Bundessozialgericht Beschluss, 28. Juni 2018 - B 1 KR 59/17 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:280618BB1KR5917B0
bei uns veröffentlicht am28.06.2018

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 2017 wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4169,21 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte die bei der beklagten Krankenkasse versicherte B stationär vom 8. bis 9.1.2014 und berechnete hierfür die Fallpauschale E71B (Neubildungen der Atmungsorgane, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere CC, ohne starre Bronchoskopie oder ohne komplexe Biopsie der Lunge) zuzüglich des Zusatzentgeltes 53.05 (insgesamt 4169,21 Euro). Die Beklagte beglich die Rechnung, rechnete jedoch später in Höhe des Rechnungsbetrages gegen andere Forderungen der Klägerin auf, da die Behandlung auch ambulant hätte durchgeführt werden können. Das SG hat die Klage auf Zahlung von 4169,21 Euro abgewiesen. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 30.5.2017).

2

Das LSG-Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 3.7.2017 zugestellt worden. Sie haben hiergegen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt (3.8.2017). Der erkennende Senat hat die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist bei Gericht noch keine Begründung eingegangen sei (Schreiben vom 5.9.2017). Die Klägerin hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (18.9.2017) und die Beschwerde begründet (28.9.2017).

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen(dazu 1.). Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem LSG-Urteil ist abzulehnen (dazu 2.).

4

1. Die Beschwerde der Klägerin ist wegen Verfristung unzulässig. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils - hier: 3.7.2017 - einzulegen (§ 160a Abs 1 S 2 SGG) und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen (§ 160a Abs 2 S 1 SGG). Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden (§ 160a Abs 2 S 2 SGG). Die Klägerin hat die Beschwerde zwar innerhalb der am 3.8.2017 abgelaufenen einmonatigen Frist eingelegt, jedoch innerhalb der am 4.9.2017, einem Montag (vgl § 64 Abs 2 und 3 SGG), abgelaufenen zweimonatigen Frist weder einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist gestellt noch die Beschwerde begründet.

5

2. Der Klägerin ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde zu gewähren.

6

Die Klägerin versäumte die Frist zur Begründung der Beschwerde nicht schuldlos. Die Nichteinhaltung der zweimonatigen Frist zur Begründung der Beschwerde beruht auf einem Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Sie haben es nach ihrem Vorbringen und den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen versäumt, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen, obwohl sie verpflichtet sind, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen.

7

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 1 und Abs 2 S 1 und 2 SGG). Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl zB BSGE 1, 227, 232; BSGE 61, 213, 214 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 42; BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 23 RdNr 5 mwN; BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO; vgl BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 19 S 50 mwN und SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60 mwN). Für ein Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten gilt dasselbe dann, wenn dieses vom Bevollmächtigten selbst zu vertreten, also als dessen eigenes Verschulden anzusehen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten ist dagegen nicht schuldhaft, wenn er darlegen kann, dass es zu einem Büroversehen gekommen ist, obwohl er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl BFH Beschluss vom 11.2.2003 - VII B 118/02 - BFH/NV 2003, 801, 802; BSG Beschluss vom 11.12.2008 - B 6 KA 34/08 B - Juris RdNr 7; vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 24.1.2013 - B 1 KR 104/12 B - RdNr 5; BSG Beschluss vom 29.5.2013 - B 1 KR 3/13 B - RdNr 5; BSG Beschluss vom 10.12.2014 - B 1 KR 11/14 B - Juris RdNr 8; s ferner Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl 2018, § 233 RdNr 23 mwN, Stichwort Büropersonal und -organisation).

8

Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts verlangt in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit zwar weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Auf welche Weise der Rechtsanwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei (vgl BGH Beschluss vom 13.7.2010 - VI ZB 1/10 - NJW 2011, 151 RdNr 6 mwN; BSG Beschluss vom 10.12.2014 - B 1 KR 11/14 B - Juris RdNr 9).

9

Die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten darf nach höchstrichterlicher Rspr grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert, ist darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Denn bei der Eingabe der Datensätze bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (vgl BGH Beschluss vom 17.4.2012 - VI ZB 55/11 - Juris RdNr 8 mwN zur Rspr des BGH und zur Literatur; BGH Beschluss vom 12.4.2018 - V ZB 138/17 - Juris RdNr 7 und 9 mwN zur Rspr des BGH; BFH Beschluss vom 9.1.2014 - X R 14/13 - Juris RdNr 13 mwN = BFH/NV 2014, 567, RdNr 13 mwN).

10

Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört zudem, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich dann grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf. Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte nicht zugleich zur Bearbeitung mit vorgelegt worden ist, so dass der Rechtsanwalt in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen hat. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Handakte des Rechtsanwalts in herkömmlicher Form als Papierakte oder aber als elektronische Akte geführt wird. Wie die Vorschrift des § 50 Abs 5 BRAO zeigt, kann sich ein Rechtsanwalt zum Führen der Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bedienen. Entscheidet er sich hierfür, muss die elektronische Handakte jedoch ihrem Inhalt nach der herkömmlichen entsprechen und insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können. Wie die elektronische Fristenkalenderführung gegenüber dem herkömmlichen Fristenkalender darf auch die elektronische Handakte grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant. Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung wie der Einlegung der Beschwerde mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang. Der Rechtsanwalt muss die erforderliche Einsicht in die Handakte nehmen, indem er sich entweder die Papierakte vorlegen lässt oder das digitale Aktenstück am Bildschirm einsieht. Dass die Handakte ausschließlich elektronisch geführt wird, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass den Rechtsanwalt im Ergebnis geringere Überprüfungspflichten als bei herkömmlicher Aktenführung treffen (vgl BGH Beschluss vom 9.7.2014 - XII ZB 709/13 - Juris RdNr 12 ff mwN = FamRZ 2014, 1624, RdNr 12 ff mwN).

11

Eine Büroorganisation, die diesen Voraussetzungen genügt, ist dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen von Rechtsanwalt S, der Büroleiterin St und der Rechtsanwaltsfachangestellten So nicht zu entnehmen. Danach führt die Kanzlei einen elektronischen Fristenkalender. Auch im Übrigen erfolgt die Aktenbearbeitung sowie der Empfang und die Versendung von Schriftstücken, soweit technisch möglich, elektronisch. Geht ein Urteil - oder wie hier erstinstanzlich ein Gerichtsbescheid - über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach ein, wird der Vorgang an einen elektronischen Posteingangskorb weitergeleitet. Die Prozessbevollmächtigten notieren die einzutragenden Fristen handschriftlich in Papierform und reichen die Notizen an die Rechtsanwaltsfachangestellten weiter, damit diese die Fristen in das EDV-System einpflegen.

