Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2013 - X ZR 32/12

bei uns veröffentlicht am23.05.2013
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 6/11, 10.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 32/12 Verkündet am:
23. Mai 2013
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Mai 2013 durch den Richter Gröning, die Richterin Mühlens und
die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10. Januar 2012 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts geändert: Das europäische Patent 1 234 620 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 24. Januar 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 10 108 418 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 234 620 (Streitpatents). Es betrifft eine Anordnung der über Kuppeleinrichtungen mit Medienanschlüssen der Ständer von Walzgerüsten verbindbaren Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen. Das Streitpatent umfasst sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache: "Anordnung der, über Kuppeleinrichtungen mit Medienanschlüssen der Ständer von Walzgerüsten verbindbaren Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen an Walzgerüsten, die Einzelständer (EST1; EST2) aufweisen, von denen der antriebsseitige Einzelständer (EST2) ortsfest und der andere Einzelständer (EST1), von diesem trennbar und in Walzenachsrichtung (S1; S2) verfahrbar angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Medienzuleitungen eine, dem Verfahrabstand der beiden Einzelständer (EST1; EST2) entsprechende Länge aufweisen und während des Verfahrens mit den Medienanschlüssen der Einzelständer (EST1; EST2) gekuppelt verbleibend, in einer selbst-freitragenden Traglaschenkette (TLK) angeordnet sind, deren Enden (E1; E2) jeweils mit einem der Einzelständer (EST1; EST2) bzw. mit einer, diesem zugeordneten, seitlich von dessen Bewegungsbahn, diese überbrückend angeordneten Zwischenbrücke (ZB) verbunden sind."
2
Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die europäische Patentschrift 857 522 (D1) und die japanische Patentanmeldung 10-286 611 A (D2) nähmen seine Lehre vorweg; jedenfalls sei diese dem Fachmann durch diese Druckschriften oder ihre Kombination nahegelegt.
3
Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
4
Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise beschränkt auf eine Anordnung gemäß Patentanspruch 1 in der Ausführung mit Zwischenbrücke.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung ist begründet.
6
I. Das Streitpatent betrifft eine Anordnung der über Kuppeleinrichtungen mit Medienanschlüssen der Ständer von Walzgerüsten verbindbaren Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen an Walzgerüsten, die Einzelständer aufweisen , von denen der antriebsseitige ortsfest und der andere von diesem trennbar und in Walzenachsrichtung verfahrbar angeordnet sind. Die Streitpatentschrift schildert eingangs ein solches, beispielsweise aus der D1 bekanntes Walzgerüst. Bei Walzgerüsten, insbesondere bei Mehrwalzgerüsten, sei ein Auswechseln der Walzensätze zusammen mit den verhältnismäßig langen Führungsarmaturen nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Deshalb bestünden die Walzgerüste aus zwei Einzelständern, die für den Walzenwechsel quer zur Walzrichtung voneinander weg und nach dem Wechsel wieder aufeinander zu verfahren werden könnten. Vor dem Auseinanderfahren der Einzel- ständer oder vor dem Wegfahren eines Einzelständers von dem ortsfest angeordneten und mit den Walzenantrieben verbundenen Einzelständer müssten die zahlreichen für die Steuerung des Walzgerüstes erforderlichen Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen für den Betrieb der Hydraulik, der Elektrik, der Schmierung sowie der Wasser- und Luftversorgung, die mit entsprechenden Medienanschlüssen an den beiden Einzelständern gekuppelt seien, entkuppelt und nach dem Walzenwechsel für den Walzbetrieb wieder mit diesen Anschlüssen gekuppelt werden.
7
Das Streitpatent will das technische Problem lösen, den mit dem Kuppeln und Entkuppeln der Medienzuleitungen verbundenen Bedienungs- und Zeitaufwand zu vermindern. Dazu schlägt es eine Anordnung der Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen an Walzgerüsten mit folgenden Merkmalen vor: 1. Die Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen sind über Kuppeleinrichtungen mit Medienanschlüssen der Ständer von Walzgerüsten verbindbar.
2. Die Walzgerüste weisen Einzelständer auf, 2.1 von denen der antriebsseitige Einzelständer ortsfest und 2.2 der andere Einzelständer von diesem trennbar und in Walzenachsrichtung verfahrbar angeordnet sind.
3. Die Medienzuleitungen weisen eine dem Verfahrabstand der beiden Einzelständer entsprechende Länge auf.
4. Die Medienzuleitungen verbleiben während des Verfahrens des verfahrbaren Einzelständers mit den Medienanschlüssen der Einzelständer gekuppelt.
5. Die Medienzuleitungen verbleiben während des Verfahrens in einer selbst-freitagenden Traglaschenkette angeordnet. 5.1 Die Enden der Traglaschenkette sind jeweils mit einem der Einzelständer verbunden 5.2 oder mit einer Zwischenbrücke verbunden, wobei 5.2.1 die Zwischenbrücke diesem verfahrbaren Einzelständer zugeordnet ist, 5.2.2 die Zwischenbrücke seitlich von der Bewegungsbahn des zugeordneten Einzelständers angeordnet ist, 5.2.3 die Zwischenbrücke die Bewegungsbahn des zugeordneten Einzelständers überbrückt.
8
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 2 der Streitpatentschrift zeigt den Verlauf der Traglaschenkette (TLK) im Betriebszustand des Walzgerüsts (P1) und in einer Position (P2) bei auseinandergefahrenem Einzelständer (EST1).


9
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.
10
Die Lehre des Streitpatents sei neu.
11
Die D1 zeige zwar eine Walzstraße, bestehend aus drei Walzgerüsten, wobei jedes der drei Walzgerüste Einzelständer aufweise. Die antriebsseitigen Einzelständer seien, zumindest beim Wechsel der Walzen, jeweils ortsfest angeordnet. Demgegenüber seien die bedienungsseitigen Walzenständer der drei Walzgerüste zum Walzenwechsel der ortsfesten Einzelständer trennbar und als Einheit gemeinsam mit den jeweiligen Walzensätzen aus der Walzlinie herausfahrbar. Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen und deren Anordnung würden in der D1 jedoch nicht angesprochen. Der Auffassung der Klägerin, die beiden in der Figur 6 der D1 dargestellten, etwas durchgebogenen gestrichelten Doppellinien offenbarten Versorgungsleitungen zwischen dem beweglichen Ständer des Walzgerüstes und einem Pfosten, die durch eine Traglaschenkette gesichert seien, könne nicht beigetreten werden. Da eine Doppellinie beliebige Bedeutung haben könne, sei ohne Ergänzung durch Fachwissen und ohne Kenntnis der Erfindung allein die Darstellung in der Figur 6 nicht geeignet, dem Fachmann eindeutig und zweifelsfrei eine Versorgungsleitung zu offenbaren. Es sei nicht ausreichend, dass Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen an Walzgerüsten selbstverständlich seien. Jedenfalls sei es nicht selbstverständlich und der D1 nicht zu entnehmen, dass die Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen über Kuppeleinrichtungen mit Medienanschlüssen der Ständer von Walzgerüsten verbindbar seien. Denn dies setze bereits eine besondere Ausgestaltung des Walzgerüstes mit zumindest zwei Walzenständern voraus, die darüber hinaus eigene Medienanschlüsse sowie Kuppeleinrichtungen aufweisen müssten. Dies gelte erst recht für die weitere Ausgestaltung gemäß den Merkmalen 3 bis 5.2.3 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents, in denen beschrieben werde, auf welche Art und Weise die Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen angeordnet und mit den einzelnen Bauteilen des Walzgerüstes verbunden seien. Es fehle auch an der Offenbarung einer Traglaschenkette. Vielmehr spreche besonders das Durchbiegen in der Mitte der Doppellinie gegen das Vorhandensein einer Traglaschenkette.
12
Auch die D2 nehme die Lehre des Streitpatents nicht vorweg. Anders als die streitpatentgemäße Anordnung der Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen sei die aus der D2 bekannte Anordnung nicht bei Walzgerüsten mit zwei Einzelständern vorgesehen, sondern bei einem Walzgerüst, das ein Gehäuse aufweise. Die D2 weise mithin diejenigen Merkmale nicht auf, die die Einzelständer und die Bewegungsbahn überbrückende Zwischenbrücke beträfen.

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Die Anordnung der Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen an Walzgerüsten nach Patentanspruch 1 des Streitpatents beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit.
14
Den Ausgangspunkt, den der Fachmann bei seinem Bemühen um eine Problemlösung herangezogen habe, bilde die D1. Selbst wenn der Fachmann aufgrund seines Fachwissens aus der Darstellung in der Figur 6 der D1 Schlussfolgerungen auf Versorgungsleitungen ziehen würde und angeregt wäre , Versorgungsleitungen entsprechend der gezeigten Doppellinie zu einem offensichtlich neben der Bewegungsbahn des zugeordneten Einzelständers stehenden Pfosten zu verlegen, erhielte er keine Hinweise auf eine Traglaschenkette entsprechend Merkmal 5 und auch keine Hinweise auf eine technische Lösung gemäß den Merkmalen 5.1 bis 5.2.3.
15
Auch die D2 führe den Fachmann nicht in naheliegender Weise zur Lehre des Streitpatents. Die Anordnung der Medienzuleitungen nach der D2 verbleibe während des Verfahrens nicht entsprechend der streitpatentgemäßen Anordnung mit den Medienanschlüssen der Einzelständer gekuppelt, sondern sie bleibe mit dem gesamten Walzgerüst bzw. mit dem Stützpfosten des Transportwagens verbunden. Allenfalls Merkmal 5, wonach die Medienzuleitungen während des Verfahrens in einer selbst-freitragenden Traglaschenkette angeordnet seien, könne der Druckschrift D2 entnommen werden. Die Enden der Traglaschenkette seien bei der Anordnung nach der D2 einerseits mit dem Gehäuse des Walzgerüstes und andererseits mit dem zugeordneten Stützpfosten des Transportwagens verbunden. Eine Zwischenbrücke im Sinne von Merkmal 5.2 sei in der D2 ebenso wenig vorhanden wie Einzelständer und daher auch keine Verbindung der Einzelständer mit der Traglaschenkette entsprechend den Merkmalen 5.1 und 5.2.
16
Der Fachmann gelange auch nicht durch eine Kombination der Druckschriften D1 und D2 in naheliegender Weise zur Lehre des Streitpatents. Er werde ausgehend von der D1 allenfalls das Konzept der D2 übernehmen, Walzgerüste nicht zu trennen, sondern im Ganzen auszutauschen. Ausgehend von der D2 werde der Fachmann die von der D1 angeregte Trennung des Walzgerüstes als Voraussetzung für die streitpatentgemäße Anordnung von Medienzuleitungen nicht in Betracht ziehen, weil es dem gesamten Auswechselkonzept der D2 widerspreche. Die Lehre der D2 ziele darauf ab, jedes Walzgerüst vollständig, also unzerlegt, aus der Walzlinie herauszuziehen und anschließend ein anderes vollständiges Walzgerüst wiedereinzuschieben, um auf diese Weise die Zeit für das Auswechseln der Walzen weitgehend zu reduzieren. Trennbare Walzenständer nach der D1 wären für die Lehre der D2 ein Rückschritt, den der Fachmann schon deshalb nicht in Betracht ziehen würde.
17
III. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand. Die Lehre von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
18
1. Die Berufung hat allerdings keinen Erfolg, soweit sich die Klägerin in der Berufungsinstanz weiterhin auf fehlende Neuheit gegenüber der Lehre der D1 berufen hat.
19
Die D1 betrifft eine Walzstraße, insbesondere eine Tandemgerüstgruppe, die aus drei jeweils Führungsarmaturen aufweisenden Walzgerüsten - zwei Universalgerüsten und einem zwischen diesen angeordneten Stauchgerüst - mit einer bedienungsseitig angeordneten Verschiebebühne und zum Walzenwechsel verfahrbaren Wechselwagen besteht. Bei einer solchen Walzstraße soll nach der Lehre der D1 der Wechsel der Austauscheinheiten einfacher, mit weniger Einzelbewegungen sowie sicherer gestaltet werden. Dazu sollen die Führungsarmaturen mit den Walzensätzen verbunden sein und als Einheit zusammen mit den bedienungsseitigen Walzenständern der drei Walzgerüste aus der Walzlinie herausfahrbar sein. Die D1 enthält weder im Anspruch noch in der Beschreibung Angaben zu den Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen und zur Anordnung derselben am Walzgerüst.
20
Die Klägerin will dies aus der nachfolgend wiedergegebenen Figur 6 der D1 entnehmen:
21
Die in dieser Figur gestrichelt eingezeichnete Doppellinie beginnend am oberen Ende des Walzenständers 2a offenbare eine Traglaschenkette mit Medienzuleitungen. Eine andere Erklärung für die Doppellinie sei für den Fachmann nicht denkbar, die Linie könne nichts anderes sein als eine selbstfreitragende Traglaschenkette, die die Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen enthalte.

