Bundessozialgericht Urteil, 09. Juni 2017 - B 11 AL 13/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:090617UB11AL1316R0
bei uns veröffentlicht am09.06.2017

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt die Bewilligung eines Gründungszuschusses für die Zeit vom 7.8.2014 bis 28.2.2015.

2

Der 1977 geborene Kläger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und ausgebildeter Bühnendarsteller. Bis Dezember 2013 war er als Teamleiter bei einem Autovermieter beschäftigt. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg), das die Beklagte ihm ab 8.1.2014 für 360 Tage bewilligte (Bescheid vom 4.3.2014).

3

Am 1.8.2014 verlangte der Kläger die Ausgabe eines Antrags auf Gründungszuschuss. Die Beklagte gab ihm ein Antragsformular "ohne Förderzusage", das er am 23.9.2014 schriftlich und mit Anlagen zurückreichte. Er verwies auf eine nach seinen Angaben am 7.8.2014 aufgenommene selbstständige hauptberufliche Tätigkeit als Handelsvertreter für die Firma V Der Kläger fügte die Stellungnahme der Handelskammer H vom 22.9.2014, die Gewerbeanmeldung vom 11.8.2014, den Handelsvertretervertrag zwischen ihm und der Firma V vom 21.8.2014 mit Beginn der Tätigkeit am 15.9.2014, die Teilnahmebescheinigung an einem Coaching sowie den Businessplan vom 8.9.2014 bei, aus dem hervorging, dass in Vorbereitung auf die Tätigkeit ab 15.9.2014 ein dreimonatiges Fachseminar zu absolvieren sei.

4

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gründungszuschuss ab (Bescheid vom 19.1.2015). Es fehle am Nachweis der Aufnahme der Tätigkeit zum 7.8.2014, da diese nach dem Handelsvertretervertrag erst zum 15.9.2014 aufgenommen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe aber kein Restanspruch auf Alg von mindestens 150 Tagen bestanden. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28.1.2015).

5

Auf Veranlassung des Klägers hob die Beklagte die Bewilligung von Alg mit Wirkung zum 7.8.2014 auf (Bescheid vom 23.9.2014); die gewährten Leistungen und hierauf entrichtete Beiträge forderte sie (später) von ihm zurück (Bescheide vom 13.1.2015).

6

Das SG hat die auf Bewilligung eines Gründungszuschusses gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 17.2.2016). Entscheidend sei, dass die selbstständige Tätigkeit erst mit Beginn des Handelsvertretervertrags am 15.9.2014 aufgenommen worden sei und zu diesem Zeitpunkt kein Restanspruch auf Alg für 150 Tage mehr bestanden habe.

7

Das LSG hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 29.6.2016). Da ein Anspruch auf Alg von mindestens 150 Tagen zuletzt am 7.8.2014 bestanden habe, hätte die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit spätestens an diesem Tag erfolgen müssen. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Zwar könnten auch Vorbereitungshandlungen als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen sein, wenn sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalteten. Als maßgebliche Vorbereitungshandlungen käme nur die Anmeldung des Gewerbes in Betracht, die aber nicht die erforderliche Außenwirkung entfalte. Der Kläger habe frühestens mit Vertragsschluss mit der Firma V am 21.8.2014 die selbstständige Tätigkeit aufgenommen, nach deren Beginn er erst noch einen Lehrgang habe absolvieren müssen. Unterstellt die auf den 7.8.2014 zurückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Alg könne dergestalt Berücksichtigung finden, dass ein Restanspruch auf Alg für 150 Tage ab 7.8.2014 vorgelegen habe, seien die Anspruchsvoraussetzungen dennoch nicht erfüllt.

8

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt, die Entscheidung des LSG verletze § 93 Abs 2 Nr 1 SGB III, denn die dort vorausgesetzte Mindestanspruchsdauer erfordere nicht einen noch laufenden Leistungsanspruch für eine Dauer von 150 Tagen, vielmehr genüge ein nicht ausgeschöpfter Restanspruch auf Alg von 150 Tagen. Insofern habe das BSG bereits entschieden, dass eine Nahtlosigkeit zwischen dem Bezug von Alg und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit nicht zu fordern sei, sondern es genüge ein enger zeitlicher Zusammenhang.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. Juni 2016, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Februar 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 7. August 2014 bis 28. Februar 2015 Gründungszuschuss zu zahlen,
hilfsweise,
seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Ein Gründungszuschuss sei an den Kläger nicht zu leisten, weil er zuletzt am 7.8.2014 einen Leistungsanspruch auf Alg von 150 Tagen gehabt habe, er die selbstständige Tätigkeit aber frühestens am 15.9.2014 aufgenommen habe; möglicherweise sei sie sogar erst im Dezember 2014 aufgenommen worden. Die rückwirkend erfolgte Aufhebung der Bewilligung von Alg zum 7.8.2014 ändere hieran nichts.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

13

1. Gegenstand der Revision ist das Urteil des LSG vom 29.6.2016. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die von ihm als Hauptantrag verfolgte Anfechtungs- und Leistungsklage, die auf die Zahlung eines Gründungszuschusses vom 7.8.2014 bis 28.2.2015 zielt, keinen Erfolg hat.

14

2. Der Kläger hat im Zusammenhang mit der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter für eine Elektrofirma keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind nicht erfüllt.

15

Nach § 93 Abs 1 SGB III in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Nach § 93 Abs 2 Satz 1 SGB III "kann" ein Gründungszuschuss geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

        

1.    

bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Alg hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs 3 SGB III beruht,

        

2.    

der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und

        

3.    

ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegt.

16

Der Kläger hat weder zum 7.8.2014 iS des § 93 Abs 2 Satz 1 SGB III die Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder entsprechende Vorbereitungshandlungen beendet(a) noch hat er am 21.8.2014 oder am 15.9.2014 einen Anspruch auf Gründungszuschuss (b); schließlich besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung (c).

17

a) Im laufenden Leistungsbezug von Alg hatte der Kläger zuletzt am 7.8.2014 einen Anspruch auf Alg mit einer Dauer von 150 Tagen. Zur Wahrung der Voraussetzungen des § 93 Abs 1, Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III hätte er die selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter(§ 84 HGB)zwingend an jenem Tag aufnehmen und dadurch die Arbeitslosigkeit beenden müssen. Dies war aber nicht der Fall.

18

Unterstellt der Kläger hätte die Gewerbeanmeldung am 7.8.2014 vorgenommen, hat er damit seine Arbeitslosigkeit nicht iS des § 93 Abs 1 SGB III beendet. Diese Vorschrift verweist mit der Tatbestandsvoraussetzung "Beendigung der Arbeitslosigkeit" auf die Regelung des § 138 Abs 3 SGB III(so wohl auch BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 11/09 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 6 RdNr 26-27, wonach "Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein muss"; so ausdrücklich Sächsisches LSG vom 20.11.2008 - L 3 AL 108/06; LSG Baden-Württemberg vom 24.5.2007 - L 7 AL 4485/05; LSG Berlin-Brandenburg vom 10.5.2016 - L 14 AL 243/12; zum Beitragsrecht BSG vom 3.6.2009 - B 12 AL 1/08 R - juris, RdNr 15; siehe auch Ross in LPK-SGB III, 2. Aufl 2015, § 93 RdNr 14; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 93 SGB III RdNr 41; Kuhnke in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 93 RdNr 15; Jüttner in NK-SGB III, 6. Aufl 2017, § 93 RdNr 38; Hassel in Brand, SGB III, 7. Aufl 2015, § 93 RdNr 8). Nach § 138 Abs 3 SGB III wird die Beschäftigungslosigkeit und damit die Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit beendet, wenn diese Tätigkeit 15 Stunden und mehr wöchentlich ausgeübt wird.

19

Der Kläger hat am 7.8.2014 durch eine Gewerbeanmeldung weder die angestrebte selbstständige Tätigkeit selbst in dem erforderlichen zeitlichen Umfang aufgenommen (aa) noch hat er nach außen wirkende Vorbereitungshandlungen vorgenommen, die bereits der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit gleichzusetzen wäre (bb).

20

aa) Eine selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter wird in dem Zeitpunkt aufgenommen, in dem der Existenzgründer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlungen mit Außenwirkung vornimmt (BSG vom 1.6.2006 - B 7a AL 34/05 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11).

21

Bei der vom Kläger konkret angestrebten oder aufgenommenen Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter (§ 84 Abs 1 HGB) handelt es sich um eine Tätigkeit iS des § 93 Abs 1 SGB III. Zwar gelten Handelsvertreter ausnahmsweise als Arbeitnehmer, wenn sie zu dem Personenkreis nach § 92a HGB gehören(§ 5 Abs 3 Satz 1 ArbGG). Dazu zählen solche Handelsvertreter, die vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden dürfen (§ 92a Abs 1 Satz 1 Alt 1 HGB; sog Einfirmenvertreter kraft Vertrags; vgl BT-Drucks 1/3856 S 40), und Handelsvertreter, denen dies nach Art und Umfang der verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (§ 92a Abs 1 Satz 1 Alt 2 HGB; sog Einfirmenvertreter kraft Weisung; vgl BT-Drucks 1/3856 S 40; vgl auch BGH vom 18.7.2013 - VII ZB 27/12 - juris). Den Feststellungen des LSG ist aber noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der Kläger eine Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter iS des § 84 Abs 1 HGB aufgenommen hat.

22

Bei der Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen eine bestimmte Erwerbstätigkeit "ausgeübt" wird, können die in der Rechtsprechung des BSG entwickelten Maßstäbe zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine erwerbstätige Person ihre Beschäftigung "ausübt", herangezogen und bezogen auf die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit weiter entwickelt werden. Eine Beschäftigung übt danach aus, wer mit seiner Tätigkeit zumindest dazu ansetzt und dessen Tätigkeit darauf gerichtet ist, entweder eine objektiv bestehende Haupt- oder eine Nebenpflicht aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen. Als Beschäftigter handelt auch eine Person, die objektiv nicht geschuldete Handlungen vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern sie nach den besonderen Umständen der Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen darf, sie treffe eine solche Pflicht (so zu § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII: BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 f; BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 5/14 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 33 RdNr 12).

23

Dementsprechend übt eine selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter aus, wer eine Tätigkeit entfaltet, die dazu ansetzt, Haupt- oder Nebenpflichten einer solchen Tätigkeit - hier derjenigen als Handelsvertreter - zu erfüllen, oder wer eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Handelsvertreterverhältnis nachzukommen, sofern er annehmen darf, ihn treffe eine solche Pflicht. Der Erfüllung der Hauptpflicht aus dem Handelsvertretervertrag iS des § 84 Abs 1 HGB dient insbesondere die Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit, wie zB die Anpreisung von Waren beim Kunden, wenn sie sich im Rahmen des Gegenstands des Handelsvertretervertrags hält(vgl BGH vom 4.5.2011 - VIII ZR 11/10 - NJW 2011, 2423 = juris, RdNr 24; BGH vom 17.11.2016 - VII ZR 6/16 - BB 2017, 144). Für die Anpreisung von Waren zum Zwecke des Vertriebs muss der Handelsvertreter ua berechtigt sein, schuldrechtliche Verträge über die Produkte der vertretenen Firma abschließen zu können. Daran fehlte es beim Kläger am 7.8.2014, da noch kein Handelsvertretervertrag mit der zu vertretenden Firma abgeschlossen worden war.

24

Die Gewerbeanmeldung beinhaltet für sich betrachtet (noch) nicht die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit als Handelsvertreter. Vielmehr handelt es sich - je nach Art des ausgeübten Gewerbes - um die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Anzeige- oder Genehmigungspflicht (§§ 14, 29 f GewO; vorliegend hat der Kläger seine Gewerbeausübung gemäß § 14 GewO angezeigt). Die Gewerbeanmeldung ist lediglich einer von mehreren vorbereitenden Schritten, die je nach Art der Existenzgründung erfüllt sein müssen, um eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen zu können.

25

bb) Der Kläger hat am 7.8.2014 auch keine Vorbereitungshandlungen verrichtet, die bereits als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit anzusehen wären.

26

Vorbereitungshandlungen sind als Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit anzusehen, wenn sie im Geschäftsverkehr Außenwirkung entfalten und nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 5). Allerdings ist auch insoweit zu beachten, dass § 93 Abs 1 SGB III voraussetzt, dass "durch die Aufnahme" der Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet sein muss. Das bedeutet, dass die Vornahme von Vorbereitungshandlungen nur dann als "Aufnahme" der selbstständigen Tätigkeit anzusehen ist, wenn sie den nach § 138 Abs 3 SGB III zu fordernden zeitlichen Umfang erreicht. Daran fehlt es hier.

27

Zu den Vorbereitungshandlungen, die sich bereits als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit darstellen können, kann zwar die Anmeldung des Gewerbes gehören, wenn sie entweder erhebliche Zeit in Anspruch nimmt (gewerberechtliche Konzession, Zulassung zu einem freien Beruf), oder wenn diese Tätigkeit mit weiteren Vorbereitungstätigkeiten zeitlich eng verknüpft ist oder mit diesen einhergeht. Der Senat hat insoweit auch schon entschieden, dass andere vorbereitende Handlungen, wie zB das Anmieten oder Einrichten von Geschäftsräumen, die Bestellung oder Entgegennahme von Waren oder die Einrichtung und Aufnahme der Produktionsmittel als Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit anzusehen sein können (BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 5).

28

Die Beendigung der Arbeitslosigkeit tritt durch vorbereitende Handlungen der Existenzgründung jedoch nur ein, wenn der Gründer für die angestrebte selbstständige Tätigkeit bereits in einem zeitlichen Umfang tätig ist, die ihn 15 Stunden oder mehr pro Woche in Anspruch nimmt (so auch LSG Berlin-Brandenburg vom 10.5.2016 - L 14 AL 243/12). Eine Vorbereitungshandlung in diesem Umfang wird allerdings nicht verrichtet, wenn ein Gründer mit zeitlichem Abstand nach und nach die Voraussetzungen dafür schafft, zu einem späteren Zeitpunkt eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen zu können. Vorliegend kann unterstellt werden, der Kläger habe am 7.8.2014 der zuständigen Behörde nur die Aufnahme des Gewerbes als Handelsvertreter auf einem Formular von einer Seite angezeigt. Die schlichte Anzeige der Gewerbeaufnahme mehrere Wochen vor dem Beginn der eigentlichen Tätigkeit genügt aber nicht, um annehmen zu können, die Arbeitslosigkeit des Klägers sei dadurch beendet worden. Der Kläger ist nicht in einem Zeitumfang von 15 Stunden oder mehr pro Woche mit Vorbereitungshandlungen befasst gewesen.

29

Am 7.8.2014 fehlte es im Übrigen auch an weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung eines Gründungszuschusses. So lagen an diesem Tag weder die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (Stellungnahme der Handelskammer H vom 22.9.2014) noch der Businessplan (8.9.2014) vor, auch ist der für die Aufnahme der konkret angestrebten Tätigkeit erforderliche Handelsvertretervertrag erst am 21.8.2014 zum 15.9.2014 geschlossen worden.

30

b) Der Kläger hat auch für Zeiten ab 21.8.2014 oder 15.9.2014 keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Gründungszuschusses.

31

Zwar hat Kläger - ausgehend von den im Rahmen des § 93 SGB III maßgeblichen tatsächlichen Gegebenheiten - zu beiden Zeitpunkten im laufenden Bezug von Alg gestanden. Die Voraussetzungen des § 93 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III sind aber nicht erfüllt gewesen, denn zu beiden Zeitpunkten fehlt es daran, dass er einen Restanspruch auf Alg für die Dauer von 150 Tagen hatte, weil die verbliebene Dauer des Anspruchs auf Alg kürzer war.

32

Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beklagte die Bewilligung von Alg aufgrund der Angaben des Klägers rückwirkend mit Ablauf des 6.8.2014 aufgehoben (Bescheid vom 23.9.2014) und später die Erstattung des gezahlten Alg sowie der hierauf entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gefordert hat (Bescheide vom 13.1.2015), ergibt sich kein anderes Ergebnis. Der Kläger erfüllt zwar - unter Berücksichtigung der erst später eingetretenen rechtlichen Entwicklung, nämlich der Aufhebung der Bewilligung von Alg mit Ablauf des 6.8.2014 - die Voraussetzung, dass er bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zu beiden Zeitpunkten einen (Rest-)Anspruch auf Alg von noch 150 Tagen hatte (§ 93 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III). Aber er erfüllt - auch nach Maßgabe der von ihm angesprochenen Entscheidung des BSG vom 5.5.2010 (B 11 AL 11/09 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 6 RdNr 26-27; ergangen zu § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) - nicht die Voraussetzungen des Anspruchs auf Gründungszuschuss.

33

Der Senat hatte in dem genannten Urteil zu der insoweit gleichlautenden Vorgängerregelung entschieden, diese sei so zu verstehen, dass der Anspruch auf Gründungszuschuss keine Nahtlosigkeit zwischen Arbeitslosigkeit und selbstständiger Tätigkeit, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Existenzgründung und dem vorausgehenden Anspruch auf Alg verlangt. An dieser Auslegung ist auch im Kontext des § 93 SGB III festzuhalten, weil die Existenzgründung keinen punktuellen Vorgang darstellt(BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 5 RdNr 19). So können in der Praxis bei einer Existenzgründung zeitliche Lücken entstehen, die der Existenzgründer nicht zu vertreten hat, weil zB eine behördliche Genehmigung nicht schnell zu erlangen ist oder ein angebahnter Vertrag sich zerschlägt und neue Verhandlungen erforderlich werden.

34

Doch der nach der zitierten Entscheidung erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bezug von Alg und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit liegt hier nicht vor. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn ein Zeitraum von nicht mehr als einem Monat zwischen dem Bezug von Alg einerseits und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit andererseits liegt (vgl BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 11/09 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 6 = juris, RdNr 24, dort ging es um die Überbrückung von neun Tagen; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R - SozR 4-4300 § 57 Nr 6 RdNr 16 verlangt dagegen, dass die Voraussetzungen "innerhalb eines Monats nach … Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg" vorliegen müssen).

35

Als "Aufnahme" der Tätigkeit als Handelsvertreter ist vorliegend der 15.9.2014 anzusehen. Der Tag des Abschlusses des Handelsvertretervertrags (21.8.2014) ist nicht maßgeblich, weil das Gesetz auf die "Aufnahme" der Tätigkeit abstellt. Damit wird an tatsächliche Umstände, hier die Entfaltung einer selbstständigen Tätigkeit, angeknüpft und nicht an die Begründung vertraglicher Bindungen, die erst viel später in eine Erwerbstätigkeit münden können. Da aber zwischen dem Ende des Anspruchs auf Alg (Ablauf des 6.8.2014) und der Aufnahme der Tätigkeit als Handelsvertreter am 15.9.2014 eine Zeitdauer von mehr als einem Monat liegt, fehlt der "enge zeitliche Zusammenhang" zwischen dem Bezug von Alg und der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit.

36

c) Der hilfsweise gestellte Antrag, die Beklagte zur Neubescheidung des Antrags auf Gründungszuschuss zu verpflichten, hat ebenfalls keinen Erfolg. Da schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Gründungszuschuss nach § 93 SGB III nicht erfüllt sind, hat die Beklagte keine (neue) Ermessensentscheidung über die Bewilligung eines Gründungs-zuschusses zu treffen.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 09. Juni 2017 - B 11 AL 13/16 R

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(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich nach

1.
der Dauer der Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der um 30 Monate erweiterten Rahmenfrist und
2.
dem Lebensalter, das die oder der Arbeitslose bei der Entstehung des Anspruchs vollendet hat.
Die Vorschriften des Ersten Unterabschnitts zum Ausschluss von Zeiten bei der Erfüllung der Anwartschaftszeit und zur Begrenzung der Rahmenfrist durch eine vorangegangene Rahmenfrist gelten entsprechend.

(2) Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beträgt

nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens … Monatenund nach Vollendung des … Lebensjahres… Monate
126
168
2010
2412
3050.15
3655.18
4858.24

(3) Bei Erfüllung der Anwartschaftszeit nach § 142 Absatz 2 beträgt die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld unabhängig vom Lebensalter

nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens … Monaten… Monate
63
84
105

Abweichend von Absatz 1 sind nur die Versicherungspflichtverhältnisse innerhalb der Rahmenfrist des § 143 zu berücksichtigen.

(4) Die Dauer des Anspruchs verlängert sich um die Restdauer des wegen Entstehung eines neuen Anspruchs erloschenen Anspruchs, wenn nach der Entstehung des erloschenen Anspruchs noch nicht fünf Jahre verstrichen sind; sie verlängert sich längstens bis zu der dem Lebensalter der oder des Arbeitslosen zugeordneten Höchstdauer.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 12.10.2006.

2

Der 1964 geborene Kläger war seit 1983 als Dachdecker versicherungspflichtig beschäftigt. Nach betriebsbedingter Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2006 meldete er sich am 27.6.2006 bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitsuchend. Dabei teilte er mit, dass er sich mit einem Kollegen schnellstmöglich selbständig machen wolle. Am 28.9.2006 meldete sich der Kläger sodann mit Wirkung für den 1.10.2006 arbeitslos und beantragte für diesen Tag Arbeitslosengeld (Alg) sowie für die Zeit ab 2.10.2006 einen Gründungszuschuss. In der Folgezeit legte der Kläger einen Lebenslauf sowie einen Businessplan nebst Rentabilitätsvorschau vom 2.10.2006, eine positive Stellungnahme seines Steuerberaters zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 9.10.2006 und eine Gewerbe-Ummeldung zum 12.10.2006 vor. Weil sich der Beginn der selbständigen Tätigkeit nach seinen Angaben auf den 12.10.2006 verschoben hatte, stellte der Kläger am 14.11.2006 einen Kurzantrag auf Weiterzahlung von Alg ab 2.10.2006.

3

Während die Beklagte dem Kläger für den 1.10.2006 Alg bewilligte (Bescheid vom 10.10.2006), lehnte sie die Gewährung von Alg ab 2.10.2006 mangels Verfügbarkeit ab (Bescheid vom 15.11.2006).

4

Den Antrag auf einen Gründungszuschuss lehnte die Beklagte ebenfalls ab, weil der Kläger bis zur Aufnahme der Selbständigkeit keinen Anspruch auf Alg gehabt habe und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, durch Behördengänge habe sich der geplante Beginn der selbständigen Tätigkeit verschoben, wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 27.11.2006, Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006).

5

Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts vom 28.11.2007; Urteil des Landessozialgerichts vom 28.11.2008).

6

Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Gründungszuschuss, weil er nicht bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf das hier als Entgeltersatzleistung allein in Betracht kommende Alg bei Arbeitslosigkeit gehabt habe. Nach § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der seit 1.8.2006 geltenden Fassung müsse ein Entgeltersatzanspruch unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bestehen, wofür das sog Stammrecht genüge, während ein konkreter Auszahlungsanspruch nicht erforderlich sei. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Entgeltersatzanspruch und Existenzgründung - wie nach der früheren Rechtslage - reiche nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut jedoch nicht mehr aus. Da der Kläger nach seinen Angaben die selbständige Tätigkeit erst am 12.10.2006 aufgenommen habe, komme unabhängig von den Gründen der Verzögerung ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss nur in Betracht, falls am 11.10.2006 ein Anspruch auf Alg bestanden hätte. Das sei aber nicht der Fall, weil der Kläger ab 2.10.2006 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zur Verfügung gestanden und sich bis zum 11.10.2006 auch nicht erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe. Durch den Bescheid vom 15.11.2006 sei der Antrag auf Alg ab 2.10.2006 zudem bestandskräftig abgelehnt worden. An der fehlenden Verfügbarkeit und dem Beginn der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit lasse sich auch durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nichts ändern. Unabhängig davon fehle es schon an einem Beratungsfehler.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Nach Sinn und Zweck des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III reiche ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug einer Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit aus. Nur diese Auslegung, der weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Gesetzesmotive entgegenstünden, werde dem Ziel der Förderung und der Realität gerecht, weil es sich bei einer Existenzgründung mit den notwendigen Vorbereitungshandlungen um einen komplexen Sachverhalt handele. Einen nahtlosen Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit zu verlangen, entspreche nicht den praktischen Erfordernissen einer Existenzgründung.

8

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts vom 28.11.2008 und des Sozialgerichts vom 28.11.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 12.10.2006 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

12

Ob der Kläger einen Anspruch auf einen Gründungszuschuss hat, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten (hierzu unter 2). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Versagung eines Gründungszuschusses aber jedenfalls nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger für die Zeit vom 2. bis 11.10.2006 keinen Anspruch auf Zahlung von Alg hatte (hierzu unter 1).

13

1. Nach § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss (Abs 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer ua bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a) und bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 Nr 2).

14

a) Bestehen muss zunächst ein "Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch“. Zu diesen Leistungen gehört nach § 116 SGB III(in der seit dem 1.4.2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24.4.2006, BGBl I 926) neben anderen Leistungen (zB Insolvenzgeld) das vom Kläger vor der Existenzgründung bezogene Alg bei Arbeitslosigkeit. Der Begriff "Anspruch" kann bei dieser zuletzt genannten Leistung unterschiedliche Bedeutungen haben und sowohl den Gesamtanspruch aus einer bestimmten Anwartschaft (sog Stammrecht) als auch die daraus resultierenden Einzelansprüche auf Zahlung von Leistungen umfassen (vgl Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 118 RdNr 23 ff, Stand September 2005).

15

Nach § 118 Abs 1 SGB III(in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit entsteht dem Grunde nach als Stammrecht im Sinne eines zu einem subjektiven Recht des Arbeitslosen verfestigten Besitzstandes regelmäßig mit dem Vorliegen der drei in § 118 Abs 1 SGB III genannten Voraussetzungen(vgl § 40 Sozialgesetzbuch Erstes Buch; Valgolio in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 1). Der aus dem Stammrecht zu realisierende Einzelanspruch auf Zahlung von Alg ist hingegen durch Leistungsantrag (vgl § 323 Abs 1 SGB III in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) geltend zu machen und davon abhängig, dass für die konkret beanspruchte Zeit die materiellen Voraussetzungen des § 118 Abs 1 SGB III erfüllt sind.