12

Die Prozessbevollmächtigten legen schon nicht dar, dass sie dabei organisatorisch sichergestellt haben, dass sie die eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrollieren. Insoweit beschränkt sich die Kontrolle nach dem eidesstattlich unterstützten Vorbringen auf eine tägliche stichprobenartige Überprüfung der Fristennotierungen. Das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten verhält sich zudem überhaupt nicht dazu, dass sie fristgebundene Verfahrenshandlungen - hier Einlegung der Beschwerde am 3.8.2017 - zum Anlass nehmen, in diesem Zusammenhang die Fristvermerke in der Handakte oder ihrem elektronischen Äquivalent zu überprüfen. Hätten sie dies getan, so wäre ihnen aufgefallen, dass keine Beschwerdebegründungsfrist eingetragen war.

13

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Beschluss, 28. Juni 2018 - B 1 KR 59/17 B

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Bundessozialgericht Beschluss, 28. Juni 2018 - B 1 KR 59/17 B zitiert 14 §§.

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Bundessozialgericht hat zu prüfen, ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung ohne mündliche Verhandlung erfolgt durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Rentenberater im Umfang ihrer Befugnisse nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit Satz 2, des Rechtsdienstleistungsgesetzes,
4.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten nach den §§ 28h und 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,
5.
selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder,
6.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
7.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
8.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder,
9.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 bis 8 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter. § 157 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen. Satz 3 gilt nicht für Beschäftigte eines Sozialleistungsträgers oder eines Spitzenverbandes der Sozialversicherung.

(4) Vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer den in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen nur die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 bezeichneten Organisationen zugelassen. Diese müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des Satzes 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten; Satz 3 bleibt unberührt.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern und Verwandten in gerader Linie kann unterstellt werden, dass sie bevollmächtigt sind. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten. Im Übrigen gelten die §§ 81, 83 bis 86 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. Januar 2013 wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. Januar 2013 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der bis zum 30.4.2007 bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesene und seither bei der Beigeladenen versicherte Kläger erhielt am 19.9.2001 eine Lebendnierenspende. Die in der Charité in Berlin vorgenommene Transplantation verlief erfolgreich. Der Kläger muss sich seither in größeren zeitlichen Abständen Kontrolluntersuchungen in einem Transplantationszentrum, zunächst in der Charité in Berlin (einmal im Quartal) und sodann - aus Fahrkostengründen - in der Universitätsklinik in Halle (einmal im Halbjahr), sowie bei einem Nephrologen in Q (einmal im Monat) unterziehen. Seit 2004 übernahm die Beklagte die dabei entstehenden Fahrkosten für die Benutzung eines privaten PKW nicht mehr, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. Der Kläger ist mit seinem Kostenerstattungsbegehren für stattgefundene und zukünftige Fahrten ab dem Jahr 2004 zu den Transplantationszentren nach Berlin und Halle beim SG erfolgreich gewesen. Im Übrigen hat das SG, soweit der Kläger Fahrkostenerstattung für Fahrten zum niedergelassenen Nephrologen begehrt hat, die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen (Urteil vom 23.1.2013).

2

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G, hat Prozesskostenhilfe (PKH) für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beantragt und zugleich ausdrücklich erklärt, dass das Beschwerdeverfahren nur bei der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe durchzuführen sei. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 16.12.2013 PKH bewilligt und Rechtsanwalt G, B, beigeordnet (B 1 KR 5/13 BH). Der Prozessbevollmächtigte hat durch Empfangsbekenntnis bestätigt, dass er den Beschluss vom 16.12.2013 am 2.1.2014 erhalten hat. Mit Senatsschreiben vom 6.2.2014 ist der Prozessbevollmächtigte davon in Kenntnis gesetzt worden, dass eine Beschwerde noch nicht vorliegt. Ihm ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Der Kläger hat Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (Eingang am 11.2.2014).

3

II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen(dazu 1.). Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem LSG-Urteil ist abzulehnen (dazu 2.).

4

1. Die Beschwerde des Klägers ist wegen Verfristung unzulässig. Nach § 160a Abs 1 S 2 SGG ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils - hier: 8.3.2013 - einzulegen. Der Kläger hat die Beschwerde jedoch nicht innerhalb der am 8.4.2013 abgelaufenen Frist eingelegt, sondern erst am 11.2.2014.

5

2. Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu gewähren.

6

Zwar ist einem Antragsteller, der - wie hier der Kläger am 3.4.2013 - innerhalb der Rechtsmittelfrist ordnungsgemäß einen PKH-Antrag gestellt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn das Rechtsmittel binnen eines Monats nach Zustellung des PKH bewilligenden Beschlusses formgerecht eingelegt wird (BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 5 S 12 f mwN). Der Kläger hat jedoch nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung - hier die Beschwerdeeinlegung beim BSG - nachgeholt (§ 67 Abs 2 S 3 und 4 SGG). Wegfall des Hindernisses ist hier die Zustellung der Entscheidung über die Bewilligung von PKH (2.1.2014), worauf der Vorsitzende des erkennenden Senats den Prozessbevollmächtigten ausdrücklich hingewiesen hat (Hinweis vom 17.12.2013, zugestellt am 2.1.2014). Der Kläger hat erst am 11.2.2014 Beschwerde eingelegt. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) wegen Versäumung der innerhalb der einmonatigen Antragsfrist des § 67 Abs 2 S 1 SGG nachzuholenden Rechtshandlung(Wiedereinsetzung nach schuldlos versäumter Wiedereinsetzungsfrist) sind nicht erfüllt.

7

Der Kläger versäumte die Frist zur Nachholung der Beschwerdeeinlegung nicht schuldlos. Die Nichteinhaltung der einmonatigen Frist zur Nachholung der Beschwerdeeinlegung beruht auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Er hat es nach seinem Vorbringen und den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen versäumt, durch eine zweckmäßige Büroorganisation, insbesondere hinsichtlich der Fristen- und Terminüberwachung, ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen zu treffen, obwohl er verpflichtet ist, durch organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen.

