Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2017 - V ZR 120/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:270117UVZR120.16.0
bei uns veröffentlicht am27.01.2017
vorgehend
Amtsgericht Merzig, 26 C 218/13, 31.01.2014
Landgericht Saarbrücken, 5 S 40/14, 15.04.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 120/16 Verkündet am:
27. Januar 2017
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AGJusG SL § 37a Abs. 1 Nr. 1; EGZPO § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Im Saarland unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen
Streitschlichtung für Nachbarrechtsstreitigkeiten nach § 37a Abs. 1 Nr. 1
AGJusG SL.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2017 - V ZR 120/16 - LG Saarbrücken
AG Merzig
ECLI:DE:BGH:2017:270117UVZR120.16.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 15. April 2016 und das Urteil des Amtsgerichts Merzig vom 31. Januar 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht Merzig zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Der Kläger errichtete an der gemeinsamen Grenze eine Einfriedung bestehend aus einem Maschendrahtzaun mit Betonpfosten und Randbefestigungssteinen. Ein im Jahr 2010 wegen der Beseitigung abgestorbener Bäume zwischen den Parteien durchgeführtes Schlichtungsverfahren blieb erfolglos. Im vorliegenden Verfahren verlangt der Kläger von der Beklagten Ausgleich für den an der Einfriedung entstandenen Schaden, der durch vom Grundstück der Beklagten auf sein Grundstück hinüber gewachsenes Wurzelwerk entstanden sein soll; der Klage- antrag ist mit 4.710 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten beziffert.
2
Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


3
Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, weil das in § 37a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des saarländischen Gesetzes zur Ausführung bundesrechtlicher Justizgesetze (in der Fassung vom 16. Mai 2007, nachfolgend: AGJusG SL) bei Streitigkeiten über Ansprüche wegen Überwuchses nach § 910 BGB vorgeschriebene Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Erforderlich sei ein Schlichtungsversuch auch bei Zahlungsansprüchen, die ihre Grundlage in § 910 BGB hätten.
4
Nach zutreffender, wenn auch umstrittener Ansicht umfasse die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO nicht nur Beseitigungs - und Unterlassungsansprüche, sondern auch Zahlungsansprüche. Der Landesgesetzgeber habe von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Her- ausnahme der vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 600 € aus § 37a AGJusG SL im Jahre 2007 habe nicht dazu geführt, dass auch Zahlungsansprüche aus Nachbarrechts- und Ehrschutzstreitigkeiten nicht mehr der obligatorischen Streitschlichtung unterlägen. Für diese Bereiche habe der Gesetzge- ber das Erfordernis eines Schlichtungsverfahrens ausdrücklich beibehalten wollen.

II.


