Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2011 - IX ZR 162/08

bei uns veröffentlicht am17.03.2011
vorgehend
Landgericht Mainz, 2 O 266/00, 22.04.2002
Oberlandesgericht Koblenz, 6 U 500/02, 24.07.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 162/08
Verkündet am:
17. März 2011
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der durch eine steuerliche Fehlberatung geschädigte Mandant ist nicht gehalten,
den entstandenen Steuerschaden durch ein teures, mit neuen Risiken ausgestattetes
Kompensationsgeschäft auszugleichen.
BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08 - OLG Koblenz
LG Mainz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Grund- und Teilurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. Juli 2008, berichtigt durch Beschluss vom 29. Juli 2010, teilweise aufgehoben. Der Klageanspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die Beklagte bleibt verurteilt, an den Kläger 190.283,85 € nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 13. Juli 2000 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass die Auszahlung seiner mit Datum vom 23. Dezember 1984 abgeschlossenen Kapitallebensversicherung bei derT. AG im Jahre 1997 eine Versteuerung der darin enthaltenen Zinsen zur Folge hatte.
Die auf Feststellung gerichtete Klage bleibt im Übrigen abgewiesen.
Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist niedergelassener Arzt und hatte über viele Jahre hinweg eine Steuerberaterkanzlei mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Angelegenheiten betraut. Im Jahre 1984 schloss er mit einem Versicherungsunternehmen einen Lebensversicherungsvertrag über eine Versicherungssumme von 3.000.000 DM ab. Der Vertrag sollte bis zum 1. Dezember 2000 gelten. Der Kläger erhielt in den Jahren 1985 bis 1997 von diesem Unternehmen zahlreiche Darlehen, die als so genannte Policedarlehen vereinbarungsgemäß nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses durch Verrechnung mit der auszuzahlenden Versicherungssumme getilgt werden sollten. Der Kläger beantragte die Darlehen jeweils zum Jahresende und sprach zuvor hierüber mit der Beklagten , die 1991 die Steuerberaterkanzlei übernommen hatte.
2
Um eine Besteuerung der Erträge aus der Lebensversicherung zu vermeiden , investierte der Kläger die Darlehensbeträge ab dem Jahre 1992 teilweise in die Ausstattung seiner Praxis und im übrigen in Beteiligungen an verschiedenen gewerblichen Anlagen. Zum 1. Dezember 1997 kündigte der Kläger den Lebensversicherungsvertrag. Hierauf stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 16. März 1998 die Steuerpflicht der Zinsen aus der Versicherungssumme fest, weil die einzelnen Investitionen nicht, wie steuerrechtlich geboten, in der engen zeitlichen Nähe zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlungen vorgenommen worden waren. Am 25. Juni 1998 erging gegen den Kläger ein Vorauszahlungsbescheid in Höhe von insgesamt 629.163 DM.
3
Um eine steuerliche Inanspruchnahme abzuwenden, kaufte der Kläger im Dezember 1998 mit Hilfe eines Bankkredits zwei Windkraftanlagen sowie eine Beteiligung an einer weiteren Anlage zum Preis von insgesamt 3.860.000 DM. Hierdurch erzielte der Kläger einen Verlustrücktrag, durch den seine Steuerlast, die sich für das Jahr 1997 infolge der Erträge aus der Lebensversicherung ergeben hatte, kompensiert wurde.
4
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung in Anspruch. Für die ihm zusätzlich entstandene Steuerlast in Höhe von 902.349 DM, finanzgerichtliche Kosten in Höhe von 21.529,57 DM und 13.440 DM sowie für die vorgerichtliche Schadensermittlung notwendige Steuerberaterkosten von weiteren 15.113,41 DM müsse die Beklagte aufkommen. Durch den Erwerb der Windkraftanlagen sei der Schaden nicht verringert worden. Jedenfalls könnten die Auswirkungen seiner Investitionen nicht zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt werden.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht im Wege eines Grund- und Teilurteils den Klageanspruch dem Grunde nach unter Abzug einer auf den Kläger entfallenden Quote von einem Drittel für gerechtfertigt erklärt. Ferner wurde die Beklagte zur Zahlung von 190.283,85 € an den Kläger verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte 2/3 des zukünftigen Schadens zu ersetzen hat. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag, ausgenommen die Abweisung des Feststellungsantrags hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens, vollumfänglich weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I.


7
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte hätte den Kläger über eine steuerunschädliche Verwendung der Policendarlehen umfassend beraten müssen. Dieser Verpflichtung sei sie nicht nachgekommen, insbesondere habe sie den Kläger nicht darüber aufgeklärt, dass die Steuerpflicht nur dann hätte vermieden werden können, wenn die von der Versicherung gewährten Darlehen binnen 30 Tagen seit Gutschrift auf dem Konto zur Bezahlung angeschaffter Wirtschaftsgüter oder hierfür aufgenommener Finanzierungskosten verwendet worden wären. Bei der Feststellung der tatsächlichen Vermögenslage sei nicht von der durch den Vorauszahlungsbescheid zunächst eingetretenen steuerlichen Belastung auszugehen, sondern von der Vermögenslage nach Erwerb der Windkraftanlagen. Die (teilweise) Abwendung des Steuerschadens durch den Erwerb der Anlagen habe der Kläger im Hinblick auf seine Schadensabwendungs - und –minderungspflicht vornehmen müssen; eine überpflichtgemäße Anstrengung liege nicht vor. Da dem Kläger anderenfalls die Insolvenz gedroht habe, sei es vernünftig und zumutbar gewesen, die außergewöhnliche Gefahr durch die Übernahme eines entsprechend hohen Risikos abzuwenden.
8
Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel anrechnen lassen. Indem er die Policendarlehen so verwendet habe, wie geschehen , habe er nicht unerheblich gegen die ihm selbst obliegende Sorgfaltspflicht verstoßen. Angesichts der jeweils nur sehr knappen Beratung durch die Beklagte habe der Kläger in Betracht ziehen müssen, dass diese Auskunft unvollständig sein könne. Aufgrund der ihm zugeleiteten Hinweise bezüglich der neuen Rechtslage nach Änderung des Einkommensteuergesetzes habe ihm nicht verborgen bleiben können, dass deutliche Schwierigkeiten bei der Anwendung des Gesetzes bestünden. Da die Beklagte ihn darauf hingewiesen habe, die Policendarlehen seien unmittelbar in begünstigte Wirtschaftsgüter zu investieren, hätte er sich fragen müssen, wann eine Investition als "unmittelbar" und "zeitnah" anzusehen sei.

II.


9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand. Mit Recht ist das Berufungsgericht von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen. Demgegenüber kann den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage des Mitverschuldens und zur Schadenshöhe nicht zugestimmt werden.
10
1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte sei dem Kläger zur ordnungsgemäßen und umfassenden Beratung über eine steuerunschädliche Verwendung der Policendarlehen verpflichtet gewesen und habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass die Steuerpflicht nur dann hätte vermieden werden können , wenn die von der Versicherung gewährten Darlehen binnen 30 Tagen seit Gutschrift auf dem Konto zur Bezahlung angeschaffter Wirtschaftsgüter oder hierfür aufgenommener Finanzierungskosten verwendet würden, ist rechtlich zutreffend. Auch die Beklagte wendet sich hiergegen nicht.
11
2. Mit Recht beanstandet die Revision die Annahme des Berufungsgerichts , der Kläger müsse sich ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) anrechnen lassen.
12
a) Im Falle eines Beratungsvertrages kann dem zu Beratenden regelmäßig nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urteil vom 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141; vom 20. März 2008 - IX ZR 238/06, WM 2008, 950 Rn. 17; Zugehör, in Zugehör/Fischer/Sieg/ Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1235). Dies gilt namentlich im Verhältnis des steuerlichen Beraters zu seinem Mandanten (BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14; vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09, WM 2010, 2050 Rn. 43; Zugehör, aaO Rn. 1235; D. Fischer, DB 2010, 2600, 2601). Die steuerliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Mandats obliegt allein dem Steuerberater. Selbst wenn ein Mandant über steuerrechtliche Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750; vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141, 1143 Rn. 21; vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09, aaO). Der Berater, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, kann deshalb gegenüber dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Mandanten nach Treu und Glauben regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 - IX ZR 142/99, WM 2000, 1591, 1595; vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, aaO).
13
Unter besonderen Umständen kann allerdings ausnahmsweise auch im Rahmen eines Beratungsfehlers ein Mitverschulden des Mandanten in Erwägung zu ziehen sein (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, 125; vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, WM 2010, 1493 Rn. 21, zVb in BGHZ 186, 152). Dies kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn Warnungen oder ohne weiteres erkennbare Umstände, die gegen die Richtigkeit des von dem Berater eingenommenen Standpunkts sprechen, nicht genügend beachtet werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1977 - VIII ZR 211/75, WM 1977, 334, 337; vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095, 1096; Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZR 132/08, Rn. 2, hierzu D. Fischer, aaO, S. 2601). Auch kann ein Mandant nach dem ihm obliegenden Gebot der Wahrung des eigenen Interesses gehalten sein, seinen Berater über eine fundierte abweichende Auskunft, die er von einer sachkundigen Person erhalten hat, zu unterrichten (BGH, Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZR 132/08, aaO).
14
b) Nach den getroffenen Feststellungen ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Raum für die Annahme eines Ausnahmetatbestands im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundsätze. Auf die Kürze der Beratung kann nicht abgestellt werden. Da der Mandant sich auf ihren Inhalt verlassen darf, braucht er nicht in Erwägung zu ziehen, die knappe Beratung könne unvollständig sein. Die dem Kläger zugeleiteten schriftlichen Hinweise hat das Berufungsgericht an anderer Stelle zutreffend dahingehend gewertet, dass sie in großen Teilen nur schwer verständlich gewesen waren. Hinreichende Vorkenntnisse des Klägers oder anderweitige, ohne weiteres erkennbare Umstände , um die Auskunft der Beklagten aus der Sicht des Kläger für eindeutig fehlerhaft zu bewerten, sind nicht festgestellt. Damit scheidet ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens aus.
15
3. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, bei der Feststellung der tatsächlichen Vermögenslage sei nicht von der durch den Vorauszahlungsbescheid zunächst eingetretenen steuerlichen Belastung auszugehen, sondern von der Vermögenslage nach Erwerb der Windkraftanlagen, erweist sich als nicht zutreffend. Die in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht, der Kläger müsse sich den Erwerb der Anlagen im Rahmen der ihn obliegenden Schadensminderungspflicht zurechnen lassen, ist mit den zu § 254 Abs. 2 BGB entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar.
16
a) Der rechtliche Berater, der seinem Auftraggeber wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat diesen durch die Schadensersatzleistung so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des rechtlichen Beraters stünde (BGH, Urteil vom 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449, 451; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rn. 33; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/09, WM 2008, 946 Rn. 24). Danach muss im Rahmen der Differenzmethode die tatsächliche Vermögenslage derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des rechtlichen Beraters ergeben hätte. Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst (BGH, Urteil vom 20. November 1997 - IX ZR 286/96, WM 1998, 142 f.; vom 20. Januar 2005 - IX ZR 416/00, WM 2005, 999, 1000; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, aaO; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/09, aaO). Hierbei ist grundsätzlich die gesamte Schadensentwicklung bis zur letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen in die Schadensberechnung einzubeziehen. Es geht bei dem Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, aaO; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/09, aaO). Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht diese Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt, aber nicht erkannt, dass der Erwerb der Windkraftanlagen nicht in den Gesamtvermögensvergleich einzustellen ist.
17
b) Gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB ist der Geschädigte im Interesse des Schädigers gehalten, den entstehenden Schaden zu mindern. Die Schadensminderungsobliegenheit des § 254 Abs. 2 BGB ist ein Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, der dann eingreift, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Minderung ergreifen würde (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1951 - III ZR 83/51, BGHZ 4, 170, 174; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 254 Rn. 36). Handelt es sich dagegen um Maßnahmen, die dem Geschädigten zur Schadensminderung nicht zugemutet werden können, führt ihr Unterlassen nicht zum Mitverschulden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf nämlich ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, wegen des Grundsatzes, dass überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschädigte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 - VI ZR 147/69, BGHZ 55, 329, 332 ff; vom 11. Januar 2005 - X ZR 118/03, BGHZ 161, 389, 396; Palandt/Grüneberg, aaO Vorbem v § 249 Rn. 70). Der danach gebotene Abgrenzungsmaßstab ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1951, aaO, S. 176; Palandt/Grüneberg, aaO, § 254 Rn. 36).
18
c) Für die Frage, ob der Kläger mit dem Erwerb der Windkraftanlagen eine überobligationsmäßige Anstrengung unternommen hat, ist zunächst der von ihm aufgebrachte Kostenaufwand zu würdigen. Mit einem nur durch Bankkredit zu realisierenden Finanzierungsbedarf von 3.860.000 DM hat der Kläger als niedergelassener Arzt in Ansehung seiner Vermögenslage eine weit überdurchschnittliche Investition vorgenommen, die sich auch ganz erheblich von dem durch den Vorauszahlungsbescheid mit insgesamt 629.163 DM bezifferten Steuermehraufwand abhebt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Verlustrücktrag , den der Kläger mit dem Investitionsgeschäft erwarb, auf einer anfänglichen kumulierten Abschreibung des Substanzwertes der Anlage beruht. Ob sich die Investition insgesamt als wirtschaftlich erweist, lässt sich erst am Ende der auf über zwanzig Jahre angelegten Laufzeit beurteilen. So hat auch das Berufungsgericht die Investition in Anlehnung an die Bewertung des von ihm beauftragten Sachverständigen als sehr risikoreich eingestuft. Das von der Revision in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, es sei für einen Geschädigten unzumutbar, mit einem Schädiger über Jahrzehnte in Form einer ungewollten Schadensgemeinschaft verbunden zu sein, ist unter dem hier maßgeblichen Grundsatz von Treu und Glauben von erheblicher Bedeutung. Der vom Berufungsgericht herangezogene Aspekt, zur Abwendung einer drohenden Insolvenz sei die vom Kläger vorgenommene Investition als vernünftige und zumutbare Maßnahme anzusehen, vernachlässigt die vorstehend angeführten Beurteilungskriterien. Jedenfalls im Rahmen einer Gesamtschau muss unter angemessener Würdigung der vorstehenden Gesichtspunkte die vom Kläger ergriffene Schadensabwendungsmaßnahme als überobligationsmäßige Anstrengung im Sinne von § 254 Abs. 2 BGB bewertet werden. Es entspricht nicht dem Gebot von Treu und Glauben, dem Geschädigten zuzumuten, um der vagen Aussicht willen, auf diese Weise den von anderer Seite verantworteten Steuerschaden zu neutralisieren, ein teures und zudem hoch spekulatives, mit neuen Risiken ausgestattetes Kompensationsgeschäft einzugehen.
19
4. Der vom Berufungsgericht auf der Grundlage des Erwerbs der Windkraftanlagen vorgenommene Gesamtvermögensvergleich kann mithin keinen Bestand haben. Die Schadensermittlung ist unabhängig von der durch den Kläger getätigten Investition der Kraftanlagen vorzunehmen, so dass der vom Kläger erzielte Verlustrücktrag nicht der Beklagten zu Gute kommt. Bei der Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage des Klägers im Rahmen des neu vorzunehmenden Gesamtvermögensvergleichs sind auch die Finanzierungskosten zu berücksichtigen, die angefallen wären, wenn der Kläger seine Investitionen zwischenfinanziert hätte, bis er die Policendarlehen steuerunschädlich hätte in Anspruch nehmen können. Im Rahmen der Schadensfeststellung besteht für das Berufungsgericht auch die Gelegenheit, die vom Kläger weiter geltend gemachten , bislang allerdings nicht bezifferten Schadensersatzkosten hinsichtlich des Steuerberaters B. , soweit sie sich auf die Betreuung nach Klageerhebung beziehen, auf ihre Erforderlichkeit zu überprüfen. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit dem bisherigen Prozessvortrag des Klägers, insbesondere in seinen Schriftsätzen vom 2. März 2006 und vom 20. April 2007, wonach diese Kosten als Aufwand zur Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, lässt sich der knapp gefassten Beurteilung des Berufungsgerichts nicht verlässlich entnehmen. Dem Kläger bleibt es allerdings unbenommen, den geltend gemachten Aufwand im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens weiterzuverfolgen (vgl. hierzu Zöller/Herget, ZPO 28. Aufl. § 91 Rn. 13 Stichwort Privatgut- achten). Hinsichtlich der Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit der durch das Führen des finanzgerichtlichen Verfahrens entstandenen Kosten besteht gleichfalls Gelegenheit, sich mit den von der Revision dargelegten Gesichtspunkten auseinanderzusetzen. Auch insoweit hat das Berufungsgericht bislang keine Klageabweisung ausgesprochen, so dass über diese Schadensersatzposition noch im Schlussurteil zu befinden ist.