8

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 1 und Abs 2 S 1 und 2 SGG). Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (vgl zB BSGE 1, 227, 232; BSGE 61, 213, 214 = SozR 1500 § 67 Nr 18 S 42; BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 23 RdNr 5 mwN; BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 S 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO; vgl BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 19 S 50 mwN und SozR 3-1500 § 67 Nr 21 S 60 mwN). Für ein Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten gilt dasselbe dann, wenn dieses vom Bevollmächtigten selbst zu vertreten, also als dessen eigenes Verschulden anzusehen ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 67 Nr 7 RdNr 14). Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten ist dagegen nicht schuldhaft, wenn er darlegen kann, dass es zu einem Büroversehen gekommen ist, obwohl er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl BFH Beschluss vom 11.2.2003 - VII B 118/02 - BFH/NV 2003, 801, 802; BSG Beschluss vom 11.12.2008 - B 6 KA 34/08 B - Juris RdNr 7; vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 24.1.2013 - B 1 KR 104/12 B - RdNr 5; BSG Beschluss vom 29.5.2013 - B 1 KR 3/13 B - RdNr 5; s ferner Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl 2014, § 233 RdNr 23 mwN, Stichwort Büropersonal und -organisation).

9

Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts verlangt in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit zwar weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Auf welche Weise der Rechtsanwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei. Sämtliche organisatorischen Maßnahmen müssen aber so beschaffen sein, dass auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs, etwa durch Überlastung oder Erkrankung der zuständigen Angestellten, Verzögerungen der anwaltlichen Bearbeitung oder ähnliche Umstände, bei Anlegung eines äußersten Sorgfaltsmaßstabes die Einhaltung der anstehenden Frist gewährleistet ist. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, das heißt unverzüglich nach Eingang des betreffenden Schriftstücks, und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden (vgl BGH Beschluss vom 13.7.2010 - VI ZB 1/10 - NJW 2011, 151 RdNr 6 mwN).

10

Die von einem Prozessbevollmächtigten im Hinblick auf die Wahrung von Rechtsmittelfristen und Rechtsmittelbegründungsfristen zu verlangende äußerste Sorgfalt ist zudem nicht beachtet, wenn die Führung des Fristenkalenders im Anwaltsbüro nicht so geregelt ist, dass sich immer nur eine bestimmte Person für verpflichtet und befugt halten darf, Rechtsmittelfristen und Rechtsmittelbegründungsfristen einzutragen (vgl BGH Beschluss vom 5.7.1960 - VI ZB 8/60 - VersR 1960, 945, 946). Von einem für die Fristversäumung ursächlichen anwaltlichen Organisationsverschulden ist danach auszugehen, wenn nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen nicht festgestellt werden kann, dass nur eine bestimmte qualifizierte Fachkraft für die Fristennotierung im Kalender und die Fristenüberwachung verantwortlich ist, sondern es möglich ist, dass mehrere Personen hierfür zuständig sind (vgl BGH Beschluss vom 20.11.1980 - IVa ZB 12/80 - VersR 1981, 276, 277; BGH Beschluss vom 8.7.1992 - XII ZB 55/92 - NJW 1992, 3176; BGH Beschluss vom 6.5.1999 - VII ZR 396/98 - VersR 2000, 515, 516; BGH Beschluss vom 6.2.2006 - II ZB 1/05 - NJW 2006, 1520 RdNr 5; BGH Beschluss vom 17.1.2007 - XII ZB 166/05 - NJW 2007, 1453 RdNr 12 f; BGH Beschluss vom 3.11.2010 - XII ZB 177/10 - NJW 2011, 385 RdNr 9; dem sich anschließend BSG SozR 3-1500 § 67 Nr 9 S 25; s ferner Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 67 RdNr 8c; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 67 RdNr 32). Ist es nach dem Vorbringen des Rechtsanwalts möglich, dass mehrere oder alle Angestellten hierfür zuständig sind, eröffnet die dadurch bedingte Überschneidung von Kompetenzen Fehlerquellen, weil die Gefahr besteht, dass sich im Einzelfall einer auf den anderen verlässt (vgl BGH Beschluss vom 8.7.1992 - XII ZB 55/92 - NJW 1992, 3176; vgl auch BGH Beschluss vom 6.5.1999 - VII ZR 396/98 - VersR 2000, 515, 516, zum ein Organisationsverschulden nicht ausschließenden anwaltlichen Vortrag, dass zwei Mitarbeiter für die Fristnotierung im Kalender und die Überwachung der Fristen einschließlich ihrer Löschung verantwortlich seien). Zu einer einwandfreien Büroorganisation gehören danach auch Anweisungen des Rechtsanwalts, durch die der Aufgabenbereich der mit der Behandlung von Fristsachen befassten Angestellten abgegrenzt wird und durch die die Verantwortlichkeit klargestellt wird. Es ist aber nicht zu beanstanden, wenn die Zuständigkeit für die Fristenkontrolle - auch innerhalb eines Arbeitstages - wechselt, etwa nach Dienstschluss der zunächst zuständigen Fachkraft. Dann ist lediglich sicherzustellen, dass keine Unklarheiten - etwa durch zeitliche Überschneidung der Zuständigkeiten - darüber entstehen können, welcher Fachkraft die Fristenkontrolle zu einem gegebenen Zeitpunkt obliegt. Hierfür reicht eine formlose, aber eindeutige Übergabe des Aufgabenbereichs von der zunächst zuständigen Fachkraft auf die anschließend zu ihrer Vertretung berufene Fachkraft aus (vgl BGH Beschluss vom 17.1.2007 - XII ZB 166/05 - NJW 2007, 1453 RdNr 11 ff).

11

Eine Büroorganisation, die diesen Voraussetzungen genügt, ist dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht zu entnehmen. Der Prozessbevollmächtigte legt schon nicht dar, dass er organisatorisch sichergestellt hat, dass die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, das heißt unverzüglich nach Eingang des betreffenden Schriftstücks, und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen werden. Er trägt vielmehr vor, dass ihm der PKH-Beschluss - nach Erhalt der Ausfertigung des PKH-Beschlusses vom 16.12.2013 und des Hinweisschreibens vom 17.12.2013 mittels Zustellung am 2.1.2014 - nicht am 7.1.2014 "wie sonst vorgelegt" worden sei. Er macht nicht glaubhaft, dass er Sorge dafür getragen hat, dass die gebotene Eintragung am Tag der Zustellung, hier also am 2.1.2014, erfolgte.