16

Für den Alg-Anspruch als Anspruch auf Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III ist davon auszugehen, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 118 Abs 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist(so wohl Stark in NK-SGB III, 3. Aufl, § 57 RdNr 36 ff; vgl auch Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 54, 56, Stand März 2010). Der erkennende Senat hat bereits zum Überbrückungsgeld nach Maßgabe des § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) darauf hingewiesen, dass allein das Bestehen des Stammrechts auf Alg zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dieser dem Gründungszuschuss vorausgehenden Förderleistung (hierzu unter b) nicht als ausreichend erachtet werden kann(vgl BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 4 S 24). Hieran ist für die neue Leistung des Gründungszuschusses festzuhalten, auch wenn es entgegen der früheren Regelung zum Überbrückungsgeld nicht mehr, auch nicht wahlweise (wie noch in § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III idF des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001, BGBl I 3443) auf den Leistungsbezug ankommt (vgl Stark in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 57 RdNr 36). Abgesehen davon, dass die besondere vierjährige Erlöschensfrist des § 147 Abs 2 SGB III für das Stammrecht auf Alg zu einer unterschiedlichen Behandlung der sonstigen Entgeltersatzleistungsberechtigten beim Zugang zum Gründungszuschuss führen würde, hat diese Leistung den Zweck, den Lebensunterhalt zu sichern und insoweit das infolge der Existenzgründung wegfallende Alg zu kompensieren(vgl BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs 1). Ein "Anspruch" auf Alg iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III in der hier anzuwendenden Fassung liegt also vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind (Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 56, Stand März 2010).

17

Von den materiellen Voraussetzungen ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für das zum 1.10.2006 bewilligte Alg auszugehen. Das ist schon wegen des für beide Beteiligte bindend gewordenen Bewilligungsbescheids vom 10.10.2006 anzunehmen, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beklagte diese Entscheidung später revidiert hat (vgl BSGE 61, 286 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Zweifeln daran, ob die Bewilligung rechtmäßig war oder ob der Kläger am 1.10.2006 das für die Arbeitslosigkeit im Sinne des Leistungsrechts ua erforderliche Merkmal der Verfügbarkeit nicht erfüllte, weil er nach seiner damaligen Planung bereits am folgenden Tag eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollte, muss daher an dieser Stelle nicht nachgegangen werden (vgl BSG aaO).

18

b) Die des Weiteren in § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III normierte Voraussetzung eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit“ scheitert entgegen der Annahme der Beklagten nicht daran, dass der Kläger lediglich für den 1.10.2006, nicht aber für die anschließende Zeit vom 2.10. bis 11.10.2006 einen konkreten Zahlungsanspruch auf Alg hatte. Selbst wenn sich die Aufnahme der Tätigkeit (hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) des Klägers als selbständiger Baudienstleister damit vom 2.10. auf den 12.10.2006 verschoben haben sollte, stand die Existenzgründung in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zum Alg-Anspruch. Denn die gesetzliche Regelung verlangt keine Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung der Förderleistung, welche das bis zum 31.7.2006 geregelte Überbrückungsgeld und den zum 1.1.2003 vorübergehend eingeführten Existenzgründungszuschuss (sog Ich-AG, hierzu näher BSGE 101, 224 = SozR 4-4300 § 421l Nr 2) zum 1.8.2006 abgelöst hat.

19

aa) Bis zum 31.7.2006 bestimmte § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III, dass Überbrückungsgeld geleistet wird, wenn der Arbeitnehmer ua in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte. Eine ähnliche Regelung enthielt für den Existenzgründungszuschuss § 421l SGB III, der vom 1.7.2006 an allerdings nur noch auf Altfälle anwendbar war (§ 421l Abs 5 SGB III idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005, BGBl I 3676). Nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III wird dieser Zuschuss geleistet, wenn der Existenzgründer ua in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat.

20

Der Übergang von der Formulierung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" zu der Wendung "bis zur Aufnahme" wird in der Literatur allerdings überwiegend so verstanden, dass die seit 1.8.2006 geltende Rechtslage jede zeitliche Lücke zwischen dem Bestehen eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausschließt (Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Dezember 2009, § 57 RdNr 14; Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 57 RdNr 5; Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 54, Stand März 2010; Winkler in Gagel, SGB III, § 57 RdNr 15, Stand Dezember 2006; wohl ebenfalls für Nahtlosigkeit Götze in GK-SGB III, § 57 RdNr 38, Stand Dezember 2006). Ausgehend von der primär arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung der Förderung von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit (BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs 1) gebietet der Wortlaut im historischen Gesamtzusammenhang der Regelung indessen keine Auslegung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III dahingehend, dass ein Gründungszuschuss nur zu gewähren ist, falls der Existenzgründer bis zum letzten Tag vor der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit einen Leistungsanspruch auf Zahlung von Alg hatte(vgl Voelzke in Küttner, Personalbuch 2009, Gründungszuschuss <210> RdNr 17).

21

bb) Die vom Gesetzgeber bei der Einführung des Gründungszuschusses gewählte Formulierung ist nicht neu. Denn bis zum 31.12.1997 bestimmte schon § 55a Abs 1 Satz 1 AFG, dass Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Überbrückungsgeld gewährt werden kann, wenn der Arbeitslose ua "bis zur Aufnahme" dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Bei der Einführung des SGB III wurde diese Regelung ohne wesentliche Änderung übernommen, denn nach § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 544) konnte Überbrückungsgeld geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer ua "bis zur Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg, Alhi oder Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bezogen hat.

22

Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 55a AFG(BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2 und 4) war aus der Formulierung "bis zur Aufnahme" entgegen dem Standpunkt der damaligen Bundesanstalt für Arbeit bereits im Geltungsbereich des AFG nicht ohne Ausnahme zu schließen, dass sich der Übergang vom Leistungsbezug zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nahtlos vollziehen muss. Eine enge wörtliche Auslegung hat der Senat abgelehnt, weil sie unter Umständen Ergebnisse zur Folge gehabt hätte, die nicht dem Gesetzeszweck entsprechen, durch die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Fortdauer von Arbeitslosigkeit zu verhüten und im Interesse der Versichertengemeinschaft künftige Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Kurzfristige Unterbrechungen des Leistungsbezugs unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit wurden daher jedenfalls unter der Voraussetzung als unschädlich angesehen, dass aus dem erhalten gebliebenen Stammrecht in der Zukunft noch weiterhin Leistungsansprüche realisiert werden könnten, falls die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht stattfände (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2 S 12). Einen noch ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit hat der Senat bejaht, wenn die Unterbrechung des Leistungsbezugs die Dauer einer Sperrzeit wegen Ablehnung eines Arbeitsangebots nicht überstieg (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 4).

23

Hieran anschließend wurden durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB III-ÄndG) vom 21.7.1999 (BGBl I 1648) in § 57 Abs 2 Nr 1 SGB III mit Wirkung ab 1.8.1999 die Worte "bis zur Aufnahme" durch die Umschreibung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" ersetzt, was bis zum 31.7.2006 beibehalten wurde. Der Gesetzgeber des 2. SGB III-ÄndG verstand diese Änderung des Normtextes nicht als Ausdruck einer sachlichen Neuregelung, sondern nur als "Klarstellung", dass (ua) zwischen dem vorherigen Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit "ein Übergangszeitraum (etwa ein Monat)" liegen dürfe. Zur Begründung dafür hieß es, eine als absolut verstandene Unmittelbarkeit des Übergangs werde den praktischen Erfordernissen bei der Existenzgründung, die keinen punktuellen Vorgang darstelle, nicht gerecht (BT-Drucks 14/873 S 12; vgl aber weitergehend BT-Drucks 15/1515 S 78 zur Unmittelbarkeit iS eines Zeitraums von nicht mehr als einem Monat etwa bei § 28a SGB III; auch BSG SozR 4-4300 § 26 Nr 4 zu § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III aF). Eine vergleichbare Regelung wurde deshalb auch in die neuartige Leistung des Existenzgründungszuschusses nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III übernommen, die durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4621) vorübergehend (vgl § 421l Abs 5 SGB III) zum 1.1.2003 eingeführt wurde. Auch dieser Zuschuss wird bereits geleistet, wenn der Existenzgründer ua "in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat. Eines unmittelbar vorausgehenden Bezugs von Entgeltersatzleistungen bedarf es demgegenüber hier ebenfalls nicht, weil ausweislich der Gesetzesbegründung kurze Phasen der Vorbereitung auf die Selbständigkeit, zB eine Teilnahme an Existenzgründerseminaren, für einen erfolgreichen Übergang sinnvoll sein können (BT-Drucks 15/26 S 22 f). Trotz der partiell abweichenden Formulierung gilt dies in gleicher Weise für den Gründungszuschuss. Denn es handelt es sich um eine aus Elementen des Überbrückungsgeldes und des Eingliederungszuschusses zusammengefügte Leistung, welche inhaltlich an § 57 SGB III und § 421l SGB III in der zum Zeitpunkt ihrer Normierung maßgeblichen Fassung anknüpft(vgl auch Roos, NJW 2009, 8, 9). Dementsprechend weisen die Materialien ausdrücklich darauf hin, dass ua mit § 57 Abs 2 Nr 1 SGB III "notwendige und bewährte Voraussetzungen der bisherigen Regelungen übernommen" werden(BT-Drucks 16/1696 S 31, zu § 57 Abs 2).

24

cc) Die zum "engen zeitlichen Zusammenhang" beim Überbrückungsgeld ergangene Entscheidung des 11a. Senats vom 21.3.2007 - B 11a AL 11/06 R (= SozR 4-4300 § 57 Nr 2) ist damit für den Gründungzuschuss insoweit von Bedeutung, als der zeitliche Zusammenhang zwischen der Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit weiterhin unverändert zu bestimmen ist. Der 11a. Senat hat in der genannten Entscheidung zwar offen gelassen, ob für den erforderlichen Zusammenhang ein fester zeitlicher Rahmen vorgegeben werden muss, jedoch angenommen, dass die Wendung "in engem zeitlichen Zusammenhang" das Bestehen einer zeitlichen Lücke zwischen Leistungsbezug und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sogar nahe legt und sich an dem in der Gesetzesbegründung zum 2. SGB III-ÄndG angeführten Zeitraum von etwa einem Monat orientiert (BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 2 RdNr 11, 15). Dieser Zeitraum ist ausgehend von den für den erkennenden Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 in jedem Fall gewahrt.

25

c) Da dem Kläger für den 1.10.2006 Alg mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen zuerkannt, aber antragsgemäß lediglich für einen Tag Alg ausgezahlt worden ist, bestand zugleich ein "Restanspruch" mit einer Dauer von mindestens 90 Tagen bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III), welcher sich ggf um die Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Gründungszuschuss mindert (vgl § 128 Abs 1 Nr 9 SGB III idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, aaO). Auf die Übergangsvorschrift zu der genannten Voraussetzung eines Restanspruchs von mindestens 90 Tagen (§ 434o SGB III) kommt es nach den Umständen des Falles somit nicht an.

26

2. Unabhängig davon lässt sich aber derzeit noch nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf den Gründungszuschuss zusteht. Denn das LSG hat - von seinem Standpunkt konsequent - noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger durch die Aufnahme einer selbständigen und hauptberuflichen Tätigkeit seine Arbeitslosigkeit beendet hat (§ 57 Abs 1 SGB III). Dabei wird - ausgehend vom aufgezeigten Sinn und Zweck des Förderinstruments (hierzu unter 1) - zu beachten sein, dass für das Merkmal der Beendigung von "Arbeitslosigkeit" iS des § 57 Abs 1 SGB III grundsätzlich Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein muss(vgl Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 49, Stand März 2007; weitergehend Voelzke in Küttner, Personalbuch 2009, Gründungszuschuss <210> RdNr 15, und Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 57 RdNr 7). Insbesondere fehlt es bislang aber an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen zur Tragfähigkeit (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III) sowie ferner dazu, ob und wann der Kläger seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt hat (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB III). Im Gegensatz zur früheren Rechtslage statuiert das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (aaO) dabei zum einen ein Nachweiserfordernis der objektiven Tragfähigkeit und zum anderen eine Darlegungslast des Existenzgründers hinsichtlich seiner subjektiven Eignung (vgl Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, RdNr 106 ff, 111 ff).

27

3. Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG auch darüber zu befinden haben, inwieweit außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten sind.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Für das Vertragsverhältnis eines Handelsvertreters, der vertraglich nicht für weitere Unternehmer tätig werden darf oder dem dies nach Art und Umfang der von ihm verlangten Tätigkeit nicht möglich ist, kann das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz nach Anhörung von Verbänden der Handelsvertreter und der Unternehmer durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festsetzen, um die notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse dieser Handelsvertreter oder einer bestimmten Gruppe von ihnen sicherzustellen. Die festgesetzten Leistungen können vertraglich nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.

(2) Absatz 1 gilt auch für das Vertragsverhältnis eines Versicherungsvertreters, der auf Grund eines Vertrags oder mehrerer Verträge damit betraut ist, Geschäfte für mehrere Versicherer zu vermitteln oder abzuschließen, die zu einem Versicherungskonzern oder zu einer zwischen ihnen bestehenden Organisationsgemeinschaft gehören, sofern die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit einem dieser Versicherer im Zweifel auch die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den anderen Versicherern zur Folge haben würde. In diesem Falle kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, außerdem bestimmt werden, ob die festgesetzten Leistungen von allen Versicherern als Gesamtschuldnern oder anteilig oder nur von einem der Versicherer geschuldet werden und wie der Ausgleich unter ihnen zu erfolgen hat.

(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.

(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.

(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung eines Arbeitsunfalls.

2

Am 5.5.2006 brachte sie während ihrer Freistellungsphase aufgrund vereinbarter Altersteilzeit ihrem Arbeitgeber ein von ihm auszufüllendes Formular für eine sog Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt, um sie sodann beim Rentenversicherungsträger vorzulegen, damit dieser ihr nahtlos zum Eintritt in den Ruhestand Rente wegen Alters in richtiger Höhe zahlen sollte. Dabei stolperte sie auf einer Treppe im Betriebsbereich, stürzte auf ihr linkes Handgelenk und erlitt dadurch einen Speichenbruch des linken Unterarms.

3

Die Beklagte lehnte es ab, deswegen einen Arbeitsunfall festzustellen (Bescheid vom 17.8.2006; Widerspruchsbescheid vom 17.1.2007). Von einer versicherten Tätigkeit sei nicht auszugehen, da die Abgabe der Bescheinigung im eigenwirtschaftlichen Interesse der Klägerin gelegen habe.

4

Die Klagen und die Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 29.3.2010 und Urteil des Bayerischen LSG vom 8.2.2011). Das LSG hat ausgeführt: Ein sachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit als Beschäftigte und der Überbringung des Formulars liege nicht vor. Das private Interesse der Klägerin im Rahmen ihrer Sozialversicherungsangelegenheit stehe hierbei im Vordergrund. Soweit auch Belange des Arbeitgebers berührt seien, beträfen diese weder seine unmittelbaren Pflichten aus dem Arbeitsvertrag noch seine allgemeine Fürsorgepflicht. Dass die Gewährung von Altersrente zugleich Voraussetzung für die Gewährung einer Betriebsrente sei und dass der Arbeitgeber bei fehlerhafter oder verspäteter Ausstellung der Bescheinigung sich möglicherweise schadensersatzpflichtig mache, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Zwar habe das BSG einen Arbeitnehmer auf dem Weg zum Personalbüro als versichert angesehen, wenn er dort eine Arbeitsbescheinigung abholen wollte, die er für die weitere Aufenthaltserlaubnis benötige (Urteil vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78). Während der Arbeitgeber die Ausstellung der Arbeitsbescheinigung aufgrund seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis schulde, diene die Vorausbescheinigung jedoch wesentlich dem eigenwirtschaftlichen Interesse der Realisierung von Sozialleistungsansprüchen.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs 1 SGB VII. Das Überbringen des Formulars für eine Vorausbescheinigung des Arbeitgebers stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die ordnungsgemäße Ausfüllung einer Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI stelle neben der Erfüllung seiner Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis eine eigene gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers dar und habe daher nicht ausschließlich in ihrem privaten Interesse gelegen. Eine unrichtige oder verspätete Ausstellung der Bescheinigung hätte nicht nur dazu geführt, dass die Klägerin nicht nahtlos die rentenversicherungsrechtliche Altersrente erhalten hätte. Der Bezug der Altersrente sei auch Voraussetzung für den Bezug der betrieblichen Altersrente gewesen. Die Ausstellung der Bescheinigung habe also im Hinblick auf ihre möglicherweise entstehenden Schadensersatzansprüche im wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers gelegen. Sie habe ohne weiteres der Auffassung sein können, mit der Überbringung des Formulars und der beabsichtigten gemeinsamen Ausfüllung desselben mit dem zuständigen Mitarbeiter des Arbeitgebers, eine sich aus ihrem Arbeitsverhältnis ergebende Nebenpflicht zu erfüllen. Schließlich müsse die Entscheidung des BSG (Urteil vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78) - anders als das LSG meint - aufgrund der in beiden Fällen vergleichbaren Motivation der Arbeitnehmer zur Zurechnung der Abgabe des Formulars zur versicherten Tätigkeit führen. In beiden Fällen bestehe eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis.

6

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. März 2010 aufzuheben und unter Aufhebung der die Feststellung eines Versicherungsfalls ablehnenden Entscheidung in dem Bescheid der Beklagten vom 17. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2007 festzustellen, dass das Ereignis vom 5. Mai 2006 ein Arbeitsunfall der Klägerin ist.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Die Entscheidung des BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - sei nicht einschlägig. Die Klägerin habe die Vorausbescheinigung zur Berechnung ihrer Altersrente und nicht für ihre Arbeitstätigkeit benötigt. Mangels Aufforderung zum Tätigwerden sei auch die Motivationslage in beiden Fällen unterschiedlich gewesen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die zulässige Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen, da das SG ihre zulässigen Klagen zutreffend als unbegründet abgewiesen hat.

10

Gemäß § 54 Abs 1 iVm § 55 Abs 1 Nr 1, § 56 SGG ist die Kombination einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage zulässig.

11

Die Anfechtungsklage richtet sich zulässig gegen die Ablehnung des von der Klägerin bei der Beklagten verfolgten Anspruchs auf Feststellung des geltend gemachten Arbeitsunfalls.

12

Die Feststellungsklage ist statthaft auf die gerichtliche Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses iS des § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, nämlich des geltend gemachten Versicherungsfalls, gerichtet. Der Eintritt eines Versicherungsfalls iS des § 7 Abs 1 SGB VII bedeutet die Begründung eines konkreten, nach Inhalt und Umfang durch den Versicherungsfall bestimmten Leistungsrechtsverhältnisses zwischen dem Versicherten und einem bestimmten Unfallversicherungsträger, aus dem konkrete Rechte auf Versicherungsleistungen entstehen können, aber nicht müssen.

13

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, also das Leistungsrechtsverhältnis besteht. Insbesondere fehlt es hieran nicht deshalb, weil sie nach ständiger Rechtsprechung des BSG zulässig auch eine Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Arbeitsunfalls, also auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes, erheben könnte. Der prozessuale Nachrang der Feststellungsklage im Verhältnis zu den (Gestaltungs- und) Leistungsklagen (Verpflichtungsklagen, allgemeine Leistungsklagen) besteht nur, wenn das jeweilige Rechtsschutzbegehren umfassend und effektiv durch eine dieser spezieller ausgestalteten Klagen verfolgt werden kann. Die Feststellungsklage ist aber gerade bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Versicherungsfalls jedenfalls gleich rechtsschutzintensiv, da die gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit für die Beteiligten auch materiell rechtskräftig wird (§§ 141 Abs 1, 179, 180 SGG). Allerdings kann die Verpflichtungsklage dem maßgeblichen (§ 123 SGG) Begehren des Verletzten im Einzelfall eher entsprechen. Daher erkennt das BSG ein Wahlrecht des Verletzten zwischen einer zulässigen Feststellungs- und einer zulässigen Verpflichtungsklage an (zuletzt BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 12 mwN; BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - Juris RdNr 9 mwN - UV-Recht Aktuell 2010, 897 und BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8 mwN).

14

Die Klagen sind, wie die Vorinstanzen richtig gesehen haben, nicht begründet.

15

Die Anfechtungsklage ist unbegründet, weil die Ablehnung der Feststellung eines Arbeitsunfalls durch die Beklagte rechtmäßig und die Klägerin dadurch nicht in einem ihr zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt ist (§ 54 Abs 2 S 1 SGG). Sie hat nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da kein Arbeitsunfall vorliegt. Deswegen ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und auch die Feststellungsklage unbegründet, weil das umstrittene Rechtsverhältnis nicht besteht.

16

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Arbeitsunfalls vom 5.5.2006.

17

Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

18

Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit, S 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2).

19

Ein Arbeitsunfall setzt danach voraus: Eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis muss den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Diese Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese Einwirkung muss schließlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl ua BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 16; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17, RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

20

Die Klägerin hat keine versicherte Tätigkeit verrichtet, war also keine Versicherte und hat deshalb keinen Arbeitsunfall erlitten, als sie ihrem Arbeitgeber das Formular für eine Vorausbescheinigung von Arbeitsentgelt für den Rentenversicherungsträger brachte und dabei auf einer Treppe im Betriebsbereich stürzte. Versicherter ist jemand nur, wenn, solange und soweit er den Tatbestand einer (in der freiwilligen Versicherung nach § 6 Abs 1 SGB VII nur kraft Antrags iS des Abs 2 aaO) versicherten Tätigkeit durch eigene Verrichtungen erfüllt.

21

Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist. Diese auch als "Handlungstendenz" bezeichnete subjektive Ausrichtung des objektiven konkreten Handelns des Verletzten ist eine innere Tatsache.

22

Wenn das beobachtbare objektive Verhalten allein noch keine abschließende Subsumtion unter den jeweiligen Tatbestand der versicherten Tätigkeit erlaubt, diese aber auch nicht ausschließt, kann die finale Ausrichtung des Handelns auf die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, soweit die Intention objektiviert ist (sog objektivierte Handlungstendenz), die Subsumtion tragen. Die bloße Absicht einer Tatbestandserfüllung (erst recht nicht eine niedrigere Vorsatzstufe) reicht hingegen nicht.

23

Zwar liegt die objektive Grundvoraussetzung der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit, das von außen beobachtbare Handeln an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, mit dem Begehen der Treppe vor. Dieses sehr unspezifische Verhalten lässt aber aus sich heraus keinen Schluss auf die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes einer versicherten Tätigkeit zu. Jedoch steht es in natürlicher Handlungseinheit mit der Überbringung des Formulars, dessen Ausfüllung als Vorausbescheinigung die Klägerin von ihrem Arbeitgeber beanspruchte. Daher kommt, wie die Vorinstanzen zutreffend angesprochen haben, als einziger Tatbestand einer versicherten Tätigkeit der der Beschäftigtenversicherung, also die Tätigkeit als "Beschäftigte" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII in Betracht.

24

Die Klägerin hat die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind "Beschäftigte" versichert.

25

Das Gesetz stellt für die Versicherteneigenschaft nicht abstrakt auf einen rechtlichen "Status" als "Beschäftigter" ab. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind Rechte auf Versicherungsleistungen nach den §§ 26 ff SGB VII bei Arbeitsunfällen iS des § 8 Abs 1 S 1 SGB VII nur wegen solcher Unfälle vorgesehen, die infolge "einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" entstanden sind. Die Tatbestände der versicherten Tätigkeiten sind jeweils gesondert materiell gesetzlich bestimmt und begründen eigenständige "Sparten" der gesetzlichen Unfallversicherung mit eigenen Schutzbereichen. Nur wenn, solange und soweit jemand den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit durch eine eigene Verrichtung erfüllt, ist er gegen Unfälle (§ 8 Abs 1 S 2 SGB VII) versichert, die rechtlich wesentlich durch diese Verrichtung verursacht werden.

26

Deswegen reicht die Fiktion einer Beschäftigung für Personen nach § 7 Abs 1a SGB IV, die wegen Altersteilzeit von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt sind, zur Begründung der Versicherteneigenschaft nicht aus. § 7 Abs 1 und 1a SGB IV lassen die unfallversicherungsrechtliche Bedeutung des Rechtsbegriffs "Beschäftigte" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII unberührt, soweit sie davon abweichen(§ 1 Abs 3 SGB IV). Erforderlich ist auch bei solchen Freigestellten stets die tatsächliche Verrichtung einer Beschäftigung.

27

1. Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als "Beschäftigter" setzt tatbestandlich voraus, dass der Verletzte eine eigene Tätigkeit(vgl auch § 121 Abs 1 SGB VII) in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen (vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse seiner Verrichtung diesem und nicht ihm selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII).

28

Das ist nur der Fall, wenn

-       

seine Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen,

-       

er eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sofern er nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht,

-       

er eigene unternehmensbezogene Rechte aus der Beschäftigung ausübt.

29

a) Für die Verrichtung einer Tätigkeit als Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII kommt es nach dem Wortlaut dieser Vorschrift im Zusammenhang des SGB VII objektiv auf die Eingliederung des Handelns des Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile nur für das Unternehmen des anderen bringen soll. Denn nur unter diesen Voraussetzungen ist nicht der die Tätigkeit Verrichtende selbst Unternehmer im unfallversicherungsrechtlichen Sinne (§ 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII), sondern der andere, der durch sie unmittelbar begünstigt wird. Der "Beschäftigte" verrichtet seine Beschäftigung also nur, wenn er Handlungen in Unterordnung zur selbständigen Tätigkeit eines anderen und zu deren unmittelbaren Förderung vornimmt.

30

b) Auch die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII führt zu diesem Ergebnis.