5
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AGJusG SL ist die Erhebung einer Klage zwischen im Saarland wohnhaften Parteien in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Überwuchses nach § 910 BGB erst zulässig, nachdem von einer zugelassenen Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Zutreffend geht das Berufungsgericht noch davon aus, dass ein solcher Schlichtungsversuch vorliegend nicht unternommen wurde. Das im Jahre 2010 durchgeführte Schlichtungsverfahren betraf mit der Beseitigung von abgestorbenen Bäumen eine andere Rechtsfolge und damit einen anderen Streitgegenstand als die Klage, mit der der Kläger Geldersatz von Schäden durch den Überwuchs von Wurzelwerk verlangt. Entgegen der Ansicht des Klägers wären die Streitgegenstände folglich selbst dann nicht identisch, wenn Gegenstand des Schlichtungsverfahrens überhängende Baumreste und damit ebenfalls ein Überwuchs im Sinne von § 910 BGB gewesen sein sollte.
7
2. Im Saarland unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung für Nachbarrechtsstreitigkeiten nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 AGJusG SL.
8
a) Die mit § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO geschaffene Ermächtigung des Landesgesetzgebers, die Zulässigkeit der Klageerhebung von einem vorhe- rigen Schlichtungsversuch abhängig zu machen, bezieht sich auf „Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 des Bürger- lichen Gesetzbuches…“. Ob hierunter auch Beseitigungs-,Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche fallen, soweit die geltend gemachten Ansprüche ihre Grundlage darin finden, dass Äste oder Wurzeln über eine Grundstücksgrenze hinausgewachsen sind, ist umstritten (Nachw. im Urteil des Senats vom 19. Februar 2016 - V ZR 96/15, NJW-RR 2016, 823 Rn. 10). Die von dem Senat bislang offen gelassene Frage (vgl. Urteil vom 10. Juli 2009 - V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238 Rn. 9; Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 169/11, NZM 2012, 435 Rn. 7; Urteil vom 19. Februar 2016 - V ZR 96/15, aaO) bedarf auch hier keiner Entscheidung.
9
b) Auf den Streit kommt es nicht an, weil § 37a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AGJusG SL einen Schlichtungsversuch vor der Erhebung der Klage zu den ordentlichen Gerichten für eine Zahlungsklage nicht vorschreibt, selbst wenn diese im Zusammenhang mit einem Nachbarrechtstreit steht. Diese Einschränkung findet zwar im Wortlaut der Vorschrift keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte der Norm.
10
aa) Die Vorschrift des § 37a Abs. 1 Nr. 1 AGJusG SL entspricht wörtlich den Bestimmungen des hessischen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG HE), des nordrhein -westfälischen (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 JustG NRW) und des rheinlandpfälzischen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 LSchlG RP) Landesrechts. Diese Vorschriften legt der Senat eng in dem Sinne aus, dass ein Schlichtungsversuch in diesen Bundesländern für eine auf Zahlung gerichtete Klage auch dann nicht vorgeschrieben ist, wenn der Anspruch aus dem Nachbarrecht hergeleitet wird (Urteil vom 10. Juli 2009 - V ZR 69/08, aaO, Rn. 10; Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 169/11, aaO, Rn. 9; Urteil vom 19. Februar 2016 - V ZR 96/15, aaO, Rn. 11). Zu dieser Auslegung ist der Senat auf Grund der jeweiligen Entste- hungsgeschichte der Normen gelangt. In Hessen und Nordrhein-Westfalen - die Besonderheiten der Rechtslage in Rheinland-Pfalz sind vorliegend nicht von Relevanz - hatte der Gesetzgeber zunächst von der Ermächtigung des § 15a EGZPO umfassend Gebrauch gemacht, das Erfordernis einer obligatorischen Streitschlichtung für vermögensrechtliche Ansprüche jedoch später wieder aufgehoben. Dem lag in beiden Bundesländern die Erwägung zu Grunde, dass sich die obligatorische Streitschlichtung für vermögensrechtliche Ansprüche nicht bewährt hatte, weil das Mahnverfahren nach § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO schlichtungsfrei bleiben musste und sich der an sich vorgeschriebene Schlichtungsversuch deshalb durch Geltendmachung des Zahlungsanspruchs im Mahnverfahren vermeiden ließ. Der Gesetzgeber wollte in beiden Ländern als Konsequenz hieraus Geldforderungen schlechthin, auch bei einer nachbarrechtlichen Grundlage, schlichtungsfrei stellen (Nachw. im Urteil des Senats vom 19. Februar 2016 - V ZR 96/15, aaO, Rn. 12).
11
bb) Für einen anders gerichteten Willen des saarländischen Gesetzgebers - der sich wie die Gesetzgeber in Hessen und Nordrhein-Westfalen an den Erfahrungen der anderen Bundesländer und dem Abschlussbericht einer damit befassten Bund-Länder-Arbeitsgruppe orientiert hat (LT-Drucks. 13/1320, S. 1; PlProt. 13/38, S. 2257) - bietet die Entstehungsgeschichte von § 37a Abs. 1 Nr. 1 AGJusG SL keine Anhaltspunkte. Auch im Saarland hatte der Gesetzgeber zunächst von der Ermächtigung des § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO weitgehend Gebrauch gemacht und für vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert von bis zu 1.200 DM den obligatorischen Schlichtungsversuch vorgesehen (Gesetz vom 21. Februar 2001, ABl. SL 2001, 532), diese Regelung aber im Jahr 2007 wieder aufgehoben (Gesetz vom 16. Mai 2007, ABl. SL 2007, 1226). Zur Begründung wurde angeführt, dass insbesondere die Schlich- tung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis 600 € offenbar nicht angenom- men werde. Der nach dem Inkrafttreten des Landesschlichtungsgesetzes zu beobachtende Anstieg der Mahnverfahren lasse die Vermutung zu, dass häufig die sogenannte „Flucht ins Mahnverfahren“ angetreten werde, auch wenn die- ser Effekt angesichts des ähnlichen Anstiegs der Zahl der Mahnverfahren in Bundesländern ohne Landesschlichtungsgesetz nicht sicher auf das obligatorische Schlichtungsverfahren zurückgeführt werden könne (LT-Drucks. 13/1320, S. 2). Dies spricht dafür, dass auch der saarländische Gesetzgeber Geldforderungen schlechthin, auch bei einer nachbarrechtlichen Grundlage, schlichtungsfrei stellen wollte.
12
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (vgl. auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 22. Januar 2015 - 4 U 34/14, juris Rn. 51; LG Saarbrücken, Urteil vom 30. März 2012 - 13 S 156/11, juris Rn. 15) auch nicht daraus, dass es in dem Gesetzesentwurf der Landesregierung heißt, dass Nachbarrechts- und Ehrschutzstreitigkeiten weiter für schlichtungsgeeignet angesehen würden, weil ihnen typischerweise gestörte zwischenmenschliche Beziehungen zugrunde lägen, so dass das Erfordernis des Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung für diese Bereiche beibehalten werden solle (LTDrucks. 13/1320, S. 2). Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber auch die weniger beziehungsgeprägten Zahlungsklagen dem Erfordernis des Schlichtungsverfahrens unterwerfen wollte. Hiergegen spricht zudem, dass die Durchführung streitiger Verfahren nach vorangegangenem Mahnverfahren - aufgrund zwingender Vorgabe nach § 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO - auch im Saarland nach wie vor von dem obligatorischen Schlichtungsversuch ausgenommen bleibt (§ 37a Abs. 2 AGJusG SL), so dass das Erfordernis des Schlichtungsverfahrens bei Zahlungsklagen leicht umgangen werden könnte.
13
3. Die Erhebung der Klage setzte daher nicht die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens voraus, so dass die Klage nicht als unzulässig abgewiesen werden durfte.