12

Auch im Übrigen legt er in der Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags und mit den zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen seiner Angestellten M
(ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte) und E (ausgebildete Justizfachangestellte) nicht schlüssig dar, dass er ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1 S 2 SGG) einzuhalten. Der Prozessbevollmächtigte verweist lediglich darauf, dass die Angestellten M und E sich bei der Behandlung von Zustellungen und Fristen sowie der Führung des Fristenkalenders als zuverlässig erwiesen hätten und regelmäßig von ihm überwacht würden. Hingegen benennt er keine von ihm vorgegebenen Regelungen über die Zuständigkeit für die Führung des Fristenkalenders im oben aufgezeigten Sinne. Er führt lediglich aus, er habe davon ausgehen dürfen, dass die Ermittlung und Notierung der zu beachtenden Frist durch seine Angestellten M und E im Fristenkalender vorgenommen worden seien. Auch aus den eidesstattlichen Versicherungen der beiden Angestellten ergibt sich, dass keine von beiden ausschließlich, und sei es alternierend, für die Führung des Fristenkalenders zuständig war. Frau M gibt an, dass die Fristwahrung in ihre Verantwortung übertragen worden sei. Frau E teilt mit, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe ihr die Führung des Fristenkalenders übertragen. Beide teilen übereinstimmend aber mit, dass sie im konkreten Fall wohl keine Absprache getroffen bzw Abstimmung vorgenommen hätten; mit anderen Worten: jede der beiden verließ sich auf die jeweils andere, sodass es auch deswegen zu einer Nichterfassung der Vorfrist und der Frist nach § 67 Abs 2 S 3 SGG kam. Bei einer vom Prozessbevollmächtigten klar angeordneten ausschließlichen Zuständigkeit wäre dieser Fehler vermeidbar gewesen.

13

3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 55/11
vom
17. April 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 233 Fc, Fd
Zu den anwaltlichen Organisationspflichten hinsichtlich der Kontrolle von Eingaben von Fristen in einen
EDV-Kalender.
BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr
und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 18. Juli 2011 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen. Beschwerdewert: 10.000 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer behaupteten fehlerhaften ärztlichen und pflegerischen Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. März 2011, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 15. März 2011, abgewiesen. Die Klägerin hat fristgerecht Berufung gegen das Urteil eingelegt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts vom 19. Mai 2011 hat sie die Berufung mit einem am 1. Juni 2011 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Zugleich hat sie fristgerecht Wie- dereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
2
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt die Klägerin vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe sich nach dem Absenden der Berufungsschrift die Handakte vorlegen lassen. Er habe auf einem gelben Merkzettel die Berufungsbegründungsfrist sowie die dazugehörige Vorfrist mit der Bitte um sofortige Eintragung notiert. Die Handakte mit dieser Weisung habe er einer Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten übergeben. Diese sei aufgrund einer schmerzhaften Sehnenscheidenentzündung sowie eines Streits mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten nicht so konzentriert gewesen wie gewohnt. Sie müsse beim Eintragen der Frist in die Maske des computergestützten Fristenkalenders des Prozessbevollmächtigten versehentlich "Abbrechen" statt "OK" angewählt haben. Daher sei die Frist nicht in den Fristenkalender eingetragen worden. In der Handakte habe die Mitarbeiterin dennoch ihr Namenskürzel hinter die Fristen gesetzt. Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags hat die Klägerin eidesstattliche Versicherungen des Klägervertreters und seiner Mitarbeiterin vorgelegt.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Fristversäumnis ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden erfolgt sei. Der Vortrag der Klägerin vermöge ein Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten nicht auszuschließen. Die Fristenkontrolle im Wege der elektronischen Datenverarbeitung verlange spezielle Kontrollmaßnahmen, die gewährleisteten, dass eine fehlerhafte Eingabe rechtzeitig erkannt werde. Die Klägerin habe derartige Maßnahmen ihres Prozessbevollmächtigten nicht dargetan. Mit solchen Maßnahmen wäre aber der Fehler seiner Mitarbeiterin aufgefallen.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch im Übrigen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, nicht erfüllt sind.
5
1. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erfordert keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem rechtlichen Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 - VI ZB 40/02, NJW 2003, 437; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 5 mwN; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, juris Rn. 6).
6
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde entspricht die angefochtene Entscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfaltspflicht bei Fristsachen nicht überspannt.
7
a) Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt , alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2003 - VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815, 1816; vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, MDR 2010, 533 f.).
8
Die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten darf nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert , ist darin ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Denn bei der Eingabe der Datensätze bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. März 1995 - VII ZB 3/95, NJW 1995, 1756, 1757; vom 20. Februar 1997 - IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, NJW 1999, 582, 583; vom 12. Dezember 2005 - II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500 Rn. 4; vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl., § 233 Rn. 126 "EDV", "Elektronischer Kalender"; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 16d, 44; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 64; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 21; Zöller /Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Fristenbehandlung"; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 37 "Fristeneinhaltung" unter g bb).
9
b) Die Anforderungen des Berufungsgerichts an die Sorgfaltspflichten eines Prozessbevollmächtigten stehen in Einklang mit diesen Grundsätzen. Nach den - auf den Vortrag der Klägerin gestützten - Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht davon auszugehen, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine organisatorische Anweisung bestand, Eingaben in den EDV-Kalender zu kontrollieren. Daher hat das Berufungsgericht zu Recht ein Organisationsverschulden angenommen. Dieses war auch für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlich. Hätte die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte einen Kontrollausdruck fertigen müssen, so wäre ihr nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die fehlende Fristeneintragung in den EDVKalender aufgefallen. Die Kontrolle ihres Handaktenvermerks durch den Klägervertreter war hingegen nicht geeignet, Eingabefehler oder - versäumnisse aufzudecken.
10
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann die Klägerin sich nicht damit entlasten, dass ihr Prozessbevollmächtigter der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten eine konkrete Anweisung zur Eintragung der Fristen erteilt habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es zwar für den Ausschluss des einer Partei zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§ 85 Abs. 2, § 233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei nicht mehr an, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt , die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. April 2008 - VI ZB 29/07, juris Rn. 7; vom 13. April 2010 - VI ZB 65/08, MDR 2010, 899; vom 20. September 2011 - VI ZB 23/11, VersR 2011, 1544 Rn. 8; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036 Rn. 6; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 25; Zöller/Greger , ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Büropersonal und -organisation").
11
Eine konkrete Einzelanweisung entlastet den Rechtsanwalt aber dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer Kraft setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2010 - VI ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn. 7; BGH, Beschlüsse vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369; vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036 Rn. 9; MünchKommZPO /Gehrlein, 3. Aufl., § 233 Rn. 75; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 233 Rn. 43; BeckOK ZPO/Wendtland, § 233 Rn. 28 [Stand: 1. Januar 2012]). So hebt beispielsweise die Weisung, die fertiggestellte und unterschriebene Berufungsbegründungsschrift an das Gericht per Telefax zu übersenden, nicht die Notwendigkeit auf, für eine Kontrolle der Durchführung der Übermittlung zu sorgen (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2006 - VI ZB 48/05, juris Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 12; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 15 ff.; vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 Rn. 13; Musielak/Grandel, ZPO, 9. Aufl., § 233 Rn. 25; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 233 Rn. 23 "Büropersonal und - organisation"; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 233 Rn. 34 "Büroverschulden" unter e).
12
Danach sind die Anforderungen der Rechtsprechung an die Führung eines EDV-Kalenders grundsätzlich auch zu beachten, wenn gemäß einer konkreten Einzelanweisung eine Eintragung in einen EDVKalender vorzunehmen ist. Im Streitfall musste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin also auch bei der vorgetragenen Weisung, die Fristen sofort einzutragen, für eine Kontrolle der Dateneingabe in den EDVKalender sorgen. Die fehlenden Kontrollmaßnahmen, die sein Organisationsverschulden begründen, sind daher unabhängig von dem Vorliegen der vorgetragenen Einzelanweisung für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlich geworden (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, juris Rn. 9). Das Berufungsgericht hat auch insoweit keinen entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin übergangen.
13
d) Die angefochtene Entscheidung weicht nicht von dem vonder Rechtsbeschwerde angeführten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21. Februar 2011 (X ZR 111/10, juris) ab. Danach soll es zwar ausreichen , dass ein Rechtsanwalt nach der Versendung der Berufungsschrift in den Handakten die Berufungsbegründungsfrist und eine Vorfrist verfügt , die Akten der zuständigen Mitarbeiterin übergibt und diese mündlich anweist, die Fristen im Fristenkalender einzutragen; dem Rechtsanwalt soll kein Verschulden zur Last fallen, wenn es dann zu einer Fristversäumung infolge des Versagens der Mitarbeiterin aufgrund einer innerlich stark belastenden Ausnahmesituation kommt (juris Rn. 6). Der Be- schluss vom 21. Februar 2011 ist jedoch nicht auf den Streitfall übertragbar , weil er sich nicht zu den anwaltlichen Organisationspflichten beim Führen eines EDV-Kalenders verhält. Auf die Anforderungen der Rechtsprechung an die Führung eines solchen Kalenders kam es dort nicht an. Die Angestellte hatte nicht einen Eingabefehler begangen, sondern, statt die Frist zu notieren, die Akte ohne weiteres in die Ablage gegeben. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 09.03.2011 - 2 O 120/10 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 18.07.2011 - 5 U 57/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 138/17
vom
12. April 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:120418BVZB138.17.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 27. April 2017 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 20.000 €.