22
Dem ist nicht zu folgen. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Zu ermitteln ist nicht, in welcher Form der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der Lehre entnimmt. Entscheidend ist, was der Fachmann einer Schrift unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 Rn. 25, 26 - Olanzapin; Urteil vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407 Rn. 44 - Fahrzeugleitsystem ). Offenbart kann auch dasjenige sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen" wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient nicht anders als die Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1995 - X ZB 15/93, BGHZ 128, 270, 276 ff. - Elektrische Steckverbindung; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, aaO - Olanzapin).
23
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nimmt die D1 die Lehre des Streitpatents nicht vorweg. Es mag sein, dass der Fachmann Anlass hat, über die Bedeutung der gestrichelten Linien nachzudenken und diese als Leitungen interpretiert, weil er weiß, dass solche vorhanden sein müssen. Die Linien zeigen ihm dann jedoch nur, wo die Leitungen sich nach den Vorstellungen des Konstrukteurs befinden sollen, nicht jedoch, wie dies bewerkstelligt werden soll. Er kann unmittelbar und eindeutig nichts Weiteres entnehmen, insbesondere nicht, dass die Medienzuleitungen wie in den Merkmalen 3 bis 5 beschrieben ausgestaltet sind.
24
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt (Art. 56 EPÜ).
25
Die D1, die die Klägerin wie auch das Patentgericht zutreffend als Ausgangspunkt für Überlegungen des Fachmanns, bei einer Walzstraße den Walzenwechsel zu vereinfachen, angesehen haben, beschreibt eine Lösung für die Schwierigkeiten, die bei Walzgerüsten, insbesondere Mehrwalzgerüsten auftreten , wenn die Walzensätze ausgewechselt werden müssen. Die D1 löst diese Schwierigkeiten dadurch, dass die Walzgerüste aus zwei Einzelständern bestehen , die für den Walzenwechsel quer zur Walzrichtung voneinander weg und anschließend wieder aufeinander zu verfahren werden können. Die Walzensätze sind mit den Führungsarmaturen verbunden und als Einheit zusammen mit den bedienungsseitigen Walzenständern aus der Walzenlinie herausfahrbar.
26
Bei derartigen Walzgerüsten erkennt der Fachmann die Notwendigkeit des Kuppelns und Entkuppelns der Medienzuleitungen und Verbindungsleitungen als Nachteil, weil dies hohen Bedienungs- und Zeitaufwand erfordert. Als ungünstig erkennt er zudem, dass unter den Bedingungen, die in der Walzstraße herrschen, die Gefahr von Verschmutzungen besteht, die ihrerseits unter Umständen mit großem Aufwand beseitigt werden müssen. Die Anordnung der Medienzuleitungen nach Maßgabe der Merkmale 3 ff. von Patentanspruch 1 bietet zwar Abhilfe für diese Probleme. Entgegen der Ansicht des Patentgerichts war im Stand der Technik jedoch mit der Lehre der D2 eine Lösung bekannt , die eine hinreichend konkrete Anregung bot, den vom Streitpatent eingeschlagenen weg zu beschreiten, so dass die Lehre von Patentanspruch 1 nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten kann.
27
Die D2 problematisiert - wie das Streitpatent (Beschreibung Absatz 3) - den hohen Aufwand beim Trennen und Wiederanbringen von Medienzuleitungen beim Walzensatzwechsel und den dabei unter Umständen entstehenden erheblichen Reinigungsbedarf. Zur Abhilfe wird in dem Dokument, das von in Gehäusen eingebauten Walzensätzen ausgeht, vorgeschlagen, bei einem erforderlichen Austausch von Walzensätzen beispielsweise infolge eines abweichenden Walzformats diese Gehäuse komplett mitsamt den Medienzuleitungen auszutauschen. Wie aus der nachfolgend eingefügten Prinzipzeichnung in Figur

1



ersichtlich, werden Walzensatzgehäuse (Bezugszeichen 1, 1A, 2, 2A) auf Schienen eines Transportwagens (3) gelagert, der seitlich neben der Walzstraße positioniert ist und in deren Richtung verfahren werden kann. Dieser Wagen ist integraler Bestandteil der Walzstraße. Jedem einzelnen Gehäuse ist ein Stützpfosten (6, 7, 8, 9) zugeordnet. Jedes Gehäuse ist mit seinem zugehörigen Pfosten über eine Traglaschenkette verbunden, die die benötigten Medienzuleitungen aufnimmt. Diese Zuleitungen werden durch den Pfosten hindurch in einen Bereich unterhalb der Walzstraße weitergeführt. Die einzelnen Gehäuse werden über die Schienen des Transportwagens, auf denen sie lagern, in die Walzstraße geschoben. Soll eines davon ausgewechselt werden, wird es zunächst zurück auf den Wagen versetzt. Dann wird der Wagen so bewegt, dass
das auf ihm lagernde Austauschgehäuse in die frei gewordene Position in der Walzstraße geschoben werden kann. Die nachfolgend eingefügte Figur 7

zeigt, wie die Traglaschenkette (11) bei auf dem Transportwagen gelagertem Gehäuse (gestrichelt gezeichnet) verläuft und wie bei Positionierung des Gehäuses in der Walzstraße. Der Pfosten (6) fungiert als Fixpunkt für die sich bewegende Traglaschenkette.
28
Mit der D2 fand sich im Stand der Technik somit eine konkreteLösung, die es dem Fachmann vor dem Hintergrund der in D1 offenbarten Anordnung nahegelegt hat, beim Wechseln der Walzensätze das Entkuppeln und Kuppeln der Medienleitungen zu vermeiden.
29
Die Lösung der D2 beruht auf der Erkenntnis, dass die Medienzuleitungen dann nicht mehr getrennt werden müssen, wenn ihre Länge so bemessen wird, dass sie zusammen mit dem Werkzeug, dessen Versorgung sie dienen, bewegt werden können. Konstruktiv bewältigt werden muss dabei das Problem, die Zuleitungen so unterzubringen, dass sie trotz ihrer dann erforderlichen Länge bei den Betriebsabläufen kein Hindernis darstellen. Das wird in der D2 in der Weise gelöst, dass mit den Pfosten ein stationärer Fixpunkt für die herangeführten Zuleitungen geschaffen wird, und die Zuleitungen zwischen den Pfosten und dem Walzengehäuse in einer Traglaschenkette geführt werden. Dadurch ist dafür Sorge getragen, dass die Zuleitungen flexibel über die gesamte Verfahrstrecke in einer Stellung geführt werden können, in der zum einen der Einsatz in der Walzstraße nicht behindert und zum anderen das Versetzen des Gehäuses auf den Transportwagen möglich ist. Aus fachmännischer Sicht musste lediglich erkannt werden, dass diese Lösung auf den Einsatz in vorbekannten Walzgerüsten mit einem stationären und einem mobilen Einzelständer deshalb übertragbar ist, weil hier die Funktion eines stationären Pfostens für die Heranführung der Zuleitungen genauso gut vom stationären Ständer übernommen werden kann und es keinen Unterschied macht, ob der Walzensatz in einem Gehäuse unter- oder an dem verfahrbaren Einzelständer angebracht ist. Die Übertragung dieses Lösungsprinzips der D2 auf Walzgerüste mit Einzelständern erforderte nicht die Entfaltung einer erfinderischen Tätigkeit. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass die Montage der Walzensätze an dem verfahrbaren Einzelständer anstatt in einem Gehäuse möglicherweise ein überlegenes Konzept ist, weil der Austausch der Sätze noch flexibler und rationeller vonstattengehen dürfte, als im Rahmen der D2. Denn anders als dort erfordert sogar der Abtransport in eine Werkstatt zu Reparatur- oder Wartungszwecken kein Lösen der Medienzuleitungen und zudem entfällt die dortige aufwendige Weiterführung der Medienzuleitungen unterhalb des Transportwagens. Dass Letzteres aus fachmännischer Sicht als umständlich und aufwendig erscheinen könnte, führt im Übrigen aber nicht dazu, dass der Fachmann sich auch insoweit von der D2 abwendet, als es die vorteilhafte Führung der Leitungen zu den Gehäusen hin betrifft (vgl., BGH, Urteil vom 25. September 2012 - X ZR 10/10, GRUR 2013, 160 - Kniehebelklemmvorrichtung).
30
IV. 1. Patentanspruch 1 hat auch in der Fassung des Hilfsantrags keinen Bestand. In dieser Variante tritt eine Zwischenbrücke als Fixpunkt für die Traglaschenkette an die Stelle des ortsfesten Einzelständers. Diese Ausgestaltung mag bei längeren Verfahrstrecken vorteilhaft sein. Das reicht aber nicht aus, um den Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser beschränkten Fassung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewerten zu können. Diese Ausgestaltung liegt vielmehr insoweit noch näher bei der D2, als sie die dortige Lösung mit Stützpfosten und Traglaschenkette noch deutlicher als Vorbild erkennen lässt. Dass die Brücke dabei konstruktiv weg vom mobilen Transportwagen verlagert ist, ist zwangsläufig dem gesamten Konzept der Walzstraßen mit ortsfesten und mobilen Einzelständern geschuldet, das als solches aber, wie ausgeführt , außerhalb des Gegenstands des Streitpatents liegt.
31
2. Die Unteransprüche stellen Ausgestaltungen dar, die einen eigenständigen erfinderischen Gehalt nicht erkennen lassen.
32
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.
Gröning Mühlens Grabinski
RiBGH Hoffmann ist infolge urlaubsbedingter Abwesenheit an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. Gröning Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 10.01.2012 - 4 Ni 6/11 (EP) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2013 - X ZR 32/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2013 - X ZR 32/12

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d
Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2013 - X ZR 32/12 zitiert 3 §§.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2013 - X ZR 32/12 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2012 - X ZR 10/10

bei uns veröffentlicht am 25.09.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 10/10 Verkündet am: 25. September 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2008 - X ZR 89/07

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2003 - X ZR 206/98

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 206/98 Verkündet am: 16. Dezember 2003 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: ne
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Landgericht Düsseldorf Urteil, 30. Okt. 2014 - 4a O 114/13

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Tenor I.               Die Beklagten werden verurteilt, 1.               es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft b

Landgericht Düsseldorf Urteil, 08. Mai 2014 - 4a O 68/13

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Tenor 1. Die einstweilige Verfügung vom 14.08.2013 (Az. 4a O 68/13) wird hinsichtlich der Ziffern I., II. und III. des Tenors bestätigt. 2. Es wird klargestellt, dass die einstweilige Verfügung vom 14.08.2013 (Az. 4