31

Nach den Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch (Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ) vom 7.8.1996 (BGBl I 1254) erfasst § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII die Beschäftigten iS des § 7 Abs 1 SGB IV(vgl BT-Drucks 13/2204, S 74 zu § 2 Abs 1 SGB VII). Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S 2).

32

§ 7 Abs 1 SGB IV ist mit Wirkung vom 1.7.1977 durch Gesetz vom 23.12.1976 (BGBl I 3845, 3846) eingeführt worden. Eine entsprechende Vorschrift gab es bis dahin nicht. Der Begriff der Beschäftigung war jedoch Gegenstand einer umfangreichen Rechtsprechung zu allen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, die mit der Begriffsbestimmung zu § 7 SGB IV im Wesentlichen übereinstimmt. Nach § 7 Abs 1 SGB IV liegt eine Beschäftigung zwar immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht; sie kann allerdings auch ohne ein Arbeitsverhältnis gegeben sein (vgl BT-Drucks 7/4122, S 31). Hierin ist eine Konkretisierung und behutsame Weiterentwicklung der in der Rechtsprechung bereits vorher herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze zu sehen (vgl Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand August 2009, K § 7 RdNr 9 unter Hinweis auf BSGE 37, 10, 13; 41, 24, 25; 41, 41, 53; vgl zur Entwicklung des § 7 SGB IV in der Folgezeit: Seewald in Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV RdNr 1, Stand April 2012 sowie Rittweger in BeckOK SGB IV, § 7 RdNr 1, Stand 1.3.2012). Auch Dienstleistungsverhältnisse anderer Art werden erfasst, soweit das Handeln des Dienstverpflichteten sich in das Unternehmen des Dienstberechtigten einfügt und dessen unmittelbarer Förderung dient.

33

Ein Verletzter hat nach den allgemeinen Anhaltspunkten des § 7 Abs 1 SGB VII dann eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII ausgeübt, wenn er sich in ein fremdes Unternehmen (eine fremde Arbeitsorganisation) eingliedert und seine konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Verrichtung, unterordnet(vgl hierzu etwa BSG vom 29.1.1981 - 12 RK 63/79 - BSGE 51, 164, 167 = SozR 2400 § 2 Nr 16 mwN sowie BSG vom 17.3.1992 - 2 RU 22/91 - SozR 3-2200 § 539 Nr 16 S 57). Naturgemäß ist dieses Weisungsrecht besonders bei Diensten höherer Art erheblich eingeschränkt; es genügt für die Unterordnung unter die Tätigkeit des anderen die "funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess" (vgl hierzu schon BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R - BSGE 85, 214, 216 = SozR 3-2200 § 539 Nr 48 S 202 mwN).

34

c) Ferner sind die unfallversicherungsrechtlichen Bedeutungen der Begriffe des "Beschäftigten" und der Verrichtung einer Beschäftigung iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII eigenständig nach dem Zweck dieses Versicherungstatbestandes im Gefüge des SGB VII zu bestimmen.

35

Die Schutzzwecke der Beschäftigtenversicherung und ihre Stellung im Rechtssystem begrenzen den Anwendungsbereich des Versicherungstatbestandes des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gleichfalls auf die oben umschriebenen Voraussetzungen.

36

Zweck der Beschäftigtenversicherung ist vor allem anderen der umfassende Unfallversicherungsschutz aller Beschäftigten vor und bei Gesundheitsschäden (oder Tod) infolge der Verrichtung der Beschäftigung, unabhängig davon, ob ein anderer den Unfall überhaupt mitverursacht und ggf dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat.

37

Die Versicherung zielt primär auf die Verhütung von Gesundheitsschäden und Tod infolge der Gefahren ab, denen die Beschäftigten gerade durch die Verrichtung der Beschäftigung in Eingliederung in den fremdbestimmten Unternehmensbereich ausgesetzt sind (Prävention nach §§ 14 ff SGB VII). Ferner wird ihnen, falls die Prävention versagt, bei Gesundheitsschäden eine umfassende medizinische Rehabilitation sowie berufliche und soziale Teilhabe gesichert. Zudem werden sie gegen die wirtschaftlichen Folgen einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit geschützt. Bei unfallbedingtem Tod sollen auch ihre Familienangehörigen gegen den Unterhaltsverlust abgesichert werden.

38

Daneben soll die Beschäftigtenversicherung auch den sog Betriebsfrieden nach Unfällen infolge der Verrichtung der Beschäftigung schützen, wenn umstritten sein könnte, ob der Unternehmer (oder ein ihm gesetzlich gleichgestellter Dritter) den Gesundheitsschaden oder den Tod mitverursacht und ggf dabei rechtswidrig und fahrlässig oder sogar grob fahrlässig gehandelt hat und dem Verletzten deswegen nach Zivilrecht/Arbeitsrecht haftet. Da die Versicherung dem Verletzten die Schadensfolgen weitgehend ausgleicht, besteht insoweit kein Bedarf für einen Rechtsstreit zwischen dem Verletzten und dem Unternehmer (oder ihm gleichgestellten Dritten), wenn dieser nicht vorsätzlich gehandelt hat. Deshalb entzieht das SGB VII dem Verletzten insoweit seine ggf nach Zivilrecht entstandenen Schadensersatzansprüche (einschließlich der Schmerzensgeldansprüche) gegen den Unternehmer (§§ 104 bis 109 SGB VII).

39

Schließlich bezweckt sie auch eine gerechte Lastenverteilung unter den beitragszahlenden Unternehmern, die durch ihre Umlagebeiträge zu ihrer Berufsgenossenschaft den Versicherungsschutz in der Beschäftigtenversicherung bezahlen. Ein Unternehmer, der den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig mitverursacht hat, haftet dem Unfallversicherungsträger (also mittelbar auch den anderen Unternehmern) auf Ersatz der Ausgaben für Versicherungsleistungen an den Verletzten (§§ 110 bis 113 SGB VII).

40

Die Beschäftigtenversicherung hat also in diesem Sinne und in diesen Grenzen eine möglicherweise gegebene zivilrechtliche Haftung der Unternehmer (oder gleichgestellter Dritter) gegenüber den Beschäftigten aus Gefährdungshaftung, Delikt oder aus der Verletzung von arbeitsrechtlichen Schutz- oder Fürsorgepflichten ersetzt (vgl BSG vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R - BSGE 87, 224 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Gitter/Nunius in Schulin, HS-UV, § 5 RdNr 28, 51, 119; zu §§ 539 Abs 1 Nr 1, 636 ff RVO: BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 26/88 - SozR 2200 § 548 Nr 96; ferner auch BSG vom 26.6.2007 - B 2 U 17/06 R - BSGE 98, 285 = SozR 4-2700 § 105 Nr 2, RdNr 16 ff).

41

Sie bildet jeher den Kern des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl schon § 95 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6.7.1884, RGBl 69; §§ 898 f RVO vom 19.7.1911, RGBl 509; die Vorläufervorschrift in § 636 Abs 1 RVO). Sie versichert im genannten Sinn die Beschäftigten unter weitgehendem Ausschluss ihrer zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche nur gegen solche Gesundheits- und Lebensgefahren, die sich spezifisch daraus ergeben, dass sie Tätigkeiten für einen anderen unter Eingliederung in dessen Tätigkeit und nur zu dessen unmittelbarem Vorteil verrichten.

42

2. Auch die Entwicklung der Rechtsprechung des BSG zu § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und dessen Vorgängervorschriften führt zu dem Ergebnis, dass nur unter den drei oben genannten Voraussetzungen eine Beschäftigung verrichtet wird.

43

a) Nach der Rechtsprechung des BSG wird eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet, wenn der Verletzte zumindest dazu ansetzt, eine ihn gegenüber dem Unternehmer treffende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis tatsächlich zu erfüllen.

44

aa) Dies ist dann der Fall, wenn die Verrichtung eine Hauptpflicht des Beschäftigten erfüllt, weil sie die vertragsgemäß geschuldete Arbeits- oder Dienstleistung ist (vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 18; BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 19; BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - Juris RdNr 26 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11).

45

bb) Der Tatbestand der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird auch erfüllt, wenn die Verrichtung eine Nebenpflicht des Beschäftigten gegenüber dem Unternehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllen soll.

46

Als Nebenpflichten kommen vor allem die Mitwirkungspflichten des Beschäftigten als Gläubiger von Leistungspflichten des Unternehmers (§§ 293 ff BGB) und die Pflichten zur Rücksichtnahme auf dessen Rechte, Rechtsgüter und Interessen in Betracht. Diese seit dem 1.1.2002 in § 241 Abs 2 BGB ausdrücklich normierte Pflicht wurde zuvor aus § 242 BGB hergeleitet(BAG vom 22.1.2009 - 8 AZR 161/08 - Juris RdNr 27, NZA 2009, 608; vgl auch Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, § 611, RdNr 985 f). Arbeitsrechtlich muss jeder Vertragspartner seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen, seine Rechte so ausüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann (vgl BAG vom 16.2.2012 - 6 AZR 553/10 - Juris RdNr 12, zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen; BAG vom 13.8.2009 - 6 AZR 330/08 - Juris RdNr 31 - BAGE 131, 325; BAG vom 19.5.2010 - 5 AZR 162/09 - Juris RdNr 26 - BAGE 134, 296; Müller-Glöge in Münchener Kommentar zum BGB, § 611, RdNr 984, 1074). Gleiches gilt für Beschäftigte und Unternehmer, die nicht durch ein Arbeitsverhältnis, sondern durch ein anderes Beschäftigungsverhältnis miteinander verbunden sind. Auch für den Beschäftigten zählt dazu die sog Treuepflicht, sich im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Unternehmers nicht verletzt werden (vgl dazu BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16).

47

Das BSG hat bisher zumeist nicht zwischen Haupt- oder Nebenpflichten des Beschäftigten unterschieden. Die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII (bzw nach früherem Sprachgebrauch: der innere Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit) wurde als gegeben erachtet, wenn die Verrichtung Teil der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung des Beschäftigten war, bzw dann, wenn der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus seinem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtung handelte(vgl BSG vom 30.6.2009 - B 2 U 22/08 R - Juris RdNr 14 - UV-Recht Aktuell 2009, 1040; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - Juris RdNr 11 - UV-Recht Aktuell 2009, 485; so auch noch einleitend, später aber differenzierend BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 8/06 R - Juris RdNr 12 - UV-Recht Aktuell 2007, 860; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 14; BSG vom 7.12.2004 - B 2 U 47/03 R - Juris RdNr 26 - SozR 4-2700 § 8 Nr 11).

48

Es hat aber seit dem genannten Urteil vom 18.3.2008, insbesondere in seinen Entscheidungen vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - (SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 19) und vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - (Juris RdNr 18 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - SGb 2012, 148 ), ausdrücklich die Erfüllung beider Pflichtenarten aus dem Beschäftigungsverhältnis als Verrichtung einer versicherten Beschäftigung anerkannt (vgl auch BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 21). Es hat schon im Urteil vom 18.3.2008 (B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16 ff) entschieden, dass auch die Erfüllung allein einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis den Tatbestand der versicherten Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zu erfüllen vermag. Den Arbeitnehmer treffe die aus § 241 Abs 2 BGB folgende Nebenpflicht, sich bei der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses so zu verhalten, dass Leben, Körper, Eigentum und sonstige absolute Rechtsgüter des Arbeitgebers nicht verletzt werden. Das Aufstellen eines Warndreiecks sei eine Nebenpflicht eines Beschäftigten, der in Verrichtung der Beschäftigung mit dem Pkw des Unternehmers an einem Verkehrsunfall beteiligt sei. Dadurch würden die Unfallstelle gesichert, der nachfolgende Verkehr gewarnt und damit Folgeschäden vermieden, die sich zu Lasten des Unternehmers auswirken könnten (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 16 ff). Es hat dazu festgestellt, dass der Verletzte durch sein Handeln objektiv seine Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hatte. Daher kam es nicht darauf an, ob er dabei das Rechtsbewusstsein hatte, auch einer Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis nachzukommen, oder ob er in erster Linie sich und andere schützen und seiner allgemeinen Verkehrssicherungspflicht genügen wollte. Das Bewusstsein, dem Unternehmer rechtlich zu der Handlung verpflichtet zu sein, ist weder notwendige subjektive Voraussetzung des Versicherungstatbestandes der Beschäftigung noch einer Verrichtung einer Beschäftigung. Es reicht, wenn die Intention auch darauf gerichtet war, etwas zu tun, das objektiv dem Unternehmer geschuldet war.

49

cc) Eigene Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Unternehmer erfüllt der Verletzte auch, wenn er Mitwirkungshandlungen vornimmt, die ihm zu dem Zweck obliegen (vgl §§ 241 Abs 2, 293 ff BGB), dass der Unternehmer seine ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Beschäftigten treffenden Haupt- oder Nebenpflichten erfüllen kann.

50

Das ist der Fall bei Handlungen des Verletzten zwecks Empfangnahme des Lohnes (BSG vom 1.12.1960 - 5 RKn 69/59 - BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO unter Bezugnahme auf RVA EuM Bd 20, 31; 26, 165; 33, 270) oder zur Geltendmachung von (vermeintlichen) Fehlern bei der Lohnabrechnung (BSG vom 1.12.1960 - 5 RKn 69/59 - BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO) oder zum Abtransport von Deputatholz als Teil der Vergütung (BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 21/98 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 34). In diesen Fällen ist der Beschäftigte zivilrechtlich gehalten, dem Unternehmer zu ermöglichen, seine Hauptpflicht (§ 611 Abs 1 BGB) zu erfüllen, die Vergütung zur rechten Zeit, am rechten Ort, in rechter Weise und in richtiger Höhe zu leisten (vgl BSG vom 4.5.1999 - B 2 U 21/98 R - SozR 3-2200 § 548 Nr 34 ua unter Hinweis auf BSGE 13, 178 = SozR Nr 31 zu § 543 RVO aF; BSGE 41, 207 = SozR 2200 § 548 Nr 16; BSGE 43, 119, 121 = SozR 2200 § 548 Nr 28).

51

Gleiches gilt für eine ggf bestehende Obliegenheit des Beschäftigten, dem Unternehmer die Erfüllung seiner Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen. Solche Nebenpflichten des Beschäftigten können sich aus § 241 Abs 2 BGB, der nicht nur in Arbeitsverhältnissen gilt, ergeben. Voraussetzung ist, dass eine solche Haupt- oder Nebenpflicht des Unternehmers bereits entstanden ist und er sie nur erfüllen kann, wenn der Beschäftigte in bestimmter und ihm zumutbarer Weise mitwirkt. Denn der Beschäftigte und der Unternehmer müssen bei ihrem Zusammenwirken jeweils auf das Wohl und die berechtigten Interessen des anderen Rücksicht nehmen (vgl BAG vom 16.11.2010 - 9 AZR 573/09 - BAGE 136, 156 mwN; vgl zu den Einzelheiten Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl 2012, § 611 BGB RdNr 610 ff).

52

In diesem Sinn hat das BSG die Verrichtung einer Beschäftigung in einer Mitwirkungshandlung gesehen, als ein Beschäftigter den Weg zum Ort seiner bisherigen Tätigkeit zurücklegte, um sich dort seine Arbeitspapiere aushändigen zu lassen. Der Beschäftigte hatte den Unternehmer in gebotener Rücksichtnahme auf die Belange seines bisherigen Arbeitgebers durch die (beabsichtigte) Empfangnahme der Arbeitspapiere von der diesem obliegenden (nachgehenden) Nebenpflicht entlastet, ihm seine Arbeitspapiere - nach erfolglosem ersten Abholversuch - auf seine Rechnung und Gefahr zu übersenden (BSG vom 30.8.1963 - 2 RU 68/60 - BSGE 20, 23, 25 = SozR Nr 43 zu § 543 RVO aF). Die Verrichtung einer Beschäftigung lag auch bei einer Mitwirkungshandlung des Verletzten vor, der vom Arbeitgeber eine Arbeitsbescheinigung abholte, die er auf Verlangen der Ausländerbehörde für seine weitere Aufenthaltserlaubnis und damit für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses benötigte. Er hat vom Arbeitgeber eine Handlung begehrt, die dieser ihm aus dem Arbeitsverhältnis schuldete; das Abholen der Bescheinigung war vertragsgemäße arbeitsrechtliche Nebenpflicht des Beschäftigten (BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - Juris RdNr 11 - SozR 2200 § 548 Nr 78).

53

b) Keine Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII durch Erfüllung einer Nebenpflicht liegt hingegen dann vor, wenn der Verletzte zur Mitwirkungshandlung bei der Pflichtenerfüllung des Unternehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht verpflichtet war. Dasselbe gilt, wenn die Pflicht des Unternehmers nur entstanden ist, weil der Beschäftigte nach freiem Ermessen ein Recht gegen ihn ausgeübt hatte, das nicht auf die Förderung des Unternehmens gerichtet ist und auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die den Unternehmer hoheitlich für den Staat zugunsten von Verwaltungsverfahren in Dienst nimmt. In beiden Fällen erfüllt nämlich der Beschäftigte keine Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis, sondern begibt er sich freiwillig in den unternehmerischen Gefahrenbereich, um daraus unmittelbar nur eigene Vorteile zu erlangen (sog eigenwirtschaftliche Verrichtung).

54

War er zur Mitwirkung nicht verpflichtet, unterlag er dem unternehmerischen Gefahrenbereich nicht kraft des Beschäftigungsverhältnisses, sondern kraft freien Entschlusses, wie zB bei einer Gefälligkeit. Entstand die Pflicht des Unternehmers nicht aus dem Beschäftigungsverhältnis, sondern durch die freiwillige Ausübung eines anderweitig begründeten Rechts des Beschäftigten, ist seine Mitwirkungshandlung an der Durchsetzung seines eigenen Rechts nicht "der Beschäftigung geschuldet", sondern allein der Verfolgung eigener Interessen, also gleichfalls ein freiwilliger Eintritt in den unternehmerischen Gefahrenbereich. Das wird durch die Beschäftigtenversicherung nicht versichert. Denn sie soll nur gegen solche Gefahren begründet werden, denen der Beschäftigte wegen der Ausübung seiner Beschäftigung im fremden Gefahrenbereich, nicht aber aus eigenem Entschluss in Verfolgung nur eigener Belange ausgesetzt ist. Haupt- und Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis sind also nur solche, die das Zusammenwirken des Unternehmers mit dem Beschäftigten zur Förderung der Unternehmenszwecke betreffen. In beiden Fallgruppen fehlt es an der aus der Beschäftigung entstehenden Nebenpflicht des Beschäftigten, in der zweiten außerdem an der Förderung der Unternehmenszwecke.

55

In der arbeitsrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass den Arbeitgeber treffende öffentlich-rechtliche Pflichten (zumeist aus dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht), die an das Arbeitsverhältnis tatbestandlich anknüpfen und durch die der Arbeitgeber hoheitlich für den Staat in Dienst genommen wird, zugleich zivilrechtliche (arbeitsrechtliche) Nebenpflichten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer sind. Sie werden arbeitsrechtlich als Konkretisierungen der privatrechtlichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verstanden (vgl die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen; BAG vom 29.3.2001 - 6 AZR 653/99 - NZA 2003, 105; BAG vom 11.6.2003 - 5 AZB 1/03 - BAGE 106, 269 ; BAG vom 15.1.1992 - 5 AZR 15/91 - BAGE 69, 204, 210 ; BAG vom 13.5.1970 - 5 AZR 385/69 - BAGE 22, 332 ; BAG vom 30.1.1969 - 5 AZR 229/68 - BB 1969, 407 ; BAG vom 2.6.1960 - 2 AZR 168/59 - BB 1960, 983 ; Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Aufl 2011, § 106, RdNr 56 mwN; Ring in Handkommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2010, § 611 BGB, RdNr 658; vgl zum Begriff der Fürsorgepflicht auch Boemke in Handkommentar zum Arbeitsrecht, 2. Aufl 2010, § 611 BGB, RdNr 378 mwN, danach stellt die Fürsorgepflicht selbst keine eigenständige Pflicht, sondern ein Bündel einzelner Nebenpflichten dar und soll nach im Vordringen befindlicher Auffassung sogar ganz fallen gelassen werden).

56

Hierauf ist nicht näher einzugehen, da es für die Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII nicht entscheidend auf die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers oder deren öffentlich-rechtliche "Konkretisierungen" ankommt. Entscheidend ist, ob der Beschäftigte zur Mitwirkung an der Erfüllungshandlung des Arbeitgebers aus dem Beschäftigungsverhältnis verpflichtet war. Falls überhaupt eine Mitwirkungspflicht bestand, ist er nicht "aus dem Beschäftigungsverhältnis" zur Mitwirkung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber seine Handlung nur deshalb vornehmen muss, weil der Beschäftigte ein Recht ohne Bindungen aus dem Beschäftigungsverhältnis im ausschließlich eigenen Interesse ausgeübt hat, das ihm durch öffentliches Recht verliehen wurde.

57

c) Ferner verrichtet der Verletzte eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, wenn er in der vertretbaren, aber objektiv irrigen Annahme handelt, dazu aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses verpflichtet zu sein. Die Annahme dieser Pflicht ist vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht. Die durchgeführte Verrichtung muss objektiviert darauf ausgerichtet sein, die angenommene Pflicht zu erfüllen.

58

Die Einbeziehung dieser Fallgruppe der vermeintlichen Pflichterfüllung durch den Beschäftigten rechtfertigt sich aus dem genannten ersten Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung. Jeder, der etwas in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen zu dessen unmittelbarem Vorteil tut, muss, außer bei völliger Weisungsabhängigkeit, seine Pflichten kennen. Er kann durch die Beschäftigung aber auch in Umstände geraten, in denen er sofort entscheiden muss, ob ihn eine Haupt- oder Nebenpflicht zur Vornahme bestimmter Handlungen trifft. Dies ist ggf Teil seiner Pflichten aus seiner Beschäftigung.

59

In diesem Sinne hat das BSG die Verrichtung einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII bejaht, als ein Versicherter aus gutem Grund der Auffassung sein konnte, sich "betriebsdienlich" zu verhalten(BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14 unter Verweis auf BSGE 20, 215, 218 = SozR Nr 67 zu § 542 RVO aF; BSG SozR Nr 30 zu § 548 RVO; BSGE 52, 57, 59 = SozR 2200 § 555 Nr 5). Daher liegt bei einem "nur" eigenwirtschaftlichen Zwecken dienenden Verhalten, also bei einer Handlung mit der Absicht (dolus directus ersten Grades), nur andere Zwecke zu verfolgen als die Erfüllung des Versicherungstatbestandes der Beschäftigung, auch dann keine Verrichtung einer Beschäftigung vor, wenn das Handeln zugleich dem Unternehmen objektiv nützlich ist (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14 unter Bezugnahme auf BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 26/88 - SozR 2200 § 548 Nr 96; BSG vom 20.1.1987 - 2 RU 15/86 - SozR 2200 § 539 Nr 119). Entscheidend ist nur, ob der Verletzte von seinem Standpunkt aufgrund objektiver Anhaltspunkte der Auffassung sein durfte, seine Verrichtung sei von ihm geschuldet, um den Interessen des Unternehmens zu dienen. Dafür reichen aber subjektive Vorstellungen ohne bestätigende objektive Anhaltspunkte nicht aus.

60

d) Den Tatbestand einer versicherten Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt ein Verletzter schließlich auch dann, wenn er handelt, um eigene unternehmensbezogene Rechte wahrzunehmen. Dabei handelt es sich um die Wahrnehmung von Rechten, die die Regelung innerbetrieblicher Belange zum Gegenstand haben und/oder den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung fördern. Hierzu zählen ua:

die Teilnahme an Betriebsversammlungen (vgl hierzu etwa Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 40; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 179, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 103, Stand Mai 2010),

die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied bei der Ausübung der im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Aufgaben (vgl etwa BSG vom 20.5.1976 - 8 RU 76/75 - BSGE 42, 36, 37 = SozR 2200 § 539 Nr 19 RdNr 18 und BSG vom 20.2.2001 - B 2 U 7/00 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 54; vgl ferner Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 38; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 180, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 102, Stand Mai 2010),

und die Tätigkeiten zur Vorbereitung und Durchführung der zur Bildung der Räte erforderlichen Wahlen (Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 65, Stand Mai 2011; Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII RdNr 59, Stand Dezember 2011; Schmitt, 3. Aufl 2008, § 8 SGB VII RdNr 40; Schwerdtfeger in Lauterbach, § 8 SGB VII RdNr 180, Stand August 2009; Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 103, Stand Mai 2010; vgl hierzu insgesamt zuletzt auch Krasney, SGb 2012, 130).

61

3. Die Klägerin hat vor ihrem Treppensturz keine versicherte Beschäftigung im Sinne der abschließend aufgeführten Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII verrichtet.

62

Nach § 194 Abs 1 S 1 SGB VI(in der bis zum 31.12.2007 geltenden und damit hier maßgeblichen Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21.7.2004 - BGBl I 1791 - erhalten hatte ) haben die Arbeitgeber auf Verlangen des Beschäftigten, der für die Zeit nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eine Altersrente beantragt hat, die Pflicht, das voraussichtliche Arbeitsentgelt bis zu drei Monate im Voraus zu bescheinigen (vgl Finke in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 194 RdNr 1, Stand Juli 1996).

63

Die Klägerin beabsichtigte, von ihrem Arbeitgeber eine sog Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI zu verlangen. Dazu wollte sie ihm das einschlägige Formular vorlegen und hatte sich deshalb auf das Betriebsgelände begeben. Sie hatte also mit der Verrichtung, deren unfallversicherungsrechtliche Bedeutung hier umstritten ist, begonnen.

64

Die Abgabe des Formulars für eine Vorausbescheinigung erfüllt aber weder eine vertragliche Haupt- oder Nebenleistungspflicht der Klägerin aus ihrem Beschäftigungsverhältnis (s sogleich unter a>). Ferner durfte die Klägerin nicht annehmen, sie treffe eine solche Pflicht (dazu unter b>). Schließlich hat sie auch keine unternehmensbezogenen Rechte wahrgenommen (dazu unter c>).