III.


14
Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, weil sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - mit dem geltend gemachten Anspruch nicht in der Sache befasst hat.
15
Die Sache ist vorliegend nicht an das Berufungsgericht, sondern an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Das Revisionsgericht kann die Sache unmittelbar an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen, wenn die Zurückverweisung an dieses Gericht auch nach einer neuen Verhandlung die ermessensgerechte Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO wäre (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 2016 - V ZR 96/15, NJWRR 2016, 823 Rn. 19; Urteil vom 16. Oktober 2015 - V ZR 120/14, NJW 2016, 409 Rn. 14) und eine Partei die Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht in der Berufungs- oder Revisionsinstanz beantragt hat (§ 538 Abs. 2 Satz 1 aE). Dies ist hier der Fall. Die Parteien haben im Revisionsverfahren die Zu- rückverweisung in die erste Instanz beantragt und hierdurch zu erkennen gegeben , dass sie den Verlust einer Tatsacheninstanz nicht hinnehmen möchten. Schon deshalb ist es ermessensgerecht, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele
Haberkamp Hamdorf

Vorinstanzen:
AG Merzig, Entscheidung vom 31.01.2014 - 26 C 218/13 (08) -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 15.04.2016 - 5 S 40/14 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2017 - V ZR 120/16

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 910 Überhang


(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachb
Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2017 - V ZR 120/16 zitiert 3 §§.

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bei uns veröffentlicht am 16.10.2015

Tenor Auf die Revision des Klägers werden der Beschluss des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. April 2014 und das Urteil der 12. Zivilkammer des La

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(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