Landgericht Düsseldorf Urteil, 08. Mai 2014 - 4a O 65/13

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Tenor 1. Die einstweilige Verfügung vom 14.08.2013 (Az. 4a O 65/13) wird hinsichtlich der Ziffern I., II. und III. des Tenors bestätigt. 2. Es wird klargestellt, dass die einstweilige Verfügung vom 14.08.2013 (Az. 4

Landgericht Düsseldorf Urteil, 08. Mai 2014 - 4a O 67/13

bei uns veröffentlicht am 08.05.2014

Tenor 1. Die einstweilige Verfügung vom 14.08.2013 (Az. 4a O 67/13) wird im Hinblick auf die Ziffern I., II. und III. des Tenors mit der Maßgabe bestätigt, dass am Ende des Tenors zu Ziffer I. hinter den Worten „als komplette Einheiten

Referenzen

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2. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem; Benkard /Melullis, EPÜ, Art. 54 Rdn. 54; PatG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 20 f.). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Senats und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist (BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; Sen.Urt. v. 30.1.2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 Tz. 17 - Betonstraßenfertiger; EPA (GrBK) Amtsbl. 2001, 413 = GRUR Int. 2002, 80; EPA GRUR Int. 2008, 511 - Traction sheave elevator/KONE; s. dazu auch Benkard/Melullis, EPÜ aaO Rdn. 59; Rogge, GRUR 1996, 931, 934).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 206/98 Verkündet am:
16. Dezember 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fahrzeugleitsystem
EPÜ Art. 83, Art. 138 Abs. 2; IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 2; PatG § 84; GVG § 184

a) Anders als für die Bejahung der Ausführbarkeit einer Erfindung genügt es für
die Zulässigkeit einer Beschränkung auf eine bestimmte Ausführungsform
nicht, daß der Fachmann erst dann zu dieser die Ausführung der Erfindung
gestattenden Ausgestaltung kommt, wenn er sich nähere und weiterführende
Gedanken über die Ausführbarkeit macht und dabei durch die Beschreibung
nicht vermittelte Informationen mit seinem Fachkönnen aus seinem Fachwissen
ergänzt, auch wenn dies erfinderische Überlegungen nicht erfordert.

