, was die Beklagte versicherungsrechtlich grundlegend verkennt, nach ständiger ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht bei (Versicherungsscheins-) Abweichungen, ungeachtet eines ebenfalls von der Beklagten nicht vorgenommenen Abweichungshinweises, zugunsten eines Versicherungsnehmers (BGH VersR 1976, 477 ff.; BGH VersR 1990, 887 ff.; BGH VersR 1995, 648 ff.). Etwaige Abweichungen im Versicherungsschein zugunsten des Klägers als Versicherungsnehmers sind demnach wirksam.
138 
Die von der Beklagten zuletzt zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung zum Versicherungsrecht im Falle eines versehentlichen Verschreibens bei einer Lebensversicherungslaufzeit (BGH VersR 1995, 648 ff.) ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Die Beklagte verkennt, dass es hier nicht um ein „Versehen“ oder um einen „Schreibfehler“ bei Vertragsabschluss geht, bei dem die Vertragslaufzeit im Ergebnis statt mit 16 Jahren mit 26 Jahren angegeben wurde und die Parteien von einem übereinstimmenden „wahren Willen“ der kürzeren Laufzeit ausgegangen waren. Hier weicht der von der Beklagten ausgestellte Versicherungsschein nicht in einem Einzelfall wegen eines Schreib- oder Eingabefehlers in ein Programm o. ä. zugunsten des Klägers vom Versicherungsantrag ab, bei dem der Versicherer nachzuweisen vermag, dass der Versicherungsnehmer das wirklich Gewollte erkannt hat und ein Vertrag auf der Basis des tatsächlich übereinstimmenden Willens zustande kam (Prölss/Martin, 27. Auflage, § 5 Rn. 6 ff., 8, 16 zu § 5 VVG a. F.; Prölss/Martin, 28. Auflage, § 5 Rn. 7, 8: Grundsätze der „falsa demonstratio“).
139 
Die Beklagte vergisst zudem, dass sie nach dem Antragsformular zum Lebensversicherungsvertrag „Wealthmaster“ (vgl. Buchstabe „N“) in keiner Weise durch Aussagen oder Versprechungen Dritter gebunden sein wollte.
140 
Schließlich ist der Prozessvortrag der Beklagten widersprüchlich. Einerseits sollen Erklärungen der aus ihrer Sicht als Versicherungsmakler handelnden „Untervermittler“, hier des Vermittlers F., wenn es um Beratungspflichtsverletzungen geht, stets nicht gem. § 278 BGB zurechenbar sein. Umgekehrt sollen wohl Erklärungen gegenüber dem „Untervermittler“, wenn sie zugunsten der Beklagten als Versicherer wirken könnten, gem. § 164 BGB zugerechnet und der „Untervermittler“ als Versicherungsagent/-vertreter behandelt werden. Die von der Beklagten angestrebte Lösung bei der behaupteten mündlichen Einschränkung im Zusammenhang mit den „regelmäßigen Auszahlungen“ setzte eine Zurechnung gem. § 164 BGB voraus.
141 
Wenn die „Makler“, über die die Beklagte in großem Umfang den Vertrieb der Lebensversicherung organisierte, nicht mit ihrem „Wissen und Wollen“, also nicht als Erfüllungsgehilfen tätig gewesen sein sollen, dann könnten sie auch nicht beauftragt sein, vertragsgestaltende Erklärungen als Vertreter der Beklagten abzugeben.
142 
3.3 Die „Policenbedingungen“ sind nicht bereits mit dem Antrag wirksam einbezogen worden, § 305 BGB.
143 
Die Beklagte verkennt, dass die im Versicherungsantrag (Anlage B 4, Bl. 246 ff.) unter „N“ aufgeführte – mit winziger, nicht hervorgehobener und kaum lesbarer Schrifttype versehene – Erklärung zum Erhalt von „Policenbedingungen“ und „Verbraucherinformationen“ den Einbeziehungsvorschriften des § 305 BGB nicht standhält. Von einem hinreichenden Hinweis ist bei einem solch regelrecht unter anderen Erklärungen „versteckten“ und drucktechnisch nicht hervorgehobenen Einbeziehungsvermerk, welcher der Unterschrift des Versicherungsnehmers auf der zuvor liegenden Seite im Übrigen nachfolgt, nicht zu sehen. Selbst erfahrene Kautelarjuristen hätten mit dem Auffinden einer solchen Einbeziehungsklausel bei einem Antragsformular größte Entdeckungsschwierigkeiten.
144 
Von einer Einbeziehung der von der Beklagten vorgelegten, aber bestrittenen „Policenbedingungen“ als AVB ist indes mit dem Versicherungsschein (Anlage K 11, Bl. 150) gem. § 5a VVG a. F. auszugehen. Auf Seite 1 des Versicherungsscheins weist die Beklagte auf die Einzelheiten „im Versicherungsschein und in den „Policenbedingungen“ hin. Der Kläger bestreitet zwar, dass die von der Beklagten im Rechtsstreit vorgelegten AVB denen entsprechen, die er 1999 erhalten hat. Dies kann indes dahingestellt bleiben, weil auch die von der Beklagten im Rechtsstreit vorgelegten Versicherungsbedingungen („Policenbedingungen“), insbesondere wegen Intransparenz, unwirksam sind.
145 
Die „Verbraucherinformation“ (Anlage B 2, Bl. 244 ff.), auf die unter anderem in Ziff. 1.2 der „Policenbedingungen“ Bezug genommen wird, wurde nicht wirksam in den Versicherungsvertrag mit einbezogen. Jedenfalls wäre die „Verbraucherinformation“ ebenfalls, insbesondere wegen Intransparenz, AGB-rechtlich unwirksam.
146 
3.4 Die im Versicherungsschein enthaltenen Erklärungen über die von der Beklagten zu erbringenden „regelmäßigen Auszahlungen“ nach Höhe, Zeitpunkt und Zeitdauer stellen Individualvereinbarungen nach § 305b BGB dar.
147 
Die Vereinbarung zu den „regelmäßigen Auszahlungen“ im Versicherungsschein hat Vorrang vor etwaigen Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, hier den „Policenbedingungen“.
148 
3.4.1 Die Erklärungen sind Individualvereinbarungen, weil sie nicht für eine Vielzahl von Fällen einseitig vorformuliert, sondern in Abhängigkeit von der vorgegebenen Zinsbelastung aus dem Bankdarlehen und entsprechend den Wünschen des Klägers bestimmt worden sind. Die Vereinbarung enthält keinen Vorbehalt, dass die Zahlungen nur bis zur vollständigen Aufzehrung aller dem Kläger zugewiesener Anteile am „Pool mit garantiertem Wertzuwachs Serie II“ („DM-Pool Serie II“ später nach der Euroumstellung: „Euro-Pool Serie II“) erfolgen sollen.
149 
Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Verpflichtung ist nach §§ 133, 157 BGB der wirkliche Wille der Vertragsparteien, zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Vertragsparteien heranzuziehen sind.
150 
Zwar werden grundsätzlich bei fondsgebundenen Lebensversicherungen für den Erlebensfall Geldleistungen in unbestimmter Höhe beziehungsweise in Höhe des Wertes eines Anteils an einem aus Wertpapieren bestehenden Anlagestocks zum Fälligkeitstag vereinbart, so dass der Versicherungsnehmer die Chancen und Risiken der Wertveränderungen des Kapitalstocks trägt. Jedoch muss für den Todesfall immer eine Mindestleistung, hier die von der Beklagten garantierte „Todesfallleistung“ (Anlage K 11, Bl. 152), garantiert sein, ansonsten ist der zwingend notwendige Charakter eines Versicherungsgeschäfts nicht gegeben.
151 
Bezüglich der „regelmäßigen Auszahlungen“ sind aber konkrete Beträge zu den Fälligkeitsdaten ausgewiesen und das Ende der „regelmäßigen Auszahlungen“ am 25.03.2056 ist nicht als ein Zeitpunkt definiert, bis zu dem die Auszahlungspflicht „längstens“ läuft. Der Kläger kann als Versicherungsnehmer hieraus auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der fondsgebundenen Lebensversicherung schließen, dass die Leistungspflicht mit Ausnahme der vorzeitigen Vertragsbeendigung durch Rücktritt oder Kündigung nicht vor dem genannten Datum entfallen soll, und der Beklagten auch kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zusteht.
152 
3.4.2 Eine Einschränkung der Leistungspflicht ergibt sich auch nicht daraus, dass diese Zahlungen nicht – wie etwa die Mindesttodesfallleistung – von der Beklagten „garantiert“ werden.
153 
Dies ist nicht erforderlich, denn jedes vertragliche Leistungsversprechen bindet und muss nicht mit dem Zusatz „garantiert“ bekräftigt werden. Tatsächlich kommt der „Garantie“ im Falle der Todesfallleistung die Funktion eines Mindestversprechens des der Höhe nach noch nicht endgültig bestimmten Leistungsversprechens zu. Ein solcher Fall liegt beim Versprechen bezüglich der „regelmäßigen Auszahlungen“ gerade nicht vor. Sie sind nicht nach Prozenten, sondern durch den Auszahlungsplan der Höhe nach und ohne Zahlungsspielräume bereits im Versicherungsschein genau definiert.
154 
3.4.3 Ein übereinstimmendes Verständnis beider Vertragspartner dahingehend, die uneingeschränkte Laufzeit der regelmäßigen Auszahlungen im Versicherungsschein sei als eingeschränkte Laufzeitvereinbarung gewollt, kann nicht festgestellt werden, auch wenn man den Sachvortrag der Beklagten zum Verlauf des Beratungsgesprächs als wahr unterstellt.
155 
Inwieweit die Beklagte „davon ausgehen durfte“, der Untervermittler F. habe erläutert, unter „welchen Bedingungen die Auszahlungen geleistet“ würden oder dem Kläger die von der Beklagten gewünschten Vertragsbedingungen „bekannt waren“ (Bl. 707), ist weder verständlich noch entgegen der Auffassung der Beklagten aus den vorgelegten Unterlagen für den Kläger bei Vertragsschluss ersichtlich (Bl. 709 mit Anlage K 9, Bl. 131). Weder aus der im nachgelassenen, aber verspätet eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom 21.03.2011 (Bl. 705 ff.) genannten „Kurzübersicht L.-Konzept-Rente“ (Anlage K 9, Bl. 131 ff.) noch aus dem nur „exemplarisch“ vorgelegten „Verkaufsprospekt“ (Bl. 708, 207 mit Anlage B 3, Bl. 245) lässt sich die von der Beklagten behauptete Auslegung hinreichend belegen.
156 
Die „Kurzübersicht L.-Konzept-Rente“ (Anlage K 9, Bl. 245) weist im Ergebnis das Gegenteil von dem von der Beklagten Behaupteten aus. Die für einen Laien nur beschränkt übersichtliche „Kurzübersicht“ weist für die bis in das 1. Quartal „2013“ ausgewiesenen Zahlen - ohne weitere verständliche Einschränkungen - eine Berechnung aus, wie sie der Senat und der Kläger bei der in Streit stehenden Versicherung zugrundelegen. Die Berechnung in der Kurzübersicht entspricht der Laufzeit des endfälligen Darlehens bis „29.03.2013“ (vgl. Anlage K 12, Bl. 156 ff.), weshalb beispielsweise bei der „steuerlichen Betrachtung Wealthmaster-Police“ (Bl. 135) für die Zeit vor und „nach Ablauf“ der geplanten Refinanzierungszeit, das heißt vor und nach dem 1. Quartal 2013, unterschieden wird. In allen Teilen der Übersichten (Bl. 131 ff.) wird trotz und bei jährlich um 1 % steigenden (Quartals-) „Auszahlungen“ (synonym: „Wealthmasterentnahmen“) von einem steigenden „Fondskapital“ beziehungsweise von einem steigenden „Wealthmaster“-Vermögen (Pool-Vermögen) ausgegangen. Bei Zugrundelegung der von der Beklagten in Bezug genommenen Anlage K 9 (Bl. 131 ff.) ist von keiner Auszahlung aus der finanziellen Substanz, sondern umgekehrt von einer Vermehrung einer solchen auszugehen. Aus der „Kurzübersicht“ (Bl. 131) wird dem Kläger auch vorgerechnet und vorgespiegelt, dass seine für das L.-Konzept aufzunehmenden Schulden Anfang 2013 mit einem gestiegenen Betrag aus dem „Fondskapital“ in Höhe von 259.192 DM endfällig zu tilgen sein werden. Die Beklagte ist zu Unrecht der Auffassung, dass auf der vorgelegten Seite mit den „Zahlungsströmen“, die ebenfalls jährlich steigende „Auszahlungen“ und stetig steigende Pool-Werte („Wert Wealthmaster“) ausweisen, eine hinreichende Einschränkung der „Auszahlungen“ ersichtlich sei. Nur, weil dort optisch nicht hervorgehoben und versteckt wenig klar darauf hingewiesen wird, dass sich eine „geringere Entnahme“ für den Fall „empfiehlt“, wenn die Wachstumsraten niedriger ausfallen sollten (Bl. 134), ist ein wirksamer Hinweis oder sogar eine Einschränkung des später erteilten Versicherungsscheins nicht anzunehmen. In Verbindung mit diesen schriftlichen Unterlagen ist der behauptete mündliche Hinweis auf eine möglicherweise vorzeitige Erschöpfung der Versicherung nicht geeignet, ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein des Klägers beim Abschluss des Versicherungsvertrages zu belegen. Aus dem Verhalten des Klägers nach Abschluss des Versicherungsvertrages ergibt sich indiziell auch nichts anderes. Die hier zum Ausdruck kommende Rechtsunsicherheit beruht vielmehr auf der Schwierigkeit, das komplexe Anlagekonzept und die weitgehend intransparenten Allgemeinen Versicherungsbedingungen zutreffend zu bewerten.
157 
3.5 Aber auch dann, wenn die Vereinbarung zu den regelmäßigen Auszahlungen nicht als Individualvereinbarung anzusehen wäre, ergäbe sich aus den „Policenbedingungen“, die durch die Hinweise im Versicherungsantrag und Versicherungsschein nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB zum Inhalt des Vertrages wurden,keine Beschränkung der Leistungspflicht.
158 
3.5.1 Zwar können die Vertragsschließenden grundsätzlich eine Individualvereinbarung in der Form schließen, dass diese eine bewusste Regelungslücke enthält, die vereinbarungsgemäß durch die Policebedingungen geschlossen werden soll.
159 
Dies trifft beispielsweise für die Bestimmung der Mindesttodesfallsumme zu, die nach dem Versicherungsschein in Höhe von 100 % des Rücknahmewertes der Pool-Anteile/-Einheiten geschuldet ist. Wie der Rücknahmewert zu bestimmen ist, haben die Vertragsparteien nicht selbst individuell ausgehandelt, sondern nehmen hierfür auf die Policebedingungen als AVB Bezug, die eine vorformulierte Definition des Begriffs enthält. Im Gegensatz dazu lässt das Versprechen der Beklagten im Versicherungsschein, „regelmäßige Auszahlungen“ vorzunehmen, weder eine solche Lücke noch eine ausfüllende Bezugnahme auf die Vertragsbedingungen erkennen.
160 
3.5.2 Der Hinweis, dass der Inhalt des Versicherungsscheins in Verbindung mit den Policenbedingungen zu lesen ist, reicht zwar für deren Einbeziehung nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB aus, aber für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist nicht ersichtlich, dass die Bedingungen zur Vervollständigung der Individualvereinbarung Regelungen zu den Modalitäten der „regelmäßigen Auszahlungen“ enthalten.
161 
3.6 Im Übrigen wäre eine unterstellte Beschränkung der Leistungspflichten aus dem Versicherungsschein durch die unter Ziffer 9 „Auszahlungen (und Rückgabe)“ enthaltenen Klauseln der „Policenbedingungen“ AGB-rechtlich überraschend, § 305c Abs. 1 BGB.
162 
Jedenfalls wären die „Policenbedingungen“ als AGB mehrdeutig, § 305c Abs. 2 BGB.
163 
Dies mit der Folge, dass die dem Kläger günstigere Auslegungsvariante heranzuziehen wäre, wenn die Beklagte damit auch Beschränkungen für die „regelmäßigen Auszahlungen“ nach dem im Versicherungsvertrag bereits bestimmten Auszahlungsplan zum Ausdruck bringen wollte.
164 
3.6.1 Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 84, 268; BGHZ 123, 83; BGH VersR 2009, 623; BGH VersR 2010, 489).
165 
3.6.2 Gemessen an diesen Grundsätzen und Leitlinien der versicherungsrechtlichen Rechtsprechung soll nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers mit Ziffer 9 der „Policebedingungen“ keine Einschränkung des von vornherein individuell vereinbarten Auszahlungsplans beinhaltet sein. Vielmehr ergibt sich bereits aus Ziffer 9.1 und 9.1.2, dass jedenfalls nur bei einem nach Vertragsabschluss gestellten schriftlichen Antrag des Versicherungsnehmers einige oder alle dem Vertrag zugeteilten Einheiten/Anteile eingelöst werden und unter den Bedingungen der Ziffern 9.1.2 ff. und 9.4 ff. ein Betrag in Höhe des Rücknahmewertes der eingelösten Einheiten/Anteile gezahlt wird.
166 
In den Policenbedingungen wird zum Ausdruck gebracht wird, dass die Anträge von der Beklagten auch angenommen werden müssen (vgl. 9.1.1 i.V.m. 13.6 der Policenbedingungen), weshalb sich diese Regelungen nicht auf das bereits im Versicherungsschein Vereinbarte beziehen können.
167 
Da es sich bei den im Versicherungsschein genannten „regelmäßigen Auszahlungen“ um keine Überschussbeteiligung nach § 153 VVG handelt (vgl. BGHZ 147, 373 ff. = VersR 2001, 839 ff., 841 m.w.N.), rechnet der Versicherungsnehmer nicht mit erheblichen Unsicherheiten, ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe die konkret vereinbarten Auszahlungen erfolgen.
168 
Die Beklagte kann ihre Auffassung auch nicht darauf stützen, dass sich aus einer Gesamtschau eindeutig ergebe, sämtliche Auszahlungen stünden unter dem Vorbehalt ausreichender Kapitaldeckung durch Pool-Anteile/-Einheiten. Das Regelwerk ist viel zu umfangreich, komplex, unverständlich und verwirrend um dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den Überblick zu ermöglichen, der für eine solche Gesamtschau erforderlich ist.
169 
Hierfür würde von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ein Verständnis abverlangt, dass
170 
- sein eingezahltes Kapital auf zwei verschiedene Weisen in Rechnungsposten aufgeteilt werden kann, die für die Teilhabe an den erwirtschafteten Renditen maßgeblich sind, das heißt in Einheiten in internen Investmentfonds oder Anteilen an sog. Pools,
171 
- für Anteile und Einheiten unterschiedliche Bewertungsmethoden gelten,
172 
- die Verteilung der erwirtschafteten Renditen von einem Glättungsverfahren überlagert wird (vgl. Verbraucherinformation Ziff. 10),
173 
- jeder Auszahlungsvorgang die Einlösung von Investmenteinheiten/Poolanteilen bis zum Gegenwert der begehrten Auszahlung erfordert und hierdurch den Bestand an solchen Anteilen/Einheiten schmälert,
174 
- der Wert des nach der Auszahlung noch vorhandenen Kapitalstocks nur dann genau bestimmt werden kann, wenn neben den Kurswerten der jeweiligen Anteile/Einheiten die Höhe etwaiger Fälligkeits-/Rückgabeboni auf die eingelösten Anteile/Einheiten beziehungsweise die in Abzug gebrachten Marktpreisanpassungen bekannt sind und
175 
- schließlich diese Mechanismen strukturbedingt für jede Art der Auszahlung gelten müssen, obwohl in den Policenbedingungen solches ausdrücklich nur für die einseitig nach Vertragsschluss beantragten Auszahlungen (vgl. Ziffer 9.1 Policenbedingungen), die Auszahlungen am Ende der Vertragslaufzeit (vgl. Ausführungen unter „Ablaufdatum“ in den Policenbedingungen und Ziff. 12.7 der Verbraucherinformationen: Verfall des Vertragswerts), und darüber hinaus für die Todesfallleistung im Versicherungsschein selbst beschrieben ist, der auf den Rücknahmewert der zugeteilten Anteile/Einheiten abstellt.
176 
Zudem ist der Schluss, dass die dargestellten Bewertungs- und Verrechnungsmechanismen auch für die vertraglich bedungenen „regelmäßigen Auszahlungen“ gelten müssen, nicht zwingend.
177 
Dagegen spricht zunächst der Umstand, dass weder die Policenbedingungen noch die Erklärungen im Versicherungsschein für die „regelmäßigen Auszahlungen“ auf die Rücknahme-/Einlösewerte Bezug nehmen, wie sie für die Todesfallleistung, die Ablaufleistung und die nachträglich beantragten Sonderauszahlungen ausdrücklich maßgeblich sind. Die genannten Fälle (Todesfall- und Ablaufleistung, Sonderauszahlungen) sind auch nicht mit dem vorliegenden Fall vertraglich bedungener Leistungen nach einem Auszahlungsplan vergleichbar. Die Leistungen bei Todesfall und einseitigem Auszahlungsantrag zeichnen sich dadurch aus, dass sie für die Beklagte nicht planbar sind. Gleiches gilt für die Ablaufleistung, da nicht vorhersehbar ist, in welchem Umfang sich für welchen Zeitraum der Kapitalstock durch Sonderauszahlungen verringert hat. Demgegenüber kann die Beklagte bei Leistungen nach einem Auszahlungsplan ihre Belastungen weit besser abschätzen als in den genannten anderen Fällen. Insbesondere im Hinblick darauf, dass ihr bis zur Ablaufleistung der Kapitalstock für eine erhebliche Zeit zur Erzielung von Renditen zur Verfügung stehen kann, mag der Beklagten aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers das Risiko eines uneingeschränkten Versprechens „regelmäßiger Auszahlungen“ durchaus vertretbar erscheinen, und zwar gerade vor dem Hintergrund der eigenen Werbung der Beklagten, in der Vergangenheit regelmäßig Renditen von mehr als 10 Prozent erzielt zu haben.
178 
Etwas anderes ließe sich auch nicht aus der bei der Antragstellung nicht vorliegenden und nicht einbezogenen, aber unter Ziff. 1.2 in den „Policenbedingungen“ genannten „Verbraucherinformation“ (Anlage B 2, Bl. 244 ff.) entnehmen. In den „Verbraucherinformationen“ heißt es in Ziffer 10.1.1:
179 
"…    
- Wir garantieren, dass der Preis der Anteile niemals fällt.
        