III.


20
Das Urteil des Berufungsgerichts unterliegt daher - mit Ausnahme der Abweisung des Feststellungsantrags hinsichtlich des bereits entstandenen Schadens - der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit es zum Nachteil des Klägers erkannt hat; die Sache ist, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 22.04.2002 - 2 O 266/00 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 24.07.2008 - 6 U 500/02 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2011 - IX ZR 162/08

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2011 - IX ZR 162/08

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen
Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2011 - IX ZR 162/08 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 675 Entgeltliche Geschäftsbesorgung


(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichte

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2011 - IX ZR 162/08 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2011 - IX ZR 162/08 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Sept. 2010 - IX ZR 132/08

bei uns veröffentlicht am 23.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 132/08 vom 23. September 2010 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp am 23. Septe

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Jan. 2005 - X ZR 118/03

bei uns veröffentlicht am 11.01.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 118/03 Verkündet am: 11. Januar 2005 Groß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja

Bundesgerichtshof Urteil, 20. März 2008 - IX ZR 238/06

bei uns veröffentlicht am 20.03.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 238/06 Verkündet am: 20. März 2008 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja StBerG § 4 Nr. 5, § 5 Ist

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Apr. 2010 - IX ZR 189/09

bei uns veröffentlicht am 15.04.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 189/09 Verkündet am: 15. April 2010 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675 Abs. 1, § 249

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Mai 2000 - IX ZR 142/99

bei uns veröffentlicht am 04.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 142/99 Verkündet am: 4. Mai 2000 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 675

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2010 - III ZR 249/09

bei uns veröffentlicht am 08.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 249/09 Verkündet am: 8. Juli 2010 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 195, 199 A

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2008 - IX ZR 12/05

bei uns veröffentlicht am 18.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 12/05 Verkündet am: 18. Dezember 2008 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675 Telefoni

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Sept. 2010 - IX ZR 26/09

bei uns veröffentlicht am 23.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 26/09 Verkündet am: 23. September 2010 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 675 Abs. 1; USt
6 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 17. März 2011 - IX ZR 162/08.

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2013 - IX ZR 6/13

bei uns veröffentlicht am 05.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZR 6/13 vom 5. Dezember 2013 in dem Rechtsstreit Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp am 5. Dezembe

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2012 - XI ZR 334/11

bei uns veröffentlicht am 13.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 334/11 Verkündet am: 13. November 2012 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2018 - II ZR 17/17

bei uns veröffentlicht am 06.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 17/17 Verkündet am: 6. Februar 2018 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Nov. 2017 - I ZR 143/16

bei uns veröffentlicht am 30.11.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 143/16 Verkündet am: 30. November 2017 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.

(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

17
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach welcher es dem Auftraggeber auch nicht als mitwirkendes Verschulden vorgeworfen werden kann, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750; v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 304; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265 jeweils für rechtskundigen Auftraggeber; Zugehör, aaO Rn. 1234), betrifft die Schlechterfüllung wirksamer Verträge. Sie ist auf den von der Klägerin behaupteten Sachverhalt des Übernahmeverschuldens der Beklagten nach den hierfür geltenden Sonderregeln nicht übertragbar. Die Vorschrift des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. schließt eine Abwägung gemäß § 254 BGB aus (BGHZ 76, 16,
14
b) Im Falle eines Beratungsvertrages kann dem zu Beratenden regelmäßig nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750; v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 304; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; v. 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141; v. 20. März 2008 - IX ZR 238/06, WM 2008, 950, 952 Rn. 17; Zugehör, in: Zugehör/Fischer/Sieg/ Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1235). Dies gilt auch im Verhältnis des steuerlichen Beraters zu seinem Mandanten (Zugehör, aaO Rn. 1235). Die steuerliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Mandats obliegt allein dem Steuerberater. Selbst wenn ein Mandant über steuerrechtliche Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, aaO; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, aaO; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141, 1143 Rn. 21). Der Berater, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, kann deshalb gegenüber dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Mandanten nach Treu und Glauben nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urt. v. 4. Mai 2000 - IX ZR 142/99, WM 2000, 1591, 1595 unter Bezugnahme auf BGHZ 134, 100, 114 f).
21
5. Entgegen der Ansicht des Revisionsbeklagten ist für die Anrechnung eines Mitverschuldens kein Raum. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftraggeber nicht als mitwirkendes Verschulden vorgeworfen werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären sollen , bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750; v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 304; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; v. 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141; v. 20. März 2008 - IX ZR 238/06, WM 2008, 950, 952 Rn. 17; Zugehör, aaO Rn. 1235).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 26/09
Verkündet am:
23. September 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der mit der Anmeldung von Umsatzsteuer aus dem Betrieb von Geldspielautomaten
betraute Steuerberater braucht den Mandanten auf eine etwaige Gemeinschaftswidrigkeit
der Besteuerung erst hinzuweisen, sobald der Bundesfinanzhof dahin lautende
Bedenken in einer Entscheidung, die dem Steuerberater bekannt sein muss, äußert.
Ein Steuerberater braucht eine nicht mit einem Leitsatz versehene Entscheidung des
Bundesfinanzhofs, die lediglich in einer nicht amtlichen Entscheidungssammlung,
aber in keiner der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften abgedruckt wurde,
vorbehaltlich anderer Hinweise nicht zu kennen.
Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Versäumt es der Steuerberater, im Anschluss an die beratungsfehlerfreie Abgabe
von Jahresumsatzsteueranmeldungen auf eine danach bekannt gewordene Rechtsprechungsänderung
durch einen Antrag auf Neufestsetzung zu reagieren, so beginnt
die Verjährung eines Ersatzanspruchs des Mandanten erst mit dem Ende der
Festsetzungsfrist zu laufen.
BGH, Urteil vom 23. September 2010 - IX ZR 26/09 - OLG Koblenz
LGMainz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
20. Mai 2009 durch die Richter Prof. Dr. Kayser, Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape
und Grupp

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. Januar 2009 und der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 9. Mai 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die mit der Klage für die Steuerjahre 1997 bis 2000 geltend gemachten Schadensersatzansprüche abgewiesen wurden.
Im Umfang der Aufhebung wird der Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Wegen der Anspruchshöhe und der Kosten des Rechtsstreits wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger betraute die beklagte Steuerberatungsgesellschaft im Rahmen eines bis Januar 2004 andauernden Mandats mit der Wahrnehmung seiner steuerlichen Angelegenheiten. Die Beklagte gab für von dem Kläger in den Jahren 1995 bis 2000 aus dem Betrieb von Geldspielautomaten erzielte Umsätze bei dem Finanzamt Umsatzsteuerjahreserklärungen ab. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1995 ging am 11. Februar 1997, die für das Jahr 1996 am 9. Januar 1998, die für das Jahr 1997 am 25. Januar 1999, die für das Jahr 1998 am 13. März 2000, die für das Jahr 1999 am 20. Oktober 2000 und die für das Jahr 2000 am 12. April 2002 bei dem Finanzamt ein. Aufgrund einer im Jahre 2003 durchgeführten Betriebsprüfung setzte das Finanzamt unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gegen den Kläger jeweils mit Bescheid vom 29. Oktober 2003 für die Jahre 1998 bis 2000 die Umsatzsteuer fest.
2
Mit der am 27. Dezember 2005 eingereichten und am 14. Januar 2006 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte, die sich auf die Einrede der Verjährung beruft, wegen der für die Jahre 1995 bis 2000 entrichteten Umsatzsteuer auf Schadensersatzleistung von 32.929,41 € in Anspruch. Er meint, die Beklagte habe bereits ab dem Jahr 1995 erkennen müssen, dass Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten nach dem Gemeinschaftsrecht nicht umsatzsteuerpflichtig seien und die dieser Wertung entgegenstehende deutsche Gesetzeslage keinen Bestand haben werde. Die Klage hatte in den Vorinstanzen lediglich in Höhe eines Betrages von 1.236,62 € Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger im Blick auf die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 Schadensersatz verlangt. Die weitergehende, die Jahre 1997 bis 2000 betreffende Revision hat hingegen Erfolg. Insoweit führt sie zum Erlass eines Grundurteils (§ 304 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht, das auf der Grundlage ergänzender Feststellungen über die Schadenshöhe zu entscheiden hat.

I.


4
Berufungsgericht Das hat ausgeführt: Die Beklagte habe keine Beratungspflicht verletzt, weil die Handhabung der steuerlichen Angelegenheiten des Klägers der damaligen Gesetzeslage entsprochen habe. Das FG Münster habe in einem Beschluss vom 15. September 2000 (5 V 4286/00, EFG 2001, 394) die Auffassung vertreten, es sei unzweifelhaft, dass aus in Gaststätten und Spielhallen aufgestellten Geldspielautomaten erzielte Umsätze nicht unter die Befreiungsregelung des § 4 Nr. 9 lit. b UstG fielen. Abweichende Auffassungen des Schrifttums habe der Berater bei Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht berücksichtigen müssen. Erst nach dem Anfang des Jahres 2001 bekannt gewordenen Inhalt der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (V B 187/00) sei es als ernsthaft zweifelhaft zu beurteilen gewesen, ob Umsätze aus Geldspielautomaten besteuert werden dürften. Darum sei eine Pflichtverletzung der Beklagten in den Jahren 1995 bis 2000 nicht gegeben. Ferner habe keine Möglichkeit bestanden, die Finanzbehörden auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 zum Aufgreifen bereits bestandskräftig abgeschlossener Verfahren zu veranlassen.

5
Überdies seien Schadensersatzansprüche des Klägers nach der hier noch anwendbaren Regelung des § 68 StBerG a.F. verjährt. Die Verjährung habe mit der Einreichung der Steueranmeldungen bei dem Finanzamt zu laufen begonnen. Die Voraussetzungen eines Sekundäranspruchs seien nicht gegeben. Eine erneute Pflichtverletzung könne nur angenommen werden, wenn während des Laufs der Verjährungsfrist und vor Beendigung des Auftrags ein begründeter Anlass zur Belehrung eingetreten und diese dennoch unterblieben sei. Eine fehlerhafte Erklärungspraxis biete nicht ohne weiteres Anlass, über eine auf dem nämlichen Fehler beruhende Haftung zu belehren. Ein Anlass zur Belehrung habe sich erst mit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aus dem Jahre 2005 ergeben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch die Primärverjährung abgelaufen und das Mandat bereits beendet gewesen.

II.


6
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben überwiegend Erfolg.
7
1. Soweit es um die Abgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1995 bis 2000 geht, scheidet ein Beratungsfehler der Beklagten aus. Zum Zeitpunkt der Einreichung sämtlicher Umsatzsteueranmeldungen war für die Beklagte noch kein begründeter Anhalt dafür gegeben, dass die von dem Kläger erzielten Umsätze infolge einer sich abzeichnenden Gemeinschaftswidrigkeit von § 4 Nr. 9 lit. b UStG in der seinerzeit maßgeblichen Fassung nicht der Umsatzsteuer unterliegen könnten.