b) Die Bestimmung des § 184 GVG über die Gerichtssprache steht der beschränkten
Verteidigung eines europäischen Patents in der maßgeblichen
Verfahrenssprache (hier: Englisch) im deutschen Patentnichtigkeitsverfahren
nicht entgegen.
BGH, Urt. v. 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 14. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 2. Juli 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war eingetragener Inhaber des am 5. Januar 1979 unter Inanspruchnahme der ("inneren") Priorität einer europäischen Patentanmeldung vom 4. Dezember 1978 angemeldeten europäischen Patents 0 011 880 (Streitpatents ), das während des Nichtigkeitsverfahrens abgelaufen ist. Das Streitpatent betrifft "a vehicle guidance system" (ein Fahrzeugleitsystem) und umfaßt in der Fassung der nach Abschluß des europäischen Einspruchsverfahrens (Beschwerdeentscheidung T 251/84 vom 30.10.1987, nicht im Druck veröffentlicht) herausgegebenen neuen europäischen Patentschrift zwei Patentansprüche, die in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt lauten:
"1. Vehicle guidance system comprising - (a) memory means for storing groups of binary data, in which each group includes a coded distance, instruction and direction signal, (b) means (SUR) for addressing the memory means, (c) a register (CMR) for storing one of said groups of binary data selected by said addressing means, (d) means for generating a signal representing a distance travelled , (e) comparator means (UDC) responsive to the coded distance signal in the register (CMR) and to the signal representing distance travelled for generating a signal representing the difference between the coded distance and the distance travelled, (f) means responsive to the signal from the comparator means for switching through the instruction and direction signal in the register (CMR) to an instruction and direction unit (IAD), (g) means (SPT) for generating a signal representing a change of course of the vehicle, and (h) control means (SCU) responsive to signals from the instruction and direction unit (IAD), the register (CMR) and the signal representing the change of course of the vehicle for checking whether the driver correctly followed the instruction and direction, and for triggering the addressing means (SUR) to select the next group of data if the driver has followed the instruction and direction correctly , characterised in that the control means (SCU) is so arranged that if the driver does not follow the instruction and direction signal correctly , the system instructs the driver to make a U-turn to bring the vehicle back to the point where the error occurred and then issues the correct instruction. 2. A vehicle guidance system according to Claim 1 in which means are provided for producing one pulse for each meter of the distance travelled." Als deutsche Fassung dieser Patentansprüche enthält die neue europäische Patentschrift folgenden Text:
"1. Fahrzeugleitsystem bestehend aus:
a) Speichermöglichkeiten für binäre Datengruppen. Jede Gruppe enthält eine kodierte Strecke, ein Anweisungs- und ein Richtungszeichen.
b) Möglichkeiten (SUR) zur Eingabe des Speichers.
c) ein Register (CMR) zur Speicherung eine der obengenannten binären Datengruppen gewählt über die erwähnten Eingabemöglichkeiten ,
d) Möglichkeiten zur Erzeugung eines Signals zur Wiedergabe des zurückgelegten Weges.
e) Ein Vergleicher (UDC) reagierend auf die kodierte abzufahrende Strecke im Register (CMR) und auf das Signal des zurückgelegten Weges. Der Vergleicher erzeugt ein Signal, das die Abweichung zwischen der eingegebenen Strecke und dem zurückgelegten Weg anzeigt.
f) Die Angabesignale des Vergleichers geben Anweisungen mittels Anweisungs- und Richtungssignale aus dem Register (CMR) an eine Anweisungs- und Richtungseinheit (IAD).
g) Möglichkeiten (SPT) um ein Signal zu erzeugen, das eine Kursänderung des Fahrzeugs anzeigt und
h) Steuerbefehle reagierend auf Signale der Anweisungs- und Richtungseinheit (IAD), des Registers (CMR) das Signal, das die Kursänderung des Wagens darstellt zur Prüfung ob der Fahrer den Anweisungen und der Strecke richtig folgt, und für das Löschen der Adressen um die folgenden binären Datengruppen zu wählen, wenn der Fahrer die Anweisung und Richtung richtig ausgeführt hat. Kennzeichnend ist das die Steuerglieder (SCU) so geordnet sind, dass bei nicht genau folgen des Anweisungs- und Richtungssignals das System den Fahrer auffordert umzudrehen und das Fahrzeug zurückzubringen zu dem Punkt wo der Fehler gemacht wurde und dann wieder die richtigen Anweisungen erteilt. 2. Ein Fahrzeugleitsystem gemäss Forderung I mit Vorrichtungen um einen Puls für jeden zurückgelegten Meter Weg zu erzeugen." Die Klägerin, der gegenüber der Beklagte nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents u.a. hat erklären lassen, er halte sie wegen Verletzung des Streitpatents für schadensersatzpflichtig, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmel-
dung hinaus, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Hierzu hat sich die Klägerin im wesentlichen auf die britische Patentschrift 1 414 490, die US-Patentschriften 3 505 749 und 3 845 289 sowie eine Veröffentlichung von French und Lang in IEEE Transactions On Vehicular Technology aus Mai 1973 gestützt. Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent wegen mangelnder Ausführbarkeit für nichtig erklärt. Seine Entscheidung ist bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. II, S. 406 veröffentlicht.
Mit der Berufung verteidigt der Beklagte das Streitpatent in erster Linie in der Fassung der neuen europäischen Patentschrift. Er beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hilfsweise verteidigt er das Streitpatent in der Weise, daß am Ende des Patentanspruchs 1 angefügt werden soll: "before the vehicle again reaches the point where the error occured" (Hilfsantrag 1), weiter hilfsweise (Hilfsantrag 2) in der Weise, daß die Merkmale (a) – (c) des Patentanspruchs 1 wie folgt lauten sollen: "(a) a punch card for storing groups of binary data, in which each group includes a coded distance, instruction and direction signal, (b) a step up relay (SUR) for addressing the punch card, (c) a register (CMR) for storing one of said groups of binary data selected by the step up relay," Höchst hilfsweise verteidigt er das Patent mit einer Fassung des Patentanspruchs 1, die beide vorgenannten Änderungen aufweist (Hilfsantrag 3).
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Sie hält die hilfsweise verteidigten Fassungen schon deshalb für unzulässig, weil die Regelungen über die Gerichtssprache nicht eingehalten seien.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. W. M. , Leiter des Instituts A. Bauwesen der Universität ... , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß das Streitpatent während des Berufungsverfahren abgelaufen ist. Der Beklagte berühmt sich, aus dem Streitpatent gegen die Klägerin Schadensersatzansprüche herleiten zu können. Damit kann die Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung weiterhin in Anspruch nehmen.
B. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein System (Fahrzeugleitsystem), das Richtungsanweisungen erteilt, wodurch es einem Fahrzeugführer ermöglicht werden soll, sein Fahrzeug zu einem gewünschten Bestimmungsort zu steuern, auch wenn er die Fahrstrecke noch nicht kennt.
Die Beschreibung des Streitpatents schildert als aus der britischen Patentschrift 1 297 644 bekannt eine mechanische Streckenfortschrittsanzeigevorrichtung , bei der ständig eine Position entlang einer vorherbestimmten Strecke angezeigt wird und Anweisungen erteilt werden, welches Verhalten bei Errei-
chen einer bestimmten Position erforderlich sei. Dazu werde bei der Streckenfortschrittsanzeigevorrichtung mit einem am Armaturenbrett zu befestigenden Gehäuse über ein Vorschubrad auf einer Führungsbahn ein Bahnmaterial bewegt. Zugleich würden Angaben über die Position entlang der Fahrstrecke angezeigt , während bestimmte Kalibrierungen Anweisungen erteilten, wie weiter zu fahren sei. Der Vorschub erfolge mittels eines Untersetzungsgetriebes mit einem Hauptantriebsgetriebe, das wiederum als Geschwindigkeitsmeßantriebseinheit ausgebildet sei. Hieran bemängelt das Streitpatent, daß ein Fehler des Fahrers diesen in die gleiche Lage versetze, wie wenn ein Leitsystem nicht vorhanden wäre (Beschreibung Sp. 1 Z. 30 - 58).
Als aus der britischen Patentschrift 1 414 490 bekannt bezeichnet die Beschreibung des Streitpatents Navigationshilfen für Landfahrzeuge, bei denen codierte Entfernungssignale und verbale Anweisungen zum Befolgen einer ausgewählten Strecke auf Band aufgenommen sind und die Anweisungen unter Überwachung der zurückgelegten Entfernung durch Vergleich der bekannten Entfernungsdaten mit Signalen der zurückgelegten Entfernung durch eine entsprechende Einrichtung hörbar ausgegeben werden. Dieses System weise Mittel zum Aufzeichnen und Wiedergeben von Datensignalen auf, die einer zurückzulegenden Entfernung und Ausmaß und Richtung einer Richtungsänderung entsprächen, weiter einen Kompaß und Mittel zur Erzeugung von Richtungsänderungssignalen sowie Mittel zum Vergleichen dieser Signale mit den aufgezeichneten Richtungsänderungssignalen, auf die aufgezeichneten bekannten Entfernungssignale ansprechende Mittel zur Auslösung der Richtungsvergleichsmittel und von einem Entfernungsmeßgerät gesteuerte Mittel, die den korrekten Richtungsfortschritt an den ausgewählten Punkten bestätigten oder bei einem inkorrekten Vorgang ein Alarmsignal erzeugten (Beschreibung Sp. 2 Z. 8 - 45). Falls ein Abbiegen nicht korrekt erfolgt sei, werde die mangelnde
Übereinstimmung der Signale registriert und es werde ein Alarmsignal ausgegeben ; die weitere Ausgabe hörbarer Anweisungen werde unterdrückt, bis eine manuelle Rücksetzsteuerung betätigt werde. Der Fahrer könne die inkorrekte Strecke zurückverfolgen und die Rücksetzsteuerung betätigen. Auch dieses System weise den Nachteil auf, daß ein Fehler des Fahrers diesen in die gleiche Lage versetze wie einen Fahrer ohne Leitsystem (Beschreibung Sp. 3 Z. 9 - 41).
2. Durch das Streitpatent soll demgegenüber, wie sich dem Gesamtzusammenhang der Beschreibung entnehmen läßt, ein Fahrzeugleitsystem zur Verfügung gestellt werden, das den Fahrer möglichst sicher zum gewählten Ziel führt.
3. Als Lösung schlägt Patentanspruch 1 ein Leitsystem mit ("comprising" , d.h. umfassend, und nicht wie in der deutschen Fassung des Patentanspruchs in der Patentschrift "bestehend aus") den in den Merkmalen des Patentanspruchs unter (a) bis (h) genannten Komponenten vor, die das Bundespatentgericht ohne sachliche Abweichung in die Merkmale 1 - 8 gegliedert hat, wobei
(i) die Steuermittel (SCU; h) so ausgestaltet sind, daß der Fahrer eine Aufforderung zum Wenden und zur Rückkehr an den Ort, an dem der Fehler geschah, erhält, wenn das Anweisungs- und Richtungssignal nicht richtig befolgt wurde, und
(j) dem Fahrer dann die richtige Anweisung erteilt wird.
4. Dabei erschließen sich die einzelnen Schritte des Systems (einer durch logische Verknüpfungen einzelner Meß-, Verarbeitungs-, Schalt- und Ausgabeelemente gekennzeichneten komplexen Vorrichtung) teilweise näher durch den Rückgriff auf den in der Beschreibung näher abgehandelten Stand der Technik, insbesondere die britische Patentschrift 1 414 490.
Jedoch enthält die Beschreibung des Streitpatents keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, wie das Merkmal (j) zu verstehen ist, daß nach dem Umkehren durch das System die "richtige" Anweisung erteilt wird. Die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts hat in der Beschwerdeentscheidung T 251/84 hierzu ausgeführt (Entscheidungsgründe unter 7.3.5), allein auf Grund des Wortlauts der Anspruchsformulierung beständen Zweifel, ob diese Anweisung gleich nach der Wendeanweisung, nach Durchführung des Wendemanövers oder erst bei Ankunft des Fahrzeugs an die Stelle der Wegabweichung erteilt werde. Nach dem Gesamtzusammenhang könne die Formulierung jedoch nur dahin verstanden werden, daß eine Anweisung, die den Fahrer wieder auf den rechten Weg bringe, notwendig nach dem Wendemanöver, aber vor Erreichen der Stelle der Abweichung erfolgen müsse. Das sachkundig besetzte Bundespatentgericht ist dem mit der zusätzlichen Überlegung beigetreten, die Ausgabe der regulären Anweisung (erst) nach oder bei Wiedererreichen der Stelle der Abweichung sei derjenige Stand der Technik, dessen Nachteile durch das Streitpatent gerade überwunden werden sollten. Auch der Beklagte hat die Lehre des Streitpatents in der Berufungsbegründung in dieser Weise interpretiert. Schon zu dem Wortlaut des Patentanspruchs steht dies in einem gewissen Widerspruch ; danach kommt als "richtige" Anweisung jegliche Anweisung in Betracht , die den Fahrer nach dem Wenden wieder auf den richtigen Weg bringt, mithin also auch die Anweisung, das Fahrzeug wieder in eine Position zu bringen , die es eingenommen hat, bevor der Fehler geschehen ist, und die nicht