- In der Tat wird garantiert, dass der Anteilspreis am Ende des betreffenden Anlagezeitraums der höchste bis zu diesem Zeitpunkt ist.“
180 
Verbraucherinformation Ziffer 10.1.2 Absatz 2 lautet:
181 
"Um die von Ihnen gewünschten Auszahlungen und die Gebühren für Ihren gewählten Vertrag zu decken, werden Anteile von Ihrem Vertrag abgezogen. Dies wirkt sich auf Ihre Rendite insgesamt aus."
182 
Zudem ist in der „Verbraucherinformation“ in Ziffer 6.3 unter der Überschrift "Auszahlungen" folgender Hinweis enthalten:
183 
"Sie können aus Ihrem Vertrag Auszahlungen erhalten, indem sie den gewünschten Betrag in der Vertragswährung angeben.
        
Für die Auszahlungen gilt ein bestimmter Mindestbetrag. Dieser Mindestbetrag beläuft sich derzeit, je nach Vertragswährung, auf DM 500 …
Sie haben die Möglichkeit, in regelmäßigen Abständen Auszahlungen aus Ihrem Vertrag zu erhalten. Regelmäßige Auszahlungen können jährlich, halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich erfolgen.“
184 
Auch aus den „Verbraucherinformationen“, die sich ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer zu jedem gesuchten Thema mit dem Versicherungsschein, den Policenbedingungen und den der Verbraucherinformation an versprengten Orten zusammensuchen müsste, würde in der Ziffer 10 und der Ziffer 6.3 nicht ausreichend deutlich, dass die ursprünglich vertraglich bestimmten Auszahlungen unter dem Vorbehalt eines Mindestwertes der noch verbliebenen Einheiten/Anteile steht beziehungsweise durch sie der Bestand an solchen Anteilen/Einheiten geschmälert wird. Zumal der Versicherungsnehmer in den Informationsbroschüren keine anderen Inhalte und Wertungen vermuten muss als in den maßgeblichen Vertragsbestandteilen selbst.
185 
3.7 Zudem verstießen insbesondere die Klauseln Ziffer 9 („Auszahlung“), auch im Zusammenhang mit den Begriffsbestimmungen in der Ziffer 2 der Policenbedingungen gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
186 
Der Kläger wird als Versicherungsnehmer durch die intransparenten Klauseln entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
187 
3.7.1 Der Verwender von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Bedingung die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH VersR 2001, 839; BGH, VersR 2008, 816; BGH VersR 2009, 1622).
188 
Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klauseln in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich sind. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klauseln die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 147, 373 ff.; BGHZ 141, 137 ff., 143 m.w.N.).
189 
3.7.2 Diesen Anforderungen genügen die „Policenbedingungen“ der Beklagten nicht.
190 
Erschwert wird das Verständnis der AVB bereits dadurch, dass im großen Umfang Definitionen der im Bedingungswerk verwendeten Begriffe den eigentlichen Regelungen vorangestellt werden. Der rechtlich nicht vorgebildete Versicherungsnehmer ist es nicht gewohnt, die für ihn maßgebende Regelungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Fundstellen zu ermitteln.
191 
Die Klauseln enthalten, wie beispielsweise in Ziffer 9.1 ff. und 9.4.2, oftmals mehrere Anpassungselemente (Pool mit garantiertem Wertzuwachs, Fälligkeitsbonus, Rückgabebonus und der Marktpreisanpassung). Trotz der Definition in Ziffer 2 ist die Unterscheidung dieser Berechnungselemente vor allem im weiteren Verlauf des Regelungswerkes selbst für in solchen Angelegenheiten Geübte äußerst schwer oder überhaupt nicht möglich. Zudem werden in der Ziffer 9.4 und den Ziffern 2, 3 und 5 „Rückgabebonus“ und „Marktpreisanpassung“ als aufeinander aufbauende Komponenten dargestellt, obwohl diese gegenläufige Anpassungsmechanismen an die Wertentwicklung des Poolkapitals sind. Bereits der Begriff „Marktpreisanpassung“ ist trotz des in der „Policenbedingungen-“Definition (vgl. Ziffer 2) verwendeten Wortes „Abzug“ und der Erläuterung des Zwecks in Ziffer 9 der Bedingungen irreführend. Die nachteilige Wirkung wird insbesondere durch die verharmlosende Darstellung mittels der Wörter „eventuell, kann, gegebenenfalls“ auch bei einer Gesamtbetrachtung der Regelungen in den Klauseln, insbesondere in den Ziffern 2, 3 und 9, nicht ausreichend erkennbar.
192 
In die Irre wird der Versicherungsnehmer auch in Bezug auf die zugesagte Garantie geführt. Der „garantierte Wertzuwachs“ (vgl. 3.7.2 der Policenbedingungen) wird nur für ein Kalenderjahr im Voraus nach freiem Ermessen des Versicherers festgelegt und hat damit im Ergebnis nur eine kurzfristige buchmäßige Bedeutung. Hierin ist aber keinerlei praktische „Wertgarantie“ enthalten, die längerfristig von Wert wäre. Im Folgejahr sind die so „garantierten“ Zuwächse ohne Weiteres wieder durch eine entsprechend angepasste Einschätzung des Versicherers auszugleichen.
193 
Zudem lassen sich aus den Policenbedingungen bezogen auf die konkreten Pools keine Angaben zur Reichweite der Marktanpassung und deren Höhe entnehmen. Es wird bei der Erläuterung der Marktpreisanpassung unter Ziffer 2 und 9 und in den schon nicht in den Versicherungsvertrag mit einbezogenen „Verbraucherinformation“ lediglich angegeben, dass die Anpassung in fairer Weise im Interesse anderer Versicherungsnehmer erfolgen könne, deren Verträge mit dem Pool mit garantiertem Wertzuwachs verknüpft seien. Zum Beispiel soll eine solche erfolgen können, wenn der bei Auszahlung eines Vertrages fällige Betrag – einschließlich jeglicher sonstigen bei Auszahlung von Anteilen des Pools mit garantiertem Wertzuwachs in den vorausgehenden 12 Monaten bezahlten Beträge – von C. M. für bedeutsam gehalten wird. Ab welcher Größenordnung der Betrag für bedeutsam beziehungsweise „relevant“ gehalten werden kann, ist nicht ersichtlich. Zudem hätte ausdrücklich klargestellt werden müssen, dass die Anpassung auch endgültig zu Gunsten einer anderen Poolbezeichnung Verwendung finden kann. Einseitige Bestimmungsvorbehalte sind nach § 315 BGB mit dem Transparenzgebot nur vereinbar, soweit sie bei unsicherer Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig sind, sowie Anlass, Richtlinien und Grenzen der Ausübung möglichst konkret angeben (vgl. BGH NJW 2000, 651 [juris Rn. 18]). Die Richtlinien und Grenzen sind in den Policenbedingungen nicht einmal durch einen allgemeinen Verweis auf bilanzrechtliche oder versicherungsmathematische Grundsätze beschrieben. Eine weitere Konkretisierung wäre aber für die Beklagte zumutbar und würde den Versicherungsnehmer auch nicht unnötig verunsichern. Vor allem hätte die Beklagte beispielsweise mit Hilfe von Schaubildern das Zusammenspiel und die Grenzen der einzelnen Mechanismen ohne große Mühe einfach erläutern können, statt den Kläger als Versicherungsnehmer mit dem angerichteten Klauselwirrwarr alleine zu lassen (vgl. BGHZ 147, 373 ff.).
194 
Dem Kläger stünde demnach, ohne die ausgesprochene Kündigung im Jahr 2009, aus mehreren Gründen weiterhin die „regelmäßigen Auszahlungen“ als Erfüllungsanspruch zu, zu dem die Beklagte bis zum ersten Quartal des Jahres 2056, wie im Versicherungsschein (Anlage K 11, Seite 6) unbedingt versprochen, verpflichtet gewesen wäre.
195 
3.7.3 Im Übrigen könnte die von der Beklagten geforderte ergänzende Vertragsauslegung nicht dazu dienen, die uneingeschränkt zugesagte Laufzeit der Auszahlungen im Sinne der beanstandeten Klauseln zu verkürzen.
196 
Diese Auslegung müsste nach dem Interesse beider Vertragspartner erfolgen und würde deshalb, wenn überhaupt, Modifizierungen erst für die noch sehr lange Zeit nach Ablauf der regelmäßigen Auszahlungen ermöglichen. Sonst wäre ein aus der Sicht der Versicherungsnehmer wesentliches Vertragsziel bereits wenige Jahre nach Abschluss des auf viele Jahrzehnte abgeschlossenen Vertrages verfehlt.
197 
4. Dem Kläger steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB wegen Nebenpflichtverstoßes gegen deren Leistungstreuepflicht zu.
198 
Dem Kläger stand, entgegen der bis zuletzt von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung (Bl. 606 f., 709 ff.), bis zu seiner Kündigung ein im Versicherungsschein ausgewiesener und ungeschmälerter Erfüllungsanspruch gem. § 1 Abs. 1 S. 2, §§ 159 ff. VVG a. F. (§ 1 S. 1, §§ 150 ff. VVG n. F. für die klägerischen Erfüllungsansprüche nach dem 01.01.2009) zu. Der Anspruch aus der Lebensversicherung umfasste ab dem 25.09.1999 vierteljährlich 2.610,-- DM (= 1.334,47 EUR), der nach dem Versicherungsschein jährlich um 1 % bis zum Versicherungsende, Tag der letzten Auszahlung am 25.03.2056, gestiegen wäre.
199 
Die Beklagte hat durch die angekündigte (Haupt-) Leistungspflichtverweigerung des Lebensversicherungsvertrags für die weiteren Folgejahre gegen ihre Nebenpflichten verstoßen. Der Kläger wurde durch das beharrliche Negieren der Beklagten hinsichtlich des vertraglichen Hauptleistungsanspruchs bis in das Jahr 2056 zur Kündigung veranlasst. Der hierdurch entstandene Schaden hat die Beklagte so zu ersetzen, wie wenn der Kläger nicht gekündigt und den Vertrag durchgeführt hätte (positives Interesse).
200 
4.1 Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 BGB
201 
Die Beklagte hat gegen ihre Pflicht, ihre Hauptleistungspflicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag dauerhaft zu erfüllen, verstoßen, § 280 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB.
202 
Die Beklagte hat die im Versicherungsschein bis in das Jahr 2056 als „regelmäßige Auszahlungen“ bezeichnete und vereinbarte Hauptleistungspflicht von vierteljährlich 2.610,-- DM (= 1.334,47 EUR), zuzüglich einer jährlichen ein-prozentigen Erhöhung, mit der Übersendung von „Kontoauszügen“ in Abrede gestellt und auch in der Folge, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, kategorisch negiert. Darin ist eine ernsthaft und endgültig angekündigte Leistungsverweigerung für die Zukunft zu sehen, die bei einem Dauerschuldverhältnis ein Versicherungsnehmer nicht hinzunehmen hat.
203 
4.1.1 Nach der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Stimmen in der Literatur ist eine Vertragspartei aus der sog. Leistungstreuepflicht verpflichtet, Handlungen zu unterlassen, die den Vertragszweck gefährden oder vereiteln und Handlungen zu unterlassen, welche die im Vertrag angestrebten Vorteile oder Ziele zu Lasten der anderen Vertragspartei gem. § 242 BGB verwirken (Ernst: in MüKo, BGB, 5. Auflage, Bd. 2, § 280 Rn. 91 ff. m.w.N. [Leistungs-/Vertragsuntreue]; Roth: in MüKo, a.a.O., § 241 Rn. 72 f., 76 [Vertragsuntreue]; Palandt, BGB 70. Auflage, § 280 Rn. 25 f.; BGH NJW-RR 1995, 1241 f.; BGH MDR 1995, 854 f. [juris Rn. 15] m.w.N.; BGH MDR 1978, 306; BGHZ 90, 302 ff., 308).
204 
Mit einem Schuldverhältnis ist die aus dem Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgende vertragliche Nebenpflicht verbunden, sich leistungstreu zu verhalten, also alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte, und alles Notwendige zu tun, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung sicherzustellen. Werden die dadurch geschützten Interessen des Vertragspartners so beeinträchtigt, dass diesem ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist, so liegt eine Nebenpflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB (vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz [SMG]: positive Vertragsverletzung) vor. Als eine solche Vertragsverletzung ist auch eine Unzuverlässigkeit des Vertragspartners zu werten, die so schwerwiegend ist, dass dem anderen Teil eine weitere Bindung an den Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann (BGH MDR 1995, 854 f. m.w.N.). Die Leistungstreuepflicht findet ihre Grenze erst an der Interessen- und Risikosphäre des anderen Teils (Ernst: in MüKo, BGB, 5. Auflage, Bd. 2, § 280 Rn. 91).
205 
Bei ernsthaften Zweifeln der Leistungsbereitschaft vor Eintritt der Fälligkeit kann Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Vertragstreuepflicht bei gekündigten Dauerschuldverhältnissen sofort verlangt werden. Dieser nicht für § 280 Abs. 1 BGB geregelte Grundsatz ergibt sich für den Schadensersatz aus dem Rechtsgedanken des für den Rücktritt normierten § 323 Abs. 4 BGB (Ernst: in MüKo, BGB, 5. Auflage, Bd. 2, § 280 Rn. 92 unter Hinweis auf die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des SMG; vgl. hierzu Ulrich Huber, Leistungsstörungen II, § 52 I 3 [= S. 602 ff.]; BGHZ 146, 5 ff. m.w.N.) und dem Rechtsgedanken des für das außerordentliche Kündigungsrecht normierten § 314 Abs. 4 BGB. Hier gilt nichts anderes als bei Geltendmachung von Schadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 und 2 BGB bei angekündigter Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit in einem ungekündigten Dauerschuldverhältnis (Ernst: in MüKo, BGB, 5. Auflage, Bd. 2, § 281 Rn. 14, 62 m.w.N.). Wenn der Schuldner endgültig und ernsthaft erklärt, er werde die Leistung bei deren Fälligkeit nicht erbringen, wäre es eine Förmelei, wenn der Gläubiger gehalten wäre, den Fälligkeitstermin abzuwarten (Ernst: in MüKo, BGB, 5. Auflage, Bd. 2, § 281 Rn. 62 mit Fn. 67).
206 
Die Rechtsprechung billigt auch in – zwar invers gelagerten –Fällen, in denen in Dauerschuldverhältnissen, etwa ein Vermieter, sich eines Gestaltungsrechts berühmt und eine unwirksame Kündigung ausgesprochen hat, dem Mieter nach Rückgabe der Mietsache einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Vertragspflichten zu (Roth: in MüKo, BGB, 5. Auflage, Bd. 2, § 241 Rn. 72; Palandt, BGB, 70. Auflage, § 573 Rn. 58, § 280 Rn. 25 f.; BGHZ 51, 190 ff., 192; OLG Karlsruhe NJW 1982, 54 ff.).
207 
4.1.2 An den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung und der Literatur gemessen, ist der Beklagten eine Pflichtverletzung mittels Leugnen des bis 2056 zugunsten des Klägers fortbestehenden Erfüllungsanspruchs, wie im Versicherungsschein von 1999 ausgewiesen, zur Last zu legen.
208 
Die Beklagte hat bereits mit ihren Kontoauszügen („Informationen“: Anlagen B 13 - B 16, Bl. 255 - 258) dem Kläger aufgezeigt, dass sein „Vertragswert“ über die Jahre zum Teil fällt und insbesondere seine „Anteile“ am „Euro-Pool Serie II“, einem Pool mit „garantiertem Wertzuwachs“, sinkt.
209 
Der Kläger durfte nach den Informationen der Beklagten (Anlagen B 13 - B 16) und der ihm und seinem Prozessbevollmächtigten, der eine Vielzahl von Versicherungsnehmer in Rechtsstreiten gegen die Beklagte vertritt, erlangten Kenntnis von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung ausgehen. Einer Fristsetzung oder Abmahnung bedurfte es nicht (§ 281 BGB analog, §§ 314, 323 Abs. 2 BGB), zumal bei Ansprüchendirekt aus § 280 Abs. 1 BGB eine Anwendung von § 281 BGB, der nur über §§ 280 Abs. 1 und 3 BGB zu erreichen ist, ausscheidet. Im Übrigen beharrte die Beklagte, was indiziell ebenfalls gegen sie spricht, selbst nach Hinweis des Senats noch im Berufungsverfahren darauf (Bl. 606 ff., 709 ff.), dass sie dem Kläger keine vierteljährlichen einschränkungslosen „regelmäßigen Auszahlungen“, wie im Versicherungsschein auf Seite 6 ausgewiesen (Anlage K 11, Bl. 150 ff., 155), und demnach keine uneingeschränkte Erfüllung aus der Lebensversicherung schulde. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 02.07.2009, in dem sie beim Kläger vor „Durchführung“ der Kündigung beziehungsweise der Abrechnung eine Anfrage stellte, ergibt sich nichts anderes (Anlage B 12, Bl. 254).
210 