Gründe:


I.


1
Gegen das ihnen am 8. November 2016 zugestellte Urteil des Landgerichts haben die Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 9. März 2017 die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der bis zum 8. Februar 2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden war. Die Kläger haben unter Vorlage der Berufungsbegründung am 13. März 2017 Wiedereinsetzung inden vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, in der Kanzlei ihres damaligen Prozessbevollmächtigten habe die sonst zuverlässige und regelmäßig kontrollierte Mitarbeiterin , der die Fristenerfassung obliege, irrtümlich anstelle des 8. Februar 2017 den 8. Februar 2018 als Tag des Fristablaufs in den elektronisch geführten Fristenkalender notiert. Deswegen sei ihrem Prozessbevollmächtigten die Akte nicht vor Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung vorgelegt und die Frist versäumt worden.
2
Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.


3
Das Berufungsgericht meint, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO lägen nicht vor. Die Kläger hätten ein Verschulden ihres damaligen Prozessbevollmächtigten, das ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei, nicht ausgeräumt. Sie hätten nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass eine konkrete Wiedervorlage der Akte verfügt worden sei oder die allgemeine Anweisung bestanden habe, eine angemessene Vorfrist einzutragen. Beides hätte jeweils gesondert dazu geführt, dass die Frist zur Berufungsbegründung eingehalten worden wäre. Dass die Vorfrist ebenfalls irrtümlich unzutreffend eingetragen worden wäre, könne nicht unterstellt werden. Ein Verschulden des damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger bestehe auch darin, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht in der Handakte notiert worden sei.

III.