befolgte Anweisung dann nochmals zu erteilen. Der Beschreibung des Streit- patents ist, soweit sich diese mit dem Geschehen nach dem Fehler befaßt, nichts Näheres zu entnehmen; dort heißt es nur (in der deutschen Übersetzung ): "Falls dagegen die Anweisung nicht richtig befolgt worden ist, so erfaßt das System diesen Fehler und erteilt die Anweisung zum Wenden, um das Fahrzeug zurückzubringen zu dem Punkt, an dem der Fehler ursprünglich geschah. Es erteilt dann die richtige Anweisung". Diese Formulierung könnte allenfalls darauf hindeuten, daß die "richtige" Anweisung erst nach dem Wiedererreichen der Fehlerstelle erteilt wird; sie bietet dagegen keinen Hinweis darauf, daß vom Patentanspruch ausschließlich der Fall erfaßt sein soll, die "richtige" Anweisung werde bereits vor oder spätestens bei Erreichen der Fehlerstelle erteilt. Die gegenteilige, nur ganz pauschal begründete Auffassung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts findet in der Beschreibung des Streitpatents keine hinreichende Stütze. Daß, worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nochmals hingewiesen hat, nach der Beschreibung des Streitpatents die Anweisungen von der Anweisungs- und Richtungseinheit (IAD) analysiert und anschließend von der Systemsteuereinheit darauf überprüft werden , ob die Anweisung befolgt worden ist, besagt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, daß schon bei dem Analyseschritt eine Erfassung des Fahrfehlers oder gar dessen Zuordnung zu einem bestimmten Fehlertyp erfolgen müßte; die Fehlerfeststellung erfolgt nach der Beschreibung des Streitpatents nämlich erst in der Systemsteuereinheit (SCU) (Beschreibung Sp. 4 Z. 12 - 20). Danach enthält der Hinweis auf die Analyse in der Anweisungs- und Richtungseinheit jedenfalls keinen eindeutigen Aussagegehalt dahin, daß durch die Analyse Informationen ermittelt werden, die es ermöglichen, bereits die vor Erreichen der Fehlerstelle "richtige" Anweisung darzustellen. Die zusätzliche Überlegung des Bundespatentgerichts, daß die Ausgabe der richtigen Anweisung nach oder bei Wiederreichen der Fehlerstelle derjenige Stand der Technik wä-
re, dessen Nachteile durch das Streitpatent überwunden werden sollen, ist demgegenüber nicht überzeugend. Das Bundespatentgericht scheint nämlich einen Erfahrungssatz unterstellen zu wollen, daß ein Patent jedenfalls im Zweifel einen Überschuß gegenüber einem in der Beschreibung abgehandelten Stand der Technik tatsächlich aufweise, für den der Senat aber keine Grundlage sieht. Auch der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung auf wiederholtes und eingehendes Befragen angegeben, daß der Fachmann das Merkmal jedenfalls nicht nur in der einschränkenden Weise verstehen werde, daß die "richtige" Anweisung im Sinn des Patentanspruchs nur die Anweisung sei, die vor dem nochmaligen Erreichen der Fehlerstelle die richtige ist, sondern daß auch die Wiederholung der nicht befolgten Anweisung unter das Merkmal des Patentanspruchs fällt. Dieser Beurteilung tritt der Senat schon deshalb bei, weil es für die Annahme eines engeren Verständnisses des Fachmanns an jeglicher tragfähigen sachlichen Rechtfertigung fehlt. Ob dabei auch der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen beizutreten ist, daß es sich bei dem maßgeblichen Fachmann um einen Universitätsabsolventen und nicht - wie vom Bundespatentgericht angenommen - um einen erfahrenen Fachhochschulabsolventen der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Informatik oder benachbarter Disziplinen handelt, kann dabei dahingestellt bleiben, weil sich diese Frage auf das Verständnis des Fachmanns nicht auswirkt.
Keinerlei Hinweis enthält das Streitpatent ferner darauf, ob zur Erteilung der "richtigen" Anweisung auch der "Up and down counter" (UDC) (in der Übersetzung der Patentansprüche in der Patentschrift "Vergleicher", in der Übersetzung der Beschreibung "Rauf- und Runter-Zähler") verwendet werden soll. Dieses Mittel ist in der Beschreibung nämlich lediglich unter dem Gesichtspunkt der Ermittlung der zurückgelegten Strecke im Verhältnis zu der zurückzulegenden, d.h. der vorgegebenen, genannt (Beschreibung Sp. 3 Z. 63 bis Sp. 4 Z. 7); ein
Hinweis auf eine Bedeutung dieses Mittels beim Verlassen der vorgesehenen Strecke ist weder in der Beschreibung noch in den Patentansprüchen enthalten. Allerdings erscheinen Lösungen, bei denen dies geschieht, denkbar, und sie könnten ebenfalls unter das Patent fallen.
Schließlich ist die Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht auf solche Fälle beschränkt, bei denen die "richtige" Anweisung ohne einen zusätzlichen menschlichen Eingriff, etwa ein Wiederingangsetzen des zuvor angehaltenen Systems, erteilt wird. Zwar bezeichnet die Beschreibung des Streitpatents eine Vorrichtung als bekannt, bei der eine Wiederbetätigung vorgenommen werden muß, auch insoweit finden sich in der Beschreibung aber keine hinreichenden Anhaltspunkte, die diese unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallende Möglichkeit als nicht erfaßt anzusehen gestatten könnten. Daß zur nächsten Anweisung weitergegangen wird, ist nämlich nur für den Fall beschrieben , daß festgestellt wird, die Anweisung sei korrekt befolgt worden (Beschreibung Sp. 4 Z. 15 - 20); in der in der Beschreibung unmittelbar anschließenden Passage, die den Fall betrifft, daß die Anweisung nicht korrekt ausgeführt wurde, findet sich ein derartiger Hinweis dagegen nicht. Dies schließt es aus, eine derartige Beschränkung in den Patentanspruch hineinzulesen.
II. Allerdings vermag der Senat der Beurteilung des Bundespatentgerichts nicht beizutreten, daß das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, daß ein Fachmann sie ausführen kann (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Nr. 2 EPÜ). Auch dies entspricht der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.
1. Merkmal (j), gemäß dem das System dem Fahrer nach dem Wendevorgang die "richtige" Anweisung erteilt, enthält für den Fachmann eine jeden-
falls unter günstigen äußeren Bedingungen, insbesondere in einem einfachen Straßennetz mit rechtwinkligen Kreuzungen und ohne Abbiege- und Wendeverbote , ohne erfinderischen Aufwand nachvollziehbare Lehre. Deren Verwirklichung setzt dann, wenn das Fahrzeug zunächst an die Stelle vor dem Begehen des Fahrfehlers zurückgebracht wird, lediglich voraus, die nicht befolgte Anweisung nochmals anzuzeigen. Wie dies geschehen kann, zeigt zum Beispiel die britische Patentschrift 1 414 490. Aber auch die vom Wortlaut des Patentanspruchs weiter umfaßte Lehre, daß nach dem Umkehren, aber vor dem Wiedererreichen der Fehlerstelle die nicht mit der nicht befolgten Anweisung übereinstimmende , sondern zu dieser komplementäre "richtige" Anweisung erteilt und nicht die ursprüngliche, aber nicht befolgte Anweisung wiederholt wird, ist nach Auffassung des Senats deshalb ausführbar, weil der Fachmann die im Streitpatent nicht genannten weiteren Maßnahmen auf Grund seines Fachkönnens und Fachwissens auffinden und ausführen kann. Schon mit einfachen Überlegungen kann, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Senats überzeugend bestätigt hat, der Fachmann nämlich erkennen, daß sich die Fehler in einem einfachen Straßensystem typisieren lassen und jedem Fehler eine bestimmte richtige Anweisung bei Wiederannäherung an die Fehlerstelle zugeordnet werden kann. So ist etwa in dem Fall, daß eine Anweisung zum Rechtsabbiegen nicht beachtet und statt dessen geradeaus weitergefahren wurde, nach dem Wenden bei Erreichen der versäumten Abbiegestelle mit einem Linksabbiegevorgang fortzufahren. Hierfür genügt es zwar nicht, gespeicherte Streckendaten abzuarbeiten, sondern das System muß, wie das Bundespatentgericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, als "intelligentes" System ausgestaltet sein und aus den systemgemäß erfaßten Daten die "richtige", den gespeicherten binären Datengruppen nicht zu entnehmende Anweisung selbst errechnen können. Wie dies zu geschehen hatte, konnte der Fachmann auch ohne nähere Angaben in der Patentschrift erken-
nen. Voraussetzung war nämlich lediglich, nicht nur die Tatsache der Abweichung der eingeschlagenen Fahrtrichtung von der vorgegebenen festzustellen, sondern zusätzlich zu analysieren, welcher Art die Abweichung war (im vorstehenden Fall also anstatt rechts entweder geradeaus oder links oder gewendet), worauf die Beschreibung des Streitpatents in Sp. 2 Z. 10 - 12 unmittelbar hinweist und was mit den aus dem Stand der Technik bekannten Richtungsdetektoren ohne weiteres möglich war, und dem auf diese Weise klassifizierten Fehler die konkrete komplementäre "richtige" Anweisung zuzuordnen (im Beispielsfall entweder links oder geradeaus oder rechts). Eine derartige Auswertung und einen derartigen Vergleich in das System zu implementieren und das Ergebnis anzuzeigen, konnte dem Fachmann auch zum Prioritätszeitpunkt keine Schwierigkeiten bereiten.
2. Allerdings können - wie sich auch aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergibt - Zweifel daran bestehen, daß die Erfindung, wie sie im Streitpatent beschrieben ist, marktreif war, so z.B. deshalb, weil, wie der gerichtliche Sachverständige eingehend dargelegt hat und wovon auch der Senat überzeugt ist, mit ihr nur Standardsituationen in einem einfachen Straßennetz bewältigt werden können. Das steht der Ausführbarkeit jedoch nicht entgegen (vgl. zur insoweit nicht abweichenden Rechtslage im Gebrauchsmusterrecht Sen.Beschl. vom 28.4.1999 - X ZB 12/98, GRUR 1999, 920 - Flächenschleifmaschine , vgl. weiter Benkard, EPÜ, Art. 83 Rdn. 49).
III. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die ursprüngliche Offenbarung in den Anmeldeunterlagen gedeckt ist. Wollte man die Auslegung des Bundespatentgerichts zugrunde legen, die sich maßgeblich auf die Überlegung stützt, daß sich das Streitpatent vom Stand der Technik abheben wolle, beständen diesbezüglich allerdings
schon deshalb Bedenken, weil ein konkreter Stand der Technik in den ur- sprünglichen Unterlagen noch nicht angegeben war und die Beschreibung insoweit erst nach dem Anmeldezeitpunkt ergänzt worden ist.
IV. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents neu ist. Er beruht jedenfalls gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik, als den der Senat in Übereinstimmung mit der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts die britische Patentschrift 1 414 490 ansieht, von der auch das Streitpatent ausgeht, nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Abweichungen des Streitpatents gegenüber dieser Veröffentlichung beschränken sich - abgesehen von der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht bedeutsamen Frage, welche Mittel jeweils konkret beschrieben sind - auf die Merkmale (i) und (j). Dabei besteht der Unterschied hinsichtlich des Merkmals (i) lediglich darin, daß nach der britischen Patentschrift 1 414 490 allgemein ein Warnsignal erzeugt wird (s. z.B. Patentanspruch 1: "giving an error warning"; Patentanspruch 2: "where in the error warning includes an inhibit signal which stops further functioning"), während nach dem Streitpatent eine Anweisung zum Umkehren erteilt wird. Das ist nichts anderes als ein Warnsignal , jedoch verknüpft mit einem konkreteren Bedeutungsinhalt. Ein technischer Beitrag zur Lehre des Patents wird mit der Zuweisung eines besonderen Bedeutungsinhalts zu einem Warnsignal nicht geleistet; deshalb kann dieser (zudem hier sich ohne weiteres aufdrängende und - auch ohne druckschriftlichen Nachweis - naheliegende Bedeutungsinhalt, anstatt eines bloßen Alarms die entsprechende Anweisung zum Umkehren zu erteilen) zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit nicht herangezogen werden (vgl. zur Problematik Sedlmair Mitt. 2002, 448, 450; Anders GRUR 2001, 555, 560; Melullis, Festschrift für Willi
Erdmann, 2002, 401, 418 f.; Keukenschrijver, Festschrift für Reimar König, 2003, 255 ff., 263 f.). Es kommt hinzu, daß auch die US-Patentschrift 3 505 749 das Alarmsignal mit einem Bedeutungsinhalt ("off-course-indicator" 46) verknüpft ; auch das belegt, daß ein Alarmsignal letztlich mit einem beliebigen Aussagegehalt verbunden werden kann.