8
Wegen a) der richtungweisenden Bedeutung, die höchstrichterlichen Entscheidungen für die Rechtswirklichkeit zukommt, hat sich der Berater bei der Wahrnehmung seines Mandats grundsätzlich an dieser Rechtsprechung auszurichten. Maßgeblich ist die jeweils aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme. Hierbei darf der Berater in der Regel auf deren Fortbestand vertrauen, weil von einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen abgewichen zu werden pflegt (BGHZ 178, 258, 262 Rn. 9 m.w.N.). Ebenso darf ein Steuerberater grundsätzlich auf die Verfassungsmäßigkeit des von der Steuerverwaltung angewendeten Steuergesetzes vertrauen. Die Verwaltung hat Gesetze trotz bestehender Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit anzuwenden. Gleiches gilt für die mit dem Steuerfall befassten Gerichte. Erst wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Norm überzeugt ist, hat es das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen; bloße verfassungsrechtliche Zweifel berechtigen noch nicht zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BGHZ 178, 258, 263 Rn. 12). Danach kann sich nur ausnahmsweise die Pflicht ergeben, auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit eines bislang als verfassungsgemäß behandelten Steuergesetzes hinzuweisen (BGHZ 178, 258, 263 Rn. 13). Der Steuerberater , der mit der Prüfung eines Steuerbescheides beauftragt ist, muss mit seinem Mandanten die Möglichkeit eines Einspruchs wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des anzuwendenden Steuergesetzes nicht erörtern, so lange keine entsprechende Vorlage eines Finanzgerichts an das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht ist oder sich ein gleich starker Hinweis auf die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung aus anderen Umständen, insbesondere einer in ähnlichem Zusammenhang ergangenen, im Bundessteuerblatt veröffentlich- ten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt (BGHZ 178, 258, 264 Rn. 15).
9
b) Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, der die Gemeinschaftswidrigkeit einer Steuernorm betrifft, trotz abweichender Vorlagevoraussetzungen entsprechend anzuwenden. Bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des innerstaatlichen mit dem Gemeinschaftsrecht und versäumt das letztinstanzlich befasste Gericht das gemäß dem hier noch anzuwendenden Art. 234 Abs. 3 EGV gebotene Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, kann der Betroffene mit einer Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG die Vorlage erzwingen (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09, ZIP 2010, 642 f Rn. 14 ff). Da der Beklagten bei Einreichung der letzten die Jahre 1995 bis 2000 betreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung vom 12. April 2002 noch nicht die Möglichkeit einer Gemeinschaftswidrigkeit der maßgeblichen Regelung des § 4 Nr. 9 lit. b UStG bekannt sein musste, kann ihr im Zusammenhang mit der Abgabe sämtlicher Umsatzsteuerjahreserklärungen ein Beratungsfehler nicht angelastet werden.
10
aa) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat durch Urteil vom 11. Juni 1998 (C 283/95, RIW 1998, 644) entschieden, dass ein Mitgliedstaat unerlaubtes Glücksspiel nicht der Umsatzsteuer unterwerfen darf, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels - konkret ging es um Roulette - durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist. Danach verbietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bei der Erhebung der Umsatzsteuer eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten Umsätzen und unerlaubten Geschäften. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beschluss vom 30. November 2000 (V B 187/00, BFH/NV 2001, 657) im Rahmen eines Antrags auf Ausset- zung der sofortigen Vollziehung die Besteuerung von Umsätzen aus Geldspielautomaten generell als ernstlich zweifelhaft erachtet. Zur Begründung hat er ausgeführt (aaO, S. 658), dass es mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität unvereinbar sein könnte, für die Besteuerung von Geldspielautomatenumsätzen danach zu unterscheiden, ob sie in und von öffentlich zugelassenen Spielbanken ausgeführt werden oder nicht. Ferner bedürfe es der Prüfung, ob das für die Mitgliedstaaten geltende Verbot, die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels der Umsatzsteuer zu unterwerfen, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei ist, nicht erst Recht auch für erlaubte Veranstaltungen eines Glücksspiels gelten müsse. Auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (V R 7/02, BFHE 200, 149) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom 17. Februar 2005 (C 453/02 und 462/02, EuZW 2005, 210) erkannt, dass das Gemeinschaftsrecht nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht gilt. Daran anknüpfend hat der Bundesfinanzhof durch Urteil vom 12. Mai 2005 (V R 7/02, BFHE 210, 164) entschieden, dass sich ein Aufsteller von Geldspielautomaten auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B lit. f der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinne berufen kann, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 lit. b UStG keine Anwendung findet.
11
bb) Bei dieser Sachlage kann in der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen durch die Beklagte für die Jahre 1995 bis 1999 ein Beratungsfehler nicht erblickt werden. Die Beklagte hat die Umsatzsteuerjahreserklärungen der Jahre 1995 bis 1999 - für das letztgenannte Jahr am 20. Oktober 2000 - jeweils vor Erlass des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) abgegeben, wo vor dem Hintergrund der Steuerfreiheit in Spielbanken veranstalteten Automatenglücksspiels erstmals Bedenken gegen die Zulässigkeit der Besteuerung außerhalb von Spielbanken veranstalteter erlaubter Automatenglücksspiele geäußert worden waren. Bis dahin brauchte die Beklagte selbständige Rückschlüsse darauf, dass die Besteuerung auch des erlaubten Glückspiels mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sein könnte, nicht zu ziehen.
12
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte im Urteil vom 5. Mai 1994 (C 38/93) gegen die Umsatzsteuerpflicht von in Gaststätten mit Geldspielautomaten erzielten Umsätzen keine gemeinschaftsrechtlichen Bedenken erhoben (BStBl II 1994, 548). Hinweise für die generelle Unzulässigkeit einer Besteuerung dieser Umsätze konnten auch nicht seinem Urteil vom 11. Juni 1998 entnommen werden, das lediglich die Freistellung des verbotenen Glücksspiels von der Umsatzsteuerpflicht anordnete, wenn die Veranstaltung eines solchen Glücksspiels durch eine zugelassene öffentliche Spielbank steuerfrei war. Die Entscheidung behielt den Mitgliedstaaten ausdrücklich vor, die Bedingungen und Grenzen einer Befreiung des erlaubten Glücksspiels von der Umsatzsteuer festzulegen (aaO, S. 645 Rn. 25). Die in dem Verfahren von der Kommission vertretene Auffassung, dass kein absolutes Verbot der Besteuerung von Glücksspielen bestehe, wurde von dem Gerichtshof nicht beanstandet (aaO, Rn. 26; Lausterer UR 1998, 361, 364). Demzufolge war der Gerichtshof in der Entscheidung aus dem Jahre 1998 lediglich einer Differenzierung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Glücksspiel entgegengetreten und hatte daraus gefolgert, dass eine Steuerbefreiung nicht allein erlaubtem Glücksspiel vorbehalten werden dürfe (aaO S. 645 Rn. 28; ebenso BGH, Beschl. v. 17. August 1998 - 5 StR 59/97, HFR 1999, 410).

13
Die ausschließlich auf das unerlaubte Glückspiel bezogenen Ausführungen im Urteil vom 11. Juni 1998 waren mithin für die vorliegende Gestaltung eines erlaubten Glückspiels nicht einschlägig. Zwar mag es bei einer rückschauenden Bewertung naheliegen, die Entscheidung bereits im Sinne der Umsatzsteuerfreiheit auch des erlaubten Glückspiels zu deuten (vgl. EuGH, Urt. v. 17. Februar 2005, aaO S. 211 Rn. 28; dagegen aber etwa Birk/Jahndorf UR 2002, 289, 294). Diese Schlussfolgerung hatte aber seinerzeit der Gerichtshof selbst nicht gezogen, weil er nicht etwa eine bestehende generelle umsatzsteuerrechtliche Privilegierung des erlaubten auf das unerlaubte Glückspiel erstreckt hatte. Vielmehr hatte er aus der im konkreten Einzelfall gegebenen Umsatzsteuerfreiheit des in Spielbanken ausgeübten erlaubten auch die Umsatzsteuerfreiheit eines gleichartigen unerlaubten Glücksspiels hergeleitet. Er war aber gerade nicht davon ausgegangen, dass infolge der Umsatzsteuerfreiheit von in Spielbanken ausgeübtem Glücksspiel außerhalb veranstaltete gleichartige erlaubte Glücksspiele ebenfalls nicht umsatzsteuerpflichtig sind und diese Vergünstigung mithin auch dem unerlaubten Glücksspiel zustatten kommt. Mithin hatte er insbesondere nicht die Forderung erhoben, erlaubtes Glücksspiel, soweit es dem in Spielbanken veranstalteten Glücksspiel entspricht, allgemein von der Umsatzsteuerpflicht zu entbinden.
14
(2) Vor diesem Hintergrund konnten nach deutschem Recht ohne Widerspruch zu dem Urteil vom 11. Juni 1998 weiterhin erlaubte Glücksspiele, die weder der Rennwett- und Lotteriesteuer noch der Spielbankenabgabe unterlagen , nach § 4 Nr. 9 lit. b UStG der Umsatzsteuer unterworfen werden (vgl. Rau/ Dürrwächter/Klenk, UStG 8. Aufl. Lieferung September 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 173). Dies entsprach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, den Spielvorgang entweder mit Rennwett- und Lotteriesteuer bzw. der Spielbankenabgabe oder Umsatzsteuer zu belegen (Offerhaus/van Nahmen, UStG 129. Erg.-Lieferung, Juni 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 51; Dziadkowski UVR 1998, 289, 293). Umsätze aus erlaubtem Glücksspiel waren aus dieser Warte nicht deswegen von der Umsatzsteuer auszunehmen, weil solche Umsätze steuerfrei in einer Spielbank ausgeführt werden konnten (FG Münster, Beschl. v. 15. September 2000 - 5 V 4286/00, EFG 2001, 394, 395). Dem Gesetzgeber wurde als Folgerung aus dem Urteil vom 11. Juni 1998 lediglich empfohlen, die allein im Blick auf unerlaubtes Glücksspiel entstandene Gesetzeslücke durch dessen Einbeziehung in die Rennwett- und Lotteriesteuer zu schließen (Offerhaus/van Nahmen, aaO § 4 Nr. 9 Rn. 54; vgl. auch EuGH, Urt. v. 11. Juni 1998, aaO S. 645 Rn. 30).
15
(3) In Einklang mit den vorstehenden Erwägungen war das Urteil vom 11. Juni 1998 in den einschlägigen Erläuterungswerken lediglich dahin verstanden worden, dass die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels unter die Steuerbefreiung fällt, die einem erlaubten Glücksspiel zuteil wird (Bunjes /Geist/Heidner, UStG 6. Aufl. 2000 § 4 Nr. 9 Rn. 15; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch Lieferung 21. Oktober 1999 Rn. 338.5; ders.; aaO Lieferung 23. März 2000 Rn. 338.11; Offerhaus/van Nahmen, aaO § 4 Nr. 9 Rn. 52 ff.; Sölch/Ringleb/Mößlang UStG EL 43 Januar 2000 § 4 Rn. 30; ders., aaO EL 44 September 2000). In einem Besprechungsaufsatz wurde die Entscheidung in dem Sinne interpretiert, dass die Mitgliedstaaten weiter berechtigt seien, auf bestimmte Formen des Glücksspiels Umsatzsteuer zu erheben, jedoch eine dem erlaubten Glücksspiel vorbehaltene Steuerbefreiung auch dem unerlaubten Glücksspiel zugute kommen müsse (Lausterer, aaO). Weitergehende Überlegungen zur Umsatzsteuerfreiheit des erlaubten Glücksspiels sind auf der Grundlage des Urteils vom 11. Juni 1998 in Schrifttum und Rechtsprechung bis zum Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000, der seine rechtlichen Zweifel an der Vereinbarkeit der Umsatzsteuerpflicht des Glücksspiels mit dem Gemeinschaftsrecht durch keinerlei Rechtsprechungsund Schrifttumsnachweise unterlegt, nicht angestellt worden. Insbesondere ist nicht die Auffassung vertreten worden, dass infolge der Umsatzsteuerfreiheit der Spielbanken in anderem Rahmen veranstaltete gleichartige erlaubte Glücksspiele von der Umsatzsteuer zu entbinden sind. Eine auch nur in Ansätzen in die Richtung der späteren Rechtsentwicklung weisende wissenschaftliche Diskussion hatte sich bis zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 1999 durch die Beklagte am 20. Oktober 2000 nicht herausgebildet. Auch die Revision vermag entsprechende Stellungnahmen nicht aufzuzeigen. Mithin kann der Beklagten die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1995 bis 1999 nicht als Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden.
16
c) Auch die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2000 durch die Beklagte am 12. April 2002 stellt keinen Beratungsfehler dar, weil der Beklagten die lediglich vereinzelt veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO), nach deren Inhalt die Steuerpflicht von Umsätzen aus Glückspiel ernsthaften gemeinschaftsrechtlichen Bedenken ausgesetzt war, nicht bekannt sein musste.
17
aa) Der Rechtsberater hat seine Tätigkeit für den Mandanten in erster Linie an der höchstrichterlichen Rechtsprechung auszurichten; denn diese hat richtungweisende Bedeutung für Entwicklung und Anwendung des Rechts. Der Berater muss sich deshalb über die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht nur anhand der amtlichen Sammlungen, sondern auch der einschlägigen Fachzeitschriften unterrichten. Strengere Anforderungen sind jedoch zu stellen, wenn ein Rechtsgebiet ersichtlich in der Entwicklung begriffen und (weitere) höchstrichterliche Rechtsprechung zu erwarten ist. Dann muss ein Berater, der eine Angelegenheit aus diesem Bereich zu bearbeiten hat, auch Spezialzeitschriften in angemessener Zeit durchsehen (BGH, Urt. v. 21. September 2000 - IX ZR 127/99, WM 2000, 2431, 2435).
18
bb) Danach kann aus der Nichtberücksichtigung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) ein Beratungsfehler nicht hergeleitet werden.
19
(1) Im Streitfall können bereits im Ausgangspunkt keine gesteigerten Anforderungen an die Beobachtungs- und Recherchierungspflicht der Beklagten gestellt werden, weil die Rechtslage nach Ablauf von mehr als zwei Jahren seit der letzten diesen Bereich betreffenden Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urt. v. 11. Juni 1998, aaO) keine besonderen Entwicklungstendenzen erkennen ließ und neue höchstrichterliche Rechtsprechung bis zu dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) nicht zu erwarten war. Auch im Schrifttum fanden sich - wie oben unter 1. b), bb), (3) näher ausgeführt - keine Äußerungen, die rechtliche Bedenken gegen die Umsatzsteuerpflicht nahe legten und damit Anlass für die Erwartung einer klärenden höchstrichterlichen Entscheidung gaben.
20
(2) Der Bundesfinanzhof hat die hier maßgebliche Entscheidung vom 30. November 2000 (aaO) weder für die amtliche Sammlung bestimmt noch überhaupt mit einem Leitsatz versehen. Der letztgenannte Umstand kann dazu beigetragen haben, dass die für eine große Vielzahl von Fällen bedeutsame und darum durchaus veröffentlichungswürdige Entscheidung in den steuerrechtlichen Fachzeitschriften eine denkbar geringe Resonanz gefunden hat. Der Beschluss wurde ausweislich der Nachweise, die der Juris-Datenbank entnommen werden können, in voller Länge außer in BFH/NV lediglich in der "Steuerrechtsprechung in Karteiform", die zwischenzeitlich offenbar eingestellt wurde, abgedruckt. Die weiteren angegebenen Fundstellen "StuB" (Steuern und Bilanzen ), "BFH-PR" sowie "D-spezial" (Steuer- und Wirtschaftsrecht in den neuen Bundesländern, 1991 - 2005) enthielten nur den Abdruck eines redaktionellen Leitsatzes bzw. eine Kurzwiedergabe.
21
(3) Der rechtliche Berater muss jedoch nur über die in den amtlichen Sammlungen und in den einschlägigen allgem einen Fachzeitschriften veröffentlichten Entscheidungen der obersten Bundesgerichte orientiert sein (BGH, Beschl. v. 18. Januar 1952 - I ZB 13/51, NJW 1952, 425; Urt. v. 21. September 2000, aaO). An einer derartigen Veröffentlichung fehlt es hier.
22
Da sich die amtlichen Sammlungen der obersten Gerichtshöfe bekanntermaßen auf den Abdruck besonders gewichtiger Entscheidungen beschränken und die Gerichtshöfe insoweit eine Vorauswahl treffen, gehört es zur ordnungsgemäßen Berufsausübung eines rechtlichen Beraters, sich über diese grundlegenden Entscheidungen, die auch bei einer Veröffentlichung durch Fachzeitschriften vielfach eigens gekennzeichnet werden, fortlaufend zu unterrichten. Vom Inhalt der nicht in den amtlichen Sammlungen enthaltenen Entscheidungen hat sich der Rechtsberater mit Hilfe der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften zu informieren. Angesichts der auch für rechtliche Berater nur schwer überblickbaren Fülle der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte übernehmen die einschlägigen allgemeinen Fa chzeitschriften eine Filterfunktion , indem sie die für die Praxis allgemein bedeutsamen Entscheidungen abdrucken , einzelne besonders gewichtige - etwa für die amtliche Sammlung bestimmte - Entscheidungen zeitlich bevorzugt veröffentlichen oder auch zusätzlich mit einer Anmerkung oder einem Besprechungsaufsatz versehen und auf den Abdruck weniger bedeutsamer Entscheidungen verzichten. Unterliegt der rechtliche Berater - wie im Streitfall - keiner gesteigerten Beobachtungs- und Recherchierungspflicht, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, durch die Lektüre dieser einschlägigen Fachzeitschriften über aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Schrifttum hinreichend orientiert zu werden.
23
(4) Angesichts des durch die vereinzelten Veröffentlichungen vermittelten geringen Verbreitungsgrades kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 (aaO) nicht zur Kenntnis genommen zu haben.
24
dem Von Steuerberater kann grundsätzlich verlangt werden, dass er über eine in wenigstens einer "einschlägigen allgemeinen Fachzeitschrift" veröffentlichte höchstrichterliche Entscheidung im Bilde ist (Fahrendorf in Fahrendorf /Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 8. Aufl. Rn. 512). Vorliegend kann offen bleiben, welche Periodika zu den "einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften" zu rechnen sind. Insoweit wird im Schrifttum erwogen , dass der Steuerberater jedenfalls das - vom Bundesfinanzministerium herausgegebene und darum keine eigentliche Fachzeitschrift darstellende - "Bundessteuerblatt" und als Organ der Bundessteuerberaterkammer das "Deutsche Steuerrecht" zu beachten hat (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 4. Aufl. Rn. 237). Die hier betroffenen, wenig verbreiteten Periodika "Steuerrechtsprechung in Karteiform", "StuB", "BFH-PR" und "D-spezial" gehören jedenfalls nicht zu dem - möglicherweise weiter zu ziehenden - Kreis der ständig zu verfolgenden Periodika.
25
Die (5) Beklagte musste - zumal sie hier keine gesteigerte Beobachtungs - und Recherchierungspflicht traf - mit der in keiner der einschlägigen Fachzeitschriften, sondern nur in der Sammlung BFH/NV veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht vertraut sein.