10
aa) Ob die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der rheinland-pfälzische Gesetzgeber in das Landesrecht übernommen hat, die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsversuchs nicht nur für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Artikel 124 EGBGB, sondern auch für Zahlungsansprüche erlaubt, die auf solche Vorschriften gestützt werden, ist umstritten. Nach überwiegender Ansicht ist das der Fall (OLG Zweibrücken, Urteil vom 9. Juli 2012 - 7 U 302/11, juris Rn. 75; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 1292; MüKoZPO/Gruber, 4. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 32; Prütting/Gehrlein/Barth, ZPO, 7. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 4; Staudinger/Albrecht, BGB [2012], Art. 124 EGBGB Rn. 44; ähnlich auch BVerfGK 15, 127, 133). Nach anderer Auffassung ist § 15a EGBGB eng auszulegen, mit der Folge, dass ein Schlichtungsversuch für nachbarrechtliche Zahlungsklagen nicht vorgeschrieben werden dürfte (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 15a EGZPO, Rn. 7; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 7). Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2009 - V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238 Rn. 9; Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 169/11, NZM 2012, 435 Rn. 7). Sie muss auch hier nicht entschieden werden.
7
a) Das könnte sich schon daraus ergeben, dass die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der nordrhein -westfälische Landesgesetzgeber wörtlich in das Landesrecht übernommen hat, nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, aber keine Zahlungsansprüche erfasst. Ob das der Fall ist, ist umstritten (Nachweise im Senatsurteil vom 10. Juli 2009 – V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238, Rn. 9). Der Senat hat die Frage in der zitierten Entscheidung offen gelassen. Sie muss auch hier nicht entschieden werden.
10
aa) Ob die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der rheinland-pfälzische Gesetzgeber in das Landesrecht übernommen hat, die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsversuchs nicht nur für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Artikel 124 EGBGB, sondern auch für Zahlungsansprüche erlaubt, die auf solche Vorschriften gestützt werden, ist umstritten. Nach überwiegender Ansicht ist das der Fall (OLG Zweibrücken, Urteil vom 9. Juli 2012 - 7 U 302/11, juris Rn. 75; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 1292; MüKoZPO/Gruber, 4. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 32; Prütting/Gehrlein/Barth, ZPO, 7. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 4; Staudinger/Albrecht, BGB [2012], Art. 124 EGBGB Rn. 44; ähnlich auch BVerfGK 15, 127, 133). Nach anderer Auffassung ist § 15a EGBGB eng auszulegen, mit der Folge, dass ein Schlichtungsversuch für nachbarrechtliche Zahlungsklagen nicht vorgeschrieben werden dürfte (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 15a EGZPO, Rn. 7; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 7). Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2009 - V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238 Rn. 9; Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 169/11, NZM 2012, 435 Rn. 7). Sie muss auch hier nicht entschieden werden.
7
a) Das könnte sich schon daraus ergeben, dass die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der nordrhein -westfälische Landesgesetzgeber wörtlich in das Landesrecht übernommen hat, nur Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, aber keine Zahlungsansprüche erfasst. Ob das der Fall ist, ist umstritten (Nachweise im Senatsurteil vom 10. Juli 2009 – V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238, Rn. 9). Der Senat hat die Frage in der zitierten Entscheidung offen gelassen. Sie muss auch hier nicht entschieden werden.
10
aa) Ob die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der rheinland-pfälzische Gesetzgeber in das Landesrecht übernommen hat, die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsversuchs nicht nur für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Artikel 124 EGBGB, sondern auch für Zahlungsansprüche erlaubt, die auf solche Vorschriften gestützt werden, ist umstritten. Nach überwiegender Ansicht ist das der Fall (OLG Zweibrücken, Urteil vom 9. Juli 2012 - 7 U 302/11, juris Rn. 75; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 1292; MüKoZPO/Gruber, 4. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 32; Prütting/Gehrlein/Barth, ZPO, 7. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 4; Staudinger/Albrecht, BGB [2012], Art. 124 EGBGB Rn. 44; ähnlich auch BVerfGK 15, 127, 133). Nach anderer Auffassung ist § 15a EGBGB eng auszulegen, mit der Folge, dass ein Schlichtungsversuch für nachbarrechtliche Zahlungsklagen nicht vorgeschrieben werden dürfte (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 15a EGZPO, Rn. 7; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 7). Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2009 - V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238 Rn. 9; Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 169/11, NZM 2012, 435 Rn. 7). Sie muss auch hier nicht entschieden werden.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