Merkmal (j) besagt, daß dem Fahrer nach Rückkehr an den Ort, an dem der Fehler geschah, die richtige Anweisung erteilt wird.
Soweit dieses Merkmal die Möglichkeit umfaßt, daß das Fahrzeug zunächst an eine Stelle zurückgebracht wird, die vor der Fehlerstelle, d.h. der Stelle, an der die vorgesehene Anweisung nicht ausgeführt wurde, ist dies - auch in Zusammenschau mit den übrigen Merkmalen - durch die britische Patentschrift 1 414 490 zumindest nahegelegt, denn dort ist ausgeführt, daß der Fahrer, der erkennt, daß er den Richtungswechsel an der vorherbestimmten Stelle versäumt hat, nun die inkorrekte Strecke zurückverfolgen kann, bis er den vorgesehenen Abbiegevorgang durchführen kann, und dann über eine Wiederbetätigung die Datenaufzeichnungen reaktivieren kann, worauf die Einrichtung ihren Betrieb wieder aufnimmt (Beschreibung S. 2 Z. 47 - 55: "If the driver recognises that he has missed the turn at the preselected point, he may now retrace his incorrect route until he can make the appropriate turn and operate the reset-control to re-activate the recording of the verbal instructions and associated data signal, whereupon the equipment resumes its regular function" ). Dies läßt allenfalls offen, ob vorgesehen ist, auch die nicht befolgte Anweisung zu wiederholen oder erst mit der nächsten Anweisung einzusetzen. Der Fachmann sieht aber ohne weiteres, daß es eine deutliche Beeinträchtigung des Systems darstellt, wenn die nicht befolgte Anweisung nicht wiederholt wird, und wird deshalb die Möglichkeit ins Auge fassen, auch diese Anweisung,
die noch befolgt werden muß, zu wiederholen, d.h. die Aufzeichnung vor den Fehler zurückzusetzen. Das hat auch der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Damit ist jedenfalls eine von Patentanspruch 1 des Streitpatents erfaßte Lehre für den Fachmann naheliegend gewesen; dies führt dazu, das das Streitpatent mit Patentanspruch 1 in der Fassung der neuen europäischen Patentschrift keinen Bestand haben kann.
Soweit das Merkmal die Möglichkeit umfaßt, daß die "richtige" Anweisung nicht die Wiederholung der versäumten, sondern die sich aus dem Versäumen ergebende (komplementäre) Anweisung ist, wobei ersichtlich nur das Verhalten nach dem Umkehren gemeint sein kann, weil das Umkehrsignal bereits in Merkmal (i) enthalten ist (also z.B. bei Rechtsabbiegen anstelle von Linksabbiegen die Anweisung, nach dem Umkehren an der Fehlerstelle geradeaus zu fahren), ist es dem Fachmann ein Leichtes zu erkennen, daß jedem definierten Fahrfehler eine ebenso definierte "richtige" Anweisung zuzuordnen ist. Ebenfalls ohne weiteres erkennbar ist, daß die Zuordnung von Fahrfehlern und "richtigen" Anweisungen tabellarisch erfaßt werden kann und daß es lediglich der Analyse des Fahrfehlers bedarf, um diesem die richtige Anweisung zuzuordnen. Eine derartige Fehleranalyse sieht z.B. die vorveröffentlichte, ein besonderes Leitsystem bei der Zeitungszustellung betreffende US-Patentschrift 3 845 289 vor (Beschreibung Übersetzung S. 29 ff., 61 f., 74). Dem hoch qualifizierten Fachmann konnte zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents zugetraut werden, dieses Problem routinemäßig zu lösen. Die Mittel zur Umsetzung einer solchen Anweisung sind nicht Gegenstand der in der Patentschrift offenbarten Lehre, sondern bleiben dem Fachmann überlassen.
Die vom Streitpatent insoweit vorausgesetzte, im Stand der Technik so nicht angesprochene Darstellung der danach ermittelten "richtigen" Anweisung
bereitete ihm keinen besonderen Aufwand. Insoweit bot ihm die USPatentschrift 3 845 289 Anregungen, weil dort die Einzelheiten des Fehlers ausgedruckt und dem Fahrer mitgeteilt werden können (Beschreibung deutsche Übersetzung S. 61 f. = Patentschrift Sp. 26 Z. 53 ff.; S. 74 f. = Patentschrift Sp. 31 Z. 60 ff.). Demnach wird der nächste Ort angegeben, an dem der Fehler beseitigt werden kann ("giving the next location at which a recovery can be made" , Sp. 26 Z. 57/58). Ein weiterer Hinweis findet sich dort, wenn (Sp. 32 Z. 32 - 34 = Übersetzung S. 75 Z. 18 - 21) ausgeführt wird: "... the driver may, after aligning his vehicle with the location which has been printed ..."; demnach dient die ausgedruckte Ortsangabe hier als Richtungsanweisung, ohne allerdings notwendigerweise selbst eine solche darzustellen.
V. Patentanspruch 2 des Streitpatents fügt der Lehre des Patentanspruchs 1 nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen den Einsatz eines Pulsgebers für die zurückgelegte Strecke hinzu, der z.B. in Form eines Radumdrehungszählers (Odometers) zum Stand der Technik gehörte (vgl. wiederum die US-Patentschrift 3 845 289). Eine erfinderische Leistung kann hierin auch in Kombination mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nicht gesehen werden.
VI. 1. Der Berücksichtigung der hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen, daß diese Einfügungen enthalten, die nicht in deutscher Sprache, sondern in der Verfahrenssprache Englisch erfolgt sind. Wie der Senat bereits vor längerer Zeit entschieden hat, ist es zwar möglich, ein europäisches Patent im Nichtigkeitsverfahren vor deutschen Gerichten auch dann durch eine in deutscher Sprache gehaltene einschränkende Neufassung der Patentansprüche beschränkt zu verteidigen, wenn Deutsch nicht die Verfah-
renssprache des Erteilungsverfahrens war (BGHZ 118, 121 - Linsenschleif- maschine). Der Patentinhaber ist jedoch nicht gehindert, die beschränkte Verteidigung durch eine eingeschränkte Neufassung des in der maßgeblichen Verfahrenssprache erteilten Patentanspruchs vorzunehmen (Sen.Urt. v. 8.6.1993 - X ZR 121/90, Schulte-Kartei 81-85 Nr. 151 - Schließvorrichtung/ locking device). Dem ist das Schrifttum einhellig gefolgt (Rogge in Benkard, PatG 9. Aufl. § 22 Rdn. 58a; ders. in Benkard, EPÜ, Art. 138 Rdn. 30, und in GRUR 1993, 284, 287; Schulte PatG 6. Aufl. § 81 Rdn. 127 f.; Schennen in Singer/Stauder EPÜ 2. Aufl., Art. 138 Rdn. 19; Keukenschrijver in Busse, PatG, 5. Aufl., Art. II § 6 IntPatÜG Rdn. 6; ders. GRUR 2001, 571, 575 und in Das Patentnichtigkeits- und Nichtigkeitsberufungsverfahren, 2003, Rdn. 164). Dabei ergibt sich die Verbindlichkeit der Fassung des europäischen Patents in der Verfahrenssprache auch für die nationalen Folgeverfahren aus Art. 70 Abs. 1 EPÜ (vgl. Rogge in Benkard EPÜ Art. 70 Rdn. 7). Die Bestimmung über die Gerichtssprache in § 184 GVG steht dem nicht entgegen, denn diese gilt nur, soweit sie nicht durch spezielle andere Regelungen durchbrochen wird, wie dies hier der Fall ist (vgl. Manfred Wolf in MünchKomm/ZPO 2. Aufl., § 184 GVG Rdn. 7; vgl. weiter zu der vergleichbaren Regelung der Amtssprache in § 126 PatG, Sen.Beschl. v. 19.11.2002 - X ZB 23/01, GRUR 2003, 226, 227 - Läägeünnerloage, zur Veröffentlichung in BGHZ 153, 1 vorgesehen).
2. Das nach Hilfsantrag 1 angefügte Merkmal
(k) wonach die Anweisung erteilt wird, bevor das Fahrzeug die Stelle, an der der Fehler unterlief, wieder erreicht, ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart. Dem steht es nicht entgegen , daß, wie oben ausgeführt, der Fachmann in der Lage ist, eine solche Ausführungsform auf Grund der Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen
ohne erfinderisches Zutun zu entwickeln. Zwar ist der Offenbarungsbegriff grundsätzlich ein einheitlicher (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 3 Rdn. 92; zur früheren Rechtslage BGHZ 80, 323, 328 - Etikettiermaschine; zum Verhältnis Neuheitsprüfung - Identitätsprüfung zuletzt Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00 - elektrische Funktionseinheit, Umdruck S. 16, zur Veröffentlichung vorgesehen ). Allerdings darf die unterschiedliche Funktion der Offenbarung etwa im Kontext der Neuheitsprüfung, der Ausführbarkeitsprüfung, der Identitätsprüfung oder der Prüfung der Beschränkungsmöglichkeit nicht außer acht gelassen werden. Zwar hat der Senat - noch zu § 26 Abs. 4 PatG 1968 - als zur Beschränkung ausreichend eine solche Offenbarung verstanden, die eine Benutzung durch andere Sachverständige als möglich erscheinen läßt (BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I). Er hat weiter - ebenfalls noch zur früheren Rechtslage - dahin erkannt, daß die Feststellung genüge, nach dem Gesamtinhalt der Beschreibung solle zumindest auch eine bestimmte Ausgestaltung der Erfindung geschützt sein (BGH, Beschl. v. 6.10.1994 - X ZB 4/92, GRUR 1995, 113 - Datenträger). Daran fehlt es hier jedoch. Es kann nämlich - anders als für die Bejahung der Ausführbarkeit (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 20.11.2001 - X ZB 3/00, Mitt. 2002, 176 - Gegensprechanlage) - für die Zulässigkeit einer Beschränkung auf eine bestimmte Ausführungsform nicht genügen, daß der Fachmann nicht durch die bloße Lektüre der Patentschrift, sondern erst dann zu dieser die Ausführung der Erfindung gestattenden Ausgestaltung kommt, wenn er sich nähere und weiterführende Gedanken über die Ausführbarkeit der Erfindung macht und dabei durch die Beschreibung nicht vermittelte Informationen mit seinem Fachkönnen aus seinem Fachwissen ergänzt, auch wenn dies erfinderische Überlegungen nicht erfordert. Die die Beschränkung ermöglichende Offenbarung muß vielmehr auch nach geltendem Recht ihre Stütze in einer dem Gesamtinhalt der maßgeblichen Unterlagen entnehmbaren bestimmten Ausgestaltung finden. Einen Hinweis darauf, die "richtige" Anweisung bereits
vor Erreichen der Fehlerstelle nach dem Umkehren zu erteilen, geben die ur- sprünglichen Unterlagen indessen ebensowenig wie das erteilte Patent; es fehlt vielmehr an jeglichem Hinweis auf diese Maßnahme. Damit kann sich der Beklagte auf einen solchermaßen eingeschränkt formulierten Gegenstand nicht zurückziehen.
3. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 führt bestimmte allgemeine Begriffe (Speichermöglichkeiten bzw. -mittel; Möglichkeiten bzw. Mittel; Eingabemöglichkeiten bzw. -mittel), deren Ursprungsoffenbarung zweifelhaft ist, auf konkretere Begriffe, wie sie in den ursprünglichen Unterlagen genannt sind (punch card - Lochkarte, step up relay - Schrittschaltrelais) zurück. Damit versucht der Beklagte, Bedenken hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung Rechnung zu tragen, auf die es indessen wegen der mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nicht ankommt. Daß sich aus der Rückführung auf die konkreteren Angaben eine andere Beurteilung der Schutzfähigkeit ergeben könnte, ist weder erkennbar noch geltend gemacht.
4. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 kann jedenfalls aus den zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 genannten Gründen, die hier gleichermaßen zutreffen, nicht zum Erfolg führen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus dem nach Art. 29 des 2. PatG˜ndG für den vorliegenden Fall noch maßgeblichen § 110 Abs. 3 PatG in der vor Inkrafttreten des 2.PatGÄndG geltenden Fassung in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
25
2. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem; Benkard /Melullis, EPÜ, Art. 54 Rdn. 54; PatG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 20 f.). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Senats und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist (BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; Sen.Urt. v. 30.1.2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 Tz. 17 - Betonstraßenfertiger; EPA (GrBK) Amtsbl. 2001, 413 = GRUR Int. 2002, 80; EPA GRUR Int. 2008, 511 - Traction sheave elevator/KONE; s. dazu auch Benkard/Melullis, EPÜ aaO Rdn. 59; Rogge, GRUR 1996, 931, 934).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 10/10 Verkündet am:
25. September 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Kniehebelklemmvorrichtung
EPÜ Art. 56; PatG § 4
Besteht aus fachmännischer Sicht Anlass, im Rahmen der technischen Weiterentwicklung
einer Vorrichtung eine bestimmte Konstruktion in Erwägung zu ziehen, und
bedarf es deshalb hierfür keiner erfinderischen Tätigkeit, führt allein das Verharren
bei dieser Konstruktion auch dann nicht zu einer anderen Bewertung, wenn erkennbare
Nachteile der erwogenen Konstruktion dem Fachmann eine konkrete Anregung
geben könnten, bei dieser nicht stehen zu bleiben.
BGH, Urteil vom 25. September 2012 - X ZR 10/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, die Richter Dr. Grabinski und
Hoffmann und die Richterin Schuster