65

a) Die Abgabe des Formulars für die Ausstellung der Vorausbescheinigung iS des § 194 SGB VI ist augenfällig keine sich aus dem Beschäftigungsverhältnis ergebende Hauptpflicht der Klägerin.

66

Sie hat damit auch keine gegenüber dem Unternehmer treffende Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt, sondern, wie die Vorinstanzen richtig gesehen haben, nur eigene Vorteile angestrebt. Mit ihrem Vortrag, sie habe auch abstrakt denkbare mittelbare Schadensersatzansprüche aus verzögerter Betriebsrentenzahlung vom Arbeitgeber abwehren wollen, hat sie keine solche eigene Nebenpflicht dargetan. Sie hat nicht zur Abwendung von Gefahren, die absolut geschützte Rechtsgüter des Unternehmers betrafen, gehandelt, sondern Gefahren bedacht, die allenfalls mittelbar seinen Vermögensinteressen drohten. Nach den Feststellungen des LSG gab es aber keine allgemeine oder spezielle Vermögensfürsorgepflicht der Klägerin für ihren Arbeitgeber. Hierfür sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich.

67

Die beabsichtigte Vorlage des Formulars erfüllte auch keine sie treffende Mitwirkungspflicht, dem Unternehmer dabei Hilfe zu leisten, eine ihm aus dem Beschäftigungsverhältnis ihr gegenüber obliegende Haupt- oder Nebenleistungspflicht zu erfüllen.

68

Die begehrte Ausstellung der Vorausbescheinigung durch den Arbeitgeber ist für die Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht gegenüber der Klägerin - nämlich seiner Pflicht zur Vergütung iS des § 611 Abs 1 BGB - offensichtlich ohne rechtlichen Belang. Eine Mitwirkungspflicht der Klägerin zur Ermöglichung der Hauptleistung des Arbeitgebers bestand somit nicht.

69

Sie hatte zudem keine Mitwirkungspflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis gegenüber ihrem Arbeitgeber, von diesem die Ausstellung einer Vorausbescheinigung zu verlangen und ihm dies dann durch Vorlage des Formulars zu ermöglichen. Aufgrund ihrer Beschäftigung war sie nicht verpflichtet, vom Unternehmer die Vorausbescheinigung zu verlangen, die ausschließlich der Durchsetzung ihres allein gegen den Rentenversicherungsträger gerichteten Rechts auf nahtlose richtige Zahlung der dort beantragten Altersrente diente.

70

Dass der Unternehmer allein aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses, ohne § 194 SGB VI, nicht verpflichtet war, eine Vorausbescheinigung zu erteilen, liegt auf der Hand. Daher bestand allein auf dieser Grundlage keine Mitwirkungspflicht der Klägerin. Notwendige Voraussetzungen der Entstehung dieser Pflicht waren das Bestehen einer gesetzlichen Vorschrift, die dem Beschäftigten das Recht gegen den Arbeitgeber gewährt, nach freiem Willen die Ausstellung der Bescheinigung zu verlangen, und die Ausübung dieses Rechts. Dieses dient allein dem privaten Interesse der Klägerin an richtiger Rentenzahlung durch den Rentenversicherungsträger. Dasselbe gilt daher auch für ihre Mitwirkung an der Ausstellung der Vorausbescheinigung durch den Arbeitgeber, dessen Unternehmen dadurch nicht berührt wird.

71

Entgegen der Ansicht der Klägerin unterscheidet sich ihr Fall grundlegend von dem der Erteilung einer Arbeitsbescheinigung zur Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis, die auch die Fortführung des Beschäftigungsverhältnisses ermöglichte. Der Arbeitnehmer hat, wie oben schon gesagt, vom Arbeitgeber eine Handlung begehrt, die dieser ihm unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis schuldete; das Abholen der Bescheinigung war vertragsgemäße arbeitsrechtliche Nebenpflicht des Beschäftigten (vgl BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 76/84 - SozR 2200 § 548 Nr 78).

72

b) Die Klägerin hat ferner keine objektiv nicht geschuldete Handlung vorgenommen in der vertretbaren, aber irrigen Annahme, damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen. Die Annahme dieser Pflicht ist nur vertretbar, wenn der Beschäftigte nach den besonderen Umständen seiner Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung (ex ante) aufgrund objektiver Anhaltspunkte und nach Treu und Glauben annehmen durfte, ihn treffe eine solche Pflicht (BSG vom 18.3.2008 - B 2 U 12/07 R - SozR 4-2700 § 135 Nr 2 RdNr 14; BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 18/85 - BSGE 59, 291 = SozR 2200 § 539 Nr 115 und BSG vom 27.6.1991 - 2 RU 17/90 - Juris RdNr 15; vgl auch Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 RdNr 34 f, Stand Mai 2010).

73

Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin der Auffassung sein durfte, eine vermeintliche eigene Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen, sind jedoch nicht ersichtlich. Die von ihr angenommene Vermögensbetreuungspflicht für das Vermögen des Arbeitgebers besteht nicht.

74

c) Schließlich hat die Klägerin durch die beabsichtigte Formularabgabe auch kein eigenes unternehmensbezogenes Recht wahrgenommen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Handlung die Regelung innerbetrieblicher Belange zum Gegenstand hatte oder sie den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung förderte. Vielmehr ging es nur um das eigenwirtschaftliche Interesse an der sofort richtigen Altersrente.

75

4. Das Berufungsgericht hat schließlich auch zu Recht darauf hingewiesen, dass eine versicherte Tätigkeit im Sinne einer sog gemischten Tätigkeit nicht vorliegt. Es liegt mit dem Gehen auf der Treppe vor der Abgabe des Formulars für eine Vorausbescheinigung nämlich nur eine einzige Verrichtung vor. Gemischte Tätigkeiten setzen (zumindest) zwei gleichzeitig ausgeübte untrennbare Verrichtungen voraus, von denen (wenigstens) eine den Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt.

76

Das LSG hat schließlich auch richtig erkannt, dass diese einzige Verrichtung auch nicht auf einer gemischten Motivationslage beruhte. Denn es hat schon nicht festgestellt, dass die Klägerin mit dem Weg zur Vorlage des Formulars zusätzlich noch eine andere Intention hatte als diejenige, die Vorausbescheinigung des Arbeitgebers und dadurch sofort die angestrebte Rentenhöhe zu erhalten.

77

5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der bei einem Handballtraining erlittene Unfall der Klägerin ein Arbeitsunfall ist.

2

Die 1981 geborene Klägerin übte eine Vollzeitbeschäftigung aus, neben der sie als Handballspielerin der ersten Damenmannschaft des Sportvereins A. (SVA) in der 2. Bundesliga spielte. Sie war Vereinsmitglied des SVA, zahlte den Mitgliedsbeitrag und nahm am Trainings- und Spielbetrieb teil. Die Klägerin schloss mit dem SVA jeweils jährlich neu einen Vertrag für eine Spielsaison, der der Handball-Bundesliga-Vereinigung Frauen eV angezeigt wurde. Die Klägerin verpflichtete sich darin ua, in der 2. Handball-Bundesliga unentgeltlich für den SVA Handball zu spielen, wobei ihr ein jährlicher Urlaub gemäß den gesetzlichen Bestimmungen eingeräumt wurde, den sie im Einvernehmen mit dem für den Spielbetrieb Verantwortlichen nehmen konnte.

3

Der beigeladene Handball-Sportmanagement-A. (HSA) betrieb das Management der ersten Damenhandballmannschaft des SVA. Die Klägerin war nicht Mitglied des HSA. Sie schloss mit dem HSA ebenfalls einen Vertrag, der sich jeweils um ein Jahr verlängerte. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin ua, ihre sportliche Leistungsfähigkeit für den HSA einzusetzen, alles zu tun, die Leistungsfähigkeit zu erhalten und zu steigern und am Training und allen Vereinsspielen und Lehrgängen des SVA teilzunehmen. Weiterhin verpflichtete sich die Klägerin gegenüber dem beigeladenen HSA, im Falle einer durch den Handballsport eingetretenen Erkrankung oder Verletzung, sich bei einem vom Beigeladenen zu benennenden Arzt unverzüglich vorzustellen sowie sich den angeordneten sportmedizinischen und sporttherapeutischen Maßnahmen zu unterziehen und an Reisen im In- und Ausland teilzunehmen, für die der Beigeladene auch das zu benutzende Verkehrsmittel bestimmte. Schließlich hatte sie an Veranstaltungen des Beigeladenen zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit mitzuwirken, bei denen sie die von dem Beigeladenen gestellte Kleidung tragen musste. Anderweitige Werbung war der Klägerin untersagt. Sie übertrug dem Beigeladenen vielmehr die Verwertung ihrer im Zusammenhang mit der Ausübung des Handballsports stehenden Persönlichkeitsrechte und hatte jederzeit ihr Autogramm für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit zu leisten bzw verarbeiten zu lassen. Die aus Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung erzielten Erlöse standen ausschließlich dem Beigeladenen zu. Der Beigeladene verpflichtete sich, der Klägerin eine Aufwandsentschädigung, insbesondere Fahrtkostenersatz, in Höhe von jährlich maximal 7950 Euro zu zahlen. Die Klägerin erhielt für Fahrtkosten vom Beigeladenen 0,30 Euro je km.

4

Das Handballtraining fand dreimal wöchentlich von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr statt. Im Mannschaftstraining am 29.1.2009 wurde die Klägerin vom Ellenbogen einer Mitspielerin im Gesicht getroffen, wodurch sie eine Verletzung am linken Schneidezahn mit Nervschädigung und Abriss der Wurzel erlitt. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte mit Bescheid vom 25.11.2009 die Anerkennung dieses Ereignisses als Arbeitsunfall und die Erbringung von Leistungen ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.5.2010 zurück. Das SG Reutlingen hat die dagegen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.2.2013 abgewiesen, weil die Klägerin nicht als Beschäftigte oder wie eine Beschäftigte tätig geworden und damit nicht in der Unfallversicherung versichert gewesen sei. Die persönliche Abhängigkeit der Klägerin habe allein auf den mitgliedschaftlichen Verpflichtungen beruht, wie sie jedes Mitglied einer Handballmannschaft typischerweise träfen. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin habe nicht vorgelegen.

5

Das LSG Baden-Württemberg hat auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall festzustellen (Urteil vom 13.12.2013). Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Berufung des Beigeladenen als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe den Unfall während einer versicherten Tätigkeit als Beschäftigte erlitten. Das Handballspielen der Klägerin sei von den Vertragsbeziehungen zum SVA und zum Beigeladenen geprägt gewesen. Die Sparte "Handball" im SVA sei organisatorisch gesondert gegliedert gewesen und habe dem Beigeladenen oblegen, der auch vom SVA auf ihn übertragene merkantile Interessen verfolgt habe. Unfallversicherungsschutz als Beschäftigte setze nicht die Zahlung eines Entgeltes voraus. Auch die Vereinsmitgliedschaft im SVA stehe der Annahme einer Beschäftigung nicht entgegen, weil die Klägerin als Leistungssportlerin in einem Maße in den SVA eingebunden gewesen sei, das deutlich über das von normalen Vereinsmitgliedern geschuldete Verhalten hinausgegangen sei.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 1, § 8 Abs 1 SGB VII und § 7 Abs 1 SGB IV. Die Klägerin sei während des Handballtrainings weder als Beschäftigte noch wie eine Beschäftigte versichert gewesen. Sie habe als Vereinsmitglied des SVA im Rahmen ihres mitgliedschaftlichen Engagements trainiert. Die rechtlichen Beziehungen zu dem beigeladenen HSA stellten keinen Arbeitsvertrag, sondern eine besondere vertraglich-persönliche Bindung einer Hochleistungssportlerin dar, die bis in das Privatleben hinein reiche und sich auf eine lediglich sportliche, dem Arbeitsleben nicht zurechenbare Tätigkeit beziehe. Darüber hinaus bedürfe es im Bereich des Sports für die Annahme einer Beschäftigung generell einer Entgeltzahlung, die hier weder vereinbart noch erfolgt sei.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.12.2013 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Reutlingen vom 18.2.2013 insgesamt zurückzuweisen.

8

Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte verpflichtet, den am 29.1.2009 beim Handballtraining erlittenen Unfall der Klägerin als Arbeitsunfall festzustellen, denn die Klägerin hat einen Arbeitsunfall als Beschäftigte des Beigeladenen erlitten.

11

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4 - 2700 § 2 Nr 21, RdNr 10 mwN, vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4 - 2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4 - 2700 § 8 Nr 46, RdNr 20, vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4 - 2700 § 8 Nr 47 RdNr 12, vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4 - 2700 § 2 Nr 27 RdNr 11, vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4 - 2700 § 8 Nr 52 RdNr 11 und vom 4.12.2014 - B 2 U 10/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 32 vorgesehen, Juris RdNr 11; vgl zuletzt ua BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 - 2700 § 2 Nr 31 vorgesehen, Juris RdNr 11). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

12

Die Verrichtung unmittelbar vor dem Unfallereignis - die Teilnahme am Training der Handballmannschaft - hat den Stoß mit dem Ellenbogen einer Mitspielerin in das Gesicht der Klägerin und damit einen Unfall und dieser hat eine Verletzung des linken Schneidezahns mit Zahnnervschädigung und Wurzelabriss und damit einen Gesundheitserstschaden rechtlich wesentlich verursacht. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar und (subjektiv) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (sog Handlungstendenz - vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 21 f, vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14 und vom 4.12.2014 - B 2 U 14/13 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 30 RdNr 12). Bei ihrer Tätigkeit war die objektivierte Handlungstendenz der Klägerin auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestands als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII gerichtet, denn mit der Teilnahme am Handballtraining am 29.1.2009 erfüllte die Klägerin eine dem Beigeladenen gegenüber bestehende Hauptpflicht aus einem Beschäftigungsverhältnis.

13

Bei Vornahme der Verrichtung des Handballtrainings war die Klägerin nach Überzeugung des Senats jedenfalls als Beschäftigte des Beigeladenen iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert(sogleich unter 1.) Ob darüber hinaus auch ein Beschäftigungsverhältnis mit dem SVA bestand, wovon offenbar das LSG ausging, kann der Senat insoweit offenlassen (hierzu unter 2.).

14

1. Eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigte liegt vor, wenn die Verletzte zur Erfüllung eines von ihr begründeten Rechtsverhältnisses, insbesondere eines Arbeitsverhältnisses, eine eigene Tätigkeit in Eingliederung in das Unternehmen eines anderen(vgl § 7 Abs 1 SGB IV) zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse ihrer Verrichtung diesem und nicht ihr selbst unmittelbar zum Vorteil oder Nachteil gereichen (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Es kommt objektiv auf die Eingliederung des Handelns der Verletzten in das Unternehmen eines anderen und subjektiv auf die zumindest auch darauf gerichtete Willensausrichtung an, dass die eigene Tätigkeit unmittelbare Vorteile für das Unternehmen des anderen bringen soll. Eine Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wird daher ausgeübt, wenn die Verrichtung zumindest dazu ansetzt und darauf gerichtet ist, entweder eine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis zu erfüllen, oder die Verletzte eine objektiv nicht geschuldete Handlung vornimmt, um einer vermeintlichen Pflicht aus dem Rechtsverhältnis nachzugehen, sofern sie nach den besonderen Umständen ihrer Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, sie treffe eine solche Pflicht, oder sie unternehmensbezogene Rechte aus dem Rechtsverhältnis ausübt(vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 27 ff, vom 13.11.2012 - B 2 U 27/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 45 RdNr 23 f und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 13).

15

Das LSG hat die von der Klägerin am 29.1.2009 verrichtete Tätigkeit, nämlich die Teilnahme am Handballtraining ihrer Mannschaft, zutreffend als Verrichtung angesehen, die auf die Erfüllung einer der Klägerin als Beschäftigte iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII obliegenden Pflicht gerichtet war. Diese Pflicht bestand hier gegenüber dem beigeladenen HSA.

16

§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfasst die Beschäftigten iS des § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Eine Beschäftigung liegt daher immer dann vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht. Sie kann aber auch ohne Arbeitsverhältnis gegeben sein, wenn die Verletzte sich in ein fremdes Unternehmen eingliedert und ihre konkrete Handlung sich dem Weisungsrecht eines Unternehmers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Verrichtung unterordnet (vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - BSGE 111, 37 = SozR 4-2700 § 2 Nr 20, RdNr 31 ff). Dabei kommt es auf die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse an. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Entscheidend ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14).

17

Die Einordnung der Rechtsbeziehung der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen als Beschäftigung ergibt sich zunächst aus dem Vertrag vom 12.3.2006, den die Klägerin mit dem HSA geschlossen hat. Den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) lässt sich auch noch hinreichend entnehmen, dass die tatsächlich gelebten Verhältnisse diesem Vertragsinhalt entsprachen. Die Klägerin war danach weder Vereinsmitglied des Beigeladenen noch existierten sonstige Rechtsbeziehungen, die das Handeln der Klägerin als bloße Erfüllung rein mitgliedschaftlicher Pflichten erscheinen ließen (vgl hierzu die Urteile des erkennenden Senats vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 - BSGE 14, 1, 3 f = SozR Nr 1 zu § 798 RVO A a 2, vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16, 98, 101 f = SozR Nr 29 zu § 165 RVO A a 31, vom 17.10.1990 - 2 RU 3/90 - HVBG-INFO 1991, 423, 427, vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 101, vom 24.2.2000 - B 2 U 4/99 R - HVBG-INFO 2000, 1253, 1255, vom 13.8.2002 - B 2 U 29/01 R - HVBG-INFO 2002, 2511, 2516 f, vom 18.3.2003 - B 2 U 25/02 R - HVBG-INFO 2003, 1412, 1419, vom 30.6.2009 - B 2 U 22/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 1040, 1046 und vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 185, 189). Dies könnte sich ggf anders darstellen, wenn die Klägerin ausschließlich Mitglied des Handballvereins SVA gewesen wäre (vgl hierzu unter 2.).

18

Jedenfalls sind keine Anhaltspunkte für eine von dem schriftlichen Vertragsinhalt abweichende Handhabung und damit für mögliche abweichende Regelungen oder für die Unwirksamkeit einzelner oder sämtlicher Vertragsbestimmungen aus dem Verhältnis zum Beigeladenen ersichtlich. Es ist dabei - anders als in dem angefochtenen Urteil des LSG - auch keine Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der der Klägerin gegenüber dem SVA ggf obliegenden vertraglichen und mitgliedschaftlichen Pflichten vorzunehmen, weil der Beigeladene in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins arbeitet und als juristische Person selbstständig rechtsfähig ist (§ 21 BGB).

19

Die Klägerin war nach den vom LSG mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellten (§ 163 SGG) Bestimmungen des Vertrags vom 12.3.2006 in den Betrieb des Beigeladenen eingegliedert und an dessen Weisungen gebunden. So hatte sie sich gegenüber dem Beigeladenen verpflichtet, ihre sportliche Leistungsfähigkeit einzusetzen, zu erhalten und zu steigern, sowie am Training und an den Spielen ihrer Handballmannschaft teilzunehmen, sowie auch anwesend zu sein, wenn ihr Einsatz nicht in Betracht kam. Darüber hinaus hatte sie an Lehrgängen und an Reisen im In- und Ausland teilzunehmen. Diese Unterordnung unter die Erfordernisse des Spielbetriebs wurde ergänzt durch eine Eingliederung in die Öffentlichkeitsarbeit des Beigeladenen. Die Klägerin war zur Mitwirkung bei Veranstaltungen zur Öffentlichkeitsarbeit verpflichtet, bei denen sie von dem Beigeladenen gestellte Kleidung zu tragen hatte. Anderweitige Werbung war ihr untersagt. Sie übertrug dem Beigeladenen die Verwertung ihrer im Zusammenhang mit der Ausübung des Handballsports stehenden Persönlichkeitsrechte und hatte jederzeit ihr Autogramm für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit zu leisten bzw verarbeiten zu lassen. Dass es sich hierbei um eine Eingliederung gerade in das Unternehmen des Beigeladenen handelte, folgt auch daraus, dass Einnahmen aus der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung allein dem Beigeladenen zustanden. Ferner hatte die Klägerin ihren Urlaub grundsätzlich vor der Vorbereitungsphase auf die neue Saison zu nehmen.

20

Bei den einzelnen Tätigkeiten, die eine Eingliederung in den Betrieb des Beigeladenen beinhalten, war die Klägerin auch an die Weisungen des Beigeladenen gebunden. Beim Spielbetrieb hatte sie sich den Weisungen aller vom Beigeladenen dazu eingesetzten Personen, insbesondere des Trainers, unterzuordnen. Selbst wenn - wie die Beklagte meint - dies nur ein Trainer des SVA sein konnte, steht dies der Bindung der Klägerin an Weisungen als Beschäftigte des Beigeladenen nicht entgegen, weil das Weisungsrecht auch auf Dritte delegiert werden kann. Bei Reisen bestimmte der Beigeladene das zu benutzende Verkehrsmittel. Weisungen des Beigeladenen unterlag die Klägerin auch im Falle einer durch die Ausübung des Handballsports eingetretenen Erkrankung oder Verletzung, weil sie verpflichtet war, sich bei einem vom Beigeladenen zu benennenden Arzt unverzüglich vorzustellen sowie sich angeordneten sportmedizinischen und sporttherapeutischen Maßnahmen zu unterziehen. Die Weisungsgebundenheit der Klägerin wird dadurch unterstrichen, dass sie bei Verletzung von Vertragspflichten Vertragsstrafen ausgesetzt war (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16, 98, 101 = SozR Nr 29 zu § 165 RVO A a 31).

21

Die konkrete Ausgestaltung der Pflichten der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen ging damit deutlich über eine allein durch eine Vereinsmitgliedschaft oder durch die Ausübung eines Mannschaftssports begründete Rechtsbeziehung hinaus. Selbst wenn die Klägerin den Handballsport auch aus dem eigenen Bedürfnis zur sportlichen Betätigung und ggf in Erfüllung einer gegenüber dem SVA bestehenden mitgliedschaftlichen Pflicht betrieb und damit auch einen eigenwirtschaftlichen Zweck verfolgte, diente das Handballspiel und Handballtraining jedenfalls wesentlich dem wirtschaftlichen Interesse des Beigeladenen. Dessen Aufgabe war das Management der ersten Damenhandballmannschaft des SVA und damit die Verpflichtung befähigter Spielerinnen und deren Förderung zur Einnahmeerzielung durch attraktive Spiele. An der die Beschäftigung charakterisierenden fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung eines Verhaltens fehlt es erst dann, wenn mit ihm im Wesentlichen - anders als hier - allein eigene Angelegenheiten verfolgt werden (BSG vom 5.7.2005 - B 2 U 22/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 6 = NZS 2006, 375).

22

Offenbleiben kann hier, inwieweit die der Klägerin gezahlten Fahrtkosten in Höhe von maximal 7950 Euro jährlich ein Entgelt für das Handballspielen darstellte. Ob Arbeitnehmern ein Entgelt für ihre Tätigkeit gezahlt wird, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wie auch iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV nicht ausschlaggebend(vgl BSG vom 26.6.1980 - 8a RU 48/79 - SozR 2200 § 539 Nr 68, vom 30.6.2009 - B 2 U 3/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 1008, 1014 und vom 14.11.2013 - B 2 U 15/12 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 27 RdNr 14 - Postzustellerfall). Arbeitsentgelt setzt das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses voraus, begründet ein solches aber nicht. Auch ohne eine aus der Zahlung eines Entgelts folgende wirtschaftliche Abhängigkeit kann eine Beschäftigung vorliegen.

23

Auch im Bereich der sportlichen Betätigung und bei Tätigkeiten in Vereinen ist die Beschäftigung von rein mitgliedschaftlicher bzw sportlicher Betätigung nicht danach abzugrenzen, ob ein Entgelt vereinbart ist und gezahlt wird. Sofern der erkennende Senat im Zusammenhang mit sportlichen Betätigungen innerhalb einer Vereinsmitgliedschaft ausgeführt hat, dass eine von dieser abzugrenzende Beschäftigung iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII typischerweise bei Zahlung eines Arbeitsentgelts anzunehmen ist(vgl BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 25/02 R - HVBG-INFO 2003, 1412, 1418 und vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 185, 190), hat er dabei auf die Entgeltzahlung lediglich als ein Indiz für das Vorliegen einer Beschäftigung abgestellt. Entgegen der Rechtsansicht der Revision existiert hingegen keine rechtliche Vermutung, dass im sportlichen Bereich das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zwingend die Zahlung eines "nennenswerten" Entgelts voraussetzt. Die allgemeinen Kriterien für das Vorliegen einer Beschäftigung, nämlich die über die reine Ausübung eines Mannschaftssports hinausgehende Eingliederung in den Betrieb des Beigeladenen, verbunden mit einer zahlreiche Aspekte der Tätigkeit umfassenden Weisungsgebundenheit, ermöglichen hier bereits hinreichend die Einordnung als Beschäftigung, ohne dass zusätzlich auf eine Entgeltzahlung und eine rechtliche Qualifizierung des Fahrtkostenersatzes abgestellt werden muss.

24

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Klägerin im Unfallzeitpunkt eine versicherte Beschäftigung verrichtet und mit ihrer Teilnahme am Handballtraining eine sich aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem Beigeladenen ergebende Hauptpflicht erfüllt.

