Bundesgerichtshof Urteil, 23. Nov. 2004 - VI ZR 357/03

bei uns veröffentlicht am23.11.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 357/03 Verkündet am:
23. November 2004
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Zur Bemessung der Nutzungsausfallentschädigung und des merkantilen Minderwerts
bei einem älteren Kraftfahrzeug.
BGH, Urteil vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03 - LG Kiel
AG Rendsburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 6. November 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1 als Kfz-Versicherer und die Beklagte zu 2 als Fahrerin des gegnerischen Fahrzeuges restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 25. Mai 2002 geltend. Dabei wurde der PKW der Klägerin, ein zum Unfallzeitpunkt 16 Jahre alter Mercedes Benz 200 D mit einer Laufleistung von ca. 164.000 km, beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten noch um die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung sowie um einen merkantilen Minderwert des Fahrzeuges der Klägerin infolge des Verkehrsunfalls. Die Beklagte zu 1 hat der Klägerin für 10 Tage Nutzungsausfall lediglich eine Entschädigung für Vorhaltekosten in Höhe von 25 € pro Tag, insgesamt 250 €, gezahlt. Das
Amtsgericht hat das Begehren der Klägerin auf Zahlung weiterer 404,50 € für den Nutzungsausfall und auf Zahlung von 248,68 € für einen merkantilen Minderwert abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat ihr das Landgericht weitere 90 € als Nutzungsausfallentschädigung zuerkannt. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit ihm das Berufungsgericht nicht entsprochen hat.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Anspruch der Klägerin auf Nutzungsausfallentschädigung für ihr Fahrzeug, das sich zum Unfallzeitpunkt nach Einschätzung des Gutachters in einem guten Pflegezustand befunden habe, sei trotz seines Alters und seiner Laufleistung nicht auf Ersatz der Vorhaltekosten beschränkt, sondern richte sich nach den Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch. Dabei müsse jedoch berücksichtigt werden, daß der Berechnung der Nutzungswerte der dort aufgeführten Fahrzeuggruppen Mietsätze für Neufahrzeuge zugrundegelegt seien, die ihrem Nutzer den Vorteil höherer Sicherheit und geringeren Kraftstoffverbrauches böten. Deshalb sei gemäß § 287 ZPO in der Tabelle eine Herabstufung um zwei Gruppen gerechtfertigt , wodurch sich die Nutzungsausfallentschädigung für das Fahrzeug der Klägerin nicht nach der Gruppe E, sondern nach der Gruppe C mit einem Tagessatz von 34 € richte. Abzüglich der bereits gezahlten 250 € stehe der Klägerin mithin für 10 Tage Nutzungsausfall ein weiterer Betrag von 9 € pro Tag, also insgesamt 90 € zu. Ein Anspruch auf Ausgleich eines merkantilen Minderwerts könne der Klägerin angesichts des hohen Alters, der hohen Laufleistung und des geringen Wiederbeschaffungswertes von 2.100 € trotz des
guten Pflegezustandes ihres Fahrzeuges nicht zuerkannt werden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß der Schaden nur nicht tragende Teile des Fahrzeugs betroffen habe.

II.