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts vom 10. September 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 25. Februar 1998 in der Verfahrenssprache Englisch angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 862 970 (Streitpatent), für das die Prioritäten japanischer Patentanmeldungen vom 5. März 1997 und vom 27. Juni 1997 in Anspruch genommen worden sind. Das Streitpatent umfasst neun Patentansprüche, von denen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat: "A toggle-lever clamping device comprising: a body (14, 14a, 14b) having a parallelepiped shape with a width which is small compared to the height and the depth; an arm (22) capable of clamping a workpiece (w); a cylinder unit (18) connected to one end of said body (14, 14a, 14b), for accommodating a piston (28) which is reciprocatable along a cylinder chamber (38, 38a) of said cylinder unit (18); a toggle link mechanism (60), provided in the interior said body (14, 14a, 14b), for converting linear motion of a piston rod (40) connected to said piston (28) into rotational motion of said arm (22); said arm (22, 22a to 22c) being connected to said toggle link mechanism (60), for making rotation within a predetermined angle in reaction to a driving stroke of said piston (28) of said cylinder unit (18); a reaction force-absorbing member (106a, 106b) disposed in said body (14, 14a, 14b) for absorbing the reaction force (H) from said toggle link mechanism (60) applied when in use a workpiece (W) is clamped to the rotatable arm (22), characterized in that said reaction force-absorbing member is constituted by a reaction force-receiving plate (106a, 106b) detachably fastened by fastening means to an upper portion in an opening (12a, 12b) of said body (14, 14a, 14b), and in that said reaction force-receiving plate (106a, 106b) is provided to engage with a roller (66a, 66b) provided at the end of the piston rod (40) not attached to the piston (28), said reaction force-receiving plate engaging said roller (66a, 66b) only during a clamping state of said arm (22, 22a, to 22c)."
2
Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Sie behauptet, sie habe viele Jahre vor den Prioritätsdaten des Streitpatents in der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und in Schweden Kniehebelspannvorrichtungen (Kniehebelklemmvorrichtungen) offen vertrieben , die sämtliche Merkmale des Gegenstands des Streitpatents gemäß Anspruch 1 vorweggenommen hätten.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten , mit der sie im Hauptantrag das Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
4
Mit drei Hilfsanträgen verteidigt die Beklagte das Streitpatent in jeweils beschränkten Fassungen.
5
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
6
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. F. , Technische Hochschule A. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