26
Mag es auch wünschenswert sein, dass ein Rechtsberater sich über die gesamte, seine Tätigkeit betreffende höchstrichterliche Rechtsprechung lückenlos auf dem Laufenden hält, so kann gegenwärtig nicht verlangt werden, dass er schlechthin jede in seinen Arbeitsbereich fallende höchstrichterliche - hier nicht einmal mit einem Leitsatz versehene - Entscheidung kennt (vgl. Heinemann in Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht 3. Aufl. § 11 Rn. 21). Da ein Rechtsberater neben der Rechtsprechung auch aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Literatur zu verfolgen hat, kann von ihm grundsätzlich nur die Lektüre der einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften erwartet werden, wo sich diese Informationen dank einer redaktionellen Aufarbeitung gebündelt auffinden lassen. Eine über die einschlägigen allgemeinen Fachzeitschriften hinausgehende Sichtung des gesamten Entscheidungsmaterials eines obersten Gerichtshofs würde die Pflichten eines Rechtsberaters schon wegen des damit verbundenen Zeitaufwands überspannen, zumal vollständige Entscheidungssammlungen nicht für alle obersten Gerichtshöfe angeboten werden. Solange daher auf ernstliche Rechtszweifel gestützte Aussetzungsbeschlüsse des Bundesfinanzhofs unzureichend veröffentlicht werden, obwohl sie für die Beratungspraxis als Hinweis auf mögliche Zukunftsentscheidungen , die bereits gegenwärtige Berücksichtigung verlangen, besonders wichtig sind, kann dem steuerlichen Berater ihre Unkenntnis haftungsrechtlich nicht vorgeworfen werden. Ob bei einer fortschreitenden, einen einfachen, raschen und kostengünstigen Zugriff gestattenden Informationstechnologie in Zukunft strengere Anforderungen an die Kenntnis höchstrichterlicher Entscheidungen zu stellen sind, kann vorliegend offen bleiben.
27
Besteht keine Verpflichtung zu einer ausnahmslosen Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung, kann von dem Berater die vollständige Auswertung der Zeitschrift BFH/NV, bei der es sich um eine keine redaktionellen Beiträge enthaltende Rechtsprechungssammlung handelt, grundsätzlich nicht gefordert werden. Die Beklagte durfte vielmehr darauf vertrauen, über etwaige neue Rechtsentwicklungen durch die einschlägigen allgemeinen steuerrechtlichen Fachpublikationen unterrichtet zu werden. Darum war ein Tätigwerden erst auf den für die amtliche Sammlung bestimmten Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) geboten.
28
cc) Soweit sich der Kläger darauf beruft, den Beklagten durch Übermittlung eines Rundschreibens des Automaten-Verbands R. auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 30. November 2000 hingewiesen zu haben , ist das Vorbringen mangels hinreichender Substantiierung unbeachtlich.
29
Der Beklagte hat in der Klageerwiderung geltend gemacht, der Kläger sei durch zwei Rundschreiben des Automaten-Verbands R. vom 28. Mai 2001 und vom 21. Februar 2002 über die Rechtslage unterrichtet worden , sei aber nicht der darin enthaltenen Empfehlung gefolgt, die Rundschreiben an seinen Steuerberater - also die Beklagte - weiterzuleiten. Der Kläger hat darauf repliziert, tatsächlich habe er die beiden Rundschreiben der Beklagten mittels Fax zur Kenntnis gegeben. Es fehlt jedoch an jeder Darlegung, wann die Faxübermittlung stattgefunden haben soll. Da beide Rundschreiben zu verschiedenen Zeitpunkten an die Empfänger versandt wurden, hätte es, um der Beklagten eine Einlassung zu ermöglichen, zumindest einer zeitlichen Konkretisierung der Übermittlungsvorgänge bedurft.
30
2. Jedoch ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers im Blick auf die Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 gegeben, weil es die Beklagte versäumt hat, vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf die durch den in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) zugunsten des Klägers geänderte Rechtslage zu reagieren. Dagegen scheidet ein Schadensersatzanspruch mangels einer Verpflichtung der Beklagten zu einem Tätigwerden bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen am 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 für die Steuerjahre 1995 und 1996 aus.
31
a) Die seitens der Beklagten für den Kläger abgegebenen jährlichen Umsatzsteuererklärungen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) standen nach der Regelung des § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.
32
Ein solcher Nachprüfungsvorbehalt hat zur Folge, dass die Steuerfestsetzung von Amts wegen oder auf Antrag des Steuerpflichtigen jederzeit aufgehoben oder abgeändert werden kann (§ 164 Abs.2 Sätze 1 und 2 AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn das Finanzamt diesen aufhebt (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO), ansonsten mit Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO), welche im Falle der Umsatzsteuer vier Jahre beträgt (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in welchem die Steueranmeldung eingereicht wurde (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Auch eine Steueranmeldung, welche einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid gleichsteht, kann mit Einspruch und Anfechtungsklage angefochten werden (Cöster in Pahlke/Koenig, AO 2. Aufl. § 168 Rn. 26). Die Monatsfrist zur Einlegung des Einspruchs beginnt hier mit der Steueranmeldung (§ 355 Abs. 1 Satz 2 AO). Legt der Steuerpflichtige keinen Einspruch ein, wird die einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steueranmeldung zwar formell bestandskräftig; die formelle Bestandskraft lässt jedoch die Möglichkeit unberührt, den Bescheid innerhalb der Nach- prüfungsfrist nach der Regelung des § 164 AO abzuändern (Koenig in Pahlke /Koenig, aaO § 172 Rn. 8). Die Abänderungsbefugnis nach § 164 AO ermöglicht dabei die umfassende Überprüfung des Steuerbescheids auch im Hinblick auf solche Gesichtspunkte, welche zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorbehaltsbescheids schon bekannt waren (BFHE 198, 184, 190 f). Das Unterlassen des Steuerpflichtigen, den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid anzufechten, führt somit zu keiner materiellen Präklusion von Einwendungen.
33
b) Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte nach der spätestens im Frühjahr des Jahres 2003 anzunehmenden Kenntnis von dem Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) innerhalb der noch offenen Festsetzungsfristen eine Neufestsetzung der Umsatzsteuer beantragen müssen.
34
Soweit aa) die Umsatzsteuererklärungen vom 11. Februar 1997 und 9. Januar 1998 für die Steuerjahre 1995 und 1996 in Rede stehen, war allerdings der Vorbehalt der Nachprüfung am 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 abgelaufen. Da der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 (aaO) laut der in der Juris-Datenbank enthaltenen Nachweise erst im Jahr 2003 veröffentlicht wurde (vgl. etwa DStRE 2003, 179), bestand keine Verpflichtung der Beklagten, für diese Jahre eine Neufestsetzung zu beantragen.
35
bb) Anders verhält es sich hingegen für die Jahre 1997 bis 2000. Für das Jahr 1997 lief die Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2003, für die Folgejahre 1998 bis 2000 wegen der Aufhebung des Vorbehalts durch die im Anschluss an die Betriebsprüfung ergangenen Bescheide am 29. Oktober 2003 ab. Hier bestand für die Beklagte bei pflichtgemäßem Vorgehen mit Rücksicht auf den Be- schluss des Bundesfinanzhofs vom 6. November 2002 ohne weiteres die Möglichkeit , im Interesse des Klägers eine Neufestsetzung zu beantragen. Insoweit ist der Beklagten ein Beratungsfehler anzulasten, der dem Grunde nach eine Schadensersatzpflicht auslöst.
36
c) Diese Schadensersatzansprüche sind nicht verjährt.
37
aa) Für den Beginn der Verjährung ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, Satz 2, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EGBGB die mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 durch Art. 16 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214) aufgehobene Vorschrift des § 68 StBerG hier anwendbar, weil die geltend gemachten Ansprüche vor dem 15. Dezember 2004 entstanden sind (BGH, Urt. v. 17. Dezember 2009 - IX ZR 4/08, WM 2010, 629 Rn. 6). Die Dauer der Verjährung bestimmt sich nach § 195 BGB - in Übereinstimmung mit der früheren Regelung des § 68 StBerG - auf drei Jahre (BGH, Urt. v. 12. November 2009 - IX ZR 152/08, WM 2010, 372, 373 Rn. 7).
38
bb) Die dreijährige Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der infolge der alsbaldigen Zustellung (§ 167 ZPO) maßgeblichen Klageeinreichung am 27. Dezember 2005 nicht abgelaufen.
39
aa) Regelmäßig beginnt die Verjährung für einen Anspruch gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines Mandanten verschuldet hat, nicht erst mit der Bestandskraft, sondern bereits mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids. Besteht der Schaden des Auftraggebers in vermeidbaren Umsatzsteuern infolge fehlerhafter Selbstveranlagung, entspricht diesem Zeitpunkt die Einreichung der Umsatzsteueranmeldung beim Finanz- amt. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Umsatzsteuer von dem Unternehmer jährlich anzumelden ist (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) und die Anmeldung gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (BGH, Urt. v. 14. Juli 2005 - IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107; Urt. v. 29. Mai 2008 - IX ZR 222/06, WM 2008, 1416, 1417 Rn. 19; Urt. v. 5. März 2009 - IX ZR 172/05, WM 2009, 863, 864 Rn. 11).
40
Das kann aber nicht gelten, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Steuerberaters erst nach Erlass des Steuerbescheids einsetzt. Besteht die Pflichtwidrigkeit darin, dass der gebotene Rechtsbehelf gegen den Bescheid nicht eingelegt wird, so entsteht der Schaden in dem Augenblick, in dem der Steuerpflichtige von sich aus nicht mehr durch einen Rechtsbehelf die Abänderung des Steuerbescheids erwirken kann; die eng begrenzten Abänderungsmöglichkeiten nach § 173 AO reichen nicht aus, den Eintritt des Schadens erst für den Zeitpunkt anzunehmen, von dem an auch sie nicht mehr bestehen (BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 100/95,WM 1996, 2066, 2067; Urt. v. 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 787).
41
bb) Da der Beklagten im Blick auf die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1997 bis 2000 keine Pflichtwidrigkeit angelastet wird, hat sich ein Schaden nicht bereits mit der Anmeldung verwirklicht. Vielmehr wird der Beklagten vorgeworfen, bis zum Ablauf der Festsetzungsfristen einen Antrag auf eine Neufestsetzung versäumt zu haben. Diese Nachlässigkeit steht der unterlassenen Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs gleich. Ein Antrag auf Neufestsetzung konnte für das Jahr 1997 bis zum 31. Dezember 2003 und für die Folgejahre 1998 bis 2000 bis zum 29. Oktober 2003 gestellt werden. Die von diesen Zeitpunkten an laufende Verjährungsfrist von drei Jahren war im Zeitpunkt der Klageeinreichung am 27. Dezember 2005 noch nicht verstrichen. Mithin geht die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede ins Leere.

III.


42
Danach ist die Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO), soweit die Klage die Steuerjahre 1995 und 1996 zum Gegenstand hat. Bezüglich der Steuerjahre 1997 bis 2000 ist die Revision hingegen begründet und das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 ZPO). Eine abschließende Entscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) ist dem Senat mangels tatrichterlicher Feststellungen zur Schadenshöhe verwehrt. Der Senat kann jedoch, weil die Klageforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht, ein Urteil über den Grund des Anspruchs (§ 304 Abs. 1 ZPO) erlassen (BGH, Urt. v. 7. März 2005 - II ZR 144/03, WM 2005, 1624, 1625; v. 15. Dezember 1994 - IX ZR 18/94, ZIP 1995, 297, 300; v. 17. September 1998 - IX ZR 237/97, ZIP 1998, 1793, 1797).
43
Die Sache ist zur Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die insoweit notwendigen Feststellungen , auf die es nach seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht ankam, nunmehr zu treffen hat. Dabei wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte die Schadensberechnung des Klägers im Blick auf die behaupteten Umsätze bestritten und - auch unter dem Gesichtspunkt etwaiger Steuervorteile - das Fehlen eines Gesamtvermögensvergleichs beanstandet hat. Die dem Kläger durch den Automaten-Verband R. zuteil gewordene Unterrichtung dürfte nicht geeignet sein, ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) anzunehmen. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Auftraggeber nicht als mitwirkendes Verschulden vorge- worfen werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369, 371 Rn. 21). Selbst ein Mandant mit juristischer Vorbildung darf sich auf eine einwandfreie Arbeit seines Beraters verlassen (BGH, Urt. v. 13. März 1997 - IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1395).
Kayser Raebel Gehrlein
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 09.05.2008 - 2 O 486/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 08.01.2009 - 5 U 732/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 142/99 Verkündet am:
4. Mai 2000
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Verantwortlichkeit eines steuerlichen Beraters, der im Rahmen eines allgemeinen
Beratungsauftrags ein Vorhaben "begleiten" soll, zu dem der Mandant
das Gutachten eines Steuerspezialisten eingeholt hat.
EStG §§ 4, 52 Abs. 15 Satz 11 F.: 27. Februar 1987
Will der Mandant ein Betriebsgrundstück mit Räumlichkeiten bebauen, die später
von einem Angehörigen privat genutzt werden sollen, und hierbei die Steuervergünstigung
gemäß § 52 Abs. 15 Satz 11 EStG a.F. in Anspruch nehmen, muß der
Steuerberater ihn über die Risiken aufklären, die sich daraus ergeben können,
daß eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen schon vor Abschluß der Bauarbeiten
angenommen werden kann.
BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 - IX ZR 142/99 - OLG Hamm
LG Münster
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2000 durch die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör,
Dr. Ganter und Prof. Dr. Wagenitz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin betrieb auf ihr gehörenden Grundstücken ein Café. Die Beklagten , die als Steuerberater in gemeinsamer Praxis tätig sind, berieten die Klägerin laufend in ihren steuerlichen Angelegenheiten.
Ende der achtziger Jahre beabsichtigte die Klägerin, das vorhandene Gebäude auszubauen und noch zu errichtende Räumlichkeiten ihrer Tochter, die "in den Betrieb aufgenommen" werden sollte, zu Wohnzwecken zu überlassen.