10
aa) Ob die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der rheinland-pfälzische Gesetzgeber in das Landesrecht übernommen hat, die Einführung eines obligatorischen Schlichtungsversuchs nicht nur für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Artikel 124 EGBGB, sondern auch für Zahlungsansprüche erlaubt, die auf solche Vorschriften gestützt werden, ist umstritten. Nach überwiegender Ansicht ist das der Fall (OLG Zweibrücken, Urteil vom 9. Juli 2012 - 7 U 302/11, juris Rn. 75; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 1292; MüKoZPO/Gruber, 4. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 32; Prütting/Gehrlein/Barth, ZPO, 7. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 4; Staudinger/Albrecht, BGB [2012], Art. 124 EGBGB Rn. 44; ähnlich auch BVerfGK 15, 127, 133). Nach anderer Auffassung ist § 15a EGBGB eng auszulegen, mit der Folge, dass ein Schlichtungsversuch für nachbarrechtliche Zahlungsklagen nicht vorgeschrieben werden dürfte (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 15a EGZPO, Rn. 7; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 7). Der Senat hat die Frage bislang offen gelassen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2009 - V ZR 69/08, NJW-RR 2009, 1238 Rn. 9; Urteil vom 2. März 2012 - V ZR 169/11, NZM 2012, 435 Rn. 7). Sie muss auch hier nicht entschieden werden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden der Beschluss des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. April 2014 und das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 13. Dezember 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht Kiel zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 2010 kaufte der in Deutschland ansässige Kläger von den in Dänemark ansässigen Beklagten ein Hausgrundstück in Schleswig-Holstein für 114.000 € unter Ausschluss einer Haftung für Sachmängel. Er erfuhr im Juli 2011 von einem Nachbarn, dass dieser sich im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit dem verstorbenen Vater der Beklagten auf die Erlaubnis, an das Haus auf dem Grundstück des Klägers anzubauen und auf einen Ausgleich in Höhe von 10.000 € geeinigt habe, wovon die Beklagten gewusst hätten. Er sieht sich von ihnen arglistig getäuscht und verlangt Ersatz für Aufwendungen und Nachteile, die ihm als Folge des Anbaus entstanden seien (Kostenermittlung 535,50 €, Renovierungskosten 19.249,50 €, Mietausfall 24.365 €, Kosten für den Hinzuerwerb einer Fläche von 1 m² für 250 €). Davon verlangt er Zahlung eines erstrangigen Teilbetrags von 19.499,50 € nebst Zinsen sowie Feststellung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung der Beklagten, ihm alle weiteren Aufwendungen „von der Hand zu halten, hilfsweise zu erstatten“, die ihm aus dem Anbau entstehen.

2

Das Landgericht hat die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht begründet die Abweisung der Klage als unzulässig mit der Erwägung, der einzige in Betracht zu ziehende Gerichtsstand in Deutschland, nämlich der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG Nr. L 12 S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 280/2009 vom 6. April 2009, ABl. EU Nr. L 93 S. 13 - EuGVVO alt) sei nicht begründet. Zwar gelte dieser Gerichtsstand auch für Sekundäransprüche. Dabei sei aber nicht auf den ursprünglichen Erfüllungsanspruch abzustellen, sondern auf die konkret streitige Verpflichtung. Das sei ein Zahlungsanspruch, so dass die Gerichte am Wohnsitz der Beklagten international zuständig seien.

II.

4

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.

5

1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestimmt sich im vorliegenden Fall noch nach den Bestimmungen der bisherigen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO alt). Diese Verordnung ist im Verhältnis zum Königreich Dänemark auf Grund von Art. 2 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19. Oktober 2005 (ABl. EU Nr. L 299 S. 62) anwendbar. Das gilt nach Art. 3 Abs. 1 des Abkommens nicht für Änderungen der genannten Verordnung wie die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU Nr. L 351 S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 2015/281 vom 26. November 2014, ABl. EU Nr. L 54 S. 1 - EuGVVO neu). Sie werden nach Art. 3 Abs. 2 des Abkommens erst nach einer entsprechenden Entscheidung Dänemarks anwendbar. Eine solche Entscheidung änderte indessen nach Art. 61 EuGVVO neu nichts an der Geltung der bisherigen Verordnung (EG) Nr. 44/2001, weil diese auf vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 eingeleitete Gerichtsverfahren wie das vorliegende weiterhin anzuwenden ist.

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2. Die deutschen Gerichte sind für den geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz wegen Sachmängeln aus dem Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 Buchstabe a EuGVVO alt international zuständig.