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. 1. Soweit die Revision meint, das Berufungsurteil sei bereits deshalb aufzuheben, weil sich aus ihm die Anträge der Klägerin nicht ergäben, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar kann auch nach neuem Recht auf die Aufnahme der Berufungsanträge grundsätzlich nicht verzichtet werden. Eine wörtliche Wiedergabe ist jedoch nicht erforderlich. Es genügt, daß aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (vgl. BGHZ 154, 99, 100 f.; 156, 97, 99; Senatsurteile vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - VersR 2004, 259, 260; und vom 10. Februar 2004 - VI ZR 94/03 - VersR 2004, 881, 882 m.w.N.; BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03 - NJW-RR 2004, 573, 574 m.w.N.). Das Begehren der Klägerin in der Berufungsinstanz ist hier eindeutig dem Satz des Berufungsurteils zu entnehmen: "Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag auf Zahlung von 653,18 € weiter". 2. Entgegen der Auffassung der Revision läßt das Berufungsurteil hinsichtlich der zugesprochenen Nutzungsausfallentschädigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin erkennen.
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem Eigentümer eines privat genutzten PKW, der durch einen Eingriff die Möglichkeit
zur Nutzung verliert, grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz seines Nutzungsausfallschadens zusteht (vgl. Senatsurteile BGHZ 45, 212 ff.; 56, 214, 215 f.; GSZ BGHZ 98, 212 f.; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1987 - X ZR 49/86 - NJW 1988, 484, 485 f.). Die Bemessung der Höhe des Anspruchs ist dabei in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode bindend vorzuschreiben, zumal einzelne Faktoren der speziellen Schadensberechnung zeitbedingt sind. Soweit es sich allerdings um typische Fälle handelt, muß die Schätzung im Interesse gleichmäßiger Handhabung rechtlich daraufhin überprüft werden, ob sie den Gegenstand des zu entschädigenden Vermögensnachteils beachtet und nicht zu einer grundlosen Bereicherung des Geschädigten oder zu einem verkappten Ausgleich immateriellen Schadens führt (vgl. Senatsurteil BGHZ 56, 214, 218). Als eine in diesem Sinne geeignete Methode der Schadensschätzung hat der Bundesgerichtshof die von der Rechtsprechung herangezogenen Tabellen von Sanden/Danner (jetzt: Sanden/Danner/Küppersbusch) anerkannt (vgl. Senatsurteile BGHZ 56, 214, 217, 219 f.; vom 3. Juni 1969 - VI ZR 27/68 - VersR 1969, 828, 830; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1987 - X ZR 49/86 - aaO). Die Tabellen gehen von durchschnittlichen Mietsätzen für PKW aus als einem vom Markt anerkannten Maßstab für die Bewertung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeuges. Da bei der Nutzungsausfallentschädigung jedoch lediglich entgangene Gebrauchsvorteile für die "eigenwirtschaftliche Verwendungsplanung" zu ersetzen sind (Senatsurteil BGHZ 56, 214, 215; GSZ BGHZ 98, 212, 225), es also um Kompensation und nicht um die Wahrung des Integritätsinteresses geht, müssen die Mietpreise um die spezifisch die erwerbswirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren zuverlässig bereinigt werden (vgl. GSZ BGHZ 98, 212, 214, 225; Senatsurteile BGHZ 45, 212, 220 und vom 3. Juni 1969 - VI ZR 27/68 - aaO, 829). Diesen Anforderungen wird in den Tabellen von
Sanden/Danner/Küppersbusch dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß die Mietpreise um die Gewinnspannen des Vermieters und die bei einer privaten Nutzung nicht anfallenden Kosten für Verwaltung, Vermittlungsprovisionen, erhöhte Abnutzung und erhöhte Versicherungsprämien gekürzt werden. Der danach verbleibende Betrag liegt bei 35 bis 40% der üblichen Miete und 200 bis 400% der Vorhaltekosten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Vorbemerkung vor § 249 Rdn. 23; Wussow/Karczewski, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 41 Rdn. 44; Born, NZV 1993, 1, 5; Küppersbusch, Beilage zu NJW Heft 10/2002). Der Senat hat zwar in einer älteren Entscheidung vom 18. Mai 1971 (BGHZ 56, 214, 221) ausgeführt, daß die Nutzungsausfallentschädigung die Vorhaltekosten nur maßvoll übersteigen soll und eine reichliche Verdoppelung der Vorhaltekosten zu hoch sei (vgl. auch GSZ BGHZ 98, 212, 226). Dies beruhte jedoch auf anderen tatsächlichen Grundlagen, als sie heute vorzufinden sind. Während im Jahre 1975 beispielsweise nach der Tabelle von Sanden/Danner in der Regel eine Verdoppelung der Vorhaltekosten knapp verfehlt wurde (vgl. VersR 1975, 972 ff.), gelangen die aktuellen Tabellen nach demselben Berechnungsmodell zu höheren Ergebnissen, was im wesentlichen auf die im Vergleich zu den Vorhaltekosten stärker gestiegenen Mietwagenpreise zurückzuführen sein dürfte. Diese Marktentwicklung darf bei der Bemessung der Nutzungsausfallentschädigung nicht unberücksichtigt bleiben, weil den Mietwagenpreisen Anhaltspunkte für den Wert der Gebrauchsmöglichkeit entnommen werden können (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 1969 - VI ZR 27/68 - aaO sowie die Nachweise bei GSZ BGHZ 98, 212, 214 und 225).