4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Sie ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Zulässig ist sie aber gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Dies ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
6
2. Ob das Berufungsgericht das von den Klägern als übergangen gerügte Vorbringen in dem Wiedereinsetzungsantrag zur Kenntnis genommen hat, in der Kanzlei ihres damaligen Prozessbevollmächtigten seien bei Eintragung der Rechtsmittelbegründungsfrist auf den 8. Februar 2018 in dem elektronischen Fristenkalender automatisch Wiedervorlagefristen für Januar 2018 notiert worden , kann offen bleiben. Es fehlt nämlich bereits an der Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags, dass sich der Fehler der Kanzleimitarbeiterin zugleich auf die Vorfristen ausgewirkt habe, beruht die Fristversäumung auf einem den Klägern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden (§ 233 Satz 1 ZPO) ihres Prozessbevollmächtigten. Das Verschulden liegt in einer unzureichenden Organisation der Kontrolle von Fristeingaben in den elektronischen Fristenkalender. Die Kläger haben weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter bei der elektronischen Kalenderführung durch eine ordnungsgemäße Organisation dafür Sorge getragen hat, dass Rechtsmittelbegründungsfristen nicht versäumt werden.
7
a) aa) Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten (vgl. Senat, Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00, NJW 2000, 1957 mwN; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - II ZB 23/13, WM 2015, 780 Rn. 9; Beschluss vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, WM 2014, 2388 Rn. 10; Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; Beschluss vom 21. Dezember 2010 - IX ZB 115/10, HFR 2011, 706 Rn. 9; Beschluss vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und XI ZB 2XI ZB 24/08, NJW 2010, 1363 Rn. 12). Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender bestehen spezifische Fehlermöglichkeiten. Dazu zählen nicht nur Datenverarbeitungsfehler der EDV, sondern auch Eingabefehler, insbesondere durch Vertippen. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der laufende Fristen in einem elektronischen Fristenkalender erfasst, durch geeignete Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der Fristeingabe gewährleisten muss.
8
bb) Das Notieren einer Vorfrist in dem elektronischen Fristenkalender ist zur Kontrolle der Richtigkeit der eingegebenen Berufungsbegründungsfrist nicht geeignet. Sie unterliegt derselben spezifischen Fehleranfälligkeit wie die Eingabe des Fristablaufs selbst. Das gilt auch und gerade dann, wenn die Vorfrist von dem EDV-Programm automatisch notiert wird, da sie dann zwangsläufig falsch ist, wenn auch das Ende der Berufungsbegründungsfrist falsch eingegeben wurde. Ebensowenig gewährleistet das Notieren des Fristablaufs in der Handakte , dass der Prozessbevollmächtigte Fehler bei der Eingabe der Fristen in den elektronischen Fristenkalender rechtzeitig erkennt, da er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in den Handakten beschränken darf (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2014 - VIII ZB 55/13, juris Rn. 7; Beschluss vom 27. November 2013 - XII ZB 116/13, FamRZ 2014, 284 Rn. 7; Beschluss vom 12. November 2013 - II ZB 17/12, WM 2014, 422 Rn. 15; Beschluss vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670 Rn. 6).
9
cc) Die Kontrolle der Fristeingabe in den elektronischen Fristenkalender kann durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen. Werden die Eingaben in den EDV-Kalender nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert, ist darin nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein anwaltliches Organisationsverschulden zu sehen. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforderlich , um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juni 2009 - V ZB 191/08, NJW 2009, 3036 Rn. 13 mwN; BGH, Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; Beschluss vom 2. Februar 2010 - XI ZB 23/08 und XI ZB 2XI ZB 24/08, WM 2010, 567 Rn. 12).
10
dd) Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Kläger eine entsprechende Anweisung bestand, lässt sich der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages nicht entnehmen.
11
b) Die Fristversäumnis beruht auch auf dem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger. Hätte in seiner Kanzlei - wie geboten - die Anweisung bestanden, durch Fertigung eines Kontrollausdrucks die korrekte Eintragung des Fristablaufs und der Vorfrist zu prüfen, wäre der Tippfehler bei der Eingabe der Jahreszahl (2018 statt 2017) festgestellt worden.
12
c) Eines vorherigen Hinweises an die anwaltlich vertretenen Kläger auf den vorerwähnten Mangel des Wiedereinsetzungsantrags bedurfte es nicht. Eine Hinweispflicht besteht nur bezogen auf erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2016 - V ZB 135/15, NJW 2016, 3789 Rn. 31; Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 173/10, juris Rn. 7 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die organisatorischen Maßnahmen bei der elektronischen Kalenderführung stellt, sind bekannt und müssen einem Rechtsanwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag in dem Wiedereinsetzungsgesuch dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 369 mwN).

IV.


13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele
Haberkamp Hamdorf
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 04.11.2016 - 9 O 58/16 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 27.04.2017 - I-22 U 131/16 -

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wegen Einkommensteuer 2008 mit Urteil vom 19. Februar 2013 ab und ließ dabei die Revision zu. Die Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 6. März 2013 zugestellt. Am 15. April 2013 legten die Prozessbevollmächtigten im Namen der Kläger Revision ein und beantragten wegen der versäumten Revisionsfrist zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

2

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags machen sie geltend, nach Zustellung des Urteils habe der bearbeitende Steuerberater X das Fristende auf den 8. April 2013 ermittelt und das Urteil zur Fristerfassung einschließlich der automatisierten Berechnung des Fristendes und zum Einscannen in das Dokumentenmanagementsystem sowie zur Weiterleitung an die Mandanten in das Sekretariat zur Bearbeitung gegeben. Am 11. März 2013 sei ihm das Dokument zur Unterschrift des Anschreibens vorgelegt worden. Es sei mit den büroüblichen Markierungen (Eingangsstempel zur Fristerfassung und Notiz "Kopie Mandant") versehen gewesen. Das Urteil selbst sei entsprechend den bürointernen Vorgaben zu diesem Zeitpunkt eingescannt gewesen.

3

Die Büroorganisation der Kanzlei sei ausschließlich EDV-gestützt. Verwendet werde das DATEV-Programm "Post, Fristen und Bescheide". In diesem Programm hätte das FG-Urteil erfasst werden müssen. Das Programm hätte dann automatisiert das Fristende mit dem 8. April 2013 sowie eine intern eingerichtete Vorfrist von fünf Tagen (3. April 2013) berechnet und spätestens am nächsten Arbeitstag angezeigt. Es bestehe die deutliche Arbeitsvorgabe, dass jedes Dokument mit einer Rechtsbehelfsbelehrung im System zu erfassen sei. Fristversäumnisse seien bislang nicht bekannt.

4

Steuerberaterin Y, die X während seines Urlaubs in der 13. und 14. Kalenderwoche vertreten habe, sei durch das System keine Vorfrist in der Sache angezeigt worden. An seinem ersten Arbeitstag, dem Tag des Fristendes, seien X ebenfalls weder Vorfrist noch Fristende angezeigt worden. Als dieser sich den Vorgang am 10. April 2010 habe vorlegen lassen, habe er den Fristablauf feststellen müssen.

5

Obwohl das Dokument "alle internen Prüfmerkmale" aufgewiesen habe, sei offenbar keine Erfassung im Programm "Post, Fristen und Bescheide" erfolgt. Eine Fristüberwachung durch X bzw. Y sei mangels Erfassung unterblieben. Auf Befragung der zuständigen --und ansonsten zuverlässigen-- Mitarbeiterin Z habe diese die Nichterfassung nicht erklären können. Es könne sich insoweit nur um eine einmalige Fehlleistung durch Vergessen, Übersehen oder nicht erfolgte Abspeicherung gehandelt haben.

6

Die Kläger beantragen sinngemäß, ihnen Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsfrist zu gewähren, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 aufzuheben und die Einkommensteuer 2008 unter Berücksichtigung von außerordentlichen Einkünften in Höhe von … € i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes festzusetzen.

7

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unzulässig und gemäß § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss zu verwerfen.

9

1. Die Kläger haben unstreitig die Revisionsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO versäumt.

10

2. Wegen der Versäumung der Revisionsfrist kann den Klägern keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da sie auf einem Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten beruht.

11

a) Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass der Beteiligte ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO). Jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. November 2010 IV B 39/10, BFH/NV 2011, 613, m.w.N.). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Beteiligten nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zuzurechnen.

12

b) Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (u.a. BFH-Beschluss vom 27. Juli 2011 IV B 131/10, BFH/NV 2011, 1909, m.w.N.). Wird --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind (z.B. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2011 X B 50/11, BFH/NV 2012, 440).