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a) Diese Vorschrift begründet zwar nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union keinen einheitlichen Gerichtsstand für alle Verpflichtungen aus einem Vertrag etwa an dem Ort, an dem die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen wäre (EuGH, Urteile vom 15. Januar 1987 - Rs. C-266/85 - Shenavai/Kreischer, ECLI:EU:C:1987:11 Rn. 17 f. und vom 5. Oktober 1999 - Rs. C-420/97 - Leathertex, ECLI:EU:C:1999:483 Rn. 36). In Abhängigkeit von den Orten, an denen sie zu erfüllen sind, können sich danach unterschiedliche Gerichtsstände für die einzelnen Primärverpflichtungen ergeben. Das bedeutet aber nicht, dass auch für die Primärverpflichtung und die aus ihrer Verletzung abgeleiteten Sekundärverpflichtungen unterschiedliche Gerichtsstände bestünden. Vielmehr bestimmt sich der Gerichtsstand solcher Ansprüche nicht danach, wo diese selbst zu erfüllen wären, sondern danach, wo der Primäranspruch, an den sie anknüpfen, zu erfüllen war oder erfüllt wurde (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1976 - Rs. C-14/76 - de Bloos, ECLI:EU:C:1976, 134 Rn. 15/17, vom 15. Januar 1987 - Rs. C-266/85- Shenavai/Kreischer, ECLI:EU:C:1987:11 Rn. 9 und vom 5. Oktober 1999 - Rs. C-420/97 - Leathertex, ECLI:EU:C:1999:483 Rn. 31; BGH, Urteile vom 11. Dezember 1996 - VIII ZR 154/96, BGHZ 134, 201, 205 und vom 7. Dezember 2000 - VII ZR 404/99, WM 2001 904, 905; öst. OGH, Beschluss 27. Januar 1998 - 7 Ob 375/97s, www.ris.bka.gr.at; Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Art. 7 EuGVVO [neu] Rn. 30; Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 5 EuGVVO [alt] Rn. 37). Diese Rechtsprechung ist zwar zu dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungs-Übereinkommen und dem Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ergangen. Der Gerichtshof hat aber entschieden, dass die hier noch anzuwendende bisherige Verordnung Nr. 44/2001 genauso auszulegen ist, ausgenommen nur den hier nicht gegebenen Fall, dass der Verordnungsgeber bewusst von dem Übereinkommen abgewichen ist (Urteil vom 23. April 2009 - Rs. C-533/07 - Falco, ECLI:EU:C:2009:257 Rn. 54 f.). Für den hier geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz wegen Sachmängeln ist deshalb der Erfüllungsort der Primärleistung des Verkäufers - der Verpflichtung zur Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem verkauften Grundstück - maßgeblich. Dieser bestimmt sich gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchstabe c VO (EG) Nr. 593/2008 (vom 17. Juni 2008, ABl. EU Nr. L 177 S. 6 - sog. Rom I-Verordnung) bei Grundstückskaufverträgen nach dem Belegenheitsstatut, hier also nach deutschem Recht. Danach liegt der Erfüllungsort in Deutschland.

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b) Das von dem Berufungsgericht angeführte Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Besix/WABAG (Rs. 256/00, ECLI:EU:C:2002, 99) ergibt nichts anderes. Danach ist zwar ein einheitlicher Erfüllungsort zu bestimmen, wenn eine vertragliche Primärverpflichtung an einer Vielzahl von Orten zu erfüllen ist, nämlich derjenige, zu dem der Streitgegenstand die engste Verknüpfung aufweist (aaO Rn. 32). Um eine solche Fallgestaltung geht es hier aber nicht. Der Schadensersatzanspruch wird aus der Verletzung der Primärverpflichtung abgeleitet, das verkaufte Grundstück in vertragsgemäßem Zustand zu übereignen und zu übergeben. Diese Verpflichtung ist nur in Deutschland zu erfüllen.

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c) Unbehelflich ist auch die Berufung auf die Urteile des OLG Saarbrücken vom 16. Februar 2011 (1 U 574/09, IPRax 2013, 74 Rn. 72 f.) und des OLG Köln vom 16. Dezember 2008 (9 U 47/07, juris Rn. 38, 44). Beide folgen der dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs.

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3. Auch für den weiter geltend gemachten, materiell-rechtlich konkurrierenden Anspruch des Klägers aus der Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten ist ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben.