25

2. Auf die Einordnung der zum eigentlichen Handballverein SVA bestehenden Rechtsbeziehungen der Klägerin kam es im vorliegenden Fall mithin nicht mehr entscheidend an. Die Revision hat hier zu Recht darauf verwiesen, dass die Klägerin Vereinsmitglied des SVA war und die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Frage, welche Verrichtungen aufgrund einer mitgliedschaftlichen Verpflichtung als Vereinsmitglied vorgenommen werden und mithin gerade keine Beschäftigung darstellen, eher dazu tendiert, von weitgehenden mitgliedschaftlichen Handlungspflichten der Vereinsmitglieder auszugehen (vgl die Urteile vom 31.1.1961 - 2 RU 173/58 - BSGE 14, 1, 3 f = SozR Nr 1 zu § 798 RVO A a 2, vom 20.12.1961 - 3 RK 65/57 - BSGE 16, 98, 101 f = SozR Nr 29 zu § 165 RVO A a 31, vom 17.10.1990 - 2 RU 3/90 - HVBG-INFO 1991, 423, 427, vom 27.1.1994 - 2 RU 17/93 - SozR 3-2200 § 539 Nr 27 S 101, vom 24.2.2000 - B 2 U 4/99 R - HVBG-INFO 2000, 1253, 1255, vom 13.8.2002 - B 2 U 29/01 R - HVBG-INFO 2002, 2511, 2516 f, vom 18.3.2003 - B 2 U 25/02 R - HVBG-INFO 2003, 1412, 1419, vom 30.6.2009 - B 2 U 22/08 R - UV-Recht Aktuell 2009, 1040, 1046 und vom 27.10.2009 - B 2 U 26/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 185, 189). Letztlich kann hier offenbleiben, wie die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem SVA einzuordnen wäre, denn ausschlaggebend ist, dass die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis zum beigeladenen HSA stand, bei dem sie gerade nicht Mitglied war.

26

Der Senat konnte auch die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung eines Arbeitsunfalls bestätigen, denn die Beklagte war für die Feststellung des Arbeitsunfalles zuständig, weil nach § 3 I Nr 9 ihrer Satzung ihr Zuständigkeitsbereich sowohl Sportvereine als auch sonstige Sportunternehmen umfasst, wozu der Beigeladene gehört.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen deren außergerichtliche Kosten zu erstatten, weil deren im Revisionsverfahren gestellte Anträge Erfolg hatten. Zwar sind gemäß § 193 Abs 4 SGG die Aufwendungen der in § 184 Abs 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen, die nicht gemäß § 183 SGG kostenprivilegiert sind, nicht erstattungsfähig. Zu diesem Personenkreis gehört jedoch der HSA als Beigeladener nicht (vgl BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 60/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 5 RdNr 18 und vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - BSGE 107, 267 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 90).

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 11/10 Verkündet am:
4. Mai 2011
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter (nur) die Unterlagen kostenlos zur Verfügung
zu stellen, auf die dieser zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand
des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Dies ist
für ein Softwarepaket zu bejahen, wenn zumindest einzelne Komponenten für die
Tätigkeit des Handelsvertreters unverzichtbar sind, nicht aber für Werbegeschenke
("Give-aways") und andere für die Tätigkeit des Handelsvertreters bloß nützliche oder
seiner Büroausstattung zuzuordnende Artikel.
BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 - VIII ZR 11/10 - OLG Celle
LG Hannover
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin
Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Dezember 2009 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil der 24. Zivilkammer (4. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Hannover vom 3. März 2009 hinsichtlich der Klage zum Nachteil der Beklagten abgeändert worden ist. Die Berufung des Klägers gegen das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen. Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen. Die Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5 zu tragen. Die Kosten der Revisionsinstanz werden gegeneinander aufgehoben. Der Streitwert wird auf 13.244,34 € für die Revisionsinstanz und auf 17.744,34 € für die Berufungsinstanz festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger war von Ende des Jahres 2003 bis zum 31. Oktober 2007 als (Unter-)Handelsvertreter für die Beklagte tätig, die ihrerseits als Handelsvertreterin Finanzdienstleistungen vertreibt. Er macht geltend, dass die Beklagte sein Provisionskonto zu Unrecht mit diversen Kosten und Gebühren belastet habe, und verlangt Auszahlung der einbehaltenen Beträge.
2
Die Beklagte bietet ihren Handelsvertretern kostenpflichtige Schulungsund Fortbildungsmaßnahmen an. Zur Unterstützung ihrer Vermittlungstätigkeit können die Handelsvertreter von der Beklagten ferner verschiedene mit deren Logo versehene Artikel wie Briefpapier, Visitenkarten, Datenerhebungsbögen und Werbegeschenke aller Art gegen Entgelt erwerben. Das gleiche gilt für die von der Beklagten herausgegebene Zeitschrift "F. ", die die Handelsvertreter gegen Entgelt für die von ihnen betreuten Kunden bestellen können. Der Kläger machte von diesen Angeboten Gebrauch. Die dadurch entstandenen Kosten wurden vereinbarungsgemäß seinem Provisionskonto belastet.
3
Aufgrund eines zwischen den Parteien gesondert abgeschlossenen Vertrages ("A. Business Center Nutzungsvertrag Software-Vorteilsangebot") wurde dem Kläger die Nutzung der Vertriebssoftware der Beklagten gegen Zahlung eines gleichfalls seinem Provisionskonto belasteten Entgelts in Höhe von 80 € monatlich ermöglicht.
4
Der Kläger hat Zahlung des von der Beklagten insgesamt einbehaltenen Betrages von 10.564,34 € nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 3.680 € nebst Zinsen stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, soweit sie erstinstanzlich unterlegen sind. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz hilfsweise die Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichen Wertersatzanspruch im Hinblick auf den Wert der dem Kläger überlassenen Software erklärt. Mit der Hilfswiderklage hat die Beklagte Auskunft begehrt, in welchen Fällen der Kläger von seinen Kunden ein Entgelt für die Erstellung der privaten Finanzstrategie erhalten habe. Das Oberlandesgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Rückzahlung von (insgesamt) 7.930,22 € nebst Zinsen verurteilt, die Hilfswiderklage hat es abgewiesen.
5
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter; die Abweisung der Hilfswiderklage nimmt sie hin. Mit der Anschlussrevision wendet sich der Kläger gegen das Berufungsurteil , soweit seine Berufung erfolglos geblieben ist, und verfolgt seinen Klageantrag in voller Höhe weiter.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

I.

7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte wegen unberechtigter Abbuchungen ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Die zu Lasten des Provisionskontos vorgenommenen Abbuchungen seien überwiegend ohne Rechtsgrund erfolgt. Ein Rechtsgrund habe lediglich für die Beträge bestanden, die die Beklagte für die Teilnahme des Klägers an Schulungen und Seminaren abgebucht habe. Das Berufungsgericht teile die Auslegung des § 86a HGB http://www.juris.de/jportal/portal/t/xl3/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/xl3/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/xl3/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - durch das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 11. September 2009 - 19 U 64/09). Die Bestimmung sei Ausprägung der allgemeinen Rechtspflicht des Unternehmers , den Handelsvertreter bei seiner Arbeit zu unterstützen. Der Begriff der Unterlagen sei weit zu fassen. Der Unternehmer müsse grundsätzlich alle produktspezifischen Hilfsmittel aus seiner Sphäre unentgeltlich bereitstellen, auf die der Handelsvertreter objektiv gesehen oder nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zur Ausübung seiner Vermittlungs- und Abschlusstätigkeit und zur Anpreisung der Ware angewiesen sei.
9
Bei den vom Kläger bestellten Werbegeschenken - wie Aufkleber, Kleidung , Süßigkeiten, Spielsachen und andere "Give-aways" mit dem Unternehmenslogo der Beklagten - handele es sich um allgemeine Werbemittel, die als erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a HGB anzusehen seien. Darauf, dass es sich nicht um unverzichtbare Hilfsmittel handele, komme es nicht an. Entscheidend sei, dass der Unternehmer, der seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, diesen bei der Anpreisung der Ware zu unterstützen und ihm die speziell auf die zu vertreibenden Produkte abgestimmten Hilfsmittel bereitzustellen habe.
10
Auch für das Briefpapier mit dem A. -Logo und die entsprechend gestalteten Visitenkarten gelte § 86a Abs. 1 HGB. Es liege im Interesse der Beklagten , dass die für sie tätigen Handelsvertreter nach außen hin bei schriftlichen Erklärungen ein einheitliches Briefpapier verwendeten. Auch der Zusatz auf dem Briefpapier, dass Erklärungen des Handelsvertreters die Beklagte nicht verpflichteten, erfolge in deren Interesse. Bei der gebotenen weiten Auslegung des § 86a HGB habe der Unternehmer die Kosten für Briefpapier und Visitenkarten zu übernehmen, wenn er deren Gestaltung vorgebe. http://www.juris.de/jportal/portal/t/xl3/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/xl3/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 -
11
Entsprechendes gelte für die so genannten Datenerhebungsbögen und die Mandantenordner. Die Beklagte lege nach ihren Geschäftsanweisungen großen Wert darauf, dass eine eingehende Datenerhebung erfolge. Die Datenerhebungsbögen seien Grundlage der Finanzanalyse und deshalb als erforderliche Unterlage im Sinne von § 86a HGB von der Beklagten kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Gegen diese Wertung spreche auch nicht, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, von den Kunden für die Erstellung der Finanzstrategie eine Vergütung zu verlangen. Wenn die Beklagte von ihren Kunden keine gesonderte Vergütung für die Erstellung der Finanzstrategie verlange, sondern etwaige Entgelte den Handelsvertretern belasse, könne durch diese vertragliche Gestaltung nicht die zwingende Regelung des § 86a HGB, wonach Unterlagen kostenfrei zur Verfügung zu stellen seien, umgangen werden. Dies gelte nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nicht von allen Kunden die Erstellung der Finanzstrategie tatsächlich bezahlt werde.
12
Bei der Zeitschrift "F. " handele es sich um eine Werbedrucksache im Sinne des Gesetzes, denn bei einer wertenden Betrachtung des Inhalts der Zeitschrift stehe die Werbung für die Beklagte und ihr Produkt - den Finanzberatungsvertrag - im Vordergrund. Unerheblich für die Einschätzung als Werbemittel sei, dass die Zeitschrift auch käuflich zu erwerben sei. Durch diese Möglichkeit verliere die Zeitschrift nicht den Charakter einer "Werbedrucksache" der Beklagten, denn Werbemittel müssten nicht zwingend kostenlos dem Kunden zur Verfügung gestellt werden.
13
Dem Kläger stehe ferner ein Anspruch auf Auszahlung der von der Beklagten für die überlassene Software einbehaltenen Beträge zu. Der Vertrag über die Nutzung der Software betreffe auch von der Beklagten selbst entwickelte Softwareprodukte, die für die Tätigkeit des Klägers zumindest nützlich gewesen seien. Es handele sich teilweise um speziell auf den Vertrieb der Be- http://www.juris.de/jportal/portal/t/1e0q/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1e0q/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1e0q/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1e0q/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR002190897BJNE009701309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - klagten zugeschnittene Software und somit bei der gebotenen weiten Auslegung des Gesetzes um ein für die Vermittlungstätigkeit erforderliches Arbeitsmittel. Für die Entscheidung sei dabei unbeachtlich, dass nur Teile des Gesamtsoftwarepakets der Vermittlungstätigkeit dienten und deshalb unter § 86a Abs. 1 HGB fielen, während andere Teile allein der vom Kläger selbst zu finanzierenden Büroorganisation zuzurechnen seien. Wenn die Beklagte erforderliche - und damit kostenfreie - Arbeitsmittel zusammen mit nützlichen - und damit möglicherweise vergütungspflichtigen - Arbeitsmitteln in einem Paket zu einem einheitlichen Preis zur Verfügung stelle, sei die Vergütungsvereinbarung für das Gesamtpaket gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam.
14
Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der ihm für seine Teilnahme an Seminaren, Schulungen und Fortbildungskursen entstandenen Kosten. Eine Schulung oder ein Fortbildungsseminar sei keine "Unterlage" im Sinne des § 86a HGB. Es müsse sich um körperliche Gegenstände handeln , was bei Schulungen nicht der Fall sei. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. § 86a HGB finde seinen Sinn darin, dass der Unternehmer, der als Geschäftsherr seinem Produkt näher stehe als der Handelsvertreter, die Hilfsmittel bereitzustellen habe, die speziell auf die vom Handelsvertreter zu vertreibenden Produkte abgestimmt seien. Für Fortbildungen und Schulungen, die in erster Linie in die Sphäre des Handelsvertreters fielen, gelte dies allerdings nicht.
15
Der mit der Hilfsaufrechnung verfolgte bereicherungsrechtliche Wertersatzanspruch im Hinblick auf die überlassene Software bestehe nicht, denn es sei der Beklagten angesichts der Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung gemäß § 86a HGB verwehrt, für eventuell vergütungspflichtige Anteile des Pakets bereicherungsrechtliche Ansprüche geltend zu machen.

II.

16
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
17
A. Revision der Beklagten
18
Die Revision ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Zurückweisung ihrer Berufung gegen das Urteil des Landgerichts und mithin gegen die Verurteilung zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 3.680 € nebst Zinsen wegen unberechtigter Abbuchungen für die Nutzung der A. - Software wendet. Die Revision hat hingegen Erfolg, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht der Klage auf die Berufung des Klägers in weitergehendem Umfang als das Landgericht stattgegeben hat. Denn eine Verpflichtung zur kostenlosen Überlassung gemäß § 86a Abs. 1 HGB traf die Beklagte lediglich hinsichtlich der Vertriebssoftware; die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen wegen der vom Kläger bestellten Büroartikel und Werbemittel sind hingegen zu Recht erfolgt.
19
1. § 86a Abs. 1 HGB verpflichtet den Unternehmer, dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen zur Verfügung zu stellen. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Nach allgemeiner Meinung sind die Unterlagen im Sinne des § 86a HGB kostenlos zu überlassen (Emde in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 86a Rn. 74; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts , 3. Aufl., Rn. 611; Thume, BB 1995, 1913, 1914 f.; OLG Köln, RuS 2009, 87; OLG München, OLGR 2002, 82; OLG Saarbrücken, OLGR 1997, 5, 7). Aus dem Leitbild des Handelsvertreters als selbständiger Vermittler von Geschäften folgt, dass er sich einerseits nicht an den Kosten des Unternehmers beteiligen muss, andererseits jedoch das alleinige Risiko der von ihm entfalteten Absatzbemühungen trägt. Durch eine Beteiligung an Kosten des Unternehmers für Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB wäre der Handelsvertreter indes verpflichtet, auch im Falle erfolgloser Absatzbemühungen für die überlassenen Unterlagen ein Entgelt an den Unternehmer zu zahlen und so letztlich einen Teil des unternehmerischen Risikos des Prinzipals zu tragen (vgl. OLG Saarbrücken , aaO; OLG Hamm, NJW-RR 1990, 567, 569 f.). Dies wäre mit der Risikoverteilung im Handelsvertreterverhältnis unvereinbar.
20
2. Der Begriff der Unterlagen ist nach allgemeiner Auffassung weit zu verstehen, denn die im Gesetz vorgenommene Aufzählung von Mustern, Zeichnungen , Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen ist nur beispielhaft und nicht abschließend (Thume in Röhricht/v. Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 86a Rn. 3; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 86a Rn. 4; Emde, aaO Rn. 69; OLG Köln, Urteil vom 11. September 2009 - 19 U 64/09, juris Rn. 6). Von dem Begriff der Unterlagen wird alles erfasst, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit - insbesondere zur Anpreisung der Waren bei dem Kunden - dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt (Emde, aaO; Küstner/Thume, aaO Rn. 608; Oetker/Busche, HGB, 2009, § 86a Rn. 5).
21
3. Umstritten ist hingegen die Frage, unter welchen Voraussetzungen Unterlagen für die Tätigkeit des Handelsvertreters im Sinne des § 86a Abs. 1 HBG "erforderlich" sind.
22
a) Nach einer verbreiteten Meinung, der auch das Berufungsgericht folgt, werden von der Überlassungspflicht nicht nur unverzichtbare Hilfsmittel erfasst. Erforderlich im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB seien darüber hinaus auch die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter aus seiner Sicht mit guten Gründen für den Erfolg seiner Tätigkeit für notwendig halte; insbesondere müssten umfassendes Werbematerial und die die konkrete Vertriebstätigkeit im Einzelfall betreffende Software kostenlos zur Verfügung gestellt werden (OLG Köln, Urteil vom 11. September 2009 - 19 U 64/09, aaO; Löwisch in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 86a Rn. 16; Emde, aaO Rn. 69 f.). Teilweise werden auch Kundenzeitschriften und produktunspezifische Werbemittel wie Aufkleber und mit dem Logo des Unternehmers versehene Kleidung als gemäß § 86a Abs. 1 HGB "erforderliche" und deshalb kostenlos zu überlassende Unterlagen eingeordnet (Emde, aaO Rn. 70; OLG Köln, Urteile vom 30. November 2007 - 19 U 84/07, juris Rn. 4 ff., sowie vom 11. September 2009 - 19 U 64/09, aaO Rn. 8).
23
b) Die Gegenmeinung befürwortet eine restriktive Auslegung und verlangt , dass die Unterlagen für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich sein müssen (LG Bonn, Urteil vom 19. Mai 2009 - 10 O 483/08, juris; Thelen, VersR 2009, 1025, 1030 f.; Roth, BB 2010, 2000, 2003).
24
c) Der zuletzt genannten Auffassung gebührt der Vorzug. Schon der Wortlaut des § 86a Abs. 1 HGB ("erforderliche" Unterlagen) spricht dafür, dass der Handelsvertreter nur solche Unterlagen kostenlos beanspruchen kann, auf die er zur Vermittlung oder zum Abschluss der den Gegenstand des Handelsvertretervertrages bildenden Verträge angewiesen ist. Auch die in der Vorschrift aufgeführten Beispiele stützen eine solche Auslegung, denn es handelt sich jeweils um Unterlagen, die einen sehr engen Bezug zu dem vertriebenen Produkt haben und ohne die eine erfolgreiche Vermittlung schlechthin nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere für Preislisten und Geschäftsbedingungen, ohne die der Handelsvertreter die Vermittlung oder den Abschluss eines Vertrages unter Einhaltung der vom Unternehmer vorgegebenen Konditionen nicht leisten kann. Die übrigen beispielhaft erwähnten Unterlagen, nämlich Muster, Zeichnungen und Werbedrucksachen sind - je nach Branche - erforderlich, damit der Handelsvertreter den künftigen Kunden das Produkt, das er nach dem Handelsvertretervertrag zu vertreiben hat, überhaupt vorstellen kann. Ohne derartige Unterlagen , die nur der Unternehmer zur Verfügung stellen kann, ist eine Vermittlung oder der Abschluss von Verträgen praktisch ausgeschlossen.
25
Auch die Stellung des Handelsvertreters als selbständiger Unternehmer legt eine enge Auslegung nahe. Die eigentliche Vertriebstätigkeit, also die von ihm zu entfaltenden Bemühungen zur Herbeiführung der Vertragsschlüsse, auf die der Handelsvertretervertrag gerichtet ist, obliegt ihm als selbständigem Unternehmer. Ihn trifft insoweit das handelsvertretertypische Risiko, dass sich die von ihm dafür getätigten Aufwendungen und sein Einsatz nur bei erfolgreicher Vermittlung von Verträgen rentieren, weil er sonst keine Einnahmen erzielt. Nach § 87d HGB trägt der Handelsvertreter deshalb - soweit nicht ein Aufwendungsersatz durch den Prinzipal handelsüblich ist - die in seinem regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstehenden Aufwendungen selbst. Hierzu gehören die eigene Büroausstattung und alle sonstigen Kosten des eigenen Betriebs und der Repräsentation gegenüber den Kunden (Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 87d Rn. 4). Zu den gemäß § 86a Abs. 1 HGB (kostenlos) vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können.
26
4. Nach den vorstehend dargelegten Maßstäben handelt es sich bei den vom Kläger bestellten Artikeln (mit Ausnahme des Softwarepakets) entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB, so dass die Beklagte das Provisionskonto des Klägers insoweit zu Recht belastet hat.
27
a) Dies gilt zunächst für die der Büroausstattung des Klägers zuzuordnenden Unterlagen wie Briefpapier, Visitenkarten und Erhebungsbögen, auch wenn diese Artikel mit dem Logo der Beklagten versehen sind. Mit dem einheitlichen Logo mag ein Werbeeffekt für die Beklagte und ihr System der Finanzberatung verbunden sein, der in erster Linie der Beklagten, mittelbar aber auch dem Kläger zu Gute kommen dürfte. Das einheitliche Logo macht die Artikel aber entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung noch nicht zu "produktspezifischen Hilfsmitteln" und nimmt ihnen auch nicht den Charakter als Büroausstattung (vgl. Evers, VW 2010, 137). Angesichts dessen rechtfertigt auch der Umstand, dass die Beklagte in ihren Geschäftsanweisungen großen Wert auf die Erhebung der zur Beurteilung der Vermögenssituation erforderlichen Daten legte, weil diese für eine von der Beklagten versprochene "Finanzoptimierung" unerlässliche Grundlage war, keine andere Beurteilung.
28
b) Auch bei den Werbeartikeln ("Give-aways") und den Mandantenordnern , die der Kläger von der Beklagten bezogen hat, handelt es sich, anders als bei den in § 86a HGB genannten (produktbeschreibenden) Werbedrucksachen, nicht um für die Vermittlungstätigkeit notwendige Unterlagen. Derartige Aufmerksamkeiten dienen der allgemeinen Kundenpflege und sollen dazu beitragen , ein Klima zu schaffen und aufrechtzuerhalten, das Geschäftsabschlüsse erleichtert. Solche "Kundengeschenke" gehören ähnlich wie Bewirtungskosten und Repräsentationsaufwand zum Geschäftsaufwand des Handelsvertreters.
29
c) Auch die Zeitschrift "F. " dient der allgemeinen Kundenpflege und soll allgemein das Interesse der Kunden an den Beratungsleistungen der Beklagten und den Produkten der Partnergesellschaften wecken. Ein unmittelbarer Bezug zu den Produkten der Partnergesellschaften ist nicht vorhanden; die Kundenzeitschrift kann daher nicht mit einer Produktbroschüre verglichen werden, auf die der Handelsvertreter zur Vermittlung von Verträgen gegebenenfalls angewiesen ist.
30
5. Dagegen ist dem Berufungsgericht im Ergebnis darin beizupflichten, dass die Beklagte die A. -Business-Software kostenlos zur Verfügung zu stellen hatte. Die gegenteilige Vergütungsvereinbarung ist gemäß § 86a Abs. 3 HGB unwirksam. Auch die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass es sich bei dem Softwarepaket jedenfalls bezüglich eines Teils der darin enthaltenen Softwarekomponenten um eine für die Tätigkeit des Klägers als ihres (Unter-) Handelsvertreters unverzichtbare Unterlage handelt. Da die Beklagte die unverzichtbare Vertriebssoftware dem Kläger gemäß § 86a Abs. 1 HGB kostenlos zur Verfügung zu stellen hatte, ist die für das A. -Business-Paket getroffene Vergütungsvereinbarung unwirksam. Entgegen der Auffassung der Revision kann die Vergütungsvereinbarung auch nicht teilweise aufrechterhalten werden. Zwar bezieht sich der Nutzungsvertrag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch auf Softwarekomponenten, die der vom Kläger grundsätzlich selbst zu finanzierenden allgemeinen Büroorganisation zugerechnet werden können. Dies führt aber entgegen der Auffassung der Revision nicht dazu, dass der Kläger zumindest einen Teil des Entgelts für die Nutzung des Softwarepakets schuldet. Denn Vertragsgegenstand war die Nutzung eines zu einem einheitlichen Preis angebotenen, auf die Bedürfnisse des Handelsvertreters abgestimmten Softwarepakets; dabei handelt es sich nach der Verkehrsauffassung um ein einheitliches Produkt.
31
6. Die somit vom Berufungsgericht zu Recht bejahten Ansprüche auf Auszahlung der für die A. -Software einbehaltenen Beträge sind nicht verjährt. Dies gilt auch für die im Jahre 2004 entstandenen Ansprüche, da die Verjährung durch die am 17. Januar 2008 erfolgte Zustellung des noch im Dezember 2007 beantragten Mahnbescheides rechtzeitig gehemmt worden ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO). Entgegen der Ansicht der Revision genügte der Mahnbescheidsantrag den Anforderungen an die Individualisierung des Anspruchs gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
32
Dazu ist es erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 23. Januar 2008 - VIII ZR 46/07, NJW 2008, 1220 Rn. 13; vom 21. Oktober 2008 - XI ZR 466/07, NJW 2009, 56 Rn. 18; vom 10. Juli 2008 - IX ZR 160/07, NJW 2008, 3498 Rn. 7; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 229/09, NJW-RR 2010, 1455 Rn. 11; vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 39 zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB aF mwN). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist dabei nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (BGH, Urteile vom 23. Januar 2008 - VIII ZR 46/07, aaO Rn. 15; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 229/09, aaO; vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, aaO Rn. 11).
33
Diesen Anforderungen genügt hier der Mahnbescheidsantrag, denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils war für die Beklagte durch die vorangegangenen Forderungsschreiben des Klägers, welche die Beklagte zurückgewiesen hat, eindeutig erkennbar, auf welchen Lebenssach- verhalt der Kläger seine Forderungen gründet und aus welchen Einzelforderungen sich der Anspruch zusammensetzt. Einer näheren Aufschlüsselung der Forderungen im Mahnbescheid oder einer Bezugnahme auf das letzte Forderungsschreiben bedurfte es daher nicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, aaO Rn. 12).
34
7. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) wegen der dem Kläger überlassenen Software zu Recht verneint. Rechtsgrund für die dem Kläger eingeräumte Softwarenutzung ist sein aus § 86a HGB folgender Anspruch auf kostenlose Überlassung der speziellen A. -Vertriebssoftware. Da die Beklagte das dem Kläger überlassene, aus verschiedenen Softwarekomponenten bestehende Paket nur einheitlich angeboten hat, kommt eine nachträgliche Aufspaltung in einzelne Komponenten nicht in Betracht. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Beklagte für einzelne Komponenten , soweit sie diese dem Beklagten gesondert angeboten hätte, eine Vergütung hätte verlangen können, weil es sich insoweit um allgemeine und deshalb vom Handelsvertreter selbst zu finanzierende Bürosoftware handelte.
35
B. Anschlussrevision des Klägers
36
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte die Kosten für die vom Kläger in Anspruch genommenen Schulungen von den verdienten Provisionen abziehen durfte, so dass dem Kläger insoweit kein Erstattungsanspruch zusteht. Bei den Schulungen und Seminaren der Beklagten , an denen der Kläger teilgenommen hat, handelt es sich nicht um erforderliche Unterlagen im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB.
37
Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass der Unternehmer Veranstaltungen kostenlos anbieten müsse, wenn sie der Übermittlung von Informationen dienten, die der Handelsvertreter zur Ausübung seiner Tätigkeit benötige, wie beispielsweise Informationen über den Gegenstand des Vertriebsobjekts , den Kundenkreis oder die Lieferbedingungen (Emde, aaO Rn. 70). Inwieweit dem zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung, denn um die Vermittlung derartiger Informationen geht es hier nicht. Gegenstand der von der Anschlussrevision als Beispiel genannten Seminare - etwa zum Erwerb von Lizenzen, ohne die die Handelsvertreter der Beklagten Beratungen für bestimmte Geschäfte (z. B. Immobiliengeschäfte) nicht durchführen dürfen - war nicht die Übermittlung von Produktinformationen, Geschäftsbedingungen oder ähnlichen Nachrichten über die zu vertreibenden Produkte der Partnergesellschaften , sondern die Vermittlung von Fachkenntnissen, die der Handelsvertreter für den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte allgemein benötigt. Eine Verpflichtung des Unternehmers, dem Handelsvertreter den Erwerb derartiger Fachkenntnisse zu finanzieren, lässt sich § 86a Abs. 1 HBG nicht entnehmen. Die von der Anschlussrevision befürwortete analoge Anwendung des § 86a Abs. 1 HGB kommt schon mangels Bestehen einer Regelungslücke nicht in Betracht.