b) Nicht einheitlich beurteilt wird die Frage, wie die Nutzungsausfallentschädigung bei älteren PKW - wie im Streitfall - zu bemessen ist. Zum Teil wird in der Rechtsprechung und Literatur eine pauschale, allein am Alter orientierte Herabstufung älterer Fahrzeuge abgelehnt. Entweder wird
auf einen Abschlag von der Nutzungsausfallentschädigung für ein vergleichbares Neufahrzeug prinzipiell verzichtet oder es werden Abstriche nur unter Berücksichtigung des Einzelfalls bei Vorliegen besonderer Umstände gemacht, etwa bei erheblichen Mängeln oder bei sonstigen erheblichen Einschränkungen des Nutzungswertes (vgl. OLG Celle, VersR 1973, 281; KG, VersR 1981, 536; OLG Frankfurt, DAR 1983, 165; OLG Stuttgart, VersR 1988, 851; KG, VRS 86, 24, 28 f.; OLG Karlsruhe, VersR 1989, 269, 270; OLG Schleswig, VersR 1993, 1124, 1125; OLG Naumburg, ZfS 1995, 254, 255; OLG Hamm, DAR 2000, 265, 267; LG Bad Kreuznach, NJW-RR 1988, 1303). Häufig wird auch zusätzlich zur Vermeidung einer Herabstufung berücksichtigt, ob sich das Fahrzeug in einem guten Erhaltungszustand befindet (OLG Koblenz, ZfS 1989, 300, 301; OLG Schleswig, VersR 1993, 1124, 1125; LG Berlin, DAR 1998, 354, 355; LG Kiel, NJW-RR 2001, 1606, 1607; Becker-Böhme, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 22. Aufl., D 68; Hillmann, ZfS 2001, 341, 342). Diese Auffassungen werden im wesentlichen damit begründet, daß auch ein älteres Kraftfahrzeug in einem entsprechenden Erhaltungszustand für den Eigentümer den gleichen Nutzen im Rahmen der eigenwirtschaftlichen Lebensführung haben könne wie ein Neufahrzeug. Eine andere Meinung in der Rechtsprechung und Literatur befürwortet demgegenüber - ebenso wie die Bearbeiter der Tabelle selbst (vgl. Danner/Küppersbusch, NZV 1989, 11 f.; Küppersbusch, Beilage zu NJW Heft 10/2002, S. 3; DAR 2004, 1 ff.) - eine Herabstufung innerhalb der Gruppen der Tabelle und zwar bei PKW, die älter als fünf Jahre sind, um eine Gruppe und bei Fahrzeugen mit einem Alter von über 10 Jahren um eine weitere Gruppe (vgl. OLG Frankfurt, DAR 1985, 58; OLG Schleswig, NJW-RR 1986, 775, 776; OLG München, ZfS 1988, 312; OLG Karlsruhe, VersR 1989, 58, 59; ZfS 1993, 304; OLG Hamm, DAR 1994, 24, 26; DAR 1996, 400, 401; OLG Celle, Urteil
vom 26. April 2001 - 14 U 130/00 - insoweit nicht veröffentlicht in OLGR Celle, 2001, 237; LG Koblenz, ZfS 1990, 10; LG Memmingen, VersR 1990, 864, 865; LG Tübingen, DAR 1991, 183, 184; LG Duisburg, SP 1992, 17; LG Berlin, SP 1992, 341; LG Gießen, SP 1997, 471; LG Hannover, DAR 1999, 211; LG Mainz, VersR 2000, 111; Münchener Kommentar zum BGB/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rdn. 75 m.w.N.; Sanden/Völtz, Sachschadensrecht des Kraftverkehrs, 7. Aufl., Rdn. 241; Wenker, VersR 2000, 1082, 1083; 111; Wussow/Karczewski, aaO, Kap. 41 Rdn. 44 m.w.N. sowie die Nachweise bei Küppersbusch, Beilage zu NJW-Heft 10/2002, S. 3 und die Darstellung DAR 2004, 1 ff.). Dies wird sowohl mit Gesichtspunkten der Abschreibung als auch damit begründet, daß der Nutzungswert eines entsprechend älteren Fahrzeuges in der Regel gegenüber demjenigen eines neueren Fahrzeuges aufgrund der Fortentwicklung der Fahrzeugtechnik wesentlich geringer sei.
c) Der Bundesgerichtshof hat bisher nur in einer Entscheidung des X. Zivilsenats vom 20. Oktober 1987 - X ZR 49/86 - (NJW 1988, 484) zu dem Problem der Bemessung einer Nutzungsausfallentschädigung für ein im Rahmen eines Werkvertrages zurückbehaltenes älteres Fahrzeug der Tabelle von Sanden/Danner die Eignung als Schätzungsgrundlage versagt und nur einen Betrag etwa in Höhe der - im Einzelfall angemessen erhöhten - Vorhaltekosten zugrundegelegt. Der Entscheidung lag jedoch eine mit der vorliegenden nicht vergleichbare Fallgestaltung zugrunde, weil neben dem Alter von nahezu 10 Jahren ausschlaggebend war, daß das Fahrzeug mit zahlreichen erheblichen Mängeln behaftet war, welche den Nutzungswert wesentlich beeinträchtigten. Lediglich zusätzlich wurde darauf abgehoben, daß der dort zu beurteilende Fahrzeugtyp (Fiat 500) in der Liste von Sanden und Danner nicht mehr aufgeführt war, sondern lediglich das stärker motorisierte und deutlich komfortablere Nachfolgemodell (Fiat 126).

