Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2006 - XII ZR 152/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Antragsgegnerin begehrt von dem Antragsteller in dem vom Scheidungsverbund abgetrennten Verfahren nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit ab rechtskräftiger Scheidung.
- 2
- Die Antragsgegnerin, deren Erwerbsfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung erheblich eingeschränkt ist, bezieht seit der Scheidung der Ehe laufend Hilfe zum Lebensunterhalt. Das Sozialamt hat die übergegangenen Unterhaltsansprüche zur gerichtlichen Durchsetzung auf die Antragsgegnerin zurückübertragen.
- 3
- Der Antragsteller ist als kaufmännischer Angestellter berufstätig. Er ist wieder verheiratet und hat mit seiner zweiten Ehefrau eine im März 1999 geborene Tochter. Er wohnt mit seiner neuen Familie mietfrei in einem eigenen Einfamilienhaus.
- 4
- Die Ehe der Parteien ist seit dem 8. März 1999 rechtskräftig geschieden. Während des Scheidungsverfahrens begehrte die Antragsgegnerin u.a. im Wege eines Stufenantrags nachehelichen Ehegattenunterhalt. Den Auskunftsantrag erklärten die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juli 1998 übereinstimmend für teilweise erledigt. Abschließende Auskunft erteilte der Antragsteller mit Schreiben vom 18. Dezember 1998. Einen bezifferten Unterhaltsantrag stellte die Antragsgegnerin in der Folgezeit trotz Aufforderung des Gerichts vom 12. Januar 1999, rechtskräftiger Ehescheidung am 8. März 1999, weiterer Erinnerung vom 30. April 1999 und Abrechnung der Verfahrenskosten im September 1999 zunächst nicht. Erst mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002 kündigte die Antragsgegnerin einen bezifferten Zahlungsantrag an.
- 5
- Das Amtsgericht hat den Antragsteller nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin zur Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts in Höhe von monatlich 665 € ab April 1999 verurteilt. Auf die Berufung des Antragstellers hat das Oberlandesgericht die Entscheidung abgeändert und den Antragsteller unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags verurteilt, an die Antragsgegnerin (erst) ab Juni 2002 nachehelichen Unterhalt in dieser Höhe zu zahlen. Gegen die Abweisung des Antrags für die Zeit von April 1999 bis Mai 2002 richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Antragsgegnerin.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Gegen den im Verhandlungstermin nicht erschienenen Antragsteller ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (BGHZ 37, 79, 81 ff.).
- 7
- Die Revision ist teilweise begründet und führt insoweit zur Abänderung des Berufungsurteils.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2005, 722 veröffentlicht ist, hat dem Antrag auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nur für die Zeit ab Juni 2002 stattgegeben, weil die Antragsgegnerin sich erst ab diesem Zeitpunkt auf die Verzugswirkung der Rechtshängigkeit berufen könne. Zwar könne die Antragsgegnerin grundsätzlich auch für die weiter zurückliegende Zeit Unterhalt verlangen, weil sich der Antragsteller durch die Rechtshängigkeit des Stufenantrags in Verzug befunden habe. Auf diese einmal eingetretene Rechtsfolge habe es "an sich" keinen Einfluss, dass das Verfahren von den Parteien seit 1999 nicht mehr betrieben und die Akte vom Gericht weggelegt worden sei.
- 9
- Gleichwohl sei es der Antragsgegnerin verwehrt, Rechte aus der fortbestehenden Rechtshängigkeit herzuleiten, soweit sie Unterhalt für die Zeit vor Juni 2002 beanspruche. Insoweit sei es ihr unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verwehrt, sich auf die mit der Rechtshängigkeit verbundenen Rechtsfolgen zu stützen. Als besondere Form widersprüchlichen Verhaltens komme die Verwirkung eines Rechts dann in Betracht, wenn ein Gläubiger von diesem Recht über längere Zeit keinen Gebrauch mache und sich der Schuldner unter diesen Umständen berechtigterweise darauf einstellen dürfe, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Eine Verwirkung stehe nicht nur der Durchsetzung von einzelnen in der Vergangenheit fällig gewordenen Unterhaltsansprüchen entgegen, sondern versage es dem Gläubiger auch, sich auf die Rechtsfolgen einer Mahnung zu berufen.