Die Klägerin wollte die Entstehung eines steuerlichen Entnahmegewinns vermeiden und holte deshalb ein Gutachten der Steuerberatungsgesellschaft P. W. GmbH (im folgenden: PW) ein. Diese nahm mit Schreiben vom 17. Februar 1989 zu den steuerlichen Auswirkungen des Vorhabens Stellung und schlug vor, wie folgt vorzugehen: Es sollte eine Kommanditgesellschaft - mit der Klägerin als Komplementärin und der Tochter als Kommanditistin - gegründet werden; die Klägerin sollte den Gewerbebetrieb in die Kommanditgesellschaft einbringen, das - bei der Klägerin verbleibende - Grundeigentum entsprechend der künftigen Nutzung aufteilen und den auf die Tochter entfallenden Anteil (Wohnungseigentum) sodann auf diese schenkweise übertragen. Zur Klärung der noch bestehenden steuerlichen Risiken empfahl PW die Herbeiführung einer verbindlichen Auskunft der Finanzverwaltung. Auf einen entsprechenden Antrag der PW vom 22. März 1989 bestätigte das Finanzamt unter dem 2. Juni 1989, daß das Vorhaben ertragsteuerlich neutral sei. Das Finanzamt wies darauf hin, daß seine Auskunft nur bindend sei, wenn man sich an die darin zugrunde gelegte Vorgehensweise halte. Die PW griff diesen Hinweis in einem Schreiben an die Klägerin vom 5. Juni 1989, dem die Auskunft des Finanzamts beigefügt war, auf und bat um Beachtung, "daß die einzelnen Schritte wie dem Finanzamt geschildert verwirklicht werden".
Über die Einschaltung der PW wurden die Beklagten von der Klägerin unterrichtet. Diese überließ ihnen die schriftliche Stellungnahme der PW vom 17. Februar 1989. Mit Schreiben vom 8. März 1989 äußerten sich die Beklagten hierzu. Ob die Beklagten ihrerseits das Finanzamt anschrieben, um dessen verbindliche Auskunft herbeizuführen, ist zwischen den Parteien streitig. Am 4. Juli 1989 nahm der Beklagte zu 2 an einer abschließenden Besprechung der
Klägerin mit PW über den Inhalt der Auskunft des Finanzamts und die weitere Vorgehensweise teil.
Ende 1989 schloß die Klägerin den Vertrag über die Gründung der Kommanditgesellschaft ab und ließ die Teilungserklärung beurkunden. Im Januar 1990 begann sie mit dem Bau der für die Tochter bestimmten Räumlichkeiten. Am 20. Februar 1990 erörterten die Klägerin und der Beklagte zu 1 den Stand der Angelegenheit. Das Ergebnis des Gesprächs wurde von den Beklagten mit Schreiben vom 22. Februar 1990 bestätigt. Darin erinnerten die Beklagten an den nunmehr - falls nicht bereits geschehen - als nächstes vorzunehmenden Schritt der Schenkung des Wohnungseigentums an die Tochter. Am 21. März 1990 übertrug die Klägerin das Wohnungseigentum. Die Wohnung wurde nach Fertigstellung von der Tochter bezogen.
Später erkannte das Finanzamt die Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter nicht als ertragsteuerneutral an, weil schon zuvor mit dem Bau begonnen worden sei. Darin sei bereits die Entnahme zu sehen. Im Zeitpunkt der Übertragung habe der gemäß § 52 Abs. 15 Satz 10 EStG a.F. erforderliche betriebliche Zusammenhang gefehlt. Die entsprechenden Steuerbescheide wurden bestandskräftig.
Die Klägerin beziffert den durch den steuerlichen Anfall des Entnahmegewinns entstandenen Schaden auf insgesamt 179.149 DM. Sie nimmt die Beklagten in Höhe dieses Betrages auf Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Für die Zeit vor dem 20. Februar 1990 könne den Beklagten die mangelnde Beratung über die nach dem Gutachten der PW und der Auskunft des Finanzamts zu unternehmenden Schritte nicht vorgeworfen werden. Die Klägerin habe diesen Komplex aus dem mit den Beklagten bestehenden Beratungsverhältnis herausgenommen und insofern die PW als Spezialberaterin eingeschaltet. Unter diesen Umständen hätten die Beklagten die Klägerin allenfalls dann beraten müssen, wenn nach den Stellungnahmen der PW und des Finanzamts erkennbar noch Beratungsbedarf bestanden hätte. Dies sei bis zum 20. Februar 1990 nicht der Fall gewesen, weil die Beklagten so lange keine
Anhaltspunkte dafür gehabt hätten, daß die Klägerin die Ausführungen der PW und die Auskunft des Finanzamts mißverstanden habe.
Dies habe sich zwar am 20. Februar 1990 geändert. An diesem Tage hätten die Beklagten erfahren, daß die Klägerin mit dem Bau der für ihre Tochter vorgesehenen Wohnung begonnen habe, ohne zuvor die entsprechenden Miteigentumsanteile auf die Tochter übertragen gehabt zu haben. Auf die sich daraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen, über die sich die Beklagten im klaren gewesen seien, hätten sie die Klägerin hinweisen müssen. Dies hätten sie pflichtwidrig unterlassen. Indessen stehe nicht fest, daß dadurch der eingetretene Schaden verursacht worden sei. Ob es am 20. Februar 1990 noch Möglichkeiten gegeben habe, die steuerlichen Nachteile zu vermeiden , könne offenbleiben. Denn die Klägerin, welche die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht für sich in Anspruch nehmen könne, habe nicht ausschließen können, daß sie zum damaligen Zeitpunkt in jedem Falle das Wohnungseigentum auf die Tochter übertragen und somit die Steuernachteile ausgelöst hätte.

II.


Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht auszuschließen, daß die Beklagten ihre Pflichten schon im Sommer 1989 schuldhaft verletzt haben. Eine Pflichtverletzung könnte darin gesehen werden, daß die Beklagten
die Klägerin damals nicht davor gewarnt haben, vor der Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter mit dem Bau zu beginnen.

a) Beauftragt jemand, der sich laufend von einem Steuerberater beraten läßt, für ein bestimmtes Vorhaben einen Spezialisten mit der Erarbeitung eines steuerlichen Konzepts, ist allerdings nicht ohne weiteres davon auszugehen, daß der allgemeine Steuerberater das Konzept des Spezialisten eigenverantwortlich zu prüfen und den Mandanten über die Vorzüge und Nachteile zu beraten hat. Ebensowenig hat er die Ausführung dieses Konzepts zu überwachen. Er muß den Mandanten vor der Verwirklichung des Konzepts nur warnen , wenn er erkennt, daß dieses an einem Mangel leidet, der für den Mandanten eine Gefahrenlage begründet, und annehmen muß, daß der Mandant diese Gefahr nicht kennt (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 1997 - IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1394; v. 9. Juli 1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247 - jeweils zur Anwaltshaftung). Für eine derartige Kenntnis der Beklagten ist im vorliegenden Fall nichts vorgetragen.
Die Revision rügt jedoch mit Erfolg, daß die Ansicht des Berufungsgerichts , die Beklagten seien in die steuerliche Beratung der Klägerin bezüglich der von ihr beabsichtigten und durchgeführten baulichen und betrieblichen Veränderungen nicht eingebunden gewesen, auf einer unzureichenden Ausschöpfung des Prozeßstoffs (§ 286 ZPO) beruht. Das Berufungsgericht hat besondere Umstände, die darauf hindeuten, daß die Beklagten trotz Einschaltung der PW ein sich auf dieselbe Angelegenheit beziehendes Beratungsmandat hatten, entweder in ihrer Bedeutung verkannt oder überhaupt nicht berücksichtigt.
Das Berufungsgericht hat zwar nicht außer acht gelassen, daß die Beklagten von der Klägerin über die Einschaltung der PW und deren unter dem 17. Februar 1989 abgegebene Stellungnahme unterrichtet worden sind und daß der Beklagte zu 2 an der Besprechung vom 4. Juli 1989, in der die Auskunft des Finanzamts und das weitere Vorgehen erörtert wurden, teilgenommen hat. Es hat diese Umstände aber für unerheblich gehalten, weil die Stellungnahmen der PW und des Finanzamts nicht "erkennbar erläuterungsbedürftig" gewesen seien. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es mit der Frage, ob ein Beratungsmandat bestand, nichts zu tun.
Nicht berücksichtigt hat das Berufungsgericht den eigenen Vortrag der Beklagten, im vorliegenden Fall sei von einer Doppelbeauftragung auszugehen : Neben dem aus Anlaß des besonderen Problems hinzugezogenen Spezialisten seien sie - die Beklagten - "begleitend" im Rahmen ihres allgemeinen Auftrags tätig geworden. Daß sich die "Begleitung" gerade auf das hier in Rede stehende Vorhaben bezog, könnte sich aus dem - ebenfalls unberücksichtigt gebliebenen - unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin ergeben, die Beklagten seien mit deren Vorhaben bereits befaßt gewesen, ehe sie die PW eingeschaltet habe. Für dieses Vorbringen könnte ein Schreiben der Beklagten vom 8. März 1989 sprechen, dessen Nichtberücksichtigung die Revision rügt. Darin erklärten die Beklagten, sie stimmten "mit dem ... Gutachten (der PW) ... im wesentlichen überein, zumal sich der Lösungsvorschlag ... mit dem von uns (Beklagten) seinerzeit unterbreiteten Vorschlag" decke. Daraus ergibt sich, daß die Beklagten die Klägerin in der Sache beraten haben und daß sie damit auch nach Vorliegen des Gutachtens der PW befaßt geblieben sind. Immerhin haben sie inhaltlich zu dem Gutachten der PW - zustimmend - Stellung genommen. Außerdem haben sie an der Umsetzung der Lösung mitgewirkt, die PW
entwickelt hatte und die angeblich auch den zuvor von den Beklagten gemachten Vorschlägen entsprach. Sie richteten unter dem Datum des 8. März 1989 eine Anfrage an das Finanzamt, um eine verbindliche Auskunft herbeizuführen , oder trugen sich - falls sie, wie sie im zweiten Rechtszug behauptet haben, die bereits vorbereitete Anfrage mit Rücksicht auf das gleichartige Schreiben der PW nicht abgeschickt haben sollten - doch mit einer entsprechenden Absicht. Schließlich nahmen die Beklagten an den ausgedehnten Besprechungen vom 4. Juli 1989 und 20. Februar 1990 teil.

b) Die Belehrungsbedürftigkeit der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Unrecht verneint.
aa) Die steuerrechtliche Lage war verwickelt und risikobehaftet.
Die Klägerin wollte auf dem ihr gehörenden Grundstück für ihre Tochter angemessenen Wohnraum zur Verfügung stellen, zu diesem Zweck Wohnungseigentum bilden und dieses schenkweise übertragen. Da es sich um das Betriebsgrundstück handelte, war der Wert des Wohnungseigentums als Entnahmegewinn zu versteuern. Ausnahmsweise bleibt der Entnahmegewinn nach § 52 Abs. 15 Satz 11 EStG a.F. außer Ansatz, wenn der "Grund und Boden ... dadurch entnommen wird, daß auf diesem Grund und Boden die (selbst genutzte ) Wohnung des Steuerpflichtigen oder eine Altenteilerwohnung errichtet wird". Im vorliegenden Fall mußte die Tochter deshalb zunächst Mitunternehmerin werden. Das konnte geschehen durch die Gründung einer Kommanditgesellschaft , in welche die Klägerin den Betrieb einbrachte, und Übernahme eines Kommanditanteils durch die Tochter. Als nächstes mußte das betriebliche Grundvermögen in das Sonderbetriebsvermögen der Klägerin überführt
und sodann auf alle Mitunternehmer aufgeteilt werden. Erst danach durfte die Tochter ihr Sonderbetriebsvermögen - das zuvor geschenkte Wohnungseigentum - entnehmen. Sobald an dieser Reihenfolge etwas geändert wurde, geriet der Steuervorteil in Gefahr. Insbesondere dann, wenn die Entnahme bereits zu einem Zeitpunkt erfolgte, bevor das Sonderbetriebsvermögen auf die Tochter übertragen war, mußte die steuerliche Privilegierung scheitern.
Noch wesentlich gesteigert wurde das Risiko dadurch, daß es Schwierigkeiten bereiten konnte, den Zeitpunkt der Entnahme eindeutig zu bestimmen. Eine Entnahme erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Entnahmehandlung, die von einem Entnahmewillen getragen ist. Dazu reicht aber ein schlüssiges Verhalten des Steuerpflichtigen aus, durch das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird (BFHE 114, 189, 195; BFH BStBl. II 1985, 395, 396; II 1988, 418, 421; BFH/NV 1990, 424, 425). Wird ein Betriebsgrundstück mit einem später privat genutzten Gebäude oder Gebäudeteil bebaut, ist die Entnahme spätestens mit dem Beginn der endgültigen Nutzung vollzogen (BFH/NV 1990, 424, 425). Der Bundesfinanzhof hat aber teilweise eine Entnahme auch schon in dem Zeitpunkt angenommen, in dem der Betriebsinhaber einem Angehörigen oder Gesellschafter die Bebauung des Betriebsgrundstücks zu eigenen Wohnzwecken gestattete (BFHE 148, 466, 468; BFH BStBl. II 1988, 418 ff.). Mußte vor Errichtung des neuen Wohngebäudes ein Betriebsgebäude abgebrochen werden, hat es der Bundesfinanzhof nicht für ausgeschlossen gehalten, bereits in dem Abbruch eine Entnahme zu erblicken (BFHE 137, 317, 320). In anderen Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof ausgesprochen, bei beabsichtigten Baumaßnahmen könne eine Entnahme
schon vor (BFH/NV 1990, 424, 425) bzw. mit Baubeginn (BFH/NV 1993, 405, 406) angenommen werden.
Angesichts dieser - schon im Jahre 1989 erkennbaren - Rechtslage war es für die Klägerin gefährlich, die Konzeption der von ihr vorzunehmenden Veränderungen auf der Meinung aufzubauen, die Entnahme sei erst mit der Fertigstellung des Bauvorhabens vollendet. Auf eben dieser Annahme beruhte jedoch die Planung der PW. Sie hatte in ihrer Stellungnahme vom 17. Februar 1989 (dort unter Ziffer 2.5.1) erklärt, sie gehe davon aus, "daß das Grundstück anteilig und die jeweilige Wohnung nach Fertigstellung der Baumaßnahme mit Einzug entnommen wird".
bb) Dazu, ob die Gefahr für die Klägerin deutlich auf der Hand lag und ob sie die Reihenfolge der Schritte kannte, bei welcher die Gefahr vermieden wurde, hat sich das Berufungsgericht widersprüchlich geäußert: Einerseits hat es ausgeführt, sowohl die Anfrage der PW als auch die Auskunft des Finanzamts hätten klar erkennen lassen, daß die Entnahme - die auch im Baubeginn habe gesehen werden können - der Vollziehung der Schenkung habe nachfolgen müssen; an der Notwendigkeit, die Reihenfolge der einzelnen Schritte einzuhalten , hätten also "vernünftigerweise kaum Zweifel bestehen" können. Andererseits hat das Berufungsgericht eingeräumt, aus der Stellungnahme der PW und der Auskunft des Finanzamts habe sich möglicherweise "nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit ergeben, daß bereits der Baubeginn definitiv als Entnahme anzusehen sein würde".
Tatsächlich bestand die vom Berufungsgericht teilweise angenommene Klarheit nicht. Zwar hatte die PW (unter Ziffer 2.5.1 ihrer Stellungnahme) dar-
auf hingewiesen, die Fertigstellung sei "nach der Rechtsprechung der späteste Termin". Es sei "durchaus eine frühere Entnahme denkbar, z.B. der Baubeginn". Damit war aber die Gefahrenlage nicht ausreichend offengelegt. Denn im selben Zusammenhang hatte PW ausgeführt: "Sollten bei Baubeginn die Miteigentumsanteile an den Grundstücken als entnommen gelten, so ist die Entnahme ebenfalls steuerfrei nach den o.g. Vorschriften". Diese Aussage konnte den Eindruck entstehen lassen, letztlich komme es nicht entscheidend darauf an, ob bereits der Baubeginn oder erst die Baufertigstellung als Entnahme zu qualifizieren sei. Diesem Mißverständnis konnten weitere Passagen der Stellungnahme Vorschub leisten. So schrieb die PW unter Ziffer 2.1, "die Aufteilung" (des Grundstücks in Miteigentum) sei "auch vor Baubeginn möglich". Richtigerweise hätte gesagt werden müssen, daß Aufteilung und Übertragung zwingend vor Baubeginn zu erfolgen hatten. Weiter hieß es in der Stellungnahme : "Nach erfolgter Aufteilung schenkt Ihre Mutter (Klägerin) Ihnen ... den Miteigentumsanteil" und "Die Bebauung kann durch die jeweiligen Eigentümer erfolgen, die gemeinschaftlich den Bauauftrag vergeben". Diese Aussagen konnten ebenfalls dahin mißdeutet werden, daß die Bebauung zwar nach der Neuordnung des Eigentums erfolgen konnte, aber nicht mußte.
Bestand schon nach der Stellungnahme vom 17. Februar 1989 keine ausreichende Klarheit, so wurde die Klägerin durch die Anfrage der PW vom 22. März 1989 beim Finanzamt, von der die Klägerin alsbald Kenntnis erhielt, vollends in die Irre geführt. In der Anfrage hat die PW ihr Konzept anhand von Schritten entwickelt, die nacheinander vorgenommen werden sollten. Als erster Schritt sollte die Betriebsgesellschaft gegründet werden, als zweiter war - nach Teilung des Grundstücks - der Um- und Ausbau vorgesehen, und in einem dritten Schritt sollte die Klägerin das Wohnungseigentum ihrer Tochter schen-
ken. Diese Reihenfolge - auf der die PW mit Schreiben an die Klägerin vom 5. Juni 1989 noch besonders bestand - legte genau das Verhalten nahe, das die Klägerin später gezeigt und das ihren Schaden verursacht hat.
Durch die Auskunft des Finanzamts wurde die bestehende Unklarheit nicht beseitigt. Zwar ergab sich aus jener, daß die Übertragung auf die Tochter der Entnahme vorauszugehen hatte; was unter der Entnahme zu verstehen war, blieb jedoch offen.
cc) Die Beklagten konnten nicht davon ausgehen, daß die Klägerin mit dem Bau erst nach Erledigung aller anderen Schritte anfangen würde.
Daß die Klägerin dies zunächst vorgehabt habe, dann aber anderen Sinnes geworden sei, haben die Beklagten selbst nicht behauptet. Der Inhalt der Anfrage der PW an das Finanzamt vom 22. März 1989, an die zu halten die PW die Klägerin noch eigens aufgefordert hatte (vgl. ihr Schreiben vom 5. Juni 1989), legte - wie bereits ausgeführt - es umgekehrt nahe, daß die Klägerin schon vor der Übertragung des Wohnungseigentums mit dem Ausbau beginnen würde.
Ob die Beklagten - wie zwischen den Parteien streitig ist - über den Baubeginn informiert wurden, ist unerheblich.

c) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagten zu keinem Zeitpunkt die Klägerin darüber aufgeklärt haben, sie dürfe erst nach Vollzug der anderen Schritte mit den Baumaßnahmen beginnen.

d) Falls die Beklagten eine Beratungspflicht traf, war die Verletzung dieser Pflicht schuldhaft. Bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten sie erkennen müssen, daß sich die Klägerin im Unklaren darüber befinden konnte, wann sie mit den Baumaßnahmen beginnen dürfe. Die Problematik des Entnahmezeitpunkts bei der Bebauung von Betriebsgrundstücken wurde schon seinerzeit in den gängigen Erläuterungsbüchern behandelt (vgl. z.B. Schmidt/Heinicke, EStG 8. Aufl. 1989 § 4 Rdnr. 59 Stichwort "Bebauung" m. Nachw. a.d. Rspr.). Darüber hinaus mußten einerseits der ausdrückliche Hinweis im Gutachten der PW und andererseits die fehlsame Art und Weise, wie PW das Problem behandelte, sowie die Unklarheit, mit der das Finanzamt sich dazu äußerte, die Aufmerksamkeit der Beklagten wecken.

e) Hätten die Beklagten die Klägerin beizeiten - sei es in der Besprechung vom 4. Juli 1989, sei es später vor Beginn der Bauarbeiten - in der gebotenen Weise aufgeklärt, so kann der Beweis des ersten Anscheins (vgl. BGHZ 123, 311, 315; BGH, Urt. v. 9. November 1995 - IX ZR 161/94, WM 1996, 71, 73; v. 10. Dezember 1998 - IX ZR 358/97, WM 1999, 645, 646; v. 18. November 1999 - IX ZR 402/97, WM 2000, 35, 38; v. 18. November 1999 - IX ZR 153/98, WM 2000, 193, 196) dafür sprechen, daß die Klägerin sich beratungsgerecht verhalten und erst nach Übertragung des Wohnungseigentums mit dem Bau begonnen hätte. Dies wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen. Dafür, daß der frühere Baubeginn Vorteile bot, die das steuerliche Risiko aufgewogen hätten oder sogar als minder gewichtig hätten erscheinen lassen, ist nichts vorgetragen.
2. Rechtsfehlerhaft ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ursächlichkeit der für den 20. Februar 1990 angenommenen Pflichtverletzung
lasse sich nicht feststellen, weil die Klägerin nicht habe ausschließen können, daß sie zum damaligen Zeitpunkt in jedem Falle das Wohnungseigentum auf die Tochter übertragen und somit die Steuernachteile ausgelöst hätte.

a) Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Beklagten seien zur Aufklärung der Klägerin über ihr fehlerhaftes Vorgehen verpflichtet gewesen, weil sie am 20. Februar 1990 erkannt hätten, daß die Klägerin von der durch das Finanzamt vorgegebenen Reihenfolge abgewichen sei, und sich zudem über die steuerlichen Auswirkungen im klaren gewesen seien, ist jedenfalls dann zutreffend, wenn es an dem fraglichen Tag noch möglich war, den Steuerschaden zu vermeiden. Ob diese Möglichkeit bestand, hat das Berufungsgericht offengelassen. Konnte der Steuerschaden noch abgewendet werden - zum Beispiel dadurch, daß die Klägerin die Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter unterließ -, war dieser Weg sicherer als der von den Beklagten eingeschlagene. Diese haben stillschweigend "auf das Prinzip Hoffnung gesetzt", nämlich darauf vertraut, das Finanzamt werde den vorzeitigen Baubeginn entweder nicht bemerken oder "ein Auge zudrücken". Die Beklagten haben nicht nur die Aufklärung über den sichereren Weg unterlassen, sondern die Klägerin sogar veranlaßt, nunmehr die angeblich als "nächsten Schritt" anstehende Eigentumsübertragung vorzunehmen.

b) Das Berufungsgericht hat gemeint, für die Kausalitätsprüfung komme es allein darauf an, ob die Klägerin bei richtiger Beratung von der Eigentumsübertragung auf die Tochter Abstand genommen hätte. Insofern könne sich die Klägerin nicht auf die Regeln des Anscheinsbeweises (Vermutung beratungsgerechten Verhaltens) stützen, weil nach der Lebenserfahrung nicht nur ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte. Die Klägerin hätte sich entschei-
den müssen, ob sie von der vorgesehenen Übertragung auf ihre Tochter absah oder jene vornahm und deren mögliche Steuerschädlichkeit in Kauf nahm. Wie diese Entscheidung ausgefallen wäre, sei offen.
Diese Erwägungen rechtfertigen es - wie die Revision mit Recht rügt - nicht, von der Anwendung der Regeln des Anscheinsbeweises abzusehen. Nach dem Sachverhalt, von dem in der Revisionsinstanz auszugehen ist, bestand der vom Berufungsgericht ausgemachte Entscheidungskonflikt nicht. Es hat unterstellt, daß es - von der Klägerin aufgezeigte - Gestaltungsalternativen gab, welche die von der Klägerin erlittenen Steuernachteile vermieden hätten. Allen diesen Alternativen sei gemeinsam gewesen, daß die Übertragung des Wohnungseigentums auf die Tochter unterblieb. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin hätte die Tochter jede Entscheidung mitgetragen, die den Steuernachteil vermieden hätte. Sie wäre insbesondere bereit gewesen , auf die Übertragung des Wohnungseigentums zu verzichten. Da das Berufungsgericht diesen Beweis nicht erhoben hat, ist für die Revisionsinstanz von dem Vortrag der Klägerin auszugehen. Gab es aber einen sicheren Weg, die Steuernachteile zu vermeiden, und war die Tochter bereit, ihm mitzugehen, lag es nach der Lebenserfahrung nahe, daß die Klägerin den Beklagten, falls sie diese Möglichkeit vorgeschlagen hätten, gefolgt wäre.
Wenn der Klägerin, wie das Berufungsgericht gemeint hat, keine Beweiserleichterungen zustatten kämen, wäre dennoch die Beweiswürdigung zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin trotz richtiger Beratung die Eigentumswohnung auf die Tochter übertragen hätte. Denn die Klägerin habe bei ihrer Anhörung erklärt, nicht sagen zu können , wie sie sich verhalten hätte. Es spreche einiges dafür, daß sie die Eigen-
tumswohnung trotz des damit verbundenen steuerlichen Risikos auf die Tochter übertragen hätte, weil diese den Ausbau finanziert habe. Das ist - wie die Revision zureffend rügt - in zweifacher Hinsicht fehlerhaft. Zum einen hat das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang den unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin außer acht gelassen, daß die Tochter zur Vermeidung von Steuernachteilen auf die Übertragung der Eigentumswohnung verzichtet hätte. Zum anderen trifft die Prämisse des Berufungsgerichts, die Finanzierung sei Sache der Tochter gewesen, möglicherweise nicht zu. Nach dem Inhalt des das Ergebnis der Anhörung wiedergebenden Berichterstattervermerks hat das Berufungsgericht die Klägerin gefragt, "was sie getan hätte, wenn im Februar 1990 ... der Beklagte zu 1 ihr erklärt hätte, daß das von PW erarbeitete Steuerkonzept hinfällig sei". Darauf hat die Klägerin geantwortet: "Dann hätte ich die 3. Etage nicht ausbauen können, weder ich noch der Betrieb hätten die finanziellen Mittel gehabt. Meine Tochter konnte das finanzieren; sie hätte die 3. Etage zu Ende bauen müssen." Daraus ergibt sich, daß die Tochter nur bei einem Scheitern des bisher zugrunde gelegten Steuerkonzepts (ertragsteuerneutrale Durchführung des Vorhabens) als Geldgeber hätte einspringen müssen. Davon, daß das Steuerkonzept gescheitert war, konnte aber nach dem - hier als richtig zu unterstellenden - Vortrag der Klägerin nicht ausgegangen werden, ging es doch gerade darum, die ertragsteuerneutrale Durchführung alternativ zu gestalten.
3. Das Landgericht hat ein Mitverschulden der Klägerin verneint. Das Berufungsgericht ist - von seinem Standpunkt aus konsequent - darauf nicht eingegangen.
Der Standpunkt des Landgerichts erweist sich als zutreffend. Für ein eigenes Verschulden der Klägerin ist nichts vorgetragen. Im übrigen kann nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Geschädigten nach Treu und Glauben nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGHZ 134, 100, 114 f; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung 1999 Rdnr. 1151 m.w.N.). Ebensowenig muß sich die Klägerin den - allerdings nicht zu bezweifelnden - Schadensbeitrag der PW als Mitverschulden zurechnen lassen, weil gegebenenfalls die PW und die Beklagten nebeneinander mandatiert waren und rechtlich selbständig tätig geworden sind, jedenfalls die PW nicht den Auftrag hatte, die Beklagten zu überwachen oder einen von diesen begangenen Fehler zu beheben (vgl. BGH, Urt. v. 26. Juni 1997 - IX ZR 163/96, WM 1997, 1901, 1903 m.w.N.).

III.


Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht - auch nicht im Sinne des vom Landgericht erlassenen Grundurteils - zur Entscheidung reif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird unter Berücksichtigung der unter II 1 a erwähnten Gesichtspunkte erneut zu prüfen haben, ob die Beklagten in die steuerliche Beratung der Klägerin bezüglich der von ihr geplanten und durchgeführten baulichen und betrieblichen Veränderungen eingebunden waren.

Jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht ein Beratungsmandat für den Zeitraum bis zum Baubeginn wiederum verneinen sollte, wird es der Frage nachgehen müssen, ob danach - insbesondere am 20. Februar 1990 - die steuerlichen Nachteile noch hätten abgewendet werden können. Gegebenenfalls wird es die Ursächlichkeit der für den 20. Februar 1990 angenommenen Pflichtverletzung neu untersuchen müssen.
Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter Wagenitz
14
b) Im Falle eines Beratungsvertrages kann dem zu Beratenden regelmäßig nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750; v. 18. Dezember 1997 - IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 304; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265; v. 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141; v. 20. März 2008 - IX ZR 238/06, WM 2008, 950, 952 Rn. 17; Zugehör, in: Zugehör/Fischer/Sieg/ Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 1235). Dies gilt auch im Verhältnis des steuerlichen Beraters zu seinem Mandanten (Zugehör, aaO Rn. 1235). Die steuerliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Mandats obliegt allein dem Steuerberater. Selbst wenn ein Mandant über steuerrechtliche Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (vgl. BGH, Urt. v. 24. Juni 1993 - IX ZR 216/92, aaO; v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, aaO; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141, 1143 Rn. 21). Der Berater, der seine Vertragspflicht zur sachgerechten Beratung verletzt hat, kann deshalb gegenüber dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Mandanten nach Treu und Glauben nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er sich auf die Beratung verlassen und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urt. v. 4. Mai 2000 - IX ZR 142/99, WM 2000, 1591, 1595 unter Bezugnahme auf BGHZ 134, 100, 114 f).
21
4. Auch gegen den Umfang des zuerkannten Schadensersatzanspruchs und die Ablehnung eines anrechnungsfähigen Mitverschuldens des Klägers (§ 254 BGB) bringt die Revision nichts vor. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Mitverschulden des Anlageinteressenten im Falle eines Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten nur unter besonderen Umständen zur Anrechnung kommt, weil sich der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen darf (s. dazu BGHZ 100, 117, 125; BGH, Urteile vom 25. November 1981 - IVa ZR 286/80 - NJW 1982, 1095, 1096; vom 26. September 1997 - V ZR 65/96 - NJW-RR 1998, 16 und vom 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02 - NJW 2004, 1868, 1870, jeweils m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 132/08
vom
23. September 2010
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 23. September 2010

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 4. Juni 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 37.801,71 € festgesetzt.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat aber keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
2
1. Die von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob sich ein Rechtsanwalt, der einen Beratungsfehler begangen hat, im Rahmen des Mitverschuldens darauf berufen darf, der Mandant hätte seiner Auskunft nicht vertrauen dürfen, weil er sich mit einem anderen Anwalt ebenfalls über die Angelegenheit unterhalten habe und ihm dort eine andere - im vorliegenden Fall die richtige - Rechtsauskunft erteilt worden sei, ist geklärt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann ein haftpflichtiger Berater seinem geschädigten Mandanten im Allgemeinen kein Mitverschulden vorwerfen, soweit er den entstandenen Schaden nach dem Vertragsinhalt - vor allem im rechtlichen Bereich - zu verhindern hatte (BGH, Urt. v. 17. November 1994 - IX ZR 208/93, WM 1995, 212, 213; v. 17. Januar 2002 - IX ZR 182/00, NJW 2002, 1048, 1049; v. 24. Mai 2005 - IX ZR 276/03, WM 2005, 1902, 1903). Gleichfalls kommt ein Mitverschulden des Mandanten regelmäßig nicht in Betracht, soweit es um den Bereich der rechtlichen Bearbeitung des erteilten Auftrags geht (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 - IX ZR 41/91, NJW 1992, 820; v. 4. Juni 1996 - IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2652; v. 15. April 1999 - IX ZR 328/97, NJW 1999, 2183, 2188; v. 24. Januar 2002 - IX ZR 228/00, NJW 2002, 1421, 1424). Abweichend vom Regelfall kann unter besonderen Umständen der Einwand des Mitverschuldens bei Beratungsfehlern eingreifen, wenn zum Beispiel Warnungen oder ohne weiteres erkennbare Umstände, die gegen die Richtigkeit des von dem Berater eingenommenen Standpunkts sprechen, nicht genügend beachtet werden (vgl. BGH, Urt. v. 19. Januar 1977 - VIII ZR 211/75, WM 1977, 334, 337; v. 25. November 1981 - IVa ZR 286/80, NJW 1982, 1095, 1096). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Aufgrund der von ihm aufgezeigten besonderen Umstände hat es annehmen können, dass der Kläger nach dem ihm obliegenden Gebote der Wahrung des eigenen Interesses gehalten war, dem Beklagten zu 3 die seitens des Zeugen Rechtsanwalt L. erteilte Rechtsauskunft mitzuteilen.
3
2. Die unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeitssicherung geltend gemachten Rügen der Beschwerde greifen gleichfalls nicht durch. Das Berufungsgericht konnte aufgrund der Würdigung der beiden Aussagen des Zeugen L. davon ausgehen, dass der Kläger leichtfertig seiner Obliegenheit, den Beklagten zu 3 auf den vom Zeugen L. erhaltenen fundierten Rechtsrat hinzuweisen , nicht nachgekommen ist.
4
Von 3. einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Ganter Gehrlein Vill
Fischer Grupp

Vorinstanzen:
LG Kaiserslautern, Entscheidung vom 28.02.2007 - 3 O 1232/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 04.06.2008 - 1 U 76/07 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 118/03 Verkündet am:
11. Januar 2005
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
§ 651 f Abs. 2 BGB

a) Kann der Reiseveranstalter infolge einer Überbuchung den Kunden nicht an
dem gebuchten Urlaubsort unterbringen und tritt der Kunde deshalb die Reise
nicht an, so steht dem Kunden wegen Vereitelung der Reise ein Entschädigungsanspruch
nach § 651 f Abs. 2 BGB zu.

b) Wenn der Kunde ein Ersatzangebot des Reiseveranstalters ablehnt, das,
gemessen an den subjektiven Urlaubswünschen des Kunden, der gebuchten
Reise nicht gleichwertig ist, kann der Veranstalter dem Entschädigungsanspruch
des Kunden nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung
(§ 242 BGB) entgegenhalten.

c) Arbeitet ein erwerbstätiger Kunde während der Urlaubszeit weiter oder führt
er eine ihm nicht vom Reiseveranstalter angebotene Ersatzreise durch, so
steht dies seinem Entschädigungsanspruch nicht entgegen.

d) Für die Höhe der Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit
darf das Arbeitseinkommen nicht zum Maßstab genommen werden, wohl
aber der Reisepreis (Aufgabe von BGHZ 63, 101 ff.; 77, 120 f.).
BGH, Urt. v. 11. Januar 2005 - X ZR 118/03 - LG Hannover
AG Hannover
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Juli 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger verlangen Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.
Sie buchten und bezahlten bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Flugreise auf die Malediven-Insel N. F. für die Zeit vom 13. bis zum 27. April 2002 zu einem Gesamtpreis von 4.976,-- €. Eine Woche vor dem vereinbarten Reisebeginn teilte die Beklagte den Klägern mit, daß das von ihnen gewählte Hotel überbucht sei, und bot ihnen ein Ausweichquartier auf einer anderen Malediven-Insel an. Die Kläger nahmen dieses Ersatzangebot nicht an,
sondern kündigten mit Schreiben vom 10. April 2002 den Reisevertrag. Die Beklagte erstattete ihnen den gezahlten Reisepreis. Die Kläger verlangen darüber hinaus eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 75,-- € pro Tag und Person für 14 Urlaubstage, insgesamt also 2.100,-- €.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie begehrt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat der Klage mit folgender Begründung stattgegeben :
Der Entschädigungsanspruch der Kläger sei unabhängig von der Kündigung allein deshalb, weil die Beklagte die Reise durch zu vertretende Überbuchung vereitelt habe, nach § 651 f Abs. 2 1. Altern. BGB begründet. Die Kläger seien nicht verpflichtet gewesen, das Ersatzangebot der Beklagten anzunehmen. Ob den Reisenden eine Pflicht zur Annahme des Ersatzangebots treffe, sei lediglich unter den Gesichtspunkten des Mitverschuldens und eines Verstoßes gegen Treu und Glauben zu prüfen, die aber beide dem Anspruch der Kläger nicht entgegenstünden. Es könne im vorliegenden Fall offenbleiben, ob der Reisende ein Ersatzangebot aus gefühlsmäßigen oder nur aus sachlichen Gründen ablehnen dürfe. Denn die Kläger hätten ihre Ablehnung sachlich begründet. Dies
ergebe sich bereits aus der nicht zu beanstandenden Feststellung des Amtsgerichts , daß das Ersatzangebot der vertraglich vereinbarten Reise nicht gleichwertig gewesen sei, vielmehr eine Minderung des Reisepreises um 30 % gerechtfertigt hätte. Der strenge Maßstab des § 651 e Abs. 1 BGB, der eine Kündigung des Reisevertrages erst bei Mängeln erlaube, die eine Minderung um mehr als 50 % geböten, sei bei der Prüfung eines Mitverschuldens oder eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nicht anzulegen.
Auch die Höhe der von den Klägern begehrten Entschädigung sei nicht zu beanstanden, da sie in einem angemessenen Verhältnis zum Reisepreis stehe und der Anspruch auch nicht im Hinblick auf den zu Hause verbrachten Urlaub zu kürzen sei, weil ein Urlaub in B. im April dem geplanten Urlaub auf den Malediven nicht nahekomme.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
1. Keinen Erfolg hat die Verfahrensrüge der Revision, daß das Berufungsurteil die Berufungsanträge nicht wiedergebe.
Die die Abfassung von Berufungsurteilen erleichternde Vorschrift des § 540 Abs. 1 ZPO, wonach das Urteil anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen nur die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit einer Darstellung etwaiger Änd erungen und Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung zu enthalten braucht, bezieht sich nicht auf die Berufungsanträge. Diese muß das Berufungsgericht in sein Urteil aufnehmen. Sie brauchen allerdings nicht wörtlich wiedergegeben zu werden, sondern es kann genügen, daß aus den Ausführungen des Berufungsgerichts deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel und was der Berufungsbeklag-
te im Berufungsverfahren erstrebt hat (BGH, Urt. v. 10.02.2004 - VI ZR 94/03, NJW 2004, 1389 unter II 2).
Hier läßt das Berufungsurteil den Inhalt der Berufungsanträge - noch - erkennen. Aus der im Tenor ausgesprochenen nicht nur teilweisen, sondern gänzlichen Änderung des erstinstanzlichen Urteils in Verbind ung mit der in den Gründen enthaltenen Aussage, das Rechtsmittel der Kläger habe in vollem Umfang Erfolg, ist ersichtlich, daß der Berufungsantrag der Kläger dem Tenor des Berufungsurteils entsprochen haben muß. Daß die Beklagte die Zurückweisung der klägerischen Berufung beantragt hat, geht daraus hervor, daß das Berufungsgericht ein streitiges Urteil, also kein Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil, erlassen hat.
2. Soweit die Revision sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht einen Entschädigungsanspruch der Kläger nach § 651 f Abs. 2 BGB dem Grunde nach bejaht hat, bleibt sie ebenfalls erfolglos.

a) Nach § 651 f Abs. 2 BGB kann der Reisende, wenn die Reise vereitelt oder beeinträchtigt wird, auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Diese Vorschrift erweitert hinsichtlich des Anspruchsumfangs die Regelung des § 651 f Abs. 1 BGB, daß der Reisende unbeschadet der Minderung (§ 651 d BGB) oder der Kündigung (§ 651 e BGB) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat. Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach Absatz 2 der Vorschrift hat daher zunächst einmal dieselben Voraussetzungen wie der Schadensersatzanspruch nach Absatz 1. Zusätzliche haftungsbegründende Voraussetzung ist die Vereitelung oder eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise. Hier liegen alle
anspruchsbegründenden Voraussetzungen des geltendgemachten Entschädigungsanspruchs vor.

b) Nicht nur ein Mangel der Reise im werkvertraglichen Sinne, sondern auch die vollständige Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung kann einen Anspruch nach § 651 f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB begründen. Umstände , die die gesamte Reise oder Einzelleistungen wie Beförderung, Unterbringung , Verpflegung und sonstige Betreuung ganz oder teilweise unmöglich machen , oder eine Leistungsverweigerung des Reiseveranstalters verhindern oder mindern den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen der Reise und werden daher vom reisevertraglichen Gewährleistungsrecht der §§ 651 c ff. BGB einschließlich des § 651 f BGB erfaßt (BGH, Urt. v. 23.09.1982 - VII ZR 22/82, NJW 1983, 35 u. I 3 a).
Wenn hier die Beklagte den Klägern erklärte, daß sie sie nicht auf der Insel N. F. unterbringen könne, weil die dortigen Quartiere überbucht seien, so lag dem entweder die Unmöglichkeit der vertraglich geschuldeten Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) oder eine Leistungsverweigerung zugrunde. Die Kläger hatten unter den ihnen angebotenen verschiedenen Malediven-Inseln eine Wahl getroffen und nach dem Inhalt des Reisevertrages einen Urlaub auf der von ihnen ausgesuchten Insel gebucht. Bei der gebuchten Reise handelte es sich deshalb nicht etwa um eine Gattungs- oder Wahlschuld der Beklagten des Inhalts, daß sie für die Kläger einen Urlaub auf irgendeiner, erst nach Vertragsschluß von ihr zu bestimmenden Insel der Malediven bewerkstelligen mußte. Die Leistungspflicht der Beklagten war vielmehr auf die gebuchte Insel N. F. konkretisiert; nur durch die Verschaffung eines Urlaubs auf gerade dieser Insel konnte die Beklagte ihrer Leistungspflicht genügen. Ebenso wenig hatten die Parteien eine Ersetzungsbefugnis der Beklagten vereinbart. Der Bundesgerichtshof hat auch bereits entschieden, daß der Reiseveranstalter nicht berech-
tigt ist, den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen Urlaubsort unterzubringen (BGH, Urt. v. 23.09.1982, aaO). Das Angebot der Beklagten, die Kläger auf einer anderen als der gebuchten Malediven-Insel einzuquartieren, änderte daher nichts daran, daß sie die Vertragserfüllung ablehnte.

c) Das Verschulden des Reiseveranstalters - oder seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) - wird nach § 651 f Abs. 1 BGB vermutet. Die Beklagte hat nichts zu ihrer Entlastung vorgetragen.

d) Die Reise ist auch vereitelt worden. Kann oder will der Reiseveranstalter den Reisevertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen, z.B. infolge einer Überbuchung , und führt dies dazu, daß der Kunde die Reise nicht antritt, so wird die Reise vereitelt. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß eine Vereitelung der Reise anzunehmen ist, wenn der gegen seinen Willen an einem anderen Urlaubsort untergebrachte Reisende die Reise alsbald abbricht (Urt. v. 23.09.1982 unter I 2; vgl. auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 1078 und 1994, 950). Dies gilt genauso, wenn der Kunde aus dem gleichen Grund schon den Antritt der Reise ablehnt.

e) Damit sind alle Anspruchsvoraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs der Kläger nach § 651 f Abs. 2 BGB erfüllt. Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, bedurfte es einer zusätzlichen Kündigung des Reisevertrages nach § 651 e Abs. 1 BGB nicht. Für den Anspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB brauchen auch nicht die Voraussetzungen einer Kündigung vorzuliegen. Denn der Wortlaut des Absatz 1, wonach der Anspruch "unbeschadet der Minderung oder Kündigung" gegeben ist, besagt, daß die verschiedenen Gewährleistungsansprüche unabhängig nebeneinander bestehen (so auch Erman /Seiler, BGB, 11. Aufl., § 651 f Rdn. 1; Staudinger/J. Eckert, BGB (2004), § 651 f Rdn. 9). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Reise, falls die Kläger
das Ersatzangebot angenommen hätten, infolge der Unterschiede zwischen dem ursprünglich gebuchten und dem ersatzweise angenommenen Urlaubsort erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Diese Voraussetzung gilt nur für eine Kündigung , nicht aber für einen Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise (so zutreffend OLG Düsseldorf, aaO; OLG Frankfurt RRa 1995, 224).

f) Die Beklagte kann dem Entschädigungsanspruch der Kläger auch nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) mit der Begründung entgegensetzen, die Kläger hätten ein gleichwertiges Ersatzangebot nicht angenommen.
(1) Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung muß der Einwendende darlegen. Grundsätzlich obliegt es deshalb nicht dem Reisenden, Rechtfertigungsgründe für seine Nichtannahme des Ersatzangebotes vorzutragen (so richtig OLG Celle NJW-RR 2002, 1711), sondern ist es Sache des Reiseveranstalters, besondere Umstände darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen, deretwegen die Ablehnung des Reisenden ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstieß. Diese Umstände müssen letztlich den Schluß rechtfertigen, daß nicht die Unterschiede zwischen den beiden Reiseleistungen der hauptsächliche Beweggrund des Reisenden für seine Ablehnung waren, sondern daß ihn andere, im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht schutzwürdige Motive antrieben, etwa schlichte Vertragsreue.
(2) Gründe, die die Ablehnung des Ersatzangebots der Beklagten durch die Kläger als treuwidrig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Frage, ob ein Rechtsmißbrauch schon anzunehmen ist, wenn das Ersatzangebot unter Berücksichtigung der subjektiven Wünsche des Reisenden der gebuchten Reise gleichwertig war, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn das Ersatzangebot der Beklagten war nicht gleichwertig. Das Berufungs-
gericht hat diesbezüglich in rechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung darauf abgestellt, daß die Kläger schnorcheln und tauchen wollten und daß für diese Zwecke die ersatzweise angebotene Insel, so ähnlich sie ansonsten der gebuchten gewesen sein mag, weniger geeignet war, weil ihr ein Hausriff fehlt, das für Urlauber, die schnorcheln und tauchen wollen, eine erstrebenswerte Bequemlichkeit darstellt. Auf die von der Revision angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts, das Amtsgericht habe wegen der Unterschiede zwischen den beiden Inseln zutreffend eine Minderung des Reisepreises um 30 % für gerechtfertigt gehalten, kommt es dabei nicht an. Es geht allein darum, ob die Ablehnung einer anderen als der gebuchten Reise gegen Treu und Glauben verstieß. Dies ist aus den bereits genannten Gründen nicht schon dann der Fall, wenn die Annahme des Ersatzangebotes zu keiner größeren Beeinträchtigung des Reisenden geführt hätte.
3. Auch hinsichtlich der Höhe des Anspruchs hat die Revision keinen Erfolg. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Festsetzung der Entschädigung auf etwa die Hälfte des Reisepreises läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Unbegründet ist die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, die Kläger müßten erst noch beweisen, daß sie in der geplanten Reisezeit zuhause geblieben seien. Der Senat tritt nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung bei, daß der Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise auch davon abhängt, wie der Kunde die für die Reise vorgesehene Zeitspanne verbracht hat (vgl. z.B. Erman/Seiler, aaO Rdn. 7, 8; Führich, Reiserecht , 4. Aufl. Rdn. 345; MünchKomm./Tonner, BGB, 4. Aufl., § 651 f Rdn. 29, 32; Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 67; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast , 2. Aufl., § 651 f BGB Rdn. 4). Vielmehr steht mit der Vereitelung der Reise zugleich der haftungsausfüllende Tatbestand der vertanen Urlaubszeit fest.