d) Spielt hingegen - wie im vorliegenden Fall - das Alter des PKW eine wesentliche Rolle, so ist der Tatrichter aus Rechtsgründen nicht gehalten, in jedem Einzelfall bei der Beurteilung der entgangenen Gebrauchsvorteile eine aufwendige Berechnung anzustellen, sondern darf grundsätzlich im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO bei der Schadensschätzung eingeräumten Ermessens aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle weiterhin mit den in der Praxis anerkannten Tabellen arbeiten, selbst wenn das Fahrzeug darin nicht mehr aufgeführt ist (vgl. auch OLG Frankfurt, DAR 1985, 58; Danner/Küppersbusch, NZV 1989, 11, 12). Das Berufungsgericht geht dabei zutreffend davon aus, daß in diesen Tabellen bei der Berechnung der Nutzungswerte Mietsätze für Neufahrzeuge zugrundegelegt sind, die durch die Entwicklung der Fahrzeugtechnik gegenüber Vorgängermodellen teilweise erhebliche Nutzungsvorteile wie größere Sicherheit (z.B. durch Airbag, ABS, ESP usw.), geringeren Kraftstoffverbrauch trotz besserer Fahrleistungen und höheren (Fahr-)Komfort bieten. Diese Veränderungen spiegeln sich im Kaufpreis und dem hierauf wesentlich basierenden Mietpreis wieder, der wiederum Grundlage der Tabellen und damit Anhaltspunkt für die Bemessung der Entschädigung für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit darstellt. Die Bearbeiter der Tabellen weisen zudem darauf hin, daß es keinen verbreiteten Vermietermarkt für ausgelaufene Modelle gibt und solche Fahrzeuge - im Falle einer Vermietung - billiger angeboten werden müßten, um konkurrenzfähig zu sein (vgl. Danner/Küppersbusch, aaO, S. 12). Da sich in den um erwerbswirtschaftliche Faktoren bereinigten Mietpreisen die Bewertung der Gebrauchsvorteile für die eigenwirtschaftliche Verwendung eines Kraftfahrzeuges wiederspiegeln (vgl. Senat BGHZ 56, 214, 215; GSZ BGHZ 98, 212, 225), würde es regelmäßig zu einer grundlosen Bereicherung des Geschädigten oder zu einem verkappten Ausgleich immateriellen Schadens führen (vgl. BGHZ 56, 214, 218), wollte man ihn für die entgangenen Gebrauchsvorteile seines in den Tabellen nicht mehr
aufgeführten, nicht mehr hergestellten Fahrzeuges so entschädigen, als handelte es sich um ein Neufahrzeug.
e) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß solchen Veränderungen des Nutzungswertes durch eine Herabstufung in den jeweiligen Fahrzeuggruppen der Tabellen Rechnung getragen werden kann, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Ab welchem Alter und um wie viele Stufen dies zu geschehen hat, ob alternativ auch die letzte Tabelle herangezogen werden kann, in der das beschädigte Kfz noch aufgeführt worden ist (vgl. Danner/Küppersbusch, aaO, S. 12 m.w.N.) und ab welchem Alter nur noch von den Vorhaltekosten auszugehen ist, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Unter den Umständen des vorliegenden Falles, in dem das zu beurteilende Fahrzeug älter als 15 Jahre ist und das Berufungsgericht im Rahmen seines ihm durch § 287 ZPO eingeräumten tatrichterlichen Ermessens nicht nur - wie das Amtsgericht - von den Vorhaltekosten ausgegangen ist, sondern lediglich eine Herabstufung in den Tabellen von Sanden /Danner/Küppersbusch um zwei Gruppen vorgenommen hat, ist jedenfalls ein Rechtsfehler zu Lasten der Klägerin nicht erkennbar. 3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler einen merkantilen Minderwert des Fahrzeuges der Klägerin infolge des Verkehrsunfalles verneint.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden , eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbe-
schädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (vgl. Senatsurteile BGHZ 27, 181, 182, 184 f.; 35, 396, 397 f.; vom 30. Mai 1961 - VI ZR 139/60 - VersR 1961, 707, 708; vom 2. Dezember 1966 - VI ZR 72/65 - VersR 1967, 183; vgl. auch BGHZ 82, 338, 343 f.). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat trotz kritischer Stimmen im Schrifttum (vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, § 251 Rdn. 15; Staudinger/Schiemann, BGB, 13. Aufl., § 251 Rdn. 37 sowie die Nachweise bei von Gerlach, DAR 2003, 49, 52 und Huber, Festschrift Rudolf Welser, S. 303, 309 f.) fest. Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung, daß auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie (so auch Sanden/Völtz, Sachschadensrecht des Kraftverkehrs, 7. Aufl., Rdn. 119; Splitter, DAR 2000, 49), weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht (so bereits Senatsurteile BGHZ 35, 396, 398 und vom 30. Mai 1961 - VI ZR 139/60 - aaO), trifft trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor zu, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt (vgl. Eggert, VersR 2004, 280, 282; von Gerlach, aaO, 52 f. m.w.N.; Hörl, ZfS 1999, 46, 47; ders., NZV 2001, 175, 176; Huber, aaO, 312 ff., 334).
b) Der Senat hat bisher nicht abschließend entschieden, bis zu welchem Alter eines Fahrzeuges bzw. bis zu welcher Laufleistung ein merkantiler Minderwert zuerkannt werden kann. In einem älteren Urteil vom 3. Oktober 1961 (BGHZ 35, 396, 399) hat der Senat die Zubilligung eines merkantilen Minderwerts bei einem Fahrzeug mit einer Fahrleistung von über 100.000 km zwar nicht beanstandet. Die entsprechenden Feststellungen des dortigen Berufungsgerichts beruhten jedoch auf sachverständiger Beratung und ließen keinen Rechtsfehler erkennen. In einer späteren Entscheidung vom 18. September 1979 - VI ZR 16/79 - (VersR 1980, 46, 47) hat der Senat zwar erwogen, bei
Personenkraftwagen könne im allgemeinen eine Fahrleistung von 100.000 km als obere Grenze für den Ersatz eines merkantilen Minderwerts angesetzt werden. Diese Einschätzung stützte sich jedoch unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse auf dem Gebrauchtwagenmarkt auf die Überlegung, daß solche PKW im allgemeinen nur noch einen derart geringen Handelswert hätten, daß ein meßbarer Minderwert nach Behebung der Unfallschäden nicht mehr eintrete (vgl. Senatsurteil vom 18. September 1979 - VI ZR 16/79 - aaO). Die Beurteilung war mithin nicht allein auf die Laufleistung des Fahrzeuges bezogen , sondern maßgeblich auf deren Bedeutung für seine Bewertung auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Diese Bedeutung kann sich im Laufe der Zeit mit der technischen Entwicklung und der zunehmenden Langlebigkeit der Fahrzeuge (z.B. infolge längerer Haltbarkeit von Motoren, vollverzinkter Karosserien etc.) ändern. Ein entsprechender Wandel auf dem Gebrauchtwagenmarkt spiegelt sich insbesondere in der Bewertung von Gebrauchtfahrzeugen durch Schätzorganisationen wie Schwacke und DAT wieder, die in ihren Notierungen inzwischen bis auf 12 Jahre zurückgehen und ausdrücklich darauf hinweisen, daß sich sämtliche Marktdotierungen auf unfallfreie Fahrzeuge beziehen (vgl. OLG Karlsruhe, ZfS 1986, 366; OLG Düsseldorf, VersR 1988, 1026; LG Tübingen, ZfS 1983, 264; LG Koblenz, ZfS 1990, 49, 50; LG Oldenburg, ZfS 1990, 50; ZfS 1999, 335, 336; Geigel/Rixecker, Der Haftpflichtprozeß, 24. Aufl., Kap. 3 Rdn. 64; Palandt/Heinrichs, aaO, § 251 Rdn. 14; Sanden/Völtz, aaO, Rdn. 125; Wussow/Karczewski, aaO, Kap. 41 Rdn. 34; Zeisberger/Neugebauer-Püster vormals Halbgewachs, Der merkantile Minderwert, 13. Aufl., S. 34 f.; Darkow, DAR 1977, 62, 64; Hörl, ZfS 1999, 46, 47; Notthoff, VersR 1995, 1399, 1403; Otting, ZfS 1994, 434; Rasche, DAR 2000, 332, 333).
c) Der vorliegende Fall nötigt den Senat nicht zu einer abschließenden Stellungnahme, bis zu welcher Grenze nach heutigen Maßstäben ein merkantiler Minderwert zuerkannt werden kann. Das Berufungsgericht hat berücksich-
tigt, daß sich das Fahrzeug der Klägerin zwar in einem guten Pflegezustand befand, aber eine Laufleistung von 164.000 km auswies und 16 Jahre alt war, wodurch sich der Wiederbeschaffungswert auf (nur) 2.100 € reduzierte. Bei dieser Sachlage ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO zustehenden Ermessens die tatrichterliche Überzeugung gebildet hat, bei einem solchen Marktpreis werde sich ein Unfallschaden, der zudem erkennbar nur nicht tragende Teile des Kraftfahrzeuges betroffen habe, nicht mehr wertmindernd auswirken.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 237/09 Verkündet am: 19. Oktober 2010 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. März 2011 - VI ZR 63/10