- 10
- Unterhalt sei vom Verpflichteten aus seinem laufenden Einkommen aufzubringen und solle die Kosten der laufenden Lebensführung decken. Daraus folge ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit , so dass für die Vergangenheit grundsätzlich kein Unterhalt beansprucht werden könne. Dieses Prinzip sei zwar durch die §§ 1613, 1585 b BGB durchbrochen, soweit der Unterhaltsschuldner durch Mahnung oder Klageerhebung Kenntnis von seiner Inanspruchnahme erhalte. Eine Mahnung verliere aber ihre Warnfunktion, wenn der Unterhaltsgläubiger anschließend untätig bleibe und aus dem einmal erworbenen Recht, Unterhalt bereits für die Zeit ab deren Zugang fordern zu können, keine Ansprüche geltend mache. Dabei sei es unerheblich, ob die verfolgten Zahlungsansprüche angemahnt oder aufgrund einer Stufenklage bereits rechtshängig gewesen seien. Habe der Unterhaltsberechtigte durch seine Untätigkeit die warnende Wirkung einer früheren Mahnung beseitigt, könne es nicht mehr darum gehen, in welchem Umfang sich die Verwirkung auf einzelne, erst kurz zuvor fällig gewordene Unterhaltsansprüche erstrecke. Für den Unterhaltsschuldner stelle sich die entstandene Situation im Ergebnis so dar, als sei er nie zu einer Zahlung aufgefordert worden. Rückständiger Unterhalt sei deswegen in solchen Fällen nur von dem Zeitpunkt an geschuldet , von dem an der Unterhaltsberechtigte seine Ansprüche wieder geltend mache.
- 11
- Die Voraussetzungen der Verwirkung seien vorliegend sowohl in Bezug auf den Zeitablauf als auch hinsichtlich der sonst erforderlichen Umstände gegeben. Nachdem die Antragsgegnerin auf ihren Auskunftsantrag die notwendigen Informationen erhalten habe, habe sie es für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren unterlassen, ihren Zahlungsanspruch durch einen bezifferten Antrag geltend zu machen. Aus diesem Verhalten habe der Antragsteller "schlechterdings" nur den Schluss ziehen können, dass die Antragsgegnerin keine Ansprüche mehr geltend machen wolle, zumal er im Rahmen der vorangegangenen Auseinandersetzung wiederholt deren eigene Erwerbsverpflichtung geltend gemacht habe. Zudem sei vollkommen ungewiss gewesen, in welcher Höhe die Antragsgegnerin einen Unterhaltsanspruch gegebenenfalls noch geltend machen würde. Die Erkrankung der Antragsgegnerin sei erst 2001 aufgetreten und habe einer zeitnahen Verfolgung ihrer Ansprüche nicht entgegengestanden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der in zweiter Ehe wieder verheiratete Antragsteller aus seinem Einkommen auch den Unterhalt für die Kinder seiner jetzigen Ehefrau aus erster Ehe sichere, so dass von einem tatsächlichen Verbrauch seines Einkommens in der Vergangenheit auszugehen sei.
II.
- 12
- Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nur teilweise stand.
- 13
- 1. Nach dem Inhalt des amtsgerichtlichen Urteils schuldet der Antragsteller der Antragsgegnerin nachehelichen Ehegattenunterhalt nach § 1572 BGB in Höhe von monatlich 665 €. Diese Unterhaltspflicht hat der Antragsteller im Berufungsverfahren - vom Einwand der Verwirkung abgesehen - weder dem Grunde nach noch zur Höhe angegriffen. Auch die Revision wendet sich dagegen nicht.
- 14
- 2. Im Gegensatz zum Amtsgericht hat das Oberlandesgericht der Antragsgegnerin nachehelichen Ehegattenunterhalt erst ab Juni 2002 zugesprochen , weil der bei Zustellung des Zahlungsantrags rückständige Unterhalt verwirkt sei. Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung nur teilweise stand.
- 15
- a) Im Ansatz zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , dass der Antragsteller ursprünglich auch rückständigen nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit ab April 1999 schuldete. Nach § 1585 b Abs. 2 BGB kann der Unterhaltsberechtigte Unterhalt für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an fordern, in dem der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.