III.

38
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht bezüglich der Klage zum Nachteil der Beklagten entschieden hat; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Klage. Die weitergehende Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind zurückzuweisen. Ball Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 03.03.2009 - 24 O 40/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.12.2009 - 11 U 51/09 -

(1) Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. Das Gleiche gilt, wenn

1.
der Betrieb verlegt wird,
2.
der Gegenstand des Gewerbes gewechselt oder auf Waren oder Leistungen ausgedehnt wird, die bei Gewerbebetrieben der angemeldeten Art nicht geschäftsüblich sind,
2a.
der Name des Gewerbetreibenden geändert wird oder
3.
der Betrieb aufgegeben wird.
Steht die Aufgabe des Betriebes eindeutig fest und ist die Abmeldung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt, kann die Behörde die Abmeldung von Amts wegen vornehmen.

(2) Absatz 1 gilt auch für den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und für den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(3) Wer die Aufstellung von Automaten jeder Art als selbständiges Gewerbe betreibt, muss die Anzeige bei der zuständigen Behörde seiner Hauptniederlassung erstatten. Der Gewerbetreibende ist verpflichtet, zum Zeitpunkt der Aufstellung des Automaten den Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, seine ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift seiner Hauptniederlassung an dem Automaten sichtbar anzubringen. Gewerbetreibende, für die eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, haben außerdem ihre Firma in der in Satz 2 bezeichneten Weise anzubringen. Ist aus der Firma der Familienname des Gewerbetreibenden mit einem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die Anbringung der Firma.

(4) Die Finanzbehörden haben den zuständigen Behörden die nach § 30 der Abgabenordnung geschützten Daten von Unternehmern im Sinne des § 5 des Gewerbesteuergesetzes mitzuteilen, wenn deren Steuerpflicht nach dem Gewerbesteuergesetz erloschen ist; mitzuteilen sind

1.
der Name,
2.
die betriebliche Anschrift,
3.
die Rechtsform,
4.
der amtliche Gemeindeschlüssel,
5.
die Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c der Abgabenordnung und, soweit vorhanden, das Unterscheidungsmerkmal nach § 139c Absatz 5a der Abgabenordnung sowie
6.
der Tag, an dem die Steuerpflicht endete.
Absatz 5 Satz 1 gilt entsprechend.

(5) Die erhobenen Daten dürfen nur für die Überwachung der Gewerbeausübung sowie statistische Erhebungen verarbeitet werden. Der Name, der Name des Geschäfts (Geschäftsbezeichnung), die betriebliche Anschrift und die angezeigte Tätigkeit des Gewerbetreibenden dürfen allgemein zugänglich gemacht werden.

(6) Öffentlichen Stellen, soweit sie nicht als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, soweit

1.
eine regelmäßige Datenübermittlung nach Absatz 8 zulässig ist,
2.
die Kenntnis der Daten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl erforderlich ist oder
3.
der Empfänger die Daten beim Gewerbetreibenden nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erheben könnte oder von einer solchen Datenerhebung nach der Art der Aufgabe, für deren Erfüllung die Kenntnis der Daten erforderlich ist, abgesehen werden muss und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.
Für die Weitergabe von Daten innerhalb der Verwaltungseinheiten, denen die für die Entgegennahme der Anzeige und die Überwachung der Gewerbeausübung zuständigen Behörden angehören, gilt Satz 1 entsprechend.

(7) Öffentlichen Stellen, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen, und nichtöffentlichen Stellen dürfen der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegende Daten übermittelt werden, wenn der Empfänger ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Gewerbetreibenden überwiegt.

(8) Die zuständige Behörde übermittelt, sofern die empfangsberechtigte Stelle auf die regelmäßige Datenübermittlung nicht verzichtet hat, Daten aus der Gewerbeanzeige regelmäßig an

1.
die Industrie- und Handelskammer zur Wahrnehmung der in den §§ 1, 3 und 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern genannten sowie der nach § 1 Abs. 4 desselben Gesetzes übertragenen Aufgaben,
2.
die Handwerkskammer zur Wahrnehmung der in § 91 der Handwerksordnung genannten, insbesondere der ihr durch die §§ 6, 19 und 28 der Handwerksordnung zugewiesenen und sonstiger durch Gesetz übertragener Aufgaben,
3.
die für den Immissionsschutz zuständige Landesbehörde zur Durchführung arbeitsschutzrechtlicher sowie immissionsschutzrechtlicher Vorschriften,
3a.
die für den technischen und sozialen Arbeitsschutz, einschließlich den Entgeltschutz nach dem Heimarbeitsgesetz zuständige Landesbehörde zur Durchführung ihrer Aufgaben,
4.
die nach Landesrecht zuständige Behörde zur Wahrnehmung der Aufgaben, die im Mess- und Eichgesetz und in den auf Grund des Mess- und Eichgesetzes ergangenen Rechtsverordnungen festgelegt sind,
5.
die Bundesagentur für Arbeit zur Wahrnehmung der in § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie der im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz genannten Aufgaben,
6.
die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. ausschließlich zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft für die Erfüllung der ihr durch Gesetz übertragenen Aufgaben,
7.
die Behörden der Zollverwaltung zur Wahrnehmung der ihnen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, nach § 405 Abs. 1 in Verbindung mit § 404 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sowie nach dem Arbeitnehmer-überlassungsgesetz obliegenden Aufgaben,
8.
das Registergericht, soweit es sich um die Abmeldung einer im Handels- und Genossenschaftsregister eingetragenen Haupt- oder Zweigniederlassung handelt, für Maßnahmen zur Herstellung der inhaltlichen Richtigkeit des Handelsregisters gemäß § 388 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder des Genossenschaftsregisters gemäß § 160 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften,
9.
die statistischen Ämter der Länder zur Führung des Statistikregisters nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Statistikregistergesetzes in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 und 2,
10.
die nach Landesrecht zuständigen Behörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-, Futtermittel-, Tabak-, Tiergesundheits- und Tierschutzrecht,
11.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zum Einzug und zur Vollstreckung der einheitlichen Pauschsteuer nach § 40a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes,
12.
die Ausländerbehörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem Aufenthaltsgesetz,
13.
die nach § 22 der Abgabenordnung zuständigen Finanzämter, unbeschadet des § 138 der Abgabenordnung,
14.
die für die Erlaubnisverfahren nach diesem Gesetz zuständigen Behörden.
Die Übermittlung der Daten ist auf das zur Wahrnehmung der in Satz 1 bezeichneten Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Sind die Daten derart verbunden, dass ihre Trennung nach erforderlichen und nicht erforderlichen Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sind auch die Kenntnisnahme, die Weitergabe innerhalb der datenverarbeitenden Stelle und die Übermittlung der Daten, die nicht zur Erfüllung der jeweiligen Aufgaben erforderlich sind, zulässig, soweit nicht schutzwürdige Belange der betroffenen Personen oder Dritter überwiegen. Die nicht erforderlichen Daten unterliegen insoweit einem Verwertungsverbot.

(9) Darüber hinaus sind Übermittlungen der nach den Absätzen 1 bis 4 erhobenen Daten nur zulässig, soweit die Kenntnis der Daten zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist oder eine besondere Rechtsvorschrift dies vorsieht.

(10) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten aus der Gewerbeanzeige ermöglicht, ist nur zulässig, wenn technisch sichergestellt ist, dass

1.
die abrufende Stelle die bei der zuständigen Stelle gespeicherten Daten nicht verändern kann und
2.
ein Abruf durch eine in Absatz 7 genannte Stelle nur möglich ist, wenn die abrufende Stelle entweder den Namen des Gewerbetreibenden oder die betriebliche Anschrift des Gewerbetreibenden angegeben hat; der Abruf von Daten unter Verwendung unvollständiger Abfragedaten oder die Suche mittels einer Ähnlichenfunktion kann zugelassen werden.

(11) Die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das den Abruf von Daten ermöglicht, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, ist nur zulässig, soweit

1.
dies wegen der Häufigkeit oder der Eilbedürftigkeit der Abrufe und unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gewerbetreibenden angemessen ist,
2.
die zum Abruf bereitgehaltenen Daten ihrer Art nach für die Aufgaben oder Geschäftszwecke des Empfängers erforderlich sein können und
3.
technisch sichergestellt ist, dass Daten durch andere als die in Absatz 8 genannten Stellen nur abgerufen werden können, wenn dabei der Verarbeitungszweck, für den der Abruf erfolgt, sowie das Aktenzeichen oder eine andere Bezeichnung des Vorgangs, für den der Abruf erfolgt, angegeben wird.
Die Datenempfänger sowie die Verarbeitungszwecke, für die Abrufe zugelassen werden, sind vom Leiter der Verwaltungseinheit festzulegen. Die zuständige Stelle protokolliert die Abrufe einschließlich der angegebenen Verarbeitungszwecke und Vorgangsbezeichnungen. Die Protokolle müssen die Feststellung der für die einzelnen Abrufe verantwortlichen Personen ermöglichen. Eine mindestens stichprobenweise Protokollauswertung ist durch die speichernde Stelle zu gewährleisten. Die Protokolldaten dürfen nur zur Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verarbeitet werden und sind nach sechs Monaten zu löschen.

(12) Daten, die der Zweckbindung nach Absatz 5 Satz 1 unterliegen, darf der Empfänger nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt werden.

(13) Über die Gewerbeanzeigen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 werden monatliche Erhebungen als Bundesstatistik durchgeführt. Die Statistik nach Satz 1 soll als Informationsgrundlage für die Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Strukturpolitik dienen. Für die Erhebungen besteht Auskunftspflicht. Auskunftspflichtig sind die Anzeigepflichtigen, die die Auskunftspflicht durch Erstattung der Anzeige erfüllen. Die zuständige Behörde übermittelt aus den Gewerbeanzeigen monatlich die Daten als Erhebungs- oder Hilfsmerkmale an die statistischen Ämter der Länder, die zur Führung der Statistik nach Satz 1 erforderlich sind. Die statistischen Ämter der Länder dürfen die Angaben zum eingetragenen Namen des Betriebes mit Rechtsform und zum Namen des Betriebsinhabers für die Bestimmung der Rechtsform bis zum Abschluss der nach § 12 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes vorgesehenen Prüfung auswerten. Ferner dürfen sie nähere Angaben zu der angemeldeten Tätigkeit unmittelbar bei den Auskunftspflichtigen erfragen, soweit die gemeldete Tätigkeit sonst den Wirtschaftszweigen nach Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. EU Nr. L 393 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung nicht zugeordnet werden kann.

(14) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erlässt mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Anzeigepflicht nach Absatz 1, zur Regelung der Datenübermittlung nach Absatz 8 sowie zur Führung der Statistik nach Absatz 13 nähere Vorschriften. Die Rechtsverordnung

1.
bestimmt insbesondere, welche erforderlichen Informationen in den Anzeigen nach Absatz 1 anzugeben sind,
2.
kann die Verwendung von Vordrucken zur Anzeige eines Gewerbes anordnen, die Gestaltung der Vordrucke durch Muster festlegen und Vorgaben treffen, wie und in welcher Anzahl die Vordrucke auszufüllen sind,
3.
kann Rahmenvorgaben für die elektronische Datenverarbeitung und -übermittlung festlegen,
4.
bestimmt, welche Daten zur Aufgabenwahrnehmung der in Absatz 8 Satz 1 bezeichneten Stellen erforderlicherweise zu übermitteln sind, und
5.
bestimmt, welche Daten als Erhebungs- und Hilfsmerkmale für die Statistik nach Absatz 13 Satz 1 an die statistischen Ämter der Länder zu übermitteln sind.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf einen Gründungszuschuss.

2

Der Kläger, dem für die Zeit ab 1.2.2007 Arbeitslosengeld (Alg) mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen bewilligt worden war, teilte der Beklagten im Juni 2007 im Rahmen einer Beratung über die Förderung durch Gründungszuschuss mit, er wolle ein Dönerrestaurant eröffnen und werde deshalb zum 2.7.2007 ein Gewerbe anmelden. Die Beklagte hob daraufhin die Alg-Bewilligung mit Wirkung ab 2.7.2007 auf (Restanspruch 91 Tage). Den am 18.7.2007 in schriftlicher Form eingereichten Antrag des Klägers auf Bewilligung eines Gründungszuschusses, dem ua eine fachkundige Stellungnahme und ein Mietvertrag sowie eine vorläufige Gaststättenerlaubnis beigefügt waren, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe keine Gewerbeanmeldung vorgelegt (Bescheid vom 25.7.2007). Den Widerspruch des Klägers, dem dieser eine Gewerbeanmeldung zum 23.7.2007 beifügte, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, der Kläger habe eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit nicht am 2.7.2007 aufgenommen (Widerspruchsbescheid vom 30.8.2007).

3

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 12.6.2008). Im Berufungsverfahren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) erklärt, er habe sein Geschäft erst am 12.10.2007 eröffnet und beantrage den Gründungszuschuss erst ab diesem Zeitpunkt.

4

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 24.8.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Streitbefangen sei nur noch die Zeit ab 12.10.2007. Es handele sich insoweit nicht um eine Klageänderung, sondern um eine Beschränkung des Klageantrags. Ein Anspruch auf Gründungszuschuss ab 12.10.2007 bestehe nicht, weil der Kläger bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehabt habe und somit die Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht erfülle. Beim Alg genüge nicht das Stammrecht, erforderlich sei vielmehr das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen. In der Literatur werde überwiegend Nahtlosigkeit zwischen Entgeltersatzleistungsanspruch und Existenzgründung gefordert. Jedenfalls dann, wenn der sich selbständig machende Arbeitslose noch einen Alg-Restanspruch von 91 Tagen habe, eine Unterbrechung des Leistungsbezugs von wenigen Wochen in Kauf nehme, die Selbständigkeit in dieser Zeit intensiv vorbereite und sich theoretisch am Tag vor der Geschäftseröffnung erneut arbeitslos melden könne, um für einen Tag Alg zu beziehen, sei der Tatbestand des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III erfüllt. Der Kläger habe jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass er die Zeit zwischen dem Ende des Alg-Bezugs und dem Beginn der Selbständigkeit (2.7.2007 bis 11.10.2007) intensiv mit Vorbereitungshandlungen genutzt habe. Jedenfalls führe eine Gesamtdauer von über zwölf Wochen zur Verneinung der Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III. Zu entscheiden sei, inwieweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug der Entgeltersatzleistung und der Existenzgründung bestehen müsse. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang sei entgegen den Ausführungen des LSG sehr wohl gegeben. Er habe zwar erst am 12.10.2007 mit dem Verkauf von Speisen und Getränken begonnen, sei jedoch schon vorher mit Vorbereitungshandlungen beschäftigt gewesen.

6

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG vom 24.8.2009 und des SG vom 12.6.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 12.10.2007 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht deshalb, weil die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 über einen Antrag auf Bewilligung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 entschieden hat und der Kläger im gerichtlichen Verfahren die Gewährung der Leistung nur noch für die Zeit ab 12.10.2007 verlangt, an der Sachurteilsvoraussetzung des Vorverfahrens (§ 78 SGG). Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass sich das Klagebegehren weiterhin auf die Existenzgründung bezieht, die Gegenstand des bei der Beklagten gestellten Antrags war. Das LSG hat demgemäß in der vorgenommenen Umstellung des Klageantrags keine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG gesehen, sondern eine Beschränkung iS des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG. Auszugehen ist somit davon, dass der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Lebenssachverhalt derselbe ist, aus dem der Kläger nun im gerichtlichen Verfahren seinen Anspruch ableitet (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 99 RdNr 3; Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 99 RdNr 8).

11

2. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht an fehlender oder verspäteter Antragstellung (§§ 323 Abs 1, 324 Abs 1 SGB III). Ein wirksamer Antrag, der nach § 324 Abs 1 Satz 1 SGB III vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu stellen ist, liegt selbst dann vor, wenn dieses Ereignis nicht erst - wie vom LSG angenommen - am 12.10.2007, sondern schon am 2.7.2007, also vor dem 18.7.2007, dem Tag des Eingangs des schriftlichen Antrags, eingetreten sein sollte (zur Frage des Zeitpunkts der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit siehe nachfolgend unter 3.d). Denn nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits anlässlich seiner Vorsprache bei der Beklagten im Juni 2007 sinngemäß die Bewilligung eines Gründungszuschusses mündlich beantragt hat, was ausreichend ist. Denn die §§ 323, 324 SGB III verlangen nicht die Einhaltung einer besonderen Form(vgl BSG SozR 4-4300 § 217 Nr 2 RdNr 12).

12

3. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Leistung eines Gründungszuschusses ab 12.10.2007 zusteht, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten.

13

a) Die einschlägige Rechtsgrundlage ist § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706). Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss (Abs 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (Abs 2 Satz 1 Nr 1) ua einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 Nr 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist (Abs 2 Satz 1 Nr 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (Abs 2 Satz 1 Nr 4).

14

b) Soweit der Gründungszuschuss nach § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III das vorherige Bestehen eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III erfordert, kommt nach den getroffenen Feststellungen nur ein Anspruch des Klägers auf Alg in Betracht. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass mit dem "Anspruch" auf Alg als Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht lediglich ein einmal entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist, sondern dass die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs gegeben sein müssen (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vom Bestehen eines solchen Zahlungsanspruchs ist für die Zeit bis einschließlich 1.7.2007 auszugehen, da dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Alg bewilligt worden ist. Für die Zeit nach dem 1.7.2007 ist jedoch den Feststellungen des LSG zu entnehmen, dass der Kläger jedenfalls mangels Verfügbarkeit (vgl § 119 Abs 1 Nr 3 SGB III in der 2007 geltenden Fassung) keinen Anspruch auf Alg mehr hatte.

15

c) Die sich aus § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III weiter ergebende Voraussetzung des Bestehens eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" erfordert nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats entgegen einer im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Tatsacheninstanzen vertretenen Auffassung nicht etwa Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr ein enger zeitlicher Zusammenhang, der gewahrt ist, wenn zwischen dem Bestehen des Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Zeitraum von nicht mehr als etwa einem Monat liegt (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

d) Entscheidungserheblich ist somit, ob der Kläger innerhalb eines Monats nach der letztmaligen Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg am 1.7.2007 die selbständige Tätigkeit, für die er den Gründungszuschuss begehrt, aufgenommen hat. Ob dies der Fall ist, kann anhand der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

17

Zwar hat das LSG entsprechend der vom Kläger im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärung entscheidend auf den Zeitpunkt der "Geschäftseröffnung" am 12.10.2007 abgestellt und angenommen, dieser Tag sei der "Beginn der Selbständigkeit" und folglich auch die "Aufnahme" iS der einschlägigen Vorschrift. Aus diesen wie auch aus den sonstigen Ausführungen des LSG zum tatsächlichen Verhalten des Klägers in der Zeit ab Antragstellung ergibt sich jedoch keine das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 163 SGG bindende Feststellung, wonach davon auszugehen wäre, der Kläger habe erst am 12.10.2007 die selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III aufgenommen. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist vielmehr nur zu entnehmen, dass der Kläger in der Zeit ab Juli 2007 verschiedene Vorbereitungshandlungen wie Abschluss eines Mietvertrages oder Anmeldung eines Gewerbes vorgenommen hat und dass er dann am 12.10.2007 mit dem eigentlichen Geschäftsbetrieb, nämlich dem Verkauf von Speisen und Getränken, begonnen hat. Diese Feststellungen lassen den genauen Zeitpunkt der "Aufnahme" iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III offen.

18

Das Gesetz umschreibt nicht näher, was unter der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu verstehen ist. Eine ausdrückliche Regelung, aus der zu schließen wäre, dass die Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, also Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden, existiert nicht. Soweit das BSG zu einer früheren Fassung des § 57 SGB III, die ebenfalls die Tatbestandsvoraussetzung der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" enthielt, ausgeführt hat, eine solche Tätigkeit werde mit der erstmaligen Vornahme einer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Handlung mit Außenwirkung aufgenommen(BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11 mit Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.3.1997, L 13 Ar 2633/95), bleibt ebenfalls offen, inwieweit Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung einzubeziehen sind. Aus den weiteren Ausführungen des BSG in der vorgenannten Entscheidung wird jedoch deutlich, dass der genaue Zeitpunkt der "Aufnahme" maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhängt (uU auch von einem formalen Akt der Zulassung, vgl BSG aaO RdNr 11).

19

Eine an den Umständen des Einzelfalles orientierte Betrachtungsweise entspricht auch dem offenen Gesetzeswortlaut und dem Zweck des § 57 SGB III, eine gezielte Förderung zu erreichen und die Nachhaltigkeit von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit zu stärken(vgl BT-Drucks 16/1696 S 31, zu § 57 Abs 2). Da im Übrigen eine Existenzgründung regelmäßig keinen punktuellen Vorgang darstellt (vgl BT-Drucks 14/873 S 3, zu § 57 SGB III idF des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21.7.1999, BGBl I 1648), geht der Senat davon aus, dass eine selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" - also beispielsweise dem Beginn der Warenproduktion, die den Gegenstand des Unternehmens darstellt - aufgenommen worden sein kann. Unter bestimmten Umständen kann eine "Aufnahme" also schon vorliegen, wenn vorbereitende Tätigkeiten durchgeführt werden (so zutreffend Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 39, Stand März 2010; Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, RdNr 63; aA offenbar Stark in NK-SGB III, 3. Aufl, § 57 RdNr 55). Die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung macht es jedoch erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11; Link in Eicher/Schlegel aaO; Winkler, info also 2006, 195, 196) und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl BSG aaO; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.4.2010, L 1 AL 39/09 ZVW).

20

Ausgehend von diesen Maßstäben kann nach dem Stand der bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit durch Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung wie die Anmietung von Geschäftsräumen oder die Gewerbeanmeldung oder die Erwirkung einer Gaststättenerlaubnis bereits im Juli 2007, also in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg, aufgenommen hat. Ob die durchgeführten Maßnahmen allerdings ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftseröffnung ausgerichtet gewesen sind, hängt von den näheren Umständen und insbesondere davon ab, wie der Kläger sein Gesamtkonzept umgesetzt hat. Von Bedeutung ist vor allem, in welcher Weise der Kläger nach der Anmietung der Räume und der Anmeldung des Gewerbes im Juli 2007 sein Existenzgründungsvorhaben in der verbleibenden Zeit bis Oktober 2007 im Einzelnen betrieben hat. Die nötige Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit könnte etwa fehlen, wenn der Kläger im Anschluss an die im Juli vorgenommenen Vorbereitungshandlungen über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben sein sollte. Das LSG wird hierzu die notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

21

e) Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit bereits im Juli 2007 aufgenommen hat, wird das LSG Gelegenheit haben, näher auszuführen, inwieweit die weiteren Voraussetzungen des § 57 SGB III (s oben unter a) erfüllt sind.

22

4. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf einen Gründungszuschuss.

2

Der Kläger, dem für die Zeit ab 1.2.2007 Arbeitslosengeld (Alg) mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen bewilligt worden war, teilte der Beklagten im Juni 2007 im Rahmen einer Beratung über die Förderung durch Gründungszuschuss mit, er wolle ein Dönerrestaurant eröffnen und werde deshalb zum 2.7.2007 ein Gewerbe anmelden. Die Beklagte hob daraufhin die Alg-Bewilligung mit Wirkung ab 2.7.2007 auf (Restanspruch 91 Tage). Den am 18.7.2007 in schriftlicher Form eingereichten Antrag des Klägers auf Bewilligung eines Gründungszuschusses, dem ua eine fachkundige Stellungnahme und ein Mietvertrag sowie eine vorläufige Gaststättenerlaubnis beigefügt waren, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe keine Gewerbeanmeldung vorgelegt (Bescheid vom 25.7.2007). Den Widerspruch des Klägers, dem dieser eine Gewerbeanmeldung zum 23.7.2007 beifügte, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, der Kläger habe eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit nicht am 2.7.2007 aufgenommen (Widerspruchsbescheid vom 30.8.2007).

3

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 12.6.2008). Im Berufungsverfahren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) erklärt, er habe sein Geschäft erst am 12.10.2007 eröffnet und beantrage den Gründungszuschuss erst ab diesem Zeitpunkt.