13

c) Bei einer elektronischen Fristenkontrolle gelten keine geringeren Anforderungen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1909). Dementsprechend ist nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Organisationsverschulden anzunehmen, wenn ein Prozessbevollmächtigter einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet und die dort vorgenommenen Eintragungen nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. April 2013 IV R 38/11, BFH/NV 2013, 1117; vom 6. August 2001 II R 77/99, BFH/NV 2002, 44; Beschlüsse des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17. April 2012 VI ZB 55/11, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2012, 1085; vom 2. Februar 2010 XI ZB 23-24/08, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2010, 1363; vom 12. Dezember 2005 II ZB 33/04, NJW-RR 2006, 500; vom 12. Oktober 1998 II ZB 11/98, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1999, 670; vom 20. Februar 1997 IX ZB 111/96, NJW-RR 1997, 698; vom 23. März 1995 VII ZB 3/95, HFR 1995, 674). Die Kontrolle ist erforderlich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des EDV-Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand zu erkennen und zu beseitigen (z.B. BGH-Beschluss in NJW-RR 2012, 1085).

14

d) Danach haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Revisionsfrist nicht ohne Verschulden versäumt. Nach ihrem Vorbringen handelte es sich um eine erstmalige Fehlleistung der ansonsten zuverlässigen Mitarbeiterin Z durch Vergessen, Übersehen oder nicht erfolgter Abspeicherung des Dokuments. Die von der Rechtsprechung geforderte Kontrolle der Eingaben in das EDV-Programm war dem dargelegten organisatorischen Ablauf zufolge nicht vorgesehen und ist offenbar auch tatsächlich nicht durchgeführt worden. Denn andernfalls hätte auffallen müssen, dass die Erfassung im System auf dem Urteil dokumentiert wurde, obwohl sie tatsächlich nicht erfolgt war.

15

Im Übrigen tragen die Kläger zwar vor, das Urteil habe bei der erstmaligen Vorlage an den Steuerberater "alle internen Prüfmerkmale" aufgewiesen. Tatsächlich war jedoch nur ein schlichter Eingangsstempel angebracht. Ob eine Erfassung im Fristenkontrollprogramm vorgenommen worden war, war für den Steuerberater damit nicht erkennbar.

16

Auch wenn es sich bei der Nichterfassung der Revisionsfrist im elektronischen Fristenkalender um ein einmaliges Versehen einer ansonsten zuverlässigen Mitarbeiterin handeln sollte, wäre dies bei einer entsprechenden Büroorganisation durch eine Kontrolle des Erfassungsvorgangs vermeidbar gewesen.

(1) Der Rechtsanwalt muss durch das Führen von Handakten ein geordnetes und zutreffendes Bild über die Bearbeitung seiner Aufträge geben können. Er hat die Handakten für die Dauer von sechs Jahren aufzubewahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Auftrag beendet wurde.

(2) Dokumente, die der Rechtsanwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, hat der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber auf Verlangen herauszugeben. Macht der Auftraggeber kein Herausgabeverlangen geltend, hat der Rechtsanwalt die Dokumente für die Dauer der Frist nach Absatz 1 Satz 2 und 3 aufzubewahren. Diese Aufbewahrungspflicht gilt nicht, wenn der Rechtsanwalt den Auftraggeber aufgefordert hat, die Dokumente in Empfang zu nehmen, und der Auftraggeber dieser Aufforderung binnen sechs Monaten nach Zugang nicht nachgekommen ist. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für die Korrespondenz zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber sowie für die Dokumente, die der Auftraggeber bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat.

(3) Der Rechtsanwalt kann seinem Auftraggeber die Herausgabe der Dokumente nach Absatz 2 Satz 1 so lange verweigern, bis er wegen der ihm vom Auftraggeber geschuldeten Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Dies gilt nicht, soweit das Vorenthalten nach den Umständen unangemessen wäre.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, sofern sich der Rechtsanwalt zum Führen von Handakten oder zur Verwahrung von Dokumenten der elektronischen Datenverarbeitung bedient.

(5) In anderen Vorschriften getroffene Regelungen zu Aufbewahrungs- und Herausgabepflichten bleiben unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB709/13
vom
9. Juli 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, muss sie
ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbesondere
zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich
Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssicherheit
bieten als ihr analoges Pendant.

b) Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung
- hier der Einlegung der Beschwerde - mit einer Sache befasst
wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu
überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte
geführt wird, ist hierfür ohne Belang.
BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 709/13 - OLG Nürnberg
AG Regensburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2014 durch den Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Schilling,
Dr. Nedden-Boeger und Guhling

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. November 2013 wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen. Wert: 14.132 €

Gründe:

I.