Die Beklagte hat durch ihre Bekundungen gezeigt, dass nach ihrem Vertragsverständnis durch die regelmäßigen Auszahlungen eine Verminderung der Pool-Anteile-/Einheiten möglich sei. Zudem ist durch die Bezugnahme auf die in den Ziffern 2, 3 und 5 der Policenbedingungen erfolgte Ankündigung, in der Zukunft eine Leistung aus dem Versicherungsvertrag im Erlebensfall zu unterlassen, soweit - wie nach der bisherigen Entwicklung wegen unzureichender Renditen für die Zukunft prognostiziert - aufgrund der Auszahlungen die Pool-Anteile verbraucht seien, eine Leistungsverweigerung zu konstatieren. Auch durch die unstreitig jährlich übersandten Kontoauszüge (Bl. 688 f. und Anlagen B 13 - B 16, Bl. 255 ff.) hat die Beklagte explizit zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Berechtigung zur Verminderung der Pool-Anteile-/Einheiten durch die „regelmäßigen Auszahlungen“ annimmt und hierzu ohne Weiteres vertraglich befugt ist.
211 
Zwar hat der Kläger zur Abwehr der subjektiven Kenntnis gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei der von der Beklagten eingewandten Verjährung im Hinblick auf die erste Pflichtverletzung, der Beratungspflichtverletzung im Jahr 1999, vertreten, die Kontoauszüge nicht in der ganzen Tiefe und in allen Einzelheiten verstanden zu haben. Dass der Vertragswert nach und nach sinkt, konnte der Kläger den Kontoauszügen der Beklagten jedoch unschwer entnehmen. Desgleichen war aus dem Schreiben vom 21.04.2004 (Anlage K 32, Bl. 603) ersichtlich, dass die vertragsgemäß vereinbarten höheren Auszahlungen zu einer „Wertminderung“ der „Versicherungspolice“ führte. Dem Kläger wurde deshalb eine Anpassung der regelmäßigen Auszahlungen vorgeschlagen, die er auf Anraten der LKK auch vornahm (Anlage K 32, Bl. 603, Anlage K 33, Bl. 604 = Anlage B 18, Bl. 260). Im Schreiben vom 21.04.2004 ist vermerkt, dass die Beklagte hiervon Kenntnis hatte beziehungsweise mit dem Schreiben zusätzlich Kenntnis erhielt (Anlage K 32 und K 33, Bl. 603 f.). Im Übrigen erfolgte die Kündigung erst am 22.05.2009 (Anlage B 11, Bl. 253a), nachdem die Rechtsauffassung der Beklagten auch dem Klägervertreter bekannt war. Dieser entnahm unter anderem der Veröffentlichung der Beklagten „Grundsätze und Usancen bei der Finanzverwaltung (PPFM) für den With-Profits Fund“ aus dem Jahr 2006 (Anlage K 8, Bl. 93 ff.), dass die Beklagte die Auszahlungen an den Versicherungsnehmer nicht losgelöst von dem anteiligen Verkehrswert festlegt.
212 
4.2 Kausalität
213 
Der Kläger wurde durch die Mitteilungen der Beklagten und deren Verhalten bezüglich der Erfüllung ihrer Hauptleistungspflicht zur Kündigung veranlasst.
214 
Die Pflichtverletzung der Beklagten war für die Handlung des Klägers, Kündigung des Versicherungsvertrages, kausal. Die Kündigungserklärung des Klägers war hinsichtlich der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung für die späten Versicherungsfolgejahre sozial adäquat veranlasst.
215 
Die klägerische Kündigung des Vertrages durch die von der Beklagten in Aussicht gestellte Leistungsverweigerung wurde im weiteren Sinne jedenfalls herausgefordert. Es war hier keine außergewöhnliche Reaktion, dass auch nach anwaltlicher Beratung eine eigenverantwortliche Kündigung des Klägers ohne vorherige Durchführung eines Rechtsstreits zur Feststellung der Leistungspflicht erfolgte. Dass der Kläger mit der Kündigung seinen Erfüllungsanspruch selbst aufgegeben hat, führt nicht zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs (vgl. BGH MDR 2009, 794 f. [juris Rn. 14]: keine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs bei einvernehmlicher Mietvertragsaufhebung nach unzulässiger Eigenbedarfkündigung). Zwar hatte der Kläger Anlass, an der Richtigkeit der Rechtsauffassung der Beklagten zu zweifeln. Er war indes unter dem Eindruck der Rechtsauffassung der Beklagten jedenfalls von einer vorvertraglichen Pflichtverletzung der Beklagten überzeugt und wollte aufgrund der Einschätzung, dass eine kontinuierliche Verringerung der Pool-Anteile und des Vertragswerts erfolgt, einen weiteren Schaden, auch im Interesse der Beklagten, vermeiden. Die Grenze einer nicht mehr objektiven Zurechnung wegen durch den Geschädigten gesetzter Gefahren oder eigenschadensstiftender Handlungen, denen sich der Geschädigte aussetzt, ist weder erreicht noch überschritten (Oetker: in MüKo, BGB, 5. Auflage, 2. Bd., § 249 Rn. 161 ff., 171 ff.: Kausalität bei „Herausforderung“ außerhalb der entstehungsgeschichtlichen deliktischen „Verfolgungsfälle“; Palandt, BGB, 70. Auflage, § 280 Rn. 38 mit Vorb. § 249 Rn. 41 ff., 46: „psychische Kausalität“).
216 
Der Senat verkennt dabei nicht, dass eine Partei, die ihre Vertragsposition durch Rücktritt bei einem punktuellen Austauschverhältnis oder bei einem Dauerschuldverhältnis nach Kündigung gem. § 314 BGB aufgibt, grundsätzlich keine Erfüllungsansprüche mehr geltend machen kann. Die Berechtigung gleichwohl Schadensersatz geltend zu machen, ergibt sich unter anderem aus der Anwendung des Rechtsgedankens des § 325 BGB (Rücktrittund Schadensersatz), der hier auch nicht die Geltendmachung einer Kündigung und daneben das Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen (Neben-) Pflichtverletzungen ausschließt. In der Rechtsprechung ist dies bei Dauerschuldverhältnissen für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach unberechtigter Ausübung von wirkungslosen, aber behaupteten Gestaltungsrechten (Kündigung eines Vermieters ohne Kündigungsgrund) ohne Weiteres anerkannt (Roth: in MüKo, BGB, 5. Auflage, Bd. 2, § 241 Rn. 72; Palandt, BGB, 70. Auflage, § 573 Rn. 58, § 280 Rn. 25 f.; BGHZ 51, 190 ff., 192; OLG Karlsruhe NJW 1982, 54 ff.). Der Kläger hat sich auch nicht nur durch die unzutreffende Rechtsauffassung seines Vertragspartners zu einer Kündigung vorschnell hinreißen lassen, wofür er grundsätzlich die Verantwortung trägt, sondern er hat durch die beharrliche Weigerung der Anerkennung von Vertragspflichten eines für einen einzelnen Versicherungsnehmer übermächtigen Vertragspartners unter anwaltlicher Beratung und Berücksichtigung des Umstands der Verweigerungshaltung der Beklagten zur Erfüllung des Vertrages, wie in anderen Fällen, nachgegeben. Dies ist mit Sachverhalten, in denen etwa ein Vermieter kündigt und sich seines Erfüllungsanspruchs gem. § 535 Abs. 2 BGB begibt, nachdem sein Mieter angekündigt hat, dieser werde beispielsweise in zwei Jahren wegen irgendwelcher vertraglicher Vereinbarungen keine Miete mehr bezahlen, nicht vergleichbar.
217 
Der Senat verkennt ferner nicht, dass der Kläger anwaltlich beraten war und deshalb besondere Anforderungen zu stellen sind, die hier allerdings erfüllt sind. Die Anwälte von Versicherungsnehmern, die bei der Beklagten Lebensversicherungen in der hier zu entscheidenden Art abgeschlossenen hatten, mussten keine aus ihrer Sicht nicht Erfolg versprechende Klagen mehr auf Erfüllung aus dem Versicherungsschein einreichen, nachdem es (auch) viele obergerichtliche Entscheidungen von zahlreichen Gerichten deutschlandweit gegeben hat, die keinen Erfüllungsanspruch angenommen haben. Im Übrigen stammt die im Rechtsstreit von der Beklagten vorgelegte Kündigung nicht vom Anwalt des Klägers, sondern vom Kläger selbst (Anlage B 11, Bl. 253a).
218 
Die Kündigung des Klägers ist der angekündigten Leistungsverweigerung, wie in Fällen der ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung vor Fälligkeit, als Nebenpflichtverletzung zurechenbar.
219 
4.3 Verschulden, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
220 
Die Beklagte handelte schuldhaft, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.
221 
Die Fehleinschätzung der Beklagten, die ihre uneingeschränkte Pflicht zur Leistung der versprochenen „regelmäßigen Auszahlungen“ in Abrede stellte, war nicht unvermeidbar. Insoweit schadet jede Form der Fahrlässigkeit, selbst in der leichtesten Ausprägung. Angesichts des klaren Wortlauts des Versicherungsscheins und der in vielen Punkten nicht transparent gefassten AVB war diese Fehleinschätzung für die Beklagte nicht unvermeidbar.
222 
4.4 Schaden, §§ 249 ff. BGB
223 
Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz des durch die Kündigung eingetretenen Schadens, der in der Aufgabe seines Erfüllungsanspruchs besteht. Der Kläger ist so zu stellen, wie wenn er den Versicherungsvertrag nicht gekündigt, sondern durchgeführt hätte (positives Interesse), § 249 BGB.
224 
4.4.1 Bei Neben-Pflichtverletzungen bestimmt sich die Schadensberechnung (positives Interesse oder negatives Interesse) nach der Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB und vor allem dem Schutzzweck.
225 
Bei Schadensersatzansprüchen gem. §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB wegen Schadensersatzes statt der (Haupt-) Leistung besteht hinsichtlich der Schadensberechnung innerhalb der Differenzhypothese ein, jedenfalls weitgehend gültiges, „Wahlrecht“ (instruktiv Ernst: in MüKo, BGB, 5. Auflage, 2. Bd., vor § 281 Rn. 38 ff.: „Mindestschaden“; Palandt, BGB, 70. Auflage, § 281 Rn. 18 ff.).
226 
Anders als bei §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB ist ein Wahlrecht zwischen oder gar eine Kombination von negativem und positivem Interesse bei Ansprüchen aus Nebenpflichtverletzungen gem. § 280 Abs. 1 BGB (frühere positive Forderungsverletzung) nicht möglich.
227 
Der verlangte Schadensersatz muss bei Neben-Pflichtverletzungen im Schutzzweck der verletzten Norm beziehungsweise der verletzten Vertragspflicht liegen. Vom Schadensersatzanspruch auszunehmen sind nur Schadensfolgen, die jenseits des Schutzzwecks der verletzten Norm beziehungsweise Vertragspflicht liegen (BGHZ 107, 258 ff. [juris Rn. 24]; BGH VersR 1990, 534 f. [juris Rn. 17]).
228 
Die Frage nach der Schadensberechnung und der Ersatzfähigkeit von Schadenspositionen ergibt sich bei (Neben-) Pflichtverletzungen gem. § 280 Abs. 1 BGB zwanglos aus dieser und deren Zielrichtung selbst sowie aus der Verletzung der Gläubigerinteressen (Ernst: in MüKo, BGB, 5. Auflage, 2. Bd., § 280 Rn. 9, 15, 27, 29, 32, 64 ff., 91 ff.).
229 
4.4.2 Gemessen an diesen Grundsätzen und dem Schutzzweck der verletzten Vertragspflicht der Beklagten ist dem Kläger das positive Interesse zu ersetzen.
230 
Die Verletzung der Vertragspflicht liegt hier in der – bis zuletzt anhaltenden – Erfüllungsverweigerung der Beklagten. Dass bei einer Erfüllungsverweigerung oder bei einem Verstoß gegen die „Leistungstreuepflicht“ der Schutzzweck aus der Vertragspflicht auf Erfüllung – nach Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses – auf Ersatz des positiven Interesses gerichtet ist, ergibt sich aus der Natur der Vertragspflichtverletzung. Bei Verletzung von Hauptleistungspflichten, die zu einer zurechenbaren Kündigung des Vertragspartners führen, hat der Erfüllungsverweigernde den Vertragspartner so zu stellen, wie bei Vertragsdurchführung. Erst die von der Beklagten verursachte Kündigung des Klägers beseitigte den Erfüllungsanspruch, den die Beklagte negierte. Die Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB, soweit sie bei der gesetzten Nebenpflichtverletzung der Beklagten hinweggedacht wird, führt zu einem Schaden, der mangels Durchführung des Vertrages (positiven Interesses) entsteht.
231 
Das vom Kläger geltend gemachte positive Interesse zielt auch darauf ab, die Schadensfolgen und Schadenspositionen zu ersetzen, die mit der Durchführung des Vertrages und damit als Voraussetzung der Erlangung des Erfüllungsanspruchs notwendigerweise entstanden sind. Der Kläger erhält die Vermögensvorteile, welche die Beklagte, nach dem Verständnis des Klägers als Versicherungsnehmer, bei Vertragsschluss versprochen hat.
232 
Dem Kläger hätten ohne die Kündigung vom 22.05.2009 weitere Erfüllungsansprüche bis zum ersten Quartal 2056 zugestanden.
233 
5. Hilfsanträge: Erste Pflichtverletzung im Jahr 1999 – Beratungspflichtverletzung (negatives Interesse)
234 
Über die Hilfsanträge des Klägers zu Schadensersatzansprüchen wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.; §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 ff. BGB, Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB) zur Geltendmachung des Vertrauensschadens (negatives Interesse) wegen behaupteter Falschberatung des Untervermittlers F., die sich die Beklagte gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss, ist wegen Begründetheit des Hauptantrags nicht zu entscheiden.
235 
Die Schadensersatzansprüche wegen Beratungspflichtverletzungen können dahinstehen. Wegen der Zurechnung gem. § 278 BGB wird auf das zutreffende Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 08.12.2010 (LG Stuttgart – 8 O 518/09; juris) und auf das Urteil des OLG Dresden vom 19.11.2010 (OLG Dresden – 7 U 1358/09; juris) verwiesen.
236 
Im Übrigen hat sich die (Beratungs-) Pflichtverletzung nicht auf die Vermögenslage des Klägers ausgewirkt, soweit von einem bestehenden Erfüllungsanspruch auszugehen ist. Der durch den Versicherungsschein ausgewiesene Vertragsinhalt begründete – unabhängig von den tatsächlich von der Beklagten erwirtschafteten Renditen – die vom Kläger zu Recht erwartete und vereinbarte Leistungspflicht.
237 
6. Verjährung, § 214 Abs. 1 BGB
238 
Die Ansprüche des Klägers aus der zweiten Pflichtverletzung mit Kündigung am 22.05.2009 sind nicht verjährt, § 214 Abs. 1 BGB.
239 
Der Schadensersatzanspruch des Klägers gem. §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB konnte frühestens ab dem vierten Quartal des Jahres 2009 entstehen und fällig werden, § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
240 
Der Anspruch auf Schadensersatz ist demnach nicht verjährt, §§ 214 Abs. 1, 199 Abs. 1, 195 BGB.
241 
Der den Beklagten nachgelassene Schriftsatz vom 21.03.2011 (Bl. 705 ff.) gab gem. §§ 296a, 156 ZPO keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
III.
242 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Für den ersten Rechtszug verblieb es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts, weil dort der jetzt zugesprochene Klagantrag noch nicht gestellt war.
243 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 711 S. 2 i.V.m § 709 S. 2 ZPO.
244 
Der Streitwert für den in der mündlichen Verhandlung gestellten Feststellungsantrag war mit 4/5 des geschätzten (abgezinsten) Schadens festzusetzen, §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch, über den nicht entschieden zu werden brauchte, fand keine Berücksichtigung, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG.
245 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen vor. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung, weil deutschlandweit nach Parteiangaben etwa 1.000 weitere Klagen gegen die Beklagte mit den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden oder inhaltlich wirkungsgleichen AVB („Policenbedingungen“ [„wealthmaster“ und „wealthmaster noble“]) rechtshängig sind.
246 
Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Entscheidung des Revisionsgerichts. Verschiedene Landgerichte, welche die Beklagte im Rechtsstreit zahlreich angeführt hat, und zudem alle Obergerichte (etwa OLG Dresden – 7 U 1358/09; juris), soweit bekannt geworden, sind bei einer großen Zahl von Klagen gegen die Beklagte weder von einem Erfüllungsanspruch zugunsten der Versicherungsnehmer aus dem jeweils erteilten „Versicherungsschein“ noch im Rahmen der AGB-Kontrolle von unwirksamen AVB ausgegangen (Divergenzgrundsatz).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 140/03 Verkündet am:
21. März 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Auf eine stille Gesellschaft sind die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft
anwendbar. Diese Grundsätze stehen einem Anspruch auf Rückgewähr der
Einlage aber nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters
verpflichtet ist, diesen im Wege des Schadensersatzes so zu stellen
, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage
nicht geleistet (Bestätigung von BGH, Urt. v. 19. Juli und 29. November
2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706 und II ZR 6/03, ZIP 2005, 254).