4

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 24.8.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Streitbefangen sei nur noch die Zeit ab 12.10.2007. Es handele sich insoweit nicht um eine Klageänderung, sondern um eine Beschränkung des Klageantrags. Ein Anspruch auf Gründungszuschuss ab 12.10.2007 bestehe nicht, weil der Kläger bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehabt habe und somit die Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht erfülle. Beim Alg genüge nicht das Stammrecht, erforderlich sei vielmehr das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen. In der Literatur werde überwiegend Nahtlosigkeit zwischen Entgeltersatzleistungsanspruch und Existenzgründung gefordert. Jedenfalls dann, wenn der sich selbständig machende Arbeitslose noch einen Alg-Restanspruch von 91 Tagen habe, eine Unterbrechung des Leistungsbezugs von wenigen Wochen in Kauf nehme, die Selbständigkeit in dieser Zeit intensiv vorbereite und sich theoretisch am Tag vor der Geschäftseröffnung erneut arbeitslos melden könne, um für einen Tag Alg zu beziehen, sei der Tatbestand des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III erfüllt. Der Kläger habe jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass er die Zeit zwischen dem Ende des Alg-Bezugs und dem Beginn der Selbständigkeit (2.7.2007 bis 11.10.2007) intensiv mit Vorbereitungshandlungen genutzt habe. Jedenfalls führe eine Gesamtdauer von über zwölf Wochen zur Verneinung der Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III. Zu entscheiden sei, inwieweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug der Entgeltersatzleistung und der Existenzgründung bestehen müsse. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang sei entgegen den Ausführungen des LSG sehr wohl gegeben. Er habe zwar erst am 12.10.2007 mit dem Verkauf von Speisen und Getränken begonnen, sei jedoch schon vorher mit Vorbereitungshandlungen beschäftigt gewesen.

6

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG vom 24.8.2009 und des SG vom 12.6.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 12.10.2007 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht deshalb, weil die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 über einen Antrag auf Bewilligung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 entschieden hat und der Kläger im gerichtlichen Verfahren die Gewährung der Leistung nur noch für die Zeit ab 12.10.2007 verlangt, an der Sachurteilsvoraussetzung des Vorverfahrens (§ 78 SGG). Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass sich das Klagebegehren weiterhin auf die Existenzgründung bezieht, die Gegenstand des bei der Beklagten gestellten Antrags war. Das LSG hat demgemäß in der vorgenommenen Umstellung des Klageantrags keine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG gesehen, sondern eine Beschränkung iS des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG. Auszugehen ist somit davon, dass der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Lebenssachverhalt derselbe ist, aus dem der Kläger nun im gerichtlichen Verfahren seinen Anspruch ableitet (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 99 RdNr 3; Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 99 RdNr 8).

11

2. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht an fehlender oder verspäteter Antragstellung (§§ 323 Abs 1, 324 Abs 1 SGB III). Ein wirksamer Antrag, der nach § 324 Abs 1 Satz 1 SGB III vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu stellen ist, liegt selbst dann vor, wenn dieses Ereignis nicht erst - wie vom LSG angenommen - am 12.10.2007, sondern schon am 2.7.2007, also vor dem 18.7.2007, dem Tag des Eingangs des schriftlichen Antrags, eingetreten sein sollte (zur Frage des Zeitpunkts der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit siehe nachfolgend unter 3.d). Denn nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits anlässlich seiner Vorsprache bei der Beklagten im Juni 2007 sinngemäß die Bewilligung eines Gründungszuschusses mündlich beantragt hat, was ausreichend ist. Denn die §§ 323, 324 SGB III verlangen nicht die Einhaltung einer besonderen Form(vgl BSG SozR 4-4300 § 217 Nr 2 RdNr 12).

12

3. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Leistung eines Gründungszuschusses ab 12.10.2007 zusteht, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten.

13

a) Die einschlägige Rechtsgrundlage ist § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706). Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss (Abs 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (Abs 2 Satz 1 Nr 1) ua einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 Nr 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist (Abs 2 Satz 1 Nr 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (Abs 2 Satz 1 Nr 4).

14

b) Soweit der Gründungszuschuss nach § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III das vorherige Bestehen eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III erfordert, kommt nach den getroffenen Feststellungen nur ein Anspruch des Klägers auf Alg in Betracht. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass mit dem "Anspruch" auf Alg als Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht lediglich ein einmal entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist, sondern dass die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs gegeben sein müssen (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vom Bestehen eines solchen Zahlungsanspruchs ist für die Zeit bis einschließlich 1.7.2007 auszugehen, da dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Alg bewilligt worden ist. Für die Zeit nach dem 1.7.2007 ist jedoch den Feststellungen des LSG zu entnehmen, dass der Kläger jedenfalls mangels Verfügbarkeit (vgl § 119 Abs 1 Nr 3 SGB III in der 2007 geltenden Fassung) keinen Anspruch auf Alg mehr hatte.

15

c) Die sich aus § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III weiter ergebende Voraussetzung des Bestehens eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" erfordert nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats entgegen einer im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Tatsacheninstanzen vertretenen Auffassung nicht etwa Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr ein enger zeitlicher Zusammenhang, der gewahrt ist, wenn zwischen dem Bestehen des Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Zeitraum von nicht mehr als etwa einem Monat liegt (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

d) Entscheidungserheblich ist somit, ob der Kläger innerhalb eines Monats nach der letztmaligen Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg am 1.7.2007 die selbständige Tätigkeit, für die er den Gründungszuschuss begehrt, aufgenommen hat. Ob dies der Fall ist, kann anhand der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

17

Zwar hat das LSG entsprechend der vom Kläger im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärung entscheidend auf den Zeitpunkt der "Geschäftseröffnung" am 12.10.2007 abgestellt und angenommen, dieser Tag sei der "Beginn der Selbständigkeit" und folglich auch die "Aufnahme" iS der einschlägigen Vorschrift. Aus diesen wie auch aus den sonstigen Ausführungen des LSG zum tatsächlichen Verhalten des Klägers in der Zeit ab Antragstellung ergibt sich jedoch keine das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 163 SGG bindende Feststellung, wonach davon auszugehen wäre, der Kläger habe erst am 12.10.2007 die selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III aufgenommen. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist vielmehr nur zu entnehmen, dass der Kläger in der Zeit ab Juli 2007 verschiedene Vorbereitungshandlungen wie Abschluss eines Mietvertrages oder Anmeldung eines Gewerbes vorgenommen hat und dass er dann am 12.10.2007 mit dem eigentlichen Geschäftsbetrieb, nämlich dem Verkauf von Speisen und Getränken, begonnen hat. Diese Feststellungen lassen den genauen Zeitpunkt der "Aufnahme" iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III offen.

18

Das Gesetz umschreibt nicht näher, was unter der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu verstehen ist. Eine ausdrückliche Regelung, aus der zu schließen wäre, dass die Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, also Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden, existiert nicht. Soweit das BSG zu einer früheren Fassung des § 57 SGB III, die ebenfalls die Tatbestandsvoraussetzung der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" enthielt, ausgeführt hat, eine solche Tätigkeit werde mit der erstmaligen Vornahme einer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Handlung mit Außenwirkung aufgenommen(BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11 mit Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.3.1997, L 13 Ar 2633/95), bleibt ebenfalls offen, inwieweit Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung einzubeziehen sind. Aus den weiteren Ausführungen des BSG in der vorgenannten Entscheidung wird jedoch deutlich, dass der genaue Zeitpunkt der "Aufnahme" maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhängt (uU auch von einem formalen Akt der Zulassung, vgl BSG aaO RdNr 11).

19

Eine an den Umständen des Einzelfalles orientierte Betrachtungsweise entspricht auch dem offenen Gesetzeswortlaut und dem Zweck des § 57 SGB III, eine gezielte Förderung zu erreichen und die Nachhaltigkeit von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit zu stärken(vgl BT-Drucks 16/1696 S 31, zu § 57 Abs 2). Da im Übrigen eine Existenzgründung regelmäßig keinen punktuellen Vorgang darstellt (vgl BT-Drucks 14/873 S 3, zu § 57 SGB III idF des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21.7.1999, BGBl I 1648), geht der Senat davon aus, dass eine selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" - also beispielsweise dem Beginn der Warenproduktion, die den Gegenstand des Unternehmens darstellt - aufgenommen worden sein kann. Unter bestimmten Umständen kann eine "Aufnahme" also schon vorliegen, wenn vorbereitende Tätigkeiten durchgeführt werden (so zutreffend Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 39, Stand März 2010; Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, RdNr 63; aA offenbar Stark in NK-SGB III, 3. Aufl, § 57 RdNr 55). Die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung macht es jedoch erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11; Link in Eicher/Schlegel aaO; Winkler, info also 2006, 195, 196) und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl BSG aaO; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.4.2010, L 1 AL 39/09 ZVW).

20

Ausgehend von diesen Maßstäben kann nach dem Stand der bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit durch Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung wie die Anmietung von Geschäftsräumen oder die Gewerbeanmeldung oder die Erwirkung einer Gaststättenerlaubnis bereits im Juli 2007, also in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg, aufgenommen hat. Ob die durchgeführten Maßnahmen allerdings ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftseröffnung ausgerichtet gewesen sind, hängt von den näheren Umständen und insbesondere davon ab, wie der Kläger sein Gesamtkonzept umgesetzt hat. Von Bedeutung ist vor allem, in welcher Weise der Kläger nach der Anmietung der Räume und der Anmeldung des Gewerbes im Juli 2007 sein Existenzgründungsvorhaben in der verbleibenden Zeit bis Oktober 2007 im Einzelnen betrieben hat. Die nötige Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit könnte etwa fehlen, wenn der Kläger im Anschluss an die im Juli vorgenommenen Vorbereitungshandlungen über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben sein sollte. Das LSG wird hierzu die notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

21

e) Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit bereits im Juli 2007 aufgenommen hat, wird das LSG Gelegenheit haben, näher auszuführen, inwieweit die weiteren Voraussetzungen des § 57 SGB III (s oben unter a) erfüllt sind.

22

4. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Eine Berufsausbildung ist förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seearbeitsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach Teil 2, auch in Verbindung mit Teil 5, des Pflegeberufegesetzes oder dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist.

(2) Förderungsfähig ist die erste Berufsausbildung. Eine zweite Berufsausbildung kann gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Berufsausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird.

(3) Nach der vorzeitigen Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses darf erneut gefördert werden, wenn für die Lösung ein berechtigter Grund bestand.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf einen Gründungszuschuss.

2

Der Kläger, dem für die Zeit ab 1.2.2007 Arbeitslosengeld (Alg) mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen bewilligt worden war, teilte der Beklagten im Juni 2007 im Rahmen einer Beratung über die Förderung durch Gründungszuschuss mit, er wolle ein Dönerrestaurant eröffnen und werde deshalb zum 2.7.2007 ein Gewerbe anmelden. Die Beklagte hob daraufhin die Alg-Bewilligung mit Wirkung ab 2.7.2007 auf (Restanspruch 91 Tage). Den am 18.7.2007 in schriftlicher Form eingereichten Antrag des Klägers auf Bewilligung eines Gründungszuschusses, dem ua eine fachkundige Stellungnahme und ein Mietvertrag sowie eine vorläufige Gaststättenerlaubnis beigefügt waren, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe keine Gewerbeanmeldung vorgelegt (Bescheid vom 25.7.2007). Den Widerspruch des Klägers, dem dieser eine Gewerbeanmeldung zum 23.7.2007 beifügte, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, der Kläger habe eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit nicht am 2.7.2007 aufgenommen (Widerspruchsbescheid vom 30.8.2007).

3

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 12.6.2008). Im Berufungsverfahren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) erklärt, er habe sein Geschäft erst am 12.10.2007 eröffnet und beantrage den Gründungszuschuss erst ab diesem Zeitpunkt.

4

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 24.8.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Streitbefangen sei nur noch die Zeit ab 12.10.2007. Es handele sich insoweit nicht um eine Klageänderung, sondern um eine Beschränkung des Klageantrags. Ein Anspruch auf Gründungszuschuss ab 12.10.2007 bestehe nicht, weil der Kläger bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehabt habe und somit die Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht erfülle. Beim Alg genüge nicht das Stammrecht, erforderlich sei vielmehr das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen. In der Literatur werde überwiegend Nahtlosigkeit zwischen Entgeltersatzleistungsanspruch und Existenzgründung gefordert. Jedenfalls dann, wenn der sich selbständig machende Arbeitslose noch einen Alg-Restanspruch von 91 Tagen habe, eine Unterbrechung des Leistungsbezugs von wenigen Wochen in Kauf nehme, die Selbständigkeit in dieser Zeit intensiv vorbereite und sich theoretisch am Tag vor der Geschäftseröffnung erneut arbeitslos melden könne, um für einen Tag Alg zu beziehen, sei der Tatbestand des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III erfüllt. Der Kläger habe jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass er die Zeit zwischen dem Ende des Alg-Bezugs und dem Beginn der Selbständigkeit (2.7.2007 bis 11.10.2007) intensiv mit Vorbereitungshandlungen genutzt habe. Jedenfalls führe eine Gesamtdauer von über zwölf Wochen zur Verneinung der Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III. Zu entscheiden sei, inwieweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug der Entgeltersatzleistung und der Existenzgründung bestehen müsse. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang sei entgegen den Ausführungen des LSG sehr wohl gegeben. Er habe zwar erst am 12.10.2007 mit dem Verkauf von Speisen und Getränken begonnen, sei jedoch schon vorher mit Vorbereitungshandlungen beschäftigt gewesen.

6

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG vom 24.8.2009 und des SG vom 12.6.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 12.10.2007 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht deshalb, weil die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 über einen Antrag auf Bewilligung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 entschieden hat und der Kläger im gerichtlichen Verfahren die Gewährung der Leistung nur noch für die Zeit ab 12.10.2007 verlangt, an der Sachurteilsvoraussetzung des Vorverfahrens (§ 78 SGG). Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass sich das Klagebegehren weiterhin auf die Existenzgründung bezieht, die Gegenstand des bei der Beklagten gestellten Antrags war. Das LSG hat demgemäß in der vorgenommenen Umstellung des Klageantrags keine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG gesehen, sondern eine Beschränkung iS des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG. Auszugehen ist somit davon, dass der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Lebenssachverhalt derselbe ist, aus dem der Kläger nun im gerichtlichen Verfahren seinen Anspruch ableitet (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 99 RdNr 3; Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 99 RdNr 8).

11

2. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht an fehlender oder verspäteter Antragstellung (§§ 323 Abs 1, 324 Abs 1 SGB III). Ein wirksamer Antrag, der nach § 324 Abs 1 Satz 1 SGB III vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu stellen ist, liegt selbst dann vor, wenn dieses Ereignis nicht erst - wie vom LSG angenommen - am 12.10.2007, sondern schon am 2.7.2007, also vor dem 18.7.2007, dem Tag des Eingangs des schriftlichen Antrags, eingetreten sein sollte (zur Frage des Zeitpunkts der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit siehe nachfolgend unter 3.d). Denn nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits anlässlich seiner Vorsprache bei der Beklagten im Juni 2007 sinngemäß die Bewilligung eines Gründungszuschusses mündlich beantragt hat, was ausreichend ist. Denn die §§ 323, 324 SGB III verlangen nicht die Einhaltung einer besonderen Form(vgl BSG SozR 4-4300 § 217 Nr 2 RdNr 12).

12

3. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Leistung eines Gründungszuschusses ab 12.10.2007 zusteht, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten.

13

a) Die einschlägige Rechtsgrundlage ist § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706). Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss (Abs 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (Abs 2 Satz 1 Nr 1) ua einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 Nr 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist (Abs 2 Satz 1 Nr 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (Abs 2 Satz 1 Nr 4).

14

b) Soweit der Gründungszuschuss nach § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III das vorherige Bestehen eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III erfordert, kommt nach den getroffenen Feststellungen nur ein Anspruch des Klägers auf Alg in Betracht. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass mit dem "Anspruch" auf Alg als Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht lediglich ein einmal entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist, sondern dass die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs gegeben sein müssen (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vom Bestehen eines solchen Zahlungsanspruchs ist für die Zeit bis einschließlich 1.7.2007 auszugehen, da dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Alg bewilligt worden ist. Für die Zeit nach dem 1.7.2007 ist jedoch den Feststellungen des LSG zu entnehmen, dass der Kläger jedenfalls mangels Verfügbarkeit (vgl § 119 Abs 1 Nr 3 SGB III in der 2007 geltenden Fassung) keinen Anspruch auf Alg mehr hatte.

15

c) Die sich aus § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III weiter ergebende Voraussetzung des Bestehens eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" erfordert nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats entgegen einer im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Tatsacheninstanzen vertretenen Auffassung nicht etwa Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr ein enger zeitlicher Zusammenhang, der gewahrt ist, wenn zwischen dem Bestehen des Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Zeitraum von nicht mehr als etwa einem Monat liegt (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

d) Entscheidungserheblich ist somit, ob der Kläger innerhalb eines Monats nach der letztmaligen Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg am 1.7.2007 die selbständige Tätigkeit, für die er den Gründungszuschuss begehrt, aufgenommen hat. Ob dies der Fall ist, kann anhand der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

17

Zwar hat das LSG entsprechend der vom Kläger im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärung entscheidend auf den Zeitpunkt der "Geschäftseröffnung" am 12.10.2007 abgestellt und angenommen, dieser Tag sei der "Beginn der Selbständigkeit" und folglich auch die "Aufnahme" iS der einschlägigen Vorschrift. Aus diesen wie auch aus den sonstigen Ausführungen des LSG zum tatsächlichen Verhalten des Klägers in der Zeit ab Antragstellung ergibt sich jedoch keine das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 163 SGG bindende Feststellung, wonach davon auszugehen wäre, der Kläger habe erst am 12.10.2007 die selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III aufgenommen. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist vielmehr nur zu entnehmen, dass der Kläger in der Zeit ab Juli 2007 verschiedene Vorbereitungshandlungen wie Abschluss eines Mietvertrages oder Anmeldung eines Gewerbes vorgenommen hat und dass er dann am 12.10.2007 mit dem eigentlichen Geschäftsbetrieb, nämlich dem Verkauf von Speisen und Getränken, begonnen hat. Diese Feststellungen lassen den genauen Zeitpunkt der "Aufnahme" iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III offen.

18

Das Gesetz umschreibt nicht näher, was unter der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu verstehen ist. Eine ausdrückliche Regelung, aus der zu schließen wäre, dass die Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, also Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden, existiert nicht. Soweit das BSG zu einer früheren Fassung des § 57 SGB III, die ebenfalls die Tatbestandsvoraussetzung der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" enthielt, ausgeführt hat, eine solche Tätigkeit werde mit der erstmaligen Vornahme einer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Handlung mit Außenwirkung aufgenommen(BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11 mit Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.3.1997, L 13 Ar 2633/95), bleibt ebenfalls offen, inwieweit Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung einzubeziehen sind. Aus den weiteren Ausführungen des BSG in der vorgenannten Entscheidung wird jedoch deutlich, dass der genaue Zeitpunkt der "Aufnahme" maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhängt (uU auch von einem formalen Akt der Zulassung, vgl BSG aaO RdNr 11).

19

Eine an den Umständen des Einzelfalles orientierte Betrachtungsweise entspricht auch dem offenen Gesetzeswortlaut und dem Zweck des § 57 SGB III, eine gezielte Förderung zu erreichen und die Nachhaltigkeit von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit zu stärken(vgl BT-Drucks 16/1696 S 31, zu § 57 Abs 2). Da im Übrigen eine Existenzgründung regelmäßig keinen punktuellen Vorgang darstellt (vgl BT-Drucks 14/873 S 3, zu § 57 SGB III idF des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21.7.1999, BGBl I 1648), geht der Senat davon aus, dass eine selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" - also beispielsweise dem Beginn der Warenproduktion, die den Gegenstand des Unternehmens darstellt - aufgenommen worden sein kann. Unter bestimmten Umständen kann eine "Aufnahme" also schon vorliegen, wenn vorbereitende Tätigkeiten durchgeführt werden (so zutreffend Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 39, Stand März 2010; Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, RdNr 63; aA offenbar Stark in NK-SGB III, 3. Aufl, § 57 RdNr 55). Die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung macht es jedoch erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11; Link in Eicher/Schlegel aaO; Winkler, info also 2006, 195, 196) und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl BSG aaO; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.4.2010, L 1 AL 39/09 ZVW).

20

Ausgehend von diesen Maßstäben kann nach dem Stand der bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit durch Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung wie die Anmietung von Geschäftsräumen oder die Gewerbeanmeldung oder die Erwirkung einer Gaststättenerlaubnis bereits im Juli 2007, also in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg, aufgenommen hat. Ob die durchgeführten Maßnahmen allerdings ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftseröffnung ausgerichtet gewesen sind, hängt von den näheren Umständen und insbesondere davon ab, wie der Kläger sein Gesamtkonzept umgesetzt hat. Von Bedeutung ist vor allem, in welcher Weise der Kläger nach der Anmietung der Räume und der Anmeldung des Gewerbes im Juli 2007 sein Existenzgründungsvorhaben in der verbleibenden Zeit bis Oktober 2007 im Einzelnen betrieben hat. Die nötige Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit könnte etwa fehlen, wenn der Kläger im Anschluss an die im Juli vorgenommenen Vorbereitungshandlungen über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben sein sollte. Das LSG wird hierzu die notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

21

e) Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit bereits im Juli 2007 aufgenommen hat, wird das LSG Gelegenheit haben, näher auszuführen, inwieweit die weiteren Voraussetzungen des § 57 SGB III (s oben unter a) erfüllt sind.

22

4. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 12.10.2006.

2

Der 1964 geborene Kläger war seit 1983 als Dachdecker versicherungspflichtig beschäftigt. Nach betriebsbedingter Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2006 meldete er sich am 27.6.2006 bei der Agentur für Arbeit persönlich arbeitsuchend. Dabei teilte er mit, dass er sich mit einem Kollegen schnellstmöglich selbständig machen wolle. Am 28.9.2006 meldete sich der Kläger sodann mit Wirkung für den 1.10.2006 arbeitslos und beantragte für diesen Tag Arbeitslosengeld (Alg) sowie für die Zeit ab 2.10.2006 einen Gründungszuschuss. In der Folgezeit legte der Kläger einen Lebenslauf sowie einen Businessplan nebst Rentabilitätsvorschau vom 2.10.2006, eine positive Stellungnahme seines Steuerberaters zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 9.10.2006 und eine Gewerbe-Ummeldung zum 12.10.2006 vor. Weil sich der Beginn der selbständigen Tätigkeit nach seinen Angaben auf den 12.10.2006 verschoben hatte, stellte der Kläger am 14.11.2006 einen Kurzantrag auf Weiterzahlung von Alg ab 2.10.2006.

3

Während die Beklagte dem Kläger für den 1.10.2006 Alg bewilligte (Bescheid vom 10.10.2006), lehnte sie die Gewährung von Alg ab 2.10.2006 mangels Verfügbarkeit ab (Bescheid vom 15.11.2006).

4

Den Antrag auf einen Gründungszuschuss lehnte die Beklagte ebenfalls ab, weil der Kläger bis zur Aufnahme der Selbständigkeit keinen Anspruch auf Alg gehabt habe und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, durch Behördengänge habe sich der geplante Beginn der selbständigen Tätigkeit verschoben, wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 27.11.2006, Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006).

5

Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts vom 28.11.2007; Urteil des Landessozialgerichts vom 28.11.2008).

6

Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Gründungszuschuss, weil er nicht bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf das hier als Entgeltersatzleistung allein in Betracht kommende Alg bei Arbeitslosigkeit gehabt habe. Nach § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der seit 1.8.2006 geltenden Fassung müsse ein Entgeltersatzanspruch unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bestehen, wofür das sog Stammrecht genüge, während ein konkreter Auszahlungsanspruch nicht erforderlich sei. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Entgeltersatzanspruch und Existenzgründung - wie nach der früheren Rechtslage - reiche nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut jedoch nicht mehr aus. Da der Kläger nach seinen Angaben die selbständige Tätigkeit erst am 12.10.2006 aufgenommen habe, komme unabhängig von den Gründen der Verzögerung ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss nur in Betracht, falls am 11.10.2006 ein Anspruch auf Alg bestanden hätte. Das sei aber nicht der Fall, weil der Kläger ab 2.10.2006 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zur Verfügung gestanden und sich bis zum 11.10.2006 auch nicht erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe. Durch den Bescheid vom 15.11.2006 sei der Antrag auf Alg ab 2.10.2006 zudem bestandskräftig abgelehnt worden. An der fehlenden Verfügbarkeit und dem Beginn der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit lasse sich auch durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nichts ändern. Unabhängig davon fehle es schon an einem Beratungsfehler.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Nach Sinn und Zweck des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III reiche ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug einer Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit aus. Nur diese Auslegung, der weder der Wortlaut der Vorschrift noch die Gesetzesmotive entgegenstünden, werde dem Ziel der Förderung und der Realität gerecht, weil es sich bei einer Existenzgründung mit den notwendigen Vorbereitungshandlungen um einen komplexen Sachverhalt handele. Einen nahtlosen Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit zu verlangen, entspreche nicht den praktischen Erfordernissen einer Existenzgründung.

8

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts vom 28.11.2008 und des Sozialgerichts vom 28.11.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 12.10.2006 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

12

Ob der Kläger einen Anspruch auf einen Gründungszuschuss hat, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten (hierzu unter 2). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Versagung eines Gründungszuschusses aber jedenfalls nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger für die Zeit vom 2. bis 11.10.2006 keinen Anspruch auf Zahlung von Alg hatte (hierzu unter 1).

13

1. Nach § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss (Abs 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer ua bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a) und bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 Nr 2).