bei uns veröffentlicht am 22.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 63/10 Verkündet am: 22. März 2011 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 24a

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Apr. 2011 - VI ZR 300/09

bei uns veröffentlicht am 12.04.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 300/09 Verkündet am: 12. April 2011 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Apr. 2006 - VI ZR 338/04

bei uns veröffentlicht am 04.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 338/04 Verkündet am: 4. April 2006 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VI ZR 438/02 Verkündet am:
30. September 2003
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 540, 559

a) Findet gegen ein Berufungsurteil die Nichtzulassungsbeschwerde statt, muß aus
dem Urteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand das Gericht ausgegangen
ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche
tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen.

b) Ist der Parteivortrag im Berufungsverfahren ergänzt worden und hielt das Berufungsgericht
eine weitere Beweisaufnahme für erforderlich, muß es im Urteil eine
kurze Begründung dafür geben, weshalb es dem erstinstanzlichen Urteil in vollem
Umfang folgt.
BGH, Versäumnisurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - OLG Hamm
LG Detmold
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. September 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30.Oktober 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin war bei der Beklagten von 1985 bis April 1999 in ärztlicher Behandlung. Mit ihrer Klage verlangt sie Schmerzensgeld und die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für weitere Schäden wegen einer Hepatitis C, die bei ihr 1999 festgestellt worden ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme zurückgewiesen. Die Gründe des Berufungsurteils lauten: " Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie auf die ergänzenden Ausführungen der Parteien in dieser Instanz wird Bezug genommen. In der Sache wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die Beweisaufnahme vor dem Senat gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage." Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

1. Über die Revision war, da die Beklagte im Revisionstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
2. Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozeßordnung in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht am 1. Februar 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mögliche Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestandes aus. 3. Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß das Berufungsurteil die Anträge , auf deren Grundlage es ergangen ist, nicht erkennen läßt. Die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils kann sich nicht auf den Berufungsantrag erstrecken; dieser ist auch nach neuem Recht in das Berufungsurteil aufzunehmen. Das Berufungsurteil muß deshalb, wenn es auf die wörtliche Wiedergabe des Antrages verzichtet, wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 - NJW 2003, 1743; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Auch wenn das neue Recht eine weitgehende Entlastung der Berufungsurteile bei der Urteilsabfassung bezweckt, ist diese Mindestvoraussetzung nicht entbehrlich (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 – VIII ZR 262/02 - aaO und vom 6. Juni 2003 – V ZR 392/02 – FamRZ 2003, 1273). Im vorliegenden Fall wird das Berufungsbegehren der Klägerin aus den äußerst knapp abgefaßten Urteilsgründen nicht erkennbar. Schon deshalb kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 - jeweils aaO), wie dies auch der bisherigen Rechtslage entspricht (hierzu BGH, Beschluß vom 13. August 2003 - XII ZR 303/02 - Umdruck Bl. 5/6; vorgesehen zur Veröffentlichung in BGHZ).
4. Darüber hinaus genügt die Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen in den vorliegenden Gründen nicht den Anforderungen an ein Berufungsurteil , gegen das die Nichtzulassungsbeschwerde stattfindet, von deren Erfolg die Statthaftigkeit der Revision abhängt (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO). In einem solchen Fall muß aus dem Urteil zu ersehen sein, von welchem Sachund Streitstand das Gericht ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen. Hingegen kann dem Revisionsgericht nicht angesonnen werden, den Sachverhalt selbst zu ermitteln und festzustellen, um abschließend beurteilen zu können, ob die Nichtzulassungsbeschwerde begründet ist. Dies war bisher nicht Aufgabe des Revisionsgerichts (vgl. BGHZ 73, 248, 252) und kann es nach neuem Recht nicht sein. Deshalb müssen auch nach dem ab 1. Januar 2002 geltenden Verfahrensrecht die tatsächlichen Grundlagen , von denen das Berufungsgericht ausgegangen ist, aus dem Berufungsurteil ersichtlich sein, um dem Revisionsgericht im Falle der Nichtzulassung der Revision die Überprüfung auf die Zulassungsgründe des § 543 Abs. 2 ZPO zu erlauben (vgl. BGH, Beschluß vom 13. August 2003 – XII ZR 303/02 –; Zöller /Gummer, ZPO, 23. Aufl. § 540 Rdn. 6). Denn gemäß § 559 ZPO ist auch nach neuem Recht Grundlage der Prüfung des Revisonsgerichts prinzipiell nur der Tatsachenstoff, der sich aus dem Berufungsurteil, einschließlich der in ihm enthaltenen Bezugnahmen, sowie aus dem Sitzungsprotokoll erschließt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2003 – V ZR 392/02 – aaO; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 559 Rdn. 2 f.; Musielak-Ball, ZPO, 3. Aufl., § 559 Rdn. 13). Im vorliegenden Fall macht es die die Darstellung des entsprechenden Tatsachenstoffes ersetzende pauschale Bezugnahme auf die ergänzenden Ausführungen der Parteien in der Berufungsinstanz dem erkennenden Senat nicht möglich, das Berufungsurteil und das ihm zugrundeliegende Verfahren in
der im Revisionsverfahren gebotenen Weise zu überprüfen. Daraus allein läßt sich nicht entnehmen, was das Berufungsgericht für erheblich gehalten und seiner Entscheidung zugrundegelegt hat. Auch deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2003 – V ZR 392/02 – aaO; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 559 Rdn. 4; Musielak-Ball, aaO, § 559 Rdn. 18). 5. Schließlich durfte sich das Berufungsgericht unter den gegebenen Umständen nicht damit begnügen, zur Begründung seiner Sachentscheidung lediglich auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts Bezug zu nehmen. Die Revision verweist in diesem Zusammenhang mit Recht auf den Wortlaut des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, wonach das Berufungsgericht eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung zu geben hat. Nachdem im Berufungsverfahren der Parteivortrag ergänzt worden ist und das Berufungsgericht eine weitere Beweisaufnahme für erforderlich hielt, mußte es im Urteil eine kurze Begründung dafür geben, warum es dem erstinstanzlichen Urteil in vollem Umfang folgt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1985 - VII ZR 257/83 – NJW 1985, 1784, 1785; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher § 540 Rdn. 8; Musielak-Ball, aaO, § 540 Rdn. 3 und 4; Zöller/Gummer, aaO, § 540 Rdn. 13).