b) Über die Nachteile und Risiken eines angebotenen Kapitalanlagemodells
muß der Anlageinteressent zutreffend und vollständig aufgeklärt werden.
Diese Aufklärungspflicht ist verletzt, wenn von vornherein geplant ist, nur
einen geringen Teil der Anlegergelder zu Investitionszwecken zu verwenden,
während mit dem Großteil des Geldes sog. weiche Kosten abgedeckt werden
sollen, ohne daß der Anlageinteressent darüber informiert wird.

c) Ist in dem Vertrag über die stille Gesellschaft vorgesehen, daß der stille Gesellschafter
sein Auseinandersetzungsguthaben in Form einer Rente ausgezahlt
bekommt, wobei das stehen bleibende Guthaben mit 7 % pro Jahr verzinst
werden soll, so hat der stille Gesellschafter ein Kündigungsrecht, wenn
sich der Vertragspartner in der Folgezeit wegen bankrechtlicher Bedenken
weigert, die Rente zu zahlen, und statt dessen die Auszahlung des Guthabens
in einer Summe anbietet.
BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 21. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Kraemer, Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 2. April 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die zu 1. und 2. beklagten Gesellschaften - eine Aktiengesellschaft und eine Kommanditgesellschaft auf Aktien - beschäftigen sich - ebenso wie ihre Rechtsvorgängerinnen aus der "G. Gruppe" - u.a. mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen. Das erforderliche Kapital bringen sie auf, indem sie mit zahlreichen Kleinanlegern stille Gesellschaften gründen. Die Laufzeit beträgt nach Wahl der Anleger 10 bis 40 Jahre. Die Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust beteiligt und haben ggf. eine Nachschußpflicht bis zur Höhe ihrer Entnahmen. Nach den im vorliegenden Fall verwendeten Vertragsformularen sollte das Auseinandersetzungsguthaben am Ende des jeweiligen Gesellschaftsvertrages als monatliche Rente mit einer Laufzeit von - je nach Wunsch des Anlegers - 10 bis 40 Jahren ausgezahlt werden ("Pensions-Sparplan"). Damit sollte ein Beitrag zur Versorgung und Absicherung des stillen Gesellschafters im Alter geleistet werden. Den Anlegern wurden steuerliche Verlustzuweisungen in Höhe ihrer Einlagezahlungen in Aussicht gestellt. Außerdem sollten sie ein gewinnunabhängiges Recht auf Entnahme i.H.v. jährlich 10 % ihrer eingezahlten Einlage haben.
Der Schuldner, ein Arzt, über dessen Vermögen im Laufe des Rechtsstreits das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (im folgenden Kläger), unterzeichnete am 8. Oktober 1993 zwei "Zeichnungsscheine" betreffend die G. Vermögensanlagen AG, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. Nach dem einen Schein hatte er eine Einmalzahlung i.H.v. 10.500,00 DM zu erbringen bei einer Vertragslaufzeit von 12 Jahren. In dem anderen Schein war eine monatliche Ratenzahlung i.H.v. 735,00 DM über 12 Jahre vorgesehen, insgesamt 105.840,00 DM. In den Beträgen war jeweils ein Agio i.H.v. 5 % enthalten. Am Ende der Laufzeit sollte das Auseinandersetzungsguthaben in Raten über einen Zeitraum von 12 Jahren ausgezahlt werden.
Außerdem unterzeichnete der Kläger eine Vollmacht. Danach sollte die G. Vermögensanlagen AG in seinem Namen mit anderen Gesellschaften weitere stille Gesellschaftsverträge abschließen dürfen. Damit sollte erreicht werden, daß jeweils nach Ablauf der steuerlichen Verlustphase im Rahmen neuer Beteiligungsverträge wiederum steuerliche Verluste anfielen. Die vorherigen Verträge sollten beitragslos gestellt werden, so daß der Kläger insgesamt nicht mehr als seine Zeichnungssumme zu zahlen hatte, dennoch aber während der gesamten Vertragslaufzeit in den Genuß von steuerlichen Verlustzuweisungen kommen würde (sog. Steiger-Modell).
Aufgrund dieser Vollmacht schloß die G. Vermögensanlagen AG am 1. Januar 1996 mit der G. Beteiligungs-AG, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2, einen Vertrag über eine stille Gesellschaft, wonach der Kläger die monatlichen Raten i.H.v. 735,00 DM für noch 119 Monate an die neue Gesellschaft zu zahlen hatte bei sonst gleichen Bedingungen wie in dem ersten Ratenzahlungsvertrag. Außerdem wurde der Kläger durch einen gleichartigen Vertrag verpflichtet, die laufenden Entnahmen in bezug auf seine Einmalzahlung i.H.v. 10.500,00 DM im Rahmen einer weiteren stillen Gesellschaft bei der G. Beteiligungs-AG anzulegen. Schließlich wurde mit Zeichnungsschein vom 1. Januar 1998 in gleicher Weise ein Vertrag über eine stille Gesellschaft zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 geschlossen, wonach die Entnahmen auf die Einmalzahlung für restliche 95 Monate bei der Beklagten zu 1 in deren "Unternehmenssegment VII" anzulegen waren.
Die laufenden Ratenzahlungen i.H.v. je 735,00 DM erbrachte der Kläger bis April 1996. Im Oktober 1999 untersagte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen den Beklagten zu 1 und 2, die Auseinandersetzungsguthaben in Raten auszuzahlen, weil das nach der Auffassung des Amtes gegen § 32
Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG verstößt. In dem daraufhin geführten verwaltungsgerichtlichen Prozeß verpflichteten sich die Beklagten zu 1 und 2 vergleichsweise, die Auseinandersetzungsguthaben in einer Summe auszuzahlen.
Mit Schreiben vom 11. Oktober 2000 verlangte der Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 die Rückzahlung seiner geleisteten Einlagen wegen des Wegfalls der ratierlichen Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben. Während des vorliegenden Rechtsstreits hat er mit Schriftsatz vom 13. September 2001 die Beteiligungen vorsorglich gekündigt mit der Begründung, er sei über die Risiken der Anlage arglistig getäuscht worden.
Mit der Klage verlangt der Insolvenzverwalter von der Beklagten zu 1 Rückzahlung der an sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin gezahlten 28.875,00 DM, von den Beklagten zu 1, 2 und 4 bis 7 - die Klage gegen die Beklagte zu 3 ist zurückgenommen worden - Rückzahlung der an die Beklagte zu 2 bzw. ihre Rechtsvorgängerin gezahlten 2.940,00 DM, jeweils Zug um Zug gegen Übertragung der Gesellschaftsbeteiligungen. Dabei werden die Beklagten zu 4 bis 7 als damalige Komplementäre der Beklagten zu 2 in Anspruch genommen. Hilfsweise verlangt der Insolvenzverwalter von den Beklagten zu 1 und 2, ihm Auskunft über die Höhe des jeweiligen Auseinandersetzungsguthabens zu erteilen. Im übrigen begehrt er die Feststellung, daß die Beklagten zu 1 und 2 keine Ansprüche mehr gegen ihn aus den Gesellschaftsverträgen haben und diese Gesellschaftsverträge beendet sind.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision des Insolvenzverwalters.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt :
Die zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 1 und 2 geschlossenen Gesellschaftsverträge seien wirksam. Auf sie seien die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anwendbar. Danach komme eine rückwirkende Auflösung grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ausnahme davon sei hier nicht gegeben. So seien die Verträge nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot des § 32 KWG, Bankgeschäfte ohne behördliche Erlaubnis zu betreiben, gemäß § 134 BGB nichtig. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 32 KWG erfüllt sein sollten, führe das nicht zur Anwendbarkeit des § 134 BGB. Auch eine Nichtigkeit nach §§ 125 f. BGB, § 293 Abs. 3 AktG liege nicht vor. Die Unterschriften auf den Vorderseiten der Zeichnungsscheine seien zur Wahrung der bei einem Teilgewinnabführungsvertrag erforderlichen Schriftform ausreichend. Einer gesonderten Unterzeichnung der umseitig abgedruckten Allgemeinen Vertragsbedingungen habe es nicht bedurft, da die Bedingungen auf der Vorderseite des Formulars erwähnt worden seien. Die Vertragserklärungen seien wegen Versäumung der Widerrufsfrist auch nicht nach dem Haustürwiderrufsgesetz widerrufbar gewesen. Die Widerrufsbelehrungen seien ordnungsgemäß. Im übrigen hätte ein solcher Widerruf auch keine Rückwirkung. Die Verträge seien auch nicht nach § 138 BGB nichtig. Insbesondere seien sie nicht darauf gerichtet, Anleger durch ein Schneeballsystem zu schädigen. Wenn es zu einer solchen Schädigung gekommen sei, liege das lediglich an einem schlechten Wirtschaften.
Die aufgrund der von dem Kläger erteilten Vollmacht geschlossenen Folgeverträge seien nicht nach § 134 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG nichtig. Zwar habe die G. Vermögensanlagen AG keine Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten gehabt. Der Abschluß der Folgeverträge sei jedoch wegen des unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Geschäft der Gesellschaft nach Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG erlaubnisfrei gewesen. Im übrigen wären auch insoweit die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar.
Die Gesellschaftsverträge seien auch nicht durch die Kündigungen des Klägers beendet worden. Es fehle an einem wichtigen Grund für eine Kündigung. Daß die ratenweise Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben nicht mehr möglich sei, reiche dafür nicht aus. Dabei handele es sich nur um eine Auszahlungsmodalität, die für den Anleger von untergeordneter Bedeutung sei. Eine fehlerhafte Beratung des Klägers bei den Vertragsverhandlungen durch die Vermittler D. und B. schließlich sei nicht bewiesen.
II. Diese Ausführungen halten in entscheidenden Punkten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen , daß die insgesamt fünf Gesellschaftsverträge wirksam sind, so daß dem Kläger keine Ansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung seiner Einlagen zustehen.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf eine stille Gesellschaft anwendbar, unabhängig von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als "typische" oder "atypi-
sche" stille Gesellschaft (BGHZ 8, 157, 166 ff.; 55, 5, 8 ff.; 62, 234, 237; Urt. v. 12. Februar 1973 - II ZR 69/70, WM 1973, 900, 901; v. 25. November 1976 - II ZR 187/75, WM 1977, 196, 197; v. 22. Oktober 1990 - II ZR 247/89, NJW-RR 1991, 613, 614; v. 29. Juni 1992 - II ZR 284/91, ZIP 1992, 1552, 1554; v. 24. Mai 1993 - II ZR 136/92, NJW 1993, 2107; v. 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255). Danach ist ein fehlerhafter Gesellschaftsvertrag grundsätzlich als wirksam zu behandeln, wenn er in Vollzug gesetzt worden ist. Lediglich für die Zukunft können sich die Parteien von dem Vertrag lösen (st.Rspr., s. etwa BGHZ 156, 46, 51 ff.). Bei einem - wie hier - als Teilgewinnabführungsvertrag i.S. des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG zu wertenden stillen Gesellschaftsvertrag mit einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (Senat, BGHZ 156, 38, 43) bedarf es für die Invollzugsetzung nicht der Eintragung des Vertrages in das Handelsregister (BGHZ 103, 1, 4 f.; 116, 37, 39 f.; Urt. v. 5. November 2001 - II ZR 119/00, NJW 2002, 822, 823; v. 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255 f.). Es genügt vielmehr, daß der stille Gesellschafter - wie es hier der Kläger getan hat - Einlagezahlungen leistet und steuerliche Verlustzuweisungen entgegen nimmt.

b) Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kommen nur dann nicht zur Anwendung, wenn ausnahmsweise die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar ist. So hat der Senat Ausnahmen u.a. dann anerkannt, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (BGHZ 97, 243, 250; 153, 214, 222), der Zweck der Gesellschaft mit den guten Sitten unvereinbar ist (Urt. v. 9. Februar 1970 - II ZR 76/68, NJW 1970, 1540; v. 16. Mai 1988 - II ZR 316/87, NJW-RR 1988, 1379) oder eine besonders grobe Sittenwidrig-
keit vorliegt (BGHZ 55, 5, 8 f.). Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls hat das Berufungsgericht zu Recht als nicht erfüllt angesehen.
aa) Die Gesellschaftsverträge sind nicht nach § 134 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nichtig.
Nach § 32 KWG bedarf derjenige, der im Inland gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreiben will, einer behördlichen Erlaubnis. Diese Erlaubnis besitzen die Beklagten zu 1 und 2 nicht. Deshalb wurde ihnen von dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen untersagt, nach dem Ende des jeweiligen Gesellschaftsvertrages das Auseinandersetzungsguthaben in Form einer Rente ("Pensions-Sparplan" oder "SecuRente") ratierlich auszuzahlen. Die Behörde sah in dieser Abrede ein Bankgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 KWG. Nach dieser durch die 6. KWG-Novelle vom 22. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2518) mit Wirkung zum 1. Januar 1998 in das Gesetz eingefügten Alternative ist die Annahme "rückzahlbarer Gelder des Publikums" unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ein Bankgeschäft.
Ob es sich bei der Vereinbarung einer ratierlichen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens tatsächlich um ein Bankgeschäft in diesem Sinne handelt und ob ein dann vorliegender Verstoß gegen § 32 KWG zur Nichtigkeit der Verträge nach § 134 BGB führt, kann offen bleiben. Denn jedenfalls gilt die streitige Definition des Bankgeschäfts erst seit dem Inkrafttreten der 6. KWGNovelle zum 1. Januar 1998. Die Rechtsbeziehungen der Parteien gehen aber auf Verträge aus dem Jahre 1993 zurück. Zu jenem Zeitpunkt verstieß die ratierliche Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben auch nach Ansicht des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen noch nicht gegen die Vorschrif-
ten des Kreditwesengesetzes. Damit können die Verträge jedenfalls aus diesem Grund nicht nach § 134 BGB nichtig sein.
bb) Die Gesellschaftsverträge sind auch nicht nach § 134 BGB, § 3 Nr. 3 KWG nichtig.
Nach § 3 Nr. 3 KWG sind Einlagengeschäfte verboten, bei denen es ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, über die Einlagen durch Barabhebungen zu verfügen.
Diese Vorschrift ist auf die Zahlungen eines stillen Gesellschafters aufgrund des Gesellschaftsvertrages nicht anwendbar, weil es sich dabei nicht um Einlagen i.S. der §§ 3, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelt (BGHZ 90, 310, 313 f.). Auch die ratenweise Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben verstößt nicht gegen das Verbot des § 3 Nr. 3 KWG. Der Schutzzweck dieser Norm besteht darin, einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und damit einer Störung der finanziellen Stabilität der Volkswirtschaft entgegenzuwirken (BGHZ 129, 90, 97). Eine derartige Gefahr besteht nicht, wenn bei der Auseinandersetzung einer Gesellschaft das Auseinandersetzungsguthaben - wie hier - gestundet wird. Ob ein Verstoß gegen § 3 Nr. 3 KWG zur Anwendbarkeit des § 134 BGB führt, kann damit offen bleiben (ebenso BGHZ 129, 90, 92).
cc) Die Verträge vom 1. Januar 1996 und 1. Januar 1998 sind auch nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig, weil sie nicht von dem Kläger persönlich, sondern in seinem Namen von der G. Vermögensanlagen AG geschlossen worden sind.
Dabei kann offen bleiben, ob der zugrundeliegende Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Kläger und der G. Vermögensanlagen AG und die damit verbundene Vollmacht gegen das Verbot des Art. 1 § 1 RBerG, ohne behördliche Erlaubnis fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen, verstoßen (vgl. dazu BGHZ 145, 265, 269; 153, 214, 218 f.; Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 407/02, WM 2004, 1536, 1538) und ob sie ggf. unter die Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG fallen. Von dem gesetzlichen Verbot des Art. 1 § 1 RBerG werden nämlich nicht auch die aufgrund der nichtigen Vollmacht geschlossenen Gesellschaftsverträge erfaßt. Sie bezwecken nicht die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Auf diese Verträge sind daher, auch wenn sie mangels wirksamer Vollmacht schwebend unwirksam sind, die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar (BGHZ 153, 215, 221 f.). Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz führt also nur zu der Möglichkeit, den Gesellschaftsvertrag zu kündigen.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision sind die Verträge wegen der langen Laufzeiten von 12 Jahren auch nicht sittenwidrig i.S. des § 138 BGB.
Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit können rechtsgeschäftliche Bindungen über einen langen Zeitraum eingegangen werden. Eine Grenze bilden lediglich §§ 138, 242, 723 Abs. 3 BGB, ggf. auch § 307 BGB. Eine langfristige Bindung ist dann sittenwidrig, wenn durch sie die persönliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit so beschränkt wird, daß die eine Seite der anderen in einem nicht mehr hinnehmbaren Übermaß, "auf Gedeih und Verderb", ausgeliefert ist. Maßgebend ist eine Abwägung der jeweiligen vertragstypischen und durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägten Umstände (BGHZ 64, 288, 290 f.; BGH, Urt. v. 26. April 1995 - VIII ZR 124/94, NJW 1995, 2350, 2351; v. 8. April 1997 - X ZR 62/95, WM 1997, 1624).
Danach ist unter diesem Gesichtspunkt hier nicht von einer Sittenwidrigkeit auszugehen. Das Anlagemodell zielt auf eine Alterssicherung ab, setzt also notwendigerweise eine lange Laufzeit voraus. Der Kläger konnte nach den Zeichnungsscheinen und den Vertragsbedingungen wählen zwischen Vertragslaufzeiten von 10 bis 40 Jahren und monatlichen Raten ab 50,00 DM. Wenn er sich dann für eine Laufzeit von 12 Jahren und Raten i.H.v. 735,00 DM entschieden hat, ist das noch keine übermäßige Einschränkung seiner Handlungsfreiheit , zumal das gestaffelte Beteiligungssystem zu erheblichen steuerlichen Verlustzuweisungen führen sollte. Jedenfalls scheidet eine Sittenwidrigkeit aber deshalb aus, weil der Kläger nach den Vertragsbedingungen das Recht hatte, den Vertrag nach Ablauf von einem Drittel der Laufzeit beitragslos stellen zu lassen - wovon er auch Gebrauch gemacht hat - oder zu stornieren. Daß er dabei finanzielle Verluste in Kauf nehmen muß, ist unerheblich. Auch bei einer Lebensversicherung ist eine vorzeitige Lösung mit Nachteilen verbunden.
ee) Eine Nichtigkeit der Verträge nach § 138 BGB ergibt sich auch nicht aus dem Vorwurf des Klägers, die Beklagten betrieben ein Schneeballsystem.
Dabei kann offen bleiben, ob das Anlagemodell der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerinnen tatsächlich Elemente eines Schneeballsystems aufweist (s. dazu BGH, Urt. v. 22. April 1997 - XI ZR 191/96, ZIP 1997, 1110), ob jedenfalls nur ein so geringer Teil der Anlegergelder investiert wird, daß ein Gewinn der Anleger unwahrscheinlich, ein Verlust dagegen wahrscheinlich ist. Eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB wäre nur dann anzunehmen, wenn der gemeinsame Zweck der Vertragspartner gerade darauf gerichtet gewesen wäre, ein sittenwidriges Geschäft zu betreiben. Das aber ist nicht der Fall. Nach dem Vortrag des Klägers ist er vielmehr von den Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen über die für ihn ungünstigen Umstände der Kapitalanla-
ge getäuscht worden. Daraus kann sich ein Kündigungsrecht oder ein Schadensersatzanspruch ergeben (s. dazu im folgenden unter 2), nicht aber eine Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages entgegen den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft.
ff) Ebenfalls offen bleiben kann, ob die Verträge nach §§ 125, 126 Abs. 1 BGB, § 293 Abs. 3 AktG nichtig sind, weil sich die Unterschriften der Vertragsparteien auf Seite 2 des Zeichnungsscheins befinden, die Allgemeinen Vertragsbedingungen aber erst nachfolgend abgedruckt sind. Denn auch ein Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform würde nicht zu einer rückwirkenden Nichtigkeit der Verträge führen, sondern nach den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft lediglich ein Kündigungsrecht des Klägers begründen.
gg) Schließlich rechtfertigt auch ein Widerruf nach dem Haustürwiderrufsgesetz keine Ausnahme von den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. November 2004 (II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255) entschieden hat.
2. Das Berufungsgericht hat aber verkannt, daß ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 1 und 2 zu einem Erfolg der auf die Rückzahlung der Einlagen gerichteten Hauptklageanträge führen könnte. Ebenfalls fehlerhaft hat es im Zusammenhang mit der Prüfung von Kündigungsgründen angenommen, es lasse sich nicht feststellen, daß die für die Beklagten tätig gewordenen Vermittler D. und B. den Kläger über die Risiken der Kapitalanlage unzureichend aufgeklärt hätten.

a) Wie der Senat in seinen nach Erlaß des angefochtenen Urteils verkündeten Entscheidungen vom 19. Juli und 29. November 2004 (II ZR 354/02,
ZIP 2004, 1706 und II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 256) klargestellt hat, stehen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters - der Inhaber des Handelsgeschäfts i.S. des § 230 HGB - verpflichtet ist, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet. Demjenigen, der sich aufgrund eines Prospektmangels, einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder aus sonstigen Gründen schadensersatzpflichtig gemacht hat, darf es nicht zugute kommen, daß er gleichzeitig auch an dem mit dem geschädigten Anleger geschlossenen Gesellschaftsvertrag beteiligt ist.