- 17
- Nach dieser - durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 6. April 1998 zum 1. Juli 1998 geänderten - Vorschrift kann ein Unterhaltsgläubiger Verwandtenunterhalt für die Vergangenheit schon von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen. Mit dieser Neuregelung wollte der Gesetzgeber eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens erreichen und den Weg zu einer außergerichtlichen Einigung erleichtern (BT-Drucks. 13/7338 S. 31). Der Gläubiger eines Anspruchs auf Verwandtenunterhalt muss deswegen auch keinen unbezifferten Zahlungsantrag rechtshängig machen, um sich den Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit zu erhalten (Eschenbruch/Klinkhammer Der Unterhaltsprozess 4. Aufl. Rdn. 5014; Gerhardt in FA-FamR Kap. 6 Rdn. 533; Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 104a; Hoppenz/Hülsmann Familienrecht 8. Aufl. § 1613 BGB Rdn. 2; Weinreich/Klein Familienrecht 2. Aufl. § 1613 BGB Rdn. 8, 11; Johannsen/Henrich /Graba Eherecht 4. Aufl. § 1613 Rdn. 2; a. A. wohl Budde FamRZ 2005, 1217 ff.). Notwendig, aber auch ausreichend ist es vielmehr, dass der mit dem Auskunftsverlangen verfolgte Zweck, ein Unterhaltsbegehren vorzubereiten, deutlich gemacht wird.
- 18
- Für den Familien- und Trennungsunterhalt wird in den §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB ausdrücklich auf diese Vorschrift Bezug genommen. Für den nachehelichen Ehegattenunterhalt, um den die Parteien hier streiten, enthält § 1585 b Abs. 2 BGB in der gegenwärtigen Fassung (anders aber § 1585 b Abs. 2 in der Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 15. Juni 2006, BT-Drucks. 16/1830 S. 8, 21 f.) weder eine entsprechende Regelung noch eine Bezugnahme auf § 1613 Abs. 1 BGB. Das ist regelmäßig auch nicht notwendig, weil ein geschiedener Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch, der im Einsatzzeitpunkt der Ehescheidung gegeben sein muss, im Scheidungsverbund geltend machen kann, was bei gleichzeitiger Entscheidung mit dem Scheidungsausspruch Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit ausschließt. Die weit überwiegende Auffassung in der Literatur, der auch der Senat zuneigt, geht deswegen davon aus, dass § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nicht analog auf den nachehelichen Ehegattenunterhalt anwendbar ist und ein bloßes Auskunftsverlangen den geschiedenen Ehegatten nicht auch schon hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in Verzug setzt (vgl. Wendl/Gerhardt aaO § 6 Rdn. 100; Eschenbruch/Klinkhammer aaO; Lier in AnwK-BGB § 1585 b Rdn. 2; Gerhardt aaO; Hoppenz/Hülsmann § 1585 b BGB Rdn. 3; Weinreich /Klein aaO § 1585 b BGB Rdn. 7; Luthin/Schumacher Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 3105; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 220; Johannsen/Henrich /Büttner aaO § 1585 b Rdn. 1; Bäumel/Büte/Poppen Unterhaltsrecht § 1585 b Rdn. 2; Göppinger/Wax/Kodal Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 1137; a.A. Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil IV Rdn. 1214; Budde FamRZ 2005, 1217, 1219 f.).
- 19
- bb) Im vorliegenden Fall hat sich die Antragsgegnerin indes nicht auf ein Auskunftsverlangen beschränkt, sondern schon im Scheidungsverbundverfahren einen Stufenantrag zum nachehelichen Ehegattenunterhalt erhoben. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt ein solcher Stufenantrag - wie eine vorgerichtliche Stufenmahnung - den Schuldner auch wegen des noch unbezifferten Zahlungsanspruchs in Verzug, was dem Unterhaltsgläubiger Ansprüche ab diesem Zeitpunkt sichert (Senatsurteil vom 15. November 1989 - IVb ZR 3/89 - FamRZ 1990, 2283, 285 - insoweit in BGHZ 109, 211 nicht veröffentlicht - und BGH Urteil vom 6. Mai 1981 - IVa ZR 170/80 - NJW 1981, 1729, 1731 = BGHZ 80, 269, 276 f.).
- 20
- b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht wegen eines Teils der rückständigen Unterhaltsforderung die Voraussetzungen der Verwirkung bejaht und die Klage insoweit abgewiesen.