II.

Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 ZPO entsprechende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 - aaO). Es ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
In der neuen Berufungsverhandlung wird die Klägerin Gelegenheit haben , zu dem im Termin vom 30. Oktober 2002 erstatteten mündlichen Sachverständigengutachten ergänzend Stellung zu nehmen. Im Hinblick auf das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, daß bei Unterlassung der gebotenen Befunderhebung regelmäßig ein Behandlungsfehler vorliegt (vgl. Senatsurteil vom 4. Oktober 1994 - VI ZR 205/93 - VersR 1995, 46). Über etwaige Risiken, die mit der Erhebung des Befundes verbunden sind, hat der behandelnde Arzt den Patienten aufzuklären und ihn an der für die Wahl der Diagnostik bzw. Therapie erforderlichen Güterabwägung zwischen Risiken und Nutzen des Eingriffs zu beteiligen (vgl. Senatsurteile vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055 und vom 15. Mai 1979 - VI ZR 70/77 - VersR 1979, 720). Er darf aber nicht, ohne den Patienten am Entscheidungsprozeß zu beteiligen, von gebotenen Befunderhebungen eigenmächtig absehen. Das Berufungsgericht wird sich in diesem Zusammenhang mit der Rüge der Revision auseinanderzusetzen haben, daß sich entgegen den Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt, aus den Eintragungen unter dem 13. März 1989 in der Patientenkartei nichts für die Behauptung der Beklagten herleiten lasse, daß die Klägerin nach gebotener Aufklärung weitere diagnostische Maßnahmen abgelehnt habe. Entgegen der Ansicht der Revision hat der Patient auch dann, wenn ihm gegenüber ein Arzt seine Pflicht zur therapeutischen Beratung verletzt, wie bei jedem anderen Behandlungsfehler, grundsätzlich den Beweis der Ursächlichkeit der unterlassenen Aufklärung für seinen Schaden zu führen, es sei denn, der in der unterlassenen Befunderhebung liegende Behandlungsfehler ist als "grob" zu qualifizieren (vgl. Senatsurteile vom 16. Juni 1981 - VI ZR 38/80 - VersR 1981, 954, 956 und vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85 - VersR 1986, 1121, 1122). Die Beurteilung der Frage, ob ein solcher Fehler vorliegt, richtet sich stets nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls und ist dem Tatrichter vorbehalten. Erwiese sich das Verhalten der
Beklagten - entgegen der bisherigen Beurteilung durch das Landgericht und ihm folgend durch das Berufungsgericht - als behandlungsfehlerhaft, wenn die Beklagte, ohne die eigene Willensentschließung der Klägerin nach entsprechender Aufklärung eingeholt zu haben, auf die weitere Befunderhebung verzichtet hätte, wäre vom Berufungsgericht allerdings im Hinblick auf die damit verbundenen Beweiserleichterungen auch die Schwere eines solchen ärztlichen Fehlers zu prüfen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 94/03 Verkündet am:
10. Februar 2004
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) § 540
Die Anforderungen des § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind für Urteile, die in dem Termin,
in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet werden, nicht herabgesetzt.
§ 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO erlaubt es nur, die nach § 540 Abs. 1 Satz 1
ZPO für den Inhalt des Urteils unerläßlichen Darstellungen in das Protokoll zu verlagern.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2004 - VI ZR 94/03 - OLG Bamberg
LG Coburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Februar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Parteien wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 20. Februar 2003 aufgehoben. Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt, der sich der Beklagte mit einer unselbständigen Anschlußberufung angeschlossen hat. Das Berufungsgericht hat in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, das Berufungsurteil verkündet. Es hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Anschlußberufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des landge- richtlichen Urteils. Der Kläger verfolgt im Wege der Anschlußrevision einen Zahlungsanspruch in Höhe von 2179,22

Entscheidungsgründe:

I.

Die Gründe des Berufungsurteils lauten: "Von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO unter Bezugnahme auf die Hinweise im Protokoll vom 20. Februar 2003 abgesehen".