b) Danach kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob den Beklagten oder ihren Rechtsvorgängerinnen eine Verletzung von Aufklärungspflichten vorzuwerfen ist. Dann würden sie dem Kläger wegen Verschuldens bei Vertragsschluß (jetzt § 280 Abs. 1, 3, § 282, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F.) zum Schadensersatz verpflichtet sein - die Beklagten zu 4 bis 7 i.V.m. § 278 Abs. 2 AktG, § 161 Abs. 2, §§ 128, 160 HGB -, wobei sie ggf. für ein Fehlverhalten der Vermittler D. und B. nach § 278 BGB einstehen müßten. In Betracht kommt auch eine Haftung nach § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264 a StGB (zum Schutzgesetzcharakter des § 264 a StGB s. Senat, BGHZ 116, 7, 12 ff. und Urt. v. 29. Mai 2000 - II ZR 280/98, NJW 2000, 3346).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muß einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muß über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen
Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGHZ 79, 337, 344; Urt. v. 29. Mai 2000 - II ZR 280/98, ZIP 2000, 1296, 1297; v. 7. April 2003 - II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; v. 7. Juli 2003 - II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536, 1537; v. 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707). Dabei war im vorliegenden Fall vor allem darüber aufzuklären, daß der Anleger an den Verlusten beteiligt und verpflichtet ist, erforderlichenfalls auch Nachschüsse in erheblichem Umfang zu leisten, daß die Entnahmen i.H.v. 10 % der gezahlten Einlagen schon ab dem Jahr nach dem Vertragsschluß zu einer Verringerung des für die Investitionen zur Verfügung stehenden Kapitals führen, daß die Entnahmen auch im Falle der Wiederanlage keinen Kapitalzuwachs bewirken, daß sie deshalb in hohem Maße die Gefahr einer späteren Nachschußpflicht begründen und daß sie trotz ihrer Ausgestaltung als gewinnunabhängig unter einem Liquiditätsvorbehalt stehen. Schließlich mußte der Anleger über das geplante Investitionsvolumen unterrichtet werden. Dazu hat der Kläger ein Schreiben des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen an die Verbraucherzentrale Be. vom 9. August 2000 vorgelegt, in dem es heißt, die Investitionsquote betrage in dem "Segment IV" der G. Gruppe 0 % - statt angegebener 107 % - und in dem "Segment VI" 11 %. Daraus hat der Kläger abgeleitet, daß auch in den "Unternehmenssegmenten", an denen er beteiligt ist, nur ein geringer Teil der Anlegergelder zu Investitionszwecken verwendet wird, während mit dem Großteil des Geldes sog. weiche Kosten abgedeckt werden (von ihm als modifiziertes Schneeballsystem bezeichnet). Ein zu diesem Vorwurf von der Staatsanwaltschaft Br. durchgeführtes Ermittlungsverfahren hat zu keinen verwertbaren Erkenntnissen geführt und ist daher eingestellt worden.
Das Berufungsgericht hat zu Art und Umfang der Aufklärung des Klägers die Vermittler D. und B. als Zeugen vernommen. Beide haben ausge-
sagt, es habe eine ausführliche Besprechung über das Anlagemodell mit dem von dem Kläger hinzugezogenen Fachanwalt für Steuerrecht Di.-Gr. stattgefunden. Nach der Aussage des Zeugen B. soll der Anwalt den Emissionsprospekt sogar 5 bis 6 Wochen lang geprüft haben. Dann erst, so haben beide Zeugen bekundet, habe der Kläger die ersten beiden Verträge abgeschlossen. Der Kläger ist diesen Aussagen mit der Behauptung entgegengetreten, die Besprechung mit seinem Anwalt habe erst nach der Unterzeichnung der Verträge stattgefunden. Dazu hat er sich auf das Zeugnis des Anwalts berufen. Diesem Beweisantritt ist das Berufungsgericht nicht nachgegangen. Zur Begründung hat es ausgeführt, selbst wenn man die Anlage erst nach der Vertragsunterzeichnung mit dem Anwalt durchgesprochen habe, sei nicht bewiesen, daß die Vermittler gegenüber dem Kläger fehlerhafte Angaben gemacht hätten; sie hätten nichts bekundet, woraus sich eine fehlerhafte Aufklärung herleiten ließe.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht hätte dem Beweisantritt des Klägers nachgehen müssen. Es hat schon verkannt, daß nach den Zeugenaussagen das wesentliche Beratungsgespräch im Beisein des Anwalts stattgefunden haben soll. Wenn aber dieses Gespräch - wie der Kläger behauptet und was daher in der Revisionsinstanz zu unterstellen ist - erst nach dem Vertragsschluß erfolgt ist, ergibt sich daraus zugleich, daß der Kläger vor dem Vertragsschluß - und nur darauf kommt es an - nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Im übrigen geht es nicht darum, ob bewiesen ist, daß die Vermittler fehlerhafte Angaben gemacht haben. Für eine Haftung der Beklagten würde es ausreichen, wenn die Vermittler es nur unterlassen hätten, sachdienliche Angaben zu machen. Dafür sprechen die protokollierten Zeugenaussagen. So hat der Zeuge D. ausgesagt, es sei nur ein kurzes Gespräch mit dem Kläger geführt worden, das bald abgebrochen worden sei. Und der Zeuge B. hat bekundet, bei dem Gespräch mit dem Kläger - vor Einschaltung
des Anwalts - sei das Anlagemodell "angerissen" worden. Wenn sich bei dieser Beweislage nach Gegenüberstellung der Zeugen mit dem Anwalt des Klägers herausstellen sollte, daß deren gemeinsame Besprechung erst nach dem Vertragsschluß stattgefunden hat, dürfte ohne weiteres von einem Aufklärungsmangel auszugehen sein (zur Beweislast s. BGH, Urt. v. 5. Februar 1987 - IX ZR 65/86, NJW 1987, 1322, 1323; v. 20. Juni 1990 - VIII ZR 182/89, NJW-RR 1990, 1422, 1423).

c) Bei der Feststellung, ob den Beklagten eine mangelhafte Aufklärung zur Last zu legen ist, bedarf es ggf. auch einer Würdigung des Inhalts des Emissionsprospekts. Wird dem Anlageinteressenten statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht, kann das als Mittel der Aufklärung genügen. Dann muß der Prospekt aber nach Form und Inhalt geeignet sein, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln (Sen.Urt. v. 1. Oktober 1984 - II ZR 158/84, NJW 1985, 380, 381; v. 7. Juli 2003 - II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536, 1537; BGH, Urt. v. 12. Februar 2004 - III ZR 359/02, ZIP 2004, 1055, 1057). Außerdem muß er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluß überlassen worden sein, daß sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden konnte.
Der Kläger hat zunächst schriftsätzlich vortragen lassen, der Prospekt sei ihm erst nach Vertragsunterzeichnung übergeben worden. Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er dagegen erklärt , er habe die Verträge geschlossen, nachdem ihm der Vermittler D. das Anlagemodell anhand des Prospekts erklärt gehabt habe. Den mehr als 130 Seiten umfassenden Emissionsprospekt haben die Parteien nur in Ausschnitten vorgelegt. Deshalb ist eine sachgemäße Beurteilung des Prospektin-
halts nicht möglich. Dazu bedarf es der Vorlage des gesamten Prospekts. Ferner ist ggf. zu klären, ob der Prospekt dem Kläger so rechtzeitig übergeben worden ist, daß er ihn vor der Vertragsunterzeichnung lesen konnte, oder ob er nur anläßlich der Vertragsunterzeichnung ausschnittsweise erörtert worden ist, in seiner Gesamtheit als Mittel der Aufklärung also keine Verwendung gefunden hat.

d) Für eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß - ggf. auch wegen positiver Vertragsverletzung und nach § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263, 264 a StGB - kann auch von Bedeutung sein, ob die Kostenstruktur des Anlagemodells von vornherein so ungünstig angelegt war oder später so ungünstig ausgestaltet worden ist, daß ein Gewinn der Anleger höchst unwahrscheinlich, ein Verlust dagegen wahrscheinlich war. Auch dazu fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts.
3. Die Sache ist danach an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Sollte das Berufungsgericht dabei erneut zu dem Ergebnis kommen, daß die Beklagten dem Kläger nicht zum Schadensersatz verpflichtet und seine Hauptklageanträge damit unbegründet sind, weist der Senat auf folgendes hin:
Nach dem bisherigen Vortrag der Parteien ist jedenfalls davon auszugehen , daß die Gesellschaftsverträge durch die Kündigung des Klägers vom 11. Oktober 2000 beendet worden sind und dem Kläger daher die hilfsweise geltend gemachten Auskunftsansprüche in bezug auf die Höhe der Auseinandersetzungsguthaben zustehen.
Ein Kündigungsrecht ergibt sich aus der Ankündigung der Beklagten, entsprechend dem von ihnen vor dem Verwaltungsgericht Be. geschlossenen Prozeßvergleich die Auseinandersetzungsguthaben nicht mehr ratierlich, sondern nur noch in jeweils einer Summe auszuzahlen.
Jeder Vertragspartner ist verpflichtet, im Rahmen des ihm Zumutbaren alles zu unterlassen, was den Eintritt des vertraglich vorgesehenen Leistungserfolges vereiteln oder gefährden könnte. Er muß sich vertragstreu verhalten. Insbesondere darf er die Erfüllung des Vertrages oder einer wesentlichen Vertragspflicht nicht ernsthaft und endgültig verweigern oder erklären, er werde den Vertrag nicht so erfüllen, wie es vereinbart ist. Verletzt er diese Pflicht, hat der andere Vertragsteil grundsätzlich das Recht, sich von dem Vertrag zu lösen. Bei einem Vertrag über eine stille Gesellschaft hat diese Lösung - wie bei allen Dauerschuldverhältnissen - in Form der Kündigung zu geschehen. Das ergibt sich aus § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 234 Abs. 1 Satz 2 HGB (Sen.Urt. v. 8. Juli 1976 - II ZR 34/75, DB 1977, 87, 88; BGHZ 11, 80, 84; 90, 302, 308; BGH, Urt. v. 2. Juli 1968 - VI ZR 207/66, MDR 1968, 915; v. 12. Oktober 1977 - VIII ZR 73/76, NJW 1978, 103; v. 11. Februar 1981 - VIII ZR 312/79, NJW 1981, 1264, 1265; Soergel/Wiedemann, BGB 12. Aufl. vor § 323 Rdn. 62; MünchKommBGB/Emmerich 4. Aufl. vor § 275 Rdn. 281 ff.). Die Voraussetzungen für ein solches Kündigungsrecht sind hier erfüllt.
Die Beklagten sind nach dem Inhalt der mit dem Kläger geschlossenen Verträge verpflichtet, nach der Beendigung der stillen Gesellschaften die Auseinandersetzungsguthaben - sofern der Kläger nicht die sofortige Auszahlung in einer Summe wünscht - als Darlehen stehen zu lassen und mit 7 % pro Jahr zu verzinsen bei ratenweiser Rückzahlung über einen Zeitraum von 12 Jahren. Indem sie sich in dem gerichtlichen Vergleich verpflichtet haben, die Auseinan-
dersetzungsguthaben jeweils in einer Summe auszuzahlen, haben sie zu erkennen gegeben, daß sie nicht bereit sind, ihre Vertragspflicht zur ratierlichen Auszahlung zu erfüllen. Das berechtigt den Kläger, sich ohne Bindung an die vertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen von den Verträgen zu lösen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine ratenweise Auszahlung tatsächlich gegen § 32 KWG verstößt und ob der Kläger unabhängig davon auf der Erfüllung der Verträge bestehen könnte. Entscheidend ist allein, daß der Kläger davon ausgehen muß, daß die Beklagten ihre Vertragspflicht tatsächlich nicht erfüllen werden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der vereinbarten Rentenzahlung auch um einen wesentlichen Vertragsbestandteil und nicht nur um eine Auszahlungsmodalität, die für die Anleger von untergeordneter Bedeutung ist. Die Rentenzahlung war von den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten als eine Besonderheit des Anlagemodells herausgestellt worden. So heißt es in Art. 1 der Präambel der Vertragsbedingungen: "Die … G. Vermögensanlagen AG … ermöglicht ihren Anlegern durch mitunternehmerische Beteiligungen in Form von stillen Gesellschaften den Aufbau und die Förderung von Vermögen zur Versorgung im Alter. Die auf die individuellen Bedürfnisse des Anlegers zugeschnittene Auszahlung der Guthaben erfolgt grundsätzlich in Raten als PENSIONS-SPARPLAN." Die Anleger sollten damit die Möglichkeit haben, aus den Erträgnissen ihrer Beteiligung eine Altersrente zu beziehen. Bei Abschluß des Vertrages stand zwar noch nicht fest, wie hoch am Ende der Laufzeit das Auseinandersetzungsguthaben sein würde. In Höhe dieses Guthabens sollte dann aber keine Verlustbeteiligung mehr erfolgen. Vielmehr sollte das Guthaben in festen Monatsraten ausgezahlt werden. Wesentlich ist dabei, daß bereits bei Vertragsschluß eine Verzinsung i.H.v. 7 % pro Jahr festgelegt war. Aus diesem Grund stellt es für die Anleger keinen
gleichwertigen Ersatz dar, wenn ihnen das Guthaben in einer Summe ausgezahlt wird und sie es anderweitig anlegen. Die Anleger können nicht erwarten, daß sie bei einer Neuanlage mit gleichzeitig beginnender ratierlicher Rückzahlung eine auch nur annähernd gleich hohe Verzinsung werden erreichen können. Deshalb kann ihnen nicht zugemutet werden, den Vertrag fortzuführen, obwohl klar ist, daß die Beklagten zu der versprochenen Rentenzahlung nicht mehr bereit sind.
Röhricht Kraemer Gehrlein
Strohn Caliebe
9
a) Als solcher schuldete er dem Kläger und seiner Ehefrau nach Maßgabe der in der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätze eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für deren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren (vgl. Urteile vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92, NJW-RR 1993, 1114, 1115; vom 13. Januar 2000 - III ZR 62/99, VersR 2001, 240; vom 12. Februar 2004 - III ZR 359/02, BGHZ 158, 110, 116; vom 12. Juli 2007 - III ZR 145/06, NJW-RR 2007, 1692 Rn. 8 und vom 5. März 2009 - III ZR 17/08, VersR 2010, 112 Rn. 11). Hierbei muss ein Vermittler das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen. Unterlässt er diese Prüfung, hat er den Interessenten hierauf hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 2000 aaO; vom 12. Mai 2005 - III ZR 413/04, WM 2005, 1219, 1220 und vom 5. März 2009 aaO sowie Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 - III ZR 230/07, juris Rn. 5). Vertreibt der Vermittler die Anlage anhand eines Prospekts, muss er im Rahmen der geschuldeten Plausibilitätsprüfung den Prospekt darauf kontrollieren, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 2004 aaO; vom 22. März 2007 - III ZR 218/06, NJW-RR 2007, 925 Rn. 4 und 5. März 2009 aaO Rn. 12 sowie Senatsbeschluss vom 21. Mai 2008 aaO).

Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

12
(3) Dies bedeutet allerdings nicht, dass § 12 Abs. 1 VVG a.F. auf jedweden Schadensersatzanspruch, den der Versicherungsnehmer auf Verschulden beim Vertragsschluss stützt, anwendbar ist. Maßgeblich ist, ob der Schadensersatzanspruch wirtschaftlich die Stelle des vertraglichen Erfüllungsanspruchs einnimmt und sich insoweit als "Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen" darstellt. Dies gilt für den hier streitigen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nicht. Der Kläger macht die Beklagte deshalb haftbar, weil er durch ihren Versicherungs- agenten vor Abschluss des Versicherungsvertrages falsch beraten worden sei und deshalb einen Vertrag abgeschlossen habe, der ihm einen über seine Bedürfnisse hinausgehenden Versicherungsschutz gewährte und für den er höhere Prämien zu zahlen hatte als bei Abschluss eines bedarfsgerechten Vertrages. Damit begehrt der Kläger gerade nicht den Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen; er macht keinen Anspruch geltend , der wirtschaftlich die Stelle des vertraglichen Erfüllungsanspruchs einnimmt. Vielmehr ist sein Begehren von dem zustande gekommenen Versicherungsvertrag noch weiter entfernt als ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr einer nach Maßgabe des Versicherungsvertrages nicht geschuldeten Leistung. Der Kläger hat die Prämien, die er teilweise mit der Klage zurückverlangt, nach dem mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag geschuldet. Sein Rückforderungsanspruch setzt indessen vor Vertragsschluss an. Denn der Kläger will so gestellt werden, wie er stünde, wenn er diesen Vertrag gar nicht abgeschlossen hätte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 44/03 Verkündet am:
21. Januar 2004
Heinekamp,
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo
und der gewohnheitsrechtlichen Erfüllungshaftung des Versicherers unterliegen
auch dann der Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG, wenn ein vorvertragliches Verschulden
des Versicherers (oder seines Agenten) zwar nicht das Zustandekommen
des späteren Versicherungsvertrages verhindert, aber zu einem Vertrag geführt hat,
der im Inhalt hinter den Vorstellungen des Versicherungsnehmers zurückbleibt oder
von ihnen abweicht.
BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - IV ZR 44/03 - OLG Stuttgart
LG Ellwangen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2004

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die weiteren Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde.
Von Rechts wegen

Tatbestand :


Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz für den Verlust von fünf Vollblutpferden, die beim Brand seines Stalles zu Tode gekommen sind.
Unter Vermittlung des Beklagten zu 1) beantragten der Kläger und seine Ehefrau, die ihre behaupteten Ersatzansprüche an den Kläger abgetreten hat, im Dezember 1997 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 2) den Abschluß eines Gebäudeversicherungsvertrages für ihr Anwesen , der den Pferdestall einschloß. Nach dem Versicherungsvertrag war

das lebende Inventar, d.h. insbesondere die in dem Stall untergebrachten Pferde, nicht vom Versicherungsschutz umfaßt. In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1998 brannte der Pferdestall nieder, wobei fünf Vollblutpferde an Rauchgasen erstickten. Die Beklagte zu 2) erstattete den Gebäudeschaden.
Der Kläger hat von den Beklagten daneben Ersatz für den Verlust der Pferde in Höhe von 230.000 DM gefordert. Vorrangig hat er deswegen zunächst den Beklagten zu 1) in Anspruch genommen, der seiner Auffassung nach als Versicherungsmakler aufgetreten sei und sich bei der Vertragsanbahnung nicht an seine Zusage gehalten habe, einen Vertrag zu vermitteln, der Versicherungsschutz auch für das lebende Inventar einschließe. Für den Fall, daß der Beklagte zu 1) statt dessen als Agent des Versicherers gehandelt habe, müsse er nach Meinung des Klägers ebenso haften, weil er bei der Vertragsanbahnung mit seiner Zusage besonderes persönliches Vertrauen erweckt und in Anspruch genommen habe. Daneben hat der Kläger für diesen Fall mit bei Gericht am 17. April 2002 eingegangenem Schriftsatz klagerweiternd auch die Beklagte zu 2) als Geschäftsherrin in Anspruch genommen.
Der Beklagte zu 1) hat eine Eigenhaftung abgelehnt, weil er als Agent des Versicherers aufgetreten sei, wie auch die Beklagte zu 2) vorträgt. Sie bestreitet jedoch eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) bei der Vertragsanbahnung. Beides hat sie dem Kläger erstmals mit Schreiben vom 9. November 1999 mitgeteilt und Ersatzleistungen abgelehnt. Sie hält Schadensersatzansprüche des Klägers gegen sie im übrigen auch für verjährt.

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht hat die Revision nur zugelassen, soweit die gegen die Beklagte zu 2) ge- richtete Klage abgewiesen worden ist. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe :


Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, gleichviel, ob sich ein Anspruch des Klgers gegen die Beklagte zu 2) aus culpa in contrahendo oder aber aus gewohnheitsrechtlicher Vertrauenshaftung ergäbe, sei er jedenfalls nach § 12 Abs. 1 VVG verjährt.
1. Auch wenn der Kläger insoweit keine vertraglichen Ansprüche geltend mache, reiche es für die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist aus § 12 Abs. 1 VVG aus, daß der Anspruch seine rechtliche Grundlage im Vertrag habe. Das treffe sowohl auf die gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung zu, bei der der Versicherungsvertrag im Sinne der unterbliebenen Aufklärung des Versicherungsnehmers umgestaltet werde, als auch auf den Anspruch aus culpa in contrahendo (jetzt: § 311 Abs. 2 und 3 BGB n.F.), der seine Grundlage ebenfalls im abgeschlossenen Versicherungsvertrag finde und deshalb kein gesetzlicher Anspruch sei. Die Anwendung des § 12 Abs. 1 VVG auf solche Ansprüche entspreche der Intention des Gesetzgebers, möglichst schnell eine Klärung der Rechtslage

im Zusammenhang mit allen Ansprüchen herbeizuführen, die ihre Grundlage in Versicherungsverträgen hätten.
2. Die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG habe hier mit Ablauf des Jahres 1999 zu laufen begonnen und sei deshalb bei Erweiterung der Klage auf die Beklagte zu 2), am 17. April 2002, selbst dann abgelaufen gewesen, wenn man annehme, Korrespondenz der Parteien im Mai und Juni 2000 habe noch einmal zu einer kurzen Verjährungshemmung von einem Monat und zwei Tagen geführt. Der Kläger habe den Schaden schon mit Schreiben seines damaligen Prozeßbevollmächtigten vom 29. Oktober 1999 auf "rund 230.000 DM" beziffert und zunächst vom Beklagten zu 1) gefordert. Andererseits habe die Beklagte zu 2) ihre Einstandspflicht bereits mit Schreiben an den Kläger vom 9. November 1999 (Zugang: 15. November 1999) endgültig abgelehnt, so daß damit ihre Sachverhaltsaufklärung erkennbar abgeschlossen gewesen und Fälligkeit der beanspruchten Leistung eingetreten sei.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in allen Punkten stand.
1. Die kurze Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG findet auf die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche Anwendung.
Auch wenn Ansprüche aus culpa in contrahendo nach der bis zum 1. Januar 2002 geltenden, hier gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen Rechtslage grundsätzlich in 30 Jahren verjährten (vgl. BGHZ 87, 27, 35; 49, 77, 80), bedeutet dies nicht, daß solche Ansprüche in jedem Fall dieser langen Verjährung unterliegen.


a) Selbst wenn sie vom Wortlaut der Bestimmungen über kürzere Verjährungsfristen (insbesondere § 196 BGB a.F.) nicht erfaßt sind, folgt daraus nicht, daß nicht in Ausnahmefällen Vorschriften über die kürzere Verjährung vertraglicher Ansprüche entsprechend anzuwenden sind. Die fehlende ausdrückliche Regelung der Verjährung solcher Ansprüche beruht darauf, daß das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelt gewesen, sondern erst von Lehre und Rechtsprechung entwickelt worden ist (BGHZ 49, 77, 81; 57, 191, 195). Auch das Versicherungsvertragsgesetz von 1908 konnte demgemäß Regelungen in Bezug auf Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht treffen. Anders als die Revision meint, kann mithin aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 VVG, wo lediglich von "Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag" die Rede ist, kein Rückschluß darauf gezogen werden, daß Ansprüche aus culpa in contrahendo nicht der kurzen Verjährung unterliegen sollen.

b) Mit Blick auf Ansprüche aus culpa in contrahendo hat der Bundesgerichtshof den allgemeinen Rechtsgedanken entwickelt, wonach die für vertragliche Erfüllungsansprüche maßgeblichen kurzen Verjährungsfristen auch für solche Ansprüche gelten sollen, die wirtschaftlich die Stelle der vertraglichen Erfüllungsansprüche einnehmen und sich insoweit als der "Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen" erweisen (BGHZ 49, 77, 80 ff.; 57, 191, 197 f.; 73, 266, 269, 270 - zu § 179 BGB -; 87, 27, 36).
Diese Rechtsprechung erfaßt auch Fälle, in denen das vorvertragliche Verschulden eines Vertragspartners zwar nicht das Zustandekommen des Vertrages selbst verhindert, jedoch zu einem Vertrag geführt hat, dessen Erfüllungsanspruch nicht mehr realisierbar ist (zum Beispiel infol-

ge Insolvenz). Auch hier hat der Bundesgerichtshof die kurze Verjährungsfrist des Erfüllungsanspruchs auf den Anspruch aus culpa in contrahendo entsprechend angewendet, weil beide Ansprüche in einem engen Zusammenhang stehen und der gesetzliche Zweck der kurzen Verjährungsfrist dahin geht, für beide Ansprüche in gleicher Zeit Rechtsfrieden herzustellen (BGHZ 87, 27, 37).

c) Im hier zu entscheidenden Fall, bei dem vorvertragliches Verschulden des Versicherers zwar nicht das Zustandekommen des späteren Vertrages verhindert, aber zu einem Vertrag geführt hat, der im Inhalt hinter den Vorstellungen des Versicherungsnehmers zurückbleibt oder von ihnen abweicht, gilt im Ergebnis nichts anderes (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe, VersR 1999, 477). Denn auch hier besteht ein enger rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Ersatzanspruch aus culpa in contrahendo und dem ursprünglich vom Geschädigten angestrebten Vertrag. Der Anspruch aus culpa in contrahendo kann dem Geschädigten hinsichtlich der Verjährung keine stärkere Rechtsstellung verschaffen als ein vertraglicher Erfüllungsanspruch.
Nach allem gilt die kurze Verjährung des § 12 Abs. 1 VVG auch für den hier verfolgten Anspruch aus culpa in contrahendo (vgl. OLG Karlsruhe aaO; LG Fulda r+s 1993, 126, 127; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 12 Rdn. 4; Prölss in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. § 12 Rdn. 5 und BK/Gruber, § 12 Rdn. 7 - dort jeweils nur für Ansprüche des Versicherers -; Sieg, BB 1987, 352, 353).

d) Daß der Bundesgerichtshof es abgelehnt hat, auch Bereicherungsansprüche der kurzen Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG zu un-

terstellen (BGHZ 32, 13 ff.), steht dem nicht entgegen. Denn anders als bei Ansprüchen aus culpa in contrahendo besteht ein enger Zusammenhang zwischen vertraglichem Erfüllungsanspruch und Bereicherungsanspruch dort gerade nicht, zumal letzterer ein echter gesetzlicher Anspruch ist, der regelmäßig die Unwirksamkeit des Vertrages zur Voraussetzung hat. Auch der Normzweck des § 12 Abs. 1 VVG, schnelle Klarheit über die Rechtslage aus dem Versicherungsvertrag zu schaffen, läßt sich auf den Bereicherungsanspruch nicht übertragen (BGHZ aaO S. 17). Soweit hingegen ein Bereicherungsausgleich auf vertraglicher Grundlage erfolgt - etwa aufgrund der Satzung des Trägers einer Zusatzrente - hat der Bundesgerichtshof auf diesen Anspruch bereits die kurze Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG angewendet (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1989 - IVa ZR 221/88 - VersR 1990, 189 unter II 3 a).

e) Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen ist die Verjährungsvorschrift des § 12 Abs. 1 VVG erst recht auf einen Anspruch anzuwenden , der auf die gewohnheitsrechtliche Erfüllungshaftung des Versicherers (vgl. BGHZ 40, 22, 24 f.) gestützt wird.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die zweijährige Verjährungsfrist sei hier bei Eingang der Klagerweiterung auf die Beklagte zu 2) bereits abgelaufen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Ist der Anspruch aus culpa in contrahendo - was die Verjährungsfrist anlangt - wie ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 VVG zu behandeln, so ist für den Verjährungsbeginn zugleich die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG maßgeblich. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Beginn der Verjährung erweisen

sich auch im weiteren als rechtsfehlerfrei. Sie werden insoweit von der Revision auch nicht angegriffen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

10
1. Die hier in Rede stehenden Ansprüche wegen positiver Vertragsverletzung sind im Jahre 1992, nämlich mit dem Erwerb der Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds, entstanden (§ 198 Satz 1 BGB a.F.) und unterlagen zunächst der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. Zwar ist der für den Verjährungsbeginn maßgebliche Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation reicht dafür regelmäßig nicht (vgl. nur BGHZ 73, 363, 365; 100, 228, 231 f; 124, 27, 30). Jedoch kann der auf einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, weil seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bereits für sich genommen einen Schaden darstellen und ihn deshalb - unabhängig von der ursprünglichen Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung zu verlangen; der Anspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Anlage (vgl. - jeweils m.w.N. - nur BGHZ 162, 306, 309 f; Senat, Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09 - Rn. 24, für BGHZ vorgesehen). So liegt der Fall auch hier.
24
Zwar ist der Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers gekommen ist; der Eintritt einer risikobehafteten Situation genügt dafür grundsätzlich nicht (BGHZ 73, 363, 365; 100, 228, 231 f; 124, 27, 30; BGH, Urteil vom 17. Februar 2000 - IX ZR 436/98 - NJW 2000, 1498, 1499). Allerdings kann der auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage bereits für sich genommen einen Schaden darstellen und ihn deshalb - unabhängig von der Werthaltigkeit der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Erwerbs der Anlage zu verlangen; der Schadensersatzanspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Kapitalanlage (BGHZ 162, 306, 309 f; BGH, Urteile vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90 - NJW-RR 1991, 1125, 1127; vom 27. Januar 1994 - IX ZR 195/93 - NJW 1994, 1405, 1407; vom 26. September 1997 - V ZR 29/96 - NJW 1998, 302, 304 und vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02 - NJW-RR 2004, 1407). So liegt es auch hier.
46
bb) In Fällen der vorliegenden Art, in denen Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsschluss im Streit stehen, bei denen zunächst eine wirksame vertragliche Verpflichtung des getäuschten Kreditnehmers zur Erbringung von Zahlungen besteht, handelt es sich insoweit hingegen nicht um wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 197 BGB aF (vgl. auch Senat, Urteile vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 22 f. und vom 23. Juni 2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372, Tz. 11). Hier begründet bereits der durch die Täuschung oder Aufklärungspflichtverletzung bedingte Vertragsabschluss unabhängig von etwaigen Ratenzahlungen des Kreditnehmers einen einheitlichen Schadensersatzanspruch, der darauf gerichtet ist, aus dem Vertrag nicht in Anspruch genommen und so gestellt zu werden, als ob er ihn nicht abgeschlossen hätte. Die von dem Kreditnehmer auf den Vertrag erbrachten Ratenzahlungen begründen also nicht erst seinen Schaden, sondern wandeln seinen bereits in voller Höhe bestehenden Schadensersatzanspruch nur inhaltlich von einem Freistellungs- in einen Rückzahlungsanspruch um.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 150/01 Verkündet am:
28. Mai 2002
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB §§ 826 Ga, 852 Abs. 1 a.F.

a) Terminoptionsvermittler haben optionsunerfahrene Kunden unmißverständlich,
schriftlich und in auffälliger Form darauf hinzuweisen, daß Aufschläge auf die
Börsenoptionsprämie das Chancen-Risiko-Verhältnis aus dem Gleichgewicht
bringen und dazu führen, daß die verbliebene, bei höheren Aufschlägen geringe
Chance, insgesamt einen Gewinn zu erzielen, mit jedem Optionsgeschäft
abnimmt.