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a) Es spricht viel dafür, dass der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO alt auch für solche Schadensersatzansprüche gegeben ist. Zwar können Ansprüche auf Schadensersatz wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 17. September 2001 - Rs. C-334/00 - Tacconi, ECLI:EU:C:2002:499 Rn. 23, 27) nicht in diesem Gerichtsstand, sondern nur im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO alt verfolgt werden, wenn es z. B. wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen nicht zum Vertragsschluss kommt (Beispiel: öst. OGH, JBl 2007, 800, 803) oder eine vertragsfremde Person, z.B. ein Vertreter ohne Vertretungsmacht, in Anspruch genommen werden soll (Beispiel: öst. OGH, ZfRV 2007, 112). Grund für die Zuordnung solcher Ansprüche zu dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist aber der Umstand, dass es in solchen Fällen an einer „freiwillig eingegangenen Verpflichtung“ fehlt (EuGH, Urteil vom 17. September 2001 - Rs. C-334/00 - Tacconi, ECLI:EU:C:2002:499 Rn. 23). Es liegt daher nicht fern anzunehmen, dass der Gerichtsstand des Erfüllungsorts der Primärleistung maßgeblich ist, auf die sich die verletzte vorvertragliche Pflicht bezieht, wenn - wie hier - der Vertrag tatsächlich zustande kommt und der Vertragspartner in Anspruch genommen wird (in diesem Sinne etwa: EuGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - Rs. C-180/06 - Ilsinger, ECLI:EU:C:2009:303 Rn. 57 allerdings obiter zu einer Gewinnzusage; Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Art. 7 EuGVVO [neu] Rn. 24; Leible in Rauscher, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 5 Brüssel I Verordnung [EuGVVO alt] Rn. 27 aE; Mankowski in Magnus/Mankowski, Brussels I Regulation, 2. Aufl., Art. 5 Rn. 55; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO [alt] Rn. 5; Jault-Seseke/Weller in Simons/Hausmann, Brüssel-I-Verordnung, dt. Ausgabe, Art. 5 Rn. 19; in diesem Punkt unklar: Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 5 EuGVVO [alt] Rn. 205; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 5 EuGVVO alt Rn. 75). Abschließend entschieden werden muss die Frage nicht, weil die deutschen Gerichte hier in einem wie im anderen Fall international zuständig sind.

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b) Können Ansprüche wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Gerichtstand des Erfüllungsorts geltend gemacht werden, käme es - ebenso wie bei Sekundäransprüchen - nicht auf den Ort an, an dem der aus der Verletzung folgende Anspruch zu erfüllen ist, sondern auf den Ort, an dem die Primärpflicht aus dem zustande gekommenen Vertrag zu erfüllen ist, auf die sich die verletzte Aufklärungspflicht bezieht. Denn die Zuständigkeit ist insoweit umfassend (Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht, Art. 7 EuGVVO [neu] Rn. 30). Das ist hier die in Deutschland zu erfüllende Eigentumsverschaffungspflicht. Müsste der aus der verletzten Aufklärungspflicht abgeleitete Anspruch im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung verfolgt werden, käme es nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO alt darauf an, wo das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Das sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort (Urteile vom 16. Mai 2013 - Rs. C-228/11 - Melzer, ECLI:EU:C:2013:305 Rn. 25 und vom 3. Oktober 2013 Rs. C-170/12 - Pinckney, ECLI:EU:C:2013, 635 Rn. 26). Beide liegen hier in Deutschland. Aufklärungspflichten sollen im Inland verletzt worden sein. Auch der Schaden ist im Inland eingetreten, da das Grundstück hier liegt und der Kläger hier ansässig ist.

III.

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Der Beschluss des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben. Weil sich die Vorinstanzen - bei ihrem Ausgangspunkt konsequent - mit den geltend gemachten Ansprüchen nicht inhaltlich befasst und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen haben, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif.

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Der Beschluss des Berufungsgerichts ist aufzuheben. Die Sache ist hier zur neuen Verhandlung und Entscheidung nicht an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, sondern an das Landgericht. Eine solche Möglichkeit hat der Bundesgerichtshof bislang für den Fall anerkannt, dass das Berufungsgericht auf Grund der neuen Verhandlung die Sache an das Landgericht zurückverweisen müsste (Urteil vom 24. September 1998 - IX ZR 371/97, BGHZ 139, 325, 333). Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zurückverweisung besteht nach geltendem Recht zwar nicht mehr. Die Zurückverweisung stünde nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO im Ermessen des Berufungsgerichts. Das Revisionsgericht kann die Sache aber unmittelbar an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen, wenn die Zurückverweisung an dieses Gericht auch nach einer neuen Verhandlung die ermessensgerechte Entscheidung des Berufungsgerichts wäre. So liegt es hier. Der Kläger hat die Zurückverweisung an das Landgericht schon im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren vor dem Senat beantragt. Die Beklagten haben nicht auf einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht bestanden und nichts dafür vorgebracht, was es rechtfertigen würde, dem Kläger die erste Tatsacheninstanz zu nehmen. Dann ist es ermessengerecht, wenn das Revisionsgericht die Sache unmittelbar an das Landgericht zurückverweist. Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch.

Stresemann                    Schmidt-Räntsch                    Czub

                     Kazele                                  Göbel