II.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es mangels einer tatbestandlichen Darstellung und der Wiedergabe der Berufungsanträge in der Revision nicht überprüfbar ist. 1. Auf das Berufungsverfahren ist die Zivilprozeßordnung in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht am 13. August 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsurteil den Anforderungen des § 540 Abs. 1 ZPO nicht entspricht. Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO enthält das Urteil anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im ange-
fochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen und eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Da vorliegend das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wurde, verkündet worden ist, konnten gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO die nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden. Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß das Protokoll diese Darlegungen nicht enthält. Auch wenn das neue Recht die Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung entlasten will, sind diese Mindestvoraussetzungen für den Inhalt eines Urteils nicht entbehrlich (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - WM 2004, 50 f.; BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 - VersR 2003, 1415, 1416, vorgesehen zur Veröff. in BGHZ 154, 99, 100 f. und vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - NJW-RR 2003, 1290, 1291; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 540 Rdn. 8). Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch und vor allem aus seinem Sinn, trotz der Erleichterungen bei der Abfassung von Berufungsurteilen doch deren revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Deshalb müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung auch im Falle des § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus dem Sitzungsprotokoll einschließlich der in ihm enthaltenen Bezugnahmen so erschließen, daß eine revisionsrechtliche Nachprüfung möglich ist, denn § 559 ZPO ist der Sache nach gegenüber § 561 ZPO a.F. unverändert (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - aaO; BGH, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - aaO; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl. Aktualisierungsband, § 559 Rdn. 2; Musielak/Ball, aaO, § 559 Rdn. 13). Demgegenüber enthält das Protokoll im vorliegenden Fall weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts noch die nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ebenfalls erforderliche Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen des Parteivorbringens im Beru-
fungsverfahren. Bezugnahmen finden sich nur hinsichtlich einzelner Punkte, in denen das Berufungsgericht der Begründung des angefochtenen Urteils beitritt. Das reicht jedoch nicht aus, weil die Anforderungen des § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO für Urteile dieser Art nicht herabgesetzt werden (Musielak/Ball, aaO, § 540 Rdn. 8), sondern § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO es nur erlaubt, die für den Inhalt des Urteils unerläßlichen Darstellungen in das Protokoll zu verlagern. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung werden diese Darlegungen nicht durch die rechtlichen Hinweise im Protokoll ersetzt, weil zu deren Verständnis die Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils und des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren erforderlich wären und eine wirksame Bezugnahme hierauf fehlt. 2. Zudem läßt das Berufungsurteil auch unter Berücksichtigung der Bezugnahme auf die rechtlichen Hinweise im Protokoll nicht hinreichend erkennen , welches Rechtsbegehren der Klage zugrunde liegt, da es weder die Berufungsanträge noch die Klageanträge wiedergibt. Auch nach neuem Recht kann auf die Aufnahme der Berufungsanträge in das Urteil grundsätzlich nicht verzichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - aaO; BGH, Urteile vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03 - zur Veröff. vorgesehen; vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03 - Umdruck S. 5 zur Veröff. vorgesehen. ; vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 – und vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 – jeweils aaO). Zwar ist eine wörtliche Wiedergabe nicht unbedingt erforderlich, genügend kann sein, daß aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts zu den einzelnen angegriffenen Positionen sinngemäß deutlich wird, was beide Parteien mit ihren wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln erstrebt haben (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 - und vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - jeweils aaO). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die richterlichen Hinweise im Protokoll, auf die zur
Begründung des Urteils Bezug genommen wird, machen nicht verständlich, welches rechtliche Begehren dem Rechtsstreit zugrunde liegt. Sie befassen sich zwar mit den einzelnen Streitpunkten zwischen den Parteien, setzen aber zu ihrem Verständnis die Kenntnis des Tatsachenstoffes und der im bisherigen Verfahren vertretenen Rechtsauffassungen voraus, die dem Revisionsgericht hier nicht vermittelt wird und ihm deshalb eine rechtliche Nachprüfung nicht ermöglicht. 3. Aus diesen Gründen ist das Berufungsurteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 - aaO; BGHZ 80, 64, 67; Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02 - aaO; vom 22. Dezember 2002 - VIII ZR 122/03 - Umdruck S. 4, zur Veröff. vorgesehen; vgl. auch MünchKomm ZPO/Wenzel, aaO, § 559 Rdn. 4; Musielak/Ball, aaO, § 559 Rdn. 18; Zöller /Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 540 Rdn. 6).

III.