14

a) Bestehen muss zunächst ein "Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch“. Zu diesen Leistungen gehört nach § 116 SGB III(in der seit dem 1.4.2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24.4.2006, BGBl I 926) neben anderen Leistungen (zB Insolvenzgeld) das vom Kläger vor der Existenzgründung bezogene Alg bei Arbeitslosigkeit. Der Begriff "Anspruch" kann bei dieser zuletzt genannten Leistung unterschiedliche Bedeutungen haben und sowohl den Gesamtanspruch aus einer bestimmten Anwartschaft (sog Stammrecht) als auch die daraus resultierenden Einzelansprüche auf Zahlung von Leistungen umfassen (vgl Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III, § 118 RdNr 23 ff, Stand September 2005).

15

Nach § 118 Abs 1 SGB III(in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) haben Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit entsteht dem Grunde nach als Stammrecht im Sinne eines zu einem subjektiven Recht des Arbeitslosen verfestigten Besitzstandes regelmäßig mit dem Vorliegen der drei in § 118 Abs 1 SGB III genannten Voraussetzungen(vgl § 40 Sozialgesetzbuch Erstes Buch; Valgolio in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 1). Der aus dem Stammrecht zu realisierende Einzelanspruch auf Zahlung von Alg ist hingegen durch Leistungsantrag (vgl § 323 Abs 1 SGB III in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) geltend zu machen und davon abhängig, dass für die konkret beanspruchte Zeit die materiellen Voraussetzungen des § 118 Abs 1 SGB III erfüllt sind.

16

Für den Alg-Anspruch als Anspruch auf Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III ist davon auszugehen, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 118 Abs 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist(so wohl Stark in NK-SGB III, 3. Aufl, § 57 RdNr 36 ff; vgl auch Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 54, 56, Stand März 2010). Der erkennende Senat hat bereits zum Überbrückungsgeld nach Maßgabe des § 55a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) darauf hingewiesen, dass allein das Bestehen des Stammrechts auf Alg zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dieser dem Gründungszuschuss vorausgehenden Förderleistung (hierzu unter b) nicht als ausreichend erachtet werden kann(vgl BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 4 S 24). Hieran ist für die neue Leistung des Gründungszuschusses festzuhalten, auch wenn es entgegen der früheren Regelung zum Überbrückungsgeld nicht mehr, auch nicht wahlweise (wie noch in § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III idF des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001, BGBl I 3443) auf den Leistungsbezug ankommt (vgl Stark in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 57 RdNr 36). Abgesehen davon, dass die besondere vierjährige Erlöschensfrist des § 147 Abs 2 SGB III für das Stammrecht auf Alg zu einer unterschiedlichen Behandlung der sonstigen Entgeltersatzleistungsberechtigten beim Zugang zum Gründungszuschuss führen würde, hat diese Leistung den Zweck, den Lebensunterhalt zu sichern und insoweit das infolge der Existenzgründung wegfallende Alg zu kompensieren(vgl BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs 1). Ein "Anspruch" auf Alg iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III in der hier anzuwendenden Fassung liegt also vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind (Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 56, Stand März 2010).

17

Von den materiellen Voraussetzungen ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für das zum 1.10.2006 bewilligte Alg auszugehen. Das ist schon wegen des für beide Beteiligte bindend gewordenen Bewilligungsbescheids vom 10.10.2006 anzunehmen, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beklagte diese Entscheidung später revidiert hat (vgl BSGE 61, 286 = SozR 4100 § 134 Nr 31). Zweifeln daran, ob die Bewilligung rechtmäßig war oder ob der Kläger am 1.10.2006 das für die Arbeitslosigkeit im Sinne des Leistungsrechts ua erforderliche Merkmal der Verfügbarkeit nicht erfüllte, weil er nach seiner damaligen Planung bereits am folgenden Tag eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollte, muss daher an dieser Stelle nicht nachgegangen werden (vgl BSG aaO).

18

b) Die des Weiteren in § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III normierte Voraussetzung eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit“ scheitert entgegen der Annahme der Beklagten nicht daran, dass der Kläger lediglich für den 1.10.2006, nicht aber für die anschließende Zeit vom 2.10. bis 11.10.2006 einen konkreten Zahlungsanspruch auf Alg hatte. Selbst wenn sich die Aufnahme der Tätigkeit (hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) des Klägers als selbständiger Baudienstleister damit vom 2.10. auf den 12.10.2006 verschoben haben sollte, stand die Existenzgründung in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zum Alg-Anspruch. Denn die gesetzliche Regelung verlangt keine Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung der Förderleistung, welche das bis zum 31.7.2006 geregelte Überbrückungsgeld und den zum 1.1.2003 vorübergehend eingeführten Existenzgründungszuschuss (sog Ich-AG, hierzu näher BSGE 101, 224 = SozR 4-4300 § 421l Nr 2) zum 1.8.2006 abgelöst hat.

19

aa) Bis zum 31.7.2006 bestimmte § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III, dass Überbrückungsgeld geleistet wird, wenn der Arbeitnehmer ua in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte. Eine ähnliche Regelung enthielt für den Existenzgründungszuschuss § 421l SGB III, der vom 1.7.2006 an allerdings nur noch auf Altfälle anwendbar war (§ 421l Abs 5 SGB III idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005, BGBl I 3676). Nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III wird dieser Zuschuss geleistet, wenn der Existenzgründer ua in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat.

20

Der Übergang von der Formulierung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" zu der Wendung "bis zur Aufnahme" wird in der Literatur allerdings überwiegend so verstanden, dass die seit 1.8.2006 geltende Rechtslage jede zeitliche Lücke zwischen dem Bestehen eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausschließt (Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Dezember 2009, § 57 RdNr 14; Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 57 RdNr 5; Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 54, Stand März 2010; Winkler in Gagel, SGB III, § 57 RdNr 15, Stand Dezember 2006; wohl ebenfalls für Nahtlosigkeit Götze in GK-SGB III, § 57 RdNr 38, Stand Dezember 2006). Ausgehend von der primär arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung der Förderung von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit (BT-Drucks 16/1696 S 30, zu § 57 Abs 1) gebietet der Wortlaut im historischen Gesamtzusammenhang der Regelung indessen keine Auslegung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III dahingehend, dass ein Gründungszuschuss nur zu gewähren ist, falls der Existenzgründer bis zum letzten Tag vor der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit einen Leistungsanspruch auf Zahlung von Alg hatte(vgl Voelzke in Küttner, Personalbuch 2009, Gründungszuschuss <210> RdNr 17).

21

bb) Die vom Gesetzgeber bei der Einführung des Gründungszuschusses gewählte Formulierung ist nicht neu. Denn bis zum 31.12.1997 bestimmte schon § 55a Abs 1 Satz 1 AFG, dass Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Überbrückungsgeld gewährt werden kann, wenn der Arbeitslose ua "bis zur Aufnahme" dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Bei der Einführung des SGB III wurde diese Regelung ohne wesentliche Änderung übernommen, denn nach § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB III in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 544) konnte Überbrückungsgeld geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer ua "bis zur Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg, Alhi oder Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bezogen hat.

22

Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 55a AFG(BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2 und 4) war aus der Formulierung "bis zur Aufnahme" entgegen dem Standpunkt der damaligen Bundesanstalt für Arbeit bereits im Geltungsbereich des AFG nicht ohne Ausnahme zu schließen, dass sich der Übergang vom Leistungsbezug zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nahtlos vollziehen muss. Eine enge wörtliche Auslegung hat der Senat abgelehnt, weil sie unter Umständen Ergebnisse zur Folge gehabt hätte, die nicht dem Gesetzeszweck entsprechen, durch die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Fortdauer von Arbeitslosigkeit zu verhüten und im Interesse der Versichertengemeinschaft künftige Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Kurzfristige Unterbrechungen des Leistungsbezugs unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit wurden daher jedenfalls unter der Voraussetzung als unschädlich angesehen, dass aus dem erhalten gebliebenen Stammrecht in der Zukunft noch weiterhin Leistungsansprüche realisiert werden könnten, falls die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht stattfände (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 2 S 12). Einen noch ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit hat der Senat bejaht, wenn die Unterbrechung des Leistungsbezugs die Dauer einer Sperrzeit wegen Ablehnung eines Arbeitsangebots nicht überstieg (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr 4).

23

Hieran anschließend wurden durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (2. SGB III-ÄndG) vom 21.7.1999 (BGBl I 1648) in § 57 Abs 2 Nr 1 SGB III mit Wirkung ab 1.8.1999 die Worte "bis zur Aufnahme" durch die Umschreibung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" ersetzt, was bis zum 31.7.2006 beibehalten wurde. Der Gesetzgeber des 2. SGB III-ÄndG verstand diese Änderung des Normtextes nicht als Ausdruck einer sachlichen Neuregelung, sondern nur als "Klarstellung", dass (ua) zwischen dem vorherigen Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit "ein Übergangszeitraum (etwa ein Monat)" liegen dürfe. Zur Begründung dafür hieß es, eine als absolut verstandene Unmittelbarkeit des Übergangs werde den praktischen Erfordernissen bei der Existenzgründung, die keinen punktuellen Vorgang darstelle, nicht gerecht (BT-Drucks 14/873 S 12; vgl aber weitergehend BT-Drucks 15/1515 S 78 zur Unmittelbarkeit iS eines Zeitraums von nicht mehr als einem Monat etwa bei § 28a SGB III; auch BSG SozR 4-4300 § 26 Nr 4 zu § 26 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB III aF). Eine vergleichbare Regelung wurde deshalb auch in die neuartige Leistung des Existenzgründungszuschusses nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III übernommen, die durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4621) vorübergehend (vgl § 421l Abs 5 SGB III) zum 1.1.2003 eingeführt wurde. Auch dieser Zuschuss wird bereits geleistet, wenn der Existenzgründer ua "in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat. Eines unmittelbar vorausgehenden Bezugs von Entgeltersatzleistungen bedarf es demgegenüber hier ebenfalls nicht, weil ausweislich der Gesetzesbegründung kurze Phasen der Vorbereitung auf die Selbständigkeit, zB eine Teilnahme an Existenzgründerseminaren, für einen erfolgreichen Übergang sinnvoll sein können (BT-Drucks 15/26 S 22 f). Trotz der partiell abweichenden Formulierung gilt dies in gleicher Weise für den Gründungszuschuss. Denn es handelt es sich um eine aus Elementen des Überbrückungsgeldes und des Eingliederungszuschusses zusammengefügte Leistung, welche inhaltlich an § 57 SGB III und § 421l SGB III in der zum Zeitpunkt ihrer Normierung maßgeblichen Fassung anknüpft(vgl auch Roos, NJW 2009, 8, 9). Dementsprechend weisen die Materialien ausdrücklich darauf hin, dass ua mit § 57 Abs 2 Nr 1 SGB III "notwendige und bewährte Voraussetzungen der bisherigen Regelungen übernommen" werden(BT-Drucks 16/1696 S 31, zu § 57 Abs 2).

24

cc) Die zum "engen zeitlichen Zusammenhang" beim Überbrückungsgeld ergangene Entscheidung des 11a. Senats vom 21.3.2007 - B 11a AL 11/06 R (= SozR 4-4300 § 57 Nr 2) ist damit für den Gründungzuschuss insoweit von Bedeutung, als der zeitliche Zusammenhang zwischen der Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit weiterhin unverändert zu bestimmen ist. Der 11a. Senat hat in der genannten Entscheidung zwar offen gelassen, ob für den erforderlichen Zusammenhang ein fester zeitlicher Rahmen vorgegeben werden muss, jedoch angenommen, dass die Wendung "in engem zeitlichen Zusammenhang" das Bestehen einer zeitlichen Lücke zwischen Leistungsbezug und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sogar nahe legt und sich an dem in der Gesetzesbegründung zum 2. SGB III-ÄndG angeführten Zeitraum von etwa einem Monat orientiert (BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 2 RdNr 11, 15). Dieser Zeitraum ist ausgehend von den für den erkennenden Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 in jedem Fall gewahrt.

25

c) Da dem Kläger für den 1.10.2006 Alg mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen zuerkannt, aber antragsgemäß lediglich für einen Tag Alg ausgezahlt worden ist, bestand zugleich ein "Restanspruch" mit einer Dauer von mindestens 90 Tagen bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III), welcher sich ggf um die Anzahl von Tagen mit Anspruch auf Gründungszuschuss mindert (vgl § 128 Abs 1 Nr 9 SGB III idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, aaO). Auf die Übergangsvorschrift zu der genannten Voraussetzung eines Restanspruchs von mindestens 90 Tagen (§ 434o SGB III) kommt es nach den Umständen des Falles somit nicht an.

26

2. Unabhängig davon lässt sich aber derzeit noch nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf den Gründungszuschuss zusteht. Denn das LSG hat - von seinem Standpunkt konsequent - noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger durch die Aufnahme einer selbständigen und hauptberuflichen Tätigkeit seine Arbeitslosigkeit beendet hat (§ 57 Abs 1 SGB III). Dabei wird - ausgehend vom aufgezeigten Sinn und Zweck des Förderinstruments (hierzu unter 1) - zu beachten sein, dass für das Merkmal der Beendigung von "Arbeitslosigkeit" iS des § 57 Abs 1 SGB III grundsätzlich Beschäftigungslosigkeit beendet worden sein muss(vgl Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 49, Stand März 2007; weitergehend Voelzke in Küttner, Personalbuch 2009, Gründungszuschuss <210> RdNr 15, und Stratmann in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 57 RdNr 7). Insbesondere fehlt es bislang aber an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen zur Tragfähigkeit (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III) sowie ferner dazu, ob und wann der Kläger seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt hat (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB III). Im Gegensatz zur früheren Rechtslage statuiert das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (aaO) dabei zum einen ein Nachweiserfordernis der objektiven Tragfähigkeit und zum anderen eine Darlegungslast des Existenzgründers hinsichtlich seiner subjektiven Eignung (vgl Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, RdNr 106 ff, 111 ff).

27

3. Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG auch darüber zu befinden haben, inwieweit außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten sind.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf einen Gründungszuschuss.

2

Der Kläger, dem für die Zeit ab 1.2.2007 Arbeitslosengeld (Alg) mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen bewilligt worden war, teilte der Beklagten im Juni 2007 im Rahmen einer Beratung über die Förderung durch Gründungszuschuss mit, er wolle ein Dönerrestaurant eröffnen und werde deshalb zum 2.7.2007 ein Gewerbe anmelden. Die Beklagte hob daraufhin die Alg-Bewilligung mit Wirkung ab 2.7.2007 auf (Restanspruch 91 Tage). Den am 18.7.2007 in schriftlicher Form eingereichten Antrag des Klägers auf Bewilligung eines Gründungszuschusses, dem ua eine fachkundige Stellungnahme und ein Mietvertrag sowie eine vorläufige Gaststättenerlaubnis beigefügt waren, lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe keine Gewerbeanmeldung vorgelegt (Bescheid vom 25.7.2007). Den Widerspruch des Klägers, dem dieser eine Gewerbeanmeldung zum 23.7.2007 beifügte, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, der Kläger habe eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit nicht am 2.7.2007 aufgenommen (Widerspruchsbescheid vom 30.8.2007).

3

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Gewährung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 12.6.2008). Im Berufungsverfahren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) erklärt, er habe sein Geschäft erst am 12.10.2007 eröffnet und beantrage den Gründungszuschuss erst ab diesem Zeitpunkt.

4

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 24.8.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Streitbefangen sei nur noch die Zeit ab 12.10.2007. Es handele sich insoweit nicht um eine Klageänderung, sondern um eine Beschränkung des Klageantrags. Ein Anspruch auf Gründungszuschuss ab 12.10.2007 bestehe nicht, weil der Kläger bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit keinen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehabt habe und somit die Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht erfülle. Beim Alg genüge nicht das Stammrecht, erforderlich sei vielmehr das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen. In der Literatur werde überwiegend Nahtlosigkeit zwischen Entgeltersatzleistungsanspruch und Existenzgründung gefordert. Jedenfalls dann, wenn der sich selbständig machende Arbeitslose noch einen Alg-Restanspruch von 91 Tagen habe, eine Unterbrechung des Leistungsbezugs von wenigen Wochen in Kauf nehme, die Selbständigkeit in dieser Zeit intensiv vorbereite und sich theoretisch am Tag vor der Geschäftseröffnung erneut arbeitslos melden könne, um für einen Tag Alg zu beziehen, sei der Tatbestand des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III erfüllt. Der Kläger habe jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass er die Zeit zwischen dem Ende des Alg-Bezugs und dem Beginn der Selbständigkeit (2.7.2007 bis 11.10.2007) intensiv mit Vorbereitungshandlungen genutzt habe. Jedenfalls führe eine Gesamtdauer von über zwölf Wochen zur Verneinung der Voraussetzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III. Zu entscheiden sei, inwieweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug der Entgeltersatzleistung und der Existenzgründung bestehen müsse. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang sei entgegen den Ausführungen des LSG sehr wohl gegeben. Er habe zwar erst am 12.10.2007 mit dem Verkauf von Speisen und Getränken begonnen, sei jedoch schon vorher mit Vorbereitungshandlungen beschäftigt gewesen.

6

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG vom 24.8.2009 und des SG vom 12.6.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 12.10.2007 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht deshalb, weil die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.8.2007 über einen Antrag auf Bewilligung eines Gründungszuschusses ab 2.7.2007 entschieden hat und der Kläger im gerichtlichen Verfahren die Gewährung der Leistung nur noch für die Zeit ab 12.10.2007 verlangt, an der Sachurteilsvoraussetzung des Vorverfahrens (§ 78 SGG). Den Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass sich das Klagebegehren weiterhin auf die Existenzgründung bezieht, die Gegenstand des bei der Beklagten gestellten Antrags war. Das LSG hat demgemäß in der vorgenommenen Umstellung des Klageantrags keine Klageänderung iS des § 99 Abs 1 SGG gesehen, sondern eine Beschränkung iS des § 99 Abs 3 Nr 2 SGG. Auszugehen ist somit davon, dass der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Lebenssachverhalt derselbe ist, aus dem der Kläger nun im gerichtlichen Verfahren seinen Anspruch ableitet (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 99 RdNr 3; Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 99 RdNr 8).

11

2. Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht an fehlender oder verspäteter Antragstellung (§§ 323 Abs 1, 324 Abs 1 SGB III). Ein wirksamer Antrag, der nach § 324 Abs 1 Satz 1 SGB III vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zu stellen ist, liegt selbst dann vor, wenn dieses Ereignis nicht erst - wie vom LSG angenommen - am 12.10.2007, sondern schon am 2.7.2007, also vor dem 18.7.2007, dem Tag des Eingangs des schriftlichen Antrags, eingetreten sein sollte (zur Frage des Zeitpunkts der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit siehe nachfolgend unter 3.d). Denn nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger bereits anlässlich seiner Vorsprache bei der Beklagten im Juni 2007 sinngemäß die Bewilligung eines Gründungszuschusses mündlich beantragt hat, was ausreichend ist. Denn die §§ 323, 324 SGB III verlangen nicht die Einhaltung einer besonderen Form(vgl BSG SozR 4-4300 § 217 Nr 2 RdNr 12).

12

3. Ob dem Kläger ein Anspruch auf Leistung eines Gründungszuschusses ab 12.10.2007 zusteht, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beantworten.

13

a) Die einschlägige Rechtsgrundlage ist § 57 SGB III in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706). Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss (Abs 1). Der Gründungszuschuss wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (Abs 2 Satz 1 Nr 1) ua einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Alg von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 Nr 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist (Abs 2 Satz 1 Nr 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (Abs 2 Satz 1 Nr 4).

14

b) Soweit der Gründungszuschuss nach § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III das vorherige Bestehen eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III erfordert, kommt nach den getroffenen Feststellungen nur ein Anspruch des Klägers auf Alg in Betracht. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass mit dem "Anspruch" auf Alg als Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III nicht lediglich ein einmal entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist, sondern dass die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs gegeben sein müssen (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vom Bestehen eines solchen Zahlungsanspruchs ist für die Zeit bis einschließlich 1.7.2007 auszugehen, da dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt Alg bewilligt worden ist. Für die Zeit nach dem 1.7.2007 ist jedoch den Feststellungen des LSG zu entnehmen, dass der Kläger jedenfalls mangels Verfügbarkeit (vgl § 119 Abs 1 Nr 3 SGB III in der 2007 geltenden Fassung) keinen Anspruch auf Alg mehr hatte.

15

c) Die sich aus § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a SGB III weiter ergebende Voraussetzung des Bestehens eines Anspruchs auf eine Entgeltersatzleistung "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" erfordert nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats entgegen einer im Schrifttum und in der Rechtsprechung der Tatsacheninstanzen vertretenen Auffassung nicht etwa Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem Alg-Anspruch. Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr ein enger zeitlicher Zusammenhang, der gewahrt ist, wenn zwischen dem Bestehen des Anspruchs auf die Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Zeitraum von nicht mehr als etwa einem Monat liegt (Urteil vom 5.5.2010, B 11 AL 11/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).

16

d) Entscheidungserheblich ist somit, ob der Kläger innerhalb eines Monats nach der letztmaligen Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg am 1.7.2007 die selbständige Tätigkeit, für die er den Gründungszuschuss begehrt, aufgenommen hat. Ob dies der Fall ist, kann anhand der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

17

Zwar hat das LSG entsprechend der vom Kläger im Berufungsverfahren abgegebenen Erklärung entscheidend auf den Zeitpunkt der "Geschäftseröffnung" am 12.10.2007 abgestellt und angenommen, dieser Tag sei der "Beginn der Selbständigkeit" und folglich auch die "Aufnahme" iS der einschlägigen Vorschrift. Aus diesen wie auch aus den sonstigen Ausführungen des LSG zum tatsächlichen Verhalten des Klägers in der Zeit ab Antragstellung ergibt sich jedoch keine das Bundessozialgericht (BSG) gemäß § 163 SGG bindende Feststellung, wonach davon auszugehen wäre, der Kläger habe erst am 12.10.2007 die selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III aufgenommen. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist vielmehr nur zu entnehmen, dass der Kläger in der Zeit ab Juli 2007 verschiedene Vorbereitungshandlungen wie Abschluss eines Mietvertrages oder Anmeldung eines Gewerbes vorgenommen hat und dass er dann am 12.10.2007 mit dem eigentlichen Geschäftsbetrieb, nämlich dem Verkauf von Speisen und Getränken, begonnen hat. Diese Feststellungen lassen den genauen Zeitpunkt der "Aufnahme" iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III offen.

18

Das Gesetz umschreibt nicht näher, was unter der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu verstehen ist. Eine ausdrückliche Regelung, aus der zu schließen wäre, dass die Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen wird, also Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht werden, existiert nicht. Soweit das BSG zu einer früheren Fassung des § 57 SGB III, die ebenfalls die Tatbestandsvoraussetzung der "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" enthielt, ausgeführt hat, eine solche Tätigkeit werde mit der erstmaligen Vornahme einer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Handlung mit Außenwirkung aufgenommen(BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11 mit Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.3.1997, L 13 Ar 2633/95), bleibt ebenfalls offen, inwieweit Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung einzubeziehen sind. Aus den weiteren Ausführungen des BSG in der vorgenannten Entscheidung wird jedoch deutlich, dass der genaue Zeitpunkt der "Aufnahme" maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhängt (uU auch von einem formalen Akt der Zulassung, vgl BSG aaO RdNr 11).

19

Eine an den Umständen des Einzelfalles orientierte Betrachtungsweise entspricht auch dem offenen Gesetzeswortlaut und dem Zweck des § 57 SGB III, eine gezielte Förderung zu erreichen und die Nachhaltigkeit von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit zu stärken(vgl BT-Drucks 16/1696 S 31, zu § 57 Abs 2). Da im Übrigen eine Existenzgründung regelmäßig keinen punktuellen Vorgang darstellt (vgl BT-Drucks 14/873 S 3, zu § 57 SGB III idF des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21.7.1999, BGBl I 1648), geht der Senat davon aus, dass eine selbständige Tätigkeit iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III schon vor der eigentlichen "Geschäftseröffnung" - also beispielsweise dem Beginn der Warenproduktion, die den Gegenstand des Unternehmens darstellt - aufgenommen worden sein kann. Unter bestimmten Umständen kann eine "Aufnahme" also schon vorliegen, wenn vorbereitende Tätigkeiten durchgeführt werden (so zutreffend Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 57 RdNr 39, Stand März 2010; Link/Kranz, Der Gründungszuschuss für Existenzgründer, 2007, RdNr 63; aA offenbar Stark in NK-SGB III, 3. Aufl, § 57 RdNr 55). Die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung macht es jedoch erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als "Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten (vgl BSG SozR 4-4300 § 57 Nr 1 RdNr 11; Link in Eicher/Schlegel aaO; Winkler, info also 2006, 195, 196) und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind (vgl BSG aaO; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.4.2010, L 1 AL 39/09 ZVW).

20

Ausgehend von diesen Maßstäben kann nach dem Stand der bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger seine selbständige Tätigkeit durch Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung wie die Anmietung von Geschäftsräumen oder die Gewerbeanmeldung oder die Erwirkung einer Gaststättenerlaubnis bereits im Juli 2007, also in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg, aufgenommen hat. Ob die durchgeführten Maßnahmen allerdings ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftseröffnung ausgerichtet gewesen sind, hängt von den näheren Umständen und insbesondere davon ab, wie der Kläger sein Gesamtkonzept umgesetzt hat. Von Bedeutung ist vor allem, in welcher Weise der Kläger nach der Anmietung der Räume und der Anmeldung des Gewerbes im Juli 2007 sein Existenzgründungsvorhaben in der verbleibenden Zeit bis Oktober 2007 im Einzelnen betrieben hat. Die nötige Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit könnte etwa fehlen, wenn der Kläger im Anschluss an die im Juli vorgenommenen Vorbereitungshandlungen über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben sein sollte. Das LSG wird hierzu die notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

21

e) Sollten die weiteren Feststellungen ergeben, dass der Kläger die selbständige Tätigkeit bereits im Juli 2007 aufgenommen hat, wird das LSG Gelegenheit haben, näher auszuführen, inwieweit die weiteren Voraussetzungen des § 57 SGB III (s oben unter a) erfüllt sind.

22

4. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer

1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.

(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.