7
I. Das Streitpatent betrifft eine Kniehebelklemmvorrichtung, mit der durch ein Druckmittel (z.B. Druckluft oder Hydrauliköl), über einen Kolben (28) angetrieben, ein Arm (22) aus der in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 5 des Streitpatents in die in Figur 6 gezeigte Position zur Klemmung eines Werkstücks (W) geschwenkt wird.


8
1. Nach der Beschreibung des Streitpatents gab es im Stand der Technik Kniehebelklemmvorrichtungen, mit denen eine lineare Bewegung eines Kolbens in eine Drehbewegung eines Arms zum Klemmen eines Werkstücks umgewandelt werden konnte. Dabei sieht die französische Patentanmeldung 2 340 798 (Anlage K4) eine längliche Reaktionsplatte vor, die eine am Ende der Kolbenstange gelagerte Walze während der gesamten Hin- und Herbewegung im ungeklemmten wie im geklemmten Zustand stützt. Um diese Reaktionsplatte auszutauschen, muss die gesamte Klemmvorrichtung zerlegt werden.
9
Dem Streitpatent liegt danach das Problem zugrunde, eine Aufnahme der insbesondere bei der Klemmung auftretenden Kräfte durch Elemente zu bewirken, die mit nur wenig Aufwand diese Funktion dauerhaft erfüllen, und damit dauerhaft ein stabiles Klemmen gewährleisten.
10
2. Zur Lösung dieses Problems zeigt Patentanspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen (kursiv die zusätzlichen Merkmale gemäß Hilfsantrag I, in eckigen Klammern die abweichende Gliederung des Patentsgerichts ):
11
Die Kniehebelklemmvorrichtung hat 1. einen Grundkörper (14, 14a, 14b), der 1.1 eine parallelepipedförmige Gestalt mit einer Breite, die im Vergleich zu der Höhe und der Tiefe klein ist, aufweist [1] und 1.2 geschlossen ist, um das Eintreten von Staub oder dergleichen zu verhindern [1.1]; 2. einen Arm (22), mit dem ein Werkstück (W) geklemmt werden kann; 3. eine Zylindereinheit (18), die mit einem Ende des Grundkörpers (14, 14a, 14b) verbunden ist, um einen Kolben (28) aufzunehmen, der entlang einer Zylinderkammer (38, 38a) der Zylindereinheit (18) hin und her bewegbar ist; 4. einen Gelenkstangenmechanismus (60), 4.1 der im Inneren des Grundkörpers (14, 14a, 14b) vorgesehen ist, [4] 4.2 um eine Linearbewegung der Kolbenstange (40), die mit dem Kolben (28) verbunden ist, in eine Drehbewegung des Armes (22) umzuwandeln; [4] 4.3. wobei der Arm (22, 22a bis 22c) 4.3.1 über Lagerabschnitte des Gelenkstangenmechanismus , die von einer Seitenfläche des Grundkörpers nach außen vorstehen, [5.1] 4.3.2 mit dem Gelenkstangenmechanismus (60) verbunden ist, um sich in Reaktion auf einen Antriebshub des Kolbens (28) der Zylindereinheit (18) um einen festgelegten Winkel zu drehen; [5] 5. ein Reaktionskraftabsorptionselement (106a, 106b), [6] 5.1 das im Grundkörper (14, 14a, 14b) angeordnet ist, [6] 5.2 um die Reaktionskraft (H) von dem Gelenkstangenmechanismus (60) zu absorbieren, die aufgebracht wird, wenn bei der Verwendung ein Werkstück (W) an den drehbaren Arm (22) geklemmt wird, und [6] 5.3. das durch eine Reaktionskraftaufnahmeplatte (106a, 106b) gebildet wird, [7] 5.3.1 die durch Befestigungsmittel lösbar an einem oberen Bereich in einer Öffnung (12a, 12b) des Grundkörpers befestigt ist, [7] 5.3.2 die vorgesehen ist, um mit einer Walze (66a, 66b) in Eingriff zu treten, die an dem Ende der Kolbenstange (40), welches nicht an dem Kolben (28) befestigt ist, vorgesehen ist, und [8] 5.3.3 die an der Walze (66a, 66b) lediglich während eines Klemmzustands des Armes (22, 22a bis 22c) angreift, [9] 6. an in einem Paar von Ausnehmungen vorgesehenes mit einem Walzenpaar in Eingriff tretendes Paar von Platten als Reaktionskraftabsorptionselement [7.2.].
12
3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.
13
a) Für die Anordnung des Gelenkstangenmechanismus im Inneren des Grundkörpers gemäß Merkmal 4.1 reicht es aus, wenn sich der Mechanismus innerhalb der äußeren Kanten des Grundkörpers befindet. Dieses Merkmal trifft keine Aussage darüber, wie der Grundkörper selbst gestaltet ist, insbesondere ob er nach außen zum Schutz vor Staub und anderen Einwirkungen geschlossen gebaut ist.
14
b) Die Begrenzung des Kontakts zwischen der Walze und der Reaktionskraftaufnahmeplatte auf "lediglich" den Klemmzustand des Armes im Sinne des Merkmals 5.3.3 bedeutet nicht, dass dieser Kontakt sofort nach dem Ende des Klemmzustands unterbrochen sein muss. Wie es die Figur 6 des Streitpatents zeigt, reicht es hierfür aus, wenn dieser Kontakt auf dem Weg des Kolbens vom Klemmzustand aus erst kurz nach diesem Zustand nicht mehr vorliegt.
15
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
16
Dem Streitpatent liege die Aufgabe zugrunde, eine Kniehebelklemmvorrichtung zu beschreiben, bei der im Falle der Einklemmung eines Werkstücks jegliches Spiel, das aus der dabei auftretenden Reaktionskraft resultiere, und eine damit verbundene Klemmkraftverringerung vermieden werde.
17
Der Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 sei dem Fachmann durch die britische Patentschrift 1 523 565 (Anlage K89) in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt und damit nicht patentfähig gewesen. Die darin offenbarte Kniehebelklemmvorrichtung habe einen Grundkörper, einen Arm, eine Zylindereinheit und einen Gelenkstangenmechanismus entsprechend den Merkmalen 1, 1.1, 2 bis 4.3 und 4.3.2.
18
Mit der langgestreckten Platte 15, wie sie in Figur 1 der K89 gezeigt werde , werde auch ein Reaktionskraftabsorptionselement im Sinne der Merkmale 5.1, 5.2 und 5.3.2 offenbart, denn diese sei ausgelegt, die Kräfte aufzunehmen, die durch den Arm 6 und die Kolbenstange 4 auf die Rollen 14 übertragen werden.
19
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents unterscheide sich von der K89 allein darin, dass es zusätzlich die Merkmalsgruppen 5.3.1 (lösbar durch Befestigungsmittel) und 5.3.3 (Angreifen der Reaktionsaufnahmeplatte lediglich während des Klemmzustands) aufweise.
20
Aus der K89 sei aber bekannt gewesen, dass bei einem Sperrmechanismus starker Druck auf die Kolbenstange zu Deformationen führen könne, die mit der für die Sperrwirkung erforderlichen Präzision nicht zu vereinbaren sei. Die Lösung bestehe offensichtlich darin, die Platte 15 so auszulegen, dass sie die Kräfte aufnehmen könne, die durch den Arm und die Kolbenstange auf jede Rolle übertragen würden. Offensichtlich sei auch, dass der Sperrmechanismus nur in der Phase wirke, in der das Werkstück eingeklemmt werde, denn nach der K89 solle verhindert werden, dass sich die Klemmung löse, wenn der Druck des Fluids im Kolben sinke. Damit seien bei Kniehebelklemmvorrichtungen bereits Kraft aufnehmende Platten bekannt, an denen Walzen während eines Klemmzustands angreifen. Dem Fachmann sei aus seinem Fachwissen geläu- fig, dass bei solchen Vorrichtungen die größten Kräfte im Bereich des oberen Totpunkts aufträten und die erforderliche Präzision zum Klemmen des Werkstücks durch Deformation leiden könne. Um dem zu begegnen, bestehe die nächstliegende Lösung darin, die Platte, an der die Deformationen auftreten könnten, austauschbar zu gestalten. Aus Kostengründen werde der Fachmann eine austauschbare Platte nur an den Stellen vorsehen, wo die größten Kräfte auftreten, mithin im oberen Bereich, wo die Walzen während des Klemmzustandes an der Platte angreifen.
21
Dass die aus der K89 bekannte Platte langgestreckt sei, stehe dem nicht entgegen. Denn dort erfordere die besondere Form der lösbaren Verbindung zwischen der Kolbenstange und dem Gelenkstangenmechanismus eine Führung für den hierfür verwendeten Gleitblock. Der Fachmann erkenne jedoch sofort, dass die Platte im unteren Bereich keine nennenswerten Kräfte aufnehmen müsse und deshalb bei einer anderen Art der Befestigung der Kolbenstange eine Führung durch eine Platte nicht notwendig sei. Daher liege es für den Fachmann auf der Hand, die Platte nur im oberen Bereich austauschbar zu gestalten. Es habe daher keiner erfinderischen Tätigkeit bedurft, die Reaktionsaufnahmeplatte durch Befestigungsmittel lediglich im oberen Bereich in einer Öffnung des Grundkörpers lösbar im Sinne der Merkmale 5.3.1 und 5.3.3 zu befestigen.
22
III. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
23
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist nicht patentfähig, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
24
a) Ausgehend von der K89, die wie die deutsche Offenlegungsschrift 27 04 911 auf der Priorität der in der Streitpatentschrift genannten K4 (Anlage K14) beruht, war dem Fachmann, den das Patentgericht zutreffend als einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Spanntechnik definiert, eine Kniehebelklemmvorrichtung bekannt, die einen Grundkörper, einen Arm, eine Zylindereinheit, einen Gelenkstangenmechanismus und ein Reaktionskraftabsorptionselement entsprechend den Merkmalen 1, 1.1, 2, 3, 4.2, 4.3.2 bis 5.2 und 5.3.2 aufweist. Dies wird insoweit von den Parteien nicht in Zweifel gezogen.
25
b) Der Gelenkmechanismus befindet sich entsprechend dem Merkmal 4.1 im Inneren des Grundkörpers. Nach der Figur 1 zur K89 ist der Mechanismus vollständig innerhalb der Außenkanten des Grundkörpers angeordnet, so dass auch dieses Merkmal dem Fachmann aus der K89 bekannt war.
26
c) Die K89 zeigt zwar eine Reaktionsplatte (15) im oberen Bereich in einer Öffnung des Grundkörpers, jedoch nicht, wie diese Platte an dem Grundkörper befestigt ist. Für den Fachmann lag es indessen nahe, hierfür auch an eine lösbare Verbindung zu denken und diese vorzusehen.
27
Für diese Verbindung standen dem Fachmann verschiedene Befestigungsmöglichkeiten zur Wahl, die sich in lösbare wie z.B. Schrauben und nicht lösbare wie z.B. Verklebungen und Verlötungen unterscheiden lassen. Solche Verbindungen einschließlich der damit jeweils verbundenen Vor- und Nachteile waren dem Fachmann sämtlich aufgrund seines allgemeinen und spezifischen Fachwissens bekannt. Da es sich bei der Reaktionsplatte (15) um ein Element handelt, das die vom Arm (6) und der Kolbenstange (4) ausgehenden Kräfte aufnehmen soll (K89 S. 2 Z. 49-52), wusste er auch, dass diese Platte einem erhöhten Verschleiß unterliegen kann (SV-Gutachten S. 65 Nr. 5). Um die Funktion dieser Platte dauerhaft zu gewährleisten, war von ihm deshalb zu erwarten , die Platte entsprechend dem Merkmal 5.3.1 (schnell) lösbar zu befestigen , weil jede zeitraubende Reparatur zu einem betriebswirtschaftlich nicht ver- tretbaren Stillstand der Maschinen führen würde, in dem die Kniehebelklemmvorrichtung eingesetzt wird. Insoweit ist weniger von Bedeutung, mit welcher Wahrscheinlichkeit und mit welchem Zeithorizont die Reaktionsplatte (15) verschleißen würde. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend erläutert hat, war eine lösbare Verbindung, die einen schnellen Austausch ermöglicht, für den Fachmann allein aus Vorsicht geboten.
28
d) Schließlich lag es für den Fachmann auch nahe, die Reaktionskraftaufnahmeplatte so auszugestalten, dass die die Kräfte auf sie übertragende Walze im Sinne des Merkmals 5.3.3 lediglich während des Klemmzustands des Armes mit ihr in Kontakt steht, indem er diese Platte so verkürzte, dass der Kontakt mit der Walze im Wesentlichen nur während dieses Zustands besteht.
29
Die nebenstehende Figur 1 der K89 zeigt eine Reaktionsplatte, deren Länge sich fast über den gesamten Hub der Kolbenstange erstreckt. Wie das Patentgericht zutreffend erkannt hat, ist dies dem Umstand geschuldet, dass in dieser Druckschrift das obere Ende der Kolbenstange nicht unmittelbar, sondern lösbar über einen Gleitkopf 12 mit dem Gelenkstangenmechanismus verbunden ist und damit eine Trennung zwischen diesem Mechanismus und dem Kolben ermöglicht. Der Kontakt dieses Gleitkopfs mit der Innenwand des Grundkörpers könnte zu einer Reibung und damit auch im unteren Bereich des Kolbenstangenhubs zu einem gewissen Verschleiß führen, dem eine längere Reak- tionsplatte vorbeugen soll. Der Sachverständige hat hierzu jedoch überzeugend ergänzt, dass die Länge der Reaktionsplatte eher eine Vorsichtsmaßnahme in dieser Richtung offenbare, als dass ein solcher Verschleiß auch bei der besonderen Gestaltung gemäß der K89 tatsächlich zu befürchten wäre.
30
Aus fachmännischer Sicht war erkennbar, dass es bei Verzicht auf einen solchen Gleitkopf und die Trennbarkeit des Gelenkstangenmechanismus vom Kolben, wie er beispielsweise aus der deutschen Auslegeschrift 22 22 686 (K10) bekannt war und auch dem Gegenstand des Streitpatents zugrunde liegt, keinen Grund gibt, die Reaktionsplatte über eine größere Fläche zu erstrecken als es für die Aufnahme der vom Arm in der Phase des Klemmzustands ausgehenden Kräfte erforderlich ist. Für die Frage des Naheliegens einer technischen Weiterentwicklung sind zwar in erster Linie die druckschriftlichen Hinweise und Anregungen aus dem Stand der Technik zu betrachten. Daneben sind indessen auch die sich aus der Ausbildung und der üblichen Vorgehensweise des Fachmanns ergebende Sichtweise und sein allgemeines und fachgebietstypisches Fachwissen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 Rn. 17 - Installiereinrichtung II; Urteil vom 26. April 2012 - X ZR 72/11, juris Rn. 33). Hierzu gehört, dass der Fachmann mit der Ausbildung eines Maschinenbauingenieurs - wie es der gerichtliche Sachverständige anschaulich verdeutlichte - in den Funktionen denkt, die das von ihm zu konstruierende Bauteil erfüllen muss. Schon weil er dabei auch immer den Kostenaufwand im Blick haben muss, wird er bei Neukonstruktionen darauf achten, nicht über das hinaus zu gehen, was mit Blick auf die zu erfüllenden Funktionen erforderlich ist.
31
Demnach war vom Fachmann zu erwarten, dass er den beschränkten Bedarf für eine Reaktionsplatte allein für den Bereich erkannte, in dem sich der Arm im Klemmzustand befindet. Dies entspricht im Wesentlichen dem oberen Totpunkt des Gelenkmechanismus. Darüber hinaus war insbesondere bei Verzicht auf einen Gleitkopf zwischen Kolbenstange und Gelenk entsprechend der K89 ein Verschleiß durch das Angreifen der Walzen an dem Grundkörper nicht zu befürchten. Die insoweit auftretenden Querkräfte sind vernachlässigbar klein. Eine Verlängerung der Reaktionsplatte auch in diesen Bereich hinein hätte keine Funktion erfüllt, so dass vom Fachmann zu erwarten war, die Platte nicht auch in diesen Bereich zu erstrecken, sondern lediglich im Bereich des Klemmzustands des Armes vorzusehen (Merkmal 5.3.3).
32
e) Auch bei einer Gesamtbetrachtung der Abweichungen des Gegenstands des Streitpatents von demjenigen der K89 waren diese Weiterentwicklungen naheliegend und beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
33
2. Der Gegenstand der Patentansprüche in der Fassung nachdem Hilfsantrag I beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
34
a) Mit Hilfsantrag I sollen dem Patentanspruch 1 die Merkmale 1.2 (geschlossener Grundkörper), 4.3.1 (nach außen vorstehende Lagerabschnitte am Gelenkstangenmechanismus) und 6 (ein Paar Ausnehmungen) sowie die paarweise Anordnung von Walzen und Reaktionskraftaufnahmeplatten hinzugefügt werden.
35
b) Die Beschränkung des Patentanspruchs durch diese Merkmale ist zulässig. Wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, sind sie sämtlich in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen und in der Patentschrift offenbart.
36
c) Indessen war der Gegenstand des Streitpatents auch mit diesen Merkmalen dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt.
37
(1) Eine geschlossene Bauweise des Grundkörpers (Merkmal 1.2) war aus der Figur 3 der K89 bekannt.
38
(2) Die K89 offenbart auch eine Welle des Gelenkstangenmechanismus , die aus einer Seitenfläche des Grundkörpers herausragt, und die Befestigung des Arms zum Klemmen des Werkstücks hieran (Merkmal 4.3.1).
39
(3) Weiterhin beschreibt die K89, dass der Gelenkstangenmechanismus "zwei Walzen" (two rollers) enthalten kann (K89 S. 2 Z. 53-54). In diesem Fall sollen die Kräfte von jeder Walze von einer Reaktionsaufnahmeplatte aufgenommen werden (K89 S. 2 Z. 49-52).
40
(4) Für diese Platte war jeweils eine Ausnehmung vorzusehen, denn wenn der Fachmann eine Reaktionsaufnahmeplatte lediglich für den Bereich vorsehen wollte, in dem die Walzen sich im Klemmzustand befinden und die sich daraus ergebenden Kräfte übertragen, bedingte dies für ein gleichmäßiges Rollen der Walzen, dass sie in dem weiteren, dem Kolbenhub folgenden Bereich nicht auf Kanten der Platten stoßen, sondern weiterhin am Grundkörper bündig ablaufen können, auch wenn hier kaum noch Kräfte auf diesen zu übertragen sind. Demnach war es konsequent in diesem Bereich die Fläche des Grundkörpers in annähernd derselben Flucht anzuordnen, wie die für den Walzenkontakt vorgesehenen Fläche der Reaktionsaufnahmeplatte. Um eine solche annähernd gleiche Flucht dieser Fläche herzustellen, kennt der Fachmann die Konstruktion von Ausnehmungen, in die die Reaktionsaufnahmeplatten eingefügt werden, weshalb von ihm zu erwarten war, mit Hilfe einer solchen Ausnehmung eine annähernd gleiche Flucht zwischen der Kontaktfläche der Reaktionsaufnahmeplatte und der weiteren Abrollfläche auf dem Grundkörper herzustellen.
41
(5) Auch das Vorsehen von paarweisen Ausnehmungen, in die jeweils eine Reaktionsaufnahmeplatte eingefügt wird, war im Rahmen der vom Fachmann zu erwartenden Überlegungen nahegelegt und beruht nicht auf erfinderi- scher Tätigkeit. Entsprechend der funktionalen Sichtweise, die von einem Maschinenbauingenieur für die Konstruktion solcher Bauteile zu erwarten war, ist es aus der Sicht des Fachmanns zunächst konsequent, die Platten bei einer Verwendung von zwei Walzen nur dort vorzusehen, wo die Walzen angreifen. Da sich dies insbesondere bei einer symmetrischen Bauweise, die mit einer solchen Anordnung implizit verfolgt wird, in getrennten Bereichen des Grundkörpers vollzieht, führt deshalb die funktionale Sichtweise zunächst auch dazu, die Reaktionsaufnahmeplatten getrennt mithin paarweise vorzusehen und in ein Paar von Ausnehmungen einzufügen.
42
Der gerichtliche Sachverständige hat allerdings hierzu in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass eine solche Konstruktion zu einer technisch unvorteilhaften Doppelpassung und einem erhöhten Montageaufwand führen würde, weshalb der Fachmann Anlass gehabt haben könnte, von einer solchen Konstruktion wieder Abstand zu nehmen und stattdessen für die beiden Walzen nur eine gemeinsame Reaktionsplatte vorzusehen.
43
Diese weitergehenden Überlegungen führen indessen nicht dazu, die im Hilfsantrag I vorgesehene Trennung der Reaktionsaufnahmeplatte in zwei Bereiche als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen. Hat der Fachmann Anlass oder gibt es Anregungen oder Hinweise, im Rahmen einer technischen Weiterentwicklung eine bestimmte Konstruktion in Erwägung zu ziehen und ist deshalb hierfür keine erfinderische Tätigkeit erforderlich, führt allein das Verharren bei dieser Konstruktion nicht zu einer anderen Bewertung. Dies gilt auch dann, wenn es aus dem Stand der Technik, dem Fachwissen, dem fachtypischen Vorgehen oder sonstigen Umständen hinreichenden Anlass, Hinweise oder Anregungen gab, bei dieser Konstruktion nicht stehen zu bleiben , und deshalb vom Fachmann eigentlich zu erwarten war, den Gegenstand mit anderen Merkmalen zu konstruieren. Die technischen Gründe, die eine Trennung der Reaktionsplatte in zwei Platten nach den Ausführungen des Sachverständigen als unvorteilhaft erscheinen lassen könnten, führen deshalb nicht dazu, das Verharren bei zwei Platten als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend anzusehen, denn die zu dieser Konstruktionsform führenden Überlegungen des Fachmanns gehören sämtlich zu seinem durchschnittlichen Fachkönnen.
44
(6) Das Merkmal 6 und damit insgesamt ein Gegenstand, wie er sich aus der Zusammenfassung der gemäß Hilfsantrag I kombinierten Merkmale ergibt, waren deshalb dem Fachmann ebenfalls nahegelegt.
45
3. Weiterhin ist auch ein Gegenstand des Streitpatents entsprechend den Fassungen der Hilfsanträge II und III nicht patentfähig.
46
a) Mit Hilfsantrag II soll der dem Hilfsantrag I entsprechende Patentgegenstand zusätzlich um das Merkmal beschränkt werden, dass die Ausnehmungen gemäß Merkmal 6 "durch jeweils vier Wandflächen gebildet" sind.
47
Gemäß Hilfsantrag III soll der dem Hilfsantrag I entsprechende Patentgegenstand um das folgende Merkmal ergänzt werden: "die Ausnehmungen (104) bilden jeweils einen parallelepipedförmigen Raum, wobei zwei aneinandergrenzende Flächen der Ausnehmungen (104) offen sind und dann, wenn die Reaktionsaufnahmeplatten (106a, 106b) in den Ausnehmungen (104) angebracht sind, die Walzen (66a, 66b) jeweils an einer Fläche einer Reaktionskraftaufnahmeplatte (106a, 106b) anliegt, welche an einer der offenen Flächen der Ausnehmung (104) exponiert ist, und wobei eine andere Fläche der Reaktionsaufnahmeplatten (106a, 106b) innerhalb des Körpers an der anderen offenen Fläche der Ausnehmung (104) exponiert ist."
48
b) Es kann offenbleiben, ob diese Hilfsanträge zulässig sind und die weiteren Merkmale in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart sind.
49
c) Jedenfalls war es naheliegend, die Ausnehmungen gemäß Artikel 6 jeweils mit vier Wandflächen zu bilden und im Übrigen die Reaktionsplatten mit zwei Seiten offen im Grundkörper zu "exponieren". Unter Exponieren ist im Sinne dieser Hilfsanträge lediglich zu verstehen, dass die parallelepipedförmigen Reaktionsaufnahmeplatten mit der jeweiligen Seite nicht in Kontakt zu einer Fläche des Grundkörpers stehen, sondern insoweit dem Luftraum "exponiert" sind.
50
Für die Reaktionsaufnahmeplatten ist die nächstliegende Form ein Quader , weil damit die Platten mit rechtwinkligen Kanten kostensparend gefertigt werden können. Damit war ein parallelepipedförmiger Raum für die Ausnehmungen vorgegeben.
51
Um einen solchen Quader formschlüssig mit dem Grundkörper verbinden zu können, muss eine seiner sechs Seiten offenbleiben, damit die Walze auf der Platte eine Stütze finden kann, wie es Hilfsantrag III beschreibt. Um die Platten schnell austauschen und die Ausnehmungen für die Platten mit einem möglichst geringen Fertigungsaufwand herstellen zu können, kann der Quader nur mit vier Seiten im Kontakt mit dem Grundkörper stehen. Ein fünfseitiges Umschließen des Quaders wäre aufwendig herzustellen und würde den Austausch erschweren. Dies war dem Fachmann durch sein Fachwissen hinreichend bekannt, weshalb von ihm zu erwarten war, die Ausnehmungen für quaderförmige Reaktionsplatten mit genau vier Wandflächen entsprechend dem Hilfsantrag II zu fertigen. Mit zwei Seiten mussten die Platten dann offen dem Luftraum zu gewandt sein, woraus sich eine Exposition im Sinne des Hilfsantrags III als naheliegend ergibt.
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4. Hinsichtlich der Gegenstände der Unteransprüche ist eine eigene erfinderische Leistung weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BGH, Urteil vom 29. September 2011 - X ZR 109/08, GRUR 2012, 149 - Sensoranordnung

).

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Mühlens Grabinski Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 10.09.2009 - 2 Ni 48/07 (EU) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.