- 21
- Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Insoweit gilt für Unterhaltsrückstände, die hier allein Gegenstand der Revision sind, nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordene Ansprüche, wenngleich die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 197 Abs. 2 BGB) dem Anwendungsbereich der Verwirkung enge Grenzen setzt (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 1982 - IVb ZR 709/80 - FamRZ 1982, 898 = BGHZ 84, 280, 282).
- 22
- Gerade bei Unterhaltsansprüchen spricht andererseits aber vieles dafür, an das so genannte Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach § 1585 b Abs. 2 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der auf laufende Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Anderenfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Abgesehen davon sind im Unterhaltsrechtsstreit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung des Un- terhalts nahe legen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung auch schon dann erfüllt sein kann, sobald die Rückstände Zeitabschnitte betreffen , die ein Jahr oder länger zurückliegen. Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 i.V. mit §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB verdient der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei mindestens ein Jahr zurückliegenden Unterhaltsrückständen besondere Beachtung. Diesem Rechtsgedanken kann im Rahmen der Bemessung des Zeitmoments in der Weise Rechnung getragen werden, dass das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr für die Verwirkung früherer Unterhaltsansprüche ausreichen kann (Senatsurteile vom 13. Januar 1988 - IVb ZR 7/87 - FamRZ 1988, 370, 372 f. = BGHZ 103, 62, 69 und vom 23. Oktober 2002 - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698 f. = BGHZ 152, 217, 220 f.).
- 23
- Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das so genannte Umstandsmoment an. Beide Voraussetzungen hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Dabei hat es zu Recht darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin ihren Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt erst mehr als drei Jahre nach der letzten Auskunft des Antragstellers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen beziffert hat. Die Auskunft war bereits im Dezember 1998 erteilt und die Parteien wurden sodann im März 1999 rechtskräftig geschieden. Die Antragsgegnerin war deswegen von diesem Zeitpunkt an auf nachehelichen Ehegattenunterhalt angewiesen. Gleichwohl verfolgte sie ihren Anspruch trotz mehrerer Anfragen des Gerichts über mehr als drei Jahre bis zum Mai 2002 nicht weiter. Weil die Parteien zudem über die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit gestritten hatten, durfte der Antragsteller die Untätigkeit der Antragsgegnerin so verstehen, dass sie keinen nachehelichen Ehegattenunterhalt mehr geltend machen werde. Erfahrungsgemäß pflegt ein Unterhaltsverpflichteter , der in ähnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen wie der An- tragsteller lebt, seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anzupassen, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Rücklagen zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät (BGHZ 103 aaO, 71 und BGHZ 152 aaO, 223).
- 24
- Der Verwirkung rückständiger Unterhaltsansprüche steht auch nicht entgegen , dass diese seit dem im Scheidungsverbund eingereichten Stufenantrag rechtshängig waren. Denn weil die Antragsgegnerin das Verfahren trotz mehrfacher Anfragen des Gerichts nicht betrieben hat, wäre nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (in § 211 Abs. 2 BGB a.F. noch im Rahmen der Unterbrechung geregelt ) sogar die die verjährungshemmende Wirkung der Rechtshängigkeit beendet gewesen.
- 25
- c) Das Berufungsgericht (ebenso wie im Ergebnis KG NJW-RR 2005, 1308) verkennt aber, dass durch die Nichtgeltendmachung nur der jeweilige, für einen bestimmten Zeitraum entstandene Unterhaltsanspruch als solcher verwirkt werden kann, nicht aber ein einzelnes, diesen Anspruch qualifizierendes Merkmal wie etwa der Umstand, dass insoweit Schuldnerverzug vorliegt.