1. Für das weitere Verfahren weist der Senat im Hinblick auf die von der Revision vorgetragenen Sachrügen darauf hin, daß der Kläger für einen Verzugsschaden in Form entgangenen Gewinns Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen hat, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt, auch wenn § 252 BGB für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung enthält. Erst wenn ersichtlich ist, daß der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, wird vermutet, daß er gemacht worden wäre (vgl. BGH, Urteile vom 29. November 1982 - II ZR 80/82 - NJW
1983, 758 und vom 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 - NJW 2002, 2553). Dem Ersatzpflichtigen obliegt dann der Beweis, daß der Gewinn nach dem späteren Verlauf oder aus irgendwelchen anderen Gründen dennoch nicht gemacht worden wäre (BGHZ 29, 393, 398 ff. unter I. 3.). Schließlich wird das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung Gelegenheit haben, auch dem Vortrag der Revision zum Fehlen eines Feststellungsinteresses für den Feststellungsantrag des Klägers trotz der Anerkennung der Ersatzpflicht durch den Beklagten in der Erklärung vom 29. Januar 2001 nachzugehen. 2. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Gerichtskosten für das Revisionsverfahren nicht erhoben.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 5/03 Verkündet am:
13. Januar 2004
Weber,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
ZPO (2002) § 540
Zu den gemäß § 540 ZPO bestehenden Mindestanforderungen an den Inhalt eines
Berufungsurteils.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 5/03 - LG Hamburg
AG Hamburg-Altona
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 13. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landesgerichts Hamburg vom 5. Dezember 2002 aufgehoben.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die klagende Bank verlangt von dem Beklagten Zinszahlung aus einem Darlehen, das sie ihm 1991 zur Beteiligung an einer Immobilienfonds Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewährt hat. Der Beklagte, der bei dem Abschluß des Darlehensvertrages durch die J.
GmbH (im folgenden: Treuhänderin) vertreten worden war, beruft sich u.a. darauf, der Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Die Treuhänderin habe als vollmachtlose Vertreterin gehandelt, da der mit ihr zum Erwerb der Beteiligung an der Immobilienfondsgesellschaft geschlossene Treuhandvertrag nebst umfassender Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei.
Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Juni 2002 abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht, dessen Urteil die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge der Parteien nicht enthält, hat im wesentlichen ausgeführt :
Der Darlehensvertrag sei unwirksam, da der zwischen dem Be- klagten und der Treuhänderin geschlossene Treuhandvertrag nebst umfassender Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei. Hieran ändere auch der Umstand nichts, daß einer der Geschäftsführer der Treuhänderin Rechtsanwalt sei. Die Vollmacht sei der Klägerin gegenüber auch nicht aus Rechtsscheingesichtspunkten als wirksam zu behandeln. Dabei könne dahinstehen, ob der Klägerin entsprechend ihrer Behauptung die notariell beurkundete Vollmachtsurkunde vorgelegt worden sei. § 172 BGB verwehre es dem Aussteller einer Vollmachtsurkunde zwar, sich darauf zu berufen, er habe die Vollmacht nicht erteilt oder widerrufen, helfe aber nicht über rechtliche Wirksamkeitshindernisse der Erklärung selbst hinweg. Auch eine Duldungsvollmacht liege nicht vor.

II.


Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es nicht erkennen läßt, welches Ziel die Klägerin mit ihrer Berufung verfolgt hat (§§ 545 Abs. 1, 546 ZPO).
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß auf das Berufungsverfahren die Zivilprozeßordnung in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist, weil die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht nach dem 1. Januar 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die nach der Neufassung des § 540 Abs. 1
Nr. 1 ZPO anstelle des Tatbestandes mögliche Bezugnahme auf die tat- sächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil aus.
2. Die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils kann sich jedoch nicht auf den in zweiter Instanz gestellten Berufungsantrag erstrecken. Dieser ist auch nach neuem Recht in das Berufungsurteil aufzunehmen. Enthält das Berufungsurteil - wie hier - keine wörtliche Wiedergabe des Berufungsantrags, so muß es wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat (BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02, NJW 2003, 1743, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 3, vom 6. Juni 2003 - V ZR 392/02, WM 2003, 2424, 2425 und vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
An dieser Mindestvoraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall. Das Berufungsurteil enthält - obwohl das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat - nicht einmal den Hinweis darauf, daß die Klägerin ihren erstinstanzlichen Sachantrag unverändert weiterverfolgt (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar - VIII ZR 262/02 aaO und vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 4). Auch die nur wenige Zeilen umfassende Wiedergabe neuen Vorbringens der Klägerin, deren Berufungsbegründung allein 36 Seiten umfaßt, ist so stark verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen, daß sie keinen hinreichenden Aufschluß gibt. Auch nach dem ab 1. Januar 2002 geltenden Verfahrensrecht ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Sachverhalt anhand der Akten selbst zu ermitteln und festzustellen (BGH, Urteil vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02, WM 2004, 50, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

III.


Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 ZPO entsprechende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 2003 - VIII ZR 262/02 aaO, vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 4 und vom 30. September 2003 - VI ZR 438/02 aaO, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Es ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat sich der Senat veranlaßt gesehen, von der Erhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen (vgl. BGH, Urteile vom 1. Oktober 1986 - IVb ZR 76/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 2 und vom 7. Mai 2003 - VIII ZR 340/02, Umdruck S. 5).
Für das weitere Verfahren vor dem Berufungsgericht weist der Senat darauf hin, daß sich das Berufungsurteil auch im Ergebnis mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung als fehlerhaft erweist. Wie der Senat - teilweise nach Erlaß des Berufungsurteils - wiederholt entschieden hat, sind die §§ 171, 172 BGB auch dann anwendbar, wenn die umfassende Bevollmächtigung des Treuhänders unmittelbar gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und gemäß § 134 BGB nichtig ist (vgl. etwa Senatsurteile vom 25. März 2003 - XI ZR 227/03, WM 2003, 1064, 1065 f. und vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328, 2333 m.w.Nachw.). Für die Frage der Rechtsscheinhaftung nach § 172 Abs. 1 BGB kommt es daher entscheidend darauf an, ob der finanzierenden Bank spätestens bei Abschluß des Darlehensvertrages die die Treuhän-
derin als Vertreterin des Darlehensnehmers ausweisende Vollmachtsurkunde im Original bzw. bei notarieller Beurkundung in Ausfertigung vorlag (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 2003 - XI ZR 289/02, WM 2003, 1710, 1711 und vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 134/02, WM 2003, 2328, 2333, jeweils m.w.Nachw.). Das Berufungsgericht wird daher - sofern es erneut zu dem Ergebnis gelangt, der Treuhandvertrag verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz - die Frage zu klären haben, ob der Klägerin - wie sie behauptet - die Vollmacht vorlag. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, wird das Berufungsgericht dem Vorbringen der Klägerin zur Duldungsvollmacht nachzugehen haben. Dieses kann nicht als unsubstantiiert angesehen werden.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)