1
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Ehemann, im Scheidungsverbund noch auf Zugewinnausgleich in Höhe von 35.000 € in Anspruch. Mit Schluss- und Endurteil vom 6. August 2013, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt und am Folgetag zugestellt wurde, hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung von 20.868,32 € verurteilt. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 9. September 2013 (einem Montag) durch einen von ihrem Verfahrensbevollmächtigten unterzeichneten Schriftsatz Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt.
2
Das Oberlandesgericht hat die Antragstellerin am 17. Oktober 2013 darauf hingewiesen, dass eine Beschwerdebegründung nicht eingegangen war. Am 25. Oktober 2013 hat die Antragstellerin die Beschwerdebegründung einge- reicht und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt, wobei sie zur Begründung unter anderem Folgendes ausgeführt hat: In der Kanzlei ihrer Verfahrensbevollmächtigten würden Handakten ausschließlich als elektronische Akten geführt und sämtliche Fristen von einer hierfür besonders geschulten und eingewiesenen Kanzleiangestellten , deren Arbeit nie Anlass zu Beanstandungen gegeben habe, sowohl in der EDV als auch in einem Fristenkalender in Papierform notiert. Sobald feststehe , dass ein Rechtsmittel einzulegen sei, werde in der EDV eine neue Akte angelegt, wobei die Fristen nach Eingang des anzufechtenden Urteils oder Beschlusses bereits zur Ursprungsakte eingetragen würden. Bei Anlage der neuen Rechtsmittelakte prüfe die Mitarbeiterin nochmals, ob alle Fristen notiert seien, und übertrage diese auf die neue Akte. Im Ergebnis erfolge mithin eine dreifache Fristnotierung in den elektronischen Akten und im Fristenkalender. Die Fristversäumung im vorliegenden Fall beruhe darauf, dass versehentlich zwar die Beschwerde-, nicht aber die Beschwerdebegründungsfrist notiert und zusätzlich bei Anlage der Rechtsmittelakte Überprüfung und Übertragung vergessen worden seien.
3
Das Oberlandesgericht hat die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und die Beschwerde der Antragstellerin verworfen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt sind und die Antragstellerin auch nicht aufzuzeigen vermag, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre (§ 574 Abs. 2 ZPO).
5
1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , die Beschwerde sei fristgemäß beim Amtsgericht eingelegt worden. Dieses habe nämlich zu Unrecht altes Verfahrensrecht angewandt, so dass nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die Entscheidung mit dem Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung statthaft wäre, anfechtbar sei. Die Antragstellerin habe jedoch die Begründungsfrist nicht eingehalten und sei daran auch nicht ohne ihr Verschulden gehindert gewesen, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden könne. Etwas anderes ergebe sich nicht daraus, dass die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben sei. Bei einem - wie hier - anwaltlich vertretenen Beteiligten entfalle die Kausalität zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung im Regelfall, da im Hinblick auf die bei einem Anwalt vorauszusetzenden Grundkenntnisse von Verfahrensrecht und Rechtsmittelsystem davon auszugehen sei, dass der Beteiligte keiner Unterstützung durch eine Rechtsbehelfsbelehrung bedürfe. Dies gelte in Anbetracht der eindeutigen Regelung zur Dauer der Rechtsmittelbegründungsfrist auch im vorliegenden Fall. Die Fristversäumung beruhe nicht ausschließlich auf einem Büroversehen in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin. Denn von diesen habe bei Vorlage der Akten zur Wahrung der Beschwerdefrist überprüft werden müssen, ob die Beschwerdebegründungsfrist in den Akten zutreffend vermerkt sei. Dies sei hier ersichtlich nicht erfolgt.
6
2. Rechtlich beanstandungsfrei hat das Oberlandesgericht erkannt, dass im vorliegenden Verfahren gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwen- den sind und das Amtsgericht somit gemäß § 116 Abs. 1 FamFG durch Beschluss hätte entscheiden müssen. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung stand der Antragstellerin daher gegen das Schluss- und Endurteil die Beschwerde nach § 59 Abs. 1 FamFG offen, die sie gemäß § 64 Abs. 1 FamFG fristwahrend beim Amtsgericht einlegen konnte (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 374/11 - FamRZ 2013, 1215 Rn. 7 mwN).
7
Insoweit erinnert die Rechtsbeschwerde ebenso wenig etwas wie dagegen , dass die Beschwerdebegründung erst am 25. Oktober 2013 und damit nach Ablauf der am 7. Oktober 2013 endenden Frist zur Begründung der Beschwerde bei dem Oberlandesgericht eingegangen ist.
8
3. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zu Recht als unzulässig verworfen, weil die Begründungsfrist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG versäumt ist.
9
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor, denn die Antragstellerin hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet i.S.d. §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 1 ZPO versäumt. Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt, beruht das Versäumnis auf einem Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten, welches sich die Antragstellerin nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
10
a) Die Auffassung des Oberlandesgerichts, das Unterbleiben der Rechtsbehelfsbelehrung sei trotz des auch in Familienstreitsachen bis Ende 2013 (seit 1. Januar 2014: §§ 117 Abs. 5 FamFG, 233 Satz 2 ZPO) entsprechend anwendbaren § 17 Abs. 2 FamFG nicht kausal für die Fristversäumung der anwaltlich vertretenen Antragstellerin geworden, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Senatsbe- schlüsse vom 18. Dezember 2013 - XII ZB 38/13 - FamRZ 2014, 643 Rn. 19; vom 27. Februar 2013 - XII ZB 6/13 - FamRZ 2013, 779 Rn. 7 und vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11 - FamRZ 2012, 1287 Rn. 7 f.) und wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.
11
b) Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht kann sich die Antragstellerin nicht durch die Ausführungen zur Kanzleiorganisation ihrer Verfahrensbevollmächtigten entlasten.
12
aa) Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbesondere, dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in alle geführten Fristenkalender eingetragen worden sind. Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen, wobei er sich dann grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken darf (Senatsbeschluss vom 27. November 2013 - XII ZB 116/13 - FamRZ 2014, 284 Rn. 7 mwN). Diese anwaltliche Prüfungspflicht besteht auch dann, wenn die Handakte nicht zugleich zur Bearbeitung mit vorgelegt worden ist, so dass der Rechtsanwalt in diesen Fällen die Vorlage der Handakte zur Fristenkontrolle zu veranlassen hat (BGH Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - III ZB 47/12 - juris Rn. 7; vom 22. September 2011 - III ZB 25/11 - juris Rn. 8 und vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09 - MDR 2010, 533 Rn. 7 mwN).
13
bb) Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Handakte des Rechtsanwalts in herkömmlicher Form als Papierakte oder aber als elektronische Akte geführt wird. Wie die Vorschrift des § 50 Abs. 5 BRAO zeigt, kann sich ein Rechtsanwalt zum Führen der Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bedienen. Entscheidet er sich hierfür, muss die elektronische Handakte jedoch ihrem Inhalt nach der herkömmlichen entsprechen und insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können. Wie die elektronische Fristenkalenderführung gegenüber dem herkömmlichen Fristenkalender darf auch die elektronische Handakte grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant (vgl. BGH Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZB 55/11 - FamRZ 2012, 1133 Rn. 8; Jungk AnwBl 2014, 84).
14
Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung - hier der Einlegung der Beschwerde - mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang. Der Rechtsanwalt muss die erforderliche Einsicht in die Handakte nehmen, indem er sich entweder die Papierakte vorlegen lässt oder das digitale Aktenstück am Bildschirm einsieht. Dass die Handakte ausschließlich elektronisch geführt wird, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass den Rechtsanwalt im Ergebnis geringere Überprüfungspflichten als bei herkömmlicher Aktenführung treffen.
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cc) Nach den Ausführungen der Antragstellerin zur Kanzleiorganisation ihrer Verfahrensbevollmächtigten war wegen eines doppelten Versehens des Kanzleipersonals die Notierung der Rechtsmittelbegründungsfrist sowohl im Fristenkalender als auch in der elektronischen Handakte unterblieben. Dies hätten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin bei der gebotenen Kontrolle der elektronischen Handakte anlässlich der Beschwerdeeinlegung ebenso bemerken müssen wie bei herkömmlicher Aktenführung. Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Regensburg, Entscheidung vom 06.08.2013 - 202 F 1984/08 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.11.2013 - 10 UF 1361/13 -

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.