- 26
- Der Schuldnerverzug (§ 286 BGB) ist ein Unterfall der Verletzung der Leistungspflicht, nämlich die rechtswidrige Verzögerung der geschuldeten Leistung aus einem vom Schuldner zu vertretenden Grund, und damit zugleich die gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich "Vorfrage" für deren Beurteilung. Ein gegenüber dem ursprünglichen Schuldverhältnis eigenständiges "Verzugsverhältnis" kennt das Gesetz hingegen nicht. Dass der nicht leistende Schuldner in Verzug ist, bedeutet nämlich nur, dass er - vom Sonderfall des § 286 Abs. 2 BGB abgesehen - zur Erfüllung der fälligen Forderung gemahnt wurde und das weitere Unterbleiben der Leistung zu vertreten hat (vgl. insoweit Senatsurteile vom 19. April 2000 - XII ZR 332/97 - NJW 2000, 2280, 2281 und vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663, 2664). Deswegen kann nicht der Schuldnerverzug als solcher verwirkt werden, sondern nur die jeweils rückständige Forderung, hinsichtlich derer er besteht.
- 27
- Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht zitierten früheren Senatsrechtsprechung. Mit Urteil vom 17. September 1986 (- IVb ZR 59/85 - FamRZ 1987, 40, 41 f.) hat der Senat ausgesprochen, dass die durch eine Mahnung ausgelösten Rechtsfolgen nicht dadurch rückwirkend beseitigt werden, dass der Unterhaltsgläubiger die Mahnung einseitig zurücknimmt. Die eingetretenen Rechtsfolgen einer Mahnung können vielmehr nur durch eine Vereinbarung rückgängig gemacht werden, die auf einen Erlass des Unterhaltsanspruchs für die fragliche Zeit hinausläuft. Soweit der Senat daneben in Betracht gezogen hat, dass der Gläubiger sich aus besonderen Gründen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung - nicht auf die Rechtsfolgen einer Mahnung berufen kann (Senatsurteile vom 17. September 1986 aaO und vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 99/86 - FamRZ 1988, 478, 479), sagt das noch nichts dazu aus, welche in der Vergangenheit liegenden Zeitabschnitte von der Verwirkung erfasst werden.
- 28
- Auch weil ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen die in Rede stehenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden. Dabei ergibt sich, dass im Zeitpunkt der Weiterverfolgung des nachehelichen Ehegattenunterhalts durch den Eingang des bezifferten Zahlungsantrags Mitte Mai 2002 nur der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin bis Mai 2001 mehr als ein Jahr zurücklag und damit die an das Zeitmoment der Verwirkung zu stellenden Anforderungen erfüllte (vgl. Senatsurteile BGHZ 152 aaO, 221 und BGHZ 103 aaO, 69). Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin für die Zeit ab Juni 2001 war deswegen - ebenso wie der laufende Unterhaltsanspruch ab Eingang des bezifferten Zahlungsantrags - noch nicht verwirkt. Insoweit hat das Berufungsgericht die Klage deswegen zu Unrecht abgewiesen.
Vorinstanzen:
AG Bersenbrück, Entscheidung vom 16.02.2004 - 12 F 34/98 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 29.06.2004 - 12 UF 22/04 -
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Annotations
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt
- 1.
der Scheidung, - 2.
der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, - 3.
der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder - 4.
des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573
(1) Für die Vergangenheit kann der Berechtigte Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Der Unterhalt wird ab dem Ersten des Monats, in den die bezeichneten Ereignisse fallen, geschuldet, wenn der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu diesem Zeitpunkt bestanden hat.
(2) Der Berechtigte kann für die Vergangenheit ohne die Einschränkung des Absatzes 1 Erfüllung verlangen
- 1.
wegen eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (Sonderbedarf); nach Ablauf eines Jahres seit seiner Entstehung kann dieser Anspruch nur geltend gemacht werden, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist; - 2.
für den Zeitraum, in dem er - a)
aus rechtlichen Gründen oder - b)
aus tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen fallen,
an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 kann Erfüllung nicht, nur in Teilbeträgen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden, soweit die volle oder die sofortige Erfüllung für den Verpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde. Dies gilt auch, soweit ein Dritter vom Verpflichteten Ersatz verlangt, weil er anstelle des Verpflichteten Unterhalt gewährt hat.
(1) Der laufende Unterhalt ist durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren. Die Rente ist monatlich im Voraus zu entrichten. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Unterhaltsanspruch im Laufe des Monats durch Wiederheirat oder Tod des Berechtigten erlischt.
(2) Statt der Rente kann der Berechtigte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und der Verpflichtete dadurch nicht unbillig belastet wird.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, - 2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen, - 3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche, - 4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden, - 5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und - 6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.
(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
Die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, tritt nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an der Anspruch von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann. Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.