(1) Der Wortlaut des § 651 f Abs. 2 BGB, wonach der Reisende bei Vereitelung oder erheblicher Beeinträchtigung der Reise "auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit" eine Entschädigung verlangen kann, besagt nicht, daß er einen Entschädigungsanspruch (nur) für den Fall haben soll, daß er seine Urlaubszeit infolge der Vereitelung nutzlos aufgewendet hat. Bereits dies legt die Auslegung nahe, daß in der Formulierung "wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit" lediglich das gesetzgeberische Motiv für die Regelung zum Ausdruck kommt und deshalb bei einer Vereitelung der Reise nur noch in Frage steht, ob im Einzelfall eine Entschädigung ausnahmsweise nicht erforderlich und welcher Geldbetrag ansonsten zu zahlen ist. Auch der Umstand, daß der Gesetzgeber der Vereitelung eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zur Seite gestellt und beide Tatbestände gleichermaßen als ausreichende Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch angesehen hat, läßt in Verbindung mit der Tatsache , daß bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise die aufgewendete Urlaubszeit mit Sicherheit - ganz oder teilweise - vertan ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Entwurf eines Gesetzes über den Reiseveranstaltervertrag , BT-Drucks. 8/786 S. 30), die gesetzgeberische Wertung erkennen, daß auch bei Vereitelung der Reise von einer so schwerwiegenden Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Leistungserfolges auszugehen ist, daß eine Entschädigung dafür geboten ist, daß der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte, wie vom Veranstalter geschuldet. Über die Höhe der Entschädigung ist damit noch nichts gesagt. Insbesondere liegt es im Ermessen des Tatrichters , in Bagatellfällen von der Zuerkennung einer Entschädigung abzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.1991 - VI ZR 120/91, NJW 1992, 1043).
(2) Aber nicht nur der Wortlaut des Gesetzes, sondern auch der Sinn und Zweck der Entschädigung, dem Kunden einen Ausgleich für die entgangene Urlaubsfreude zu verschaffen, sprechen dafür, daß bei Vereitelung der Reise
ohne weiteres eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geboten ist. Mit der Vereitelung der Reise steht fest, daß der Kunde den von ihm geplanten konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit, nämlich den Erfolg der von ihm beim Reiseveranstalter gebuchten Reise, nicht erreichen kann. In diesem Zusammenhang sind die Streitfragen zu beantworten, ob die Entstehung eines immateriellen Schadens verhindert wird, wenn ein berufstätiger Reisekunde den ihm vom Arbeitgeber bewilligten oder selbst organisierten Urlaub widerruft, stattdessen weiterarbeitet und seinen Urlaub auf später verschiebt oder wenn er in der geplanten Reisezeit eine andere Reise durchführt, die ihm nicht der Reiseveranstalter angeboten hat (Ersatzurlaub). Diese Fragen sind in Rechtsprechung und Schrifttum streitig (gegen einen Entschädigungsanspruch bei Weiterarbeit BGHZ 82, 219, 227; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 573; Erman/Seiler, aaO Rdn. 8; dafür LG Frankfurt NJW-RR 1991, 315; Führich, aaO Rdn. 353; Staudinger /J. Eckert, aaO Rdn. 69; gegen einen Entschädigungsanspruch bei Ersatzurlaub : Führich, aaO Rdn. 351; Soergel/H.W. Eckert, BGB, 12. Aufl., § 651 f Rdn. 15; Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 70; dafür Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 651 f Rdn. 6; Bartl, NJW 1979, 1385, 1388). Nach Ansicht des erkennenden Senats beeinträchtigen Weiterarbeit und Ersatzurlaub den Entschädigungsanspruch nicht. Weder sind diese Umstände bei der Schadensberechnung einzusetzen - was zur Folge hätte, daß ein möglicher Schaden letztlich doch nicht entstanden wäre -, noch findet insoweit eine Vorteilsanrechnung statt. Denn in beiden Fällen hat der Kunde aufgrund eigener Initiative, um die Zeit seiner geplanten, aber vereitelten Reise doch noch nutzbringend zu gestalten, Anstrengungen entfaltet, zu denen er dem Reiseveranstalter gegenüber nicht verpflichtet war. Ein eigenes Verhalten des Geschädigten, zu dem er nicht aufgrund seiner Schadensabwendungs- und -minderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, darf aber wegen des Grundsatzes, daß überpflichtmäßige Anstrengungen des Geschädigten den Schädiger nicht entlasten sollen, weder in die Schadensberechnungsbilanz eingestellt werden, noch braucht der Geschä-
digte es sich im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen (BGHZ 55, 329, 332 ff.; Palandt/Heinrichs, vor § 249 Rdn. 125).

b) Gegen die vom Berufungsgericht festgesetzte Höhe der Entschädigung ist rechtlich nichts einzuwenden. Die Bemessung der Entschädigung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Die Würdigung des Tatrichters kann vom Revisionsgericht nur in engen Grenzen nachgeprüft werden, insbesondere darauf, ob er die für die Bemessung maßgeblichen Kriterien nicht verkannt, alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt und sich um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zum Umfang der Beeinträchtigung bemüht hat (vgl. BGHZ 85, 168, 170; 92, 177, 183; 138, 388, 391 zum Schmerzensgeld; MünchKomm. /Prütting, ZPO, 2. Aufl., § 287 Rdn. 4). Auf der Grundlage dieser eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit läßt die Festsetzung des Berufungsgerichts keinen Rechtsfehler erkennen.
(1) Zu Unrecht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Entschädigung anhand des von den Klägern geltend gemachten durchschnittlichen täglichen Nettoverdienstes berechnet habe.
aa) Es ist zwar richtig, daß das Einkommen des Reisenden kein geeigneter Maßstab für die Höhe der Entschädigung ist. Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß vertane Urlaubszeit ein Vermögensschaden und dessen Richtgröße der Aufwand sei, den die Beschaffung zusätzlichen Urlaubs erfordern würde, also das Arbeitseinkommen (BGHZ 63, 98, 101 ff.; 77, 116, 120 f., 123), war dadurch begründet, daß nach § 253 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung wegen eines immateriellen Schadens Entschädigung in Geld nur in den vom Gesetz geregelten Fällen gefordert werden konnte und damals eine gesetzliche Ersatzpflicht des Reiseveranstalters für den immateriellen Schaden des Reisenden noch fehlte. Diese Rechtsprechung
ist durch die zum 1. Oktober 1979 erfolgte Einführung des § 651 f Abs. 2 BGB hinfällig geworden. Denn für die dort geregelte Entschädigung sind nach dem Willen des Gesetzgebers immaterielle Momente, insbesondere die entgangene Urlaubsfreude, von Bedeutung (Begründung des Regierungsentwurfs aaO; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/2343 S. 11; BGHZ 85, 168, 171 f.). Auch die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG) ist dahin auszulegen, daß sie dem Verbraucher einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, einschließlich des Schadens wegen entgangener Urlaubsfreude , verleiht, der auf der Nichterfüllung oder mangelhaften Erfüllung des Reisevertrages beruht (EuGH Slg. I 2002, 2631 Gründe Nr. 22-24). Der immaterielle Charakter des durch die vertane Urlaubszeit entstandenen Schadens führt dazu, daß nicht nur im Erwerbsleben stehenden Reisenden, sondern auch nicht oder nicht mehr berufstätigen Personen wie etwa Schülern oder Rentnern eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zuzubilligen ist (Begründung des Regierungsentwurfs aaO; BGHZ 85, 168, 171 f.). Deshalb verbietet es sich, das Arbeitseinkommen zum Maßstab zu machen (so auch Führich, aaO Rdn. 352 b; Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 72, 74; Tonner, Der Reisevertrag, 4. Aufl., § 651 f BGB Rdn. 46). An der früheren, bereits zu § 651 f Abs. 2 BGB ergangenen Rechtsprechung, daß sowohl das Nettoeinkommen als auch der Reisepreis berücksichtigt werden können (BGH, Urt. v. 23.09.1982 - VII ZR 22/82, NJW 1983, 35 u. II 1, 2 a; Urt. v. 21.10.1982 - VII ZR 61/82, NJW 1983, 218 u. I 1 b), hält der Senat deshalb nicht mehr fest.
bb) Es bedarf keiner Erörterung, ob die Kläger, die nicht auf ihr individuelles Einkommen, sondern auf den Durchschnittsverdienst der Bevölkerung abgestellt haben, überhaupt im Sinne der früheren Kommerzialisierungsrechtsprechung das Einkommen zum Maßstab genommen haben. Denn jedenfalls ist ihnen das Berufungsgericht insoweit nicht gefolgt, das vielmehr allein auf das an-
gemessene Verhältnis der Entschädigungssumme zum Reisepreis abgestellt hat. Wenn der Reisepreis als Bemessungskriterium genommen wird, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (BGH, Urt. v. 23.09.1982 und v. 21.10.1982). Denn dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers, der keinen starren Maßstab für die Bemessung der Entschädigung festlegen wollte, aber dem Reisepreis und dem Ausmaß der Beeinträchtigung Bedeutung beimaß (Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses aaO). Die Berücksichtigung des Reisepreises rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß der Reisepreis zeigt, wieviel Geld der mit der geplanten Reise verbundene immaterielle Gewinn dem Kunden wert war (vgl. OLG Düsseldorf RRa 1994, 177; Führich, aaO; Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 36). Dies gilt jedenfalls für Pauschalreisen, die, wie hier, An- und Abreise und Unterkunft abdecken. Ob der an den Reiseveranstalter zu zahlende Preis als Bemessungsgrundlage auch dann ausreicht, wenn der Veranstalter nur eine Einzelleistung erbringt, oder ob dann der Gesamtaufwand berücksichtigt werden muß, den der Kunde für die geplante Reise aufbringen wollte (vgl. BGH, Urt. v. 23.09.1982, aaO u. II 2 a), kann im vorliegenden Fall offen bleiben.
Da die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Reisepreis zum Maßstab zu nehmen, rechtlich nicht zu beanstanden ist, bedarf es im vorliegenden Fall auch keiner Prüfung, ob daneben andere Maßstäbe zulässig sind und insbesondere feste, sowohl vom Einkommen als auch vom Reisepreis unabhängige Tagessätze verwendet werden dürfen, wie sie zum Beispiel das Landgericht Frankfurt am Main (RRa 2003, 26) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (RRa 2003, 14) ihrer Bemessung der Entschädigung als Ausgangspunkt zugrundelegen.
(2) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, etwa die Hälfte des Reisepreises als Entschädigungssumme anzusetzen, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Tatrichter hat die Höhe der Entschädigung bei einer Vereitelung der
Reise nach den Umständen des jeweiligen Falles zu bemessen. Der Vorschlag von Führich (aaO Rdn. 352 b), für jeden gänzlich vertanen Urlaubstag die zeitanteilige Quote des vollen Reisepreises anzusetzen, der dazu führt, daß der Reisende nicht nur aufgrund der Befreiung von seiner Pflicht zur Gegenleistung (§§ 326 Abs. 1 Satz 1, 812 BGB) den gezahlten Reisepreis zurückverlangen, sondern den gleichen Betrag als Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB noch einmal fordern kann, mag ein angemessenes Ergebnis erbringen, wenn die Reise durchgeführt wurde, aber so schwer beeinträchtigt war, daß, verglichen mit dem Ausbleiben der vertraglich geschuldeten Leistung, die mit der Beeinträchtigung verbundenen Belastungen des Reisenden einen zusätzlichen Ausgleich erfordern. Bei Vereitelung der Reise hingegen ist die tatrichterliche Bemessung der Entschädigung mit der Hälfte des Reisepreises revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(3) Unbegründet ist auch die Revisionsrüge, daß das Berufungsgericht den Resterholungswert unberücksichtigt gelassen habe, der einem zuhause verbrachten Urlaub zukomme.
Der Senat hält nicht an der bisherigen Rechtsprechung fest, wonach der Resterholungswert eines zuhause verbrachten Urlaubs einen Schadensminderungsposten darstellt, den der Tatrichter bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigen muß (dafür früher BGHZ 77, 116, 122; BGH, Urt. v 23.09.1982 u. I 4 b; so auch MünchKomm./Tonner, aaO Rdn. 32 ff.; Palandt/Sprau, aaO § 651 f Rdn. 6; Staudinger/J. Eckert, aaO Rdn. 68; dagegen Führich, aaO Rdn. 350). Der Erholungswert eines häuslichen Urlaubs beruht auf der zuhause genossenen Freizeit. Freizeitwert hat ein Urlaub aber mit oder ohne Reise. Er ist mithin nicht Gegenstand der vom Reiseveranstalter geschuldeten Leistung. Ihn will der Kunde nicht mit dem Reisepreis erkaufen; er hat nichts mit dem Gewinn zu tun, den der Kunde sich gerade von der Reise, d.h. von dem Ortswechsel,
verspricht. Deshalb ist der reine Freizeitwert des vereitelten Urlaubs vom Reiseveranstalter nicht zu entschädigen. Dann darf aber auch kein Abzug von der Entschädigung erfolgen, wenn dieser Freizeitwert dem Kunden erhalten bleibt, wie es bei einem zuhause verbrachten Urlaub der Fall ist.
Melullis Scharen Ambrosius
Mühlens Meier-Beck

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.