b) Wird Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken
von Warentermin- oder Optionsgeschäften verlangt, beginnt die
Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Umstände kennt, aus denen
sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01 - OLG Hamm
LG Hagen
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Siol, Dr. Müller, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Februar 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt den Beklagten im Urkundenprozeû auf Schadensersatz für Verluste aus Terminoptionsgeschäften an US-amerikanischen Börsen in Anspruch.
Der Beklagte ist Mitgeschäftsführer einer GmbH, die gewerbsmäûig Optionsgeschäfte vermittelt. Die Klägerin, eine Zahntechnikerin, schloû mit der GmbH am 31. März 1994 einen Optionsvermittlungs- und
Betreuungsvertrag. Dieser enthielt eine Risikoaufklärung, die die Klägerin gesondert unterschrieb. Ferner erhielt sie die Broschüre "Grundlagen des Terminhandels". Bis zum 23. Juni 1994 zahlte die Klägerin der GmbH 90.000 DM, die an einen US-amerikanischen Broker weitergeleitet und für Optionsgeschäfte verwandt werden sollten. Hierbei hatte die Klägerin auûer der Optionsprämie Gebühren der GmbH von bis zu 37,5% der Prämie und Kommissionen des Brokers in Höhe von 90 USDollar je Geschäft zu entrichten. Die Optionsgeschäfte endeten insgesamt verlustreich.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe sie nicht ausreichend über die Risiken der Geschäfte aufgeklärt und durch den Abschluû einer Vielzahl von Geschäften Gebühren geschunden ("churning" ). Der Beklagte behauptet, der Broker habe der Klägerin per Scheck 4.044,58 US-Dollar zurückgezahlt, und erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Klage auf Zahlung von 90.000 DM nebst Zinsen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch gemäû § 826 BGB wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken der vermittelten Geschäfte. Die GmbH habe ihre gesteigerte Aufklärungspflicht, die angesichts der hohen Vermittlungsgebühr von 37,5% der Optionsprämie bestanden habe, erfüllt. In der von der Klägerin unterschriebenen Risikoaufklärung werde darauf hingewiesen, daû der Aufschlag auf die Optionsprämie die Gewinnchance reduziere und das Verlustrisiko erhöhe. Ein Gewinn setze eine Kursentwicklung voraus, die der Börsenhandel für unrealistisch halte. Der Möglichkeit, Gewinn zu erzielen, stehe die überwiegende Wahrscheinlichkeit gegenüber, das gesamte investierte Kapital zu verlieren. Die Broschüre "Grundlagen des Terminhandels" enthalte annähernd die gleiche Risikoaufklärung. Ob der Beklagte oder ein Mitarbeiter der GmbH mündlich beschönigende Erklärungen abgegeben habe, könne im Urkundenprozeû nicht in zulässiger Weise festgestellt werden. Auch die für die Feststellung eines "churning" maûgeblichen Tatsachen ergäben sich nicht aus den vorgelegten Urkunden.
Selbst wenn die Risikoaufklärung als unzureichend anzusehen wäre , sei nicht feststellbar, daû die Klägerin sich durch eine weitergehende Aufklärung vom Abschluû der Geschäfte hätte abhalten lassen.
Zudem sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch gemäû § 852 BGB verjährt. Die Klägerin habe jedenfalls im März 1995 Kenntnis von dem Schaden und der Person des Beklagten als möglichem Ersatzpflichtigen gehabt. Ihr sei damals klar gewesen, daû ihr eingesetztes Kapital bis auf die streitige Rückzahlung in Höhe von 4.044,58 US-Dollar verloren gewesen sei. Sie habe auch die Risikohinweise und damit alle Tatsachen , auf die sie ihre Schadensersatzklage stütze, gekannt. Die Klage habe sie jedoch erst nach Ablauf der Verjährungsfrist im August 1999 erhoben.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei über die Risiken der Optionsgeschäfte ausreichend aufgeklärt worden, ist rechtsfehlerhaft.

a) aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind gewerbliche Vermittler von Terminoptionen verpflichtet, Kaufinteressenten vor Vertragsschluû schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Ver-
ringerung ihrer Gewinnchance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen. Dazu gehört neben der Bekanntgabe der Höhe der Optionsprämie auch die Aufklärung über die wirtschaftlichen Zusammenhänge des Optionsgeschäfts und die Bedeutung der Prämie sowie ihren Einfluû auf das mit dem Geschäft verbundene Risiko. So muû darauf hingewiesen werden, daû die Prämie den Rahmen eines vom Markt noch als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet und ihre Höhe den noch als realistisch angesehenen, wenn auch weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht. Ferner ist darzulegen, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag auf die Prämie erhoben wird, und daû ein solcher Aufschlag die Gewinnerwartung verschlechtert , weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in die Gewinnzone zu kommen (vgl. BGHZ 105, 108, 110; 124, 151, 154 f.; BGH, Urteile vom 11. Januar 1988 - II ZR 134/87, WM 1988, 291, 293 und vom 6. Juni 1991 - III ZR 116/90, WM 1991, 1410, 1411; Senat, Urteile vom 13. Oktober 1992 - XI ZR 30/92, WM 1992, 1935, 1936, vom 1. Februar 1994 - XI ZR 125/93, WM 1994, 453, 454, vom 2. Februar 1999 - XI ZR 381/97, WM 1999, 540, 541 und vom 16. Oktober 2001 - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2314). In diesem Zusammenhang ist unmiûverständlich darauf hinzuweisen, daû höhere Aufschläge vor allem Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Die Aussagekraft dieses Hinweises , der schriftlich und in auch für flüchtige Leser auffälliger Form zu erfolgen hat, darf weder durch Beschönigungen noch auf andere Weise beeinträchtigt werden (Senat BGHZ 124, 151, 155 f.).
bb) Für diese Aufklärung hat der Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs -GmbH Sorge zu tragen. Ein Geschäftsführer, der Optionsgeschäfte ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschlieût, den Abschluû veranlaût oder bewuût nicht verhindert, miûbraucht seine g eschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise und haftet den Optionserwerbern gemäû § 826 BGB auf Schadensersatz (Senat BGHZ 124, 151, 162; Senat, Urteile vom 17. Mai 1994 - XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747 und vom 16. Oktober 2001 - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2314).

b) Diese objektiven Haftungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
aa) Der Optionsvermittlungs- und Betreuungsvertrag vom 31. März 1994 und die Broschüre "Grundlagen des Terminhandels" genügen den Anforderungen an die Aufklärung von Anlegern nicht.
(1) Der Vertrag vom 31. März 1994 enthält zwar sowohl am Beginn der ersten Seite als auch unter der Überschrift "Risikoaufklärung" auf der zweiten Seite den Hinweis, daû der Aufschlag auf die Prämie die Gewinnchance reduziert und das Verlustrisiko erhöht, weil die Erzielung eines Gewinns eine Kursentwicklung voraussetzt, die der Börsenfachhandel für unrealistisch hält. Der entscheidende Hinweis, daû der Aufschlag vor allem Anleger, die - wie die Klägerin - mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos macht, fehlt aber. Dem Anleger wird die weitgehende Ausgrenzung der Gewinnchance vielmehr verschleiert, wenn im ersten Ab-
satz der "Risikoaufklärung" der Möglichkeit, einen Spekulationsgewinn zu erzielen, verharmlosend nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Gesamtverlustes gegenübergestellt wird. Abgesehen davon entbehrt der Hinweis in der kleiner als der übrige Vertragstext gedruckten Risikoaufklärung der auch für flüchtige Leser auffälligen Form.
(2) Auch die 20-seitige Broschüre "Grundlagen des Terminhandels" weist an keiner Stelle auf die praktische Chancenlosigkeit des Erwerbers mehrerer verschiedener Optionen hin. Sie erwähnt zwar wiederholt die Gefahr eines Totalverlustes des eingesetzten Kapitals, erweckt aber den falschen Eindruck, daû diesem Risiko realistische Gewinnchancen gegenüberstehen.
Bereits auf der dritten Seite, auf der die Darstellung beginnt, wird im ersten Absatz der Gefahr des Totalverlustes die "Chance zu enormen Gewinnen" gegenübergestellt. Im dritten Absatz werden dem Anleger "erhebliche Gewinnmöglichkeiten" in Aussicht gestellt. Und im vierten Absatz verspricht der Beklagte dem Kunden, immer nur das Geschäft zu empfehlen, das die "optimalen Gewinnchancen" verspricht.
Die Darstellung auf den folgenden Seiten der Broschüre vertieft den falschen Eindruck realistischer Gewinnchancen und muû von aufklärungsbedürftigen Kunden zudem so verstanden werden, als ob ihre Gewinnchancen wesentlich von der Kursentwicklung (S. 16 der Broschüre), d.h. von Angebot und Nachfrage (S. 7 der Broschüre) abhingen und durch die Dienstleistungen der vom Beklagten geleiteten GmbH entscheidend verbessert würden. Nachdem sich die GmbH auf Seite 4 der
Broschüre als erfolgreiche Beraterin und Vermittlerin von Termingeschäften vorgestellt hat, wird auf Seite 5 der von ihr versprochene "Informationsvorsprung" als "Basis des Erfolgs" bezeichnet. Der Optionshandel soll nach der drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift auf Seite 12 der Broschüre "vielfältige Chancen für Könner" bieten. Auf den Seiten 18 und 19 werden unter der Überschrift "Starke Partner tragen zu unserem Erfolg bei" zwei Broker vorgestellt, mit denen die GmbH bei ihrer "erfolgreichen Arbeit" für ihre Kunden zusammenwirkt.
Diese Ausführungen lenken den Leser systematisch von der entscheidenden Bedeutung, den der Aufschlag auf die Optionsprämie für seine Gewinnchancen hat, ab. Dieser Gesichtspunkt wird erstmals auf Seite 10 der Broschüre erwähnt. Die hier und auf der letzten Seite der Broschüre gegebenen Hinweise werden aber nicht nur - wie dargelegt - durch ihren Kontext entwertet, sondern sind auch für sich betrachtet unzulänglich. Sie enthalten ebenso wie die Risikoaufklärung in dem Vertrag vom 31. März 1994, mit der sie weitgehend übereinstimmen, keinen Hinweis auf die praktische Chancenlosigkeit von Erwerbern mehrerer verschiedener Optionen, sondern beschränken sich auf die Aussage, daû der Aufschlag auf die Optionsprämie die Gewinnchance reduziert und das Verlustrisiko erhöht, weil ein Gewinn einen höheren Kursausschlag voraussetzt, als er vom Börsenfachhandel erwartet wird. Ob der Aufschlag "die Gewinnchance zu stark reduziert oder vielleicht sogar zunichte" macht, wird der eigenen Prüfung des Anlegers überlassen. Dies reicht zur sachgerechten Aufklärung nicht aus.
bb) Der Beklagte, der als Mitgeschäftsführer der GmbH für die korrekte Aufklärung der Anleger Sorge zu tragen hatte, hat den Abschluû der Optionsgeschäfte der Klägerin ohne diese Aufklärung zumindest nicht verhindert.
2. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Kausalität der danach gegebenen Aufklärungspflichtverletzung für den Abschluû der Optionsgeschäfte der Klägerin verneint hat, ist rechtsfehlerhaft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, daû ein Anleger bei gehöriger Aufklärung die verlustreichen Geschäfte nicht abgeschlossen hätte (Senat BGHZ 124, 151, 163; Senat, Urteile vom 17. Mai 1994 - XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747 und vom 16. Oktober 2001 - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2315). Umstände, die diese Vermutung entkräften könnten, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und von den Parteien nicht vorgetragen worden. Daû die unzulänglichen Risikohinweise in dem Vertrag vom 31. März 1994 und der Informationsbroschüre "Grundlagen des Terminhandels" die Klägerin nicht von den Geschäften abgehalten haben, reicht zur Entkräftung der Vermutung nicht aus.
3. Die Klageforderung ist, anders als das Berufungsgericht meint, nicht verjährt. Ein etwaiger Anspruch der Klägerin gemäû § 826 BGB verjährt gemäû § 852 Abs. 1 BGB a.F. in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem die Klägerin von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Dazu gehört, wenn - wie im vorliegenden Fall - Schadensersatz wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken von Optionsgeschäften verlangt wird, die Kenntnis der Umstände,
aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (BGH, Urteile vom 10. April 1990 - VI ZR 288/89, WM 1990, 971, 973 und vom 31. Januar 1995 - VI ZR 305/94, VersR 1995, 551, 552; Senat, Urteil vom 29. Januar 2002 - XI ZR 86/01, WM 2002, 557, 558). Die Rechtspflicht zur Aufklärung über die Auswirkungen der Gebühren der VermittlungsGmbH auf die Gewinnchancen des Anlegers ergibt sich daraus, daû eine Gewinnerzielung unter Berücksichtigung dieser Gebühren einen höheren Kursausschlag als den vom Börsenfachhandel als realistisch angesehenen voraussetzt, und daû höhere Aufschläge Anleger, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit nach im Ergebnis praktisch chancenlos machen. Erst die Kenntnis dieser die Aufklärungspflicht begründenden wirtschaftlichen Zusammenhänge ermöglicht dem Anleger die aussichtsreiche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Daû die Klägerin diese Umstände bereits drei Jahre vor der Klageerhebung im August 1999 kannte, ist den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Parteivortrag nicht zu entnehmen. Der vorgelegte Schriftwechsel der Parteien aus den Jahren 1994 und 1995 erwähnt diese Umstände nicht. Ihrem eigenen Vortrag zufolge ist der Klägerin die erforderliche Kenntnis erst im Herbst 1997 durch einen konsultierten Rechtsanwalt vermittelt worden.

III.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur an-
derweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Dieses wird Feststellungen zum Vorsatz des Beklagten gemäû § 826 BGB zu treffen haben. Dabei wird auûer den schwerwiegenden Aufklärungsmängeln zu berücksichtigen sein, daû ein etwaiger Irrtum über die Reichweite der Aufklärungspflicht vorsätzliches Handeln nicht ohne weiteres ausschlieût (Senat BGHZ 124, 151, 163 und Urteile vom 17. Mai 1994 - XI ZR 144/93, WM 1994, 1746, 1747 und vom 16. Oktober 2001 - XI ZR 25/01, WM 2001, 2313, 2315). Feststellungen zum Vorsatz können entgegen der Ansicht des Beklagten grundsätzlich auch im Urkundenprozeû getroffen werden. § 592 ZPO verlangt nicht, daû die anspruchsbegründenden Tatsachen selbst durch Urkunden bewiesen werden. Es genügt, daû Urkunden wie der schriftliche Vertrag vom 31. März 1994 und die Broschüre "Grundlagen des Terminhandels" einen Indizienbeweis ermöglichen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 1982 - V ZR 31/82, WM 1983, 22 und vom 12. Juli 1985 - V ZR 15/84, WM 1985, 1244, 1245).
Nobbe Siol Müller
Joeres Mayen
27
(a) Für die Frage, wann der Gläubiger die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners besitzt, kann weitgehend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91, Tz. 15 m.w.Nachw. und Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07, Umdruck S. 5, Tz. 7). Danach liegt die erforderliche Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage , sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend , wenn auch nicht risikolos, möglich ist (st.Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02, NJW 2004, 510 und vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91, Tz. 15). Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH, Urteile vom 18. Januar 1994 - VI ZR 190/93, WM 1994, 750, 752 und vom 31. Oktober 2000 - VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886, insoweit in BGHZ 145, 358 nicht abgedruckt). Auch kommt es - abgesehen von Ausnahmefällen - nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände (BGHZ 170, 260, 271, Tz. 28 und BGH, Urteil vom 3. März 2005 - III ZR 353/04, WM 2005, 1328, 1330 sowie Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07, Umdruck S. 5, Tz. 7 m.w.Nachw.). Hierzu gehört in Fällen unzureichender Aufklärung auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt (Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - XI ZR 86/01, WM 2002, 557, 558, vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, WM 2002, 1445, 1447 und vom 1. April 2003 - XI ZR 386/02, ZIP 2003, 1782, 1783).
14
b) Danach unterliegen mehrere Aufklärungs- oder Beratungsfehler, auch wenn sie nicht jeweils unterschiedliche eigenständige Schadensfolgen verursacht haben, sondern in demselben Schaden - hier: Erwerb der Kapitalanlage - münden, keiner einheitlichen, mit der Kenntnis vom ersten Fehler beginnenden Verjährung.